Gorch Fock
Seefahrt ist not!
Gorch Fock

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Fünfzehnter Stremel

Sinne, öffnet eure Tore!
Grabbe

Die Äquinoktien – Herbsttagundnachtgleiche!

Die bösen Tage sind angebrochen: Land und See stehen in großer Angst. Ringsum lauern die grauen Stürme, die die Natur brechen und die Sonnenkraft totmachen sollen. Wie Schwerter an Zwirnsfäden hängen sie in den Wolken, jeden Tag und jede Stunde können sie fallen.

Wie im Bann liegt der Deich an stillen Tagen, wie im Krampf bebt er bei unruhigem Wetter. In vielen Häusern liegt die Bibel jeden Abend aufgeschlagen auf dem Tisch. Mehr als sonst noch achten die Frauen auf Wind und Wetter, und die Finkenwärder Nachrichten mit der Cuxhavener Meldung über die hinter der Alten Liebe liegenden Ewer und Kutter reißt eine der anderen aus den Händen. Jeder Ankömmling aber wird befragt: Weest nix von Jan af, oder hest Hinnik ne sehn, oder hett Paul ne bi jo fischt? Wie beben sie, wenn abends eine schwere Wolkenwand seewärts auf der Elbe steht, oder wenn die Winde im Schornstein sausen!

In dieser Zeit werden keine Hochzeiten gefeiert. Es ist eine stille, bange Zeit.

Glücklich preist sich die Frau, deren Mann seinen Ewer anbinden und auflegen kann. Das können und wollen aber nur wenige, denn die Zeiten sind schon nicht mehr danach, daß man mit dem Sommerfang auskäme; es muß auch winters gefischt und verdient werden.

Ein furchtbarer Ernst umweht die Segel, die den Stürmen entgegenfahren.

 

Klaus Mewes fischt auf der Doggerbank, hundertfünfzig Seemeilen hinter Helgoland auf der Höhe von Hornsriff. Mit der abnehmenden Sonnenwärme haben die Fische die seichten Küsten verlassen und sind zur Mitte der Nordsee, in die Tiefe geschwommen, wo das Wasser wärmer und der Grund stiller ist. Wer noch einen guten Streek tun will, der muß Helgoland und Neuwerk weit hinter sich lassen und sich schutzlos der weiten See anvertrauen. Die Schollen müssen aus den Stürmen herausgeholt werden.

Es sind nur die größten Kutter und die stärksten Ewer, die diesen Winterfang betreiben können; die anderen liegen scharenweise zu Cuxhaven und warten auf den Hering.

Klaus Mewes fischt auf der Doggerbank.

Sein Ewer ist gut, seine Segel sind stark, seine Leute sind erprobt, und auch für sich selbst kann er einstehen. So kurrt er getrost zwischen den Engländern und Holländern und läßt seine deutsche Flagge wehen. Es verschlägt ihm nichts, wenn die See einmal so grob wird, daß er reffen muß, oder wenn der Wind es so gut meint, daß er das Netz einhieven und treiben lassen muß. Gefischt wird doch wieder, und wer die Wache hat, der singt in jeden Wind hinein, denn die Fröhlichkeit von Klaus Mewes erfüllt das ganze Schiff. Nichts fehlt ihnen als der kleine Klaus Störtebeker, von dem sie noch jeden Tag sprechen.

Im Süden segeln zwei schwere Finkenwärder Austernkutter, als ob sie binnen wollten. Aber Klaus Mewes meint, sie tun es, weil sie die Reise haben, mustert Himmel und Wetterglas selbst und fischt weiter. Gegen Abend kreuzt nur noch ein holländischer Logger bei ihm, aber er selbst ist noch ohne Mißtrauen und geht geruhig zu Koje.

In der Nacht ruft Kap Horn, der die Wache hat, zum Reffen. Sie verkleinern die Segel durch teilweises Zusammenrollen und Festbinden, denn es ist stur geworden. Dann geht Klaus Mewes aber doch wieder zu Bett, um noch einen Stremel zu schlafen, und Hein Mück tut dasselbe, denn das Wetterglas ist schon öfter gefallen, und auf Kap Horn, den Altbefahrenen, können sie sich verlassen wie auf den Deich bei springender Tide.

Nach einer Stunde ruft der Knecht abermals. Es ist zu hart geworden, und er muß befürchten, daß der jagende Ewer die Kurrleine abreiße. Klaus Mewes guckt in den Wind und ist damit einverstanden, daß sie einziehen. In schwerer Arbeit bergen sie die Kurre und die gefangenen Fische, dann schickt er die Leute zu Koje und übernimmt selbst die Wache. Im Sturm gehört das Ruder ihm, dem Schiffer!

 

Bis gegen Morgen hielt er den Ewer allein, immer scharf am Wind, so daß die Segel eben zwischen Klappern und Vollfallen standen, und hatte keine Havarei, so viel Wasser auch überkam, und so stark der Ewer auch stampfte und schlingerte. Der Wind war Nordwest zu West und wehte etwa in Stärke acht nach dem alten englischen Admiral Beaufort.

Da mit einem Male legte er sich gänzlich – ganz still wurde die Luft. Mit schlaffen, schlagenden Segeln, furchtbar knarrenden Gaffeln und donnernden Schoten dümpelte der Ewer in der hohen Dünung.

Klaus Mewes rief seine Leute, denn er traute dieser Stille nicht. Sie machten sich klar zum Sturm, der kommen mußte, denn das Wetterglas fiel rasend schnell. Kurrbaum und Kurre wurden unter Deck verstaut, das Boot wurde ausgepackt und mit doppelten Ketten umwunden, damit es nicht über Bord gehe, das Bugspriet wurde eingezogen, und Plichten und Luken wurden geschalkt. Auch sich selbst machten die Seefischer sturmbereit, dann steckten sie das zweite Reff in die Segel – und dann kam der Sturm wieder, diesmal aber von der anderen Seite und furchtbarer an Gewalt. Es trommelte und pfiff im Südwesten, als wenn ein Heer in der Schlacht zum Stürmen lärmte, der weiße Geifer floß aus dem Maul des Untiers, das brüllend auf sie zukam und sich wütend auf sie warf, daß die Masten sich bogen und Hein Mück laut aufschrie. Einen Augenblick schien es, als wenn der Ewer dem ersten gräßlichen Anprall nicht standhielte, als wenn er umkippte, aber es schien nur so, denn Klaus Mewes war auf der Hut und riß ihn hoch. Wie brauste es in den Lüften, wie erhob sich die See, wie tanzte der Ewer! Wenn er mit dem Kopf tauchte, stand er mit dem Achtersteven so hoch, daß es aussah, als überschlüge er sich, und erhob er den Bug hoch aus der See, so zeigte er das tränenüberströmte Gesicht eines Riesen: Das Wasser rann ihm aus den Klüsenaugen und über die Backen. Wenn nur die Masten nicht über Bord gingen, wenn nur die Luken nicht zerschlagen wurden!

Südweststurm...

Noch vor Mittag mußten sie das dritte und letzte Reff einstecken, denn der Ewer konnte die Segel nicht mehr tragen. Sie standen nun allemann an Deck, mit Tauen festgebunden: Klaus Mewes unverzagt am Ruder, das er nicht losließ. Als die Seen immer naseweiser wurden, scherte Kap Horn einige starke Taue kreuz und quer über Deck, von Wanten zu Wanten und von der Winsch nach der Besan, damit sie überall einen Halt fänden, wenn sie stolpern sollten.

Die Flagge war in Fetzen gerissen. Klaus Mewes sah es wohl, aber er tröstete sich, daß es in Hamburg ja noch mehr Flaggen zu kaufen gäbe, und ließ sich nicht unruhig machen, so wenig wie Seemann, der unbekümmert im Nachthaus ruhte. Er hatte schon andere Stürme erlebt und überstanden.

Der Wind wurde aber immer wilder und ochsiger, die schlimmen Regenflagen jagten einander, und die See kochte immer furchtbarer. Der Ewer wollte es auch mit dem gerefften Großsegel nicht mehr tun. Sie mußten es wegnehmen und dafür den kleinen Klüver als Sturmsegel setzen, statt der Besan aber den dreieckigen Nackenhut. Als die Sturzseen über den Ewer brachen und alles zu Wasser machten, wurde Hein in die Koje geschickt, damit es ihn nicht über Bord spüle, und Klaus Mewes blieb mit Kap Horn allein an Deck. Noch war keine Angst in sein Herz gekommen, so toll es zuging, noch stand er fest, so glatt auch das Deck war und so schwer auch die Wogen über den Setzbord schlugen. Noch immer lachte er des Sturmes und wünschte sich seinen Jungen herbei, damit er ihm zeigen könne, was Klüsen heiße. Auch als die Fock knallend aus den Lieken flog, verzog er nicht das Gesicht, denn er hatte noch eine Fock. Ohne sich zu besinnen, sprang er die Treppe hinunter, riß das Segel aus der Dielenkoje und setzte es mit zwei Reffs. So ging es wieder einige Stunden gut, bis es Abend wurde und die Nacht jählings hereinbrach, eine sternenlose, sargdunkle Nacht. Da ritt der Sturm mit elf bis zwölf Windstärken sein schweißbedecktes, mit weitgeöffneten Nüstern und fliegender Mähne einherbrausendes Roß, die Nordsee, und selbst die Sturmsegel, die winzigen Lappen, wollten nicht mehr halten. Wenn sie nicht alles Tuch davonfliegen sehen wollten, mußten die Segel gänzlich abgeschlagen werden.

Dann wendeten sie das letzte Mittel an, das ihnen noch blieb, sie machten die Sturmanker zurecht. Backbords schäkelten sie einen unklaren Anker auf dreißig Faden Kette und steckten sie an siebzig Faden Kurrleine, steuerbords hängten sie zwei von den eisernen Kurrenkugeln an fünfzig Faden Kette. Dieses Notgewicht sollte den Ewer mit dem Kopf am Wind halten und verhüten, daß er dwarsschlug und von den Seen kopfheister geworfen wurde. Es ging auch alles klar: Der Ewer lag gut am Wind. Dicht war er auch noch, wie die Peilung der Pumpen ergab.

So jagte der Sturm sie die ganze Nacht; er wirbelte den Ewer vor sich her wie der Jäger das Wild, das er lahmgeschossen hat. Die ganze Nacht trieben sie auf der wilden, hungrigen See, durchnäßt und ermattet, aber in eiserner Wachsamkeit. Sie waren allein auf der Doggerbank, nirgends war ein Schiff zu sehen und auch kein anderes Licht als die Strahlen des Elmsfeuers, das in Büscheln auf den Toppen der Masten und an den Blöcken der Gaffeln geisterhaft glomm, bis eine Hagelflage es löschte.

Gegen Morgen, als sie etwas gegessen hatten und der Junge wieder mit an Deck stand, weil es schien, als flaute der Sturm ab, bekam der Ewer eine schwere Sturzsee über, die wie ein Felsen gegen den Steven schlug und verheerend über das Deck brandete und schäumte. Die Fischer fühlten sich emporgehoben und verloren den Grund unter den Füßen, sie mußten schwimmen und trieben hin und her, daß sie glaubten, der Ewer sei schon in die Tiefe gedrückt. Es war nichts mehr zu machen!

Klaus Mewes hatte sich gerade wieder aufgerichtet – da schrie er gellend auf, denn eine schwere, kreißende, ungeheure See hing wie ein Berg, wie ein Eisberg, steil über ihm und senkte sich ehern. »Holt jo fast, holt jo fast!« rief er schrill, aber der Lärm des Wassers und des Windes drängte ihm die Worte in den Mund zurück und erstickte sie. Dann schleuderte die See ihn wie Gerümpel zur Seite und warf ihn gegen das Nachthaus, daß ihm Hören und Sehen verging.

Als der Ewer die Sturzsee überstanden hatte und sich wieder mit den kleineren Dwarsläufern abmühte, hing Kap Horn mit zerrissenem Ölzeug und blutendem Gesicht in Lee an den Wanten. Von Hein Mück aber war nichts mehr zu sehen, und mit ihm war auch das Boot vom Deck verschwunden; zerrissen lagen die Ketten auf den Luken. Sie suchten die See mit den Augen ab und warfen den Rettungsring über Bord, aber obgleich es schon einigermaßen hell war, konnten sie weder Hein Mück noch das Boot entdecken. Nur wilde, graue See war ringsum. Der Junge war weg...

»Dat duert bloß en Ogenblick, denn is ut«, sagte Kap Horn tröstend, der nach achtern gekommen war und sich zu seinem Schiffer gestellt hatte.

Klaus Mewes gab keine Antwort, er blickte immer noch über die See und suchte seinen Speisemeister. Was sollte er sagen, wenn die Mutter weinend angelaufen kam und ihn fragte, wo er ihren Jungen gelassen hätte?

 

»Goh man dol, Kap Horn, hier up Deck ist nix mihr«, rief Klaus, aber Kap Horn schüttelte den Kopf und blieb bei ihm. Wenn es zum Sterben gehen sollte – und es sah ja so aus –, wollte er nicht in der verschlossenen Kajüte ersticken, sondern frei in der See ertrinken. Bis es aber soweit war, wollte er bei seinem Schiffer ausharren.

Klaus Mewes gab noch nichts verloren, wenn er auch nicht mehr lachte, sondern ein ernstes Gesicht machte. Wie ein Wiking trotzte er der See, wie ein Löwe verteidigte er seinen Posten am Ruder, wie ein Hagen hielt er aus. Er verband seinem Knecht die blutende Stirn und streichelte Seemann das nasse Fell, er sah von Zeit zu Zeit die Pumpen nach, er lotete gewissenhaft und tat alles, was sich noch tun ließ bei solcher Gelegenheit. Er dachte an Hein Mück und dessen arme Mutter, an Störtebeker und an Gesa, aber an Bleiben dachte er nicht.

Ein englischer Trawler kam in Sicht, das erste Schiff seit zwei Tagen. Aber der lag beigedreht und hatte genug mit sich selbst zu tun. Dennoch hätte er vielleicht geholfen, wenn Klaus Mewes die Notflagge gezeigt hätte, aber Klaus Mewes dachte nicht daran. Sich von einem Ingelschmann ins Schlepptau nehmen lassen? Gott schall mi bewohren, dachte er und ließ John Bull stiemen, der dann auch wieder aus den Augen kam.

Sie trieben ja gut, ins Skagerrak hinein. Nördlich genug, um von Jütland freizukommen, hatten sie nur mit der norwegischen Küste zu tun – und die war noch weit weg.

»Ik gläuf, wi kommt dorch«, sagte der Knecht. Etwas verwundert sah der Schiffer ihn an. »Wat schullen wi ne dörkommen!« antwortete er. »Wi weut doch ne blieben!«

Und er ging in die Kajüte, um etwas zu essen und zu trinken. Danach mußte Kap Horn hinunter, damit ihm nicht flau würde.

Am späten Nachmittag aber wurde der Wind, der zeitweilig etwas schwächer gewesen war, zum Orkan. Das Fahrzeug arbeitete gewaltig und steckte mehr unter als über Wasser. Von allen Seiten brauste die wilde Dünung über Deck. Und siehe: eine Grundsee, die der Sturm in der Tiefe aufgerüttelt hatte und die mit Sand geschwängert und mit Muscheln und Steinen beladen war, schoß herauf, richtete sich urgewaltig auf und lief dem Ewer nach, der nicht von der Stelle konnte. Bleischwer stürzte sie sich auf das Vordeck und drückte es nieder, daß das Heck steil aus dem Wasser sprang und die Ketten mitgerissen wurden, dann packte sie den Ewer mit ihren Tigerkrallen an der Seite und warf ihn dermaßen auf das Wasser, daß er nicht wieder aufstehen konnte.

Kap Horn kam nicht wieder an die Oberfläche, er fühlte, daß er den einen Arm nicht bewegen konnte, und sank langsam in die Tiefe. Da gab er den Kampf und das Leben auf, der alte Janmaat, und legte sich in seines Gottes Hände. Er hätte noch mit seinem Schiffer fischen und segeln können, hätte bei Hochzeiten am Deich auf seiner Harmonika spielen und den kleinen Klaus Störtebeker mit zu einem rechten Fischermann machen können, aber wenn es sein mußte, ging es wohl auch ohne ihn. Er hörte nicht mehr das Brausen des Wassers. Eine große, tiefe Stille legte sich über ihn... Ganz in der Weite klangen Glocken...

Klaus Mewes war es gelungen, die schweren Seestiefel loszuwerden, die ihn in die Tiefe ziehen wollten wie seinen Knecht. So tauchte er wieder auf und versuchte zu schwimmen. »Kap Horn, neem büst du?« schrie er in den Sturm hinein und rang schwer mit der Dünung, die ihn furchtbar hin und her warf. Ständig liefen ihm die Seen über den Kopf, so daß er viel bitteres Wasser schlucken mußte.

Er sah, wie der Ewer versank, wie die Masten sich noch einmal aufrichteten und dann untertauchten, daß kein Topp und kein Flögel mehr zu sehen waren. Blasen schossen steil aus dem Wasser, dann aber strich der Sturm mit unwirscher Hand über die Stelle und machte sie wieder so kraus, wie die ganze See war.

Klaus Mewes war allein. Sein Knecht und sein Junge, sein Hund und sein Ewer waren ertrunken, er trieb in der wilden Dünung von Skagen. Nirgends war ein Schiff, nirgends ein Halt. Er dachte, eine Luke oder ein Brett des untergegangenen Ewers zu finden und sich daran festzuhalten, aber er konnte nichts sehen.

»Geef di, geef di, Klaus Mewes!« brüllte die See, aber er ergab sich nicht, mit aller Kraft hielt er sich oben, denn er wollte noch nicht sterben, und er konnte noch nicht sterben. Was sollte aus seinem Jungen werden, den keiner verstand, nur er? Wie die Sturzseen über den Ewer hergefallen waren, so würden sie am Deich über ihn herfallen und alles zerstören wollen, was er in ihm aufgebaut hatte: die schöne Furchtlosigkeit, die Liebe zur Seefischerei, das Vertrauen auf die eigene Kraft, die Freude am Sturm; alles würden sie morden wollen. Ob Störtebeker schon stark genug war, das zu ertragen? Oder ob er wie ein armer Hase den vielen Hunden erlag, ob er den Sommer auf See vergaß und sich zu einem Schneider oder Schuster machen ließ? »Gesa, Gesa, lot mi den Jungen!« rief er in den Sturm hinein. Er sah seine Frau vor sich, jung und blühend, und dennoch keine Fischerfrau, ewig bange und ewig unruhig. Sie hatte nicht viel von ihm gehabt, weil sie nicht mitkonnte. Der einsame, ringende Schwimmer sah auch seine Schuld, er wußte, daß er oft hart mit ihr gewesen war, als er mondelang nach der Weser fuhr und ihr den Jungen abspenstig gemacht, als er ihre Angst verlacht hatte – aber Reue fühlte er nicht. Sie würde weinen, aber die Ruhe würde in ihr Herz kommen, und sie würde ihren Mann verstehen lernen. Brot hatte sie. Einen Zeugladen, wie ihn die anderen Witfrauen aufmachen mußten, um sich zu ernähren, brauchte sie nicht.

Klaus Mewes fühlte, daß seine Arme ermatteten, und daß er es nicht mehr lange aushalten konnte. Noch einmal ließ er sich von einer Wogenriesin emporheben und blickte von ihrem Gipfel wie vom Steven seines Ewers über die See, die er so sehr geliebt hatte, dann gab er auf. Es paßte nicht zu seinem Wesen, sich im letzten Augenblick klein zu machen und mit den Seen um die paar Minuten zu handeln. Er konnte doch sterben!

Er schrie weder auf, noch wimmerte er, er warf sein Leben auch nicht dem Schicksal trotzig vor die Füße wie ein Junge. Groß und königlich, wie er gelebt hatte, starb er als ein tapferer Held, der weiß, daß er zu seines Gottes Freude gelebt hat und zu den Helden kommen wird. Mit einem Lachen auf den Lippen versank er, denn er sah einen glänzenden neuen Kutter mit leuchtenden weißen Segeln und bunten Kränzen in den Toppen vor sich, der stolz dahinsegelte, und am Ruder stand ein lachender Junggast, sein Junge, sein Störtebeker... Grüßend winkte er mit der Hand... Fahr glücklich, Junge, fahr glücklich, sieh zu, daß du dein fröhliches Herz behältst, fahr glücklich! Guten Wind und mooi Fang, mien Jung!...

Dann ging die gewaltige Dünung des Skagerraks über ihn hinweg.

 


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