Sigmund Freud
Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten
Sigmund Freud

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149 C. Theoretischer Teil

VI
Die Beziehung des Witzes zum Traum und zum Unbewußten

Zu Ende des Abschnittes, der sich mit der Aufdeckung der Witztechnik beschäftigte, haben wir (S. 85) ausgesprochen, daß die Vorgänge der Verdichtung mit und ohne Ersatzbildung, der Verschiebung, der Darstellung durch Widersinn, durch das Gegenteil, der indirekten Darstellung u. a., welche wir an der Herstellung des Witzes beteiligt fanden, eine sehr weitgehende Übereinstimmung mit den Vorgängen der »Traumarbeit« zeigen, und haben uns vorbehalten, einerseits diese Ähnlichkeiten sorgfältiger zu studieren, anderseits das Gemeinsame von Witz und Traum, welches sich solcherart anzudeuten scheint, zu erforschen. Die Ausführung dieser Vergleichung wäre uns sehr erleichtert, wenn wir das eine der Verglichenen – die »Traumarbeit« – als bekannt annehmen dürften. Wir tun aber wahrscheinlich besser daran, diese Annahme nicht zu machen; ich habe den Eindruck empfangen, als ob meine im Jahre 1900 veröffentlichte Traumdeutung mehr »Verblüffung« als »Erleuchtung« bei den Fachgenossen hervorgerufen hätte, und weiß, daß weitere Leserkreise sich damit begnügt haben, den Inhalt des Buches auf ein Schlagwort (»Wunscherfüllung«) zu reduzieren, das sich leicht behalten und bequem mißbrauchen läßt.

In der fortgesetzten Beschäftigung mit den dort behandelten Problemen, zu der mir meine ärztliche Tätigkeit als Psychotherapeut reichlich Anlaß gibt, bin ich aber auf nichts gestoßen, was eine Veränderung oder Verbesserung meiner Gedankengänge von mir gefordert hätte, und kann darum in Ruhe abwarten, bis das Verständnis der Leser mir nachgekommen ist oder bis eine einsichtige Kritik mir die Grundirrtümer meiner Auffassung nachgewiesen hat. Zum Zwecke der Vergleichung mit dem Witze werde ich hier das Notwendigste über den Traum und die Traumarbeit in gedrängter Kürze wiederholen.

Wir kennen den Traum aus der uns meist fragmentarisch scheinenden 150 Erinnerung, die sich nach dem Erwachen an ihn einstellt. Er ist dann ein Gefüge von meist visuellen (aber auch andersartigen) Sinneseindrücken, die uns ein Erleben vorgetäuscht haben und unter welche Denkvorgänge (das »Wissen« im Traum) und Affektäußerungen gemengt sein mögen. Was wir so als Traum erinnern, das heiße ich den »manifesten Trauminhalt«. Derselbe ist häufig völlig absurd und verworren, andere Male nur das eine oder das andere; aber auch wenn er ganz kohärent ist wie in manchen Angstträumen, steht er unserem Seelenleben als etwas Fremdes gegenüber, von dessen Herkunft man sich keine Rechenschaft zu geben vermag. Die Aufklärung für diese Charaktere des Traumes wurde bisher in ihm selbst gesucht, indem man dieselben als Anzeichen einer unordentlichen, dissoziierten und sozusagen »verschlafenen« Tätigkeit der nervösen Elemente ansah.

Dagegen habe ich gezeigt, daß der so sonderbare »manifeste« Trauminhalt regelmäßig verständlich gemacht werden kann als die verstümmelte und abgeänderte Umschrift gewisser korrekter psychischer Bildungen, die den Namen »latente Traumgedanken« verdienen. Man verschafft sich die Kenntnis derselben, indem man den manifesten Trauminhalt ohne Rücksicht auf seinen etwaigen scheinbaren Sinn in seine Bestandteile zerlegt und dann die Assoziationsfäden verfolgt, die von jedem der nun isolierten Elemente ausgehen. Diese verflechten sich miteinander und leiten endlich zu einem Gefüge von Gedanken, welche nicht nur völlig korrekt sind, sondern auch leicht in den uns bekannten Zusammenhang unserer seelischen Vorgänge eingereiht werden. Auf dem Wege dieser »Analyse« hat der Trauminhalt all seine uns befremdenden Sonderbarkeiten abgestreift; wenn uns aber die Analyse gelingen soll, müssen wir während derselben die kritischen Einwendungen, die sich unausgesetzt gegen die Reproduktion der einzelnen vermittelnden Assoziationen erheben, standhaft zurückweisen.

Aus der Vergleichung des erinnerten manifesten Trauminhalts mit den so gefundenen latenten Traumgedanken ergibt sich der Begriff der »Traumarbeit«. Als Traumarbeit wird die ganze Summe der umwandelnden Vorgänge zu bezeichnen sein, welche die latenten Traumgedanken in den manifesten Traum überführt haben. An der Traumarbeit haftet nun das Befremden, welches vorhin der Traum in uns erregt hatte.

Die Leistung der Traumarbeit kann aber folgender Art beschrieben werden: Ein meist sehr kompliziertes Gefüge von Gedanken, welches während des Tages aufgebaut worden ist und nicht zur Erledigung 151 geführt wurde – ein Tagesrest –, hält auch während der Nacht den von ihm in Anspruch genommenen Energiebetrag – das Interesse – fest und droht eine Störung des Schlafes. Dieser Tagesrest wird durch die Traumarbeit in einen Traum verwandelt und für den Schlaf unschädlich gemacht. Um der Traumarbeit einen Angriffspunkt zu bieten, muß der Tagesrest wunschbildungsfähig sein, eine nicht eben schwer zu erfüllende Bedingung. Der aus den Traumgedanken hervorgehende Wunsch bildet die Vorstufe und später den Kern des Traumes. Die aus den Analysen stammende Erfahrung – nicht die Theorie des Traumes – sagt uns, daß beim Kinde ein beliebiger vom Wachleben erübrigter Wunsch hinreicht, einen Traum hervorzurufen, der dann zusammenhängend und sinnreich, meist aber kurz ausfällt und leicht als »Wunscherfüllung« erkannt wird. Beim Erwachsenen scheint es allgemeingültige Bedingung für den traumschaffenden Wunsch, daß er dem bewußten Denken fremd, also ein verdrängter Wunsch sei, oder doch, daß er dem Bewußtsein unbekannte Verstärkungen haben könne. Ohne Annahme des Unbewußten in dem oben dargelegten Sinne wüßte ich die Theorie des Traumes nicht weiter zu entwickeln und das Erfahrungsmaterial der Traumanalysen nicht zu deuten. Die Einwirkung dieses unbewußten Wunsches auf das bewußtseinskorrekte Material der Traumgedanken ergibt nun den Traum. Letzteres wird dabei gleichsam ins Unbewußte herabgezogen, genauer gesagt, einer Behandlung ausgesetzt, wie sie auf der Stufe der unbewußten Denkvorgänge vorkömmlich und für diese Stufe charakteristisch ist. Wir kennen die Charaktere des unbewußten Denkens und dessen Unterschiede vom bewußtseinsfähigen »vorbewußten« bisher nur aus den Ergebnissen eben der »Traumarbeit«.

Eine neuartige, nicht einfache und den Denkgewohnheiten widersprechende Lehre kann bei gedrängter Darstellung an Klarheit kaum gewinnen. Ich kann mit diesen Auseinandersetzungen also nichts anderes bezwecken, als auf die ausführlichere Behandlung des Unbewußten in meiner Traumdeutung und auf die mir höchst bedeutungsvoll erscheinenden Arbeiten von Lipps zu verweisen. Ich weiß, daß wer im Banne einer guten philosophischen Schulbildung steht oder entfernt von einem sogenannten philosophischen System abhängt, der Annahme des »Unbewußt Psychischen« in Lipps' und meinem Sinne widerstrebt und dessen Unmöglichkeit am liebsten aus der Definition des Psychischen beweisen möchte. Aber Definitionen sind konventionell und lassen sich abändern. Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, daß Personen, welche das Unbewußte als absurd oder unmöglich bestreiten, ihre Eindrücke 152 nicht an den Quellen geholt hatten, aus denen wenigstens für mich die Nötigung zur Anerkennung desselben geflossen ist. Diese Gegner des Unbewußten hatten nie den Effekt einer posthypnotischen Suggestion mit angesehen, und was ich ihnen als Probe aus meinen Analysen bei nicht hypnotisierten Neurotikern mitteilte, versetzte sie in das größte Erstaunen. Sie hatten nie den Gedanken realisiert, daß das Unbewußte etwas ist, was man wirklich nicht weiß, während man durch zwingende Schlüsse genötigt wird, es zu ergänzen, sondern etwas Bewußtseinsfähiges darunter verstanden, an was man gerade nicht gedacht hatte, was nicht im »Blickpunkt der Aufmerksamkeit« stand. Sie hatten auch nie versucht, sich von der Existenz solcher unbewußter Gedanken in ihrem eigenen Seelenleben durch eine Analyse eines eigenen Traumes zu überzeugen, und wenn ich eine solche mit ihnen versuchte, konnten sie ihre eigenen Einfälle nur mit Verwunderung und Verwirrtheit aufnehmen. Ich habe auch den Eindruck bekommen, daß der Annahme des »Unbewußten« wesentlich Affektwiderstände im Wege stehen, darin begründet, daß niemand sein Unbewußtes kennenlernen will, wo es dann am bequemsten ist, dessen Möglichkeit überhaupt zu leugnen.

Die Traumarbeit also, zu der ich nach dieser Abschweifung zurückkehre, setzt das in den Optativ gebrachte Gedankenmaterial einer ganz eigentümlichen Bearbeitung aus. Zunächst macht sie den Schritt vom Optativ zum Präsens, ersetzt das: »O möchte doch« – durch ein: Es ist. Dies »Es ist« ist zur halluzinatorischen Darstellung bestimmt, was ich als die »Regression« der Traumarbeit bezeichnet habe; der Weg von den Gedanken zu den Wahrnehmungsbildern, oder wenn man mit Bezug auf die noch unbekannte – nicht anatomisch zu verstehende – Topik des seelischen Apparats sprechen will, von der Gegend der Denkbildungen zu der der sinnlichen Wahrnehmungen. Auf diesem Wege, welcher der Entwicklungsrichtung der seelischen Komplikationen entgegengesetzt ist, gewinnen die Traumgedanken Anschaulichkeit; es stellt sich schließlich eine plastische Situation heraus als Kern des manifesten »Traumbildes«. Um solche sinnliche Darstellbarkeit zu erreichen, haben die Traumgedanken eingreifende Umgestaltungen ihres Ausdrucks erfahren müssen. Aber während der Rückverwandlung der Gedanken in Sinnesbilder treten noch weitere Veränderungen an ihnen auf, die zum Teil als notwendige begreiflich, zum anderen Teil überraschend sind. Als notwendigen Nebenerfolg der Regression begreift man, daß fast alle Relationen innerhalb der Gedanken, welche dieselben gegliedert haben, für den manifesten Traum verlorengehen. Die Traumarbeit übernimmt 153 sozusagen nur das Rohmaterial der Vorstellungen zur Darstellung, nicht auch die Denkbeziehungen, die sie gegeneinander einhielten, oder sie wahrt sich wenigstens die Freiheit, von diesen letzteren abzusehen. Hingegen können wir ein anderes Stück der Traumarbeit nicht von der Regression, der Rückverwandlung in Sinnesbilder, ableiten, gerade jenes, welches uns für die Analogie mit der Witzbildung bedeutsam ist. Das Material der Traumgedanken erfährt während der Traumarbeit eine ganz außerordentliche Zusammendrängung oder Verdichtung. Ausgangspunkte derselben sind die Gemeinsamkeiten, die sich zufällig oder dem Inhalt gemäß innerhalb der Traumgedanken vorfinden; da dieselben für eine ausgiebige Verdichtung in der Regel nicht hinreichen, werden in der Traumarbeit neue, künstliche und flüchtige, Gemeinsamkeiten geschaffen, und zu diesem Zwecke werden mit Vorliebe selbst Worte benützt, in deren Laut verschiedene Bedeutungen zusammentreffen. Die neugeschaffenen Verdichtungsgemeinsamen gehen wie Repräsentanten der Traumgedanken in den manifesten Trauminhalt ein, so daß ein Element des Traumes einem Knoten- und Kreuzungspunkt für die Traumgedanken entspricht und mit Rücksicht auf die letzteren ganz allgemein »überdeterminiert« genannt werden muß. Die Tatsache der Verdichtung ist dasjenige Stück der Traumarbeit, welches sich am leichtesten erkennen läßt; es genügt, den aufgeschriebenen Wortlaut eines Traumes mit der Niederschrift der durch Analyse gewonnenen Traumgedanken zu vergleichen, um sich von der Ausgiebigkeit der Traumverdichtung einen guten Eindruck zu holen.

Minder bequem ist es, sich von der zweiten großen Veränderung, welche durch die Traumarbeit an den Traumgedanken bewirkt wird, zu überzeugen, von jenem Vorgang, den ich die Traumverschiebung genannt habe. Dieselbe äußert sich darin, daß im manifesten Traum zentral steht und mit großer sinnlicher Intensität auftritt, was in den Traumgedanken peripherisch lag und nebensächlich war; und ebenso umgekehrt. Der Traum erscheint dadurch gegen die Traumgedanken verschoben, und gerade durch diese Verschiebung wird erreicht, daß er dem wachen Seelenleben fremd und unverständlich entgegentritt. Damit solche Verschiebung zustande kam, mußte es möglich sein, daß die Besetzungsenergie von den wichtigen Vorstellungen ungehemmt auf die unwichtigen übergehe, was im normalen bewußtseinsfähigen Denken nur den Eindruck eines »Denkfehlers« hervorrufen kann.

Umwandlung zur Darstellungsfähigkeit, Verdichtung und Verschiebung sind die drei großen Leistungen, die wir der Traumarbeit zuschreiben 154 dürfen. Eine vierte, in der Traumdeutung vielleicht zu kurz gewürdigte, kommt für unsere Zwecke hier nicht in Betracht. Bei einer konsequenten Ausführung der Ideen von der »Topik des seelischen Apparats« und der »Regression« – und nur eine solche würde diese Arbeitshypothesen wertvoll machen – müßte man zu bestimmen versuchen, an welchen Stationen der Regression die verschiedenen Umwandlungen der Traumgedanken vor sich gehen. Dieser Versuch ist noch nicht ernsthaft unternommen worden; es läßt sich aber wenigstens von der Verschiebung mit Sicherheit angeben, daß sie an dem Gedankenmaterial erfolgen muß, während es sich auf der Stufe der unbewußten Vorgänge befindet. Die Verdichtung wird man sich wahrscheinlich als einen über den ganzen Verlauf sich erstreckenden Vorgang bis zum Anlangen in der Wahrnehmungsregion vorzustellen haben, im allgemeinen aber sich mit der Annahme einer gleichzeitig erfolgenden Wirkung aller bei der Traumbildung beteiligten Kräfte begnügen. Bei der Zurückhaltung, die man verständigerweise in der Behandlung solcher Probleme bewahren muß, und mit Rücksicht auf die hier nicht zu erörternden prinzipiellen Bedenken solcher Fragestellung, möchte ich mich etwa der Aufstellung getrauen, daß der den Traum vorbereitende Vorgang der Traumarbeit in die Region des Unbewußten zu verlegen ist. Im ganzen wären also bei der Traumbildung, grob genommen, drei Stadien zu unterscheiden: erstens die Versetzung der vorbewußten Tagesreste ins Unbewußte, woran die Bedingungen des Schlafzustandes mitbeteiligt sein müßten, sodann die eigentliche Traumarbeit im Unbewußten, und drittens die Regression des so bearbeiteten Traummaterials auf die Wahrnehmung, als welche der Traum bewußt wird.

Als Kräfte, welche bei der Traumbildung beteiligt sind, lassen sich erkennen: Der Wunsch zu schlafen, die den Tagesresten nach der Erniedrigung durch den Schlafzustand noch verbliebene Energiebesetzung, die psychische Energie des traumbildenden unbewußten Wunsches und die widerstrebende Kraft der im Wachleben herrschenden, während des Schlafes nicht völlig aufgehobenen »Zensur«. Aufgabe der Traumbildung ist es vor allem, die Hemmung der Zensur zu überwinden, und gerade diese Aufgabe wird durch die Verschiebungen der psychischen Energie innerhalb des Materials der Traumgedanken gelöst.

155 Nun erinnern wir uns, welchen Anlaß wir hatten, bei der Untersuchung des Witzes an den Traum zu denken. Wir fanden, daß Charakter und Wirkung des Witzes an gewisse Ausdrucksformen, technische Mittel, gebunden sind, unter denen die verschiedenen Arten der Verdichtung, Verschiebung und indirekten Darstellung am auffälligsten sind. Vorgänge, die zu den nämlichen Ergebnissen, Verdichtung, Verschiebung und indirekter Darstellung, führen, sind uns aber als Eigentümlichkeiten der Traumarbeit bekannt geworden. Wird uns durch diese Übereinstimmung nicht der Schluß nahegelegt, daß Witzarbeit und Traumarbeit in wenigstens einem wesentlichen Punkte identisch sein müssen? Die Traumarbeit liegt, wie ich meine, in ihren wichtigsten Charakteren entschleiert vor uns; von den psychischen Vorgängen beim Witze ist uns gerade jenes Stück verhüllt, welches wir der Traumarbeit vergleichen dürfen, der Vorgang der Witzbildung bei der ersten Person. Sollen wir nicht der Versuchung nachgeben, diesen Vorgang nach der Analogie der Traumbildung zu konstruieren? Einige der Züge des Traumes sind dem Witze so fremd, daß wir auch das ihnen entsprechende Stück der Traumarbeit nicht auf die Witzbildung übertragen dürfen. Die Regression des Gedankenganges zur Wahrnehmung fällt für den Witz sicherlich weg; die beiden anderen Stadien der Traumbildung aber, das Herabsinken eines vorbewußten Gedankens zum Unbewußten und die unbewußte Bearbeitung würden uns, wenn wir sie für die Witzbildung supponieren, gerade das Ergebnis liefern, das wir am Witze beobachten können. Entschließen wir uns also zur Annahme, daß dies der Hergang der Witzbildung bei der ersten Person ist. Ein vorbewußter Gedanke wird für einen Moment der unbewußten Bearbeitung überlassen und deren Ergebnis alsbald von der bewußten Wahrnehmung erfaßt.

Ehe wir aber diese Aufstellung im einzelnen prüfen, wollen wir eines Einwandes gedenken, welcher unserer Voraussetzung bedrohlich werden kann. Wir gehen von der Tatsache aus, daß die Techniken des Witzes auf dieselben Vorgänge hindeuten, welche uns als Eigentümlichkeiten der Traumarbeit bekannt sind. Nun ist es leicht dawider zu sagen, daß wir die Techniken des Witzes nicht als Verdichtung, Verschiebung usw. beschrieben hätten und nicht zu so weitgehenden Übereinstimmungen in den Darstellungsmitteln von Witz und Traum gelangt wären, wenn nicht die vorherige Kenntnis der Traumarbeit unsere Auffassung für die Witztechnik bestochen hätte, so daß wir im Grunde am Witz nur die Erwartungen bestätigt finden, mit denen wir vom Traum her an ihn herangetreten sind. Eine solche Genese der Übereinstimmung 156 wäre keine sichere Gewähr für ihren Bestand außerhalb unseres Vorurteils. Die Gesichtspunkte der Verdichtung, Verschiebung, indirekten Darstellung sind auch wirklich von keinem anderen Autor für die Ausdrucksformen des Witzes geltend gemacht worden. Das wäre ein möglicher Einwand, aber darum noch kein berechtigter. Es kann ebensowohl sein, daß die Schärfung unserer Auffassung durch die Kenntnis der Traumarbeit unentbehrlich wäre, um die reale Übereinstimmung zu erkennen. Die Entscheidung wird doch nur davon abhängen, ob die prüfende Kritik solche Auffassung der Witztechnik an den einzelnen Beispielen als eine aufgezwungene nachweisen kann, zu deren Gunsten andere näherliegende und tiefer reichende Auffassungen unterdrückt worden sind, oder ob sie zugeben muß, daß die Erwartungen vom Traum her sich am Witz wirklich bestätigen lassen. Ich bin der Meinung, daß wir solche Kritik nicht zu fürchten haben und daß unser Reduktionsverfahren (s. S. 26) uns verläßlich angezeigt hat, in welchen Ausdrucksformen die Techniken des Witzes zu suchen waren. Daß wir diesen Techniken Namen gegeben hatten, welche das Ergebnis der Übereinstimmung von Witztechnik und Traumarbeit bereits antizipierten, dies war unser gutes Recht, eigentlich nichts anderes als eine leicht zu rechtfertigende Vereinfachung.

Ein anderer Einwand träfe unsere Sache nicht so schwer, wäre aber auch nicht so gründlich zu widerlegen. Man könnte meinen, daß die zu unseren Absichten so gut stimmenden Techniken des Witzes zwar Anerkennung verdienen, aber doch nicht alle möglichen oder in der Praxis verwendeten Techniken des Witzes wären. Wir hätten eben, von dem Vorbild der Traumarbeit beeinflußt, nur die zu ihr passenden Witztechniken herausgesucht, während andere, von uns übersehene, eine solche Übereinstimmung als nicht allgemein vorhanden erwiesen hätten. Ich getraue mich nun wirklich nicht der Behauptung, daß es mir gelungen ist, alle in Umlauf befindlichen Witze in bezug auf ihre Technik aufzuklären, und lasse darum die Möglichkeit offen, daß meine Aufzählung der Witztechniken manche Unvollständigkeit erkennen lassen wird, aber ich habe keine Art der Technik, die mir durchsichtig wurde, absichtlich von der Erörterung ausgeschlossen und kann die Behauptung vertreten, daß die häufigsten, wichtigsten, am meisten charakteristischen technischen Mittel des Witzes sich meiner Aufmerksamkeit nicht entzogen haben.

Der Witz besitzt noch einen anderen Charakter, welcher sich unserer vom Traum herstammenden Auffassung der Witzarbeit befriedigend 157 fügt. Man sagt zwar, daß man den Witz »macht«, aber man verspürt, daß man sich dabei anders benimmt, als wenn man ein Urteil fällt, einen Einwand macht. Der Witz hat in ganz hervorragender Weise den Charakter eines ungewollten »Einfalls«. Man weiß nicht etwa einen Moment vorher, welchen Witz man machen wird, den man dann nur in Worte zu kleiden braucht. Man verspürt vielmehr etwas Undefinierbares, das ich am ehesten einer Absenz, einem plötzlichen Auslassen der intellektuellen Spannung vergleichen möchte, und dann ist der Witz mit einem Schlage da, meist gleichzeitig mit seiner Einkleidung. Manche der Mittel des Witzes finden auch außerhalb desselben im Gedankenausdruck Verwendung, z. B. das Gleichnis und die Anspielung. Ich kann eine Anspielung absichtlich machen wollen. Dabei habe ich zuerst den direkten Ausdruck meines Gedankens im Sinne (im inneren Hören), ich hemme mich in der Äußerung desselben durch ein der Situation entsprechendes Bedenken, nehme mir beinahe vor, den direkten Ausdruck durch eine Form des indirekten Ausdrucks zu ersetzen und bringe dann eine Anspielung hervor; aber die so entstandene, unter meiner fortlaufenden Kontrolle gebildete Anspielung ist niemals witzig, so brauchbar sie auch sonst sein mag; die witzige Anspielung hingegen erscheint, ohne daß ich diese vorbereitenden Stadien in meinem Denken verfolgen konnte. Ich will nicht zu viel Wert auf dies Verhalten legen; es ist kaum entscheidend, aber es stimmt doch gut zu unserer Annahme, daß man bei der Witzbildung einen Gedankengang für einen Moment fallenläßt, der dann plötzlich als Witz aus dem Unbewußten auftaucht.

Witze zeigen auch assoziativ ein besonderes Benehmen. Sie stehen unserem Gedächtnis häufig nicht zur Verfügung, wenn wir sie wollen, stellen sich dafür andere Male wie ungewollt ein, und zwar an Stellen unseres Gedankenganges, wo wir ihre Einflechtung nicht verstehen. Es sind dies wiederum nur kleine Züge, aber immerhin Hinweise auf ihre Abkunft aus dem Unbewußten.

Suchen wir nun die Charaktere des Witzes zusammen, die sich auf seine Bildung im Unbewußten beziehen lassen. Da ist vor allem die eigentümliche Kürze des Witzes, ein zwar nicht unerläßliches, aber ungemein bezeichnendes Merkmal desselben. Als wir ihr zuerst begegneten, waren wir geneigt, einen Ausdruck sparender Tendenzen in ihr zu sehen, entwerteten aber diese Auffassung selbst durch naheliegende Einwendungen. Sie erscheint uns jetzt vielmehr als ein Zeichen der unbewußten Bearbeitung, welche der Witzgedanke erfahren hat. Das ihr beim Traum Entsprechende, die Verdichtung, können wir nämlich mit 158 keinem anderen Moment als mit der Lokalisation im Unbewußten zusammenbringen und müssen annehmen, daß im unbewußten Denkvorgang die im Vorbewußten fehlenden Bedingungen für solche Verdichtungen gegeben sindDie Verdichtung als regelmäßigen und bedeutungsvollen Vorgang habe ich außer bei der Traumarbeit und Witztechnik noch in einem anderen seelischen Geschehen nachweisen können, beim Mechanismus des normalen (nicht tendenziösen) Vergessens. Singuläre Eindrücke setzen dem Vergessen Schwierigkeiten entgegen; irgendwie analoge werden vergessen, indem sie von ihren Berührungspunkten aus verdichtet werden. Die Verwechslung analoger Eindrücke ist eine der Vorstufen des Vergessens.. Es steht zu erwarten, daß beim Verdichtungsvorgang einige der ihm unterworfenen Elemente verlorengehen, während andere, welche deren Besetzungsenergie übernehmen, durch die Verdichtung erstarken oder überstark aufgebaut werden. Die Kürze des Witzes wäre also wie die des Traumes eine notwendige Begleiterscheinung der in beiden vorkommenden Verdichtungen, beide Male ein Ergebnis des Verdichtungsvorganges. Dieser Herkunft verdankte auch die Kürze des Witzes ihren besonderen, nicht weiter angebbaren, aber der Empfindung auffälligen Charakter.

Wir haben vorhin (S. 118) das eine Ergebnis der Verdichtung, die mehrfache Verwendung desselben Materials, das Wortspiel, den Gleichklang, als lokalisierte Ersparung aufgefaßt und die Lust, die der (harmlose) Witz schafft, aus solcher Ersparung abgeleitet; späterhin haben wir die ursprüngliche Absicht des Witzes darin gefunden, derartigen Lustgewinn an Worten zu machen, was ihm auf der Stufe des Spieles unverwehrt war, im Verlaufe der intellektuellen Entwicklung aber durch die vernünftige Kritik eingedämmt wurde. Nun haben wir uns zu der Annahme entschlossen, daß derartige Verdichtungen, wie sie der Technik des Witzes dienen, automatisch, ohne besondere Absicht, während des Denkvorganges im Unbewußten entstehen. Liegen da nicht zwei verschiedene Auffassungen derselben Tatsache vor, die miteinander unverträglich scheinen? Ich glaube nicht; es sind allerdings zwei verschiedene Auffassungen, und sie verlangen miteinander in Einklang gebracht zu werden, aber sie widersprechen einander nicht. Die eine ist bloß der anderen fremd, und wenn wir eine Beziehung zwischen ihnen hergestellt haben, werden wir wahrscheinlich um ein Stück Erkenntnis weitergekommen sein. Daß solche Verdichtungen Quellen von Lustgewinn sind, verträgt sich sehr wohl mit der Voraussetzung, daß sie im Unbewußten leicht die Bedingungen zu ihrer Entstehung finden; wir sehen im Gegenteile die Motivierung für das Eintauchen ins Unbewußte 159 in dem Umstande, daß dort die lustbringende Verdichtung, welcher der Witz bedarf, sich leicht ergibt. Auch zwei andere Momente, welche für die erste Betrachtung einander völlig fremd scheinen und wie durch einen unerwünschten Zufall zusammentreffen, werden sich bei tieferem Eingehen als innig verknüpft, ja wesenseinig erkennen lassen. Ich meine die beiden Aufstellungen, daß der Witz einerseits während seiner Entwicklung auf der Stufe des Spieles, also im Kindesalter der Vernunft, solche lustbringende Verdichtungen hervorbringen konnte und daß er anderseits auf höheren Stufen dieselbe Leistung durch das Eintauchen des Gedankens ins Unbewußte vollbringt. Das Infantile ist nämlich die Quelle des Unbewußten, die unbewußten Denkvorgänge sind keine anderen, als welche im frühen Kindesalter einzig und allein hergestellt werden. Der Gedanke, der zum Zwecke der Witzbildung ins Unbewußte eintaucht, sucht dort nur die alte Heimstätte des einstigen Spieles mit Worten auf. Das Denken wird für einen Moment auf die kindliche Stufe zurückversetzt, um so der kindlichen Lustquelle wieder habhaft zu werden. Wüßte man es nicht bereits aus der Erforschung der Neurosenpsychologie, so müßte man beim Witz auf die Ahnung geraten, daß die sonderbare unbewußte Bearbeitung nichts anderes als der infantile Typus der Denkarbeit ist. Es ist bloß nicht sehr leicht, dieses infantile Denken mit seinen im Unbewußten des Erwachsenen erhaltenen Eigentümlichkeiten beim Kinde zu erhaschen, weil es meist sozusagen in statu nascendi korrigiert wird. In einer Reihe von Fällen gelingt es aber doch, und dann lachen wir jedesmal über die »Kinderdummheit«. Jede Aufdeckung eines solchen Unbewußten wirkt auf uns überhaupt als »komisch«Viele meiner neurotischen, in psychoanalytischer Behandlung stehenden Patienten pflegen regelmäßig durch ein Lachen zu bezeugen, daß es gelungen ist, ihrer bewußten Wahrnehmung das verhüllte Unbewußte getreulich zu zeigen, und sie lachen auch dann, wenn der Inhalt des Enthüllten es keineswegs rechtfertigen würde. Bedingung dafür ist allerdings, daß sie diesem Unbewußten nahe genug gekommen sind, um es zu erfassen, wenn der Arzt es erraten und ihnen vorgeführt hat..

Leichter zu fassen sind die Charaktere dieser unbewußten Denkvorgänge in den Äußerungen der Kranken bei manchen psychischen Störungen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir nach des alten Griesinger Vermutung imstande wären, die Delirien der Geisteskranken zu verstehen und als Mitteilungen zu verwerten, wenn wir nicht die Anforderungen des bewußten Denkens an sie stellen, sondern sie mit unserer 160 Deutungskunst behandeln würden wie etwa die TräumeDabei dürften wir nicht vergessen, der Entstellung infolge der auch in der Psychose noch wirksamen Zensur Rechnung zu tragen.. Auch für den Traum haben wir ja seinerzeit die »Rückkehr des Seelenlebens auf den embryonalen Standpunkt« zur Geltung gebrachtTraumdeutung..

Wir haben an den Verdichtungsvorgängen die Bedeutung der Analogie von Witz und Traum so eingehend erörtert, daß wir uns im folgenden kürzer fassen dürfen. Wir wissen, daß die Verschiebungen bei der Traumarbeit auf die Einwirkung der Zensur des bewußten Denkens hindeuten, und werden demgemäß, wenn wir der Verschiebung unter den Techniken des Witzes begegnen, geneigt sein anzunehmen, daß auch bei der Witzbildung eine hemmende Macht eine Rolle spielt. Wir wissen auch bereits, daß dies ganz allgemein der Fall ist; das Bestreben des Witzes, die alte Lust am Unsinn oder die alte Wortlust zu gewinnen, findet bei normaler Stimmung an dem Einspruch der kritischen Vernunft eine Hemmung, die für jeden Einzelfall überwunden werden muß. Aber in der Art und Weise, wie die Witzarbeit diese Aufgabe löst, zeigt sich ein durchgreifender Unterschied zwischen dem Witz und dem Traum. In der Traumarbeit geschieht die Lösung dieser Aufgabe regelmäßig durch Verschiebungen, durch die Auswahl von Vorstellungen, welche weit genug entfernt von den beanstandeten sind, um Durchlaß bei der Zensur zu finden, und doch Abkömmlinge dieser sind, deren psychische Besetzung sie durch volle Übertragung auf sich übernommen haben. Die Verschiebungen fehlen darum bei keinem Traum und sind weit umfassender; nicht nur die Ablenkungen vom Gedankengang, sondern auch alle Arten der indirekten Darstellung sind zu den Verschiebungen zu rechnen, insbesondere der Ersatz eines bedeutsamen, aber anstößigen Elements durch ein indifferentes, aber der Zensur harmlos erscheinendes, welches wie eine entfernteste Anspielung an das erstere steht, der Ersatz durch eine Symbolik, ein Gleichnis, ein Kleines. Es ist nicht abzuweisen, daß Stücke dieser indirekten Darstellung bereits in den vorbewußten Gedanken des Traumes zustande kommen, so z. B. die symbolische und die Gleichnisdarstellung, weil sonst der Gedanke es überhaupt nicht zur Stufe des vorbewußten Ausdrucks gebracht hätte. Indirekte Darstellungen dieser Art und Anspielungen, deren Beziehung 161 zum Eigentlichen leicht auffindbar ist, sind ja zulässige und vielgebrauchte Ausdrucksmittel auch in unserem bewußten Denken. Die Traumarbeit übertreibt aber die Anwendung dieser Mittel der indirekten Darstellung ins Schrankenlose. Jede Art von Zusammenhang wird unter dem Drucke der Zensur zum Ersatz durch Anspielung gut genug, die Verschiebung von einem Element her ist auf jedes andere gestattet. Ganz besonders auffällig und für die Traumarbeit charakteristisch ist die Ersetzung der inneren Assoziationen (Ähnlichkeit, Kausalzusammenhang usw.) durch die sogenannten äußeren (Gleichzeitigkeit, Kontiguität im Raum, Gleichklang).

Alle diese Verschiebungsmittel kommen auch als Techniken des Witzes vor, aber wenn sie vorkommen, halten sie zumeist die Grenzen ein, die ihrer Anwendung im bewußten Denken gezogen sind, und sie können überhaupt fehlen, obwohl ja auch der Witz regelmäßig eine Hemmungsaufgabe zu erledigen hat. Man versteht dies Zurücktreten der Verschiebungen bei der Witzarbeit, wenn man sich erinnert, daß dem Witz ganz allgemein eine andere Technik zu Gebote steht, mit welcher er sich der Hemmung erwehrt, ja daß wir nichts gefunden haben, was charakteristischer für ihn wäre als gerade diese Technik. Der Witz schafft nämlich nicht Kompromisse wie der Traum, er weicht der Hemmung nicht aus, sondern er besteht darauf, das Spiel mit dem Wort oder dem Unsinn unverändert zu erhalten, beschränkt sich aber auf die Auswahl von Fällen, in denen dieses Spiel oder dieser Unsinn doch gleichzeitig zulässig (Scherz) oder sinnreich (Witz) erscheinen kann, dank der Vieldeutigkeit der Worte und der Mannigfaltigkeit der Denkrelationen. Nichts scheidet den Witz besser von allen anderen psychischen Bildungen als diese seine Doppelseitigkeit und Doppelzüngigkeit, und wenigstens von dieser Seite haben sich die Autoren durch die Betonung des »Sinnes im Unsinn« der Erkenntnis des Witzes am meisten genähert.

Bei der ausnahmslosen Vorherrschaft dieser dem Witz besonderen Technik zur Überwindung seiner Hemmungen könnte man es überflüssig finden, daß er sich überhaupt noch in einzelnen Fällen der Verschiebungstechnik bedient, allein einerseits bleiben gewisse Arten dieser Technik als Ziele und Lustquellen für den Witz wertvoll, wie z. B. die eigentliche Verschiebung (Gedankenablenkung), die ja die Natur des Unsinns teilt, anderseits darf man nicht vergessen, daß die höchste Stufe des Witzes, der tendenziöse Witz, häufig zweierlei Hemmungen zu überwinden hat, die ihm selbst und die seiner Tendenz 162 entgegenstehenden (S. 96), und daß die Anspielungen und Verschiebungen ihm die letztere Aufgabe zu ermöglichen geeignet sind.

Die reichliche und zügellose Anwendung der indirekten Darstellung, der Verschiebungen und insbesondere Anspielungen in der Traumarbeit hat eine Folge, die ich nicht ihrer eigenen Bedeutung wegen erwähne, sondern weil sie der subjektive Anlaß für mich wurde, mich mit dem Problem des Witzes zu beschäftigen. Wenn man einem Unkundigen oder Ungewöhnten eine Traumanalyse mitteilt, in welcher also die sonderbaren, dem Wachdenken anstößigen Wege der Anspielungen und Verschiebungen dargelegt werden, deren sich die Traumarbeit bedient hat, so unterliegt der Leser einem ihm unbehaglichen Eindruck, erklärt diese Deutungen für »witzig«, erblickt aber in ihnen offenbar nicht gelungene Witze, sondern gezwungene und irgendwie gegen die Regeln des Witzes verstoßende. Dieser Eindruck ist nun leicht aufzuklären: er rührt daher, daß die Traumarbeit mit denselben Mitteln arbeitet wie der Witz, aber in der Anwendung derselben die Grenzen überschreitet, welche der Witz einhält. Wir werden auch alsbald hören, daß der Witz infolge der Rolle der dritten Person an eine gewisse Bedingung gebunden ist, welche den Traum nicht berührt.

 

Ein gewisses Interesse nehmen unter den Techniken, die Witz und Traum gemeinsam sind, die Darstellung durch das Gegenteil und die Verwendung des Widersinnes in Anspruch. Die erstere gehört zu den kräftig wirkenden Mitteln des Witzes, wie wir unter anderen an den Beispielen von »Überbietungswitz« ersehen konnten (S. 70 f.). Die Darstellung durchs Gegenteil vermochte sich übrigens der bewußten Aufmerksamkeit nicht wie die meisten anderen Witztechniken zu entziehen; wer den Mechanismus der Witzarbeit bei sich möglichst absichtlich in Tätigkeit zu bringen sucht, der habituelle Witzling, pflegt bald herauszufinden, daß man auf eine Behauptung am leichtesten mit einem Witz erwidert, wenn man deren Gegenteil festhält und es dem Einfall überläßt, den gegen dies Gegenteil zu befürchtenden Einspruch durch eine Umdeutung zu beseitigen. Vielleicht verdankt die Darstellung durchs Gegenteil solche Bevorzugung dem Umstände, daß sie den Kern einer anderen lustbringenden Ausdrucksweise des Gedankens bildet, für deren Verständnis wir das Unbewußte nicht zu bemühen brauchen. Ich meine 163 die Ironie, die sich dem Witze sehr annähert und zu den Unterarten der Komik gerechnet wird. Ihr Wesen besteht darin, das Gegenteil von dem, was man dem anderen mitzuteilen beabsichtigt, auszusagen, diesem aber den Widerspruch dadurch zu ersparen, daß man im Tonfall, in den begleitenden Gesten, in kleinen stilistischen Anzeichen – wenn es sich um schriftliche Darstellung handelt – zu verstehen gibt, man meine selbst das Gegenteil seiner Aussage. Die Ironie ist nur dort anwendbar, wo der andere das Gegenteil zu hören vorbereitet ist, so daß seine Neigung zum Widerspruch nicht ausbleiben kann. Infolge dieser Bedingtheit ist die Ironie der Gefahr, nicht verstanden zu werden, besonders leicht ausgesetzt. Sie bringt der sie anwendenden Person den Vorteil, daß sie die Schwierigkeiten direkter Äußerungen, z. B. bei Invektiven, leicht umgehen läßt; bei dem Hörer erzeugt sie komische Lust, wahrscheinlich, indem sie ihn zu einem Widerspruchsaufwand bewegt, der sofort als überflüssig erkannt wird. Ein solcher Vergleich des Witzes mit einer ihm nahestehenden Gattung des Komischen mag uns in der Annahme bestärken, daß die Beziehung zum Unbewußten das dem Witz Besondere ist, das ihn vielleicht auch von der Komik scheidetAuf der Scheidung von Aussage und begleitenden Gebärden (im weitesten Sinne) beruht auch der Charakter der Komik, der als ihre »Trockenheit« bezeichnet wird..

In der Traumarbeit fällt der Darstellung durchs Gegenteil eine noch weit größere Rolle zu als beim Witz. Der Traum liebt es nicht nur, zwei Gegensätze durch ein und dasselbe Mischgebilde darzustellen; er verwandelt auch so häufig ein Ding aus den Traumgedanken in sein Gegenteil, daß hieraus der Deutungsarbeit eine große Schwierigkeit erwächst. »Man weiß zunächst von keinem eines Gegenteils fähigen Elemente, ob es in den Traumgedanken positiv oder negativ enthalten ist.«Traumdeutung.

Ich muß hervorheben, daß diese Tatsache noch keineswegs Verständnis gefunden hat. Sie scheint aber einen wichtigen Charakter des unbewußten Denkens anzudeuten, dem aller Wahrscheinlichkeit nach ein dem »Urteilen« vergleichbarer Vorgang abgeht. An Stelle der Urteilsverwerfung findet man im Unbewußten die »Verdrängung«. Die Verdrängung kann wohl richtig als die Zwischenstufe zwischen dem Abwehrreflex und der Verurteilung beschrieben werdenDies höchst merkwürdige und immer noch ungenügend erkannte Verhalten der Gegensatzrelation im Unbewußten ist wohl nicht ohne Wert für das Verständnis des »Negativismus« bei Neurotikern und Geisteskranken. (Vgl. die beiden letzten Arbeiten darüber: Bleuler, 1904, und Otto Groß, 1904, ferner mein Referat ›Über den Gegensinn der Urworte‹..

164 Der Unsinn, die Absurdität, die so häufig im Traum vorkommt und ihm soviel unverdiente Verachtung zugezogen hat, ist doch niemals zufällig durch die Zusammenwürfelung von Vorstellungselementen entstanden, sondern jedesmal als von der Traumarbeit absichtlich zugelassen nachzuweisen und zur Darstellung von erbitterter Kritik und verächtlichem Widerspruch innerhalb der Traumgedanken bestimmt. Die Absurdität des Trauminhalts ersetzt also das Urteil: Es ist ein Unsinn, in den Traumgedanken. Ich habe in meiner Traumdeutung großen Nachdruck auf diesen Nachweis gelegt, weil ich den Irrtum, der Traum sei überhaupt kein psychisches Phänomen, der den Weg zur Erkenntnis des Unbewußten versperrt, auf diese Weise am eindringlichsten zu bekämpfen gedachte. Wir haben nun erfahren (bei der Auflösung gewisser tendenziöser Witze, S. 56 ff.), daß der Unsinn im Witze den gleichen Zwecken der Darstellung dienstbar gemacht wird. Wir wissen auch, daß eine unsinnige Fassade des Witzes ganz besonders geeignet ist, den psychischen Aufwand bei dem Hörer zu steigern und somit auch den zur Abfuhr durch Lachen frei werdenden Betrag zu erhöhen. Außerdem aber wollen wir nicht daran vergessen, daß der Unsinn im Witz Selbstzweck ist, da die Absicht, die alte Lust am Unsinn wiederzugewinnen, zu den Motiven der Witzarbeit gehört. Es gibt andere Wege, um den Unsinn wiederzugewinnen und Lust aus ihm zu ziehen; Karikatur, Übertreibung, Parodie und Travestie bedienen sich derselben und schaffen so den »komischen Unsinn«. Unterwerfen wir diese Ausdrucksformen einer ähnlichen Analyse, wie wir sie am Witz geübt haben, so werden wir finden, daß sich bei ihnen allen kein Anlaß ergibt, unbewußte Vorgänge in unserem Sinne zur Erklärung heranzuziehen. Wir verstehen nun auch, warum der Charakter des »Witzigen« zur Karikatur, Übertreibung, Parodie als Zutat hinzukommen kann; es ist die Verschiedenheit des »psychischen Schauplatzes«, die dies ermöglichtEin für meine Auffassung bedeutsam gewordener Ausdruck von G. Th. Fechner..

Ich meine, die Verlegung der Witzarbeit in das System des Unbewußten ist uns um ein ganzes Stück wertvoller geworden, seitdem sie uns das Verständnis für die Tatsache eröffnet hat, daß die Techniken, an denen 165 der Witz doch haftet, anderseits nicht sein ausschließliches Gut sind. Manche Zweifel, die wir während unserer anfänglichen Untersuchung dieser Techniken fürs nächste zurückstellen mußten, finden nun ihre bequeme Lösung. Um so mehr verdient unsere Würdigung ein Bedenken, welches uns sagen möchte, daß die unleugbar vorhandene Beziehung des Witzes zum Unbewußten nur für gewisse Kategorien des tendenziösen Witzes richtig ist, während wir bereit sind, dieselbe auf alle Arten und Entwicklungsstufen des Witzes auszudehnen. Wir dürfen uns der Prüfung dieses Einwandes nicht entziehen.

Der sichere Fall der Witzbildung im Unbewußten ist anzunehmen, wenn es sich um Witze im Dienste unbewußter oder durchs Unbewußte verstärkter Tendenzen handelt, also bei den meisten »zynischen« Witzen. Dann zieht nämlich die unbewußte Tendenz den vorbewußten Gedanken zu sich herab ins Unbewußte, um ihn dort umzuformen, ein Vorgang, zu welchem das Studium der Neurosenpsychologie zahlreiche Analogien kennen gelehrt hat. Bei den tendenziösen Witzen anderer Art, beim harmlosen Witz und beim Scherz scheint aber diese herabziehende Kraft wegzufallen, steht also die Beziehung des Witzes zum Unbewußten in Frage.

Fassen wir aber nun den Fall des witzigen Ausdrucks eines an sich nicht wertlosen, im Zusammenhange der Denkvorgänge auftauchenden Gedankens ins Auge. Um diesen Gedanken zum Witz werden zu lassen, bedarf es offenbar einer Auswahl unter den möglichen Ausdrucksformen, damit gerade jene gefunden werde, welche den Wortlustgewinn mit sich bringt. Wir wissen aus unserer Selbstbeobachtung, daß nicht die bewußte Aufmerksamkeit diese Auswahl trifft; es wird derselben aber gewiß zugute kommen, wenn die Besetzung des vorbewußten Gedankens zur unbewußten erniedrigt wird, denn im Unbewußten werden die vom Wort ausgehenden Verbindungswege, wie wir aus der Traumarbeit erfahren haben, den Sachverbindungen gleichartig behandelt. Die unbewußte Besetzung bietet der Auswahl des Ausdrucks die weitaus günstigeren Bedingungen. Wir können übrigens ohne weiteres annehmen, daß die Ausdrucksmöglichkeit, welche den Wortlustgewinn enthält, in ähnlicher Weise herabziehend auf die noch schwankende Fassung des vorbewußten Gedankens wirkt wie im ersteren Falle die unbewußte Tendenz. Für den simpleren Fall des Scherzes dürfen wir uns vorstellen, daß eine allzeit lauernde Absicht, den Wortlustgewinn zu erreichen, sich 166 des Anlasses, der gerade im Vorbewußten gegeben ist, bemächtigt, um wiederum nach dem bekannten Schema den Besetzungsvorgang ins Unbewußte zu ziehen.

Ich wünschte gern, daß es mir möglich wäre, diesen einen entscheidenden Punkt in meiner Auffassung des Witzes einerseits klarer darzulegen, anderseits mit zwingenden Argumenten zu verstärken. Aber es handelt sich hier in Wahrheit nicht um ein zweifaches, sondern um ein und das nämliche Mißlingen. Ich kann eine klarere Darstellung nicht geben, weil ich keine weiteren Beweise für meine Auffassung habe. Dieselbe ist mir aus dem Studium der Technik und aus dem Vergleich mit der Traumarbeit erwachsen, und zwar nur von dieser einen Seite her; ich kann dann finden, daß sie den Eigentümlichkeiten des Witzes im ganzen vortrefflich angepaßt ist. Diese Auffassung ist nun eine erschlossene; gelangt man mit solchem Schluß nicht auf ein bekanntes, sondern vielmehr auf ein fremdes, dem Denken neuartiges Gebiet, so nennt man den Schluß eine »Hypothese« und läßt mit Recht die Beziehung der Hypothese zu dem Material, aus dem sie erschlossen ist, nicht als »Beweis« gelten. Als »bewiesen« gilt diese erst dann, wenn man auch auf anderem Wege zu ihr gelangen, sie als den Knotenpunkt auch anderer Zusammenhänge aufzeigen kann. Solcher Beweis ist aber bei unserer kaum erst beginnenden Kenntnis der unbewußten Vorgänge nicht zu haben. In der Erkenntnis, daß wir auf einem überhaupt noch nicht betretenen Boden stehen, begnügen wir uns also damit, von unserem Standpunkt der Beobachtung ein einziges, schmales und schwankes Brett ins Unergründete hinauszuschieben.

Wir werden nicht viel auf dieser Grundlage aufbauen. Bringen wir die verschiedenen Stufen des Witzes in Beziehung zu den für sie günstigen seelischen Dispositionen, so können wir etwa sagen: Der Scherz entspringt aus der heiteren Stimmung, der eine Neigung zur Herabminderung der seelischen Besetzungen eigentümlich scheint. Er bedient sich bereits aller charakteristischen Techniken des Witzes und erfüllt bereits die Grundbedingung desselben durch die Auswahl eines solchen Wortmaterials oder einer solchen Gedankenverknüpfung, wie sie sowohl den Anforderungen der Lustgewinnung als auch denen der verständigen Kritik genügen. Wir werden schließen, daß das Herabsinken der Gedankenbesetzung zur unbewußten Stufe, durch die heitere Stimmung erleichtert, schon beim Scherz zutreffe. Für den harmlosen, aber mit dem Ausdruck eines wertvollen Gedankens verknüpften Witz fällt diese Förderung durch die Stimmung weg; wir bedürfen hier der Annahme einer 167 besonderen persönlichen Eignung, die in der Leichtigkeit zum Ausdruck kommt, mit welcher die vorbewußte Besetzung fallengelassen und für einen Moment mit der unbewußten vertauscht wird. Eine stets lauernde Tendenz, den ursprünglichen Lustgewinn des Witzes zu erneuern, wirkt hiebei herabziehend auf den noch schwankenden vorbewußten Ausdruck des Gedankens. In heiterer Stimmung sind wohl die meisten Menschen fähig, Scherze zu produzieren; die Eignung zum Witz ist nur bei wenigen Personen unabhängig von der Stimmung vorhanden. Endlich wirkt als kräftigste Anregung zur Witzarbeit das Vorhandensein starker, bis ins Unbewußte reichender Tendenzen, die eine besondere Eignung zur witzigen Produktion darstellen und uns erklären mögen, daß die subjektiven Bedingungen des Witzes so häufig bei neurotischen Personen erfüllt sind. Unter dem Einfluß starker Tendenzen kann auch der sonst Ungeeignete witzig werden.

Mit diesem letzten Beitrag, der wenn auch hypothetisch gebliebenen Aufklärung der Witzarbeit bei der ersten Person, ist aber unser Interesse am Witz strenggenommen erledigt. Es erübrigt uns etwa noch eine kurze Vergleichung des Witzes mit dem besser bekannten Traum, der wir die Erwartung vorausschicken werden, daß zwei so verschiedenartige seelische Leistungen neben der einen bereits gewürdigten Übereinstimmung nur noch Unterschiede erkennen lassen dürften. Der wichtigste Unterschied liegt in ihrem sozialen Verhalten. Der Traum ist ein vollkommen asoziales seelisches Produkt; er hat einem anderen nichts mitzuteilen; innerhalb einer Person als Kompromiß der in ihr ringenden seelischen Kräfte entstanden, bleibt er dieser Person selbst unverständlich und ist darum für eine andere völlig uninteressant. Nicht nur daß er keinen Wert auf Verständlichkeit zu legen braucht, er muß sich sogar hüten verstanden zu werden, da er sonst zerstört würde; er kann nur in der Vermummung bestehen. Er darf sich darum ungehindert des Mechanismus, der die unbewußten Denkvorgänge beherrscht, bis zu einer nicht mehr redressierbaren Entstellung bedienen. Der Witz dagegen ist die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen. Er benötigt oftmals dreier Personen und verlangt seine Vollendung durch die Teilnahme eines anderen an dem von ihm angeregten seelischen Vorgange. Er muß sich also an die Bedingung der Verständlichkeit binden, darf die im Unbewußten mögliche Entstellung durch Verdichtung und Verschiebung in keinem weiteren Ausmaße in Anspruch nehmen, als soweit dieselbe durch das Verständnis der dritten Person redressierbar ist. Im übrigen sind die beiden, Witz und Traum, auf ganz 168 verschiedenen Gebieten des Seelenlebens erwachsen und an weit voneinander entlegenen Stellen des psychologischen Systems unterzubringen. Der Traum ist immer noch ein, wiewohl unkenntlich gemachter, Wunsch; der Witz ist ein entwickeltes Spiel. Der Traum behält trotz all seiner praktischen Nichtigkeit die Beziehung zu den großen Interessen des Lebens bei; er sucht die Bedürfnisse auf dem regressiven Umwege der Halluzination zu erfüllen, und er verdankt seine Zulassung dem einzig während des Nachtzustandes regen Bedürfnis zu schlafen. Der Witz hingegen sucht einen kleinen Lustgewinn aus der bloßen, bedürfnisfreien Tätigkeit unseres seelischen Apparats zu ziehen, später einen solchen als Nebengewinn während der Tätigkeit desselben zu erhaschen, und gelangt so sekundär zu nicht unwichtigen, der Außenwelt zugewendeten Funktionen. Der Traum dient vorwiegend der Unlustersparnis, der Witz dem Lusterwerb; in diesen beiden Zielen treffen aber alle unsere seelischen Tätigkeiten zusammen.


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