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Auszug aus den Briefen, die Jeanne des Anges, Oberin der Ursulinerinnen von Loudun, an ihren Beichtiger, den ehrwürdigen Pater Saint-Jure, S. J., geschrieben hat.

Im ersten Brief, den sie ihm unterm 1. Oktober 1643 schreibt, teilt sie ihm mit, sie sei verschiedentlich von Gedanken bestürmt, wieder einen Beichtiger zur Leitung ihrer Seele zu nehmen, da sie seit vier Jahren keinen mehr gehabt hätte. Sie bittet ihn, ihr diese christliche Nächstenliebe anzutun, vorausgesetzt, daß er glaube, es geschehe zum Ruhme Gottes.

Im zweiten Brief vom 22. Oktober desselben Jahres bittet sie ihn um eine Leitung, die nicht ihrer Natur schmeichle, sondern ihren Geist in der Demut erhalte. Sie versichert ihn ihres besonderen Gehorsams.

Sie zählt ihm ihre natürliche Stimmung und alle ihre Schwächen auf und legt folgendermaßen Rechenschaft ab über die Art und Weise, wie sich die geweihten Namen auf ihrer Hand erneuern: »Seit länger als zwei Jahren passiert es mir öfters, wenn die Zeichen, die ich trage; sich erneuern, daß ich dann einen fünfzehn- oder sechzehnjährigen Jüngling von unvergleichlicher Schönheit neben mir zu sehen wähne, der mich bei der Hand faßt und die Zeichen zum Zweck der Erneuerung berührt. Oft hat er mit mir verschiedene Unterhaltungen geführt über das, was ich zu tun hätte; manchmal hat er mich auch auf Fehler aufmerksam gemacht, zu denen ich mich hatte hinreißen lassen. Das letztemal, daß ich ihn sah, war am 15. d. M. Da sagte er: »Vergiß niemals die Barmherzigkeit, so du seit deiner gänzlichen Erlösung von den Dämonen bis auf den heutigen Tag empfangen hast!« Er sagte noch weiter: »Ich bin dein Schutzengel; Gott hat mir deine Seele anvertraut!«

Im gleichen Brief berichtet sie ihrem Beichtiger von dem Reiz, der für sie in der Ausübung der Tugenden läge, besonders in der Demut des Herzens, der Armut im Geist, der Liebe zum Nächsten, der Neigung zum Gehorsam und in dem Verlangen nach innerer Sammlung. Endlich bekennt sie ihre Untreue und die Unreinheit, die sie an ihren besten Handlungen bemerke.

Im folgenden Brief vom 12. November legt sie ihm genaue Rechenschaft ab über alle ihre Fehler und über eine natürliche Hinneigung zu einigen frommen Personen. Sie spricht vom Gebet und der Begeisterung und Mühelosigkeit, die ihr Gott bei dieser Uebung gewähre.

Ueber eine Gnade, die ihr im Gebet zuteil geworden, berichtet sie in folgenden Worten: »Der Herr sprach eines Nachts innerlich zu mir und sagte: »Meine Tochter, Ich will, daß du an den Angelegenheiten Meines Ruhmes hängest, ohne Rücksicht auf andre Dinge! Ich will, daß du Mir oft darbringest die Verdienste Meiner Leiden um die Bekehrung der Seelen, die Ich wiedergewann; Ich will auch, daß du Mich oft besuchest vor dem heiligen Sakrament des Altars!«

Gehorsam diesem Befehl, habe ich mich dazu entschlossen, täglich dreiunddreißigmal das heilige Sakrament zu besuchen.«

Hinsichtlich der Erneuerung der Zeichen sagt sie: »Ich möchte es nicht mit absoluter Gewißheit behaupten, daß es mein guter Engel ist, der mich besucht; doch glaube ich es ziemlich fest. Was mich zu solchem Glauben veranlaßt, ist die Nachwirkung, die so ein Besuch bei mir erzeugt, insonderheit Furcht Gottes, innerer Friede, Gewissensreinheit und Tugendlehre, die er mir erteilt. Ein Jahr lang war ich in großer Besorgnis, von den Besuchen dieses Geistes irregeführt zu werden. Ich ging ihnen erst möglichst aus dem Wege und schenkte seinen Versicherungen, er käme von Gott, keinen Glauben.

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Wie die Gläubigen zu Satans Synagoge fahren.

Endlich offenbarte ich mich hierüber einem Pater von Eurer Gesellschaft. Er meinte, wir sollten eine neuntägige Uebung veranstalten, um von Gott eine Erleuchtung zu bekommen betreffs der Ungewißheit, in der ich mich befand. Am letzten dieser neun Tage erschien mir der Geist in der Nacht und versicherte mir, er sei mein guter Engel und von Gott gesandt, und ich habe von ihm nichts zu befürchten. Der Pater bekam zur gleichen Zeit dieselbe Gewißheit. Er sagte es mir am Morgen. Das bestärkte mich außerordentlich und nahm mir damals jede Aengstlichkeit. Aber bald darauf fühlte ich mich doch wieder beunruhigt, und ich mußte meine Zuflucht zum Pater Jacquinot nehmen und mich ihm eröffnen. Dieser prüfte die Angelegenheit und gab mir die Versicherung, der Geist käme von Gott. Er sagte weiter, ich müsse mich in Zukunft gelehriger benehmen und großes Gewicht auf die Anweisungen legen, die ich von diesem Geiste bekommen würde. Von der Zeit an fühlte ich in meinem Innern nach dem heiligen Abendmahl die Gewißheit, daß es ein guter Geist sei, der mir Besuche abstatte.

Seit der Zeit also erweise ich ihm viel Ehrerbietung. Wenn er spricht, höre ich aufmerksam zu; ich befrage ihn im Zweifel, obschon mir seine Gegenwart nicht ersichtlich ist. Täglich bringe ich ihm irgend ein Gebet dar; oft beschwöre ich ihn, mir in allen meinen Handlungen beizustehn. Geh' ich irgendwo hinein oder heraus, so erhebe ich in der Regel meinen Geist in Ehrerbietung zu ihm und bitte ihn, den Vortritt zu nehmen; nur beim Abendmahl unterlass' ich das, denn er hat es mir wegen der dem heiligen Sakrament gebührenden Hochachtung untersagt. Kurz, ich tue nichts, ohne es ihm anzuempfehlen.

Ich berichte Euch alles dies, mein Vater, damit Ihr mir bitte Verhaltungsmaßregeln für die Zukunft erteilt; denn ich bin fest entschlossen, Euch zu gehorchen in der Ueberzeugung, daß Gott es so will.

Wenn der Geist mir erschien, verfehlte ich nicht, sobald ich seiner gewahr wurde, Eurer Anweisung gemäß das Zeichen des Kreuzes zu machen und die Namen Jesus Maria auszusprechen. Ich gestehe, ich tat das mit einiger Besorgnis. Darauf sprach er zu mir: »Warum fürchtest du dich? ist es nicht das Zeichen deiner Erlösung? gehorch' in Einfalt und Herzensdemut; fürchte nur immer, was Gott mißfallen könnte; laß die heiligen Namen immerdar in deinem Herzen und Munde sein; sie werden mich nicht von dir verjagen, vielmehr nur deine Untreue allein gegen Gott, falls du dich in dem vergissest, so du Ihm schuldest!«

Schließlich erneuerte er die Zeichen, die ich auf der Hand trage. Ich verfehlte nicht, Euch ihm zu empfehlen, und bat ihn, Eurer Anweisung zufolge, er möge mit Euch in Verbindung treten. Er hörte mich mit sehr sanfter und leutseliger Miene an, sagte, er würde es tun, und zog sich dann zurück. Am Allerheiligentage erschien mir der glückselige Geist wieder, erneuerte die Zeichen, sagte aber nichts.«

Sie fragte dann bei ihrem Beichtiger an, wie sie die Adventszeit verbringen und welche Buße sie unternehmen solle, und ob er für geraten halte, daß sie besondere Uebungen anstelle.

Im Briefe vom 24. Dezember 1643 schreibt sie, sie hätte großes Verlangen nach dem heiligen Abendmahl, fände eine rechte Stärkung darin und ein Heilmittel für alle innern und äußern Schwächen. Sie teilt ihm mit, sie hätte es bis jetzt täglich genommen, auf den Rat des Paters Jacquinot.

Sie berichtet ihrem Beichtvater dann über die Besuche ihres heiligen Engels: »Seit dem 21. November hat er mich viermal besucht, stets um die Zeichen, die ich auf der Hand trage, zu erneuern. Beim zweiten Besuch sprach der glückselige Geist zu mir: »Diesen Advent sollst du nachhängen der Betrachtung eines Mensch gewordenen Gottes und der Vernichtung, die Jesus Christus in diesem Mysterium an sich selber vornahm, auf daß du schätzen lernest, was Unser Herr für deine Erlösung getan hat!«

Schließlich half er mir, mich besser in den Willen Gottes betreffs meines Zustandes zu fügen. Ich war nämlich ein wenig verdrießlich, mein Vater, daß ich infolge meiner Unaufgelegtheit nichts tun konnte. Er hielt mir das als eine sehr große Unvollkommenheit vor.

Beim, letzten Besuch sagte der Geist zu mir: »Wenn du den Empfang des Jesuskindleins in deinem Herzen verdienen willst, in der Zeit, bis es die heilige Jungfrau der Menschheit schenkt, so sei auf dreierlei Stimmungen bedacht: erstens auf große Herzensreinheit; zweitens auf eine innere Einkehr, die dich alles vergessen läßt, was dich irgend von diesem heiligen Mysterium ablenken könnte; und drittens auf eine gänzliche Erniedrigung aller deiner Seelenkräfte, bis zur Unterwerfung unter das Reich des höchsten Herrschers!«

Unterm 14. Januar 1644 schreibt sie dem Pater Saint-Jure, ihr Geist sei immer sehr anhänglich an Gott gewesen, dergestalt, daß sie nur selten Seine Gegenwart verlor und stets tiefe Liebesempfindungen zum Herrn hegte.

Sie fährt dann fort: »In dieser Zeit erhielt ich häufig Besuche von meinem guten Engel. Den ersten in der Weihnacht gegen zwei Uhr nach Mitternacht. Der glückselige Geist erschien mir, voller Glorie, wie ich ihn nie gesehn. Er blickte mich lieblich an und sprach: »Heut' muß dein Herz bis in den Abgrund des Nichts gedemütigt werden angesichts des Mensch gewordenen Gottes; versenk' dich in die Anschauung der Lehren, die Er dir in solchem Zustande erteilt; nur die wahrhaft reinen Seelen vermögen sie zu begreifen, nur diese wissen, wie sich die Größe eines allmächtigen Gottes mit der Winzigkeit des in der Krippe bebenden Kindleins vereinigen läßt.«

Am Tage St. Johannes des Evangelisten besuchte mich der glückselige Geist wiederum. Er ermahnte mich sehr, ich solle nie die Gunst vergessen, die ich von Unserm Herrn durch das Verdienst dieses Heiligen erhalten habe, und fügte dann noch diese Worte hinzu: »Gott gefällt sich in demütiger Erkenntlichkeit!«

Um euch das zu erklären, teurer Vater, muß ich gestehn, daß ich außerordentlich von Gedanken und Regungen wider die Keuschheit gepeinigt wurde, auch nach meiner Befreiung.

Eines Tages beklagte ich mich nach dem heiligen Abendmahl hierüber sehr zärtlich bei Unserm Herrn. Da ward mir inwendig gesagt: »Meine Tochter, nimm Meinen vielgeliebten Schüler St. Johannes den Evangelisten zum Hüter deiner Keuschheit!« Das tat ich auch, und seit der Zeit gewährte mir Gott die Gnade, daß ich weder im Geist noch im Körper nunmehr sechs Jahre lang irgend einen Gedanken oder eine Regung wider diese Tugend verspürte.«

Im selben Brief legt sie ihm weitere Rechenschaft ab: »Am ersten Tage des Jahres besuchte mich der glückselige Geist gegen drei Uhr morgens und sprach zu mir: »Du mußt fleißig den hochheiligen Namen Jesu verehren; mach' heute zweihundert Kniebeugungen, küss' die Erde und sprich dabei die Worte: In nomine Jesus, omne Jesu flectatur, celestium, terrestrium et infernorum! Verrichte das Jahr hindurch diese Andacht, so oft du kannst, und fahre also fort den übrigen Teil deines Lebens; wenn du von rechter Andacht zu diesem verehrungswürdigen Namen erfüllt bist, wird Gott dir nicht die Gnade verweigern, so Er mehrfach andern gewährte, den Namen Jesu in deinem Herzen geschrieben zu tragen!« Zum Schlusse erneuerte er die Zeichen, die ich auf der Hand trage, hörte noch die kleinen Wünsche meines Herzens mit an und verschwand dann.«

Sie berichtet ihm in demselben Brief weiter von einem andern Besuche des Geistes: »Am heiligen Dreikönigstag erschien mir mein guter Engel um sechs Uhr morgens und sprach zu mir: ›Heut ist der Tag, da du dem Herrn Geschenke machen mußt, weil Er dir die Gunst erweisen will, diese anzunehmen; biete Ihm dein Herz an; biete Ihm auch Herz und guten Willen derer an, mit denen du in geistlicher Genossenschaft stehst; bitte das göttliche Kind, Es möge sie zu Seiner Ehre und als Zeichen deines Magdtums annehmen!‹ Darnach erneuerte er die Zeichen und verschwand.«

Im selben Brief schreibt sie noch weiter: »Ich wünschte, Ihr kenntet mein Inneres; ich fühle mich sehr frei, es Euch zu eröffnen; alles, was Ihr mir sagt, prägt sich meinem Geist ein und schafft mir innern Frieden. Ich muß Euch sagen, daß ich alle Nächte zwei Stunden im Gebet liege und oftmals drei. Um Mitternacht steh' ich auf und geh' um drei Uhr wieder zu Bett. Oft geschah es, wenn ich nicht pünktlich aufgewacht war, daß ich solange am Arm gezupft wurde, bis ich aufstand. Ich glaube, dies war mein guter Schutzengel. Jeden Tag verrichte ich zwei und eine halbe Stunde Gebets, ungerechnet die Zeit der Messe und Danksagung, die eine halbe Stunde beträgt.«

Im Briefe vom 9. Februar 1644 berichtet sie ihrem Beichtiger folgendermaßen: »Ich befinde mich in großer Todessehnsucht und flehe zum Herrn, Er möge mir diese Gnade gewähren, auf daß ich Seiner ohne Hindernis genießen könne und niemals mehr in der Lage sei, ihm zuwider zu handeln. Ich habe Anlaß, mir zu mißtrauen, daß etwan diesem Verlangen Unreinheit untermischt sei, auf Grund eines Rates, den mir einst mein guter Engel gab, nie etwas betreffs meiner zu wünschen, denn den lauteren Willen Gottes und die Vermehrung Seines Ruhmes.«

Im gleichen Brief schreibt sie: »Sonntag Quinquagesimä ward mir die Stimme: ›Meine Tochter, ich will hinfürder, daß du fleißig zu Mir betest um das Heil der Seelen, und deiner selbst vergessest in Meiner Gegenwart, auf daß du dich hingebest der Liebe zum Nächster!‹ Gleichzeitig fühlte ich mich dazu gedrängt, die Fortsetzung mehrerer Bitten zu unterlassen, die ich an den Herrn um meinetwillen zu richten pflegte, hauptsächlich um Tugenden, die ich nötig zu haben glaubte. Ich bitte Euch um Anweisung hierüber.«

Im selben Brief schreibt sie weiter, wie folgt: »Gleichen Tags hat mein guter Engel die Zeichen, die ich trage, erneuert und zu mir gesprochen: »Sei in der Zeit, wo dein Heiland so viel Schmähungen von der Kreatur zu ertragen hat, zu möglichst großer Aufmerksamkeit auf Seine göttliche Gegenwart beflissen; trag dein Herz von Schmerzen durchbohrt, auf daß du immerdar eingedenk seiest, die göttliche Majestät um Verzeihung zu bitten für die ungeheuren Sünden, so an Ihr begangen werden; sei! bestrebt, Seine Barmherzigkeit zu beugen, damit Er den undankbaren Seelen verzeiht und ihnen wirksam Gnade gewährt, sich zu Ihm zu bekehren, und also Sein kostbar Blut ihnen nicht, unnütz bleibt.«

Im Brief vom 25. Februar 1644 berichtet sie ihm, auf welche Art ihr der gute Schutzengel erscheint: »Ich will Euch sagen, mein Vater, daß mir mein guter Engel seit mehr als zwei Jahren in der Regel für meine körperlichen Augen äußerlich sichtbar erscheint. Er nimmt die Gestalt eines sehr schönen Jünglings an, im Alter von fünfzehn Jahren und drei und ein halb Fuß Höhe. Sein Gewand scheint mir weiß und voller Klarheit, seine beiden Augen wie zwei Sonnen. Ein großes Licht umstrahlt ihn. Sein Gesicht ist ernst, doch nichtsdestoweniger sehr leutselig. Spricht er nicht mit mir, so ist sein Besuch ziemlich kurz; er dauert dann nicht länger, als man braucht, um aufmerksam ein Miserere zu beten.

Will er die Zeichen erneuern, so faßt er mich sehr sanft bei der Hand. Manchmal zieht er mir den bedeckenden Handschuh ab; und dann geschieht eine Bewegung, als wenn jemand auf meiner Hand schriebe. Er beginnt immer damit, den sehr heiligen Namen Jesu zu bilden. Während der Zeit fühle ich's wie eine leichte Hitze auf der Hand; allerdings sehr sanft und ohne die geringste Unbequemlichkeit für mich. Meine Seele befindet sich dabei in tiefer innerer Sammlung. Einmal gab mir der glückselige Geist folgende Verhaltungsmaßregel: »Gib acht, daß du dich nicht bei diesen äußeren Dingen aufhältst oder irgend ein Gefallen daran findest.«

Läßt er sich mit mir ins Gespräch ein, so dauert sein Besuch zuweilen eine gute Viertelstunde. Er hinterläßt auf meiner Hand einen sehr angenehmen Geruch, und der Ort, wo sein Besuch stattfindet, ist ganz von süßem Dufte getränkt. Ich höre ihn auf meinen Knien an und mit großer Ehrfurcht. Auch empfehle ich ihm die Notdurft meiner Seele, sowie derer, mit denen ich besonders verbunden bin.«

Unter dem 16. März 1644 setzt sie zunächst ihre innere Stimmung auseinander; diese besteht in großer Dürre, Furcht und Mißtrauen in ihren Zustand, vereint mit großer Liebessehnsucht zu Gott. Sie fährt dann fort: »Mein guter Engel besuchte mich am ersten Tage dieses Monats gegen zehn Uhr abends. Ich schlief bereits, und er zupfte mich am Arm und befahl mir aufzustehn, was ich auch sogleich tat. Ich kniete dann vor das heilige Sakrament hin. Bald darauf näherte er sich mir und sprach: »Deine Seele muß sich aller Tröstung berauben, die sie aus diesem Dasein schöpfen könnte, und an den Bitterkeiten und Schmerzen teilnehmen, die der Herr für dich in Seiner Passion erlitten hat; schau zu, daß du dich treu und beständig erhältst in allen deinen Uebungen!« Diese Worte flößten mir etwas Furcht ein; ich bot mich Gott dar zu allem, was ihm gefallen würde, und gab mich vollständig Seinem hochheiligen Willen hin.«

Im Briefe vom 20. April 1645 berichtet sie ihrem Beichtiger, was seit der Osterwoche in ihr vorgegangen sei: »Ich verbrachte die Osterwoche, teurer Vater, in der Sehnsucht, an den Leiden und Mühen Unsres gütigen Heilands teilnehmen zu dürfen. All meine innere Betrachtung stellte ich über Seinen Jammer an, und ich erfuhr gewaltige Rührungen in meiner Seele, so daß ich stets damit vereint bleiben konnte. Palmsonntag gegen vier Uhr morgens erschien mir mein guter Engel, erneuerte die Zeichen, die ich auf der Hand trage, und sagte zu mir: »Jetzt ist die Zeit, da dein Heiland den Liebes Überschwang kundgibt, den Er zu Seiner Kreatur hegt; wie wirst du dich Ihm erkenntlich zeigen für solche Liebe?« Diese Worte überraschten mich etwas; nichtsdestoweniger gab ich ihm zur Antwort: »Ich bin bereit, alles zu erfüllen, was Gottes Majestät von mir fordern wird; ich bitte um Belehrung über Seinen heiligen Willen!« Er entgegnete darauf: »Du mußt einig sein im Herzen und in der Liebe mit deinem Heiland; folge Ihm im Leiden und verlier Ihn nicht aus den Augen; beraube dich aller göttlichen und menschlichen Befriedigung und verehre allein die Todesnöte, die Unser gütiger Heiland für dich hat erleiden wollen.«

Ich will in Wahrheit bekennen, teurer Vater, daß meine Seele hierbei von einer ganz unaussprechlichen Traurigkeit ergriffen wurde. Ich empfand eine große körperliche Niedergedrücktheit. Alles, was mir noch verblieb, war eine Uebereinstimmung mit dem Willen Gottes und ein Aufmerken auf die Pein Unsres Herrn. Bis Donnerstag Nacht blieb ich in diesem Zustand. Gegen Mitternacht, als ich das heilige Sakrament in unserm Zimmer bewachte, wurde ich von einem großen Schrecken erfaßt. Ich sah dicht bei. mir zwei gräßliche menschliche Gestalten und spürte einen großen Gestank. Sie hielten beide Ruten in den Händen, packten mich wütend beim Arm, fesselten mich an den Bettpfosten und peitschten mich eine halbe Stunde oder länger. Mein guter Engel erschien da, warf sie zu Boden, daß sie wie Hunde heulten, und zwang sie zur Flucht. Sie ließen mich am ganzen Körper zerfleischt zurück. Der glückselige Geist hatte nichts zu mir gesprochen.

Gegen drei Uhr morgens erschien er mir und sprach: »Gegenwärtig sind Himmel und Erde erstaunt darüber, daß sie einen Gott sehen, der für Seine Kreatur ächzt und leidet; Er hat sich zum Auswurf aller Völker gemacht und wird von Seinen nächsten Freunden im Stich gelassen; sieh zu, ob du unter der Zahl derer sein willst, die Ihn verlassen, oder ob du Ihn begleiten willst!« Ich antwortete ihm: »Ich will meinem Heiland folgen; ich bitte Ihn um diese Gnade!« Er entgegnete: »Dein Herrscher hat dein Begehren angenommen; du wirst innerlich einen Teil der Schmerzen empfinden, die Er getragen hat in Seiner Passion, und als Gipfel Seiner Barmherzigkeit wird Er deinem Herzen Sein Kreuz aufdrücken; halt' du diese Gunst ganz geheim!«

Dies letzte Wort verwunderte mich ein wenig; deshalb sagte ich zu ihm: »Da mir Gott einen wahren Vater zuerteilt hat, so mögt Ihr für gut befinden, daß ich diesem Eure eben erfolgte Erklärung mitteile; denn ich befürchte, ein böser Geist könne die Gelegenheit wahrnehmen und mich irreführen!«

Er antwortete darauf: »Ich denke nicht daran, es dir zu untersagen, daß du dich in voller Freiheit mit deinem Beichtvater berätst; ich gebe dir die Versicherung, daß du niemals irregeleitet wirst, wenn du seiner Anweisung folgst; es ist aber nicht nötig, daß auch noch andre davon erfahren!«

Bald darauf fühlte ich eine große innerliche Bewegung nebst so heftigen Schmerzen, daß ich sie unmöglich beschreiben könnte. Sie hielten fünf Stunden lang an. Die Schmerzen waren allgemein im ganzen Körper, aber am lebhaftesten im Herzen. Die Wirkung war so groß, daß ich denselben Tag noch ungefähr drei Pinten Blut erbrach und in Wahrheit zu sterben vermeinte. Der Schmerz im Herzen hat mich noch nicht verlassen; auch blieb mir eine große Schwäche, so daß ich fast alle Augenblicke in Ohnmacht falle. Was meine Seele anlangt, so bleibt sie in Gegenwart Gottes sehr ruhig, und es scheint mir, als ob sie sich mehr und mehr zu Jesus Christus neigt und mit ihm vereinigt.«

In dem Brief an ihren Beichtiger vom 18. Mai 1645 entwickelt sie nähere Einzelheiten über die im vorigen Brief erwähnte Geißelung, gemäß der Anweisung, die er ihr antwortlich erteilt hatte. Folgendes schreibt sie ihm also: »Ich muß Euch demnach mitteilen, teurer Vater, das die Person, von der ich schrieb, aller ihrer Kleider beraubt wurde, bis einzig auf das Hemd; dies ward ihr über die Schultern hinaufgeschoben und auf dem Kopfe zusammengesteckt. Sie wurde von denen, die sie geißelten, in solchen Zustand versetzt. Die Geißelung geschah von den Schultern hinab bis zu den Kniekehlen. Die Person ward ganz in Blut getaucht, derart, daß der Fußboden des Zimmers stark verunreinigt wurde. Eine von den Schwestern mußte sie und ihre Wäsche wieder säubern; sie nahm derselben einen Treueid ab, daß sie zu niemandem davon spreche, sagte ihr auch selber nicht, was geschehn sei, sondern ließ sie in dem Glauben, es handle sich um die Wirkung einer übermäßigen Disziplin. Diese Person hat dennoch nicht völlig das Bett gehütet; denn sie ist immer aufgestanden, um die Messe zu hören und das Abendmahl zu nehmen.

Allerdings mußte sie sich vierzehn Tage lang oder länger zu Bett halten, weil sie sonst Ohnmacht oder Herzschwäche bekam wegen der allgemeinen Schmerzen, die sie empfand, und überhaupt wegen ihres Schwächezustandes. Ihre Wunden sind heut noch nicht geheilt. Als man ihr das Hemd, das sie auf dem Kopf hatte, wieder herunterschlug, banden sie diejenigen, die sie gefesselt hatten, wieder los. Sie hat nicht bemerkt, daß bei dieser Handlung irgend etwas gegen die Keuschheit verstoßen hätte. Sie hat sich auch nicht in ihrer Nacktheit gesehn.«

Im gleichen Brief schreibt sie: »Nach der Geißelung ward das Kreuzeszeichen in folgender Weise aufgedrückt: Das Herz ward entzwei geschnitten; dann ward auf der einen Seite ein Kreuz mit Inschrift und der Gestalt des Gekreuzigten, aufgedrückt, was drei Tage lang Blutverlust verursachte.« Sie schreibt dann weiter: »Aeußerlich ist nichts sichtbar. Doch befinde ich mich seit der Zeit beständig in einer großen inneren Mattigkeit mit einem Schmerz im Herzen, der mich nicht verläßt.«

Ihre Stimmung neigt sehr zum gekreuzigten Jesus, und oft ertappt sie sich dabei, daß sie Ihn bittet, Er möge hier nicht stehn bleiben, sondern fortfahren, sie Seine Schmerzen leiden zu lassen und die Tränen Seiner Passion in ihr Herz zu ätzen. Sie hat es dahin gebracht, daß sie sich jeder Art von geistlicher und körperlicher Tröstung beraubt, und daß sie selbst auf alle die Süßigkeiten im Geist verzichtet, die sie zuweilen in Gegenwart des hochheiligen Sakramentes genießt, woraus sie sonst große Kraft schöpft.

Manchmal fühlt sie sich getrieben, zu ihrem Herrn im Geiste des Vertrauens zu sprechen: »Mein süßes Lieb und guter Meister, ruh nun aus auf dem Kreuze, das du deiner unwürdigen Magd gegeben hast, und mach' sie dir ähnlich!« All ihr geistlicher Fleiß und ihre inwendigen Unterhaltungen gelten der Passion, und zu was für einer Materie sie sich auch wenden mag, sie findet sich doch immer in dieser wieder. Seit der Zeit hat sie wegen ihres Zustandes keine Pein gehabt. Sie lebt in einer Loslösung von allen Dingen und wirft sich vollständig in die Arme Gottes, um alles zu erleiden, was er nur immer wünschen wird. In ihrem Brief vom 2. Juni 1645 berichtet sie wie folgt: »In der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag der heiligen Woche erschienen mir zwei stark verschiedene Lichter: das eine trüb und gelblich wie eine Sonne, die sich verfinstert; das andre erschien, als man die Widersacher, die mich peitschten, verjagte, und war ausnehmend hell.«

Sie berichtet ihm dann weiter über ihre Stimmung in folgenden Worten: »Mein teurer Vater, Unser Herr bindet mich mehr und mehr an Seine Schmerzen, und was für Pein meine Natur auch empfindet, so brennt mein Herz doch lichterloh für das Leiden.

Am Freitag vor dem Himmelfahrtsfeste erschien mir mein guter Engel gegen drei Uhr morgens; er trug drei Nägel in seiner linken Hand. Diese, die ziemlich groß und dick aussahen, bot er mir dar. Er fragte: ›Gibst du nicht dein Herz Gott hin, um es mit diesen Nägeln zu befestigen, ebenso wie Er wollte, daß Sein Sohn Jesus Christus damit ans Kreuz geheftet wurde? Und bist du nicht damit einverstanden, daß Er dir die Gunst erweist, alle Zeichen Seiner Passion in dein Herz einzugraben?‹ Ich antwortete ihm: ›Ich bin damit einverstanden, daß Gottes Wille gänzlich in mir geschehe; ich bin Sein; möge Er mit mir und in mir alles machen, was Ihm gefällt!‹ Er entgegnete darauf: ›Die Natur wird viel zu leiden haben; aber derjenige, der dich mit der einen Hand zu Boden schlägt, wird dich mit der andern stützen; befleißige dich tiefer Demut und großer Treue; nimm dich in Acht vor jeder. Art innerer und äußerer Selbstgefälligkeit; sei wach in der Furcht, daß deine Widersacher dich überrumpeln könnten; sei mitteilsam zu demjenigen, den Gott dir gegeben hat zum Schutz vor den Ränken; man wird versuchen, dich zu überrumpeln, wenn du am wenigsten daran denken wirst; laß dich also leiten!‹

Ich bat ihn um Erleuchtung, damit ich vor den Listen der Widersacher bewahrt bleibe, und ferner, er möge Euch kundgeben, was Gott von mir in dieser Angelegenheit wolle. Nach dieser Unterhaltung erneuerte er die Zeichen und verschwand.

Ungefähr eine Viertelstunde später überkam mich ein gewaltiger Liebesüberschwang zu Unserm Herrn Jesus Christus. Mein Herz befand sich in sehr schmerzhafter Bedrängnis, als wäre es zu drei verschiedenen Malen dicht nebeneinander durch und durch gebohrt worden. Meine Natur empfand die Stiche so lebhaft, daß mir das Blut in starkem Strahl zum Munde heraussprang. Ich verbrachte lange Stunden ohne äußere Regung. Mein Inneres aber war mit Gott beschäftigt und versenkte sich in Seinen hochheiligen Willen. Ich hab' wieder ganz neues Verlangen danach, an den Schmerzen Jesu Christi, Seines Sohnes, Anteil zu nehmen. Knapp kann ich mich eine Stunde aufrecht halten, so werde ich sogleich ohnmächtig. Der Blutverlust verursacht mit diese Ohnmachten.

Am Himmelfahrtstage erschien mir mein guter Engel wiederum. Er erneuerte die Zeichen, sprach aber nicht zu mir.«

Im Brief vom 30. August 1645 schreibt sie ihrem Beichtiger folgendes: »Mein guter Engel besuchte mich zweimal. Der erste Besuch war ohne Gespräch. Beim zweiten aber, am Tage des heiligen Ignazius, redete er also: »Du hegst zu viel Zärtlichkeit zu dir selber, gestützt auf kleine Schwächen; das zerstreut dich leicht; du hältst nicht fest genug zu Gott und suchst zuweilen kleine Ergötzlichkeiten mit der Kreatur, was den Absichten Gottes zuwider ist; denn Er meint, daß dieser Zustand der Pein, in dem du dich befindest, dich mehr und mehr von dir selber loslöst und dich enger, an Ihn bindet, indem du Seinem Sohn Jesus Christus ähnlicher wirst!«

Er sprach weiter: »Eine Person, die bestimmt ist, das Kreuz zu tragen, wie du, und die Zeichen Seiner Passion im Herzen zu erdulden, darf weder Freude noch Ergötzung aus der Pein schöpfen; also sei auf der Hut, daß du dich nicht durch Treulosigkeiten der Gnade Gottes beraubst!«

Ich fragte ihn dann, ob die Eindrücke tatsächlich auf meinem Herzen wären. Seine Antwort lautete: »Kreuz, Nägel und Krone sind darein gegraben, die andern Werkzeuge noch nicht; doch wenn du dich Gott in Treuen ergibst, wird Er sie alle noch anbringen; zu allerletzt wird die Lanze eingegraben werden; sie wird dir das Herz durchbohren und deinen Tod herbeiführen; die andern Werkzeuge werden Stück für Stück eingegraben werden, unter großen Schmerzen, wie das bereits begonnen hat!« Er sagte noch weiter: »Das letzte wird sobald nicht geschehn; du wirst zuvor noch viel zu leiden haben!« Nach diesen Worten erneuerte er die Zeichen und verschwand.

Im gleichen Brief schreibt sie: »Mein Herz verspürt den Geschmack Gottes, dergestalt, daß alles andre ihm nichts ist. Mir kommt es vor, als sei meine Seele in die Tugenden Jesu Christi gekleidet und angefüllt von Erleuchtung über Seine göttlichen Vollkommenheiten. Mit Eifer schrei ich: ›Herr, eine Dich mit mir! verwandle mich in Dich!‹

Mir kommt es vor, als ruhe dieser liebliche Gatte in meinem Herzen gleich wie auf Seinem Throne. Ich merke es, wie Er Wohlgefallen empfindet. Was mich vor Liebe und Bewunderung fast ohnmächtig macht, ist eine gewisse Annehmlichkeit, die Er zu empfinden scheint, wenn ich mein ganzes Wesen in Seines ergieße und in ehrfürchtiger Liebe alles wieder erstatte, was Er mir gewährt. Zuweilen bin ich so frei und spreche vertraulich zum Herrn, nenne Ihn »Liebchen« und interessiere Ihn für alles, wonach ich frage, sowohl um meinet- wie der andern willen.«

Unterm 14. September 1645 berichtet sie ihm folgendermaßen: »Mir kommt vor, als sei das, was ich bei der Erneuerung der Zeichen auf meiner Hand verspüre, eine Wirkung davon, daß der Herr mir das Wappenzeichen Seiner Passion ins Herz gräbt; denn ich fühle in diesem Körperteil so große Schmerzen, daß ich es gar nicht auszudrücken vermag. Je lebhafter sie sind, um so mehr begehre ich sie; und wie sehr auch die Natur klagen mag, so kann ich mich doch nicht zurückhalten, Unsern Herrn zu beschwören, Er möge Sein Werk fortschreiten lassen und mich Ihm ähnlich machen im Schmerz. In der Tat, ich leide mit großem Vergnügen, ja mehr noch, mit einer süßen Ungeduld zu leiden, und es dauert mir viel zu lange, bis mein Heiland Sein Werk vollende und mich Ihm einigermaßen ähnlich mache.«

Im Brief vom Monat Januar 1646 berichtet sie ihrem Beichtiger wie folgt: »Gegen vier Uhr morgens, als ich noch im Bett lag, zupfte es mich am Arm, und eine Stimme sprach deutlich diese Worte: »Steh unverzüglich auf und rüste dich zum Empfange der Tätigkeit Gottes in deinem Herzen!«

Gleichen Tags gegen neun Uhr vormittags, als ich mich nach dem Dankgebet der heiligen Kommunion auf mein Zimmer zurückgezogen hatte, packte nach ein so äußerst heftiger Herzschmerz, daß er sich gar nicht beschreiben ließe. Das verursachte mir beständige Ohnmachten über den halben Tag, die schließlich mit starkem Bluterbrechen endigten. Während all dem verlor ich die Besinnung nicht, und ich glaube, mein Geist und mein Wille einten sich mit dem Herrn. Inwendig fühlte ich eine gewaltige Freude, weil es mir vorkam, als ob in mir etwas Schmerzhaftes durch einen Effekt Seiner Liebe tätig sei.

Ich hätte gern gewünscht, ich sei fähig, noch mehreres andre zu erdulden und könnte es ihm darbringen. Es ärgerte mich, daß ich so leicht die äußeren Sinne einbüßte, weil das meinen Schmerzen einige Ruhepausen gewährte. Mir, schien's, als spräche der Herr im Grunde meines Herzens: »Meine Tochter, Ich will ein Bildnis von Mir machen auf diesem Herzen!«

Diese Worte haben einen starken Eindruck auf meinen Geist gemacht und geben mir eine große Leichtigkeit der Anschauung, inwieweit der Herr in allen diesen äußeren Handlungen tätig war. Es kommt mir vor, als seien seit der Zeit meine äußeren Regungen bedeutend gleichmäßiger gewesen. Was mein Inneres anlangt, so fühle ich mich ganz an Gott gefesselt.

Am Tag der heiligen Therese erschien mir gegen sechs Uhr abends am Schluß des Gebets mein guter Engel wieder; er erneuerte die Zeichen und sprach zu mir: »Du lässest dich zu leichtlich auf kleine Zerstreuungen ein in deiner Schwäche; dahin geht nicht die Absicht deines Heilands; nicht aus menschlichen Dingen sollst du Erleichterung schöpfen, sondern allein aus der Betrachtung der göttlichen Mysterien; wenn dein Körper schwach und zerschlagen bleibt, so geschieht es nur, um deinem Geist mehr Kräfte zu geben; verbanne daher fern von dir alle die kleineren Erleichterungen, die dir die Kreatur geben könnte; denk daran, daß du im Herzen das Bild des gekreuzigten Jesus tragen mußt; noch heute wird Er dich die Schmerzen der Passion empfinden lassen und in dein Herz einige Werkzeuge eingraben, die einst diesem geweihten Mysterium gedient haben!«

Ich fragte nun, was ich denn für Zerstreuungen vermeiden müßte; ich war so plump, daß ich die gemachten Fehler gar nicht erkannte. Worauf er antwortete: »Auf dreierlei verschiedene Dinge mußt du achtgeben; erstens, nicht deine Einbildung durch den Gesang, wenn auch frommer Verse zu entzücken, wozu du leider neigst; zweitens, nicht öfter, als es die Regel gestaltet, mit einer der Schwestern, wenn auch von guten Dingen, der Unterhaltung zu pflegen, es sei denn zu ihrer Notdurft; drittens mußt du geschickt, selbst während der Erholung, solche Unterhaltungen vermeiden, die dich zerstreuen könnten, vielmehr dich erinnern, daß sich Unser Herr weder Freude noch Trost gegönnt hat bei der Erfüllung des Willens Seines Vaters!«

Er warnte mich dann noch vor einer gewissen kleinen Genugtuung, in der sich mein Herz gehen lasse, sobald man mich beklagt, bemitleidet oder sonst ein Aufhebens von mir macht. Er ließ mich darin eine große Unreinheit schauen. Darnach verschwand er.

Selbigen Tags gegen Mittag ergriffen mich Herzschmerzen und Ohnmächte mit großer Heftigkeit und dauerten fast drei Tage lang, nebst bedeutendem Blutbrechen. Meine innere Stimmung zielte darauf ab, mich in Gegenwart Gottes recht frei zu halten. Ich gab mich Ihm ganz hin, vereinte mich mehr und mehr mit Seinem göttlichen Wollen und verharrte in großer Bewunderung Seiner Güte, die Er an mir ausließ.

Ich komme auf die Ereignisse am Tage des heiligen Franz Xaver. Morgens gegen acht Uhr erschien mir mein guter Engel und erneuerte die Zeichen, die ich trage. Dann ermahnte er mich zu großer Einigkeit mit Gott und Verachtung meiner selbst, zu einer Loslösung aller meiner Interessen, zur geistigen Ruhe in allen Ereignissen meines Lebens, zur Uebereinstimmung meines Willens mit Seinem in allen Dingen und zu großer Geduld in den Uebeln, die mir zustoßen würden. Folgenden Tags wurde ich krank mit anhaltendem Fieber. Während der Krankheit befand ich mich fast stets in der Gegenwart Gottes. Ich fühlte mich in großer Geistesruhe und Unterwerfung unter den Willen Gottes. Alles, was mir Pein verursachte, war, daß ich nicht täglich zum Abendmahl gehen konnte.

Dieser einzigen Unruhe wollte sich der böse Geist bedienen. Er stellte sich mir in der Gestalt meines guten Engels dar, bot mir das Abendmahl an und sprach: »Der Herr hat diese Gunst mehrfach anderen erwiesen; du darfst sie genießen, weil du von Ihm geliebt wirst!« Die Wirkung dieser Worte in meiner Seele ließen mich erkennen, daß sie nicht vom guten Geist kämen. Ich antwortete dem, der da sprach: »Würde Gott wollen, daß ich das Abendmahl bekäme, so fände er wohl Wege, daß es ordnungsmäßig in der Kirche geschähe; von dir aber will ich es nicht!« Ich machte darauf das Zeichen des Kreuzes, und der Geist kam zum Vorschein, wie ein großer brüllender Stier.«

Dies sind also die Vorgänge, die sich zutrugen, als der Schwester Jeanne die Werkzeuge der Passion Unsres Herrn ins Herz gedrückt wurden. Die gleichen Eindrücke erneuerten sich in den folgenden Jahren. Folgendermaßen schreibt sie darüber ihrem Beichtiger, dem ehrwürdigen Pater Saint-Jure: »Im Jahre 1645 fühlte ich am Neujahrstage nach dem heiligen Abendmahl mein Herz lebhaft gerührt von Liebe zum hochheiligen Namen Jesu. Ich konnte mich nicht enthalten, Unsern Herrn sehr inständig darum zu bitten, daß er ihn in mein Herz einpräge. Da ward mir innerlich die Stimme: ›Meine Tochter, Ich will dein Verlangen erhören und dich die Kraft und die Tugend Meines Namens fühlen lassen; Ich verharre in der Erwartung der Versprechungen!‹

Am 1. Oktober 1646 sagte mir mein heiliger Engel, ich solle mit Einwilligung meines Beichtigers täglich irgend eine Handlung zu Ehren der Passion Unsers Herrn vornehmen, da Er mir doch die Gunst erwiesen hätte, daß ich Sein Wappen in meinem Herzen eingraviert tragen dürfe; der große Blutverlust, den ich von Zeit zu Zeit verspürte, nebst den fast beständigen Herzschmerzen rührten von diesen Wunden her; es solle mir eine beständige Erinnerung sein an die Schmerzen, die mein Heiland für mich gelitten.«

Vom 24. November 1649: »Oft habe ich Gesichte von der Passion meines einzigen Lieblings; manchmal kommt es mir vor, als geschehe sie in mir und als erneuerten sich alle Geräte der heiligen Passion in meinem Herzen. Die Anstrengung läßt mich alsdann reichliches Blut auswerfen und bringt mich in einen so seltsamen Schwächezustand, daß man mehrmals vermeinte, ich würde meine Seele aufgeben.

Karfreitag den 16. April 1651 glaubte ich, ich würde sterben. In fünf Tagen warf ich mehr als vier Pfund aus; so heftig waren die Herzbeschwerden. Auch schien mir's, als ob mein guter Heiland in meinem Herzen den Eindruck der Passionswerkzeuge und die Wunden erneuerte. Daher mußte ich so reichliches Blut auswerfen, und daher halten meine Herzschmerzen noch an.«

Hier folgen der Reihe nach die Eindrücke, die auf dem Herzen der Schwester Jeanne des Anges von den Passionsinstrumenten Unsers Herrn gemacht worden sind:

Karfreitag, den 14. April 1645, eine Stunde nach Mitternacht wurde ihr Herz entzwei geschnitten und auf einer Seite ein Kreuz mit Inschrift und der Gestalt des Gekreuzigten aufgeprägt, was dreitägigen Blutfluß hervorrief.

Am 3. Mai, dem Tage der Kreuzfindung, wurden drei Nägel in das den Kruzifixus haltende Kreuz geschlagen.

Am 24. Juni, dem Tage Johannes des Täufers, ward die Dornenkrone auf das Haupt des Gekreuzigten gedrückt.

Am 31. Juli, dem Tage des heiligen Ignazius, ward eine Staubsäule angebracht auf der anderen Herzhälfte.

Am 10. August, dem Tage des heiligen Laurentius, wurden Seile und zweierlei Geißeln angebracht.

Am 15. August eine Leiter.

Am Tage der Kreuzerhöhung wurden Zange und Hammer angebracht.

Am Tage der heiligen Therese ein Rohrstab.

Am 1. November dreißig Silberlinge und drei Würfel.

Am 3. Dezember Lanze und Schwamm.

»Es bleibt noch die eiserne Lanzenspitze,« erklärte der gute Engel, »die erst zum Todesstoß angesetzt werden wird, wofern du dich ihrer würdig erweisest und Gott getreu bleibst.«

Nachdem Schwester Jeanne von ihrem guten Engel diese Aufklärung empfangen hatte, faßte sie Zutraun und legte ihm einige Fragen vor, die er, wie folgt, beantwortete:

»Woher kommen gegenwärtig die Blutergüsse, die mich von Zeit zu Zeit befallen?«

»Sie kommen von der Erneuerung, die den Wunden geschieht, und werden von Zeit zu Zeit immer wiederkehren!«

»Ist diese Erneuerung notwendig für die Erhaltung der Wunden?«

»Nein, sie geschieht wegen der größeren Uebereinstimmung mit den Schmerzen Unseres Heilands, und um dich enger an die Passion zu binden!«

»Sagt mir bitte, was Gott von mir wünscht für diese Gnade?«

»Gott wünscht, daß du Ihm oftmals Dankgebete emporsendest, daß du Freude und Trost, suchest nur in Ihm; daß du dich aller Zufriedenheiten beraubest, die nicht zum Leben notwendig sind; daß du täglich, nach dem Rate deines Beichtigers, einige Handlungen zu Ehren der Passion Jesu Christi vornimmst; daß du alles Glänzende fliehest; daß du gern an die Dinge herangehest, die dich demütigen; daß du dich jeden Augenblick loslösest von dem, so deine Vereinigung mit Gott verhindern könnte; daß du weise alle unnütze und eitle Neugier vermeidest, an welcher sich die Mehrzahl der Menschen ergötzet, was nur den Geist der Demut erstickt!

Sei eifrig in Handlungen der Nächstenliebe zu denen, so du am wenigsten Neigung entgegenbringst; leide geduldig, sanftmütig und untertänig unter den Launen derer, so dir zuwider sind, und vor allem, verurteile sie niemals in der Erregung!«

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Wie Satan die Taufe vornimmt.

Im Briefe vom 9. Februar 1646 schildert sie ihrem Beichtiger ihre Stimmungen. Sie sagt, ihr Geist sei in der Finsternis; sie fühle Regungen der Eigenliebe; alle Augenblicke ertappe sie sich auf Gedanken der Eitelkeit und auf der Suche nach Selbstzufriedenheit; sie spüre Ungeduld und inneren Kummer; ihr Herz strebe indessen immer noch zu Gott, so daß sie seufze, sich so gefangen und von Jammer umgeben zu sehn.

»Mein guter Engel hat die Zeichen zweimal erneuert, ohne mir etwas zu sagen; ja, er läßt mich nicht einmal sein Gesicht deutlich sehn, wie es doch sonst seine Gewohnheit war. Wenn ich erkennen könnte, worin ich dem Herrn mißfalle, oder was Er von mir wünscht, so wäre ich zufrieden; eher möchte ich sterben, als hierein keine Ordnung bringen. Meine größte Pein ist die Furcht, dem lieben Gott mißfallen zu haben. Deshalb wage ich bloß wie eine Verbrecherin vor Ihn zu treten, die Ihn um Erbarmen anfleht.«

Unterm 30. März 1646 berichtet sie ihrem; Beichtiger über die Vorgänge, betreffend ihre Wahl zur Oberin: »Ich erklärte gestern im Kapitel unsrer Gemeinschaft, daß ich den gänzlichen Entschluß gefaßt hätte, betreffs einer Neuwahl die Regel innehalten zu lassen. Man machte große Schwierigkeiten; endlich gab der größte Teil der Gemeinschaft die Hand darauf, sie gemäß unserer Regel zu veranstalten. Mit Mühe erlangte ich von Seiner Hochwürden von Poitiers die erbetene Gnade, daß ich bei der Wahl keine passive Stimme zu haben brauchte. Die Schwestern machen mir Kummer mit der Anhänglichkeit, die sie mir bezeigen.«

Am 12. April 1646 schreibt sie folgendermaßen: »Wir haben unsre Wahl abgehalten. Seine Hochwürden von Poitiers hat die erste nicht bestätigen wollen, weil sie bedingt war. Ich befliß mich, den Schwestern nachzuweisen, daß sie gewissenhaft ihre Augen nicht mehr auf mich werfen dürften, weil das der Regel zuwider lief und auch kein Grund vorhanden war, in einem so wichtigen Punkte Dispens zu erbitten.

Ich hatte mich bemüht, ihre Aufmerksamkeit auf einige andre Schwestern zu lenken und hoffte, entlastet zu werden. Wir hielten also die Wahl ab; von siebzehn vorhandenen Stimmen bekam ich nur sechs absolute; sechs andre waren bedingt und wünschten meine Wahl, wofern das die Regel gestatte; andernfalls erwählten sie unsre Subpriorin. So war also diese Schwester gewählt; denn sie hatte außerdem noch vier andre absolute Stimmen.

Seine Hochwürden von Poitiers verweigerte dieser Wahl absolut die Bestätigung. Er erklärte, es sei seine Sache, zu beurteilen, ob eine Wahl gegen die Regel verstoße. Es falle ihm nicht ein, der Gemeinschaft die Freiheit zu nehmen, daß sie ihre Augen werfen dürfe, auf wen sie wolle. Er verstände nicht, weshalb eine von denen, die man für fähig gehalten, das Amt auszuüben, der passiven Stimme beraubt sein solle, selbst wenn sie es eben erst ausgeübt hätte. Er verbot also, bedingte Wahlzettel abzugeben, erklärte solche für null und nichtig und befahl, man solle zu einer neuen Wahl schreiten.

Gehorsam dieser Anordnung nahmen wir nun am folgenden Mittwoch eine neue Wahl vor. Ich bekam alle Stimmen bis auf eine. Seine Hochwürden sandte seine Bestätigung, bezeigte seine Zufriedenheit mit dieser Wahl und befahl mir, das Amt wieder anzunehmen. Ich habe mehrfach Fehler begangen in dieser Angelegenheit, indem ich meinem Willen zu sehr nachhing.

Der böse Geist erschien mir in Gestalt meines guten Engels; er sagte mir Worte des Beifalls und wollte mir die Versicherung geben, daß meine Fehler verziehen seien und ich die Liebe des Herrn besäße. Seine Worte versetzten meine Seele in Unruhe. Daher kam ich zu der Ansicht, es sei mein Widersacher und nicht mein guter Engel. Ich verachtete diesen bösen Geist. Er verwandelte nun seine Schönheit und erschien mir in scheußlicher Mißgestalt. Er stürzte sich mit großer Gewalt auf mich, versetzte mir mehrere Schläge und verschwand dann, wie eine Schlange über den Boden schleichend und heulend wie ein Hund.

Gegen vier Uhr morgens erschien mir mein guter Engel. Zuerst war ich in einiger Besorgnis wegen des Ereignisses vom vorhergehenden Abend. Ich machte das Zeichen des Kreuzes, worauf er sprach: »Beruhige deinen Geist und achte aufmerksam auf das, was ich dir sagen werde!« Seine Worte taten ihre Wirkung in mir, und ich war ganz beruhigt.

Folgendes sprach er zu mir: »Du unternimmst die Dinge mit zu viel Eifer; du richtest die Geschehnisse nicht genügend nach dem Willen Gottes ein; sieh, wie oft du dich selber in allem, was vorging, gesucht hast; nun erkennst du die Anzahl der begangenen Fehler und die verlorene Zeit; wenn du so fortfährst, wirst du dich der Gnade Gottes ganz und gar unwürdig erweisen; entschuldige dich nicht mit guten Absichten, das hieße nur, dir selber schmeicheln; du wirst das Amt ausüben; aber denk' daran, du wirst Anlaß zu leiden finden, wo du es am wenigsten erwartest; bitte Gott oft um Verzeihung wegen der in dieser Angelegenheit begangenen Fehler und flehe um Seinen Beistand, damit du nicht vorkommendenfalls strauchelst!«

Nach diesen Worten faßte er mich bei der Hand und erneuerte .die Zeichen. Ich bat ihn, mir auch weiterhin seinen Beistand zu gewähren und mir den Drang zur gänzlichen Hingabe an Gott einzuflößen; auch möge er mich keinen Fehler begehen lassen, der Ihm mißfallen könne.«

Im Briefe vom 3. Mai 1646 berichtet sie ihm folgendermaßen über ihre innere Stimmung: »Ich befand mich vor Gott in großen Schmerzgefühlen wegen meiner Sünden. Ohn' Unterlaß schrie ich um Erbarmen zum Herrn und begehrte, Seiner Gerechtigkeit zu genügen. Diese Stimmung hat nun aufgehört; nach dem Abendmahl ward mir innerlich gesagt: »Meine Tochter, Ich vergebe dir deine Sünden; sei Mir in Zukunft treu; Ich will, daß du mehr an Mich denkest!«

Diese Worte flößten mir im Augenblick Furcht ein, in der Besorgnis, es könnte sich um einen Streich des bösen Geistes handeln. Nichtsdestoweniger trugen sie Frucht in meinem Innern; denn von da ab fand ich mich sehr lösgelöst von den selbstsüchtigen Gedanken. Ich fand mich mit Gott geeint in einem glühenden Verlangen, Ihm allenthalben zu gefallen. Ich fand mich eines Großmutgeistes voll, der alle Hindernisse überschreiten konnte. Mir wurde Erleuchtung, daß ich die kleinsten Regungen meiner Seele erkannte, ebenso wie das, was ich tun mußte, um meine Handlungen angenehmer vor Gott zu machen. Kurz darauf wurde ich von den Dämonen heftig angegriffen. Sie setzten mir zu mit Gespenstern, Schrecken und beleidigenden Worten. Sie erfüllten meine Einbildung mit schrecklichen Vorstellungen und verursachten gewisse Wirkungen in meinem Körper, die mir fast den Tod bereitet hätten. Außerdem schlugen sie mich viel. Gebt mir hierüber Euern Rat, ob ich irgend eine außerordentliche Bußübung unternehmen soll.«

In ihrem. Brief vom 24. Mai 1646 schreibt sie ihm, ihre Pein dauere an, sie befände sich in großer Verwirrung vor Gott und könne zu Ihm nichts sprechen, als: »Herr, ich will bis zum Tage des Gerichts leiden, wenn also Dein Wille ist; wofern Du nur nicht erzürnt bist, bin ich's zufrieden; alle Furien der Hölle und alle Bosheiten meiner verderbten Natur werden mich niemals von diesem Willen abstehn lassen, in dem Zutraun, das ich zu Deiner Gnade hege; in der Tat fühle ich dies Verlangen in meinem Herzen!

Am Himmelfahrtstage erschien mir mein guter Engel. Er enthob mich der allzu großen Unruhe, in der ich mich wegen der erfolgten Versuchungen hatte gehen lassen. Er sprach dann: ›Dein Grundsatz sei: besser, Versuchung leiden in Demut, als sich dagegen verteidigen in Unruhe; wisse, die Versuchung, so in Treue ertragen wird, ist Gott angenehmer, als der Eifer, den die Natur zu ihrer Vermeidung aufwendet!‹

Seit dieser Zeit bin ich etwas ruhiger. Meine innere Stimmung kann ich mit der Zügellosigkeit, die in meinen Sinnen vorgeht, nicht in Einklang bringen. Denn zur selben Zeit, wo ich mit der Gegenwart Gottes beschäftigt bin und Er mich die Wirkungen Seiner göttlichen Liebe empfinden läßt, ereignen sich, selbst beim Abendmahl, so seltsame Entgleisungen in meinen Sinnen und meiner Einbildung, daß es fürchterlich ist.

Am Pfingsttage sprach mein guter Engel zu mir: ›Du mußt dich fleißig der Betrachtung hingeben und von den Früchten des heiligen Geistes in deiner Seele kosten, auf daß du dich zu ihrer Empfangnahme bereitest; Unserm Herrn ist die allzu große Zärtlichkeit, die du an dir hast, nicht angenehm; lerne es, die Schwierigkeiten zu verschlingen; du wirst ihrer noch viele aushalten müssen!‹ Ich gab ihm folgende Antwort: ›Ihr wißt wohl, daß ich nichts aus mir selber vermag; doch überlasse ich mich allem, was Seine göttliche Güte wünscht!‹ Er erwiderte lächelnd: ›Denk' an dein Wort!‹«

Im Briefe vom ersten Juni 1646 beschreibt sie ihre Seelenstimmungen und wie sie nach Leid begierig sei, um Ihren Heiland nachahmen zu dürfen. Sie fügt hinzu: »Wenn mir der Gedanke ans Sterben durch den Kopf geht, so sage ich zu mir selber: wir haben eine Ewigkeit fürs Genießen und nur eine kurze Spanne Zeit für das Leid; in dieser kurzen Zeit müssen wir uns Jesu Christo ähnlich machen. Was mir Pein bereitet bei der Versuchung, ist nur die Furcht, ich könnte Gott beleidigen und Ihm untreu werden!«

Sie schreibt dann weiter: »Ich fange schon an zu merken, wie mir mein guter Engel kurz nach der Wahl sagte, daß ich bei der Ausübung meines Amtes nicht sonderlich Anlaß zur Zufriedenheit haben würde. Denn alle Augenblick wird mir in meine Absichten zur guten Leitung unseres Hauses hineingeredet, selbst von Personen, die für sehr geistlich gelten. Darum halte ich die Schwestern, soweit ich kann, abseits von Gesprächen mit weltlichen Personen oder solchen Geistlichen, die ihrer Leitung nicht nützlich sein können.

Man hat sich hierüber vielfach beschwert. Was mich zu solchem Vorgehn veranlaßt hat, ist der Umstand, daß ich bemerkte, man verbringe unter dem Vorwand geistlicher Unterhaltungen gehr viel Zeit in den Sprechzimmern. Das unterbrach unsre Uebungen und verursachte viel geistige Zerfahrenheit, so daß die Schwestern außer stande waren, wie es sich gehört, dem Gebet obzuliegen. Ueberdies erregte das in einigen die Begierde, sich zu zeigen und bekannt zu machen, und obgleich die Mehrzahl der Schwestern mit der von mir eingeführten Ordnung ganz zufrieden ist, so ist ein gewisses Gerede darüber doch unausbleiblich gewesen, besonders in der Außenwelt.

Unter anderm hab' ich angeordnet, wenn es zu irgend einer Observanz der Ordensregel läute, sollten sich die Schwestern aus dem Sprechzimmer entfernen, wofern es sich nicht um eine folgenschwere und unaufschiebliche Angelegenheit handle.

Was die Weltlichen anlangt, so laß ich ihnen meistens sagen, wir seien beschäftigt, da ich sehe, daß sie uns doch nur zum Zeitvertreib besuchen. Das erregt Murren, und es heißt, ich sei zu streng.«

Sie spricht ferner in diesem Brief von einer Freundin von ihr, die sich in sehr großer Pein und heftiger Versuchung befände. Folgendermaßen läßt sie sich darüber aus: »Diese Person war immer sehr andächtig ergeben der heiligen und anbetungswürdigen Menschlichkeit Unsers Herrn Jesu Christi. Im Gebet befindet sie sich oft in einem gewissen Versenktsein in die Vollkommenheiten der heiligen Seele Unsers Herrn; sie betrachtet seine Vollkommenheiten und Schönheit; sie beschäftigt sich mit der Freude, die die Glückseligen über ihren Besitz empfinden. Seit einiger Zeit nun, wenn sie sich mit solchen Gedanken befassen will, erfährt sie Angriffe wider die Keuschheit; ihre Einbildung schweift in ärgerlicher Zügellosigkeit umher und gaukelt ihr unanständige Sachen vor. Es entsteht in ihr ein wenig keusches Verlangen; sie fühlt sich dazu gedrängt, der heiligen Menschlichkeit beleidigende Worte zu sagen; das betrübt sie aufs äußerste. Alles, was in ihrer Macht steht, hat sie getan, um das Uebel zu heilen; sie hat heftige Geißelungen unternommen, hat sich auf Dornen und glühenden Kohlen gewälzt, ohne Erleichterung.

Am Feste des heiligen Sakraments ward ihr gesagt: ›Laß ab von der Gewaltsamkeit, die du dir antust; sie ist nicht vom Gehorsam begleitet; befleißige dich lieber der Anschauung Gottes, der nicht zu bekämpfen ist; Seine Gnade muß dir genügen; man soll leiden in Verachtung und kämpfen auf der Flucht!‹

Sie fragte nun den Sprecher, ob in ihr irgend etwas sei, das zu solcher Unordnung Anlaß gebe, und ob sie etwas dagegen tun könne, und wäre es eine Kasteiung Gottes. Es ward ihr die Antwort: ›Hüte dich vor Befriedigung in dieser Bitte und vor geringerer Demut; als Antwort sag ich dir, du hast durch keinerlei Handlung Anlaß gegeben; Gottes Wille lautet, daß du erprobt und versucht sein sollst in allem, wo du am empfänglichsten bist; Er will von dir große Treue und Mißtraun gegen dich selbst; wie hoch Er dich auch erhebt, so mußt du lernen, daß du stürzen und zu Seiner Widersacherin werden kannst!‹ Er sagte noch weiter: ›Du sollst noch andre Proben überstehn; es ist nicht Zeit, dich zu beklagen!‹

Sie fragte nun, ob Gott verklärt werden könne in den Unordnungen, die ihr zustießen, weil es ihr vorkomme, als ob sie im Gebet nicht so wacker sei. Man antwortete ihr: ›Gott wird nicht in Unordnung verklärt; er wird es indessen, wenn du dich der Tugenden befleißigst, deren du fähig bist; er wird verklärt werden, wenn du aus der Versuchung Nutzen ziehst und vertrauensvoll zu ihm flüchtest!‹

Sie fragte ihn nun, ob sie vom Abendmahl abstehn solle, besonders wenn sie während der Nacht von bösen Vorstellungen belästigt worden, die ihre Einbildung verwirrt und ihre natürlichen Gefühle erregt hätten, wenngleich sie ihr möglichstes zur Verhütung der Ausschweifung getan hätt'. Ihr wurde darauf die Antwort: ›Aendere nichts an der Leitung, deiner selbst; hör' nicht auf, zum Tisch des Herrn zu gehn; erläutere hingegen demütig deinem Beichtiger diese Stimmung und folge seinem Rat; denn er ist von Gott für dich erleuchtet!‹

Sie antwortete: ›Oft kann ich ihm nicht mitteilen, was. mir passiert; das ist eins von den Dingen, die mir Pein machen!‹ Man entgegnete darauf: ›Die Pein kommt aus deinem natürlichen Ungestüm!‹ Nach diesen Worten schied der Sprecher von ihr.

Diese Person hat große Sehnsucht, sich mit dem Herrn in der Kommunion zu vereinigen; es scheint ihr, als sei dies ihr Leben. Abends schon sehnt sie den Morgen herbei und den Empfang des Abendmahls. In der Nacht denkt sie oftmals daran und beschwört den Herrn bei der heiligen Kommunion.

Unterdes erscheinen ihr die oben erwähnten schrecklichen Dinge und machen sich lebhaft bemerklich, was sie in große Unruhe versetzt. Sie fühlt sich stark zu Gott hingezogen auf dem Wege der Liebe. Die Dämonen setzen fast allnächtlich ihren Angriff fort, schlagen sie roh, werfen sie unter ihre Bettstatt auf die Erde, zerren sie durchs Zimmer.

Seit drei Wochen schläft sie immer angekleidet, weil man ihr nachts Schamlosigkeiten antun wollte; wenn sie sich des Nachts geißelt, so machen die Dämonen Licht im Zimmer und erscheinen ihr in sehr unanständigen Stellungen und Bewegungen. Sie wendet sich ab, so gut sie kann, und fährt mit der Geißelung fort.

Zuweilen dringt sie auf sie ein, sagt ihnen verächtliche Worte, worüber sie in große Wut geraten; aber hernach rächen sie sich durch Gotteslästerungen und Beleidigungen. Gott gibt ihr viel Mut über ihre Natur hinaus.

Zuweilen spricht sie zu ihnen: ›Versteht ihr euch nur auf so etwas? ich fürchte euch nicht!‹ Manchmal bleiben, sie zwei Stunden bei ihr, um sie zu beunruhigen, während ihres Gebets in der Nacht. Doch beunruhigt sie das nicht, zerstreut sie auch nicht, dient ihr vielmehr dazu, sich aufmerksamer zu Gott zu halten. Was ich für sie fürchte, ist nur, daß ihr manchmal selbstgefällige Gedanken wegen der überstandenen Kämpfe kommen. Ich empfehle sie Eurer Sorgfalt; ich empfinde Befriedigung aus dieser Verbindung, die Gott zwischen mir und der teuren Schwester hat entstehn lassen.

Am Tag der Oktave dies heiligen Sakraments erschien mir mein Engel; er erneuerte die Zeichen und hörte die Empfehlungen an, die ich Euretwegen an ihn richtete. Worauf er zu mir sagte: ›Ich werde nicht verfehlen, mit Genugtuung deinen Beichtvater Gott vorzustellen und ihn selber oft zu besuchen; folg' nur in ruhiger Gewißheit seiner Leitung und halt' dich daran gebunden!‹

Er sprach weiter: ›Hör' niemals auf, dich mit Gott im Grunde deines Herzens wie bisher zu beschäftigen; halt deinen Geist über alles, was in deinen Sinnen vorgeht, erhaben; die Absicht deiner Feinde besteht darin, dich hiermit Zeit verlieren zu lassen!‹ Seit der Zeit war mein Geist weniger beunruhigt, mehr der Pein unterworfen und aufmerksamer in Gott.«

Im Brief vom 27. Juli 1646 berichtete sie ihrem Beichtiger über ihre Stimmungen ungefähr in folgenden Worten: »Der Herr mehrt mir die Sehnsucht nach Seiner reinen und vollkommenen Liebe. Was mir Pein macht, ist, daß ich keine Gelegenheit finde, ihm, zeigen zu können, wie ich ihn liebe. Meine Seele tut nichts als nach Gott zu seufzen. Nach dem Abendmahl erfaßt mich so starke innere Glut, daß ich mich kaum zurückhalten kann.

Ich beklage das Elend derer, die nicht die Güte Gottes kennen und Seine Süßigkeit nicht kosten. In meinem Innern bilden sich Worte gleich Feuerbränden, die die göttliche Liebe entflammen und mich in großer Sehnsucht zu Gott erhalten. Ich seufze ohn' Unterlaß, Ihn entbehren zu müssen. Folgende Worte bilden sich in mir: ›Ich bin in deinem Herzen, Ich gefalle Mir darin, Ich werde für dich sorgen, Ich werde an dich denken, Ich liebe deine Sehnsucht, überlaß Mir die Sorge für alles, was dich betrifft, auf daß es Mir zum Ruhme gereiche!‹ – Mein Geist bat Gesichte von den Vollkommenheiten Gottes und Unsres Herrn Jesu Christi. Doch das huscht nur so vorüber. Alles, was mir davon zurückbleibt, ist der andre Gedanke dessen, was Gott ist, und der Reinheit, so eine Seele besitzen muß, die von Gott ihren Ausgang nahm und nun zu ihrem ersten Ursprung zurückkehren will.

Seit einiger Zeit finde ich viel Bitterkeit in der Unterhaltung mit Personen der Außenwelt, gleichviel welchen Standes; was mich hemmt, ist der Zwang meines Amtes und der Gedanke an den Willen Gottes, der mich fesselt.«

Unterm 5. September 1646 schreibt sie ihm folgendes: »Je mehr ich vorschreite, um so mehr wächst mein Verlangen, ganz Gottes zu sein. Neulich ward mir innerlich nach dem Abendmahl gesagt: ›Halt dich nicht so sehr damit auf, Mich zu begehren; du besitzest Mich; genieße Meiner; du wirst Mich bewahren durch eine Loslösung von allen Dingen!‹

Diese Worte erweckten mir die hohe Idee von einer Seele, die sich von allem entblößt hat. Mir kommt es vor, als fühle ich in mir eine treue Sehnsucht, nichts zu wollen, als Gott. Er hält mein Herz an Seine göttliche Gegenwart gefesselt, die mir seit einiger Zeit einen sehr ernsthaften und vom Sinnfälligen abgewandten Geist einbringt.

Unser Herr gewährt mir eine gewisse Erleuchtung über die Unendlichkeit Gottes, in der ich mir wie ein kleines Atom vorkomme, und alle Kreatur erscheint mir wie ein Nichts. Wann wird es sein, daß ich völlig Gottes genießen darf? Oh, wie mühselig ist noch der ganze Rest!

Meine unsichtbaren Widersacher quälen mich noch oft genug; sie schlagen mich gewalttätig; um mich abzulenken, stellen sie lächerliche Dinge auf während meines nächtlichen Gebets. Ich finde nicht, daß das irgend einen Eindruck auf mich macht. Bei der Barmherzigkeit Gottes, alles, was sie anstellen, dient nur dazu, daß ich auf meiner Hut bin. Zuweilen nehmen sie die Gestalt meines guten Engels an. Sie sprechen von geistlichen Dingen; doch ist da immer etwas, woran ich sie erkenne.

Mein guter Engel besuchte mich ziemlich häufig; zuweilen erscheint er mir, ohne daß er die Zeichen erneuerte. Bei seiner letzten Unterhaltung bewog er mich, alle Dinge zu vergessen, die außerhalb Gottes liegen. Er sprach: ›Halt dich nur wenig mit meiner Gegenwart auf; ich bin bloß der Vasall des Meisters, dem du dienst!‹ Er sagte dann noch weiter: ›Die meisten geistlichen Personen fehlen in diesem Punkte; du mußt mehr Wert auf eine gut vor Gott im Gebet verbrachte Stunde legen, als auf die Unterhaltung mit mir; du begehst oft genug einen Fehler, auf den ich dich schon früher aufmerksam gemacht habe, nämlich daß du zu leichtlich deine Beschäftigung mit Gott aufgibst, um auf mich zurückzukommen; sei davor in Zukunft auf der Hut und denk' daran, daß Gott über allen sinnfälligen Dingen steht; eine Seele, die einzig an Ihm hängt, bewahrt sich leicht vor den Ränken der Dämonen!‹

Ich fragte ihn, was ich tun müßte, um diese Ränke zu vermeiden, da er mir doch meistens durch sein Erscheinen und seine Unterhaltung die Zeit zum Gebet wegnähme; und daher sei es für mich schwierig, nicht wieder in den alten Fehler zu verfallen. Er gab zur Antwort: ›Du darfst nicht besonders auf mich zurückkommen, um mir Ehre zu erweisen; vielmehr mußt du mich innerhalb Gottes, von dem ich abhängig bin, anschauen; von Ihm mußt du empfangen, was ich dir sage, und Ihm Dankgebete darbringen; du kannst eine andre Zeit erwählen, um mir Fragen vorzulegen; meine sichtbare Gegenwart hast du nicht nötig, um mir Fragen vorzulegen!‹ Hierauf verschwand er.

Ein andermal empfand ich eine Bitterkeit wegen irgend etwas, das mich ärgerte; da gab mir mein guter Engel folgenden Rat: ›Du darfst dich nicht zu solcher Zärtlichkeit gegen dich selber hinreißen lassen; daß du auf Dinge zurückkommst, die dich stören, rührt von einem innern Prinzip der Eitelkeit her; eine demütige Seele verteidigt sich nicht selber inwendig; hüte dich vor solchen Gedankengängen, weil sie deine Seele verzärteln, obschon sie ihre Einwilligung nicht dazu hergibt!‹

Ein andermal wieder hielt er mir vor, daß ich mich zu geistigem Ungestüm gegen die Kreaturen habe hinreißen lassen; er zeigte mir, wie leicht zugänglich meine Natur bei solchen Gelegenheiten sei und wie bequem ich mich verwirren lasse, wenn Derartiges passiere; ich müßte dem einen Damm vorbauen. Worauf er dann noch sagte: ›Du erwartest nicht genügend Schutz von Gott, verläßt dich vielmehr zu sehr auf deine natürliche Klugheit und willst die Erleuchtung aus deinem eigenen Geist herholen; bei solchen Begebnissen mußt du vor allen Auskunftsmitteln, die sich mit Ungestüm darbieten, die Augen schließen, zu Gott deine Zuflucht nehmen, deinen Geist Seiner gewärtig halten und nur von Ihm auf Erleuchtung hoffen!‹

Am 6. November 1660 fühlte ich mich zwischen drei und vier Uhr morgens gedrängt, Gott zu bitten, es möge Ihm gefallen, mit meiner guten Schwester Gabriele Erbarmen zu haben; wenn sie noch nicht des Ruhms genieße, so möge Er ihr dies gütigst gewähren bei den Verdiensten Jesu Christi, Seines Sohnes, und der Vermittlung der heiligen Jungfrau.

Was mich zu dieser Bitte veranlaßte, war der Umstand, daß ich die ganze Nacht über die Einbildung voller Gedanken an diese gute Schwester hatte. Das passiert mir oft, seit sie hingeschieden ist, und obgleich ich nicht glauben wollte, daß sie Gott genieße, bekam ich sehr heftiges Herzklopfen, sobald ich an sie dachte. Kurz, ich fühlte mich sehr dazu gedrängt, Gott zu bitten, es möge Ihm gefallen, mich den Zustand dieser guten Schwester erkennen zu lassen, falls es zu Seinem Ruhme diene, um meines geistlichen Heils willen und auch um das mehrerer andrer Personen. Bald darauf erschien mir diese Schwester in sehr sanfter Art und Weise und mit einem Gesicht, das mehr demütig als leidend aussah, obgleich ich sehr wohl bemerkte, daß sie stark litt.

Zuerst, als ich sie dicht vor mir sah, bekam ich natürlicherweise einen großen Schreck. Aber da sie nichts Furchtbares an sich hatte, beruhigte ich mich bald wieder. Ich schlug das Zeichen des Kreuzes über mir und betete zum Herrn, Er möge nicht zulassen, daß ich bei dieser Begegnung getäuscht werde. Ich empfahl mich meinem heiligen Schutzengel und bat dann die Schwester, sie möge mir sagen, in welchem Zustande sie sich befinde und ob wir ihr irgend einen Dienst erweisen könnten. Sie antwortete folgendes: ›Ich genüge der göttlichen Gerechtigkeit im Fegefeuer!‹

Ich bat sie, mir zu sagen, was sie denn an diesem Orte festhielte, vorausgesetzt, daß Gott es wolle und daß es zu unsrer Belehrung diene. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und sagte dann: ›Der Grund besteht in mehrfachen Nachlässigkeiten gegen den gewöhnlichen Gehorsam der Religion; in der Leichtigkeit, mit der ich unvollkommenen Gefühlen der Schwestern nachgab; aber mehr noch in meiner Gewohnheit, kleine Besonderheiten an mir zu bewahren, indem ich nach meinem Bedürfnis oder meiner natürlichen Neigung verfuhr!‹

Ich erwiderte ihr: Aber du hattest doch Erlaubnis! Sie versetzte darauf: ›Jawohl, meistenteils, oder vielmehr setzte ich die Einwilligung meiner Oberen voraus; doch das hat kein Gewicht vor Gott; das Gelübde der Armut und der Zwang zur religiösen Vollkommenheit verlangen eine ganz andre Genauigkeit; Gott sieht die Dinge mit andern Augen an, als wir sie sehen, und wenn die Seelen in ihrem sterblichen Dasein das Unrecht wüßten, das sie Gott und sich selber damit antun, daß sie sich nicht ernsthaft der Vollkommenheit befleißigen, wenn sie wüßten, wie sehr man leiden muß, um diese Schwächen und diese feige Selbstgenügsamkeit zu sühnen, so würden sie sich in diesem Leben mit größerer Treue überwinden und mit stärkerer Festigkeit den Erleuchtungen der Gnade folgen!‹

Ich bat sie nun, mir doch zu sagen, wie unsre Gemeinschaft und ich dem Uebel steuern könnten. Sie antwortete: ›Im allgemeinen sind da sehr viel Verfehlungen in der geistigen Unterwerfung, der inneren Sammlung, im Ertragen des Nächsten und dem Untertansein im Gehorsam; hierin hab' ich selbst viel gefehlt im Leben; und du, meine Mutter, mußt dich hüten, daß du den Sinnen nicht so leicht und blindlings in Kleinigkeiten nachgibst; du mußt daran arbeiten, all die Parteilichkeiten in der Gemeinschaft schon im Keime zu ersticken und den Geist der Einfalt und Gefügigkeit zu verbreiten; ich empfehle dir diejenigen, die mir zugehören und die oft von Gottes Wegen abweichen!‹

Ich fragte sie nun, ob wir ihr irgend einen Dienst erweisen könnten. Sie antwortete: ›Ich begehre glühend, Gott zu schaun und zu besitzen; doch bin ich's zufrieden, Seiner göttlichen Gerechtigkeit so lange zu genügen, wie es Ihm gefallen wird!‹ Ich fragte, ob ihre Pein groß sei. Sie antwortete: ›Sie ist unfaßbar für den, der sie nicht fühlt!‹ Ich bat sie, uns bei Gott als Vermittler zu dienen, bestellte ihr einen Gruß von einer gewissen Person und empfahl ihrer Barmherzigkeit die Sorge um sie. Sie antwortete: ›Es ist eine Seele nach Gottes Sinn; sag' ihr, sie soll für mich beten, und auch du bete um meine Erlösung!‹ Als die gute Schwester dies letzte Wort gesprochen hatte, näherte sie ihr Gesicht dem meinigen, wie um Abschied zu nehmen; mir kam es vor, als hätte mich eine glühende Kohle verbrannt, obwohl sie mich nicht berührte; mein Arm hatte ein wenig ihre Hand gestreift und fand sich hernach verbrannt und sehr schmerzempfindlich. Gleichzeitig verschwand die Schwester.

Selbigen Tags sah ich meinen heiligen Engel wieder. Ich fragte ihn, ob die Erscheinung, die ich am Morgen gehabt, wirklich und ob es die Seele der Schwester Gabriele gewesen wäre. Er antwortete: ›Aus der Ueberfülle der Gnaden tut euch allen Gott dies an, auf daß ihr erkennet, um wie viel größer die Fehler sind, als ihr euch einbildet; diese Seele war gutwillig, und ihre Läuterung wird bald zu Ende sein; zieht Nutzen aus der Gelegenheit!‹

Am Tage des heiligen Andreas erschien mir die teure Seele wiederum des Nachts. Sie gab mir zu verstehen, daß sie einen großen Teil des Fegefeuers unter uns zubringe; sie hoffe, am Tage der unbefleckten Empfängnis Mariä zum Genusse Gottes zu gelangen; ihr Fegefeuer hätte lange gedauert ohne den Beistand der barmherzigen Mutter Maria und den des glorreichen heiligen Joseph; überdies sagte sie mir, die Mehrzahl der frommen Seelen hätten im jenseitigen Leben der Gerechtigkeit Gottes vielerlei Genüge zu leisten, weil sie sich der gewöhnlichen Handlungen der Religion nicht recht befleißigt hätten und weil ein großer Teil der Handlungen im Leben in lässige Gewohnheit umschlägt, was vor Gott keine Entschuldigung findet.

Weiter sagte sie mir: ›Man vernachlässigt es oft, in die wahre Erleuchtung der Gnade einzudringen, um nur der Natur keinen Zwang aufzuerlegen, und jeder Seele im besondern mangelt es nicht an Erleuchtung, um den Zug Gottes in sich zu erkennen; aber der Zwang der Natur und der des eigenen Geistes widerstrebt dem, und daher finden sich so wenig Seelen, die den Absichten Gottes völlig entsprechen; dies ist eine der hauptsächlichsten Quellen des Fegefeuers der frommen Seelen!‹

Ich fragte nun, was denn die Seele im Fegefeuer erleide. Sie antwortete mir: ›Sie verspürt in sich ein glühendes Verlangen gleich einem verzehrenden Feuer, das sie zur Vereinigung mit ihrem Gott drängt; sie ist aber gefesselt und zurückgehalten von tausend Fäden und kleinen Stricken, die sie hemmen und die die Tätigkeit des siedend heißen Feuers allmählich und sehr langsam aufzehrt; ihr Verständnis ist erhellt durch die Mittel, die sie besaß, da sie auf dem Wege ist, die Fäden zu brechen; die Vorwürfe ihres Herzens lehren sie erkennen, daß sie feige den geraden Weg verlassen hat, um den der Natur und der Sinne einzuschlagen, den sie doch selber verdammt; sie sieht die Leitung Gottes, die Absichten, die Seine Majestät mit ihr vorhatte, und wie wenig Uebereinstimmung sie dazu gebracht hat; dies alles dient ihr zu großer Qual infolge der Erkenntnis, die sie durch die Güte Gottes über sich gewinnt, was sie nun dazu treibt, Seine Leitung zu rechtfertigen!‹

Am 8. Dezember 1660 zwischen fünf und sechs Uhr abends erschien mir die gute Schwester wieder in leuchtender Klarheit. Sie näherte sich mir und sprach: ›Die Güte Gottes erlaubt mir, dir zu sagen, daß ich Sein genießen werde; lebe wohl, teure Schwester, arbeite für die Ewigkeit, nach der du strebst, und gib den Menschen die Versicherung: was nicht für Gott getan, gesagt oder gelitten wird, dient in der andern Welt nur zu Pein und Qual; es gibt viel Seelen, die das Werk der Frömmigkeit mißbrauchen!‹

Ich bat sie, uns als Mittler vor Gott zu dienen; sie versicherte, sie würde es tun und für uns beten. Ich empfahl ihr bestimmte Personen, die mich darum ersucht hatten. Sie nahm meine Worte gütig und mit sanfter Kundgebung auf, ohne noch weiteres zu reden. Sie näherte sich dann dem Gitterfenster, das nach dem heiligen Sakrament hinausgeht, erwies dem heiligen Sakrament und der Oelung des heiligen Joseph mit einer tiefen Kniebeugung ihre Ehrerbietung, und darauf faßte sie mein heiliger Engel, der bei ihr war, bei der Hand, und beide entschwebten zur Höhe. Alles zerfloß mir vor den Augen. Ich fand mich voller Freude über den glorreichen Zustand unsrer lieben Schwester. Ein sehr süßer und angenehmer Geruch blieb im Zimmer und an meiner Hand, auf der die Zeichen seit dem Hinscheiden dieser Seele nicht erneuert worden waren.

Am Pfingstheiligabend erschien, mir mein heiliger Engel in Begleitung meiner lieben Schwester vom Kalvarienberge, die von großer Glorie erstrahlte. Sie sprach: ›Der Herr hat mir erlaubt, meine Sehnsucht und das dir gegebene Versprechen zu erfüllen, dich nach meinem Tode zu besuchen!‹ Ich dankte ihr für diese Gnade. Sie sagte darauf: ›Ich danke dir, meine teure und vielliebe Mutter, für die Mühe, die du dir mit mir gegeben hast; du hast sehr viel zu der Glorie beigetragen, die ich nun besitze; ich bitte dich, für meine Schwester zu sorgen und ihr zu sagen, wenn sie das Glück und die Glorie kennte, die Gott einer sich Ihm ganz überliefernden Seele gewährt, so würde sie keinen Augenblick leben können, ohne sich selbst Gott zum Geschenk zu machen; sie soll sich vorsehn, daß sie Seiner Majestät nicht untreu werde, auf daß sie die Gnade der Berufung erlange!‹

Ich fragte sie, ob ich die Schwester sollte benachrichtigen lassen, damit sie sie gleichfalls sähe. Sie erwiderte, Gottes Befehl ginge nicht dahin. Ich fragte weiter, welche Tugenden am meisten zu ihrem jetzigen Ruhme beigetragen hätten. Sie antwortete, es seien die Reinheit und Unschuld des Lebens nebst der gänzlichen Weihe ihres Selbst an Gott. Ich bat sie, mir zu erzählen, wie's der Schwester Anna vom heiligen Augustinus ginge. Sie erwiderte, sie habe hierzu keinen Befehl von Gott.

Mein heiliger Engel ergriff nun das Wort. Er sagte, die Schwester hätte der Gerechtigkeit Gottes noch nicht völlig genügt und sie bedürfe noch unsrer Gebete. Danach verschwand alles. Ich vergaß noch zu sagen, daß sie mir die feste Versicherung gab, sie werde mir im Himmel als Mittler dienen und Gott sehr für mich bitten.

Am Tage des heiligen Sakraments fragte ich meinen heiligen Engel, was das Geräusch bedeute, das sich in dem einen Zimmer vernehmen ließ, und die Vision, die meine Schwester Laubardemont gehabt hatte. Er antwortete: ›Sei nicht bekümmert darum, das wird weiter keine Folgen haben; es handelt sich nur um eine Buße, die diese Nonne an jenem Ort zu Ende geführt hat; fahre nur fort, ihretwegen zu Gott zu beten!‹ Ich fragte noch, warum ihr die Erscheinung denn gekommen sei, und ob sie ihr etwas zu sagen gehabt hätte. Er entgegnete: ›Wenn sie gefragt hätte, so hätte sie eine Antwort bekommen und wäre ermahnt worden, sich ohne vielen Rückhalt Gott hinzugeben; denn sie vernachlässigt die Gnaden und die Regungen Gottes; zu sehr, so daß Er ihr keine innere Ruhe läßt, bis sie Seinen ihr genugsam bekannten Willen ausgeführt hat!‹

Ich fragte dann, ob die Schwester vom heiligen Augustinus noch im Fegefeuer bleiben müßte. Er gab zur Antwort: ›Es ist nicht notwendig, daß du dieses erfährst!‹ Ich fragte weiter, in welchem Zustand sich meine kürzlich verschiedene Schwester befände. Er entgegnete: ›Steh' ihr mit Gebet bei, so viel du irgend kannst; sie schuldet der göttlichen Gerechtigkeit sehr viel; die Mehrzahl der Seelen, die auf Vollkommenheit Wert legen, erlustigen sich an unnützen Dingen und arbeiten nicht daran, sich zu reinigen von den vielen Unvollkommenheiten, unter denen sie doch schon in diesem zeitlichen Leben aufräumen könnten; dadurch entbehren sie lange Zeit des Angesichts Gottes; denn alles muß geläutert sein, bevor man Seiner genießen darf; nutze also deine Zeit wohl!‹

Montag den 8. Mai (1661) erneuerte mein heiliger Engel die Zeichen, die ich trage. Ich bat um Nachrichten über meine Schwester vom Kalvarienberge. Er antwortete mir: ›Sie ist im Besitz einer glorreichen Ewigkeit, wurde aus der Pein des Fegefeuers erlöst, Sonnabend um sechs Uhr in der Frühe, und wird das dir gegebene Versprechen erfüllen!‹«


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