Gustav Freytag
Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone
Gustav Freytag

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Die folgenden Blätter wären nach dem Ableben Kaiser Friedrich's gedruckt worden, wenn nicht andere Veröffentlichungen, und was mit ihnen zusammenhing, dem Verfasser verleidet hätten, sich während einer unerfreulichen Aufregung über die Person des theuern Toten zu äußern. Jetzt in einer Zeit größerer Ruhe möge man diesen kleinen Beitrag zur Entstehungsgeschichte der deutschen Kaiserwürde wohlwollend aufnehmen. Er vermag freilich nur zu berichten, wie als Wunsch in der Seele des Kronprinzen gelebt hat, was später Thatsache wurde.

Seit achtzehn Jahren besteht das deutsche Kaiserthum, es ist bereits fest gewurzelt in dem Gemüth und dem politischen Leben des Volkes, es ist Ehre und Stolz von Millionen geworden, auch seine Reichsverfassung hat sich als eine dauerhafte Schöpfung erwiesen und wird neben dem Vielen, was die Nation dem Fürsten Bismarck zu danken hat, in Zukunft vielleicht als eine besonders staatskluge Bildung betrachtet werden. Wenn nun der Schreiber dieser Zeilen bekennt, daß er selbst im Jahre 1870 der Kaiserkrone über einem deutschen Staatsbau abgeneigt gegenüberstand, so muß er sich gefallen lassen, daß die Leser von seinem politischen Scharfblick eine ungünstige Meinung erhalten. Dennoch wird ihnen zugemuthet, auch von dieser überwundenen Auffassung etwas zu vernehmen, denn in Wahrheit war dieselbe im Jahre 1870 nicht die Ansicht eines Einzelnen, sondern vieler Männer, ja die herrschende Meinung in Norddeutschland. Es ist jetzt unnütz zu fragen, ob eine andere Form der Vereinigung deutscher Stämme gedeihlicher geworden wäre, auch würde solche Frage, wenn sie aufgeworfen werden sollte, wahrscheinlich durch allgemeinen Zuruf verneint werden. Aber die damalige Stimmung im Volke ist auch eine geschichtliche Thatsache, welche die Begeisterung des preußischen Thronfolgers für die Kaiserkrone zum Gegensatz hatte, und welche vielleicht die bedächtigen Erwägungen des Bundeskanzlers beeinflußt hat.

Der Verfasser entnahm die folgenden kurzen Mittheilungen, welche den Kronprinzen betreffen, aus den Aufzeichnungen, die er sich im Feldlager gemacht hatte, und aus Briefen, die er von dort an einen Freund schrieb. Wenn er hier auch über die Persönlichkeit des späteren Kaisers Friedrich, wie sie ihm erschienen ist, geurtheilt hat, ehrlich und mit einem Herzen voll Pietät, so hält er dies als geborner Preuße für sein Recht; er hat durch ein langes Leben treu an dem Geschlechte der Hohenzollern gehangen und ist Toten und Lebenden für manchen Huldbeweis verpflichtet, aber er ist nicht im Stande, vor der höchsten Erdenhoheit sein Urtheil gefangen zu geben, und er ist der Meinung, daß den Gebietern unseres Staates besser gedeihen muß über solche zu herrschen, welche sich eine selbständige Auffassung bewahren, als über die, welche Nacken und Meinung gefügig beugen.

Dagegen hat er Entschuldigung dafür zu erbitten, daß einige Aufsätze hinzugefügt sind, die bereits um 1870 gedruckt wurden, ja sogar ein Gedicht, welches 1871 in der ersten Nummer der Zeitschrift »Im Neuen Reich« erschien. Diese Stücke wurden dem Kronprinzen geschrieben, damit er sie lese, und der hohe Herr hat in seiner Herzensgüte dem Verfasser seinerzeit bestätigt, daß er die wohlmeinende Absicht verstanden habe.


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