Friedrich der Große
Aus den Politischen Testamenten
Friedrich der Große

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Politik

Politik ist die Kunst, mit allen geeigneten Mitteln stets den eigenen Interessen gemäß zu handeln. Dazu muß man seine Interessen kennen, und um diese Kenntnis zu erlangen, bedarf es des Studiums, geistiger Sammlung und angestrengten Fleißes.

Die Politik der Herrscher zerfällt in zwei Teile. Der eine betrifft die innere Verwaltung; er umfaßt die Interessen des Staates und die Erhaltung des Regierungssystems. Der zweite Teil schließt das ganze politische System Europas in sich und verfolgt das Ziel, die Sicherheit des Staates zu befestigen und, soweit möglich (auf gewohnten und erlaubten Wegen), die Zahl der Besitzungen, die Macht und das Ansehen des Fürsten zu mehren.

Innere Politik

Die Finanzwirtschaft, die ich soeben dargelegt habe, bildet einen Teil der inneren Politik. Aber das ist nicht alles. Noch mancherlei ist zu beachten. Zunächst gilt es, den Geist der Völker, die man regieren soll, zu erfassen, damit man weiß, ob sie mild oder streng regiert werden müssen, ob sie rebellisch sind, ob sie zu Unruhen, Intriguen, zur Spottlust usw. neigen, worin ihre Talente bestehen und zu welchen Ämtern sie sich am meisten eignen. Die nachfolgenden Urteile über die Völker, die ich zu regieren die Ehre habe, beziehen sich nur auf den Durchschnitt. Davon sind stets einige auszunehmen, die edler oder lasterhafter veranlagt sind als ihre Mitbürger.

Charakteristik der Provinzen

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Ostpreußen feinen und gelenken Geistes sind, daß sie Geschmeidigkeit besitzen (die in Abgeschmacktheit ausartet sobald sie nicht aus ihrer Provinz herauskommen). Man beschuldigt sie der Falschheit, aber ich glaube nicht, daß sie falscher sind als andere. Viele Ostpreußen haben gedient und dienen noch mit Auszeichnung, sowohl im Heere wie in der Verwaltung. Aber ich würde wider besseres Wissen handeln, wollte ich einen einzigen von denen, die ich persönlich kennen gelernt habe, der Falschheit bezichtigen.

Die Pommern haben einen geraden und schlichten Sinn. Unter den Untertanen aller Provinzen eignen sie sich am besten für den Kriegsdienst wie für alle anderen Ämter. Nur mit diplomatischen Verhandlungen möchte ich sie nicht betrauen, weil ihr Freimut nicht für Geschäfte paßt, bei denen man der Schlauheit mit Schläue begegnen muß.

Der Adel der Kurmark ist genußsüchtig. Er besitzt weder den Geist der Ostpreußen noch die Solidität der Pommern. Der magdeburgische Adel besitzt mehr Scharfsinn und hat einige große Männer hervorgebracht.

Die Niederschlesier sind das, was man brave Menschen nennt, etwas beschränkt: das ist aber nur die Folge ihrer schlechten Erziehung. Sie sind eitel, lieben Luxus, Verschwendung und Titel, hassen stetige Arbeit und den zähen Fleiß, den die militärische Zucht erfordert. Wer dem schlesischen Adel eine bessere Erziehung beibringt, wird ihm wie Prometheus das himmlische Feuer schenken. Der oberschlesische Adel besitzt die gleiche Eitelkeit, dabei mehr Geist, aber auch weniger Anhänglichkeit an die preußische Regierung, da er stockkatholisch ist und die Mehrzahl seiner Verwandten unter österreichischer Herrschaft steht.

Die Edelleute der Grafschaft Mark und des Mindener Landes haben dem Staate gute Untertanen geliefert. Bei ihrer etwas groben Erziehung fehlt ihnen der Schliff des Weltmanns. Aber sie haben dafür ein Talent, das höher steht: sie machen sich dem Vaterlande nützlich.

Der Klevische Adel ist dumm, wirr und im Rausche gezeugt. Er besitzt weder angeborene noch erworbene Talente.

Im großen und ganzen stellt der Adel eine Körperschaft dar, die Achtung verdient. Besonders hebe ich den pommerschen, ostpreußischen, märkischen und magdeburgischen Adel, sowie den Adel von Minden und der Grafschaft Mark hervor. Dieser würdige Adel hat Gut und Blut im Dienste des Staates geopfert. Seine Treue und seine Verdienste müssen ihm den Schutz aller seiner Herrscher sichern. Es ist ihre Pflicht, die verarmenden Familien zu unterstützen und sie im Besitze ihrer Güter zu erhalten. Denn der Adelsstand bildet die Grundlage und die Säulen des Staates.

Geist des Volkes

In Preußen sind keine Parteiungen und Empörungen zu befürchten. Der Herrscher braucht nur milde zu regieren und sich vor einigen verschuldeten oder unzufriedenen Edelleuten oder vor einigen Domherren und Mönchen in Schlesien zu hüten. Aber auch die sind keine offenen Feinde: ihre Machenschaften beschränken sich auf Spionendienste für unsere Feinde.

Nur bei wenigen Anlässen ist Strenge geboten. Ich habe bisher das Glück gehabt, mehr über Mangel an Belohnungen für verdiente Männer als über Mangel an Gefängnissen zur Einsperrung von Missetätern klagen zu müssen.

Außer diesen allgemeinen und allzu unbestimmten Kenntnissen muß der Herrscher Menschenkenntnis besitzen und die Leute ergründen, deren er sich bedienen will. Er muß ihre Verdienste ihre starken und schwachen Seiten in Erfahrung bringen, um jeden seinen Fähigkeiten entsprechend zu verwenden. Herrscher, die ihre Minister und Generale allein nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilen, übertragen die Verwaltung ihrer Finanzen einem Schurken von liebenswürdigem Äußern, eine kühne Unternehmung im Felde einem langsamen General, den sie für tatenlustig hielten, einen Auftrag, der Klugheit erheischt, einem Leichtfuß, der die Ehre genießt, ihnen Kuppeldienste zu leisten. Dadurch verderben sie alles. Nur wenige Menschen sind ohne Talent geboren. Jeden auf den rechten Platz stellen, heißt doppelten Vorteil aus allen ziehen. Dann täuscht man sich nicht und gibt dem Staatskörper erhöhte Kraft und Stärke, weil alles in seinem Dienste steht und alles nützliche Dienste zu leisten vermag.


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