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Robert Southey

Sankt Romnald

Einstmals (vor wieviel hundert Jahren,
Ist einerlei! ich hab' es nicht erfahren!)
Hielt ein Franzos vor einer Herbergstür.
Der Wirt begrüßt' ihn, plauderte bequem
Von diesem und von dem –
Er sah den Fremden schon zuweilen hier.

»Wohnt noch Sankt Romnald
Beian im Wald?«
Fragte der Gast; »er ist doch nicht gestorben?« –
»Nein,« sprach der andre; »nur der frommen Schar
Davongelaufen, deren Hirt er war,
Und deren ganze Lieb' er sich erworben!

»Ja, Herr, wir kannten seinen Wert!
Das war ein Heil'ger auch – recht, wie es sich gehört!
Herr! dreißig Tage lang, bei Tag und Nacht,
Trug er dasselbe Hemd, und gab's nicht in die Wasche!
Der gute Mann! er wußte wohl, daß Asche
Und Staub dem Schmutze keine Fehde macht!
Ja, dreißig Tage, Herr! – hing's in den Regen dann.
Und zog es wieder an!

»Dort, Herr, im Waldbezirk
Bestand er oft in seiner Zelle Pfählen
Den Teufel! – nun, er kann davon erzählen,
Denn Satan schlug und drosch ihn, wie ein Türk!
Dort kämpften manchmal sie
Vom Abend bis zur Früh'
Die ganze Nacht in ihrem wüt'gen Zorn –
Er mit 'nem Kreuz, Satan mit seinem Horn;
Der Teufel Feuer aus den Nüstern blitzend,
Als wollt' er schrecken einen Michael;
Er wiederum Weihwasser auf ihn spritzend,
Daß zischend dampfte Satans rotes Fell: –
Wohin man schaute, Qualm und Teufelszeug!
Das kam so oft, bis sein Gesicht zuletzt
Die Schwefelflamme rot und schwarz geätzt –
Und danach roch er, ... Gott, wie roch er euch!

»Dann, Herr! zu sehn, wie er zu kreuz'gen pflag
Sein eigen Fleisch! Gab jemand einen Schmaus –
Der gute Mann, so trat er ihm ins Haus,
Sah sich die leckern Sachen an, und sprach:
O Bauch, o Bäuchlein!
Du schwelgtest gern in Wein und Braten heut;
Allein – es tut mir leid:
Geh' heim zu Brot und Wasser, lüstern Schläuchlein!«

»Doch,« sprach der Wandrer, »warum zog er fort
Von einer Herde nur und einem Ort,
Die ihn verehrten so bereit und froh?« –
»Herr,« sprach der Gastwirt, »das kam so:
Er ward gewahr, daß wir ihm zugedacht
Aus Dankgefühl der höchsten Ehren eine,
Und da er feind war allem äußern Scheine,
So brannt' er durch in einer schönen Nacht!«

Der Wandrer drauf: »Und welche Ehre wird
Das Wohl gewesen sein?« – »Ei!« schrie der Wirt,
»Wir dachten nur, er könnt' uns einst verlassen!
Bei Fremden würd' er dann
Begraben liegen, der gerechte Mann!
Welch ein Verlust! damit war nicht zu spaßen!
So fiel es uns denn ein,
Um seiner Reste ganz gewiß zu sein.
Und nun und nie die werten, zu verlieren.
Ihn – über Nacht einmal zu strangulieren!«

Der Krokodilkönig

Zu Isna in Ober-Ägypten herrscht ein Aberglaube in
betreff des Krokodils, dem ähnlich, welchen man in Westindien
findet. Es heißt nämlich, daß es einen Krokodilkönig
gibt, der bei Isna residiert, und zwar Ohren, aber
keinen Schweif hat. Er soll überdies eine bei Königen
seltene Eigenschaft besitzen: die, niemand etwas zu leide
tun. Verschiedene unter den Einwohnern sind kühn
genug, zu behaupten, daß sie ihn gesehen haben.
                          Browns Reisen

1.

»Nun Weib, was zeigt ihr entschleiert euch?
Und weshalb ist euer Antlitz so bleich?
Und, Weib, warum stöhnt ihr so kummervoll,
Und weshalben schlagt ihr die Brust wie toll?

»Oh, ich habe verloren den liebsten Sohn,
Meiner Seele Lust, meiner Sorgen Lohn!
Und vor Schmerz zerriß ich mein Schleierzeug,
Und Schmerz macht das Herz mir im Leibe bleich.

»O, ich habe verloren mein liebstes Kind,
Und deshalben stöhn' ich im Uferwind!
Er bog sich, zu trinken, hinab zum Strand,
Und ein Krokodil lag am Stromesrand.

»In den Strom nicht schwamm er freventlich,
Er bog nur, zu trinken, zum Strande sich:
Doch der Krokodil lag im Schilfe dort,
Und schlug mit dem Schweif ihn, und riß ihn fort.

»Nun nehmt mich in euren Nachen auf,
Denn mein Weg geht mit des Stromes Lauf,
Und laßt mich die Schilfrohrinsel sehn.
Denn zum Krokodilkönig will ich gehn.

»Er herrscht jetzt nicht in Krokodilopel,
Stolz wie der Türke zu Konstantinopel;
Seine große Stadt ist gänzlich zerstört,
Und die Insel ist alles, was sein gehört.

»Wie ein Derwisch in Fasten und in Gebet
Seine Zeit bringt er zu, die Augen verdreht;
Und fromm geworden und mild und gelind,
Frißt er jetzt weder Mann noch Weib noch Kind.

»Und nie tut er Unrecht in seinen Marken;
Denn er hat keinen Schweif, keinen kühnen, starken;
Er hat keinen Schweif, daß er schlag' und erschlage,
Aber Ohren hat er für das, was ich sage.

»Darum dem Könige will ich klagen.
Wie mein armes Kind ward gottlos erschlagen;
Der König der Krokodile ist gut,
Und haben werd' ich des Mörders Blut.«

Der Mann darauf: »Nein, Frauenzimmer!
Zur Schilfrohrinsel geh' ich nimmer!
Um alles schauen möcht' ich nicht
Des Krokodilkönigs Angesicht!«

»So leiht mir denn euren Nachen klein,
Und ich will ihn rudern, selbst und allein.
Unsag' ich euch, daß nichts auf der Welt
Mich zurück vom Krokodilkönig hält.

»Der König der Krokodile ist gut.
Und drum wird er mir geben Blut für Blut.
So gerecht und so mächtig inmitten des Flusses,
Kann er mich rächen, und will es, und muß es!«

Das Weib sprang in den Nachen hinein.
Den Strom hinunter fuhr sie allein.
Und schnell mit dem Strome ging der Kahn,
Und jetzt auf der Insel langt sie an.

Da fand sie den König, und ging zu ihm hin:
Er saß auf den Eiern der Königin,
Und um sich herum, da sah er mit Grinsen
Krabbeln die Herrn Krokodilusprinzen.

An allen Gliedern bebte die Frau,
Als sie nun den König ansah genau'
Denn jeder fürchtet, wie jeder gesteht,
Seine krokodilische Majestät.

Auf ihre Knie fiel sie sogleich,
Und sprach: »O Herr, erbarmet euch!
Denn verloren hab' ich mein liebstes Kind,
Und deshalben stöhn' ich im Uferwind.

»Einem Krokodile schmeckt' er gut,
Nun laßt mich haben des Mörders Blut!
Laßt mich Rache haben für meinen Knaben,
Nur die Rache kann mir die Seele laben!

»Nie, Sire, tut ihr Unrecht in euren Marken!
Ihr habt keinen Schweif, keinen kühnen, starken!
Ihr habt keinen Schweif, daß er schlag' und erschlage.
Aber Ohren habt ihr für das, was ich sage!«

Der König sprach: »Ihr habt wohlgetan!«
Und sah mit den kleinen Augen sie an.
Ja, gute Frau, sehr Wohl! – indessen,
Eins, da ihr mich schildertet, habt ihr vergessen!

»Ich hab' keinen Schweif, daß er schlag' und erschlage,
Aber Ohren hab' ich für eure Klage;
Und mehr noch: Zähne, scharf wie Eisen –
Und nun wollen Wir dich in Gnaden verspeisen!«

2

Grausam das Wort und nutzlos das Prahlen!
Seine Majestät mußten es teuer bezahlen;
Sie fanden den Lohn ihrer Tyrannei,
Sie wiesen die Zähne, doch bissen vorbei.

»Verspeisen?« – rief das Weib – »mich? du?« –
Der Zorn gab ihr Witz und Mut dazu:
Zwischen Vorder- und Hinterbeinen aufs beste
Packte sie ihn, und rollt' ihn vom Neste.

Und nun war ihr Maß der Rache ein ganzes;
Er war langsam im Drehen, (von wegen des Schwanzes!),
Und zum Glücke hatte die Königin eben
Sich spazierend in den Nilstrom begeben.

Zwei junge Prinzen, spielend im Sand,
Ergriff sie, einen mit jeder Hand,
Schob des einen Kopf in des andern Schlund:
So erstickte jeder den Bruder, – Und

Nachdem sie drei Pärlein gewürgt solchermaßen,
Ging sie mit ihnen fort, und zog ihrer Straßen;
Sie rührte die Ruder, sie lenkte den Kahn,
Und kam, wo sie abfuhr, heil wieder an.

Als zurück nun die Königin, fand sie die Eier,
Zerbrochen, die ihrem Herzen so teuer;
Und sechs Prinzen fehlten, des Hofes Zier,
Denn sie rief sie, und Antwort gab keiner ihr.

Da setzt' es unlieblicher Worte viele
Zwischen ihr und dem König der Krokodile;
»So verwahrt ihr mein Nest, Majestät?« rief sie aus;
Er dagegen: »Was strolchst du auch immer von Haus?«

Doch der Königin blieb der Sieg zu eigen,
Und der König fand es geraten, zu schweigen;
Denn nicht bloß eine Zunge zu seiner Qual:
Einen Schweif auch hatte sein trefflich Gemahl.

So nun lauscht' er verblüfft ihrer Rede Schwunge,
Ihren Schweif mehr fürchtend, als ihre Zunge,
Und wohl wissend: Alles, was sie gesprochen,
Macht kein Ei wieder ganz, das einmal zerbrochen!

Die Frau, derweil, war nicht traurig eben:
Ihr Herz war erleichtert, gerettet ihr Leben:
Und die Rache, versagt ihr für ihren Kleinen,
Nahm sie selber sich, und sechse für einen.

»Masch-Allah!« riefen die Nachbarn aus;
Sie gab ihnen stracks einen Leichenschmaus;
Da sprach jeder: »Wie süß ist die Rache nicht,
Und ist Prinzenfleisch nicht ein schmackhaft Gericht?«

Die Schlacht von Blenheim

Es war ein Sommernachmittag,
Der Abend kam heran;
Alt-Kaspar saß vor seiner Tür,
Sein Tagwerk war getan.
Und vor ihm auf des Rasens Grüne
Spielte sein Großkind Wilhelmine.

Ihr Bruder Hänschen sprang herzu;
Und vor sich durch den Grand
Rollt' er ein glattes, rundes Ding,
Das er am Bache fand.
Er kam und zeigte seinen Fund:
»Was mag es sein? Seht nur, wie rund!«

Alt-Kaspar nahm das Ding ihm ab.
Und sprach: »Der arme Tropf!«
Wog's in der Hand, und seufzte dann:
»Es ist ein Totenkopf!
Und der ihn trug im wilden Krieg,
Fiel hier bei jenem großen Sieg!

»Ich finde sie im Garten;
Da liegen sie zuhauf!
Und oft auch, wenn ich pflügen geh'.
Wühlt sie die Pflugschar auf!
Denn vieler Tausend Lippe schwieg
Und biß ins Gras bei jenem Sieg!«

»Nun sag' uns, wie sich das begab!«
Rief Hänschen voller Hast;
Und Wilhelmine blickt' empor,
Auf Wunder harrend fast.
»Nun sag' uns alles von der Schlacht,
Und warum sie sich umgebracht!«

Der Alte drauf: »Die Welschen flohn!
Engländer hieben ein!
Doch warum sie sich umgebracht.
Das kriegt' ich nie noch klein!
Doch als die Kanonade schwieg,
Rief alles: ein famoser Sieg!

»Mein Vater lebte dazumal
In Blenheim, dort am Fluß;
Sein Häuschen ging in Flammen auf
Von einem Bombenschuß.
Mit Weib und Kindern floh er dann,
Ein armer, obdachloser Mann.

»Und Schwert und Feuer wüteten;
Die Ernte rings verdarb.
Und manche kranke Wöchnerin
Und mancher Säugling starb.
Doch das gehört sich ja im Krieg –
So ist's nach jedem großen Sieg!

»Ein Anblick zum Entsetzen war's.
Als ich die Walstatt sah:
Die toten Leiber tausendweis
Lagen und faulten da!
Doch das gehört sich ja im Krieg' –
So ist's nach jedem großen Sieg!

»Die Sieger hatten großen Ruhm,
Und wurden hoch geschätzt!« –
»Hilf Gott, sie taten Teufelswerk!«
Rief Minchen, ganz entsetzt.
»Nein!« sprach er, und die Kleine schwieg,
»Es war nur ein famoser Sieg!

»Hoch Prinz Eugen und Marlborough!
Ihr kühner Arm gewann's!« –
»Doch welchen Nutzen hatt' es denn?«
So sprach der kleine Hans.
»Schweig, Narr« – und auch der Junge schwieg
»Es war ja ein famoser Sieg!«

Die Klagen der Armen

»Und warum klagt das arme Volk?«
Frug mich der reiche Mann.
»Komm,« sprach ich, »geh' hinaus mit mir.
Daß ich's dir sagen kann!«

'S war Abend, und im Schneetuch lag
Der Straßen öd Revier;
Wir hatten Rock und Mantel an,
Und dennoch froren wir.

Ein alter Mann trat auf uns zu;
Sein Haar war dünn und weiß.
Warum er jetzt nur draußen sei,
Frug ich denselben Greis.

Er sprach: es wäre freilich kalt.
Doch Feuer hätt' er nicht;
So bat' er denn um Gaben noch
Bei Frost und Sternenlicht.

Wir sahn ein jung barfüßig Kind,
In schlechter, dürft'ger Tracht:
Ich frug, warum es draußen sei
In solcher Winternacht.

Es sprach: »mein Vater ist zu Haus:
Krank liegt er auf den Tod:
Drum hat man mich hinausgeschickt.
Zu betteln noch um Brot!«

Auf einer Frauen bleich Gesicht
Fiel der Laterne Schein:
Ein Kind im Korb, eins an der Brust –
So sah sie auf dem Stein.

Ich frug, was sie verzöge nur
Im eis'gen Abendwind;
Umschauend hieß sie stille sein
Im Tragekorb das Kind.

Darnach: »mein Mann ist ein Soldat,
Schlägt für den König sich:
Nach meinem fernen Kirchspiel drum
Heimbetteln muß ich mich!«

Gesunknen Auges, leichtgeschürzt,
Sahn wir ein Mädchen dann:
Mit dem frechen Blick der Buhlerin
Trat sie die Wandler an.

Ich frug: »Was Süßes hat die Schuld,
Das dich zu spätem Harm,
Das dich zu Schmach und Siechtum lockt?«
Sie sagte: »ich bin arm!«

Drauf zu dem Reichen wandt' ich mich;
Da stand er sprachlos schier.
»Du frugst: was klagt das arme Volk?
Und diese sagten's dir!«


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