Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

Geschichte der Hortensie von Mendosa.

IIhr kennet das Geschlecht von Mendosa; das ist das meinige; ich heisse Hortensie, und bin zu Ubeda, einer der vornehmste Städte des Königreichs Granada, gebohren. Ich bin mit diesem verwundeten Edelmann, den ihr hieher bringen lassen, erzogen worden. Da wir Kinder von zween Brüdern, und seit unserer zartesten Kindheit vereinigt waren, so habe ich für ihm eine Freundschaft behalten, die mich, wie ihr gesehen, bey dem Zustande, wo ich ihn wieder angetroffen, empfindlich gemacht hat. Ich war kaum zwey Jahr alt, da mein Vater als Hauptmann einer Compagnie der leuchten Reuter unter dem Befehl des Herzogs von Alba nach Flandern zog. Die wichtigen Dienste, welche er that, machten, daß er bald zu den ansehnlichsten Ehren-Stuffen stieg. Aber das Glück ist allezeit mit Bitterkeit vermengt. Ich war zehn Jahr alt, da meine Mutter starb. Ich fühlte die Grösse meines Verlustes nur mittelmäßig. Mein Vater vernahm zu gleicher Zeit, daß meine Schönheit anfieng berühmt zu werden, und weil er sich wegen der Sorge für meine Aufführung auf keinem als auf sich selbst verlassen wollte, so kam er zu mir nach Spanien, und nahm mich aus dem Hause seines Bruders, des Don Ferdinands Vaters, in welchem man mich aufgenommen hatte. Er führte mich nach Flandern, und gab mich an die Infantin, unsers Königes Schwester und des Erzherzogs Alberts Gemahlin. Sie nahm mich in die Reihe ihres Hof-Frauenzimmers auf. Diese Prinzeßin hatte viele Gewogenheit für mich, und ich kann versichern, daß ich mich die Liebe ihres ganzen Hofes erwarb. Mitten unter so vielen Glückseligkeiten und Lobeserhebungen, welche man von mir machte, indem man mir den Preiß der Schönheit über alle Frauen in Flandern zugestand, starb mein Vater, der an Jahren und Ruhm zugenommen, und ich empfand dieses Unglück nachdrücklich. Doch die Jugend tröstete mich in kurzer Zeit, und mein Gram endigte sich mit meiner Trauer. Ich fieng bald an den Reden der jungen Leute Gehör zu geben. Dies geschah zwar mit so viel Klugheit und Eingezogenheit, daß meine Gespielinnen selbst mir nichts vorgeworfen haben. Allein endlich machte die Liebe, deren Herrschaft man über kurz oder lang erfahren muß, daß von den Verdiensten eines jungen Herrn, des Herzogs von Andalusien Sohn, gerühret wurde, welcher erst seit einigen Tagen an den Hof der Infantin angelanget war. Ohngeachtet aller Bücher, die ich gelesen, ohngeachtet aller der Rathschläge, die man mir gegeben, ohngeachtet aller der Exempel, die ich vor Augen gehabt hatte, ohngeachtet der Fasten, Gebete, und Betrachtungen, welche ich anstellte, um mich zu verwahren, konnte ich doch die Liebe aus meinem Herzen nicht heraus treiben. Ich sahe den Don Francesco an, ohne mich davon abhalten zu können, und ich laß mit Vergnügen in seinen Augen, daß er mich mit eben der Lust ansähe. Endlich wurde ich durch seine Thränen überwunden, durch das Wort, das er mir gab, mich zu heyrathen, entschlossen, ich ergab mich ihm. Aber kaum hatte er das gröste Geschenk, das ich ihm machen konnte, erhalten, da er vom Hofe weggieng. Ich erfuhr, daß er wieder in sein Vaterland gekommen. Urtheilet, in was für einem Zustande ich mich gebracht fand? Der einzige Weg, der sich vor mich schickte, war, mich der Infantin zu Füssen zu werfen, und ihr mein Unglück und die Verrätherey, die mir begegnet war, zu erzehlen. Die Prinzeßin wurde anfangs unwillig gegen mich; aber da sie die Briefe, die er mir geschrieben hatte, durchgelesen, und das Versprechen der Ehe, das er mir gegeben, untersuchet, so schrieb sie an den König, ihren Bruder, und hab mir ihren Brief mit. Ich begab mich mit zwo Jungfrauen und zween Edelleuten, die mich begleiten sollten, auf den Weg. Meine Reise ist glücklich gewesen. Ich bin zu Toledo angekommen. Ich hab den König den Tag, da er von da weggereiset ist, gesehen, er hat den Brief von der Prinzeßin, seiner Schwester, gelesen, er hat meine Gründe gehört, und einen Gefreyten von seiner Leibwache Befehl gegeben, den Herrn, darüber ich mich beschwere, allenthalben, wo er ihn antreffen könnte, in Arrest zu nehmen. Das Glück hat ohne Zweifel den Schmerz, den mir des unglücklichen Don Ferdinands Tod verursacht hat, lindern wollen, indem es mir Nachricht gegeben, daß eine von den Frauen, welche in diesem Hause zur Herberge sind, eben der Don Francesco ist, um welchen ich Tag und Nacht Thränen vergiesse; würdiget mich, setzte sie hinzu, zu rathen, und mich nach dem Stadthalter zu führen, die Infantin, meine Frau, wird euch dafür danken, und der König, der die Gerechtigkeit liebet, wird es euch vergelten. Der Stadthalter bat sie, sich auf sein Verlangen zu verlassen, das er hätte, ihr zu dienen, und das noch stärker wäre als die Vorstellung, was diese Prinzen ihres Theils verdienten. Ich werde eure Sache ohne Lerm und ohne Proceß endigen, sagte er ihr, auf allen Fall will ich euren Mann gefangen nehmen, und an einen Ort bringen, wo ihn der König wird die Strafe können ausstehen lassen, welche er für ihm bequem finden wird. Dies ist eine Gelegenheit, der ich mich zu Nutze mache, um die Verbindlichkeit zu erkennen, die ich vor einem Vater gehabt habe, davon ihr mir eine so würdige Tochter scheinet, und unter dessen Befehlen ich lange Zeit gedienet habe. Ich habe nur einen Zweifel, fuhr er weiter fort, ich befürchte, daß eure Hofmeisterin sich geirret habe, denn es dünket mich schwer, daß eine Manns-Person so viel Schönheit als die Frauen, die ich bey dem Verwundeten gesehen, haben könne. Seyd versichert, versetzte ihm die Hofmeisterin, daß ich mich nicht betrogen, ihr glaubt doch wohl, daß er mir nicht unbekannt seyn kann, und daß die Zeit einer Messe hinreichend gewesen ist, um ihn sowohl als Don Alonso, einen von seinen Edelleuten, genau zu betrachten: Er hat ein Frauen-Kleid von weissen silbernen Damast an. Ich will alsobald mit ihm sprechen, sagte der Stadthalter, und eure Sachen in Ordnung bringen; seyd ruhig, meine Frau, sagte er zu ihr beym Abschied nehmen. Nachher gieng er in die Kammer, wo Donne Marie, Donne Pantasilee und Don Alonso waren. Ob er gleich über ihrer ausnehmenden Schönheit erstaunet war, so gieng er doch hinein, ohne sie zu grüssen. Er redete den Don Alonso mit einem ernsthaften Gesichte an: Bekennet alsobald die Ursach, die euch bewogen hat, den Don Ferdinand ermorden zu lassen, oder ich will es auf der Folter von euch heraus bringen. Don Alonso, der sehr bestürzt wurde, antwortete ihm mit einem Adlichen Stolze, und mit der Versicherung, welche die Unschuld geben kann, daß der König ihm keine Gewalt vertrauet, als nur um die Schuldigen zu strafen, und nicht ehrliche Leute zu beschimpfen. Der Stadthalter ließ durch seine Wache alle Leute hinaus jagen, um den Don Alonso zu vernehmen, der doch ein Verbrechen, das er nicht begangen, nicht bekennen konnte. Er befahl, daß man die Donne Marie zu ihm brächte; er verboth ausdrücklich, daß man die Gefangenen mit einander, auch so gar nicht, wenn man sie von einander trennete, sprechen lassen sollte. Die Fragen, die er an diese schöne Wittwe ergehen ließ, waren nicht lang, sie waren auch nur zum Schein. Er ließ sich nachher Pantasilee herbringen, und sagte nach einige allgemeinen Fragen zu ihm: Muß man sich wundern, daß das Volk nicht mehr Tugend bezeiget, da der Adel ihm so böse Exempel giebt? Die Edelleute waren vormahls Muster der Tugenden. Ist es möglich, daß ein Herzog, dessen Muth und Tapferkeit jetzo in der Welt berühmt werden müsten, sich so weit habe vergessen können, daß er unter einer so unanständigen Kleidung sich sehen lässet, und reiset? Vergebet mir, fuhr er fort, wenn ich so frey zu euch rede, und, da ich euch kenne, eure Aufführung nicht lobe. Unwürdige Schmeichler allein könnten anders zu euch reden; was mich aber anbetrift, so glaubte ich Ehre und Redlichkeit zu vergessen, wenn ich euch die Wahrheit verhehlte. Ich rede mit euch nicht von dem Tode des Edelmanns, mit dem ihr hier angekommen seyd; ich glaube, daß ihr keinen Theil daran habt, und daß wir allem abhelfen können: aber erlaubet mir, euch zu sagen, als euer und eures ganzen Hauses Diener, daß ihr keinen bessern Vorschlag zu nehmen habt, als eiligst wieder nach Flandern zu gehen, und die Tocher des Gonsalve von Mendosa zu heyrathen. Ihr müsset aus allen Ursachen ihre und eure Ehre wieder gut machen. Wenn ihr euch nicht dazu entschliessen wollet, so befehle ich euch von Seiten des Königes, alsobald das Kleid, das ihr traget, abzulegen, das eurige wieder zu nehmen, und mit mir nach dem Könige zu gehen, der in Ansehung des Briefes, den er von der Infantin empfangen hat, mit euch sprechen wird. Uebrigens könnet ihr mir nichts verhehlen, denn Don Alonso, euer Edelmann, hat mir alles gestanden. Don Francesco wurde sehr bestürzt, daß er den Stadthalter so frey reden hörte, und sehr verdrießlich, da er vernahm, daß der König von seiner Aufführung unterrichtet wäre. Denn die Monarchen von Spanien sind unumschränkt, und die Obrigkeit hat sogar über die Grossen so viel Gewalt, daß einer von ihnen, der einem Gerichtsdiener Stockschläge geben wollen, von dem Präsidenten in Castilien zu einer sehr ansehnlichen Geld-Strafe verdammt wurde. Don Francesco, der diesen Gebrauch wohl wußte, gab sich auf die gelinde Seite, und antwortete ihm: Ich will das Laster, das heut zu Tage herrschet, nicht vertheidigen; und weit gefehlt, daß ich meine Aufführung rechtfertigen wollte. vielmehr tadle ich sie: aber die Liebe hat allezeit die größten Leute überwunden; und ich würde euch selbst fragen, ob euch diese Leidenschaft unbekannt sey, und ob ihr nicht zu eben dieser List eure Zuflucht genommen hättet, wenn ihr wäret versichert gewesen, daß sie euch gelungen wäre? Der Stadthalter gab ihm Recht. So habe ich denn, was die Verkleidung betrift, nicht so groß Unrecht, verfolgte Don Francesco; Und was die Heyrath anbelangt, so schwöre ich euch, das Wort zu halten, das ich der Frau, von der ihr redet, gegeben habe: Ich thue noch mehr, ich gebe euch mein Wort, morgen nach Madrid zum Könige zu gehen, ihn um Vergebung des begangenen Fehltrittes und um Erlaubniß zu bitten, alsobald nach Flandern zu derjenigen zu gehen, welche ich allezeit als meine Frau ansehen will, und von der ich mich nur auf Befehl meiner Verwandten getrennet habe. Sehet, das ist mein Vorhaben. Alles, was ich von eurer Höflichkeit verlangen würde, würde seyn, meine Begebenheit nicht kund zu machen. Ich verspreche euch meiner Seits, versetzte der Stadthalter, alle meine Sorge darauf zu richten, doch im Fall, daß weder ihr noch eure Leute an dem Tode des Don Ferdinands nicht schuldig seyd. Ich schwöre euch bey Edelmanns Treu und Glauben, fiel ihm Don Francesco in die Rede, daß ihr mich unschuldig finden werdet. In diesem Fall, verfolgte der Stadthalter, erlaubet mir, euch zu umarmen, und euch der Reise nach Flandern zu überheben. Don Francesco wußte nicht, was er sagen wollte, und folgte ihm in die Kammer, darin Hortensie war. Er sahe anfangs ihr Gesicht nicht, weil sie sich auf ihrem Bette tief eingedrückt, und auf einem damastenen Küssen saß, auch mit Jasminen, Blumen, Lilien und Rosen umgeben war. Der Schmerz, den sie ausgestanden hatte, und die Ohnmacht, von der sie sich kaum erholet hatte, hatten ihre Schönheit ein wenig verdorben: Aber so bald er sie erkannte, lief er zu ihr, und umarmte sie, ohngeachtet ihres Wiederstandes, wobey er sie hundertmahl seine liebe Frau nannte. Endlich wurden die Erkenntlichkeit und die Liebkosungen dieser zween Verliebten so zärtlich und rührend, daß der Stadthalter und alle diejenigen, welche Zeugen davon waren, sich mitleidig befanden. Nach diesen ersten Augenblicken bezeugten sie dem Stadthalter die Verbindlichkeit, die sie gegen ihm hätten, und das Verlangen, sie sehen zu lassen. Ihr habt nur ein Mittel, sagte er zu ihnen, das ist, mein Haus anzunehmen; denn ich muß, setzte er höflich hinzu, für meine Gefangene stehen. Sie willigten endlich drein, und er verließ sie, um für sie Zimmers zurecht machen zu lassen, und ihnen seine Gutschen zu schicken, um sie hin zu bringen.

Wie indeß Don Francesco durch den traurigen Tod des Don Ferdinands bestürzt und durch die Liebe und Gegenwart der Hortensie wieder erwacht war, so fand er seine Liebe gegen die Donne Marie so erkaltet, daß er sich, ohne ihren unglücklichen Zustand, kaum ihres Daseyns würde erinnert haben, von welchen sie wahrhaftig so gerührt war, daß sie kaum die Vortheile merkte, welche die Tochter des Gonsalve von Mendosa über sie und über die Rechte, welche sie auf das Herz des Don Francesco wieder machte, davon trug. Sie hatten viele Mühe, sie schlüßig zu machen, daß sie ihre Gesellschaft nicht verließ, da man ihnen die Ankunft der Gutschen des Stadthalters berichtete. Man versicherte sie, daß die Befehle gegeben wären, ihr alle ihres Mannes Stande schuldige Ehre anzuthun. Endlich ließ sie sich dadurch bewegen, daß sie folgte. Sie kamen also alle bey dem Stadthalter an. Seine Frau Clarina, zwo von seinen Töchtern, und eine Nichte, alle von einer grossen Schönheit, empfiengen sie. Die ganze Gesellschaft war nach den ersten Höflichkeitsbezeugungen mit nichts beschäftiget, als die Donne Marie zu trösten; sie richteten aber damit wenig aus. Den folgenden Morgen schickte der Stadthalter beym Aufstehen dem Don Francesco ein Feld-Kleid, welches er für eines seiner Kinder damahls in Italien hatte machen lassen, dessen Alter und Grösse mit ihm völlig überein kamen. Das Kleid war von einem sehr schönen Lacken von Segovien, das Wamms von Gold-Lacken, das Unterkleid war an den Seiten offen; alles war mit goldenen Creutzen bedeckt, und in den Zwischen-Räumen waren Schnüren mit so grosser Kunst gesticket, daß sie, wo sie wieder zusammen lieffen, allerley wunderliche Gestalten machten. Der Mantel, der Hut, der Halskragen, und der Degen waren von gleicher Kostbarkeit. Wie endlich Don Francesco erschien, so konnte man nicht sagen, ob die heutige oder gestrige Kleidung ihm schöner zuließ. Hortensie sahe ihn steif an, und konnte sich nicht satt an ihm in dem Kleide sehen, welches sich besser als das andere, worinnen sie ihn angetroffen hatte, für ihn schickte. Die Liebe machte, daß sie sich auch nicht enthalten konnte, ihm tausend Küsse zu geben, welche die Begierden der Frau, der Töchter und der Nichte des Stadthalters nur noch mehr aufbrachten, die ihn recht nach ihrem Willen fanden.

Es ist Zeit, wieder auf den Mörder des Don Ferdinands zu kommen. Er war nicht lange auf der Folter, da er sein Verbrechen bekannte, und sagte, daß er Roderige von Garcia hiesse, ein sohn Peters Garcia, eines Einwohners in Viso, wäre, daß er des Osmins Gutierrez, eines Wirths in diesem Flecken, Nichte, Nahmens Catalina von Croix, geheyrathet hätte: und da er nicht nur Proben, sondern auch das Geständniß selbst, der Untreue, die sie ihm mit Don Ferdinand angethan, gehabt hätte; so habe er ihn erstochen. Denn nachdem er von Osmin Geld bekommen, um in Flandern gegen die Holländer zu dienen; so hätte ihn der Teufel verführet, daß er wieder umgekehret, und sich nicht hätte entschliessen können, sie seine Ehre überleben zu lassen; welches er auch ins Werk gesetzet hätte: da er hernach seine Reise weiter fortsetzen wollen, so habe ihn sein böser Geist nach Toledo geführet; und da er beym Herausgehen aus der grossen Kirche, zum Unglück dem Don Ferdinand begegnet wäre, so sey er bey seinem Anblick in eine so grausame Wuth gerathen, daß er sich nicht habe enthalten können, seiner Rache ein Genüge zu thun. Nach dieser Erklärung gab der Stadthalter allen Leuten des Don Ferdinands und der Donne Marie die Freyheit, und ließ Roderigen sehr früh aufhängen, aus Furcht, seine Hinrichtung möchte einen Aufstand erregen. Denn der Ertz-Bischof hatte sie nach dem Gebrauche verboten, und den Stadthalter in den Bann gethan, weil er den Missethäter in der Kirche in Arrest nehmen lassen, ohne ihn herausgeben zu wollen. Dieses Verbot war so strenge, daß man in keiner Kirche der Stadt Messe lesen konnte, ehe es nicht aufgehoben war. Wenn aber gerichtlich bewiesen ist, daß der also gefangen genommene Mensch des Mordes schuldig ist, so läßt die Obrigkeit den Körper in die Kirche tragen; und in demselben Augenblick ist das Verbot aufgehoben: welches man auch mit Roderigen so machte.

Ohngeachtet aller Sorgfalt und Bemühungen des Stadthalters, seine Gäste nicht nur in der Stadt, sondern auch auf einem niedlichen Landhause, mit Namen Cigaral, welches er bey Toledo hatte, zu belustigen: so hatte Don Francesco andre Vergnügungen nöthig, und die Strenge seiner lieben Hortensie zehrten ihn nach gerade auf, denn sie wollte ihm keine Gunst iemahls verstatten, ehe nicht die Hochzeit vollzogen wäre. Weil er nun seine Ungeduld nicht überwinden konnte, so bath er sie um Erlaubniß, sich nach Madrid zu begeben, um von dem Könige die Einwilligung ihrer Heyrath zu erhalten. Er bestellte seine Mutter auch dahin, und unterrichtete sie von dem, was sich begeben hatte; sie reiseten demnach drey Tage nachher. Donne Marie wollte sie wieder verlassen und nach Ubeda zurück gehen; aber Don Francesco und Hortensie wollten niemahls darein willigen: obgleich diese letztere einigen Argwohn über das vorgegangene hatte, und folglich etwas eyfersüchtig war. Jedoch der Sohn, den sie von ihrem Vetter hatte, der betrübte Zustand, worinn sie war, welchen in edelmüthigen Herzen das Antheil verdoppelt, vielleicht auch, weil sie sich, wegen des Vortheils, den sie über sie in des Don Francesco Herzen davon trug, schmeichelte; alle diese Ursachen zwangen sie, dieselbe aufs innigste zu nöthigen, sie nicht zu verlassen. Ihre Bitten hatten vollkommenen Fortgang. Sie reisete mit ihnen sowohl als der Stadthalter. Der König und die Königin empfiengen sie ungemein, und küsseten sie eins ums andere; ja die Schönheit der beiden Verliebten nahm den ganzen Hof ein. Der König gab dem Don Francesco zur Erkenntlichkeit für die Dienste seines Hauses funfzig tausend Ducaten Einkünfte; und aus Hochachtung gegen die Vorsprache seiner Princeßin Schwester, wollte er ihre Hochzeit auf seine Kosten ausrichten. Die Pracht des Hofes und der Bedienten war sehr groß für die spiele von Lascanas, welche vor der Hochzeit hergeben sollten.

Aber mitten bey alle diesem, was denen Herzen und der Eitelkeit der beyden Verliebten schmeicheln konnte, vergassen sie der Donne Marie nicht: und, damit sie nicht von einander getrennet würden, so schlugen sie ihr vor, sich bey Hofe niederzulassen. Die Sache war nicht schwer, da sie sahe, daß der Vorzug der Schönheit und der Jugend durch einen grossen Ruhm unterstützet war, so willigte sie drein. Aber sie schlug alle Männer aus, die man ihr antrug, um Valerio, ihres Mannes Edelknaben, vorzuziehen. Weil sie von seiner Bescheidenheit gerühret war, so schien es ihr, daß sie zur Beruhigung ihres Gewissens und für das Wohl ihrer Seelen keinen andern nehmen könnte. Ihr Beichtvater rieth ihr eben das. Don Francesco verwunderte sich über ihre Wahl: Aber wie er hörete, daß dieser Edelknabe ein Edelmann war, und keinen Fehler, als sein weniges Vermögen, hatte; so versprach er, für sein Glück zu sorgen.

Die beyden Hochzeiten wurden also zu desto grösseren Vergnügen beyder Theile gefeyret, weil sie sich kannten; und sie schliefen in bessern Betten, als in den Herbergen zu Sierra Morena und zu Carcuela. Aber ist man wohl bey dem, was man liebet, und was man lange nicht genossen hat, übel daran?

 

Ende

.

 << zurück