Max Eyth
Charaden, Lieder am Schraubstock, Feilspäne
Max Eyth

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Lieder am Schraubstock

1. Vorwort

Die Grazien »stampften« einst die Erde,
    Wenn sie beim Tanze sich ergötzt;
Kaum kennt man heute die Gebärde,
    Und hat sich billig drob entsetzt.
Doch grauenhafter wird der Jammer
    Für Seelen, die ein Hauch bewegt,
Wenn einer mit dem Schmiedehammer
    Der Lyra zarte Saiten schlägt!
Vergebt, wenn euch die Nerven reißen,
    Bei des Zyklopen Dichterdrang;
Ist hart der Schlag und hart das Eisen,
    So gibt es keinen schlechten Klang.

2. Meißelnd

Der Stahl, der sich laut knirschend bäumte,
    Vom scharfen Meißelschlag bezwungen,
Das ist die Kraft, die ich erträumte,
    Das ist der Trotz, den ich errungen.

Schon gut! Es soll der Stahl nicht rosten!
    Doch mancher Meißel bricht verwittert,
Und manchen Hammerschlag mag's kosten,
    Bis so ein weiches Herz zersplittert

3. Neue Tannen

Mit meinen Kinderfreuden allen,
    O grüner Wald, bist du dahin,
Mit Wachteln und mit Nachtigallen,
    Du stolzes, schlankes Tannengrün?

Die Tannen sind Kamine worden,
    Ein Baum, gar sonderbar zu schau'n;
Schad', daß die Nadeln ihm verdorrten
    Und daß die Äste abgehau'n,

Daß statt der muntern Liederschläger,
    Die sonst von Zweig zu Zweig gescherzt,
Ein halberstickter Schornsteinfeger
    Im Mark hinaufkriegt, brandgeschwärzt!

4. Feilend

Hörst du den Specht im Laube nicht
    Picken in emsiger Eile?
Horch, wie ferne die Tanne bricht
    Unter dem hallenden Beile!

Ob das Bächlein so murmeln mag?
    Ob es dort hält, um zu lauschen?
Weil ihm die Winde im Blütenhag
    Freundliche Antwort rauschen!

's ist mir, als müßte die Wachtel dreinschlagen
    mit munteren Klängen!
's ist, als müßte der Sonnenschein
    Dunkel und Bande zersprengen!

Doch wie erwachend, mit einem Mal
    Hör' ich die Hämmer ertönen,
Hör' meine Feile in müder Qual
    Über das Eisen stöhnen.

5. Abends

Drunten an den Feueressen
    Gibt es heut' nichts mehr zu tun;
Einer hat sein Leid vergessen, –
    Laßt den kleinen Burschen ruh'n!

Wie der Flammen heiße Zunge
    Leis veratmet und versiegt,
Weil der müde Schlosserjunge
    Sich am Balgen eingewiegt!

Doch, wie zucken sie und ranken
    Wild empor, wie aufgeschreckt,
Weil mit scharfem Schlag und Zanken
    Ihn der Meister aufgeweckt!

Und wie glüh'n sie heißer, heller
    Nach der träumerischen Ruh'!
's macht, der Bube blaset schneller,
    's macht, der Bube weint dazu.

6. Rauch

Zwei Säulen Rauchs! – Dort hör' ich fast
    Die Kinder jubeln um die Flammen;
Hier drängt der Kohle trübe Last
    In schweren Wolken sich zusammen.

's mag wohl der kindlich heitre Brauch
    Nicht mehr für Ess' und Schornstein taugen; –
Hinweg damit! 's ist beides Rauch
    Und treibt nur Wasser in die Augen.

7. Mein Lieb

Und ein Lieb, – o mein Liebchen, so wunderhold.
    Wie trug ich dich warm in der treuen Brust!
Nur schad, daß ich's nicht hätte gesollt.
    Und schad', daß du's nicht gewußt!

Ich habe sie wohl nur selten geseh'n
    - Sie wohnte in einem stolzen Haus –
Am Sonntag früh in die Kirche geh'n,
    So froh und so freundlich, – und jetzt ist's aus!

Denn einmal – Gott, wie sag's ich gleich? –
    Wohl nie vergess' ich die Seelenqual!
Ihr Kleid war weiß, ihre Wange war bleich, –
    Es war das letztem»!.

Ich hab' sie gehört von Zeit zu Zeit,
    Wenn abends das Fenster offen stand
Und ihre Stimme wie Glockengeläut
    Zu mir herab sich fand.

Doch einmal: – wo waren die Klänge, so klar?
    Ich hörte sie deutlich, ich stand ihr so nah; –
Da bebten die Lippen am Traualtar
    Ein sterbekrankes: Ja!

Und ich sah sie und hört' es, ich stand dabei!
    Ich traute dem Auge, dem Ohre kaum;
Ich dachte nicht, daß es möglich sei;
    Mir war's wie ein wüster Traum,

Und oft schon, wenn so recht heiter die Nacht,
    Von goldenen Steinen strahlend umsäumt,
Bin ich in Seligkeit aufgewacht
    Am Traume, mir habe geträumt.

8. Nachts

    Zwei Bauern sah ich vorüberwandern;
Die Öfen standen in Heller Glut;
Na sprach der eine zu dem andern:
»Bei Gott, mir wird verdammt zumut!
Da schau' die Häuser, die verfluchten,
Wo früher meine Wiese lag.
Und wo wir deine Schafe suchten;
Die Welt wird schlechter Tag für Tag!
Hörst du den Höllenlärm der Räder?
Und wie der rote Qualm sich reckt!
Das ist des Teufels Hahnenfeder,
Die lachend er hinaufgesteckt!«

    Ich hört's und starrte in die Glut: –
Fürwahr, es ist der rote Wedel!
Es ist das schwarze Dach sein Hut,
Das ganze Haus sein krauser Schädel,
Und die Gestalten nackt und wild.
Die drinnen durcheinander schwanken.
Sind sie ein Höllentraumgebild?
Sind sie des Satans Nachtgedanken?

9. Damals und jetzt

Und als ich zum erstenmal sie gesehen,
    Wie sauste der Hammer, – die Feile, wie!
Ich ließ den Schweiß auf der Stirne stehen
    Und schaffte und sparte und dachte an sie.

Zum zweitenmal« – da hat ihr gedämmert
    Ein Gruß um die Lipp', – ch vergesst es nie,
Und wie ich verjubelt, was ich erhämmert.
    In einer trunkenen Nacht für sie.

Doch jetzt – wo ist das alles geblieben?
    Mir ist so bitter ums Herz, so schwer;
Ich schlag' ins Feuer, daß Funken stieben,
    Ich peitsche das Eisen in Kreuz und Quer.

Und nachts, wie wenn mich ein Satan triebe.
    Beiß' ich die Zähne ins harte Glas, –
Weiß nimmer, wohin mit meiner Liebe,
    Und weiß nicht, wohin mit meinem Haß.

10. Schwielen

Das Leben hat vernietet
    Mir manchen Freudentag;
Es hat mich hart geschmiedet
    Mit manchem Hammerschlag.

Wie oft hat meiner Feile
    Das Herz den Takt geklopft!
Wie manche heiße Weile
    Hat's von der Stirn getropft!

Der Arm ist worden sehnig;
    Das ist des Schweißes Zoll;
Ich geb' sie keinem König,
    Die Hand, so schwielenvoll!

Das Aug' hat überflutet
    Der Träne heißer Lauf.
Das Herz hat mir geblutet.
    Und ich bin stolz darauf.

11. Frei und treu.

Oft ohne Ziel, oft ohne Schranken,
    Oft weit hinaus, oft heimatwärts:
Zugvögel bleiben die Gedanken,
    Frei, wie die Lüfte, ist das Herz.

In Rauch und Dampf, wenn trüb und trüber
    Nur müde noch die Esse glüht.
Dann zieh'n sie aus! Dann geht's hinüber
    Ins Land, wo die Zitrone blüht.

Wo bunt des hellen Tages Schimmern
    Die ewig junge Erde deckt,
Wo auf verschwund'ner Zeiten Trümmern
    Der Frühling seine Blumen weckt, –

Wo müd' vom wonnetrunk'nen Schlagen
    Die Nachtigall im Busche lauscht.
Wo von der Myrte Duft getragen,
    Der Pinien stolze Krone rauscht, –

Wo leise die Zypressen schwanken,
    Kaum flüsternd von erträumtem Schmerz: –
Zugvögel bleiben die Gedanken,
    Frei, wie die Lüfte, ist das Herz.

Frei wie die Lüfte, – treu wie Schwalben;
    Die zieht's ja auch noch Jahr um Jahr
Nach Hause über unsre Alpen
    Zum alten Neste wunderbar!

Nein, ob des fremden Landes Schöne,
    Ob seinem zauberischen Licht,
Vergiß, mein Herz, die heim'schen Töne,
    Der Wachtel frohe Rufe nicht, –

Der Lerchen jubelndes Geschmetter,
    Der Heimat Bilder, bunt und zart, –
Und deine lieben schwäb'schen Vetter
    Und deine gute deutsche Art.

12. Der alte Schmied

So war's, als ich ein Junge war!
    Da gab's noch Tränen die Fülle.
Jetzt bin ich vertrocknet, grau ist mein Haar,
    Und zäh wie Leder die Hülle.

Kaum hör' ich die Hämmer, dumpf und schwer,
    Die damals knallten und krachten;
Die Schwielen spür' ich längst nicht mehr.
    Die mich so bedenklich machten.

Auch ist vergangen das Herzeleid
    Samt seinen Dornen und Rosen,
Und lächelnd denk' ich der alten Zeit,
    Da meine Tränen noch flossen.



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