Gorch Fock
Seefahrt ist not!
Gorch Fock

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Schwer liegt des Sommers Hand auf der Fischerei. Auch Klaus Mewes fühlt sie. Lange Tage treibt der Ewer mit schlaffen Segeln in der Windstille, und das Deck ist bratenheiß. Nachts steht der ganze Himmel in Flammen, und das Schiff erzittert. Wie lange ziehen sich die Reisen hin, wie oft müssen sie in Norderney und Cuxhaven binnen laufen, weil ihnen das Eis geschmolzen ist! Sie fahren wieder viel nach der Weser, denn die Zungen, die nicht freihändig verkauft, sondern in der Halle versteigert werden, sind in Geestemünde ebenso teuer wie in St. Pauli und Altona. Zweimal segeln sie bei scharfem Ostwind nach Ijmuiden in Holland, einmal kommen sie nach Esbjerg in Dänemark. Manche Kurre zerreißen sie an den Steinen, so daß ständig einer mit dem Ausheilen zu tun hat. Lange Wachen gibt es. Der Streek dauert drei bis vier Stunden: saure Arbeit, denn die Zungen sitzen mehr im Schlick als im Sand, und die Kurre ist oft nicht zu hieven. Einmal verlieren sie das ganze Geschirr. Die Kurre hakt sich wohl an einem auf dem Meeresgrund liegenden Wrack fest. Der Ewer törnt auf, steht einen Augenblick fast still, dann aber reißt die Kurrleine, und dreihundert Mark sind verloren. Ein andermal treibt eine ostfriesische Jalk gegen sie und macht ihnen eines solche Havarei, daß sie nach der Oste segeln und dort zimmern müssen. Dann wieder liegen sie vor dem Wind hinter Wangerooge.

Aber Klaus Mewes verliert den Mut und verlernt das Lachen nicht. Und es kommen ja auch schöne große Reisen. Einmal, als die Zungen auf zwei Mark zehn stehen und die Steinbutt auf einsachtzig, machen sie gut vierhundert Mark.

Klaus Störtebeker ist noch immer an Bord, und wenn er auch nicht vor dem Hamburgischen Wasserschout angemustert worden ist, so gehört er doch als Viertsmaat zur Besatzung und bekommt seine Heuer ebenso wie Hein Mück. Ihm ist jedes Wetter recht, wenn er nur an Bord und bei seinem Vater bleiben darf.

Sie kommen auch einige Male nach Hamburg hinauf, aber sie halten sich auf Finkenwärder nicht lange auf. Klaus Mewes vertröstet Gesa auf den Winter, wenn sie ihn bittet, doch einige Tage zu Hause zu bleiben: Er muß fischen. Und den Jungen soll sie vor dem Herbst nicht wiederbekommen. So lange bleibt er an Bord! Schon mit der Nachttide wird gefahren, damit sie wieder in die Fischerei kommen und ihnen das Eis nicht wegschmilzt.

All ihr Bitten und Flehen nützt nichts. Der Wind bläst in die Segel, und der Ewer zieht westwärts. Zwar winken die beiden Seefischer vom Achterdeck, aber sie lachen doch dabei und freuen sich, daß sie wieder einmal glücklich der Gefahr entronnen sind, getrennt zu werden.

 

Mit der Kürze eines Seeamtspruchs könnte ich nun auch berichten, daß sie einmal im Sturm mit knapper Not über das Watt gesegelt sind. Es ließe sich aber auch anders beschreiben, obzwar es unfinkenwärderisch wäre, denn kein Fischermann macht viele Worte um etwas, das alle Tage vorkommen kann.

Der alte Regenwind, der Südwest, war Baas auf der See. Graue Wolken, eine noch grauer als die andere, trieb er über den Himmel. Klaus Mewes und sein Junge, die Wache hatten, steckten unter den Südwestern tief im Ölzeug und ließen den Regen auf sich niederströmen. Sie fischten beim Weserfeuerschiff auf 22 Faden. Der Ewer arbeitete stark in der schweren Dünung und schlug trotzig und gereizt mit den leckenden Segeln nach den Wolken. Mehr und mehr frischte der Wind auf, die Seen krönten sich mit Schaum, und das Wetterglas fiel tiefer und tiefer.

Klaus beschloß deshalb, diesen Streek den letzten zu taufen und den Ewer dann treiben zu lassen.

»Inthen, inthen!« sang Störtebeker, und Kap Horn und Hein Mück kletterten aus ihren Kojen und kamen an Deck. Sie zogen ein und freuten sich, als sie den Steert an Deck hatten, denn es wurde immer windiger, und der Ewer stampfte und rollte stärker als zuvor, nun ihm der Halt des schweren Netzes fehlte.

Schollen, Zungen und Steinbutt, meist kleines Zeug, klatschten auf das Deck. Störtebeker und Hein Mück zogen die Fock auf und machten sich mit dem Knecht über die Fische her, Klaus aber nahm das Ruder und steuerte. Als keinerlei Aussicht war, daß das Wetter sich bald ändern würde, dachte er hinter Wangerooge zu flüchten. Dann aber besann er sich und hielt nach der Elbe hinüber, um zwischen den Baken bessere Gelegenheiten zu finden.

Gischt und Regen waren die Fahrtgenossen des Ewers, der unter dem mächtigen Druck der Segel durch das hohle Wasser schäumte wie ein Dampfer und manchen Spritzer überkriegte.

Die paar Petermännchen, Knurrhähne, Rotzungen, Rochen, Kleiße, Steinbutte, Taschen und Zungen waren bald verarbeitet. Dann spülten sie das Deck rein. Hein ging in die Kombüse, um Klöße zu braten und Kaffee zu brauen, Kap Horn aber blieb oben, sah Luken und Boot genau nach und packte alles in den Raum und die Plicht, was auf Drift gehen konnte, denn es wollte schon dämmern und niemand konnte wissen, was die Nacht noch brachte.

Die Elbe war weit weg.

Sie konnten keine halbe Meile weit sehen, so diesig und unsichtig war die Luft. Der Wind wehte flagiger und stoßweiser als vorher und lief raumer. Sie segelten schon platt vor dem Laken, und die hohen Wogen liefen ihnen nach wie geifernde, hungrige Wölfe: eine große Gefahr für Boot und Segel. Aber der Laertes, der kühne Schwimmer, hielt kraftvoll den Kopf oben und ließ sich weder begraben noch aus dem Kurs werfen. Störtebeker stand geruhig bei seinem Vater, ohne Bangigkeit, und half das Neuwerker Feuer suchen. Wenn die Luft nicht so dick gewesen wäre, hätten sie es längst in Sicht haben müssen.

Da zeigt Klaus Mewes nach Norden, wo plötzlich eine blauschwarze Wolkenwand wie ein gewaltiges Gebirge aus der See steigt. Mit unheimlicher Schnelligkeit wächst sie in die Höhe und verbreitet sich mit unfaßlicher Macht über den grauen Himmel. Wetterleuchten, grelle Blitze und dumpfe Donnerschläge sind das nächste.

»Nu gifft wat!« ruft Kap Horn.

»Gläuf ik ok«, antwortete Klaus Mewes. »Goh no binnen, Störtebeker.«

»Worüm, Vadder? Ik bün ne bang, lot mi man hier blieben.«

»Ne, du müßt dol, Klaus, du speulst uns ober Burd. Goh gau no nerden un lot Hein de Kapp toschuben un blieft beid inne Koi, bit wi jo wedder ropt!«

Störtebeker sieht seinen Vater an, dann sagt er: »Jo, Vadder«, und geht nach unten, denn er weiß, daß man dem Schiffer gehorchen muß und wenn man's auch zehnmal besser wüßte.

»Bang bün ik ober keen betjen, Vadder«, ruft er noch vom Großmast, dann verschwindet er und verklart Hein Mück die Sache, der aber ruhig weiter brät und meint, es würde ja wohl nicht so schlimm werden.

Die beiden Fahrensleute oben erwarten den Sturm. Zu sprechen brauchen sie darüber nicht, denn sie fahren lange genug zur See, um zu wissen, was die große Wolke zu bedeuten hat. Kap Horns Züge sind wie aus Holz geschnitten, des Schiffers Gesicht aber ist wie aus Erz gegossen; niemand sähe es jetzt den beiden an, daß sie so fröhliche Menschen sind und so gern lachen.

Sie wissen, was geschehen wird. Dennoch haben sie ein so blitzschnelles Umspringen des Windes noch nicht erlebt und einen so furchtbaren Wirrwarr des Wassers auch nicht. Der Südwest hat ausgeweht; mit einer schweren Hagelflage in den Armen fegt ein eisiger Nordwest heran, trommelt und pfeift auf der See und wirft sich mit Ungestüm über den Ewer. Unmittelbar darauf springt der Wind wieder um: Nord! Und noch kein Besinnen. Abermals dreht er: Nordost, Nordoststurm. Nun wehr dich, Ewer, nun wehr dich, Klaus Mewes!

Die See, die See!

Wie gischt und schäumt sie! Sie kocht!

Wie ein Amokläufer geht der Nordost die Sache an. Er faßt die schweren, langsamen Seen des Südwest beim Schopf und dreht sie geradezu um. Furchtbar bearbeitet er sie mit seinen Fäusten, daß sie wild durcheinander laufen.

Dat ward een beuse Nacht for mannich lütj Schipp, dat noch buten ist, will Kap Horn noch sagen, aber er kommt nicht mehr dazu. Der Ewer ist mitten in diesen Sturm und Aufruhr hineingeraten. Erst springt der Sturm ihn an wie der Löwe ein Schaf, als wolle er ihn gleich beim ersten Anlauf kopfheister werfen. Als ihm das nicht gelingt, legt er sich so hart auf die Segel, daß sie den Ewer platt aufs Wasser drücken, wobei er zittert und bebt, als könne er sich nicht wieder aufrichten. In der Kajüte purzelt Hein gegen den Ofen und Störtebeker gegen die Dielentür, an Deck aber klammern Schiffer und Knecht sich an die Wanten, um nicht über Bord gespült zu werden. Dann geht Klaus dem Raubtier zu Leibe, das ihn überfallen hat. »Fock dol!« gellt seine Stimme durch den Lärm. Kap Horn turnt nach vorn und reißt sie herunter. »Seil dol!« schrillt es. Der Schiffer kettet das Ruder an und stürzt zu den Fallen.

Rumms! Rumms! Dröhnend wirft der Sturm den Giekbaum gegen das Boot und zerschlägt diesem Duchten und Dollbaum; er hebt ihn wieder an und rammt ihn fürchterlich auf das Deck. Kap Horn wäre getroffen und getötet worden, wenn Klaus ihn nicht beiseitegerissen hätte. Wieder ein harter Windstoß – da, ein scharfer Knall: Über dem zweiten Reff ist ein großes Loch ins Großsegel gerissen. Gau, gau, Klaus Mewes, oder dat ganze Seil geiht innen Dutt!

Schon meinen sie, es geborgen zu haben, da greift das wilde Tier noch einmal danach, zwängt sich mit aller Gewalt hinein und schwenkt es als seine Fahne. Dann aber gelingt es ihnen, das Segel niederzuholen. Wütend heult der geprellte Sturm durch die Wanten, an denen es nichts zu beißen gibt, dann aber gewahrt er das Besansegel, das noch steht. Er macht einen krummen Buckel – und in Fetzen zerrissen fliegt das dunkle Tuch davon. Zwar ist der Ewer wieder aufgestanden, aber er ist jetzt ohne Segel und gehorcht nicht mehr dem Ruder: ein Spielball der brüllenden Seen.

Vor Topp und Takel lenzend, dümpelt und scheistert er in der wilden Dünung, und die hohen Seen rollen über ihn hinweg.

»Dor is en Licht!« ruft Kap Horn und weist über den Steven. Klaus blickt in die bezeichnete Richtung und sieht ein Licht auf der See, hell und tröstend. Ein unerschrockener, unauslöschlicher Wegweiser, reißt dort das Elbfeuerschiff an seinen Ketten. Aber was sagt der Kompaß? Klaus peilt, und als er »Nordost« ruft, da schüttelt der alte Matrose ernst den Kopf und sieht ihn an, denn ein Ankreuzen gegen den schweren Sturm ist mit dem Loch im Großsegel und ohne Besan ein Ding der Unmöglichkeit. Die Elbe ist nicht mehr zu erreichen.

Den Ewer treiben lassen, geht aber auch nicht, denn sie haben keinen Platz: Die gefährlichen Sandbänke der Westertill sind in bedrohlicher Nähe, und der Sturm muß sie gerade dahin werfen, wenn sie noch lange zögern.

Es hilft nichts: Sie dürfen es nicht mehr mit ansehen, sie müssen handeln. Zurück müssen sie, zurück nach der Weser!

Wo ist dein Lachen geblieben, Klaus Mewes? Warum singst du nicht, der du doch sonst im Sturm gesungen hast? Denkst du an deinen Jungen? Der sitzt warm im Bauch des Ewers und lacht aus der Koje: So geiht he god! Und obgleich Hein Mück ihn stören will und sagt, es sei ihm nicht geheuer, bleibt er fröhlich und lacht sorglos: »Vadder is jo boben!«

An Deck ist das Halsen glücklich gelungen. Gezogen von der halb aufgeholten, angebundenen Fock und dem als Sturmsegel gesetzten kleinen Klüver am Großmast, geschoben von den immer gröber werdenden Seen, wühlt der Ewer sich durch das kabbelige Wasser.

Südwest liegt an.

Es ist eine böse Sache, denn Hagelschauer und Regenflagen nehmen ihnen alle Sicht. So weit sie sehen können, ist kein Licht zu erblicken: Sie sind allein auf der See. Ihr Zeug ist durchnäßt, denn die Seen laufen über das Setzbord, wie sie wollen.

Die Frau am Deich! In Klaus Mewes ist alles wach, nichts schläft oder träumt in ihm. Wie der Deich bei der Sturmflut schwarz ist von Menschen, so hat er all seine Gedanken auf einem Haufen; taghell sind alle Stuben und Kammern beleuchtet, und über die Treppen eilen die aufgejagten Diener.

Die Seen werden hohler und hohler, und donnernder klingt ihr Lärm, wie aus der Tiefe gequollen. Klaus will ihm erst nicht glauben, bis er sich dermaßen verstärkt, daß er muß.

»Lot ut!« ruft er dann jäh und reißt das Blei aus dem Nachthaus. Der Knecht lotet die Tiefe.

»Fief Fohm!«

»Denn sünd wi uppe Grünnen!«

Fünf Faden Wasser nur! Wie weit sind sie abgetrieben! Sie sind in leeger Wall. Bis jetzt ist alles Spiel gewesen, verglichen mit dem Ernst, der nun kommt.

Klaus Mewes fühlt sich von kalten, eisernen Fäusten gepackt, die ihn erdrosseln wollen. Gefahr! gurgelt das Wasser, Gefahr! braust der Sturm, Gefahr! schreit der Ewer. »Nu geiht op Leben und Dot«, ruft der Knecht.

Klaus aber kettet das Ruder an und brüllt: »Seil upsetten!« Denn er will sich nicht drein schicken. Mit großer Mühe setzen sie das Sturmsegel am Besanmast, binden das dritte Reff ein, ziehen das Großsegel halb auf und geben der Fock etwas mehr Luft. Der ringende Ewer luvt an und legt sich dwars in die schweren Seen. Gewaltig wird nun der Kampf mit Wind und Wasser, verzweifelt wehrt der kleine Menschenewer sich gegen die beiden Großen, die ihn totmachen wollen. Mit unbeschreiblicher Wildheit und Wut branden die Seen ununterbrochen über das Setzbord, daß das Deck ein Wasser ist, die Segel wie Dachrinnen lecken und die Spritzer bis zum Flögel fliegen. Wenn eines der großen Ungeheuer von Sturzseen gigantisch und eisern heranwuchtet, duckt der Ewer sich wie ein Bulle und nimmt sie von Steuerbord über, richtet sich hoch und steil auf und schüttelt sie nach Backbord ab. Dann duckt er sich wieder, ein Wal im Kampf mit Schwertfischen, die von allen Seiten auf ihn eindringen. Wehr dich, Ewer!

Kap Horn, halt aus! Denk an die Stürme im südlichen Atlantik, an den düsteren Felsen, nach dem du benannt bist, und laß die Kette nicht los. Steh fest auf dem glatten Deck, laß dich nicht über Bord spülen. Denk an die vielen Hochzeiten, zu denen du noch mit deiner Harmonika aufspielen sollst.

Klaus Mewes, du Leu von Finkenwärder, der du immer in der ersten Reihe gestanden hast, muß ich dich aufrufen? Nein – das braucht es nicht: Da steht er am Ruder im zerrissenen Ölrock, naß wie ein Kater, knietief im Wasser, und wankt und weicht nicht. Er hält den Ewer, er hält ihn! Damit er nicht über Bord geht, hat er sich mit einem Tauende festgebunden. So steht er da, ein ganzer Seemann, ernst und wachsam, und späht durch Nacht und Regen nach Land und Feuern aus.

Zeit gibt es nicht mehr, es gibt nur noch Sturm. Wer will wissen, ob es Minuten oder Stunden sind, die sie durchleben, bis an Steuerbord ein Licht erscheint? »Rodensand!« ruft der Knecht, aber der Schiffer schüttelt ungläubig den Kopf. Da taucht neben dem hellen Licht ein schwächeres auf, und er muß glauben, was er erst nicht glauben wollte: daß sie so weit abgetrieben sind. Das Licht voraus ist das Feuerschiff Bremen! Sie müssen hoch auf dem Trockenen sein!

Hastig knotet er sich los und wirft das Lot. Er wirft es zum zweiten Mal, denn es kann nicht sein, die Leine muß gehakt haben. Aber es bleiben drei Faden.

»Dree Fohm! Dree Fohm! Dree Fohm!« ruft er durch den Sturm. »Hest hört, Kap Horn?« brüllt er, als keine Antwort kommt.

In diesem Augenblick schiebt Störtebeker, dem die Zeit zu lang wird, die Kapp auf, um hinauszugucken. Da schlägt ihm die See dermaßen ins Gesicht, daß er das Gleichgewicht verliert und holterdipolter die Treppe hinuntersaust. Er rappelt sich aber gleich wieder auf, schiebt die Kapp zu und sagt zu Hein, der ihn ungeachtet seiner Bangigkeit auslacht: »Junge, dat do ik ne wedder, Hein! Wat hebb ik een kregen! Meist, as wenn Vadder mi en fixen Backs geef!«

 

Kap Horn schweigt noch immer.

Er denkt nach. Soll so seine letzte Reise aussehen? Soll das die letzte Fahrt sein? Soll der Tod, der ihn auf den Weltmeeren nicht fassen konnte, ihn nun hier im Wattenwinkel, im seichten Priel erwischen? Kann sein, und wenn es so sein soll, dann ist es auch gut, denn es bleibt ja immer ein Seemannstod. Die heilige, unerschütterliche Ruhe des Todgeweihten kommt in sein Herz. Der alte Janmaat will und kann sich nicht kleinmachen. Er kann sterben – ob Klaus es auch kann? Er sieht ihn an.

»Dree Fohm bloß noch!«

Klaus Mewes sieht die Kirche von Finkenwärder vor sich, er sieht, wie die Köpfe sich tiefer auf die gefalteten Hände senken, er hört, wie Bodemann sagt, daß Fürbitte zu tun sei für drei Brüder, die seit zwei Wochen vermißt würden. Und sein schönes Haus sieht er, die bunte Haustür und die Bank unter den Linden. Die Bank aber ist leer, und die blanken Fenster, in denen sich sonst die Elbe von Nienstedten bis Schulau spiegelte, sind dicht verhängt. Und die Tür ist zu. Der Hahn und die Hühner stehen unruhig davor und warten vergeblich auf ihr Futter.

Das ist nur ein Augenblick, dann verweht der Sturm das Bild. Schiffsrat! Aber was ist da zu sagen? Nichts, denn was mit ihnen los ist, weiß der eine wie der andere: Vor ihnen ist der gefährliche Brand der Tegeler Plate, sind die Brecher, die Sturzseen. Da hinein und da hindurch müssen sie, sonst bleibt ihnen nichts zu tun als beizudrehen und zu versuchen, den Ewer so hoch wie möglich auf das Watt zu setzen. Kommen sie unbeschädigt durch die Brandung, so ist Schiff und Mannschaft geborgen, laufen sie auf Grund, ist alles verloren. Flüchten sie wattenauf, so geht der Ewer in Stücke, aber sie können sich wahrscheinlich im Boot retten. Wahrscheinlich, denn eins ist so gefährlich wie das andere.


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