Gustav Freytag
Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone
Gustav Freytag

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Die Kaiserkrone.

Preuße und Schwabe.

(»Im Neuen Reich« 1871, Nr. 1.)

Schwabe.
Woher, Geselle?

Preuße.                     Heimwärts aus blutgetränktem Feld.
Im Sturm zerflogen sah ich der Feinde Heergezelt;
Das Größte lebt' ich: Siegruf und todverachtend Sterben,
Ein Reich, das neidisch arge, geschlagen in hundert Scherben.

Schwabe.
Auch uns daheim bescherte die Zeit ersehntes Glück;
Verlorne Reichsgenossen warb unser Schwert zurück,
Die Herzen der Deutschen schlagen einträchtig jetzt zusammen,
Verbrannt sind kleine Fehden in hellen Kriegesflammen,
Geschirrt an einen Wagen Germaniens edle Rosse.

Preuße.
Sie schnauben hart gebändigt im großen Heerestrosse.
Ungleich sind die Geschirre; 's ist schnelle Lagermache,
Der Sattler war in Eile.

Schwabe.                           Zu bessern sei die Sache
Des Volkes und des Lenkers auf hocherhöhter Bank.

Preuße.
Hui, ich versteh! Ihr Knaben erhebt den Festgesang:
Kiffhäuser heißt ein Hügel in Schwarzburg-Rudolstadt,
Dort haust in Spinneweben die Kaisermajestat.

Schwabe.
Sei ernsthaft. Alt Verblichnes lebt auf in schönrem Glanz,
Die Krone liegt in Arbeit.

Preuße.                                 So eifrig hatte man's?

Schwabe.
Wir stehn in alter Reichsstadt; gewandelt siehst du heut
Den Bilderschmuck der Straße, der sich den Käufern beut.
Vor Kurzem wart ihr Preußen ein gern entbehrter Schatz,
Heut prangt das Bild des Königs an jedem Ehrenplatz.
Schau hier die beiden Helden, den Vater und den Sohn,
Die Kraftgestalten fügen sich gut zum höchsten Thron! –

Preuße.
Ich grüß' euch, hohe Herren! Ihr führt als Königschmuck
Den Helm von hartem Leder; ihr trugt ihn stolz genug.
Jetzt haben die Fürsten Deutschlands den Kaiserreif gebracht,
Sie haben widerwillig das eigne Heil bedacht,
Durch sie nur und mit ihnen hat Kaiserwürde Sinn.
Jetzt seid ihr gesellt den andern, als erste, wohl, weithin
Vom Niemen bis zur Mosel! – Bisher doch wart ihr mehr:
Heerkönige des Volkes, den Fremden starke Beschwer,
Unheimlich, stets verdächtig, wie dunkle Wetterwolke. –
Blutbrüderschaft verbindet euch Jedem aus eurem Volke
Zum Leben wie zum Tode. Das Amt die höchste Ehr',
Sehr streng die Zucht, die Arbeit, die zugemeßne, schwer,
Gering oft das Behagen im engen Haus! Und doch
Hingab' und Treu' im Dienen. Es sieht der Kleinste noch
Ehrfürchtig und vertraulich nach eurem Haupte hin,
Das schwere Amt des Königs liegt immer in seinem Sinn;
Ihr dient, wie er, für Alle, Werkmeister in eurem Staat.
Und schlagt ihr an den Heerschild, dann weicht zu blut'ger That
Von Weib und Kind der Vater, er zieht in euren Streit
Nicht opferfroh, nicht eitel, 's ist seine Schuldigkeit,
Wie eure. Ob hinten im Rücken sein kleiner Acker versande,
Die Liebsten darben und sterben, er gehört zuerst dem Lande,
Wie ihr. Und liegt am Abend zu Tode getroffen der Mann.
Dann reitet ihr über die Walstatt im Donner der Schlacht heran,
Walküren des Todes und Sieges. Der Wunde rafft sich empor
Und ruft sein schwaches Hurrah euch grüßend an das Ohr.
Ihr schwingt vom Roß zum Boden und beugt euch über ihn her,
Zwei Preußen sehn sich ins Antlitz, – ihr seid bereit, wie er,
Der starke Zwang des Staates, das ist der Preußen Ruhm,
Die Brüderschaft im Heere der Zollern Königthum!
Viel Großes sah ich bei Fremden, so stolze Krone nicht,
Viel Schönes gedeiht dort besser, doch nirgend so hohe Pflicht.

Schwabe.
Und meinst du, daß neuer Name so feste Treue bricht?

Preuße.
Wir sind als Königsleute zu rühmlichem Volk geworden,
Wir haben alle Deutsche geladen in unsern Orden
Durch Brudergruß und Waffen; wir halten im Eisenring
Die deutschen Völker zusammen, der goldne gilt gering.
Soll unser König von Fürsten verliehene Krone tragen?
Beim Geist des großen Friedrich, das will uns nicht behagen.

Schwabe.
Die Fürsten bringen die Krone, sie küren auch sich den Herrn,
Dem Volk den höchsten Walter; nicht jeder fügt sich gern.
Die alten Herrengeschlechter bewahren stolzen Muth,
Gleich schätzt sich jeder dem andern in deutschem Fürstenhut,
Sie wissen, daß sie ein Opfer gemeinem Wohl gebracht.

Preuße.
Nicht goldnen Schein, das Wesen begehren wir der Macht.

Schwabe.
Doch wenn der Herrschaft Wesen zugleich am Scheine hängt?
Wenn Kaiserwille fester die Seelen im Volke lenkt?
Gewaltig schallt der Name des Kaisers über den Main,
Er läutet wie Kirchenglocken euch den Gehorsam ein;
Der Goldring macht zum Erben uralter Herrlichkeit,
Daß Herrschaft herrlich werde, war Wunsch zu jeder Zeit;
Euch Preußen vermochten lange die Fürsten zu widerstehen,
Doch nimmer dem deutschen Kaiser.

Preuße.                                                     Sie haben sich vorgesehen,
Verbrieft sind ihre Rechte.

Schwabe.                                 Doch auch die Kaisermacht;
Daß ihr euch der Macht enthaltet, das hat wohl Niemand gedacht.

Preuße.
Verständig mahnst du. Dennoch bleibt stille Sorge zurück,
Wir kleinen Leute bedenken der Herren eignes Glück,
Um Thron und Krone schweben neidmuthig finstre Gewalten,
Wir möchten die Zucht der Zollern auch spätem Geschlecht erhalten,
Ob sie gesund uns dauern, das ist's, was am tiefsten härmt.
Ich sah ein Volk der Bienen, das ohne Weisel schwärmt,
Das Haus der alten Gebieter ist drüben im Keltenland
Verfürstet und verdorben, vom Grund der Väter gebannt;
Jetzt wählen sie und verscheuchen durch tönendes Wort im Saal,
Durch Bürgerkrieg auf den Gassen, wohl lange währt die Qual.
Was wahrte den Hohenzollern die starke Jugendkraft?
Sie stehn mit den deutschen Völkern in Bundgenossenschaft,
Mit uns – nicht gegen die Fürsten, wenn diese unser gedacht,
Doch gegen eitles Begehren und hohe Niedertracht.
Das hat die Fürstenwillkür stets unsern Herren gebändigt,
Das hat in gutem Frieden stets innern Zwist beendigt,
Thatlustig hob es den Greisen, dem Tapfern mehrt' es die Tugend,
Daß sie um Deutschland warben, schuf ihnen die holde Jugend.

Schwabe.
Gewandelt ist das Kampffeld, es bleibt der alte Streit,
Jetzt hält das deutsche Banner der Kaiser im Waffenkleid.

Preuße.
Du sagst es. Nur besorg' ich, der alte Cäsarenname
Erregt ein graulich Gewölke vom staubigen Trödelkrame.
Der Herold schon enthebt sich dem Grab und sinnt zur Stelle
Wie er dem Preußensilber das Kaisergelb geselle,
Und kratzt auf jeden Eckstein sein kaiser-königlich.
Die Stufenleiter der Edeln stellt hoch und höher sich,
Erz-alte Würden erstehen gehüllt in Puppenkleider
Von neuer Prachterfindung der Tapezier' und Schneider.
Wir werden für junge Prinzen die hohe Fürstenschule,
Ein jeder rückt sein Stühlchen zum sammtnen Kaiserstuhle,
'S wird modisch, daß höchster Adel in Waffen zu Hofe geh',
Breit lagert in Heer und Hallen der Cötus A und B,
Manch tapferer Knabe darunter, manch einer vom besten Schlag,
Die meisten Rippesarbeit, zu fein für den Werkeltag,
Wir haben an Prinz-Generälen und hohen Orden genug,
Den Zuwachs heranzulächeln vermeidet der Preuße mit Fug,
Volkshüter nennst du den Kaiser? er wird auch Fürstenwirth,
Der trotzige Bankgenossen durch edle Spenden kirrt, –
Das alles ist einzeln wenig, im Schwarme wird es Fluch,
Es drängt sich in jede Stunde, es füllt das Pflichtenbuch
Des Tages, es legt sich als Nebel inzwischen Volk und Herrn.
Den alten Cäsarenfrevel hält deutsche Ordnung fern,
Nicht mehr das Ungeheure verstört den Fürsten die Tage,
Das thut das Kleine, Gemeine: die ewige Hatz, die Plage
Des prächtigen Scheins, die Sorge nie Einem zu schaffen Leid,
Die wirkungsfrohe Verschwendung der Liebenswürdigkeit.
Sieh, darum ist mir leidig das rostige Kaiserschwert,
Weil es geliebten Herren Gefahr des Amtes mehrt.
Die als geprüfte Männer jetzt unter Krone gehn,
Sie mögen allem Bedrängniß der Würde widerstehn,
Doch Andre kommen.

Schwabe.                         Es fordert sich jede Zeit den Mann,
Das Volk selbst zieht sich die Fürsten, ob gut, ob arg heran;
Was Sehnsucht Vieler gewesen im letztvergangnen Geschlecht,
Zum Throne steigt es im nächsten und fordert sich Herrenrecht,
Lieb oder leid dem Volke; was Fehler des Volkes war,
Das wird wie im Gegenlichte durch That der Fürsten klar,
Denn Sklavensinn der Diener macht Fürstennacken steif,
Geschmeidig Fügen des Volkes beschwerlich den Kronenreif.
Drum sinnen wir nicht um Jene, nur daß wir selbst bestehn,
Wenn unsere Söhn' einst prüfend auf Arbeit der Väter sehn:
Ehrbare Zucht im Hause, Muth freier Männer im Staat;
Und sonst schafft jede Zukunft sich selber den besten Rath.

Preuße.
Zu guter Stunde mahnst du. Indem wir Zeichen deuten
Verkündet den Deutschen ihr Neujahr vom Thurm das Glockenläuten.
Und so den lieben Häuptern der Fürsten zugewandt,
Erfleh' ich Heil und Segen dem großen Vaterland:
Nach harter Schlachtenarbeit sei heißersehnter Frieden,
Die alte Königstreue sei neuem Reich beschieden.



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