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Ernst Freiherr von Feuchtersleben – Eine biographische Skizze.

Hat die Universal-Bibliothek seit den zwölf Jahren ihres Bestehens schon manche schöne und willkommene Gabe gebracht, so bringt sie in diesem Bändchen gewiß eine der schönsten und erwünschtesten. Denn sie liefert ein Buch, das im Lauf von 31 Jahren nicht weniger als 45 Auflagen erlebt hat. Die große Zahl dieser Auflagen muß uns aber noch mehr in Verwunderung setzen, wenn wir bedenken, daß dieses Buch nicht eine Sammlung wohllautender, allgemein singbarer Lieder, oder ein auf allen Bühnen gern gesehenes, bei jeder Aufführung einen großen Zuschauerkreis anziehendes Drama, oder eine nach dem Geschmack des großen Publikums geschriebene, äußerst spannende Novelle, sondern ein gediegenes, in faßlichen Styl geschriebenes wissenschaftliches Werk enthält; oder daß es (um uns anders auszudrücken) Beiträge zur Diätetik der Seele sind, welche eine so allgemeine Anerkennung gefunden und das deutsche Volk veranlaßt haben, auch einmal wirkliches literarisches Verdienst noch zu rechter Zeit zu krönen. Dieses große und bedeutende Werk, nach welchem schon seit seinem Erscheinen stets große Nachfrage war, ist nun Eigenthum des ganzen Volks geworden und wird fortan durch unsre Ausgabe auch dem Unbemittelsten zugänglich sein.

Ein solches Werk aber wird in denkenden Lesern auch den Wunsch wecken, mit dem Verfasser desselben etwas näher bekannt zu werden. Diesem Wunsch wollen wir nun in diesen Zeilen entgegen kommen.

Ernst Freiherr von Feuchtersleben, der geistvolle Dichter und gelehrte Verfasser der Diätetik der Seele, wurde am 29. April 1806 in Wien geboren und stammte aus einer in Hildburghausen ansässigen sächsischen Familie, deren letzte Söhne sich dem österreichischen Staatsdienst gewidmet hatten. Sein Vater war ein Mann von ernstem und strengem Charakter, der sich mit unermüdlichem Eifer seinen Pflichten als Staatsbürger widmete und daher der Erziehung des von der Natur trefflich begabten und frühreifen Knaben nicht viel Aufmerksamkeit zollen konnte. Seine Mutter verlor unser Dichter leider schon wenige Jahre nach seiner Geburt. Da er nun ein äußerst zartes und schwächliches Kind war, das der Mutter bald nachfolgen zu sollen schien, so war dem Vater der Rath der Aerzte, den Knaben einer Amme anzuvertrauen und aufs Land zu schicken, sehr willkommen. Dieser Rath ward sofort befolgt und bewährte sich trefflich. Der Dichter selbst sagt in den kurzen autobiographischen Mittheilungen, die er der Wiener Akademie der Wissenschaften machte: »Ich verdanke diesem frühen, und sodann noch eine Zeit lang in Pausen wiederholten Aufenthalt auf dem Lande nicht nur die Befestigung des physischen Organismus, sondern, wenn ich mich richtig beurtheile, auch die innerste Grundlage meiner spätern psychischen Entfaltung. Die ersten Eindrücke, die auf mich wirkten, waren die Eindrücke einer freundlichen Natur, einer ländlichen Existenz. Sie währten nicht lange.« Und zwar deshalb währten sie nicht lange, weil der Vater gar bald die frühe Entwicklung der trefflichen Anlagen des Knaben wahrnahm und es deshalb für gerathen hielt, ihn schon in seinem sechsten Jahre der theresianischen Akademie in Wien anzuvertrauen, wo er dann bis zum neunzehnten Jahre verblieb. Nur die Ferienzeiten durfte er im väterlichen Hause zubringen, wo dann der akademische Unterricht durch einen von Hauslehrern ertheilten ersetzt wurde.

Ueber den Aufenthalt in der genannten Anstalt hat er sich freimüthig, theils mit dankbarer Anerkennung des dort empfangenen Guten, theils aber auch mit hartem Tadel des herrschenden verfehlten Systems in einem Tagebuch, das er schon als Knabe mit großer Gewissenhaftigkeit führte, ausgesprochen. Freudig erkennt er die hohen Verdienste seines Geschichtslehrers, eines gewissen Paters Bonifacius, an und rühmend hebt er hervor, daß dort die Studien der Naturwissenschaften und der griechischen Philologie nicht, wie an der hohen Schule, nur für eine Abtheilung Hörer bestimmt, sondern obligat waren. Bitter tadelnd aber spricht er sich über die verkehrte Einrichtung der Anstalt aus. Hören wir ihn selbst darüber: »Das Erziehungssystem in der Akademie,« so schreibt er, »war ganz verfehlt, wie es in fast allen öffentlichen Erziehungsanstalten in Österreich der Fall ist. Pfaffen hatten die Erziehung auf sich; über sie war ein Soldat gesetzt.

Ich sah die schönsten Anlagen junger Männer unter Pfaffenstolz und Rohheit verkümmern. Alle Tage wurde in die Kirche gegangen, öfters des Tags drei Mal, oft zwei Mal; und so alle Religiosität erstickt. Unter den Pfaffen war Dummheit; wie sollten sie Wissenschaft lehren? Sie waren meistens Menschen, die nicht genug gute Säfte hatten, um Bauern, und nicht genug Verstand, um was anders zu werden. Was braucht ein Pfaffe mehr, als einen Narren vor'm Altar zu spielen, etwas Latein und Frechheit, zu lügen und zu überschreien? – Ueber diese war ein Soldat gesetzt, der sich mit ihnen über Alles zerzankte, nur darüber nicht, daß man die jungen Leute statt der Wissenschaften blinde Unterwerfung lehren müsse. So war unsre Erziehung. Aber der Mensch entwickelt sich, frei von Wind und Willkür. Und ich sah bei dieser Erziehung junge Männer auswachsen, denen man Sparta oder Rom aus der Stirn ansah.« Zu diesen letztern gehörte auch Feuchtersleben, der edle, reine Mensch. Denn er hatte sich trotz des elenden Systems in der Akademie dort so entwickelt, daß er, als er sie im Jahre 1825 verließ, schreiben konnte: »Ich nehme jetzt Abschied von der Akademie. Als Knabe von siebenthalb Jahren betrat ich dies Haus; reinen, unverdorbnen Herzens, schuldlos, einfältig und froh. Nun, nach dreizehn Jahren verlasse ich es wieder; nicht mehr schuldlos, nicht mehr einfältig, nicht mehr froh. Hier bildete ich mich zu dem, was ich geworden bin; hier lernte ich es an mir: nur aus Widerstreben geht Dasein hervor. In der Schule der Knechtschaft lernte ich frei sein, und mitten in der Finsterniß zwang ich, keck wie Prometheus, den Funken und nährte ihn. Der schnelle Contrast von dem Frühling kindlicher Seligkeit zur Wintererstarrung der Seele machte mir beides zur Gewohnheit, und gab mir – worauf ich stolz bin – Macht über mich selbst. Dies ist der Triumph der Freiheit, dies der Triumph des Willens, der Menschheit, Gottes. Die Menschen, die ich rechts und links von mir ihre Karten mischen sah, lehrten mich die ungeheure Größe ihrer Thorheit kennen, an die ich sonst nicht geglaubt haben würde; die Unzahl Bücher, die ich in dieser Klosterstille las, trug bei, meinen Glauben an die Menschendummheit zu bestätigen; und ich suchte die Weisheit beim Pöbel und fand sie. Nach zehn Jahren der Dämmrung ward es licht. Da lernte ich mir zu leben. Ich schien die Thorheiten der Menschen mitzumachen und arbeitete an ihrer Heilung.« Herrlich hatten sich seine trefflichen Anlagen entfaltet. Schon damals konnte er in dem mehrfach erwähnten Tagebuch von sich selbst sagen: »Menschheit, Vaterland, Bürgerthum waren die Trias meines Lebens.« Auch sein poetischer Genius hatte dort angefangen, mächtig seine Schwingen zu regen – und zwar schon zu einer sehr frühen Zeit, in seinem elften Lebensjahr. Sein erstes, schon 1817 verfertigtes Gedicht ist noch vorhanden und ist, in Anbetracht des sehr jugendlichen Alters, in dem der Verfasser stand, nach Form und Inhalt so gelungen, daß wir uns nicht enthalten können, es hier mitzutheilen:

Dichtkunst.

Sie winkt, der Musen holde Schaar,
Und bietet mir die Reize dar,
Die Dichtkunst uns gebar.
Wohlan! ich folge ihr!
Da spricht zu mir: Willkommen hier!
Der Musen-Gott von seinem Thron:
Komm her! empfange deinen Lohn,
Und sei befreit
Von deiner Last
Der Sterblichkeit,
Weil du nach mir getrachtet hast!
Unsterblich sein, das ist der Dichtkunst Lohn.

Viele der besten Stücke in der ersten Abtheilung seiner 1836 bei Cotta erschienenen »Gedichte« stammen noch aus dieser akademischen Zeit. Als Schüler der Akademie hätte ihm in seinem Vaterland eine glänzende Laufbahn im Staatsdienste offen gestanden, da den Schülern derselben gesetzmäßig der Vorzug vor andern Bewerbern um Staatsstellen zustand. Feuchtersleben aber opferte diese Vortheile willig »seiner ungemeinen Neigung« zum ärztlichen Beruf auf. Seine große Kränklichkeit während seiner ersten Kindheit hatte ihn darauf hingeführt, seinen krankhaften Zustand zu beobachten und über die Mittel zur Heilung desselben nachzudenken. Daher suchte er sich schon früh medicinische Bücher zu verschaffen – und bald wurden diese seine Lieblings-Lectüre. Als er in die höhern Studien eintrat und Vorlesungen über Naturwissenschaften und Philosophie hörte, lernte er die Arzneikunde auch von einem höhern Standpunkte aus kennen und fühlte, daß er für dieselbe in jeder Weise vorbereitet sei. Dazu kam, daß in seinem Herzen stets eine reine Liebe zur Menschheit wohnte, die er in keinem andern Beruf, als in dem ärztlichen, besser glaubte bethätigen zu können. Aus all' diesen Gründen bestürmte er seinen Vater, in seine Berufswahl zu willigen – und erhielt endlich nach langem Zögern die Einwilligung desselben. Mit Leidenschaft studirte Feuchtersleben daher auf der Wiener Hochschule acht Jahre lang Arzneikunde. – Seine Werke über medicinische Gegenstände haben bewiesen, mit welchem Erfolge. – Doch trotz aller Liebe zu seinem Fache, ging er nicht ganz und gar darin auf. Es blieb ihm noch Zeit genug, um sein zweites Lieblingsfeld, das der Poesie, anzubauen. Ein vielfacher Verkehr mit literarischen Größen, von denen wir nur Friedrich von Schlegel und dessen geistvolle Gemahlin, Grillparzer, Ed. v. Bauernfeld, Mayrhofer und v. Schober hervorheben wollen, bürgt uns dafür, daß auch sein dichterisches Talent während seiner Universitätsstudien die mannichfachsten Anregungen empfing. Davon zeugen aber auch zahlreiche Aufsätze, Fragmente und Gedichte, die von ihm während dieser Zeit in der Iris, im Morgenblatt, in der Wiener Zeitschrift für Kunst und Literatur und andern Zeitschriften und Sammelwerken erschienen.

Im Jahre 1833 nahm er den Doctorgrad an und ließ sich in Wien als praktischer Arzt nieder. Ein Jahr darauf erlebte er ein schreckliches, ihn tief erschütterndes Unglück – sein von ihm über Alles geliebter Vater entleibte sich selbst – und er verlor dadurch nicht nur diesen selbst, sondern auch das Vermögen desselben. »Das gab seinem Charakter die ernste Grundlage, die ihm bis an seinem Tod geblieben ist.« Mit männlichem Muthe suchte er sich zu fassen. Er warf sich ganz auf seine Berufsthätigkeit und auf das literarische Schaffen. Sehr viele seiner medicinischen und literarischen Schriften entstanden in dieser Zeit. So lernte er bald seinen Gram überwinden und auf eignen Füßen stehen. Schon im Jahre 1834 konnte er eine Gattin heimführen und einen eignen Hausstand begründen. Zwar wurde das junge Paar in den ersten Jahren der Ehe noch manchmal durch Mangel gedrückt. Daran war aber nicht etwa die geringe Praxis, sondern der Freiherrntitel unsres Dichters Schuld. Die meisten seiner Patienten wagten nicht, dem »Herrn Baron« klingende Bezahlung anzubieten und schickten ihm (wie sein Biograph Fr. Hebbel erzählt) statt einiger Banknoten einen überflüssigen Luxusgegenstand, eine Cigarrenspitze oder ein Etui in zarter Emballirung. Es kam so weit, daß sich die jungen Leute des Abends aus Sparsamkeit nicht einmal das Stümpfchen Licht gönnten, sich in den Schlaf zu lesen. Dennoch war es, wie der Dichter selbst sagt, eine überaus glückliche Ehe, die ihm das unschätzbare Loos häuslicher Ruhe und Stille bereitete.

Durch seine medicinischen und literarischen Arbeiten aber erwarb er sich bald im In- und Auslande einen nicht unbedeutenden Ruf. Er galt bald als eine wissenschaftliche Autorität. Dadurch erweiterte sich nicht nur seine Praxis bedeutend, sondern er errang auch in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine ehrenvolle Stellung nach der andern. Er wurde 1840 Secretär der Gesellschaft der Wiener Aerzte; bald darauf Decan der medicinischen Facultät und 1847 Vicedirector der medicinischen Studien. Schon im Jahre 1838 hatte er sein weltberühmtes Buch »zur Diätetik der Seele« herausgegeben, das ihm einen Namen weit hinaus über die Grenzen Deutschlands verschaffte. Da war es denn natürlich, daß die Aufforderung an ihn erging, an der Wiener Hochschule freie Vorträge über ärztliche Seelenkunde zu halten, der er im Jahre 1844 entsprach. Diese Vorträge wurden zahlreich besucht und gaben ihm Veranlassung sein »Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde« zu schreiben, das nicht nur in Deutschland, sondern auch in England die günstigste Aufnahme fand und in letzterem Lande noch bis auf diesen Tag die Grundlage des Unterrichts in diesem Zweige des ärztlichen Wissens bildet.

Als im Jahre 1848 ein völliger Umschwung in der österreichischen Politik eintrat, wurde Feuchtersleben dem stillen Kreise seiner wissenschaftlichen Wirksamkeit entrissen. Man trug ihm das Ministerium des öffentlichen Unterrichts an. Der schlichte, biedre Mann aber fühlte, wie wenig er für eine so glänzende Stellung, die noch dazu eine gewisse, ihm gänzlich mangelnde politische Befähigung erforderte, geeignet sei – und lehnte daher die mehrfach wiederholten Anträge beharrlich ab. Dagegen erklärte er sich bereit, die Stelle eines Unterstaats-Secretärs in diesem Ministerium annehmen zu wollen, die ihm dann auch sofort übertragen wurde. In dieser Stellung hat er sich um die Hebung und Verbesserung des Volksunterrichts hoch verdient gemacht, da jedoch die meisten seiner Vorschläge kein Gehör fanden und er sein edles Streben fast immer verkannt sah, gab er schon nach vier Monaten seine Entlassung. Er war Willens seine Stellung an der Universität wieder aufzunehmen, vermochte es aber wegen seines in Folge der bittern Erfahrungen in seiner frühern Stellung äußerst geschwächten Gesundheitszustandes, nicht mehr. Eine Erholungsreise in die österreichischen Gebirge blieb ohne den gehofften Erfolg. Mit dem Jahre 1849 trat eine allmähliche Abnahme seiner Kräfte ein, die ihn im April dieses Jahres auf das Krankenbett warf, auf welchem er fast vier Monate hindurch mit dem Tode ringen mußte. Endlich am 3. September 1849 erlöste ihn der Tod von seinen Qualen. Er starb zu früh für sein Vaterland, für die Wissenschaft und die leidende Menschheit. Zahlreiche Freunde weinten an seinem Grabe.

Feuchtersleben war, wie Grillparzer sagt, ein Mann, dem kein Feld des Wissens fremd war. Das Größte aber hat er in den Gebieten der Medicin, der Dichtkunst, der Kritik und der Popular-Philosophie geleistet.

Seine Verdienste als Mediciner zu würdigen, ist nicht unsres Ortes. Sie sind von Kennern genügend anerkannt worden und werden allen denkenden Aerzten noch lange Zeit hindurch in Erinnerung bleiben.

Als Dichter hat er »die Gabe zu glänzen nicht besessen oder vielmehr, es nicht verstanden, in großartig scheinenden Phrasen Nebelhaftes zu reimen.« Darum ist es ihm auch nicht, wie so manchem modernen Dichter, gelungen, auf billige Weise zu großem Dichterrufe zu gelangen. Feuchtersleben ist auch in seinen Gedichten der Mann der That. In schöner reiner Form und in durchsichtig klaren Worten redet er die Wahrheit. Fast alle Erzeugnisse seiner Muse lassen den Schüler Goethe's und der Alten erkennen. Das Nebel- und Phrasenhafte in unsrer modernen Literatur war ihm so von Herzen zuwider, daß er nicht selten die oftmals ungerecht angegriffenen ältern Dichter gegen ihre modernen Kritiker in Schutz nahm. Vorzügliche Fertigkeit besaß er in der sogenannten Gnome. Daher findet sich auch im ersten Bande seiner Gedichte eine nicht geringe Zahl von dieser Dichtungsgattung. Fast alle diese Gnomen erfreuen durch richtiges Urtheil, Reinheit der Seele, Tiefe des Gemüths, Rechtschaffenheit der Gesinnung und heitern Humor. Man kann von Herzen in das Urtheil von Heinrich Kurz einstimmen: »Feuchtersleben ist, wie in seiner Diätetik der Seele, auch in seinen Dichtungen ein ächter Seelenarzt, der den Menschen mahnt, mit Ruhe und Muth dem Lebenskampf entgegenzugehen, sich gegen Alles zu verwahren, was die Kraft zu lähmen vermöge, durch rastlose Thätigkeit den Leiden des Lebens zu begegnen.« Der erste Band seiner Gedichte, der zuerst 1836 erschien, erlebte bis 1848 vier Auflagen. Der zweite wurde erst nach seinem Tode von seinem Freunde, dem berühmten Dramatiker Hebbel, zusammengestellt.

Größeres wie als Dichter leistete er auf dem Gebiete der Kritik. In dieses Fach schlagen seine »Beiträge zur Literatur, Kunst- und Lebens-Theorie« (Wien 1841), und die »Lebensblätter« (Wien 1841), die den zweiten Theil des erstgenannten Werkes bilden. Auch in diesen Büchern finden sich viele einzelne Aussprüche voll tiefer, praktischer Lebensweisheit und heitern Humors, die oft eben so ansprechend sind, als diejenigen, die sich einer poetischen Form erfreuen. Dieser fragmentarischen Schreibart bediente sich Feuchtersleben überhaupt sehr oft und gern. In den von Hebbel gesammelten sieben Bänden seiner sämmtlichen Werke (Wien bei C. Gerold 1851 – 1853) findet sich eine große Anzahl von Aphorismen. Es dürfte wol eine lohnende Aufgabe sein, aus seinen poetischen und prosaischen Schriften die schönsten und herzerhebendsten Denksprüche zu sammeln und zu einem duftenden Kranze zu vereinigen. Die Gabe dürfte nicht nur auf manchem Studir- sondern auch auf manchem Familien-Tisch hoch willkommen sein.

Dieser Liebhaberei für Denksprüche und Aphorismen haben wir es auch wol zu danken, daß Feuchtersleben es unternahm, den Geist aus einzelnen der vorzüglichsten unsrer Classiker (z.B. Goethe, Schiller, Lessing, Herder, Jean Paul, Graf Bentzel-Sternau u.s.w.) zu ziehen und darunter gerade diejenigen auszuwählen, deren Schriften am reichsten an Aussprüchen voll praktischer Lebensweisheit sind. Diese Sammlung erschien zu Wien 1866 in dritter Auflage.

Seine Kritiken waren zu ihrer Zeit sehr beliebt und erfreuen noch heute durch tiefes Eingehen in den Geist der besprochnen Schriftsteller, richtiges Urtheil und Gewandtheit der Sprache. In letzterer Beziehung ist vornehmlich die sehr interessant geschriebene Biographie Friedrich von Schlegels hervorzuheben, die als Nachwort den sämmtlichen Werken dieses Dichters beigegeben worden ist.

Das Größte aber leistete Feuchtersleben offenbar als Popular-Philosoph. Hierher gehört sein berühmtes Buch: »Zur Diätetik der Seele,« das jetzt in 45. Auflage erschienen ist. In diesem Buche behandelte er ein Feld, das vor ihm noch Niemand behandelt hatte und wies unwidersprechlich nach, daß die Gesundheit des Leibes einzig und allein auf der Kraft, Ruhe, Festigkeit und Klarheit der Seele beruht; und daß eine Seele, welcher diese Kraft abhanden gekommen ist, dieselbe nur durch angestrengte Thätigkeit und eisenfesten Willen wieder zu erlangen vermag. Dieses Werk stellt sich den ähnlichen Leistungen Kants und Hufelands (»Von der Macht des Gemüths Krankheiten zu überwinden« und »Makrobiotik«, die beide ebenfalls in der Universal-Bibliothek erschienen sind)« würdig an die Seite. Wir hören in demselben den denkenden Arzt und den warmen, von tiefer Sittlichkeit und ächt religiösen Glauben durchdrungenen Freund der leidenden Menschheit reden, dem gewiß schon viele, die durch schmerzliche Leiden und bittre Lebenserfahrung die Gesundheit der Seele verloren hatten, reichen Trost, wenn nicht gar die völlige Genesung ihrer geistigen Kräfte verdanken.

Dieses Werk bieten wir der Lesewelt in einer neuen, sehr billigen Ausgabe dar und wünschen, daß es auch in dieser Gestalt noch manche Auflage erleben, noch manchen neuen Freund sich erwerben, noch viel Heil und Segen stiften und dadurch der Ruhm seines gefeierten Verfassers in immer weitre Kreise getragen und die Dankbarkeit gegen den theuren Frühentschlafnen stets erhöht werden möge.

Einen Umriß zur Biographie Feuchterslebens, von der Hand Friedrich Hebbels gezeichnet, enthält der siebente Band seiner sämmtlichen Werke. Derselbe ist aber nach unsrem Dafürhalten eine der schwächsten Leistungen Hebbels und genügt in keiner Hinsicht den Anforderungen, die man an eine auch nur skizzirte Biographie zu machen berechtigt ist. Möchte uns daher bald eine kundige Hand mit einer ausführlicheren und mit Liebe gearbeiteten Biographie dieses gefeierten Mannes erfreuen.

Danzig, den 25. November 1879.

v. Schmidt.

Widmung

Der würdige Mann, dem die ersten Auflagen dieses Büchleins gewidmet waren, ist nicht mehr. Ursprünglich für einen kleineren Kreis von Lesern bestimmt, hat sich die herzlich gemeinte Schrift unter den Vielen, welche den Kampf des Lebens zu bestehen haben, und welchen es Ernst mit dieser Aufgabe ist, einen größern Kreis gebildet. Möge sie ihnen fortan geweiht bleiben!

Es ist mit Betrachtungen eine eigene Sache. Was man besitzt, was man vermag, zieht man selten in ihren Kreis. Man hält sich am liebsten jene Tugenden vor, deren Mangel man in sich empfindet; man streicht in Büchern, die man liest, jene Stellen an, die unserm Bedürfnisse entgegen kommen; man erbaut aus weisen Maximen eine Mauer um sich, welche die eigene Haltungslosigkeit decken soll; der behagliche Städter am wohlbeschirmten Kamin erquickt sich an den beschwerlichen Großthaten eines Hannibal und Karl des Zwölften; und was man selbst nie zu leisten vermöchte, das liebt man als Dichter zu besingen, das wagt man als Philosoph zu lehren.

Was nun mir die Beschäftigung mit diesen Blättern war: Erholung von den ernsthaftern und wichtigern Geschäften des Lebens und des Denkens, – das möge sie auch Gleichbestrebten sein!


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