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Die bestrafte Untreue.

D Die schöne Natur lebte bey dem angehenden Frühling wieder auf. Die Erde – – – Doch dergleichen Beschreibungen und Abbildungen sind abgekommen, und die ietzige Welt gehet billig kürzer.

Wir wollen denn ganz einfältig sagen, daß der April-Monath angieng, da man beym Anbruch des Tages einen der wohlgestaltesten Edelleute, mit Nahmen Don Ferdinand, aus der in Andalusien berühmten Stadt Ubeda kommen sahe. Er wollte in Madrid dem damahls regierenden Könige, Philipp dem Vierten, die Dienste seiner Vorfahren vorstellen, und um den Orden des güldenen Vliesses bitten. Der Gebrauch der Welt verhinderte, daß er nicht durch die Eitelkeit verblendet wurde, welche alle spanische Edelleute beherrschet. Er trauete seinen eigenen Verdiensten so viel nicht zu, daß er hoffte, die beschwerliche lange Zeit, die man an allen Höfen, die geringste Gnade zu erhalten, warten muß, zu verkürzen. Diese Gedanken brachten ihn auf den Entschluß, seine Frau und sein ganzes Haus mit sich zu nehmen. Dieses war ohne Zweifel ein kluger Vorschlag, welcher machte, daß er den Verdruß und die Beschwerlichkeiten der Reise und des Aufenthaltes verminderte. Don Ferdinand war kaum fünf und zwanzig Jahr alt, er war seiner Gestalt und seinem Verstande nach allen denen Romanen-Helden gleich, von denen sich ein ieder Leser schon wird einen Begriff gemacht haben. Der einzige Unterschied, welchen er bey dieser Aehnlichkeit hatte, war, daß er überhaupt alle Frauen liebte. Sein groß Vermögen hatte gemacht, daß er die Donne Marie geheyrathet, welche ihm wenigstens an Artigkeit, an Gebuhrt sowohl, als an Reichthum gleich kam. Ob sie gleich schon seit zwey Jahren verheyrathet war, und dem Don Ferdinand nach dem ersten Jahre einen Sohn gegeben hatte, so war sie doch erst siebenzehn Jahr alt. Ihr Gemahl, der bey ihren Verdiensten wenig gerührt war, suchte allezeit sein Glück anderswo; er fand es oft ohne Mühe, und ließ eine der schönsten Frauen, die Spanien gebohren worden, und je gesehen, bey nahe täglich alleine zu Bette gehen, da er indeß die Nacht mit andern, die ihr das Gleichgewicht bey weiten nicht hielten, zubrachte. So wenig erstreckt sich der Geschmack an dem, was uns eigen gehört, der sonst bey allen Menschen so stark ist, über diesen Punct der Ehe.

Wie unsere liebenswürdige Reisende über die hohen Berge von Sierra Morena mit vieler Mühe gestiegen waren, so verdoppelten die Pferde, da sie sich in der Ebene befanden ihre Schritte, und ohngeachtet der schweren Gutsche, vor welche sie gespannet waren, langten sie vor Untergang der Sonnen in dem Flekken Viso an. Die Gutscher wollten noch weiter fahren, aber die Donne Marie, die eben nicht gewohnt war, zu reisen, fand die Tagereise lang genung, und wollte ausruhen. Man brachte die Kammern in Ordnung, man hohlte Eß-Waaren, man that sie zu denen, welche man nach der spanischen Gewohnheit mitgebracht hatte; kurz, ein ieder Bedienter ließ bey seiner Verrichtung einen grossen Eifer in dem Dienst seiner Herrschaft sehen.

Donne Marie stieg in die Kammer, welche man ihr anwieß, und unterhielt sich mit ihren Frauen, da indeß Don Ferdinand des Wirths Nichte Cataline mit begierigen Augen gesehen, und sie mit desto grösserem Eifer angeredet hatte, weil sie überaus artig war. Man kann sich leicht vorstellen, daß er mit ihr von keinen Staats-Sachen, noch von der Belagerung von Ostende, mit welcher Europa damahls sehr beschäftiget war, sondern von Mitteln, die Nacht zwischen zwey Bettlaken mit ihr hinzubringen, geredet habe. Das junge Weib war seit kurzen verheyrathet, und fand die Sache sehr schwer. Ihr Mann war zwar abwesend, aber wenn man ihn auch nicht alle Augenblicke erwartet hätte, so kostet doch der erste Fehltritt einer Frauen allezeit viel. Diese Schwürigkeiten vermehrten nur die Begierde des Don Ferdinands; und das Verlangen, welches ihm die Cataline nicht verheelte, gaben ihm eine Beredsamkeit, welche in dergleichen Fall allezeit überredet. Sie wurden demnach ihrer Sachen eines, das ist, sie wieß ihm ihre Kammer und ihr Bette, und versicherte ihn, daß er um zwölf Uhr zu ihr kommen könnte; eine Zeit, wo iedermann sich in sein Haus begeben, und zu Bette gegangen.

Nachdem Don Ferdinand seine Sachen so wohl eingerichtet, so gieng er in seiner Frauen Kammer, und schien so vergnügt, so aufgeklärt, daß sie sich nicht enthalten konnte, ihn um die Ursach zu fragen. Aber er war gewohnt, diese Art von Wahrheiten ihr zu verheelen, und er hätte leicht einen Vorwand ausgesonnen: zum höchsten würde ihn die Ankunft des Abendessens alsobald aus der Sorge gezogen haben, wenn er deswegen eine gehabt hätte.

Cataline, die ihnen bey der Tafel aufwartete, schlug die Augen nieder, und unterstand sich nicht, den Don Ferdinand anzusehen, aus Furcht, man möchte die heftige Begierde gewahr werden, mit welcher sie gegen ihn gereizet war, und da sie die grosse Schönheit der Donne Marie betrachtete, so konnte sie sich nicht schmeicheln, daß er sie verlassen, und ihr einen Vorzug geben wollte, welchen sie bey sich selbst nicht zu verdienen glaubte.

Don Ferdinand war seiner seits nicht freyer. Die Augen der Cataline waren so munter und funkelnd, daß sie ihn in Feuer brachten. Er war demnach während des Abendessens wegen ihrer Person in grosser Verwirrung: denn er zwang sich, sie nicht anzusehen.

Nachdem sie gegessen hatten, stellte sich Don Ferdinand, als wenn er vom Schlafe überfallen würde, und, um desto besser seinen Betrug zu spielen, ließ er unterschiedene mahle ein Buch aus seinen Händen fallen. Donne Marie, welche seinen Zustand der Beschwerlichkeit der Reise zuschrieb, und wuste, daß sie den folgenden Morgen sehr frühe reisen musten, schlug ihm vor, sich zu Bette zu legen. Don Ferdinand stellte sich, als wenn er kaum aufwache, und sagte zu ihr: Gehet ihr immer zu Bette, ich will nur meinen Leuten einige Befehle geben, und hernach mich wieder bey euch einfinden. Sie willigte darein. Unter dieser Zeit gieng er hurtig zur Cataline, und frug sie, ob in ihren guten Gesinnungen nichts verändert wäre? Sie küßte ihn einige mahle, und versicherte ihn, daß er Herr wäre, und aus Furcht für einen nächtlichen Irrthum wieß sie ihm nochmals ihre Kammer. Er kam endlich in die seinige wieder, wo sich seine Frau bereits niedergelegt hatte. Er kleidete sich aus, ließ seine Leute gehen, verschloß die Thür, legte sich zu Bette, und stellte sich alsobald darauf, als wenn er in den tiefsten Schlaf versunken wäre. Donne Marie war sich nichts weniger als ein solch unzeitiges Beginnen vermuthen; sie hatte sich im Gegentheil geschmeichelt, daß der Schlaf nach dem Abendessen den Don Ferdinand nur munterer würde gemacht haben. Es verdroß ihr: aber weil sie seine böse Weise befürchtete, wenn sie ihn aufweckte, so verschob sie das Spiel auf den folgenden Morgen, und schlief in einer so angenehmen Hofnung ein.

Es war diesen Tag in dem Gasthofe zu Viso keiner als Don Ferdinand und seine Leute: Alles schlief um eilf Uhr, wie es Cataline vorhergesehen. Lange vorher, ehe die Glocke geschlagen, hatte sie gehorchet, ob derjenige, nach welchen sie sich mit so vielem Eifer sehnte, nicht ankäme, und ob er nicht an ihre Thür schlüge. Aber Don Ferdinand, der eben die Ungeduld ausstand, ließ sie nicht lange warten. Er stand von seiner Frauen auf, nahm seinen Mantel, öfnete die Thür wie ein Dieb, ließ sie offen, und gieng hinaus. Da er an der Thür der Cataline war, so rufte er sie mit leiser Stimme, und im Augenblick fühlte er, daß er aufs feurigste umarmet wurde. Er hielt sich bey den trockenen Reden nicht auf; an welchen sich die Verliebten gemeiniglich vergnügen, und, wenn er Willens gewesen wäre, eine so kostbahre Zeit so schlecht anzuwenden, so hätten ihm doch die Küsse, die Liebkosungen der Cataline keine Freyheit dazu gelassen. Er nahm sie also in seine Arme, er warf sie auf ihr Bette, ohne daß seine Lippen ihren schönen Mund verliessen; und wer kann die Hitze und die Trunkenheit dieser ersten Vergnügungen beschreiben? welche Verlangen, Zwang und Neuigkeit zeugte. Nach diesen kosteten sie von einer andern Art viel längere und angenehmere, dabey Cataline eben so munter, als Don Ferdinand hitzig war.

Einige Zeit nachher, als Don Ferdinand aus seiner Kammer gegangen, war einer von seinen Edelknaben, mit Nahmen Valerio, von achtzehen Jahren, sehr klug und schön, durch etwas nothwendiges aufgeweckt worden. Er stand auf, und gieng hinab, seines Behufes zu thun. Er war mit einem von seinen Cameraden zu Bette gegangen, welchen er nicht aufwecken wollte. Die Kammern dieses Gasthofes waren so eingerichtet, daß deren drey hinter einander waren, welche auf einen grossen Gang zugiengen. Don Ferdinand und seine Frau hatten diejenige inne, welche am meisten von der Treppe entfernet war, die Edelknaben schliefen in der andern, und die Frauen der Donne Marie waren in der ersten. Weil Valerio ohne Licht wieder hinauf gieng, so verirrte er sich leicht, und erkannte die Kammer nicht, aus der er gegangen war. Wie er die Kammer seiner Frauen offen fand, so gieng er ohne einiges Bedenken hinein, er suchte sachte sein Bette, indem er der Mauer folgte, er fand es, und legte sich nieder. Das Geräusch, welches er machte, um sich in seinem Bette zurechte zu legen, weckte die Donne Marie auf, welche ihn, da sie ihn für ihren Mann hielt, lebhaft umarmete, und zu ihm sagte: Mein Schatz, wie kalt seyd ihr? und indem sie ihre Füsse zwischen die seinigen legte, so machte sie ihm tausend Liebkosungen. Sie hatte so sachte geredet, daß der Edelknabe der Unterschied der Stimme nicht bemerket; er glaubte bey einem von seinen Cameraden zu seyn, und lachte seines Irrthums, oder des Traums, der ihn überredte, daß er mit einer Frau zu Bette gegangen. Wie er aber einen Augenblick nachher fühlte, daß viel weichere und zärtere Hände auf eine besondere Art ihn anrührten, und daß man zu ihm sagte: Kehret euch doch, mein Herz, auf meine Seite, und habt zum wenigsten nicht die Grausamkeit, mir einen Kuß abzuschlagen: Was, ihr wollet nicht? sprach eine englische Stimme; da erkannte Valerio seinen Irrthum deutlich, und konnte nicht zweifeln, daß er in den Armen der Donne Marie wäre.

Es überfiel ihn ein Schrekken, aber wie er sich wieder erholet hatte, so begriff er die ganze Wahrheit der Sache; denn er hatte etwas von dem Umgang der Cataline mit Don Ferdinand gehöret. Er hoffte, daß sein Stillschweigen die Donne Marie nöthigen würde, wieder einzuschlafen, und daß er alsdann sachte aufstehen, und in seine Kammer zurückkehren könnte. Aber Donne Marie war allzusehr erhitzt, sich zu mäßigen, und die Liebkosungen, welche sie demjenigen, den sie für ihren Mann hielt, machte, fiengen an ihn zu erhitzen, gleich einem halb versäuften Sperling, den man gegen die Hitze des Feuers hält. Valerio wurde ganz entzündet. Welcher Marmor hätte den lebhaften und beständigen Umarmungen zweyer Arme, die weisser als Alabaster waren; den Küssen eines rosenrothen Mundes, und der frischer als der Thau war; den abgekürzten Worten, die durch das Verlangen unterbrochen, und mit einer jungen, zarten und rührenden Stimme ausgesprochen wurden, widerstehen können? So hatte auch dem Valerio die Schönheit seiner Frauen schon hundertmahl geblendet, seitdem er in ihren Diensten war. Er vergaß allmählich das Unrecht, das er seinem Herrn anthät, er küßte ihren schönen Hals, ihren niedlichen Busen, und ihren unvergleichlichen Mund, ohne sich eigentlich entschliessen zu können, was am meisten vorgezogen zu werden verdiente. Er war in dieser angenehmen Unentschlossenheit, als sie zu ihm sagte: Tödte mich nicht, mein werther Schatz, durch so viel Liebkosungen; du willst mich in deinen Armen sterben lassen; wenn du mir das Leben wieder geben wilst, so vergnüge meine und deine Begierden. Welcher Mensch hätte so lange gewartet, sich überwinden zu lassen? Er übergab sich demnach mit eben so viel Vergnügen und Nachdruck, als sein Herr bey des Wirths Nichte gebrauchen konnte. Gleichwohl erregten diese Umarmungen, die viel lebhafter und feuriger waren, als diejenige, welche sie gemeiniglich von ihrem Manne empfieng, die wiederhohlten Küsse, das Stillschweigen bey dergleichen Gelegenheit, die ungleich grössere Munterkeit und Bemühung, bey ihr einen Argwohn, so bald die erste Verblendung der Wollust vorbey war. Auf der andern Seite befand sich der Edelknabe in einem grausamen Zustande; er glaube all Augenblicke seinen Herrn mit einem Dolche ankommen zu sehen, mit welchem er ihm nach hundert Stössen das Leben nähme; er unterstand sich nicht, seine Frau um Vergebung zu bitten, und ihr die Wahrheit zu entdecken: Er sahe die Schwierigkeiten, sie zu verlassen, ohne ihr etwas zu sagen: Er befürchtete, Donne Marie möchte ihrem Mann wider ihren Willen durch die blosse Erzehlung dessen, was vorgegangen wäre, davon Nachricht geben. Kurtz, er sahe sich vielleicht eben so sehr durch die Unruhe gemartert, als er von seinen Ergötzungen bezaubert war. Nach alle dieser Unschlüßigkeit nahm er sich vor, zu ihr zu reden, als wäre er bey der Chimene, einer von der Donne Marie Frauen, mit der er einen heimlichen Liebes-Handel hatte, der aber durch die strengen Befehle des Don Ferdinands unterbrochen war. Folglich, wiewohl er keinen weiten Weg zu gehen hatte, nahete er sich zu ihr, und umarmete sie mit vieler Innbrunst; da er aber sahe, daß sie ihm nichts antwortete, und daß ihre Verwirrung und ihr Nachsinnen alle ihre Empfindungen hemmeten, so sprach er zu ihr: Ich hätte mir, meine werthe Chimene, niemahls auf die Gütigkeit Hoffnung gemacht, welche du mir eben bezeuget hast: Ich befürchtetete, des Don Ferdindands Verboth möchte alle die Liebe, die du mir so oft zugeschworen hast, aus deinem Herzen vertrieben haben: aber, setzte er hinzu, indem er sie küßte und liebkosete, nachdem du mir dieses zugestanden hast, so ist keine Gefahr, der ich mich nicht aussetzen könnte, um von dir die Proben eines so grossen Glücks zu empfangen; Aber, meine artige Schöne, warum sagst du nichts zu mir? was fürchtest du? Deine Gesellin ist unsere Vertraute; wenn sie uns hörte, würde nicht viel daran gelegen seyn: Don Ferdinand muß dir nicht die geringste Unruhe verursachen, er ist ietzo in den Armen der Nichte des Wirths: Donne Marie ist in den tiefsten Schlaf versunken, und weiß nichts von der Untreue, welche ihr Mann gegen sie begehet. Diese mit Liebkosungen und Küssen begleitete Worte liessen bey der Donne Marie gar keinen Zweifel. Da sie aber sahe, daß sie nicht Unrecht hätte, und daß der Himmel ihren Mann auf eben die Weise hätte strafen wollen, als er sie beleidiget, so gab sie dem Valerio einen von ihren Ohrringen; denn sie hatte vergessen, selbige beym Bettegehen abzunehmen, und sagte zu ihm so leise als es ihr möglich war: Nimm, glückseliger Jüngling, diesen Zeugen, und morgen solt du dasjenige erfahren, was dir begegnet ist: sey verschwiegen über dein gutes Glück, wenn du nicht willst grausam gestraft werden – – – Der Edelknabe stand auf, ohne zu antworten, kam wieder in seine Kammer, schloß seine Thür zu, und legte sich bey seinen Cameraden, der nicht aufgewacht war.

Wer kann sich die angenehmen Bilder vorstellen, mit denen Valerio alsdann beschäftiget war? Weil sie frey von aller Furcht waren, so mahlten sie ihm den Besitz einer so schönen Frau, als Donne Marie, mit lebhaften Farben vor; er wiederhohlte bey sich alle Umstände seines genossenen Vergnügens, und er hätte sich gern allen Gefährlichkeiten ausgesetzt, um es noch einmahl zu schmecken. Zu eben dieser Zeit war Donne Marie mit der Schönheit, mit dem artigen Wesen und mit der Bescheidenheit beschäftiget, welche sie in der Gestalt und in allen Handlungen des Valerio allezeit bemerket hatte; und sie konnte über das, was ihr begegnet war, nicht mißvergnügt seyn. Sie freuete sich so gar, daß sie sich an ihrem Manne mit so viel Unschuld auf ihrer Seite hatte rächen können. Aber wie sie hernach sahe, daß ihr Mann nicht wieder kam, so klagte sie ihre Einfalt an, und bestrafte sich selbst, daß sie den Valerio so geschwind weggehen lassen, dessen Verrichtungen einen längern Aufenthalt verdienten. Der Edelknabe und sie endigten ihre angenehme Gedanken mit einem süssen Schlafe, der auf die Ergötzungen folget.

Lasset uns wieder auf Don Ferdinand kommen. Er war noch keine zwo stunden bey der Cataline gewesen, als ihr Mann Roderige an die Pferdstall-Thür pochte; sie war so weit von seiner Frauen Kammer, daß sie ihn nicht hören konnte. Der Stall-Knecht, der ihn an der Stimme erkannte, öfnete ihm eiligst die Thür. Diesem gab er sein Pferd, band seinen Mantel-Sack ab, nahm ein Licht, und gieng geschwinde nach seiner Kammer, wo unsere Verliebten ihn nicht erwarteten. Sie gedachten so wenig an ihn, daß er zwey oder dreymahl an ihre Thür pochte. Wer ist da? frug Cataline: Ich bin es, antwortete Roderige. Wer bist du? versetzte sie: Es ist dein Mann, sagte er, indem er seine Betheurungen verdoppelte, kennest du mich nicht? Nach dem Cataline hier alle ihre Sinne zusammenfaßte, und in der That ihren Mann erkannte, so bliebt sie mehr todt als lebendig, und fand kein ander Mittel den Don Ferdinand zu retten, als ihn unter das Bette zu verstecken. Allein wie man in dergleichen Fällen nicht alles vorhersehen kann; so blieb sein Mantel auf dem Tische, wohin er ihn beym Hineingehen geworfen hatte, liegen. Nachdem ihr nun deuchte, daß alles eingerichtet, so sagte sie ganz laute: Bist du es denn, mein lieber Roderige, so sey willkommen; aber wer erwartete dich so spät? habe ein wenig Gedult, denn ich habe kein Licht, laß mich aufstehen. Als sie endlich die Thür geöfnet, und ihr Mann sie beynahe nackend und voller Anmuth sahe, wie alle Frauen nach einer solchen Beschäftigung scheinen, so wollte er sie auf das Bette werfen. Sie aber, die von einer Person, die ihr mehr als ihr Mann gefiel, vergnügt war, weigerte sich, und sagte zu ihm, er möchte ein wenig Geduld haben, er könnte sich erhitzen und Schaden thun, zudem hätten sie die Nacht vor sich.

Roderige wurde ganz eingenommen, wie er sahe, daß sie mehr Antheil an seiner Gesundheit, als an ihrem eigenen Vergnügen, nahm, so mäßigte er sich, und entfernte sich, aus Furcht, noch entbrannter zu werden. Damit er ihr aber einige Kleinigkeiten, die er ihr in der That mitgebracht hatte, zeigen möchte, so öfnete er seinen Mantel-Sack, und wie er sie auf den Tisch legen wollte, so war das erste, was er beym Abräumen gewahr wurde, der Mantel von Don Ferdinand, darüber sie sehr verwirrt wurde.

Damit nun Cataline die Gefahr, in welche sie und ihr Liebhaber deßfals liefen, abwenden möchte, so sagte sie mit einer bewunderswürdigen Hurtigkeit des Verstandes, welche die Weiber in dergleichen Fall allezeit haben werden: Ich wette, daß ich auf diesem Tische etwas werde liegen gelassen haben, und da sie immer näher hinzu gieng, und den Mantel nahm, so machte sie sehr viel Zeichen des Creuzes, und sagte: Ach, ich bin toll, und habe nicht mehr Verstand, dieses offenbahr liegen gelassen zu haben; wenn ein anderer als du hier herein gekommen wäre, so würde mir meine Nachlässigkeit theuer zu stehen kommen. Der Mann, der von dem, was sie ihm sagte, nichts verstand, antwortete ihr mit Kopfschütteln: was bedeutet dieser Mantel, und alle die Geberden, welche du machst? Du sollst es wissen; aber, setzte die Verschlagene hinzu, indem sie die Thür aufmachte, und draussen umher guckte, laßt uns sehen, ob uns niemand höre. Nach aller dieser Vorsichtigkeit verfolgte sie weiter: Erinnerst du dich des Herrn nicht mehr, welcher die verwichene Tage hier schlief, und nach Sevilien gieng? Was für ein Herr? sagte der Mann. Ein junger Mensch, versetzte das Weib, der hiedurch gieng ohngefehr für einem Monathe, der mit einem braunen mit Golde besetzten Laken und einer rothen Weste bekleidet war, auf einem bräunlichen Pferde saß, daran der Sattel, die Decke und Pistolen-Kappen und Gallaunen verbremet waren? Ich erinnere mich davon nichts, antwortete ihr Roderige. Du lieber GOtt? was hast du ein schlecht Gedächtniß, unterbrach Cataline, willst du wetten, daß ich machen werde, daß du dich seiner erinnerst. Zu gleicher Zeit öfnete sie einen Koffer, aus welchem sie eine silberne Schale hervorlangte, welche ihr Mann dem Koche des Herrn gestohlen hatte, und wie sie ihm dieselbe wieß, so sagte sie: Du hast ohne Zweifel den Herrn dieser Schale nicht vergessen. Ja ja, rief der Mann, es fält mir einiger maassen wieder ein. Eben dieser Herr, fuhr Cataline fort, gieng vor acht Tagen mit eben dem Gefolge wieder hiedurch, und weil die Nacht einbrach, so wurde er gezwungen hier zu schlafen. Als sich seine Leute abgesetzt hatten, machte ein jeder seinen Mantel-Sack loß, einer aber unter ihnen, der einen Knoten in dem Strick, womit er gebunden war, nicht auflösen konnte, legte seinen Mantel bei Seite, um weniger beschwert zu seyn, und warf ihn auf einen Stuhl; er machte endlich seinen Knoten auf, und gab sein Pferd dem Stall-Knecht, er trug nachher sein Felleisen weg, aber er vergaß seinen Mantel, gleich als wenn er ihm niemahls zugehöret hätte, und gieng in seine Kammer hinauf. Ich gab indessen Acht, was vorgieng, und da ich sahe, daß niemand die Augen nach mir hatte, so nahm ich den Mantel und verbarg ihn so wohl, daß ihn niemand nachher gesehen oder angetroffen. Zum Glück für mich langte in diesem Augenblick eine so grosse Anzahl Fuhrleute und Fußgänger an, daß das ganze Haus voll war. Eine Stunde nachher erinnerte sich der Herr seines Mantels, und suchte ihn da, wo er ihn liegen gelassen, und wo er nicht mehr war. Es war vergeblich, daß er hundertmahl sagte: Ich habe ihn doch da liegen lassen, wer hat ihn mir doch weggenommen? Ich antwortete ihm mit Lachen: Wer ihn weggenommen hat, wird nicht kommen, und es euch sagen. Wie der gute Mensche endlich die Menge Leute sahe, welche aus dem Hause aus und eingegangen waren, so begab er sich weg, und gestand durch sein Stillschweigen, daß er den Verlust, den er gelitten, keinen als sich selbst zuschriebe. Endlich, sagte sie weiter, der Mantel blieb mir, und nach der Zeit habe ich ihn in meinen Kasten gelassen. Diesen Abend habe ich ihn ohne daran zu denken herausgezogen mit deinen Hemdern, welche ich ausbessern wolte, und mit deinem neuen Kleide, welches du meiner Meynung nach morgen anziehen wirst, denn es ist Sonntag, und ich würde mich sehr betrogen haben, wenn du nicht wärest wieder kommen. Ich habe schändlich vergessen, ihn wieder zu verstecken, um dich zu verhindern, ihn zu verkaufen, wie du viel anderen Sachen gethan hast, ohne mir etwas davon abzugeben. Sie endigte diese Geschichte, indem sie traurig und mißvergnügt über ihn schien. Roderige aber fieng an zu lachen, und antwortete ihr: GOtt behüte dich für Unglück, da er dir so gute Hände gegeben. Bey meiner Treue, fuhr er fort, diesen Mantel könnte ein heiliger Georg tragen: wir wollen ihn verkaufen, und das Geld davor theilen, ich gebe dir mein Wort. Und nachdem er ihn von verschiedenen Seiten umkehrte, so sagte er: Er ist wohl zwanzig Thaler werth; aber sage mir: Weiß dein Vetter nichts von dieser Sache? Behüte GOtt, antwortete Cataline, wenn er es wüste, so würde er wenigstens die Helfte davon verlangen. Ich werde nichts zu ihm sagen, fürchte nur nichts; unterbrach Roderige: und übermorgen will ich ihn zu Almagro oder zu Santa Crux verkaufen.

Don Ferdinand, der von der List und Hurtigkeit des Verstandes der Cataline eingenommen wurde, hätte gern zwölf Mantels gegeben, um den Mann hinaus gehen zu sehen. Er hatte es, nach seiner Art sehr schlecht; er war sehr kalt, nackend im Hemde auf dem Boden, daß er befürchtete, niemahls aus dieser Kammer wieder zu kommen. Indeß wollte Roderige sich auskleiden, um bey seiner Frau zu schlafen, welche sich wieder ins Bette gelegt hatte. Wie aber Cataline sahe, daß dieses kein Mittel wäre, den Don Ferdinand wegzuschaffen, so sagte sie: Ich vergesse bald, dir eine halbe Flasche Ribadatica Wein trinken zu lassen, du hast so etwas gutes niemahls getrunken. Ehe du dich zu Bette legest, so gehe in die Küche; du wirst finden, was ich dir aufgehoben habe mit einer Keule von einem Rebhune in einer porcellanen Schüssel. Und woher kommt mir diese schöne Mahlzeit, versetzte Roderige, der wenigstens eben so fräßig als diebisch war. Sie antwortete: Die Frau eines Herrn, welche hier schläft, hat es mir gegeben, da ich ihr beym Abendessen aufgewartet. Ist diese Frau alleine hier? versetzte der Mann. Sie frug: Was soll diese Frage? Wenn keiner bey ihr wäre, sagte er, so wollte ich mein Glück versuchen. Und was für ein Glück? unterbrach ihm die Frau, indem sie sich unwillig anstellte; wenn du dich bey ihr sehen liessest, so würden dich ihre Diener hundert Schläge mit dem Steig-Riemen geben. Du gute Frau, Cataline, versetzte Roderige, ich würde ihren Hahnrey von Mann bey ihr antreffen, der sich vielleicht nicht unterstehen würde, mir etwas davon zu sagen. Aber da ich seit einer viertel Stunde trocken schwatze, so werde ich durstig, und das Andenken des guten Weins macht mir einen so grossen Durst, daß ich nicht mehr aushalten kann. Du kannst ihn holen, sagte ihm Cataline, ich habe ihn in das kleine Schrank verschlossen; du wirst um desto besser thun, wenn du alsobald hingehest, weil ich den jungen Purschen, der in der Küche dienet, fürchte: Er mag den Wein wohl, er naschet ärger als eine Katze, wenn du bis morgen wartest, so wird er dir vielleicht zuvorgekommen seyn. Ich will es ihn wohl verbieten, versetzte Roderige, und führwahr, ich habe es nöthiger als er. Indem er dieses sagte, so wollte er einen von seinen Schuhen kriegen, der unter seinen Füssen weggekommen, und weit unter das Bette geschurret war. Da er ihn aber ohne Licht nicht finden konnte, so wollte er es von dem Tische holen. Cataline, welche die Gefahr sahe, die sie lief, kam geschwinde aus dem Bette, nahm ihm das Licht, das er schon hatte, weg, und sagte mit einer zornigen Stimme zu ihm: Kannst du nicht einmahl nach einer halben Stunde einen Schuh finden? und indem sie sich von der Seite des Tisches kehrte, so suchte sie ihn wo sie wohl wuste, daß er nicht war. Der Mann wurde unwillig, wie er sahe, daß seine Frau mit blossen Füssen gieng, und sagte zu ihr: Ich glaube, du hast den Verstand verlohren, willst du dir eine Krankheit zuziehen, welche uns alle unser Geld kosten wird? Lege dich nieder in dein Bett; ich hab, GOtt Lob! Verstand genung, einen Schuh ohne deine Hülfe zu finden. Man kann leicht von der Angst urtheilen, die Don Ferdinand in diesem Augenblick ausstand. Er war ungezweifelt verlohren, wenn Cataline sich nicht gestellt hätte, als stoßte ihr etwas unter die Füsse, und mit dem Leuchter und Lichte nicht gefallen wäre, welches sie also auszulöschen das Glück hatte. Während dieser Zeit, daß der Mann sie aufhelfen wollte, so näherte sich die Frau an das Bette, griff mit dem Arm unter dasselbe, und rührete die Füsse des Don Ferdinands an, der ihre Hand für ihres Mannes Hand hielt, und im Begriff war, heraus zu springen, um sein Leben zu vertheidigen, und ihn mit dem Dolche zu tödten, den er bey sich behalten hatte. Da aber die Person, welche ihn anrührte, kein Wort sagte, so überredete er sich der Wahrheit: und nachdem Cataline endlich den Schuh, den sie tausendmahl verfluchte, wieder gefunden hatte; so gab sie ihn ihrem Manne, welcher seiner Seits das Licht und den Leuchter hielt, die Finsterniß, Frau, Schuh und sich selbst allen Teufeln übergab. Darauf fand sich Cataline trotzig, oder wenigstens fieng sie an, in ihren Sachen klärer zu sehen, legte sich in ihr Bette, hieß ihren Mann närrisch und tumm, und sagte endlich: Fürwahr ich glaube, daß er nicht Herz genung hat, ein Licht anzuzünden. Man kann sich nicht besser verantworten, als mit Dingen, die wehe thun, oder die gleichgültig sind: das ist noch eine von den natürlichen Gaben der Weiber, daß sie dergleichen leicht erfinden. Dieser Vorwurf griff die Ehre des Roderigen an, und ganz fluchend sagte er: Du solst sehen, ob ich es nicht anstecken werde. Alsobald gieng er hinaus, um in die Küche zu gehen, wo er glaubte, Feuer und fürnemlich den Wein, davon ihm seine Frau gesagt hatte, zu finden. Er war noch nicht vier Schritte von der Thür, als Cataline aufstunde, den unglücklichen Don Ferdinand eiligst zu erlösen, der vor Kälte erstarret, mit Federn und Dreck bedeckt, sich nicht zweymahl sagen ließ, wegzugehen. Er unterstand sich nicht, in dem Stande, worinn er sich befand, bey seine Frau zu kommen; er gieng demnach nach der Kammer seiner Edelknaben, er schlug zwey oder dreymahl an ihre Thür. Valerio schlief noch nicht, er frug: was man wollte? Und wie er seines Herrn Stimme erkannte, so überfiel ihn ein Schrecken; und, ohne zu erwegen, daß Donne Marie nicht würde gestanden haben, was sich zugetragen, zweifelte er nicht, daß er von der Wahrheit berichtet, und nun käme, ihn seiner Rache aufzuopfern. Er stund demnach ganz erschrocken auf, da er einen kalten Schweiß hatte; und seine Furcht war um desto stärker, weil die Kammer keinen andern Ausgang hatte, und die Fenster mit Gittern vermacht waren. Es fehlte wenig, daß er nicht seinen Herrn zu Fusse fiel, indem er die Thür aufmachte, und ihn nicht um Verzeihung seiner Untreue bar. Da er ihn aber bey dem Monden-Schein so bleich und erschrocken sahe, daß er Mühe gehabt hätte, ihn zu erkennen, und an ihm kein Zeichen der Eifersucht gewahr wurde: so sammlete er die Kräfte seines Geistes, um zu wissen, was er ihm befehlen wollte. Ohngeachtet seiner Bemühung, sich zu zwingen, merkte Don Ferdinand seine Verwirrung, und frug ihn um die Ursache. Valerio sagte ihm mit zitternder und undeutlicher Stimme, daß der Zustand, in welchem er ihn fände, wie er voll Schrecken erwacht wäre, ihm eine Bestürzung verursachte, davon er sich lange nicht erhohlen würde. Don Ferdinand, der mit andern Sachen beschäftiget war, und der nicht im Stande war, diese Fragen weiter zu treiben, befahl ihm das Stillschweigen; vertrauete ihm seine Begebenheit, forderte ein Hemd, und befahl ihm, geschwinde Feuer zu machen. Der Edelknabe zog den Strohsack aus seinem Bette, und fand einige in der Asche gebliebene Kohlen. Im Augenblick wärmete sich Don Ferdinand, reinigte sich, that andere Wäsche an , und legte sich zu seiner Frau, da er in das Bette wie eine Schlange kroch, aus Furcht sie aufzuwecken.

Unter dieser Zeit bließ Roderige einen Brand an, und brachte mehr als eine Viertel-Stunde zu, eher er sein Licht ansteckte. Wie diese grosse That geschehen, so gieng er gerade auf den kleinen Schrank zu, und fand die Schüssel und die Flasche. Aber das eine war so rein, als das andere leer. Er bekam den Argwohn wieder, den ihm seine Frau gegen den kleinen Jungen gemacht hatte: und da er einen grossen Stock unter seinen Händen fand, so gieng er nach seinem Bette, und weckte ihn mit so guten Schlägen auf, daß der arme Junge, der ihn für den Teufel hielt, die Flucht nahm, und tausend Zeichen des Creuzes machte, und alle Heiligen im Himmel anrief. Indeß verfolgte ihn Roderige immer, und schlug zu, indem er sagte: War der Ribadatica gut? war das Rebhuhn mürbe? Endlich entkam der arme Junge, ohne etwas von dem, was er ihn frug, verstanden zu haben, in den Hof, und versteckte sich in dem Stalle. Wie Roderige eine solche ungerechte Züchtigung verrichtet hatte, indem Cataline selbst alles getrunken und gegessen hatte; so wollte er sich zu Bette legen, doch nicht ohne vorher seiner Frauen seine Ausrichtung, die er gethan hatte, zu berichten. Cataline lobte ihn, und vergaß nicht, den aus Geitz und Filtzigkeit so oft wiederhohlten locum communem oder Lehr-Spruch, daß es nicht sowohl um den Werth der Sachen, als um der Folgen wäre, welche sie nach sich ziehen könnten. Sie umarmeten sich darauf, und liebkoseten sich nach ihrer Gewohnheit; da indeß Valerio sich von seinem Schrecken erhohlte, und den Rest der Nacht wach blieb: so viel Vergnügen verschaffte ihm das Glück seines Liebes-Handels.

Nach dem Befehle, den die Gutscher und Stall-Bediente den Abend vorher empfangen hatten, wollten sie beym Anbruch des Tages ihrem Herrn berichten, daß sie fertig zu reisen wären. Aber die Stille und Dunkelheit, welche da herrschten, sagten ihnen des Don Ferdinands Schlaf; deswegen unterstanden sie sich nicht, ihn aufzuwecken. Donne Marie hörte sie, und erinnerte sich anfangs nur als in einem Traume, was ihr mit dem Edelknaben begegnet war. Inzwischen ihr Ohrring und andere Merkmaale sagten ihr bald die Wahrheit; und aus dem Schlafe ihres Mannes konnte sie urtheilen, daß er wenigstens die Nacht eben so gut hingebracht. Sie glaubte, daß ihm der Schlaf nöthig wäre: sie stand auf, rief ihre Frauen, um sich anziehen zu lassen, und sagte ihnen, daß sie die ganze Nacht geschlafen, ohne aufzuwachen. Denn ie weniger man zu lügen gewohnt ist, desto besser ist es, sich auf eine Lüge zu schicken, die man vorher wohl ausgedacht. Wie Chimene sie aufsetzte, sagte sie zu ihr: Ich glaube, meine Frau, daß ihr einen von euren Ohrringen verlohren habt. Nein, sagte sie, er fiel gestern auf die Erde, und ich habe ihn dem Valerio gegeben, um ihn euch wieder zuzustellen. Chimene gieng alsobald hin, ihm zu sagen, den Ohrring zu bringen, den ihre Frau ihm in Verwahrung gegeben. Valerio, der wohl verstand, was die Donne Marie ihm zu verstehen geben wollte, brachte ihr denselben; da sie ihn aber sahe, und von dem, was vorgegangen, noch eingenommen war, so erröthete sie, und erhöhete dadurch ihre Schönheit. Valerio wurde nicht weniger verwirrt, und unterstand sich nicht, sie anzusehen. Don Ferdinand zog sie aus dieser Sorge, indem er aufwachte; aber er bat seine Frau, seine Leute zu ihrer Reise nicht anzutreiben: Ich wollte, sagte er, erst Nachmittage reisen. Seyd ihr unpaß? frug ihn Donne Marie. Nein, antwortete er ihr, ich habe Kopfweh, welches ein Schlaf von einigen Stunden sicher vertreiben wird. Schlafet! versetzte sie; man soll alles hier zumachen, und unterdeß will ich mit meinen Frauen in die Messe gehen.

Wie sie wieder aus der Kirche kam, wurde sie eines Herrn gewahr, der eine Frau zu Pferde begleitete, welcher eine Jungfrau und drey oder vier wohl bekleidete Bediente folgten. Die Tracht dieser Leute erweckte in ihr eine Neugier. Sie stand stille, um sie zu betrachten, und wurde billig von der schönen Leibes-Gestalt, von dem artigen Wesen und von der guten Wahl der Kleider dieser Frau eingenommen. Sie ritte einen weissen Zelter, dessen von Gold reicher Sattel von viel röthern, als Corallen, Brasilien-Holz war. Das Küssen, auf dem sie saß, war von karmesin Taffent, mit durchgeneheten Spitzen besetzt. Sie hatte ein Wams von Silber-Damast mit sechs Borten von Gold; ihr Rock war von eben dem Zeuge. Die Brust bedeckte ein mit Gold durchwirktes Tuch, und ihr Hut war ganz mit Federn bedeckt. Dieser Haufe gieng eines nach dem andern vor der Donne Marie her. Aber eine Haube von weissen Taffent, welche das Gesicht der Frau bedeckte, verhinderte, daß die Neugier der Donne Marie nicht vergnüget wurde. Sie konnte sich nicht anders einbilden, als daß ihre Schönheit mit alle dem, was sie an ihr bemerkte, übereinstimmen würde. Diese Fremde grüsseten die Donne Marie, wie sie es verdiente; und der Herr, der diese schöne Unbekannte führte, sagte zu ihr: Meine Frau, ihr sehet, daß diese Berge, welche sehr rauh scheinen, schöne Personen herfürbringen. Dieses Land, versetzte die Unbekannte, kann sich einer so schönen Frucht nicht rühmen. Diese schmeichlerische Reden mißfielen der Donne Marie nicht. Sie war damit beschäftiget, da sie diesen schönen Haufen bey eben dem Gasthofe stille halten sahe, wo sie übernachtet hatte.

Inzwischen stieg der Herr ab, und hob die Frau vom Pferde, welche, um einige Fragen an den Wirth zu thun, der sie zu empfangen herbey gekommen war, ihre Haube abnahm, und ein blendendes Angesicht entdeckte. Der Herr frug sie: ob sie etwas nehmen wollte? Aber sie antwortete: weil sie ein wenig müde wäre, so wollte sie lieber ausruhen. Man führte sie in einen kleinen Saal; da indeß der Herr, der sie begleitet hatte, frug: ob eine Frau, welche mit ihrem Mann und ihrem ganzen Hause nach Hofe gienge, die verwichene Nacht nicht in diesem Gasthofe übernachtet hätte? Er setzte hinzu, daß seine Nichte ein groß Verlangen trüge, sie anzutreffen, wegen der Lobsprüche, die sie von ihr hätte machen hören. Es kommt nur auf euch an, antwortete der Wirth, davon zu urtheilen: denn diese Frau ist nahe bey euch; sie ist so artig, daß sie eure Gesellschaft, wie ich glaube, nicht ausschlagen wird. Man muß wissen, versetzte der Herr, ob die Frau darein willigen wird; dabey er sie zugleich grüßte. Ja, antwortete ihm die Donne Marie, ich willige darein; ich habe eure Nicht von ferne gesehen: inzwischen werde ich sehr vergnügt damit seyn. Nach einigen gegenseitigen Höflichkeitsbezeugungen verließ ihn Donne Marie, um von ihrem Manne etwas neues zu hören. Sie fand ihn, daß er aufstand: sie sagte zu ihm von der Gesellschaft, welche sich mit der ihrigen vereinigte. Die Lobsprüche, die sie der Schönheit der Unbekannten gab, machten den Don Ferdinand, aufmerksamer, und vertrieben sein Kopfweh völlig: und, um den Verlust seines Mantels desto leichter verbergen zu können, so sagte er, daß er ein ander Kleid, und zwar das allerkostbahrste, das er mitgebracht hätte, anlegen wollte; welches er aus einem verbuhlten Triebe that. Wie er mit seinem Anzuge zufrieden war, so gieng er nach der Messe.

Einige Augenblicke nachher kamen Don Alonso und Donne Pantasilee, um der Donne Marie für ihre Höflichkeit Dank zu sagen. Sie trafen selbige an, wie sie sich eben, ihre Gedanken zu vertreiben, mit Chimenen unterhielt. Don Alonso stellte ihr seine Nichte vor, und diese Frauen machten sich tausend Höflichkeiten. Ihr Gespräch wurde um desto munterer, da Donne Marie gewahr wurde, daß Pantasilee einem jungen Menschen, Nahmens Don Francesco, den sie vor ihrer Heyrath sehr geliebet hatte, ungemein ähnlich war. Diese Vorstellungen nahmen sie ein, und brachten ihr noch andere wieder ins Gedächtniß; und verhinderten, daß sie nicht auf alles antwortete, was ihr die schöne Pantasilee aufgewecktes und artiges sagte. Diese stand endlich, ohne ihr merken zu lassen, daß sie ihre Verwirrung gewahr worden, auf, um ihre Befehle zur Abreise zu geben, weil sie glücklich genung war, sie zu begleiten. Donne Marie wollte sie noch zurück halten; worüber Don Ferdinand herein trat, der von ihren Reizungen ganz geblendet wurde. Er fügte seine Bitte dem Ansuchen seiner Frau hinzu; sie erhielten von ihr, sich niederzulassen. Don Alonso nahm die Sorge für das Reise-Geräthe auf sich, da inzwischen die Frauen und Don Ferdinand ihre Vorschläge der Reise abredeten. Sie fiengen an, unter sich eine Freundschaft aufzurichten. Jedoch aus Furcht, die Pantasilee, welche vom Pferde gestiegen, zu ermüden, so wurden sie einig, den Rest dieses Tages in eben diesem Gasthofe zu bleiben. Chimene, die Verstand und Gaben hatte, verschafte ihnen tausend Veränderungen, deren man wohl entbehren konnte: denn die Aehnlichkeit der Pantasilee mit Don Francesco beschäftigte die Donne Marie hinlänglich; und die Augen eben dieser Pantasilee machten einen grossen Eindruck in des Don Ferdinands Herz. Auf der andern Seite nahm Don Alonso nach seinem lustigen und muntern Wesen und nach seinem Verstande von allen Gelegenheit, ihnen die Zeit zu vertreiben, und sich selbst aufzumuntern. Wie endlich die Frauen in Spielen und Tänzen, welche Chimene zusammengebracht hatte, bey einander gewesen waren; so begaben sie sich mit verschiedenen Gedanken weg, die sie bey Tage beschäftiget hatten. Die Reisenden giengen bey guter Zeit zu Bette, des Vorhabens, den folgenden Morgen beym Anbruch des Tages abzureisen. Es begegnete ihnen in der Nacht nichts, welches ihrem Anschlage eine Hinderniß in den Weg legen konnte. Don Ferdinand und Donne Marie lagen einer wie die andere der Pantasilee und dem Don Alonso an, in ihrer Gutsche Platz zu nehmen; und ihre Gespräche verlohren nichts von der Annehmlichkeit und Munterkeit, welche sie den Abend vorher gehabt hatten. Der Weg selbst schien ihnen so kurz, daß sie sich zu Almagro befanden, ehe sie wohl glaubten, kaum aus den Vorstädten von Viso gekommen zu seyn. Sie speiseten daselbst sehr lustig, und brachten den Rest des Tages mit spatzirengehen und die Stadt zu besehen zu, welche nicht ohne Schönheit ist. Den folgenden Tag waren sie immer mehr vergnügt, daß sie bey einander waren. Sie speiseten zu Melangon, und machten sich wieder auf den Weg. Aber im Augenblick, da sie es am wenigsten gedachten, klagte Donne Pantasilee über so heftige Kopfschmerzen, daß ihre Ergötzungen sich in Unruhen verkehreten. Donne Marie war bemühet, ihr zu helfen: sie band ihren Kopf mit ihrem Schnupf-Tuche, da indeß ihre Klagen das Herz des Don Ferdinands durchschnitten, der ihren Reizungen alle Gerechtigkeit, die sie verdienten, wiederfahren ließ. Der Donne Marie rührte das Uebel ihrer neuen Freundin so empfindlich, daß sie dieselbe in ihre Arme nahm, und sich auf ihre Knie sich lehnen ließ.Don Alonso bezeugte die Unruhe, die ihm seine Nichte machte, und frug, ob er gleich besser als jemand davon unterrichtet war, ob man noch weit von dem ersten Dorfe wäre. Er schien mit Vergnügen zu vernehmen, daß man auf einen Büchsenschuß von dem Gasthofe von Carcuela wäre. Das ist eine schlechte Herberge, sagten die Gutscher. Es hindert nichts, riefen die Herren, wir werden da Hülfe finden. Der Pantasilee Uebel schien sich zu verdoppeln; sie bath daher ihren Vetter inständigst, sie aus der Gutsche zu heben, deren Schütteln, wie sie sagten, ihr unerträglich wäre. Die Gesellschaft stieg heraus. Don Ferdinand und Don Alonso hielten die Kranke unter den Armen, und hatten den Verdruß, sie in Ohnmacht fallen zu sehen. Donne Marie sprengte ihr stark riechend Wasser ins Gesicht; aber die Thränen, mit welchen sie dieselbe benetzte, waren viel kräftiger, sie wieder zu sich selber zu bringen. Was war dies für eine Freude für die ganze Gesellschaft? Man brachte die Kranke nach Carcuela; man legte sie auf das Bette der Wirthin, um ihr einige Ruhe zu lassen. Don Alonso wußte sehr wohl, daß in diesem Hause dieses einzige Bette war. Man machte die Koffer auf, um der schönen Kranken eingemachte Sachen zu geben, indeß da Donne Marie oben bey dem Bette ihre Hände hielt, und sie mit Küssen, die durch das Andenken ihres lieben Don Francesco angefeuret wurden, überhäufte. Pantasilee widersetzte sich ihren Liebkosungen gar nicht, sondern näherte sich mit ihren Lippen an die ihrige, und küßte sie mit so zärtlichen Seufzern, daß sie in ihren Armen ohne Empfindung blieb. Die Nacht brach ein, als Don Ferdinand und Alonso bey der Kranken ihren Besuch ablegten, und sie lachend und völlig wieder hergestellt antrafen. Ich habe nur, sagte sie zu ihnen, einen übergehenden Zufall gehabt, der mir nur mehr Lust gemacht hat, mich eben so zu ergötzen, wie wir diese letzte Tage her gethan haben. Die Herren wurden voller Freuden, wie sie selbige in so gutem Zustande sahen, und suchten sie durch allerhand Erzehlungen aufzuräumen, die sie nur erfinden konnten, und welche sie bis auf die Ankunft des Edelknaben fortsetzten, der ihnen meldete, daß das Abendessen aufgetragen wäre. Nachdem dieses geendet, so machten sie einen Spatziergang, um die Verdauung zu befördern. Sie kamen wieder zu Haus, um sich bey guter Zeit zu Bette zu legen, und früh abzureisen. Sie sagten beym Hineingehen zur Wirthin, geschwinde weisse Laken auf die Betten zu legen. Aber diese, die keine andere, als das Ihrige hatte, antwortete ihnen: Ich werde bestürzt, daß Leute wie ihr, die ihr ohne Zweifel durch ganz Spanien gereiset seyd, nicht wisset, daß in solchen Wirthshäusern, als dieses ist, darin die Reisende niemahls mehr thun als zu Mittage essen, sich kein Bette finde: Wenn dieser schönen Frauen nichts zugestossen wäre, so würdet ihr euch hier nicht länger als die andern aufgehalten haben; Alles, was ich thun kann, ist, mein Bette diesem Frauenzimmer abzutreten, und zurechte zu machen. Was euch, ihr Herren, betrift, so gebe ich euch den Rath, euch diese Nacht mit diesen Karten, welche ich aus Vorsorge für euch habe bringen lassen, die Zeit zu vertreiben. Don Ferdinand billigte den Vorschlag, und sagte: Ich habe noch schlimmere Nächte erlebt: Leget euch zu Bette, meine Frauen, fuhr er fort, wenn ihr wollet, wir wollen uns die Zeit schon vertreiben: Ich befehle euch meine Frau wohl an, setzte er lächelnd hinzu, indem er sich zu der Pantasilee wandte. Die Frauen machten zwar einige Höflichkeiten, und sagten, daß sie ihnen Gesellschaft leisten wollten, und daß es billig sey, daß sie ihre Beschwerlichkeiten theilten. Die Herren aber, die darein gar nicht willigen wollten, stellten für, wie nöthig die Ruhe für die Gesundheit der Pantasilee wäre. Die Frauen giengen demnach zu Bette, und die Herren setzten sich bey das Spiel.

Es ist nunmehro wohl Zeit, dem Leser, der vielleicht davon schon einigen Argwohn hat, zu melden, daß diese schöne Pantasilee Don Francesco war, derjenige, welchen Donne Marie vor ihrer Hochzeit so heftig geliebt hatte, und hier ist der Ort, diese Geschichte zu erzehlen.

Don Francesco war eines Herzogs Sohn; und man kann von den Reizungen seiner Gestalt leicht ein Urtheil fällen, da er die Frauen-Kleidungen mit einem Vortheil trug, der einer ieden Manns-Person, so schön ihn auch sonst die Natur gebildet hat, allezeit schwer ist. sein Vater schickte ihn nach der damahls in Spanien so berühmte hohen schule zu Osmus, um zu studiren. Donne Marie wohnte mit ihrem ganzen Hause in eben dieser Stadt; und das Glück wollte, daß ihr Haus gerade gegen dem Quartier über war, welches Don Francesco bezog. Das erste mahl, da diese Schöne an ihrem Fenster erschien, wurde er in sie verliebt, und fand bald Mittel, ihr seine brennende Liebe zu bezeugen. Er hatte das Glück, zu sehen, daß sie wohl aufgenommen wurde. Ihr Liebes-Handel war verborgen, aber endlich wuchs ihr Verlangen: und da sie nicht verhindern konnten, in derselben bis an denjenigen Grad zu kommen, wornach alle Verliebten sich sehnen; so gelangte sie endlich dahin, nachdem Don Francesco der Donne Marie im Ernst versprochen hatte, sie zu heyrathen. Diese Heyrath war in Ansehung der Gebuhrt und der Güter sehr ungleich: und nachdem des Don Francesco Hofmeister von dem, was vorgegangen war, Nachricht bekommen hatte; so konnte er nicht umhin, es seinem Vater zu hinterbringen. Die Ungleichheit der Güter ist von Alters her eine Ursach des Verdrusses bey den Geschlechtern; aber die Eitelkeit macht die Ungleichheit der Gebuhrt noch empfindlicher. Also wollte des Don Francesco Vater unsinnig werden, als er diese Zeitung hörte: er nahm die Post, um diese Heyrath zu hintertreiben; und er langte zu Osmus in dem Augenblick an, da sie sollte vollzogen werden. Die Ankunft des Herzogs verrückte alles: er wurde gegen seinen Sohn aufgebracht, und schickte ihn nach Flandern; indem er die Abwesenheit und Entfernung von der Schönheit, die er liebte, als das einzige Mittel ansahe. Der Hohn und verächtliche Ton, in welchem der Herzog von der Donne Marie Geschlechte redete, hätte ihn bald zu einem Zweykampf genöthiget. Don Pedro, der Donne Marie Vater, behauptete gegen ihn mit hinlänglicher Wahrheit, daß er aus einem bessern Hause, als er, wäre, ob er gleich nur ein schlechter Edelmann sey. Sie waren schon im Begriff, sich zu schlagen, aber man brachte sie von einander, und der alte Herzog gieng nach Hause, nachdem er seinen Sohn den Weg nach Flandern nehmen sehen.

Inzwischen, beschloß Don Pedro, um das Gerüchte und den Ausbruch dieser Sache zu unterdrücken, seine Tochter, so bald es ihm möglich seyn würde, zu verheyrathen. Einer von seinen Freunden schlug ihm den Don Ferdinand vor, und er nahm ihn ohne Schwierigkeit an.

Don Francesco war seit zwey Jahren abwesend, als seine Mutter an ihnen einen Bothen abfertigte, ihm den Tod seines Vaters zu melden, und zu befehlen, aufs eheste wieder nach Spanien zu kommen. Dieser Befehl war ihm nicht unangenehm; ohngeachtet des neuen Liebes-Handels, welcher ihn in diesem Lande wohl hätte zurück halten können; und ohngeachtet der Gunst, die er unter der Versprechung der Heyrath erhalten hatte. Ich habe mich allezeit gewundert, daß ein so schöner Mensch, als Don Francesco, nichts als nur die letzten Freyheiten der Ehe hatte; es dünkt mich, daß dieses der Mühe nicht werth war. Dem sey wie ihm wolle, seine Unbeständigkeit brachte ihm das Bild der Donne Marie ins Gedächtniß, und ließ ihn den Entschluß ergreifen, seine neue Liebste zu verlassen, um die Donne Marie aufs eheste heyrathen zu können. Er reisete demnach von Brüssel weg, ohne von iemand Abschied zu nehmen; und er war auf seiner Reise so hurtig, daß er nach vierzehn Tagen in seinem Hause ankam. Er hielt sich darinn nur so lange auf, als nöthig war, von den Beschwerlichkeiten der Post auszuruhen, und dasjenige zu thun, was er dem Andenken seines Vaters schuldig war. Darauf begab er sich nach Osmus, wo er die Heyrath seiner Liebste erfuhr. Dies gieng ihm so sehr zu Herzen, daß er davon krank wurde. Die Jugend und die Vorstellungen, welche ihn überredeten, daß Donne Marie einiger massen so seyn würde, als sie war, stellten seine Gesundheit bald wieder her. Nachdem er von alle dem, was seine alte Liebste angieng, Nachricht eingezogen, so reisete er so bald als ihm möglich war nach Ubeda, wo Don Ferdinand seine ordentliche Wohnung hatte. Kaum war er da angelanget, als man ihm sagte, daß diejenige, die ihm so viel Wege machte, selbst unverzüglich nach Hofe reisen würde. Dieser unversehene Streich würde ihn bald verzweifelt gemacht haben. Denn wenn den Begierden etwas in den Weg gelegt wird, so bringen sie uns gerne zur Verzweifelung. Aber Don Alonso war zum Glück bey ihm. Er hatte ihn auf allen seinen Reisen nicht verlassen. Dieser Edelmann liebte ihn, und sein Verstand wußte in allen bald Rath zu schaffen. Er hielt ihn ab, daß er nicht, wie er thun wollte, unbedachtsamer Weise auf des Don Ferdinands Schloss lief; und rieth ihm, sich als eine Frau auszukleiden, sich für seine Nichte auszugeben, sich zu den Reisenden auf ihrem Wege zu verfügen: und er versprach ihm, so wohl alle Sachen zu spielen, daß er der Donne Marie geniessen könnte. Ob sie gleich bei ihrem Mann war, so trieb er das Zutrauen gar so weit, daß er sich anheischig machte, es dahin zu bringen, daß er mit ihr in ihres Mannes Gegenwart zu Bette gehen sollte. Worin williget die Liebe nicht, um zu den Besitz desjenigen, was sie liebt, zu gelangen? Don Francesco ließ für sich und einen von seinen Edelknaben, den er zu seiner Kammer-Jungfrau annahm, Kleider machen. Und nachdem alles Nöthige angeschaft war, so reisete er von Ubeda den Abend eben des Tages, als Don Ferdinand und Donne Marie, ab; und er kam, wie vorher gesehen, erst den folgenden Tag um neun Uhr in dem Flecken Viso an.

Die Herren, die sich entschlossen hatten, die Nacht mit Spielen hinzubringen, setzten sich in dem Saale, wo sie zu Abend gegessen hatte; und die Wirthin führte die Frauen in ihre Kammer, welche sie so geputzt als das Bette rein und wohl zurecht gemacht funden. Ihre Frauen kleideten sie aus, sie legten sie ins Bette, zogen die Fürhänge vor, giengen weg, und nahmen den Schlüssel mit, dem Befehl der Pantasilee zu folgen, welche unter dem Vorwande ihrer Gesundheit nicht überlaufen werden wollte.

Wie sich Don Francesco so nahe bey der Person fand, nach deren Besitz er sich mit so vieler Hitze sehnte, so fürchtete er sich anfangs, sich zu erkennen zu geben. Die Unbesonnenheit einer solchen List, und der Widerstand der Donne Marie machten ihn zitternd. Denn die Furcht begleitet das Verlangen. Doch da er seine Beine um seiner Liebsten ihre schlang, ihr bald den Busen küßte, bald die feurigsten Küsse gab, so sagte er ihr die verliebtesten und reizendesten Sachen vor. Donne Marie willigte in alles, und antwortete so gar auf das, was er ihr bezeugte, ohne selbst zu wissen, was sie gedachte. Wie endlich Don Francesco einer so dringenden Gelegenheit nicht widerstehen konnte, so gab er sich mitten unter den heissesten Seufzern als denjenigen zu erkennen, der er war, und that ein Geständniß von dem Streiche, den er aus Liebe gemacht hatte, um sie wieder zu sehen, und in seinen Armen zu finden. Ein Vater, der den Tod seines Sohnes beweinet hat, umarmet ihn, wenn er denselben siehet, nicht mit einer so grossen Freude, die der Donne Marie ihrer gleich ist, da sie ihren alten Liebsten wieder erkannte. Ihre Freude war so groß, daß sie stumm blieb. So artig eine solche Rührung ist, so konnte es doch Don Francesco wegen der Nacht in den Augen derjenigen, die er liebte, nicht lesen. Wie er wegen ihres Stillschweigens bestürzt wurde, so machte er es wie ein verliebter Tauber, welcher, wenn er siehet, daß seine zarte Taube an einer Aehre, die ihr in der Kähle stecken blieben, leidet, alle seine Kräfte anwendet mit seinen Schnabel sie ihr heraus zu nehmen. Eben so schonete er keine Liebkosungen, um sie zum reden zu nöthigen. Doch endlich faßte Donne Marie, die von Liebe und Verlangen ausser sich selbst war, ihre Sinne zusammen, und verdoppelte ihre lebhafte Umarmungen und ihre brünstige Seufzer. Wer wollte eine solche Antwort nicht annehmen? Ihr Glück war so vollkommen, daß sie lange in dieser stummen Trunkenheit waren. Wer kann einen solchen Zustand beschreiben? Er ist für alle Worte und Schreibart zu hoch. Ich stelle ihn mit in Gedanken vor, ich sehne mich auch darnach, ein jeder Leser mache es eben so. Alles, was ich als ein aufrichtiger Geschichtschreiber erzehlen muß, ist, daß der Hahn schon einige mahl die Ankunft der Sonnen verkündigt hatte, ohne daß der eine oder der andere die geringste Schwachheit in dem Streite bezeugte hätte; so gleich waren ihre Waffen. Wie sie endlich ganz ermüdet, so machten sie sich zum Schlaf bereit: aber die Liebe liesse sie nicht lange in einem so schimpflichen Schlafe, und weckte sie auf, um das wieder anzufangen, was sie mit so grosser Hartnäckigkeit verrichteten, bis endlich Don Francesco der Munterkeit und Hitze der Donne Marie nicht mehr widerstehen, und sich für überwunden bekennen mußte. Alsdann überhäuften sie sich mit denen zarten Liebkosungen, welche die Müdigkeit noch erlaubet, und welche die Probe und der Triumph des Herzens sind.

Don Ferdinand und Don Alonso setzten ihr Spiel fort, obgleich die Sonne bereits aufgegangen. Der eine, den sein Verlust verdroß, dachte nicht daran, ein Ende zu machen: der andere schien aus Höflichkeit eines glücklichen Spielers, aber in der That um das Vergnügen, welches sein Herr kosten sollte, zu verlängern, dazu verbunden zu seyn. Also hatten unsere glückliche Verliebten Zeit, ihre Reizungen bey lichtem Tage zu betrachten; sich alles, was sich seit einer so langen Trennung zugetragen hatte, zu erzehlen, und ihre Aufführung auf das Zukünftige einzurichten. Die Zeit verlief in diesen süssen Beschäftigungen sehr geschwinde: und sie hörten mit Verdruß ihre Frauen die Thür öfnen, um sie zum Aufstehen zu nöthigen; welches sie auch eiligst thaten, um den Don Ferdinand und Don Alonso zu verhindern, sie in einem Bette anzutreffen, welches eben so wenig als ihr Aufputz im stande war, Besuche anzunehmen. Sie waren kaum angekleidet, als die Herren in ihre Kammer kamen. Sie erzehlten ihnen den Ausgang des Spiels, welcher nicht sonderlich gewesen war: und Don Ferdinand machte mit seiner Frau sehr vielen Scherz über die Nacht, die sie gehabt hatte, welcher wahrhafter war, als er selbst glaubte. Er war über die Gesundheit der Pantasilee erfreuet, weil sie ihm aber noch ein wenig matt schien, so rieth er ihr, sich zu schonen. Sie reiseten ab, und der Wirth und die Wirthin wurden kostbar bezahlt, und insgeheim von dem Don Alonso für die Sorge, die sie sich gegeben hatten, und für die Art, mit der sie seine Befehle ausgerichtet hatten.

Die Reisende stiegen in ihren Wagen: Das Verlangen des einen, und die Zufriedenheit der andern machten die Gesellschaft lebhafter, als sie vorher gewesen war. Carcuela, wo sie ausreiseten, ist zehn Meilen von der berühmten Stadt Toledo; aber der Weg ist so gut, daß man Mühe hat, die hitzigen Pferde zurück zu halten. Sie ließ sich sehen, denn unsere Reisende befanden sich zu guter Zeit in dem Gesichte von Toledo. Der erste Anblick davon ist so prächtig, daß die Frauen eine halbe Meile von der Stadt aus der Gutsche stiegen, um das schöne Schloß, welches die Stadt beschiessen kann, und ihr zum Zierrathe dienet, zu besehen. Das Schloß, wo das schöne Wasser des Tago, das durch den berühmten Invanel dahin geleitet wird, in Springbrunnen fällt, die aus Jaspis mit vortreflicher Arbeit gemacht sind, um seine Gänge und Garten zu zieren; die Pracht und ungeheure Grösse der Haupt-Kirche, in welcher der heilige Alphonsus das Meßgewand von der heiligen Jungfrau empfieng, erweckt eine nicht geringe Verwunderung, wenn man sie auch nur von weiten siehet.

So viel Schönheit und sehr viele andere, welche man entdeckt, wenn man sich Toledo nähert, nahmen die Donne Marie und ihre Frauen ein, und nöthigten sie, den Don Ferdinand zu bitten, einige Tage in dieser Stadt zu verbleiben, um ihnen Zeit zu geben, diese Schönheiten recht zu bewundern. Don Ferdinand, dem alles gleichgültig war, wenn er nur nicht von der Pantasilee getrennet wurde, in welche er alle Augenblicke verliebter wurde, antwortete ihnen: Ich habe in einer so guten Gesellschaft nichts zu befehlen; wenn die Frau und ihr Herr Vetter eure Bitte genehm halten, so soll es mir sehr lieb seyn. Diese Gunst war leicht zu erhalten. Aber damit Alonso die Sache noch wahrscheinlicher machen, und ausser allen Verdacht setzen mochte; so setzte er hinzu, daß dieser Verzug ihm um desto angenehmer wäre, weil er eine wichtige Sache, die er zu Toledo hätte, endigen würde, woran er aus Furcht, eine so gute Gesellschaft auch nur einen Augenblick zu verlassen, nicht hätte denken wollen. Ihre Gespräche wurden durch den Anblick sehr vieler Leute zu Pferde, welche auf ihre Seite kamen, unterbrochen. Don Alonso frug einen Reuter, der vor ihm her ritt, was das für Gesellschaft wäre. Er antwortete ihm, daß diejenigen, welche ihm folgten, Edelleute vom Lande wären, welche aus der Stadt zurük kämen, wo sie ein Stier-Gefechte gesehen hätten. Don Alonso schlug den Frauen vor, um zu vermeiden, von allen denen, welche vorbey giengen, betrachtet zu werden, ihre Gutsche, welche sie voraus fahren lassen, zurück kommen zu lassen. Da sie aber schon zu weit weg war, so beschlossen sie, in den Wald zu gehen, wohin die Schönheit und der kühle Schatten sie um so mehr, einige Ruhe zu nehmen, einluden, weil sie daselbst länger als eine Stunde bleiben, und doch vor der Nacht in Toledo gehen konnten. Sie folgten einem kleinen Fußsteige, der sie dahin führte. Sie suchten einen Ort aus, der am meisten mit Blumen bedeckt und ausgeschmückt war. Sie ergötzten sich an den Reizungen der Natur, an dem Gesange der Nachtigalle. Ein reines Vergnügen, das dadurch, daß sie zusammen waren, noch vermehret wurde; da eine Stimme einer Frau, die nahe genung war, daß sie deutlich konnte verstanden werden, sie auf eine ganz andere Aufmerksamkeit zog. Sie hatten Ursach, sich dahin zu richten. Die Stimme und die Worte verdienten gehöret zu werden. Wie die Arie geendet war, so hörten sie Klagen und Beschwerden, die von einer andern Stimme hervorgebracht wurden, welche geschickter war, zum Mitleiden zu bewegen, weil sie sich über eine erschreckliche Untreue beklagte, und ihre Stimme durch Seufzer, Thränen und Schluchsen unterbrach. Diejenigen, welche ein Herz voll Liebe haben, haben mit allen Unglückseligen am meisten Mitleiden. Also standen Donne Marie, Donne Pantasilee und Don Ferdinand, mehr aus Mitleiden als Neubegierde, auf, um diejenige, deren Unglück ihnen so empfindlich schien, zu betrachten. Sie machten einige Aeste eines Baumes von einander, und sahen eine Frau an dem Ufer eines Baches; sie kehrte ihnen aber den Rücken zu. Ihre schöne Haare flogen ganz unordentlich, wohin sie der Wind trieb, sie hatte einen schwarzen sammeten mit Silber-Blumen gestickten Rock an, mitten in einer ieden Blume war ein Stern von durchsichtigen Crystall mit einem Knopfe von Zahl-Perlen gesetzt. Unsere Reisende wurden ungedultig, das Gesicht dieser Schönheit zu sehen, und standen im Begriff, sich zu nähern, da zwo sehr wohlgestalte Jungfrauen bey ihr kamen, welches sie nöthigte, ihren Vorsatz aufzuschieben. Die Aelteste von diesen Jungfrauen setzte sich dieser schönen Betrübten zur Seiten, und sagte zu ihr mit einer Art von Unwillen: Ich weiß, daß es umsonst ist, euch zur Vernunft zu bringen; aber euer Schmerz bringt mich zur Verzweifelung, er wird mir das Leben kosten. Ihr kennet meine Verbindung, ich habe euch erzogen: Wenn euch die Verzweifelung etwas nützlich wäre, so würde ich mich darein geben; aber es kann nichts helfen, als eure Schönheit zu verringern, und euch in den Augen eures ungetreuen Gemahls, und eines Fürsten, den ihr um Gerechtigkeit bittet, weniger reizend zu machen. Ihr warte ja ruhiger, euer Herz ließ sich ja vor einige Tagen der Hoffnung über; was kann denn den Schmerz, welchen ihr heute bezeuget, verdoppeln? Diese und andere dergleichen Reden gaben dieser schönen Betrübten einigen Trost, so weit, daß sie einwilligte, ihren Putz in Ordnung zu bringen, und ihre Haare zurechte zu legen. Aber alle diese Bewegungen, die sie machte, um aufzustehen, gaben unsern Neugierigen das Vergnügen nicht, sie ins Gesicht zu sehen; und sie gieng von diesen zwo Jungfrauen begleitet in das Holz, wo sie dieselbe aus dem Gesichte verlohren, da sie von dieser Seite wenig zufrieden gestellt. Sie giengen auch aus dem Walde, in Hofnung, ihre Neugier zu vergnügen; sie folgten dem Wege, der sie hinein geführt hatte, indem sie von dieser Begebenheit redeten. Die einzige Pantasilee sagte nichts, und war tief in Gedanken. Wie Don Ferdinand sie so traurig sahe, näherte er sich ihr, um dessen Ursach zu wissen. Donne Marie und Don Alonso giengen ein wenig geschwinder, und blieben voran, um ihnen die Freyheit, sich zu unterreden, zu lassen. In der That, nachdem Don Ferdinand einige Seufzer ausgestossen hatte, so erklärte er ihr seine Liebe in den lebhaftesten und zärtlichsten Ausdrücken. Ohngeachtet der Pantasilee die Lust zu lachen ankam, welches sie zu verbeissen wuste, so schlug sie die Augen bescheiden nieder, und sagte zu ihm mit leiser Stimme: die Menschen wären betrügerisch, denen man nicht trauen müßte. Don Ferdinand antwortete ihr mit Schwüren: und da Pantasilee nicht wußte, was sie ihm sagen sollte, so begnügte sie sich, ihn zärtlich anzusehen, und ihn vollends durch ihre Blick zu entzünden. Er wollte sich alsobald die Gelegenheit zu Nutze machen, und sie in seine Arme nehmen; aber sie bediente sich der ihrigen, welche sie die Nacht vorher viel würdiger gebrauchet hatte, ihn zurück zu stossen und davon zu laufen, dabey sie zugleich zu ihm sagte: Glaubt ihr, Verwegener, daß Gewalt ein Mittel sey, mich zu verführen. Ich will es euch wohl vergeben, antwortete sie, wie er sie um Vergebung bat; glaubet mir, seyd ins künftige klüger, jedoch, setzte sie hinzu, lasset uns wieder zu der Gesellschaft machen; ich wollte nicht, daß mein Vetter den geringsten Verdacht von dem Vorgegangenen hätte, und die Zeit wird mir die Liebe, die ihr vor mich habet, zu erkennen geben: Das ist gewiß, daß es mir leyd thun sollte, an eines so vollkommenen Herrn Tode Ursach zu seyn. Don Ferdinand, der sich eine so günstige Antwort nicht vermuthend war, wurde davon ganz entzückt; und sie kamen wieder zu der Donne Marie und Don Alonso, welche sich aufgehalten, um an die Leute bey einer Gutsche, welche auf jemanden zu warten schien, einigen Fragen zu thun. Sie erfuhren von ihnen, daß sie einem von den vornehmsten Herrn in Toledo zugehörten, der ihnen aufgetragen, eine fremde Frau zu führen, welche verlangt hätte in dem Walde frische Luft zu schöpfen. Diese Rede brachte sie auf die Spuhr ihrer Neugier, daß sie selbige um den Nahmen der Unbekannten frugen, welche sie die Frau mit den Sternen genannt hatten. Die Bedienten antworteten: es sey ihnen unbekannt; sie wüsten nur, daß es eine vornehme Frau wäre; und daß der König sie sehr wohl empfangen hätte, als sie ihm einen Brief von der Infantin aus Flandern übergeben hätte. Sie setzten hinzu, daß sie vollkommen schön wäre, und daß sie in dem besten Gasthofe von ganz Castilien auf dem Markte von Cocobee eingekehret. Wie unsere Reisende von ihnen weiter nichts heraus bringen konnten; so beschlossen sie, in eben dem Hause abzusteigen, um sie desto leichter zu erkennen. Sie verfügten sich nahe bey das alte Schloß, ihre Leute warteten da auf sie, sie stiegen in die Gutsche, und wandten sich durch das Brücken-Thor flugs nach dem Hause, welches man ihnen angezeiget hatte. Die Frau mit den Sternen kam erst des Nachts wieder: also konnte Don Ferdinand und seine Gesellschaft sie nicht sehen; und die Fragen, welche sie thaten, gaben ihnen keine weitere Nachricht.

Laßt uns nun sehen, was sich unterdessen zu Viso zugetragen. Don Ferdinand hatte seinen Mantel in der Cataline Kammer gelassen, mehr als zu glücklich, desselben so wohlfeil loß geworden zu seyn. Seit diesen Tagen machte sich Roderige, der ein eben so eigennütziger als boßhafter Kerl war, sehr früh auf, um nach Santa Crux zu gehen, und besagten Mantel zu verkaufen. Seine erste Sorge war, nach einem Kleider-Händler von seiner Kunde zu gehen, der am geschicktesten war, alle Arten von Kleider zu verändern und so unkenntlich zu machen, daß er sie selbst denenjenigen, welche sie verlohren hatten, wieder verkaufen konnte. Der Kleider-Händler versprach ihm, im Augenblick sich nach der Herberge zu begeben, wo er seine Sachen gelassen hatte, und wo er unverzüglich den Kauf schliessen wollte. Roderige war kaum wieder gekommen, und wartete seiner, als er durch zweene Gerichts-Knechte angehalten und gefangen genommen wurde, welche durch das Vergnügen, einen Menschen ohne Gegenwehr gefangen zu nehmen, noch mehr aber durch einen Raths-Diener angefrischt wurden, welcher wie ein Galeeren-Bube schrie: Nehmet ihn gefangen, haltet ihn feste, sehet euch vor, daß er euch nicht entwische; nach dem Zeichen, das man mir gegeben hat, ist es der Räuber, den wir suchen. Wie sich Roderige gefangen, und mit einem Nahmen benennet sah, den er sehr wohl verdiente; so wurde er so bestürzt, daß er, an statt zu antworten, auf alle Fragen, welche der Raths-Diener an ihn that, nichts als stammlete und stotterte. Seine Unruhe und Bestürzung dienten nur zur Bekräftigung, daß er der wäre, nach dem sie liefen. Man ließ ihn in die Kammer treten, welche der Wirth ihm bey seiner Ankunft gegeben, wohin alle Gerichts-Knechte aus der Stadt kamen, um gerichtliche Hülfe zu leisten, und heimlich mitzunehmen, was sie abseiten und schlecht verwahrt antreffen würden. Sie fiengen an Roderigen bis aufs Hemd auszuziehen, und ihm alle Ficken durchzusuchen. Da sie aber nichts als funfzehn oder zwanzig Realen finden, die der Raths-Diener zu sich nahm; so suchten sie seinen Quersack durch, und hatten nicht viel Mühe, den Mantel des Don Ferdinands zu finden. Da sagte der Raths-Diener: Ich wollte mir wohl die Ohren abschneiden lassen, wenn dieser Mensch nicht ein Strassen-Räuber ist: seine Gesichtsbildung und dieser Mantel, den er ohne Zweifel gestohlen, machen mir dieses glaubhaft. Roderige, der sich ein wenig wieder erholet, antwortete ihm: Ich schwöre, daß man ausser dem Könige keinen ehrlichern Menschen, als mich, in ganz Spanien antreffen könnte. Weil er aber wenig gewohnt war, sich in dem, wessen man ihn beschuldigte, unschuldig zu finden: so wurde er so verwegen, daß er dem Raths-Diener so viel schimpf-Worte oder Wahrheiten sagte, daß dieser, dem es verdroß, ohngeachtet der Wirth schrie, daß man ihn sollte gehen lassen, daß er vor ihn Bürge seyn wollte, ohngeachtet des Worts desjenigen, der die Häscher aufgebracht hatte, und der ihnen schwur, daß es sein Räuber nicht wäre, daß der Raths-Diener, sage ich, ihm tausend Schläge geben, und nach dem Gefängniß schleppen ließ. Der Wirth, der Roderigen kannte, sandte geschwinde nach Viso, seinem Freunde Osmin von dem Zufall seines Vettern Nachricht zu geben. Dieser begab sich gleich nach Santa Crux, welches nicht weiter als zwo Meilen davon liegt. Er hielt so nachdrücklich an, er brachte so viel unverwerfliche Zeugen, und gab so gute Gründe, denen er einiges Geld klüglich hinzuthat, daß Roderige in weniger als zweenen Tagen von der Anklage des Mantels ganz loßgesprochen, und mit der Ehre, der ehrlichste Mensch des Landes zu seyn, aus dem Gefängniß gelassen wurde.

Die beiden Vettern traten den Weg nach Viso an, und nahmen den unglückseligen Mantel mit sich, der ihnen damahls wenigstens eben so viel, als wenn sie ihn ganz neu gekauft hätten, kostete. Auf dem Wege frug Osmin den Roderige, woher dieser verteufelte Mantel käme? Diese Frage verwirrte ihn, wegen der Ursachen, deren man sich erinnern kann. Wie er aber sahe, daß er davon unterrichtet seyn wollte, und leicht urtheilte, daß ihm doch die Warheit über kurz oder lang bekannt werden würde, so antwortete er: Meine Frau und ich haben einen grossen Fehler begangen, daß wir euch das Vorgegangene verheelet haben. Was willt du sagen? versetzte Osmin. Roderige sagte weiter: Dies ist der Mantel, den meine Frau einem von den Reutern genommen hat, die bey dem Herrn gewesen, der bey euch übernachtet, da ich abwesend gewesen. Ich erinnere mich dessen nicht, antwortete Osmin, es sind schon mehr als zwey Jahre, daß in meinem Hause kein Mantel verlohren worden, und, wiewohl das Alter allmählich anfängt, mein Gedächtniß zu schwächen, so kann ich es doch nicht vergessen haben. Es muß denn hinter diesem Mantel ein Geheimniß stecken, setzte Roderige hinzu, denn warum sollte es mir meine Frau gesagt haben, was ich euch eben ietzo erzehle. Glaube mir, antwortete Osmin, dein Weib hat entweder deiner gespottet, oder du willst mir etwas weiß machen, und du hast ihn sonst wo weggenommen. Ich kann euch nichts antworten, sagte Roderige, wenn wir aber nach Viso werden gekommen seyn, so sollt ihr von meiner Unschuld überzeugt werden. Mit dergleichen Reden, denen sie die Rechnung ihrer Unkosten hinzu thaten, kamen sie an, und Osmins erste Sorge war, des Roderigen Sack in Gegenwart seiner Nichte, eines Knechtes und einer Magd, der einzigen Bedienten seines Hauses, aufzumachen. Er zog den Mantel heraus, und frug sie, ob sie ihm nicht sagen könnten, wem er gehöret hätte unter denen, die bey ihm in der Zeit, da Roderige abwesend gewesen, eingekehret wären? Der Knecht sagte gleich anfangs: Es ist so lange noch nicht, daß man es vergessen hätte. Er ist dem Herrn, welcher mit seiner Frau eben die Nacht, da euer Vetter wiederkommen ist, hier schlief. Ambrosa hat recht, setzte die Magd hinzu, ich erkenne ihn an dieser Borte und an dem Unterfutter ganz wohl, zumahl da ihn Don Ferdinand mir bey seiner Ankunft gab, und ich ihn in die Kammer des Herrn trug, wo er liegen blieb, bis einer von seinen Edelknaben ihn holete. Nichts ist wahrer, sagte darauf Osmin, es fällt mir bey, ja, es ist Don Ferdinands Mantel, es hat gar keinen Zweifel mehr. Cataline, die sich im Augenblick überführt zu werden sahe, sagte kein Wort, und konnte keine List erfinden, so deutlichen Anzeigen etwas entgegen zu setzen. Wenn ein eifersüchtiger Mann erst anfängt, so viel Umstände nach einander zu betrachten, so gehet die Sache gemeiniglich sehr geschwinde. Der Nahme Ferdinand, der ausgesprochen worden, gab dem Roderige gleich Verdacht: Er erinnerte sich, den folgenden Tag nach seiner Ankunft die Augen seiner Frau beständig auf diesen Herrn geheftet gesehen zu haben, und alle Anzeigen kamen zusammen, ihm die Schmach, die ihm angethan war, sehen zu lassen. Er schloß, daß dieser Mantel eine augenscheinliche Probe von der Untreue seiner Frauen sey. In dieser Vorstellung ergriff er sie bey der Hand, und ließ sie in seines Vettern Kammer gehen, der ihnen folgte, er schloß die Thür zu, und sagte zu ihr: Ich will alsobald deutlich unterrichtet seyn, und ich schwöre, daß, wenn diese Verwegene mir nicht die Wahrheit bekennet, ich sie alsobald an diesem Fenster aufhangen werde. Hernach machte er dem Osmin eine Erzehlung von alle der List und Kunstgriffen, kurz, von alle den Mitteln, welche sie angewandt hatte, um den Don Ferdinand aus ihrer Kammer zu schaffen, welcher ohne Zweifel, wie er sagte, unter dem Bette müsse gewesen seyn. Cataline that nichts als weinen, aber Roderige, der von Eifer und Wuth ganz ausser sich war, nahm einen Strick, und sagte zu ihr: Wenn du beym Leben bleiben willst, um Zeit zu haben, deine Sünden zu beweinen, so antworte frey auf das, was ich dich fragen werde; Ich will es dir vergeben, wenn du mir versprichst, mir künftig treuer zu seyn: sonst soll dieser Strick dich strafen, und meine Rache vergnügen. Die von Schmerz und Angst gedrungene Cataline sahe ihren Mann auf eine so rührende Weise an, daß ein Barbar dadurch wäre erweichet worden, und gestand alles, und beschloß mit Bitten um Verzeihung. Ehe ich weiter gehe, will ich nur das dabey sagen, daß eine Frau niemahls dieses bekennen muß. Nach einem solchen Geständniß, welches der Natur ungemein viel kostet, fiel sie in Ohnmacht, und der Mann lief zu ihr, um sie mit dem Dolche durchzustossen. Er würde sein Vorhaben vollführet haben, wenn nicht sein Vetter, den der Zustand dieses unglücklichen Weibes rührte, ihn davon abgehalten hätte. Laß sie leben, sagte er zu ihm, daß ist die größte Rache, welche du ausüben kannst; die Furcht des Todes ist erschröcklicher, als der Tod selbst: Ich bin, fuhr er weiter fort, in dieser Sache fast eben so viel beleidiget, als du, laßt uns mit einander sehen, was wir für einen Weg nehmen wollen, und laßt uns vornemlich ein Unglück, das zum Glück keinem als uns bekannt ist, nicht ruchtbar machen. Siehe diese Unwissenheit der Leute nicht als eine Kleinigkeit an; viele Leute würden ihre Ehre nicht achten, wenn sie versichert wären, daß niemand ihre Schande erfahren würde; glaube mir, stecke deinen Dolch bey, und hüte dich, nichts zu thun, das dir gereuen könnte; komm mit mir, wir wollen sie für die, die sie gelten kann, lassen. Wie er diese Worte geendet hatte, so ließ er ihn heraus gehen, schloß die Thür zu, wo die arme Cataline noch ganz ohnmächtig war, er führte Roderigen in ein klein Zimmer, zog aus einem starken Kasten einen Beutel heraus, in welchem ohngefehr sechs hundert Realen waren, und sagte zu ihm: Der Klügste und Gelindeste würde den Zorn, den das Unglück, das dir begegnet ist, verursachen muß, nicht zurück halten können, deine Würde macht es nicht zur Unmöglichkeit, deinem Weibe zu vergeben: Aber ich liebe euch, den einen wie den andern, und ich sehe euch wie meine Kinder an, ich habe keine andere Erben, so wollte ich euch auch gerne behalten: aber da ich sehe, daß sich diese Sache nicht anders als mit einem traurigen Ausgange, und vielleicht mit dem Verluste aller beyden endigen kann, wenn der eine oder der andere sich nicht entschließt, sich zu entfernen, so giebt mir mein Alter und meine Erfahrung, welche mich dessen versichern, ein Mittel dagegen an die Hand: Nimm dies Geld und ein Pferd, und gehe hin, und diene dem Könige in einer von seinen Armeen, ich bin versichert, daß die Zeit dich das Vorgefallene wird vergessen lassen, und ich stehe dir dafür, daß du deine Frau bey deiner Wiederkunft antreffen sollt, wie du es verlangen können. Denn die Weiber, denen dergleichen Fälle zugestossen, reden hernach in ihrem ganzen Leben gegen ihre Männer allezeit mit vieler Ehrerbietung, und bemühen sich, ihnen zu gehorchen, weil sie billig glauben, daß sie das Recht, im Hause zu befehlen, verlohren haben. Diese kluge Rede überwand den Roderige, er war jung, beherzt und stolz, er glaubte selbst, viele Geschicklichkeit zu haben: denn er hatte vor seiner Heyrath die Vorstädte von Malago, die Fischerey zu Velez, die Bauer-Tänze zu Valence und zu Toledo, den Platz zu Cordua, und den Markt zu Segovien gesehen; also stellte er sich auch in diesem Augenblick die Freude vor, welche er haben würde, wenn er in dem Lande und in den Augen aller derer, die ihn in sehr schlechten Umständen gesehen hatten, in einem ganz andern Aufzuge erschiene. Er nahm dahero die sechs hundert Realen, und noch drey hundert andere statt des Pferdes, welches ihm Osminan gebothen hatte. Er wollte lieber seine Reise zu Fusse thun. Er reisete weg, ohne seine Frau zu sehen, und nahm den Weg nach den Canal. Wir wollen ihn gehen lassen, und wieder nach Toledo kommen.

Um acht Uhr des Morgens waren alle Leute in der Herberge aufgestanden, bis auf Don Ferdinand und Donne Pantasilee, die von ihrer Liebe beunruhiget waren, und nicht hatten schlafen können. Don Francesco, konnte die süsse Nacht, die er den Tag vorher zu Carcuela gehabt hatte, nicht vergessen, er sahe sich als den glückseligsten Menschen an, und gab der Geschicklichkeit des Don Alonso tausend Lobeserhebungen. Die Wollust, die er geschmecket hate, erweckten in ihm ein desto heftiger Verlangen, sie nochmahl zu versuchen, aber die Mittel schienen ihm desto unmöglicher, weil er seine Verkleidung nicht lange mehr behalten konnte. Wie er mit diesen Gedanken beschäftiget war, so stellte er sich, als befände er sich unpaß, um in seinem Bette zu bleiben, und desto freyer nachzudenken. Unterdessen nöthigte Don Alonso den Don Ferdinand, den seine verliebte Ungedult endlich zum Aufstehen gebracht hatte, frische Luft zu schöpfen, und auf einem grossen Gange des Hauses, der gegen Norden gelegen, und nach dem Platze von Cacodure gieng, spatzieren zu gehen. Er hatte dieses Mittel ausgesonnen, der Donne Marie Zeit zu geben, bey der Pantasilee den Besuch abzulegen; sie war allzu klug als eine solche Gelegenheit sich nicht zu Nutze zu machen. So bald sie demnach ihres Mannes Entfernung merkte, gieng sie nach ihrer Kammer. Sie fand leicht einen Vorwand, ihr Bedienten zu entfernen, und bediente sich dieser Freyheit nachdrücklich. Aber Don Ferdinand war viel zu verliebt, als daß er sich von seinem geliebten Gegenstande so lange entfernen sollte. Don Alonso konnte ihn, ohngeachtet aller seiner Geschicklichkeit, nicht zurück halten, und wollte durchaus von der Pantasilee neue Zeitung hören. Er war im Begriff, unsere Verliebte zu überfallen; denn sie machten sich schon fertig, noch einmahl anzufangen. Aber der Himmel ließ nicht zu, daß dieses Unglück sich zutrug, und daß er nichts merkte, er setzte sich oben bey das Bette der vermeinten Kranken. Donne Marie und Don Alonso entferneten sich, und giengen gar aus der Kammer weg, um ihnen Freyheit zu lassen, sich zu unterreden. Er gab ihr sein Verlangen ihre Gesundheit zu hören, und alle den Antheil der Liebe oder der Sehnsucht, die ihn eingenommen hatte, zu verstehen. Pantasilee antwortete ihn mit leiser Stimme, und stoßte einige Seufzer aus, daß die Liebe, welche er ihr eingeflösset, sie verhindert hätte zu schlafen, und die annehmlichen Reden, welche er ihr den Abend vorher gethan, sie die ganze Nacht beschäftiget hätten. Don Ferdinand wollte ihr seine übermäßige Freude bezeugen, aber einige Bediente, welche sonder Zweifel auf des Don Alonso Vorsorge herein traten, unterbrach alle seine entzückende Freude, und nöthigten ihn, selbige zu mäßigen. Einige Zeit nachher, da Don Ferdinand den Don Alonso kommen sahe, so zwang ihn der Wohlstand wegzugehen. Die falsche Pantasilee hieß alsdenn ihren vorgegebenen Vettern auf ihr Bette setzen, bezeugte ihm die herzlichste Erkenntlichkeit für dasjenige, was er ihr zu Liebe gethan hatte, und das äusserste Verlangen, das er hätte, ihm hievon Proben zu geben. Aber du must, mein lieber Alonso, sagte er, indem er ihn umarmte, das, was du mit so grosser Geschicklichkeit verrichtet hast, vollends zu Ende bringen, ich werde sterben, wenn du mich nicht noch eine Nacht, die der zu Carcuela gleich ist, verschaffest. Ich verspreche es euch, antwortete ihm Alonso, aber wozu wird es euch helfen, wenn ihr allemahl nur desto heftigere Begierden bekommet, ich befürchte alle Augenblick, daß ihr entdeckt werdet: welchem Unglück wird Donne Marie und ihr nicht ausgesetzet seyn? Ich schwöre dir bey Edelmanns Glauben, antwortete ihm Don Francesco, daß ich mich morgen von der Donne Marie scheiden werde, wenn du mir heute die Gefälligkeit, darum ich dich bitte, verwilligest: Ich weiß, wie gefährlich meine Verkleidung für sie und mir in einer so grossen und dem Hofe so nahen Stadt ist. Don Alonso gab ihm sein Wort, und wollte ihn noch mehr bestärken; er sagte deswegen hernach: Ihr wisset, daß der wegen eures Geschlechts betrogene Ferdinand euch heftig liebet, beweiset ihm mehr Liebe: Ich habe schon den Anfang gemacht, unterbrach ihm Don Francesco: Um desto besser, versetzte Alonso, fahret denn heute fort, und sagt ihm, daß ihr erlaubet, daß er diese Nacht bey euch schlafe, daß er um eilf Uhr kommen könne, und daß er die Thür eurer Kammer offen finden sollte; befehlet ihn vornehmlich das größte Stillschweigen in Ansehung meiner an, der ich in eurer Kammer schlafe; er wird euch glauben, denn woran kann derjenige, der mit solchem Feuer liebet, zweifeln? Welcher Gefahr setzen sich nicht die klügsten Menschen aus Hofnung der Wollust aus! Ich will den Augenblick mit der Magd dieses Hauses reden. Sie scheinet mir, daß man bald mit ihr zurecht kommen könne, und die einem Herrn ihre Gunst nicht abschlagen kann; Ich will ihr geben, daß sie sich ein hollendisch Hemd, eine schöne Nachthaube, und wohlriechenden Puder kaufen könne: Ich will ihr eben das Stillschweigen anbefehlen, das ihr von dem Don Ferdinand werdet gefordert haben, und ich will sie um halb eilf Uhr bestellen: ihr sollet ein wenig vorher, ehe sie ankommt, weggehen, und in der Kammer eurer Leute, die Befehl haben werden ihre Thür offen zu lassen, verziehen. Ich will die Magd in meinem Bette erwarten; ich will daraus weggehen unter dem Vorwande etwas nöthtiges zu verrichten: kurz darauf nach ihrer Ankunft will ich ihr so sachte, als es mir möglich seyn wird, sagen, meiner zu warten; und ich will zu euch in die Kammer eurer Leute kommen, wo ihr noch seyn werdet. Ihr müsset eine Ursache ausfinden, um Don Ferdinanden zu verständigen, warum ihr nicht in dem Bette seyn werdet, worin er euch diesen Morgen gesehen hat: saget ihm, sich beym Hineingehen zur Linken zu halten, er wird die Magd fertig finden, ihn wohl zu empfangen: und unterdeß, daß er bey ihr seyn wird, werdet ihr nach seiner Frau gehen. Nachher werdet ihr auf nichts mehr als auf Mittel denken müssen, euer Stillschweigen bey eurer Frau Mutter zu entschuldigen; seyd ruhig, ich will schon alles ins Feine bringen, wenn wir bey ihr seyn werden. Don Francesco war allzu vergnügt, um die Verbindlichkeit auszudrücken, welche er dem Don Alonso wußte, der ihn verließ, um alles zurecht zu machen: da indeß sein Herr aufstand, der Donne Marie von seinen Anstalten Nachricht gab, und den Don Ferdinand bestellete, so daß sie alle die Nacht mit der äussersten Ungeduld und gar mit ein wenig Betrübniß erwarteten. Denn je hitziger die Begierden sind, desto weniger sind die Menschen frölich.

Vor zehn Uhr gieng Don Francesco aus seiner Kammer; und die Magd begab sich kurze Zeit nachher auf den Weg, nach der Abrede mit Don Alonso. Sie hatte alsobald Lust gehabt zu wissen, ob die Umarmungen eines Edelmannes angenehmer wären als der Stall-Knechte. Wer sie bey Tage gesehen hätte, würde über ihren poßirlichen Haupt-Putz gelacht haben. Sie war nach dem Geschmack einer Dorf-Braut geschmückt, die sich mehr durchgeräuchert als eine Alte, die sich auf einem bestellten Sammel-Platz fertig macht, und die Fehler des Alters und der Natur ausbessern will.

Wie die Magd in der Kammer angelangt war, wo sie Don Alonso erwartete; so machte sie die Thür leise zu, und fand ohne Mühe das Bette, das er ihr angezeiget hatte: denn sie konnte des Nachts wohl wandern. Don Alonso nahm sie in seine Arme. Der liebliche Geruch und die Beschaffenheit des Orts liessen ihn bald vergessen, von was für Art dieses Mädgen war, und nöthigte ihn, sie als ein gutes Glück anzusehen; und bald erkannte er in dem Vergnügen, das er empfand, daß viele vornehme Frauen ihm in einer gleichen Finsterniß nicht angenehmer gewesen wären. Er blieb nur eine Viertel-Stunde bey ihr, allezeit in dem tiefsten Stillschweigen, und da die Stunde seines Herrn nahe war, so gieng er sachte hinaus, und zu ihm in seiner Leute Kammer. Sie scherzeten einige Zeit über das, was sich zugetragen. Auf der andern Seite zählte Don Ferdinand alle Augenblicke, nach der Pantasilee zu gehen, er stand auf, so bald er eilf schlagen hörte: Er war kaum mitten auf dem Gange, auf welchem die Kammern des Hauses herum waren, da er ein Gespenst sahe, welches zu ihm kam, und ihm ein so grosses Schrecken einjagte, daß er auf der Stelle zurück gehen wollte; Aber eben diese Gestalt war alsobald vor ihm. Wie er also genöthiget war, stille zu stehen, so erkannte er klärlich, daß diese Person das Gesicht ein wenig bedeckt hatte. Er zog seinen Dolch, und drückte sich an die Mauer, um sich zu vertheidigen, im Fall er von dieser Gestalt angegriffen würde, welche so nahe zu ihm kam, daß er bey dem Scheine einer Lampe, welche den Gang erleuchtete, seinen Vater erkannte, der vor kurzer Zeit gestorben war, und der drey oder vier Seufzer ausstieß, und nachher mit einer fürchterlichen Stimme zu ihm sagte: Wo gehest du hin? Gehe in dich, lebe als ein Christ; Wann du wüßtest, was ich im Fegefeuer ausstehe, so würdest du dein Leben ändern. Beweine deine Sünden, denn du wirst morgen sterben. Bey diesen Worten verschwand das Gespenst, und Don Ferdinand blieb so verwirrt, daß er weinete, GOtt um Vergebung bat, und sich nichts angelegener seyn ließ, als wieder in seine Kammer zu gehen, und sich bey seine Frau zu legen, da er sich entschloß, eher zu sterben, als eine einzige Tod-Sünde zu begehen. Wie inzwischen Don Francesco sahe, daß es schon einige Zeit eilfe geschlagen hatte, verfügte er sich nach der Thür der Donne Marie: aber er fand sie verschlossen. Er gieng einige mahl wieder hin mit eben so wenigen Fortgang. Wie er endlich sehr unruhig war, was wohl möchte vorgegangen seyn, so warf er sich auf das Bette eines seiner Knechte, wo er den Rest der Nacht zubrachte. Die Magd wartete ihrer seits auf die Wiederkunft des Don Alonso; da sie aber sahe, daß er nicht erschien, so begab sie sich nach ihrer Kammer, und zweifelte nicht, daß man ihrer nur gespottet hätte.

Don Ferdinand stand Morgens um sechs Uhr auf, und wollte bey den Theatinern beichten, er hörte die Messe, that seine Gebeter, und gieng aus der Kirche hinaus, um in noch vielen andern Vergebung zu erhalten, und wollte bey der Haupt-Kirche anfangen. Nachdem er aber über Alcana oder Kramer-Strasse gegangen, und in eine kleine Strasse gieng, welche nach der grossen Kirche führte, so begegnete ihm ein Mensche, welcher bestürzt wurde, ihn zu sehen, stille stand, seinen Dolch auszog, und ihm einen stoß bey der linken Brust versetzte, dabey er ganz laut sagte: stirb, du Verräther, der mir meine Ehre geraubet. Er ließ den Dolch in dem Cörper stecken, und begab sich in die Kirche. Viele Leute liefen dem Verwundeten zu Hülfe, und trugen ihn in das nächste Haus, wo nach dem Gebrauche der eine ihn betrachtete, der andere ihn beweinete, ein anderer ihn fragte, der eine einen Feldscher, der andere Pflaster holete, ein anderer sein Blut durch Zaubereyen aufhielt, welche das geistliche Religions-Gericht erlaubet, wegen des Nutzens, den man aus diesen heiligen Worten zieht. Aber die Sorgfalt und die Worte halfen ihm wenig. Inzwischen hörte man Geschreye, und ein groß Lermen vor der Thür der Kirche: Ein Hauffen Gerichts-Knechte und andere verordnete Personen wollten mit Gewalt hinein gehen, um den Mörder des Don Ferdinands anzuhalten, da das Volk und die Priester sie davon abzuhalten suchten. Der Lerm wurde um desto grösser, da der Schuldige gefangen und wieder weggenommen wurden: Auf der einen Seite rief die Obrigkeit im Nahmen des Königes um gerichtlichen Beystand; Auf der andern schrien die Pfaffen: Helfet der Kirche. Die Obrigkeit nahm ihn endlich mit, und der Uebelthäter wurde wider der Pfaffen Willen ins Gefängniß gebracht. Don Antonio, der Stadthalter, kam auf diesen Lermen herbey, und ließ den Verwundeten nach seiner Herberge tragen, und begleitete ihn selbst, um sich wegen seines Standes und der Ursachen seines Unglücks zu erkundigen. Das Weinen und Heulen der Donne Marie und aller seiner Bedienten war entsetzlich, wie man ihn auf einem Bette in dem untern Saale, wohin man ihn gelegt hatte, ausgestreckt sahe. Die Frau mit den Sternen, die sich noch nicht hatte sehen lassen, lief bey dem Lerm herzu, und kam bey den Verwundeten, der seine Frau mit grossem Muthe tröstete, und sie inständigst bat, keine Zeit zu verlieren, und ihm die Sacramente reichen zu lassen. Nachdem ihn die Dame mit den Sternen mit vieler Aufmerksamkeit betrachtet hatte, so fiel sie ohnmächtig nieder, und sagte: Ach! das ist mein Vetter. Man brachte sie eiligst in ihre Zimmer, und vornehmlich wollte sie der Stadthalter, da er von ihrer Schönheit eingenommen war, nicht verlassen. Kaum war sie weggegangen, da Don Ferdinand den letzten Seufzer von sich gab; Man riß die Donne Marie mit Mühe von seinem Leichnam weg. Unterdessen hatte die Hofmeisterin der Frau mit den Sternen, die in der Messe gewesen war, den Don Francesco und Don Alonso angetroffen, und beschloß, sie nicht aus dem Gesichte zu verlieren: sie folgte ihnen, da sie auf das Unglück, das dem Don Ferdinand zugestossen war, in das Wirthshaus liefen. Sie wurde bestürzt, wie sie dieselben in das Haus, worin sie eingekehret war, gehen sahe. Sie wollte vergnügt über ihre Entdeckung ihrer Frau geschwinde Nachricht davon geben; sie war sich nicht vermuthen, sie ohne Verstand mit vielen Leuten um ihr anzutreffen, die sich angelegen seyn liessen, sie wieder zu sich selber zu bringen. Sie gieng näher hinzu, und da sie wieder Verstand zu bekommen schien, so brachte sie sie völlig wieder zu sich, indem sie ihr ihren gehabten Vorfall ganz sachte erzehlte. Sie bezeugte ihr ihre Freude und Verwunderung, aber sie sagte mit so grosser Lebhaftigkeit, daß man dem Hofe davon eilig Nachricht geben müste, daß der Stadthalter seine Dienste ihr anboth, und ihr seinen Stand eröfnete. Da berichtete sie ihm die Befehle, welcher der König gegeben hatte, um einen jungen Menschen, die sich in diesem Hause als eine verkleidete Frau aufhielt, anhalten zu lassen. Don Antonio schickte den Augenblick eine Wache vor die Thür des Hauses, mit Befehl, keinen Menschen hinaus zu lassen, und da er sich bey ihr allein befand, so bezeugte er ihr die Neubegier und den Antheil, den eine so schöne Person in ihm erweckte. Die Frau mit den Sternen, die erkannte, was er ihr für Dienste leisten könnte, machte keine Schwürigkeit, ihn zu vergnügen, da sie zumahl überzeugt war, daß die Erzehlung ihres Unglücks ihn nothwendig rühren, und zu ihrem Besten zum Mitleiden bewegen könnte.

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