Euripides
Die Bakchen
Euripides

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(Dionysos wird gefesselt von Dienern des Pentheus herbeigeführt. Zugleich kommt Pentheus wieder aus dem Palast)

Diener:
Hier sind wir, Pentheus, bringen dir den Fang, nach dem
Du fahnden hießest; unsre Jagd war nicht umsonst!
Ganz zahm benahm sich dieses Wild hier, nicht durch Flucht
Zu entkommen sucht' es, bot die Hände willig dar,
Verblaßte nicht, verfärbte nicht der Wangen Rot,
Nein, lachend ließ sich's binden und verhaften, und
Blieb stehen und kam mir zuvor in meinem Dienst.
Mit Achtung sprach ich: "Fremder Mann, ungern verhaft
Ich dich; denn Pentheus, der mich sendet, heißt mich's tun."
Die Bakchen aber, die du aufgegriffen hast
Und festgebunden in der Fronfest' eingesperrt,
Die sind verschwunden, los und ledig fortgeschwärmt
Zum grünen Forste, jubelnd ihrem Brausegott.
Die Banden fielen ihnen von den Füßen frei,
Die Tor und Schlösser taten ohne Menschenhand
Sich auf: ja, viele Wunder wirkt der Mann da hier
In unsrem Theben! Sorge du fürs weitre nun!

Pentheus:
Befreit ihm seine Hände! Im Netz gefangen, ist
Er nicht so hurtig, daß er mir entrinnen kann! –
Ei nun, am Leibe, Fremdling, bist du wahrlich hübsch,
So für die Frauen – was dich auch nach Theben führt!
Die langen weichen Locken – nicht vom Turnen so! –
Umdrängen schön die Wangen, die ganz reizend sind,
Und deine Haut ist weich und zart, recht wie man's braucht,
Im Schatten wohl behütet vor dem Sonnenstrahl,
Daß deine Schönheit zum Verlieben reizen muß!
Nun sag mir erstlich deinen Stand und dein Geschlecht.

Dionysos:
Ganz ohne Prahlen! und es ist nicht schwer zu tun:
Vom blütenreichen Tmolos hast du wohl gehört.

Pentheus:
Gewiß! vom Bergkreis, der um Sardes Mauern zieht!

Dionysos:
Dort stamm ich her, und Lydien ist mein Vaterland.

Pentheus:
Von wannen bringst du diese Weihen her zu uns?

Dionysos:
Dionysos hat mir's beigebracht, der Sohn des Zeus.

Pentheus:
So lebt ein Zeus dort, welcher neue Götter zeugt?

Dionysos:
Nein, der der Semele in Liebe hier hat beigewohnt.

Pentheus:
Er zwang dich wohl im Finstern? oder Aug in Aug?

Dionysos:
Ja! Aug in Aug, und seine Weihen gab er mir.

Pentheus:
Der Weihen Weise und Wesen nun, worin besteht's?

Dionysos:
Dies Unverzückten offenbaren darf man nie.

Pentheus:
Und wer sie feiert, welchen Segen bringen sie?

Dionysos:
Du darfst es nicht erfahren; doch ist's wissenswert!

Pentheus:
Das nenn ich hübsch verschleiern, wo ich hören will!

Dionysos:
Wer bös und unfromm, den verschmähn die heilgen Weihn.

Pentheus:
Du sahst den Gott ja ganz genau: wie sah er aus?

Dionysos:
Wie's ihm beliebte; in meiner Willkür lag es nicht.

Pentheus:
Nochmals den Quell mir abgelenkt, und lauter Nichts!

Dionysos:
Unkundigen scheint, wer Kluges spricht, nicht klug zu sein.

Pentheus:
Sind wir die ersten, die du suchst mit deinem Gott?

Dionysos:
Das ganze Welschland tanzt in dieser Feier schon.

Pentheus:
Dort herrscht Vernunft auch weniger als in Griechenland!

Dionysos:
Nur andre Sitten, aber hierin mehr Vernunft!

Pentheus:
Geschieht am Tag die Feier oder bei der Nacht?

Dionysos:
Zumeist bei Nacht. Die Dunkelheit ist feierlich.

Pentheus:
Ein schlüpfrig-morscher Boden für die Frauen ist's!

Dionysos:
Das Laster findet auch bei Tag Gelegenheit.

Pentheus:
Nur Schelmenstreiche sind es, die du büßen mußt!

Dionysos:
Und du die Torheit, dein Versündigen an dem Gott!

Pentheus:
Ei sieh, wie dreist der Schwärmer ist, wie wortgewandt!

Dionysos:
Was soll ich leiden? was geschieht mir? nenn die Qual!

Pentheus:
Die weichen Locken schneid ich dir fürs erste ab.

Dionysos:
Die Haare sind dem Gott geweiht; ihm heg ich sie!

Pentheus:
Dann mußt du mir den Thyrsos hier einhändigen.

Dionysos:
Nimm selbst ihn ab! Ich trag ihn, er gehört dem Gott.

Pentheus:
Dann wird dein Leib in Kerkermauern eingesperrt.

Dionysos:
Daraus erlöst mich Bromios selbst, sobald ich will.

Pentheus:
Sobald du frei im Bakchenchor ihn rufen kannst!

Dionysos:
Auch jetzo sieht er, was ich leide, und ist mir nah.

Pentheus:
Wo ist er? Sichtbar meinem Aug, wo zeigt er sich?

Dionysos:
Bei mir! Doch unfromm, wie du bist, siehst du ihn nicht.

Pentheus (zu den Dienern:)
Ergreift ihn! rasch! Er höhnet mich und Thebens Volk!

Dionysos:
Ich sag besonnen: Unbesonnene, laßt mich los!

Pentheus:
Ich aber, euer Gebieter, sage: bindet ihn!

Dionysos:
Du lebst und weißt nicht, was du tust noch wer du bist.

Pentheus:
Pentheus, Echions und Agaues Sohn, bin ich.

Dionysos:
Der Name ist recht geeignet, Unheil herzuziehn!

Pentheus:
Nun fort mit ihm! legt bei den Pferdekrippen ihn
In feste Banden, daß er finstre Nacht erblickt!
Dort magst du tanzen! Diese, die du mitgebracht,
Der Missetat Mitschuldige hier, verkaufen wir
Entweder, oder ihre Hand soll Mägdedienst
Uns tun am Webstuhl, dieses Paukenlärms entwöhnt.

Dionysos:
Ich gehe; denn wir brauchen nicht zu dulden, was
Uns nicht beschieden! Diese Mißhandlung jedoch
Bestraft der Gott wohl, dessen Sein du leugnest, bald.
Denn was du mir tust, tust du ihm und sperrst ihn ein.

Strophe

Chor:
    Acheloos' göttliches Kind,
    O du, jungfräuliche Dirke!
    Du empfingst einst ja des Zeus Kind
    In der abkühlenden Flut,
    Da es Zeus, der es erzeugt, rafft'
    Aus der nie sterbenden Brandglut
    In die Hüft und also ausrief:
    "Dithyramb, komm zu mir her,
    Daß mein Mannesschoß dich aufnimmt!
    Ich erklär, Schwärmender, so soll
    Dich das Volk Thebens benennen!"
    Und du willst, selige Dirke,
    Meine Lusttänze verschmähn jetzt,
    Meine kranzgezierten Reigen?
    Mich verleugnen, mich verstoßen?
    Oh, gewiß lockt dich dereinst noch
    Dionysens Traubensaft, wird
    Dir des Lustbrausenden Labe wert sein!

Gegenstrophe

    Seine Abstammung beweist
    Er vom Erdboden und Lindwurm,
    Dieser Pentheus, von Echion,
    Von dem Erdmenschen, gezeugt,
    So ein Unmensch wie die Erdrie-
    Sen, so wild Himmlichen trotzbie-
    Tendes mördrisch Ungeheuer!
    Ach, in Fesseln wird er bald mich,
    Des Berauschers Dienrin, schließen,
    Und in dunkler Kerkernacht hält
    Er bereits drinnen im Haus fest
    Den Genossen meiner Festreihn!
    O du, Sohn Zeusens, oh, sieh her!
    Mit Gewalt ringen und Not hier,
    Dionys, deine Verkündger!
    O erschein, schwing am Olymp hin
    Deinen goldschimmernden Thyrsos,
    Und den Trotz hemme des grimmen Mannes!

Epode

    Auf dem wildhegenden Nysa,
    Auf den korykischen Gipfeln,
    Dionys – wo in der Welt hebst
    Du im Tanzreigen den Stab?
    In den baumschattigen Hallen
    Des Olymps etwa, woselbst
    Bei den Wohlklängen des Orpheus
    Sich die Waldbäume versammelt'
    Und das Wild lauschte den Liedern?
    O Pieria, wie beglückt!
    Dich verehrt Bakchos, er naht dir
    Mit dem tollschwärmenden Chor, führt
    Die verzückt tanzenden Fraun
    Durch den schnellrauschenden Fluß Axios und
    Über des Lydias Fluten, der ein
    Wohlstandspendender, segenaus-
    Teilender Vater ist, so hör ich,
    Fette, rossenährende Aun
    Tränkt mit klarem Gewässer.

Dionysos (im Palast:)
    Io, Bakchen, ihr Bakchen, io!
    Höret, vernehmet meine Stimme!

Chor:
    Was für ein, was für ein Ruf?
    Woher tönt des Jauchzenden Geschrei nach mir?

Dionysos (von drinnen:)
    Holla! wiederum ruf ich, ich,
    Semelens Sprößling, der Zeussohn!

Chor:
    Herr und Gebieter, oh!
    Komm doch herbei, o Brausender, zu unsrem Chor!

Erster Halbchor:
    Brausender Gott, ai, ai! der Erdboden bebt!

Zweiter Halbchor:
    Schütterung, wunderbar!
    Ah! ah! ah! o seht! des Pentheus Palast,
    Sogleich wird er zertrümmert ganz vom Sturze sein.

Erster Halbchor:
    In dem Palaste weilt der Gott: bet ihn an!

Zweiter Halbchor:
    Ich bet an! O seht!
    Wie sich die Marmorknäuf heben vom Säulenschaft!
    Der Brausende zertrümmert innerhalb das Haus.

(Der Palast stürzt ein)

Dionysos (von drinnen:)
    Zünde die lodernde Fackel der Blitzglut!
    Brenne, verbrenne die Wohnung des Pentheus!

Erster Halbchor:
    Ah! ah! siehst du nicht die Glut, nicht die Flamm!
    Über dem geweihten Grab Semeles, die
    Einstens vom Himmelsstrahl zurückblieb und Donnerschlag?

Zweiter Halbchor:
    Nieder zur Erde die Glieder, die zitternden,
    Nieder, Mänaden; denn
    Der Herr naht, der Sohn des Zeus,
    Und hat das Haus hier unterst-oberst eingestürzt!

(Dionysos tritt heraus)

Dionysos:
Welsche Frauen, so verschüchtert, so gelähmt von Furcht und Angst
Liegt ihr hier am Boden? Sicher habt ihr's also wohl verspürt,
Wie Dionys das Haus des Pentheus schüttern machte! Nun empor
Eure Leiber! laßt das Zittern, fasset euch und seid getrost!

Chor:
O mein höchstes Heil, mein Licht in jubelvoller Schwärmerei,
Welch ein Trost in meiner öden Einsamkeit ist's, dich zu sehn!

Dionysos:
Hat euch Kleinmut angewandelt, als man mich hineingeführt,
Mich zu stoßen in des Pentheus öde finstre Kerkernacht?

Chor:
Konnt ich anders? wer beschirmt' uns, wenn ein Unfall dich betraf?
Doch wie bist du frei geworden aus des frevlen Mannes Hand?

Dionysos:
Selber war ich mein Erretter sonder Müh mit Leichtigkeit.

Chor:
Hatt er mit Strickbanden dir denn nicht die Hände festgeschnürt?

Dionysos:
Eben hier erfuhr er Hohn. Denn mich zu binden meinend dort,
Hat er mich, am Wahn sich weidend, nicht berührt, nicht angefaßt.
An der Krippe, wo er mich anschließen wollte, einen Stier
Findend, warf er dem um Bein und Klauen rasch den Strick herum,
Schnaubte laut vor Wut und Eifer, troff am ganzen Leib von Schweiß,
Biß die Zähne in die Lippen, während ich ganz nah dabei
Ruhig sitzend allem zusah. Mittlerweil erscheint der Gott
Bakchos, macht das Haus erbeben, läßt von seiner Mutter Grab
Feuer lodern. Er, das sehend, meint', in Flammen steh das Haus,
Rannte hastig hin und wider, hieß die Diener Wasserflut
Schleppen, und sein ganz Gesind ist jetzt in Arbeit, ganz umsonst!
Dies Bemühen wieder lassend, weil er mich entflohen glaubt',
Und ein blankes Schwert ergreifend, rannt er in das Haus hinein.
Drauf, so schien mir's, mein Vermuten sag ich, schuf der Brausende
In der Halle ein Luftgebilde, und auf dieses stürmt' er ein,
Hieb und stach die helle, leere Luft, als träf er tödlich mich.
Und zudem noch diesen Schaden hat ihm Bakchos angetan:
Seine Wohnung liegt in Trümmern, ganz zu Boden hingestürzt,
Weil der Gott mich sah in bittren Banden. Endlich sank er hin
Vor Erschöpfung und entfiel das Schwert ihm. Er, ein bloßer Mensch
Wagt' es, mit dem Gott zu ringen! Ganz gelassen aber ging
Ich, um Pentheus unbekümmert, hier zu euch heraus indes.
Doch mir scheint – ich hör ja Tritte schallen innerhalb – er wird
Auf der Vorflur gleich erscheinen. Was nur wird er sagen jetzt?
Leichtlich halt ich stand vor ihm, und wenn er noch so heftig tobt:
Denn Gelassenheit und Ruhe ziemt dem weisen Manne wohl.

(Pentheus stürzt aus dem Haus)

Pentheus:
Man höhnt mich schrecklich! denn der Fremdling ist entflohn,
Der eben festgebunden lag in Kerkerhaft!
Ha, ha!
Da ist der Mann ja! Was ist das? wie kommst du denn
Heraus von drinnen auf die Flur an meinem Haus?

Dionysos:
Halt an! ein ruhiges Wesen walte in deinem Zorn!

Pentheus:
Der Haft entschlüpft? da außen hier? Wie ging das zu?

Dionysos:
Ich sagt es doch, du hörtest doch: Er macht mich frei!

Pentheus:
Wer denn? Du führst seltsame Reden stets im Mund!

Dionysos:
Er, der der Welt die traubenreiche Rebe schuf.

Pentheus:
Ei, hübsch! Von Bakchos also rühmst du diesen Schimpf?
Nun heiß ich alle Tor und Türme sperren rings!

Dionysos:
Wie? dringt ein Gott nicht durch verschloßne Mauern auch?

Pentheus:
Klug bist du, klug! Nur leider da nicht, wo du sollst!

Dionysos:
Da grad am meisten, wo ich's sein soll, bin ich klug!
Indes vernimm erst jenes Mannes Meldung, der
Vom Waldgebirg kommt, irgend was dir kundzutun.
Ich bleib dir sicher, werde nirgendshin entfliehn.

(Ein Bote kommt)

Bote:
Pentheus, Gebieter hier in diesem Thebervolk,
Vom Berg Kithairon komm ich, dessen Scheitel nie
Die Flockendecke glänzend reinen Schnees verläßt.

Pentheus:
Und welche wichtige Meldung bringst du mir von dort?

Bote:
Die wunderbaren Bakchen sah ich, die von hier,
Die weißen Beine schwingend, fortgebieset sind,
Und komm im Drang, zu melden dir, Fürst, und der Stadt,
Wie über alle Wunder Großes dort sie tun.
Doch möcht ich wissen, ob ich auch freimütig darf
Dasselbe künden, ob in Demut mäßigen.
Denn schüchtern macht mich, König, dein aufbrausendes,
Jähzornig Wesen und dein herrisch stolzer Sinn.

Pentheus:
Zu gefährden hast du nichts von mir; sprich immerhin!
Denn auf die Wahrheit bös zu sein geziemt sich nicht;
Jedoch je mehr das, was du sagst, erstaunlich ist,
Je ärger werd ich diesen Erzverführer hier,
Der Frauen solche Künste beibringt, züchtigen.

Bote:
Die Rinderherden klommen weidend eben auf
Zur höchsten Bergesspitze, als die Sonne hoch
Die Strahlen nach der Erde schoß in heißer Glut:
Da sah ich Frauenchöre unten drei an Zahl.
Den ersten führt' Autonoë, deine Mutter war
Des zweiten Haupt, des dritten Ino Führerin.
Sie schliefen alle, sanft vom Schlummer aufgelöst,
An Tannenzweige lehnend teils den Rücken, teils
Auf Eichenlaub am Boden ruhend mit dem Haupt,
Nachlässig sittsam, keineswegs so, wie du sagst,
Berauscht vom Weinkrug, daß sie unter Flötenschall
Auf Buhlerei ausgingen in der Einsamkeit.
Und deine Mutter, stehend mitten in der Schar,
Begann zu jubeln, als des Hornviehs Brüllen ihr
Zu Ohren drang, um fortzuscheuchen jeden Schlaf.
Sie sprangen auf, ein Wunder edler Sittsamkeit,
Vom Augenlid den tiefen Schlummer werfend schnell,
Noch ledige Mädchen, junge und ältre Frauen auch.
Die Locken läßt man auf die Schultern fallen erst
Und bringt das Rehfell, wo der Bänder Schleifen sind
Gelöst, in Ordnung, gürtet Schlangen, die vertraut
Die Wangen lecken, um das scheckige Vlies herum.
Die nahmen Rehe und Junge wilder Wölfe auf
Die Arme, reichten weiße Milch aus schwellender
Brust, welche, jüngst entbunden, ihre Säuglinge
Verlassen hatten. Efeukränze setzt' man auf
Und Eichenzweige und blütenreiches Windenlaub.
Und eine nahm den Thyrsos, schlug an Felsen hin,
Woraus ihr perlend Bronnen Wassers sprudelten;
Und eine andere stößt den Hohlstab in den Grund,
Und einen Weinquell sendet ihr der Gott empor.
Wer aber nach schneeweißem Trank Begehren trug,
Der scharrte mit den Fingerspitzen nur den Grund
Und hatte Milch hersprudelnd. Süßer Honigseim
Troff quellend aus des Thyrsos Efeurohre, daß
Du sicher, wärst du Zeuge des gewesen, fromm
Dem Gott gehuldigt hättest, den du jetzo schmähst!
Da kamen wir zum Wechselstreit gemeinen Rats
Zusammen, Schaf- und Rinderhirten, gegenseits.
Da trat ein redefertger Pflastertreter auf
Und sprach im Kreise: "Ihr Siedler auf den heiligen
Gebirgesmarken, laßt des Pentheus Mutter uns,
Agaue, hier wegfangen aus dem Bakchenfest
Und Dank vom König ernten!" Wohlgesprochen schien
Uns dies: wir duckten uns zur Lauer wohlversteckt
Ins Laub der Büsche. Zur bestimmten Stunde dann
Begann das Thyrsos-Schwingen zur verzückten Feir,
Und: "Bakchos!" scholl's im vollen Chor, "der Brausende,
Der Sohn des Zeus!" Der ganze Bergforst jauchzte mit,
Das Wild und alles ward erregt und rannt umher.
Da hüpft' Agaue grade in meiner Näh vorbei,
Und sie zu haschen strebend, sprang ich rasch hervor,
Das Dickicht räumend, wo ich meinen Leib verbarg.
Sie aber schrie: "Ihr meine flinken Doggen, hier
Die Männer machen Jagd auf uns; kommt, folget mir!
Folgt mir, die Hände mit dem Thyrsos wohlbewehrt!"
Durch eilige Flucht entkamen wir der bakchischen
Zerreißung, doch die Rinder, welche grasten, fiel
Der Haufe mit stahlunbewehrten Händen an.
Da sah man diese ein wohlgenährtes brüllendes
Kalb auseinanderzerren mit der Arme Kraft,
Von andren wurden Färsen reißweis rasch zerfleischt.
Hier sah man Rippen, Füße mit zweispältgem Huf
Hinauf-, hinabgeschleudert. Stücke Fleisches, die
An Tannen hingen, troffen, überdeckt mit Blut.
Und Stiere, die voll Übermut sonst ihren Zorn
In die Hörner setzten, straucheln auf den Boden hin,
Von hundert jungen Frauenarmen angefaßt.
Und schneller war die Fleischbekleidung abgeschlitzt,
Als deines königlichen Auges Wimper zuckt.
Im Lauf gehoben, Vögeln gleich, hinschwebt die Schar
Die Flurenstrecke, die den Bach Asop entlang
Fruchtreiche Ähren sprießen läßt dem Thebervolk.
Nach Hysiai und Erythrai, die dort unterhalb
Der Wand Kithairons siedeln, fällt mit Feindeswut
Der Schwarm hinein, zuunterst-oberst alles ganz
Umkehrend: Kinder reißt man aus den Häusern fort,
Und jede Bürde auf ihren Schultern schwebte frei,
Von keinem Band gehalten, Erz und Eisen selbst
Fiel nicht zum dunklen Grunde. Auf ihren Locken glomm
Ein Feuer, das nicht sengte. Nun griff zornentbrannt
Das Volk zu Waffen, so verheert vom Bakchenschwarm.
Da war, o Fürst, ein schrecklich Schauspiel anzusehn.
Die Frauen schlug kein Lanzeneisen blutig je,
Sie aber, Thyrsosstäbe schleudernd aus der Hand,
Sie machten Wunden, zwangen auszureißen bald
Vor Fraun die Männer. Sichtlich war ein Gott dabei!
Zum Orte kehrt' man wieder, wo der Lauf begann,
Zu jenen Quellen, die der Gott entspringen ließ,
Sich reinzuwaschen, und die Schlangen leckten dann
Die Tropfen Blutes aus dem Angesicht hinweg
Mit ihren Zungen, daß die Wange frisch erglänzt'.
Drum nimm, Gebieter, wer er immer sei, den Gott
In unsren Staat auf, der in andren mächtig ist
Und dann im Ruf steht, wie ich höre, daß er hat
Der Welt den Weinstock, der den Kummer stillt, verliehn.
Denn wo der Wein fehlt, fehlet auch die Liebeslust
Und jede Freude, die die Welt erquicken kann!
(Ab)

Chor:
Freimütig meine Meinung vor dem Herrscher hier
Zu äußern ist gefährlich! Dennoch sei's gesagt:
Dionysens Gottheit weichet keinem andren Gott!

Pentheus:
Ganz nahe schon, wie Feuersbrunst, umlodert uns,
Ein Schimpf für Griechen, diese Bakchenschwärmerei.
Drum nicht gezaudert!
(Zu einem Diener)
                                  Mach dich auf, begib dich zum
Elektrator, heiß alle Schildgewappneten
Und Reisgen schneller Roßgespanne entgegenziehn,
Und wer die Lanze schwinget und wer Pfeile schnellt
Vom Bogenstrang. Wir rücken aus zum Kriege mit
Den Bakchen. Nein, das übersteigt ja alles gar,
Von Weibern das zu dulden, was uns hier geschieht!

Dionysos:
Du folgst mir zwar nie, hörst auf meine Worte nicht,
Pentheus, und schwer von dir beleidigt, warn ich dich
Gleichwohl, die Waffen nicht zu zücken wider ihn,
Den Gott. Sei ruhig! denn der Brauser duldet's nicht,
Daß man im Jubelforste seine Bakchen stört.

Pentheus:
Du willst mich meistern? Bist du, aus der Haft entflohn,
Damit zufrieden oder suchst erneute Straf?

Dionysos:
Ich brächt ihm Opfer, statt als Mensch genüber Gott
Zu löken wider seinen Stachel zornentbrannt.

Pentheus:
Ja, opfern will ich – Frauenblut, wie man's verdient,
Ein Mordgemetzel in Kithairons Waldrevier!

Dionysos:
Ihr werdet Reißaus nehmen; dann ist's schimpflich, wenn
Vor Bakchenstäben Eisenrüstung liegenbleibt!

Pentheus:
Verzweifelt ist der Handel mit dem Fremden hier,
Der, zwingt man oder läßt man ihn, nie schweigen will!

Dionysos:
Mein Bester, sieh! die Sache macht sich ganz bequem!

Pentheus:
Wodurch? Ich soll wohl meiner Sklaven Sklave sein?

Dionysos:
Ganz ohne Waffen führ ich dir die Frauen her.

Pentheus:
Oho! das ist ein tückischer Anschlag wider mich!

Dionysos:
Wo denkst du hin? Nur retten will dich meine List!

Pentheus:
Ein Bund und Plan ist's, daß das Wesen fortbesteh!

Dionysos:
Ganz wohl, ein Bund ist's mit dem Gott, des sei gewiß!

Pentheus:
Bringt mir heraus die Rüstung, und du schweige still!

Dionysos:
Ah!
Sprich, magst du nicht sie hübsch im Forst beisammen sehn?

Pentheus:
Jawohl, gewiß! ich gäbe schweres Geld darum!

Dionysos:
Woher entsteht dir diese Lüsternheit darnach?

Pentheus:
Um ihrem Weinrausch recht mit Ärger zuzusehn!

Dionysos:
Und dennoch sähst du lüstern, was dir Ärger schafft?

Pentheus:
Gewiß! so heimlich sitzend unterm Tannenbusch!

Dionysos:
Allein auch heimlich kommend, wirst du ausgespürt.

Pentheus:
Das hast du wohl gesprochen! sichtbar also denn!

Dionysos:
So laß dich führen, tritt mit mir die Reise an!

Pentheus:
Tu's ohne Säumen und gewinn dir diese Frist!

Dionysos:
Erst lege feine Byssos-Kleidung um den Leib.

Pentheus:
Was? soll ich Mann zum Weib mich machen? und wozu?

Dionysos:
Nicht umgebracht zu werden in der Mannestracht.

Pentheus:
Da hast du recht! sprichst wie ein Weiser frührer Zeit!

Dionysos:
Dionysos hat mich ausgebildet also fein.

Pentheus:
Wie läßt sich's hübsch einrichten nun nach deinem Rat?

Dionysos:
Ich will dich selbst ankleiden drin in deinem Haus.

Pentheus:
Zu welcher Tracht? weiblicher? Nein, ich schäme mich!

Dionysos:
So ist die Lust, den Bakchen zuzusehn, verraucht?

Pentheus:
In welchen Anzug wirst du mich verkleiden? Sprich!

Dionysos:
Schlicht um die Schläfe kämm ich dir das Haar hinab.

Pentheus:
Das zweite Stück der Mummerei, worin besteht's?

Dionysos:
Ein Rock bis an die Knöchel, um den Kopf ein Band.

Pentheus:
Geht's so noch weiter? fügst du dann noch mehr hinzu?

Dionysos:
Ein scheckig Rehfell, einen Thyrsos in die Hand.

Pentheus:
Ich kann unmöglich Weibertracht anlegen! nein!

Dionysos:
So fließt dein Blut im Kampfe mit den tollen Fraun!

Pentheus:
Ja, recht! ich muß als Späher erst zu ihnen gehn!

Dionysos:
Viel klüger ist's! Sonst machst du Übel ärger nur.

Pentheus:
Wie aber komm ich unbemerkt durch Kadmos' Stadt?

Dionysos:
Durch menschenleere Gassen hin! ich führe dich.

Pentheus:
Mir alles lieber, als der Bakchen Hohn zu sein!
Nun laß im Haus uns überlegen, was wir tun.

Dionysos:
Wie dir's beliebt! Zu allem bin ich dienstbereit.

Pentheus:
Ich gehe, werd entweder dann in voller Wehr
Ausrücken oder deinem Ratschlag folgen hier.
(Ab ins Haus)

Dionysos:
Ihr Fraun, der Mann setzt in die Falle schon den Fuß,
Besucht die Bakchen, wo er mit dem Tode büßt.
Dionysos, tu das Deinige nun: du bist nicht fern!
Laß uns ihn strafen! Bring ihn erst von Sinnen, hauch
Ihm leichte Wut ein! Denn besonnen wird er wohl
Sich nie entschließen, Weiberkleidung anzuziehn,
Verrückten Geistes aber legt er bald sie an.
Ich will zum Spott den Thebern ihn preisgeben, so
Vermummt als Weib ihn führend durch die ganze Stadt
Nach seinen frühern allgewaltgen Drohungen!
Ich geh, dem Pentheus umzutun den Schmuck, mit dem
Ins Totenreich er scheidet, von der Mutter Hand
Zerrissen! Kennenlernt er dann den Sohn des Zeus
Dionysos, der vollkommen als gewaltger Gott
Der Welt sich offenbarte und höchst wohltätiger!
(Ab in das Haus)


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