Hermann Essig
Der Schweinepriester
Hermann Essig

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Dritter Aufzug

Personen
Pfarrer
Hella
Michel
Dekan
Amtsbruder
Einige Pfarrer
Kirchenpfleger
Schullehrer
Büttel
Schulbuben
Schulchor
Dorfbewohner
Dudelsackbläser
Mischa

Szene: Der Pfarrhof.

Es ist heißer Sommernachmittag, die Türe des Hauses ist verschlossen, ebenso die Türe in die Kirche. Der Tisch der Laube ist leer. Der Dekan, der Amtsbruder und die Pfarrer stehen versammelt im Hofe, bei ihnen ist der Kirchenpfleger im Sonntagsrock. Der Dekan ist ein kleiner grauer, schlau aussehender Mann, mit einem Aktenstück unter dem Arm.

Dekan (wichtig). Kein Gottesmensch ist zu Hause. Und auch weit und breit im Dorf begegnet man keinem Lebendigen.

Ein Pfarrer. Mit Ausnahme vom Kirchenpfleger.

Dekan. Der wird schon selber wissen, daß er lebt.

Kirchenpfleger (verlegen schnaufend). Jawohl, Herr Dekan, jeder Schnaufer gibt mir zu denken.

Dekan. Nun, was denn? Wir leben alle dem Grab entgegen. Wüßten Sie nur etwas über Ihren Pfarrer. Wo steckt er denn?

Kirchenpfleger. Es tut mir leid, ich weiß nichts, Herr Dekan. Schon vor etwa einem Monat ist er mit der Sau und der Hauserin ins Gebirge abgerückt.

Dekan. Das ist mir bekannt.

Kirchenpfleger. In der »Lauterbacher Mühle« hat er sich behaglich eingerichtet. Und er hat nichts die Zeit über von sich hören lassen.

Amtsbruder. Herr Dekan, daß er nicht da ist, das ist der Beweis.

Dekan (bissig). Dummes Geschwätz, wenn wir nicht regelrecht visitieren, ist der heutige Sputz für die Katze. Wenn er nicht bald anrückt, sitze ich einfach ins Wirtshaus, bei der kalabrischen Hitze. Ich mache das keine zweimal. Ich schreib einfach ans Konsistorium, daß der Kerl nicht hergeht, und die sollen sich dann die weiteren Schlüsse aus den Haaren ziehen.

Amtsbruder. Ist das nicht der Beweis?

Dekan. Freilich Beweis. Aber er nützt mir nichts. Bewiesen ist es längst, durch hundert und so viel Eingaben, daß er ein Schwein hat, daß er eine Hauserin hat, daß er keine Predigt abhält, daß er sich schweinemäßig beträgt, in einem gesagt. Aber ehe er selber gehört ist, ist er nicht greifbar. Warum habt denn ihr Miesbacher nicht gesorgt, daß er heute da ist?

Kirchenpfleger. Wir haben eine Abordnung, die der Michel geführt hat, in das Gebirgshotel geschickt, aber die ist bös abgefahren, ja, Herr Dekan.

Dekan. Sonst kenne ich jenen Wirt. Er hat eigentlich immer eine große Freude, wenn Gäste kommen.

Kirchenpfleger. Ich weiß das auch nicht, Herr Dekan. Ob es nun daran gelegen hat, daß sie der Michel geführt hat? Den Michel hat man aus dem Hotel hinausgepfeffert. So hat die Abordnung nichts ausrichten können.

Dekan. Warum stellt ihr denn einen Strolch an die Spitze?? Da ist es ganz klar, daß man den ganzen Haufen für dasselbe hält.

Kirchenpfleger. Der Michel war der einzige Ortsvertraute dort oben, Herr Dekan.

Amtsbruder (vortretend). Im übrigen dient es zum Beweis, Herr Dekan.

Dekan. Sie, Heinrieder, Sie müssen eine seltsame Logik besitzen.

Amtsbruder. Ich kenn ihn. Ich kenn ihn. Mein letzter Besuch bei ihm hat mich aufgeklärt. Was hatte ich für heftiges Magenübel nachher! Er wollte einfach haben, daß ich unterwegs umsinke und mir durch einen unbußfertigen schnellen Tod die Zunge stumm werde. Oh, beim jüngsten Gericht sehen wir uns wieder! Wenn er heute nicht kommt.

Dekan (unter dem Lachen der Pfarrer). Da haben Sie wohl zu viel pokuliert damals? Heinrieder, wenn beim jüngsten Gericht über jeden sauren Schluck verhandelt würde, da dauerte die Verhandlung länger als die ganze Ewigkeit. Wie steht's, kommt Ihr Herren mit ins Wirtshaus?

Amtsbruder. Jawohl, Herr Dekan, dort können wir darüber disputieren.

Dekan (im Abgehen). Aber mir nicht dabei ins Glas spucken! – (Er bleibt stehen.) Oh Horizont! Da kommt jemand.

Schullehrer (kommt mit aufgespanntem Sonnenschirm, im schwarzen Rock, einen gelben Strohhut hat er am Schirmgriff hängen). Ich habe die Mischa gesehen. Sie ist weitaus die größte Sau unter allen dargestellten Säuen. Das Tier ist so herrlich, daß sie die Herren unbedingt sehen müßten.

Dekan (nachdem sie sich unter einander angestutzt). Das wollen wir nicht wissen.

Schullehrer. Ich hatte gedacht, das interessiere die Herren auch. (Mehr zum Kirchenpfleger.) Auf dem landwirtschaftlichen Kreisfeste ist ein allgemeiner Auflauf nur um das Tier.

Kirchenpfleger (allein zum Schullehrer). Ist er denn auf dem Feste?

Schullehrer (nickt ihm zu, beobachtet aber dabei, was die Herren beginnen).

Dekan. Zum Kuckuck! Dann gehen wir also jetzt kneipen, wenn Sie keine interessanteren Nachrichten bringen als über Schweine. (Sie wollen weitergehen.)

Schullehrer (bleibt auf dem Flecke stehen). Mich interessieren die Tiere.

Kirchenpfleger (im Weggehen zum Dekan). Wir hätten das nicht geglaubt, Herr Dekan, daß unser Herr Pfarrer aufs Fest mit ihr käme.

Dekan (bleibt wie genagelt stehen). Wie?

Kirchenpfleger. Sie sind auf dem Feste miteinander.

Dekan. Der Schulmeister ist doch ein Esel, daß er das nicht sagt.

Schullehrer. Ich habe es gesagt, Herr Dekan.

Dekan. Sie haben doch kein Wort gesagt, daß der Pfarrer auf der großen Ila ist.

Schullehrer. Ich sagte ja, daß ich die Mischa gesehen habe.

Dekan. Die Mischa?

Kirchenpfleger. Das ist die Pfarrsau. Herr Dekan.

Dekan. Jetzt endlich. Ja, kommt er denn nicht, der Pfarrer? Weiß er denn nichts, daß wir hier sind?

Schullehrer. Es war mir nicht mögliche mit dem Herrn Pfarrer zu reden, er sprach mit dem Herrn Minister.

Dekan (unter allgemeiner Bestürzung). Sie meinen wohl den Ausstellungsvorstand?

Schullehrer. Das weiß ich nicht, Herr Dekan, ob der »von Breitling« heißt.

Dekan (blaß). Haben Sie nicht gehört, was er mit dem Minister geredet hat?

Schullehrer. Es war mir trotz angestrengtester Ohren nicht möglich, ein Wort zu erhaschen.

Kirchenpfleger (leise). Kriegt er denn die Medaille für Kunst und Wissenschaft?

Schullehrer. Meine Gedanken gingen gänzlich in der Betrachtung des Tieres unter. Seit dem Mammut im königlichen Naturalienkabinett sah ich nichts dergleichen.

Dekan. Meine Herren, ich glaube, die Visitation ist heute ein bißchen ungeschickt.

Amtsbruder. Es kommt mir so vor, es handelt sich um einen Bluff von ihm.

Dekan. Es wird viel davon abhängen, ob der Bote, den ich absandte, zum Pfarrer gestoßen ist oder nicht.

Ein Pfarrer. Man müßte also abwarten, ob der Herr Kollege noch kommen wird.

Schullehrer. Ja, der Herr Pfarrer ist bald nach mir mit einem Jagdwagen abgefahren.

Dekan. Warum teilen Sie denn das nicht mit?

Schullehrer. Wünschten das die Herren zu wissen? Ich dachte, die Herren müßten auf unsern Herrn Pfarrer warten.

Dekan. Nun hören Sie, ein bißchen Verständnis für ein Größenverhältnis sollten Sie dennoch haben, wenn der Erwartete auch Ihr Herr Pfarrer ist, so bin ich dennoch der Herr Dekan. (Reckt seine kleine Gestalt.)

Schullehrer. So, wollen Sie ihn richten?

Dekan (verärgert). Was heißt das wieder?! Kein Mensch spricht von Richten. Warten Sie auf das Ergebnis meiner Visitation.

Schullehrer (geht ab). Ich muß nun zu meiner Frau nach Hause, daß ich ihr auch von dem Schweine erzähle. Ich wünsche guten Erfolg, Herr Dekan. Guten Tag, meine Herren. (Wie gekommen, ab.)

Dekan. Euer Schullehrer hat die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen.

Kirchenpfleger. Sonst aber hat ihn die Gemeinde gern, Herr Dekan.

Büttel (rennt im Hausanzug, mit Büttelmütze daher). Was hab ich gehört? Daß ich das gehört habe! Erwarten die Herren auch unsern Herrn Pfarrer? Er komme mit einem Lob vom Konsistori zurück, habe ich gehört.

Dekan (lacht herzlich). Wenn Sie das gehört haben, da müßten Sie ihm eine Ehrenpforte errichten.

Büttel. Ich hab noch die Girlanden von der letzten Konfirmation aufgehoben. (Ab.)

Amtsbruder. Trick, Trick, ganz durchsichtiger Trick ist es von ihm. (Zählt es an der Hand auf.) Schulmeister, Büttel und noch so ein paar werden seine guten Freunde geblieben sein Stimmt es?

Kirchenpfleger. Die waren ihm nicht unfreund, Herr Pfarrer.

Amtsbruder. Was sag ich? Sie machen ihm, der im Jagdwagen ankommt, voraus gut Wetter. Glauben Sie's nicht, Herr Dekan? Darum nehme man aus dem zugerichteten Feuer der Läuterung kein einzig Scheit wieder heraus.

Kirchenpfleger. Jetzt kommt er, Herr Dekan.

Dekan (unruhig). Wo?

Amtsbruder. Sie meinen, Sie hören den Wagen?

Kirchenpfleger (drückt sich allmählich davon). Man kann da nicht bis ganz herein fahren. (Ab.)

Amtsbruder (aufgeregt). Ich wünschte, die Pferde würden ihn ganz bis herein ziehen, daß man ihn schneller vor Augen hätte! Machen Sie sich gefaßt, Herr Dekan. Prüfen Sie gleich aufs erste, er hat einen ausschweifenden Mond der Wonne hinter sich.

Dekan (ärgerlich und erregt schnaubend). So viel Geschwätz vorher. Hm m m.

( Pfarrer kommt angestürmt, er trägt einen landwirtschaftlichen Zivil-Anzug und einen kleinen neuen Strohhut. Er ruft dem Wagen zu.)

Pfarrer. Warten, damit ich pleine Karriere wieder hineinkomme! – – (Im Hofe.) Lieben Kinder, ihr kommt am ungeschicktesten Tag. Heute ist Preisgericht.

Amtsbruder (wütend, er wird vom Dekan, der sich heftig räuspert, zurückgehalten). Der Würger Tag wo niemand würgen kann.

Dekan. Hm m m m. (Kann fast nichts hervorwürgen.) Ich möchte wissen, hm m, sind Sie Pfarrer oder sind Sie Schweinepotentat?

Pfarrer. Ich habe nur etwas Zivil, damit ich den Augen der Herren Preisrichter nicht ungeschickt auffallen sollte.

Dekan (flammend). Sie fallen nun uns auf. Hm m m.

Amtsbruder. Wir müßten von Blindheit geschlagen sein, wie Bileams Esel, wenn uns nicht schon der äußere Habitus die schwere Dekadenz bewiese!

Pfarrer. Ich bitte um Entschuldigung, diesen Stoff hat meine Hauserin vom Gebirgshotel aus bei Keller Söhne ausgesucht. Wenn sie darin im Geschmack – –, man muß es ihrer weltlichen Unerfahrenheit zurechnen.

Amtsbruder. Will man die Sache ins Lächerliche ziehen? Wir stehen hier, nehme man sich zusammen vor uns, als die verordneten Diener der Kirche.

Pfarrer. Ich ja auch. Der Mensch sieht das Kleid an, Gott aber sieht das Herz an.

Dekan. Hm m m m, das Herz. Ich wollte hm m, unbefangen bleiben hm m, aber ich habe darin einen schweren Stand, ich meine eben immer, ich habe es mit einem Schweinepotentaten zu tun.

Pfarrer. Freilich, es wäre ganz gut, wenn ich das wäre. Aber leider leider wurde ich mitten in der Entscheidung des Preiskollegiums abberufen.

Dekan. Haben Sie denn die Fühlung mit dem geistlichen Stand bereits verloren?

Pfarrer. Oh gewiß nicht, sonst wäre ich ja auf Ihre Mitteilung hin, Herr Dekan, die mich gleich nach meiner Audienz beim Herrn Minister traf, nicht nach Miesbach herausgekommen.

Dekan. Hm m, sprach der Herr Minister von einer versöhnenden Konferenz mit dem Oberkirchenrat?

Pfarrer. Du liebe Zeit, wir sprachen über dicke Schweine.

Die Pfarrer (atmen auf, lachen, frohlocken).

Dekan (nachdem er sich zu den Pfarrern umgeblickt). Ja nun, lieber Miesbacher Kollege, Sie dürfen nicht überrascht sein. Es handelt sich darum, ob Sie aus dem Amt fliegen oder nicht. Darum sind wir hier. So steht's.

Pfarrer (erschreckt). Wie? Was hab ich denn getan?

Die Pfarrer (verwerfendes Entsetzen).

Dekan. Wir brauchen gar nicht lange in ein Studierzimmer zu hocken. Wer hat hier die letzten vier Wochen gepredigt?

Pfarrer. Herr Dekan, wollen wir nicht lieber niedersitzen?

Amtsbruder. Wird's dem Kollegen wampel?

Dekan. Verzögern Sie nichts! Predigt, wer hielt sie ab?

Pfarrer (setzt sich im Gartenhaus auf die Bankecke, legt den Hut auf den Tisch, macht jetzt sitzend einen gebrochenen Eindruck).

Amtsbruder. Ja, schimpflicher Kollege, wer hat verwest?

Pfarrer. Verwest ist überhaupt nichts.

Dekan. Sehr richtig, es unterblieb gänzlich, einen Pfarrverweser zu erbitten.

Pfarrer. Das war doch viel billiger.

Dekan. Um den Garten Gottes zu pflegen, wird allgemein nicht geknausert.

Pfarrer. Ich weiß es noch, ich war als Predigtamtskandidat monatelang stellungslos.

Amtsbruder. Hier ist aber eine ganze Gemeinde verdurstet!

Pfarrer. Die Gemeinde hatte in dem ganzen Interregnum keinen Todesfall, dagegen drei Geburten und allerdings eine nur standesamtliche Trauung aufzuweisen.

Dekan. Hm, sehen Sie, einmal schon eine Hausstandsgründung ohne den kirchlichen Segen.

Pfarrer. Dieses Paar hatte bereits fünf Kinder.

Die Pfarrer (lachen)

Amtsbruder. Lieben Brüder, was ist da zu lachen! Desto bedürftiger waren diese Leute nach geistlicher Vereinigung. Es hätte ihnen gesagt gehört, daß sie künftig Gott im Auge halten sollen. Ja ja. Sehr wichtig.

Pfarrer. Ich glaubte, Gott hätte sich schon fünffach an ihnen bewiesen. Und ich wäre im Altar nur als lächerlicher Hanswurst vor ihnen gestanden.

Dekan. Gut gut, lasse ich das gelten.

Amtsbruder. Das lassen Sie gelten, Herr Dekan?

Dekan. Es gibt Fälle, wo manches nur Zopf ist. Aber mein lieber Miesbacher, wenn auch die Wirkung eines Versäumnisses zufällig null ist, so bleibt das Versäumnis selbst trotzdem zu ahnden.

Pfarrer. Gegen solche Institutionen freilich kann ich mit meiner schwachen Person nichts ausrichten.

Amtsbruder. Endlich hört man aus diesem selbstbewußten Munde ein Sündenbekenntnis.

Pfarrer (überrascht). Inwiefern?

Amtsbruder. Wenn man nur seine Schwachheit zugibt.

Pfarrer. Also! Da muß ich meine Worte besser zügeln. Ich hätte mich äußern sollen, daß eine derartige Institution menschenunwürdig ist.

Dekan. Ich muß Sie wieder einmal zurechtweisen, Heinrieder, Sie erschweren mir meine sorgsame Aufklärung.

Pfarrer (in bittendem Tone). Herr Dekan, ich schätze Sie sehr hoch als meinen von jeher bewunderten Sophisten, aber ich bitte um Nachsicht heute, meine Nerven sind ziemlich erschöpft. Das Bewußtsein meiner eventuellen Versäumnisse und das zähe Festhalten an meinen züchterischen Absichten, diese zwei Dinge haben mein doch auch nur menschliches Gehirn wie zwei verfluchte Kanaillen angegriffen.

Dekan. Wie einfach hätten Sie sich befreien können!

Pfarrer. Wenn man einmal etwas will? (verzweifelt.) Meine Mischa muß prämiiert werden! (Allgemeine Bestürzung über diese wilde Gefühlsäußerung.)

Dekan (spuckt förmlich). Sie haben einen vollständigen Sauwahn, Kollege! Wir müssen über diese Schweinerei endgültig ins klare kommen.

Pfarrer (erschüttert). Ja, ich bin selbst dankbar (Er hält seinen Kopf krampfhaft umschlungen).

Amtsbruder (über ihn). Diese Schweinerei tropft vom Himmel herunter.

Pfarrer. Ich weiß es selbst.

Dekan. Wir freuen uns, wenigstens keinen versteckten Trotz vorzufinden. Man kann hoffen, daß ein wohlmeinender Verweis hier wieder gänzlich aufrichten wird.

Pfarrer. Ein Verweis? Ich habe ein Gefühl der Reue und das rechtfertige darum einen Verweis??

Alle (dicht um ihn). Sie sind noch der Unsrige. Die geduldige Hinnahme eines Verweises bewiese Ihre ergebene Gesinnung. (Zwei Sätze, von zweien hintereinander abwechselnd gesprochen.)

Pfarrer. Und Schweine darf ich nicht mehr züchten?

Dekan (lacht unwillkürlich). Ich rate davon ab.

Amtsbruder. Und Bruder, in welcher Zeit leben wir denn? Doch in einer Zeit des Spezialismus, alles ist Spezialität, selbst das Dichten. Bruder, du bist Pfarrer, du bist kein Landwirt.

Pfarrer. Wenn es aber dem Pfarrer gelungen wäre, das fetteste Schwein zu erzeugen! Wäre es nicht himmelschreiend, wenn ihn die Preisrichter darum vom Preise ausschlössen, weil sein Beruf Pfarrer ist! Dann würde ich verzweifeln und mit Gott hadern. Könnte mir denn Gott einen solchen Fußtritt erteilen? (Wild, starr.)

Die Pfarrer (stupfen sich wohlweise).

Dekan. Gott führt oft in schwere Prüfungen.

Pfarrer (wild auffahrend). Dann wäre Gott ein Lump! Denn ich habe das fetteste Schwein.

Die Pfarrer (sind weit von ihm zurückgewichen, jeder hält den andern am Arm fest, so daß sie wie eine weite Kette um ihn stehen, während der Pfarrer wieder dumpf dasitzt).

Amtsbruder (tritt zuerst aus dem Kreise auf ihn zu). Du, Bruder, du wirst doch nicht im Zweifel sein, ob es überhaupt einen Gott gibt.

Pfarrer. Ich weiß nicht.

Amtsbruder. Ich weiß nicht?! – – Oh, oh! Wie tief bist du schon gesunken, Bruder. Der gefallene Engel hält dich in seiner Hand nur noch einen Zoll weit vom schwarzen Abgrund, zieht er sie unter dir weg, so liegst du im höllischen Pfuhlä. (Leise hauchend.) Wie furchtbar! Wie äntsätzlich!

Pfarrer (aufschreiend). Die Mischa fraß doch nur Kleie!

Amtsbruder (fügt sich wieder in die Kette). Zurück von ihm, er ist bereits wahnsinnig.

Dekan. Ich dachte schon oft an diesen Ausgang.

Amtsbruder (die Kette hat sich gelöst). Herren Kollegen, ich glaube, wir müssen ihn lieben. Wenn ich bedächte, daß das Gewächs des Weinstocks, welches er mir im sichtbarlichen Gefühl der Freundschaft darbot, so verschiedene Mal, ein Sündengetränk gewesen wäre. Ich wäre ja mitschuldig. Aber nein, es geschah von meiner Seite aus reinem Mitgefühl, daß ich trank. (Geht zu ihm liebevoll hin.) Du bist krank, Bruder.

Pfarrer (heftig). Weg! –

Amtsbruder. Stoße die Liebe nicht zurück.

Pfarrer (plötzlich, durchfährt seine Haare, nimmt den Hut an sich, steht auf, will gehen). Kinder, ich halte es nicht aus hier. Ich muß wissen. Ich muß fort.

Dekan (hält ihn auf). Halt, halt. Ich lasse Sie nicht gehen. Wir haben noch über viele wichtige Punkte nichts von Ihnen selbst gehört.

Pfarrer (will durchbrechen, es stellt sich immer wieder einer hinter den andern als Hemmung in den Weg). Es ist auch gar nicht nötig. Ich bestreite keine einzige Sache. Habt doch ein bißchen Verständnis für meine Lage.

Amtsbruder (lachend). Das haben wir. Du mußt heute kuriert werden. Oder nie. Du bist ja über alles geliebt von uns.

Pfarrer (lacht nervös). Mir ist es kein Spaß. Herr Dekan, befürworten Sie, daß ich nicht aufgehalten werde. Sie sind großmütig. Herr Dekan.

Die Pfarrer (lachen).

Amtsbruder. Unsere Liebe tötet sogar unsere Großmut.

Dekan. Nur einmal dageblieben. Man wird doch nicht in Unruhe sein, weil irgend wo versteckt ein Preisrichter ein Mastpulver finden könnte.

Pfarrer (lacht nervös). Das nicht. So etwas müßte man mir zugeschmuggelt haben. Mit welcher Frage wollt Ihr mich also noch quälen? (Setzt sich wieder.)

Amtsbruder. Die Rechnung von der Lauterbacher Mühle liegt in den Akten. Ziehen Sie hervor, Herr Dekan.

Dekan (nimmt sie vor). Da steht: Pfingstfest elften Mai Frühstück Herr und Frau Pfarrer, Kaffee komplett drei Mark sechzig. Table d'hote, großes Diner sechs Mark, Wein extra drei Flaschen sieben Mark zwanzig, Nachmittagskaffee wieder gestrichen.

Pfarrer. Was sieht man daran?

Dekan. Nur abwarten. Jetzt kommt das Stärkste. Abendbrot Herr Pfarrer allein vier Mark achtzig. Bier neunzig. Wie erklären Sie das?

Pfarrer. Weil es auf die Nacht ging, aß ich alles und meine Frau nichts.

Amtsbruder. Warum?

Pfarrer. Warum? Darum.

Amtsbruder. Darum, ja darum. Meine nicht, man wisse nicht. Wir sind keine Kälber.

Dekan. Das Weib hat zu solchen Ausschweifungen verführt.

Pfarrer. Wir hatten unsere liebe Not, uns mit unseren bescheidenen Ansprüchen dort oben gesellschaftlich möglich zu erhalten, darum mußte hier und da etwas springen. Das kolossale Abendbrot aß ich aus Anstandspflicht.

Dekan. Übermaß.

Amtsbruder. Völlerei. Sie haben sich beide dem Wirte zulieb überfressen.

Pfarrer. Wer so etwas beurteilen will, muß wissen, daß man in so einem Hotel immer nur der Geduldete ist.

Die Pfarrer (nicken sich zu).

Dekan. Dies Gefühl hatten Sie?

Pfarrer. Eigentlich stets.

Dekan. Glauben Sie nicht, daß das daher kam, daß dem Wirte bekannt wurde, daß diejenige, welche Sie ihm als Frau vorbestellt hatten, nicht Ihre legitime Frau war.

Pfarrer. Es ist möglich, daß man deswegen übertriebene Ausgaben von uns erpreßt hat.

Amtsbruder. Beziehungsweise du ließest erpressen, weil du ein schlechtes Gewissen hattest.

Pfarrer. Hätte ich das Schwein nicht bei mir gehabt!

Dekan. Wenn ich selber so eine herabwürdigende Meinung von einem Weibe hätte, so gäbe ich sie doch nicht als meine Frau aus.

Ein Pfarrer. Sie haben mißverstanden, Herr Dekan.

Amtsbruder. Nein. Wieso mißverstanden?

Dekan. Ich glaube nicht.

Pfarrer. Ich muß fort. (Will aufstehen.)

Dekan. Nur jetzt nicht wieder davongerannt. Wir sind am Zielpunkte. Wie konnten Sie, nachdem schon der Haufen Beschwerden wegen der Schweinezucht gegen Sie vorlag, allem die Krone aufsetzen und mit der Hauserin ein wildes Eheleben führen? Wie steht es damit?

Pfarrer (schweigt).

Amtsbruder. Ich danke Ihnen, Herr Dekan, ich bin zufrieden.

Dekan. Hm m, nur heraus mit der Sprache! Ich bin gewiß kein Menschenfresser, aber wissen muß ich, denn ich habe darüber zu berichten.

Pfarrer. Was mir selber am schwersten gefallen ist, braucht man mir nicht noch einmal vorzuwerfen.

Amtsbruder. Eigene Ansichten.

Dekan. Sie sind also geständig?

Pfarrer. Hierüber verläßt mich das Gedächtnis.

Amtsbruder. Weil es das Fallbeil wäre, Verehrter.

Ein Pfarrer. Der Mut des Löwen ist geschwunden.

Dekan. Nun ja. Wenn man's schon tut, ist es vor den Leuten besser, es geschieht unter einer klangvollen Firma. Ich hielt es im Falle für richtiger, das Weibsstück als Frau auszugeben.

Amtsbruder (mit den andern entsetzt). Wie?

Pfarrer. Ich bin dankbar, Herr Dekan.

Dekan. Mir nichts danken! Ich bin ein bissiger Hund trotzdem.

Pfarrer. Herr Dekan, ich bin ja froh, wenn ich nur ein bißchen Verstand finde unter so viel Gehässigkeit.

Dekan. Manchmal ist auch alle Gehässigkeit nur reine Dummheit.

Amtsbruder. Herr Dekan, für wen sind Sie, für uns oder für den Angeschuldigten?

Dekan. Ich bin für gar keinen.

Amtsbruder. Und das soll dann objektiv sein?

Dekan. Was ich dem Konsistorium berichten muß, wird sich ziemlich stiefmütterlich ausnehmen.

Pfarrer. Ist mir gleichgültig. Dann diszipliniert mich halt.

Dekan. Nicht so stolz. Ich weiß es aus mancher Erfahrung. Nachher heult man mir auf den Schreibtisch, »Herr Dekan, Herr Dekan, warum haben Sie das alles berichtet«?

Pfarrer. Das wird mir nie einfallen.

Dekan. Man nimmt ja an, daß in dem Hotel alles passiert ist?

Pfarrer. Ja, darüber muß man Hella befragen.

Amtsbruder. Er bringt es fertig, abzuleugnen, nachdem er zugegeben hat.

Dekan (lacht verschmitzt). Das wird von selber aufgeklärt. (Zieht ein neues Blatt hervor.) Da schreibt sogar ein Metzger gegen Sie. Wer hat denn die Hotelrechnung bezahlt? Hä?

Pfarrer (besinnt sich, während die Pfarrer mit vorgestreckten Hälsen spannen). Die Hotelrechnung hat quasi der Schlächter bezahlt.

Amtsbruder. Das ist das Horribelste, das Fabelhafteste! Dies zeigt ihn am klarsten in jenem rücksichtslosen Despotismus, über den sich auch seine Gemeinde so bitter beklagt hat. Was soll der arme Schlächter nur anfangen? Sein Geld ist vertan und das Schwein hat er nicht.

Pfarrer. Das ist das einzig Noble an dem Mann.

Dekan (wild, unter der Entrüstung der Pfarrer). Ich glaube, diese Ironie würde auch Ihren letzten Freund mit Abscheu erfüllen.

Pfarrer. Bleibet doch Pfarrer und werdet keine Geschäftsleute.

Amtsbruder. Dasselbe rufen wir ihm zu, denn er rutscht dabei auf die schiefe Ebene des Verbrechens hinaus.

Pfarrer. Behauptet's nicht, dann ist es nicht. Was will man überhaupt? Es schwebt ja der Prozeß mit ihm!

Amtsbruder. Aha!?

Pfarrer (schlägt auf den Tisch). Ich muß Luft haben, da kann mir alle Rücksicht zum Teufel fahren! (Die Pfarrer weichen erschreckt auseinander, während er aufstehen und gehen will.) Es muß eine Entscheidung kommen, sonst ist alles aus mit mir. (Er bleibt stehen, macht eine langsame Bewegung des Halsabdrehens)

Dekan. Das Schwein weg! Und Sie stehen wieder auf gesunden Füßen.

Pfarrer. Wenn ich's jetzt verspreche, dann tu ich's.

Amtsbruder. Tu's, Bruder, du erkennst selbst, wie notwendig es ist, für dich selbst, für alle.

Pfarrer. Sind wir Menschen so schwach, daß ein Tier für uns sterben muß?

Dekan. Sobald ich ans Konsistorium berichte: »Das Schwein ist tot,« sobald hat mein lieber Miesbacher den Frieden seiner Seele.

Pfarrer. Ich will's. Ja, ich will's wegtun.

Die Pfarrer (drücken ihm die Hand).

Dekan (als Leiter). Versprochen??

Michel (kommt krampfhaft heulend des Wegs).

Pfarrer. Ja.

Michel (stürzt heulend vor dem Pfarrer nieder). Herr Pfarrer, wie soll ich es machen, daß ich Vergebung empfange?

Pfarrer. Geh er zum Teufel, dann ist ihm vergeben.

Dekan (leise). Ist das nun richtig?

Michel. Herr Pfarrer es ist mir diesmal ernst mit meiner Bußfertigkeit. Ich habe einmal so Böses mitgeschaffen gegen den Herrn Pfarrer.

Pfarrer. Das kommt zu spät. Und ich fühle, wie es ihn hinter der heulenden Maske freut, daß die Visitation hier ist, vor der ich mich zu verantworten habe.

Michel. Herr Pfarrer, ich bitt um die Vergebung, es könnt sonst vorkommen, daß ich aus der Gemeinde hinausfliege. Ich hab's Heimatrecht nicht, Herr Pfarrer. Die Miesbacher haben mich auf dem Feste verklopft und gesagt, ich sei schuld daran, wenn's dem Herrn Pfarrer z' Miesbach nicht mehr behage. So ist es gewiß und wahrhaftig, Herr Pfarrer.

Dekan. Lieber Kollege, Sie dürfen den Mann jetzt nicht mit Verbitterung anhören. Es wird ja, hoff ich, alles nicht so schlimm ausfallen, wenn Sie nur gewiß fest dabei bleiben, das Schwein abzutun.

Pfarrer. Dieser Entschluß ist felsenfest.

Michel (fällt auf den Hintern). Jetzt schlägt mich's hin.

Pfarrer (beobachtet ihn erstaunt).

Die Pfarrer (lachen).

Amtsbruder. Wie rasch die Tränen versiegt sind!

Dekan. Ein richtiger Heuchler.

Pfarrer. Da seht Ihr, was für Gemeindekinder ich behirtet habe.

Dekan. Es erscheint mir manches in ganz neuem Lichte. Das war mir nun gerade recht, daß ich den Kerl kennen gelernt habe. (Tätschelt den Pfarrer wiederholt.) Nur neuen Mut, lieber Miesbacher, das Schwein weg, die Hauptsache, dann einmal fest aufgetreten hier, daß den Leuten die richtige Furcht aufgeht!

Amtsbruder. Jawohl, jawohl, die Glieder müssen wissen, daß sie vom Haupte abhängig sind. Dann hört die schnöde Heuchelei auf, die Bußfertigkeit vortäuscht, wo sich nur Schalkhaftigkeit verbergen will.

Michel (der längere Zeit zur Fassung gebraucht). Ja, Herr Pfarrer, ist die Dummheit schon protokollarisch?

Pfarrer. Ich möchte mir ausbitten, daß er keine neue Wühlerei beginnt, ich bin froh, daß ich meine Rehabilitierung fühle.

Michel (scheu). Ich fürchte mich auch vor dem Herrn Pfarrer, aber bloß wenn die Sau bleibt.

Dekan (sehr eindringlich dem Pfarrer zuredend). Nein, nein, die kommt weg, lieber Kollege. Die Leute treiben ja den hellen Narrenscherz mit ihren Wünschen, einmal hin, einmal her.

Michel. Rundherum, das ist nicht schwer. (Er kreiselt dabei auf dem Hintern.)

Pfarrer. Seien Sie unbesorgt, Herr Dekan. Ich merke es wohl, daß ich es den Miesbachern bald so, bald so, nicht recht mache. (Der Büttel kommt mit einem Schubkarren angeschoben, auf welchem Girlanden liegen, sowie obendrauf eine Leiter, ein paar Schulbuben springen zur Seite des Schubkarrens.)

Pfarrer (sein Gesicht verzieht sich zu einem sonnenhaften Lachen).

Büttel (im Schieben). Was hast du denn, Michel?

Michel. Mich hat es hingeschlagen.

Büttel (setzt seinen Schubkarren am Eingang des Hofes ab). Da ist ja der Herr Pfarrer.

Pfarrer. Haha. Das ist ja nicht möglich.

Büttel. Da wollte ich dem Herrn Pfarrer eine Bekränzung aufmachen, nun seh ich, ist er aber schon da, der Herr Pfarrer.

Pfarrer. Zu was denn eine Bekränzung?

Büttel. Da muß ich dumm fragen. (Sieht sich um) Wer hat es denn gleich gesagt, der Herr Pfarrer hab's Prämium?

Pfarrer. Kein Mensch kann das gesagt haben. (Er steht in nervöser, innerer Spannung still.)

Büttel. Wie steht's damit, Michel?

Michel. Ich kann nichts sagen. Mir glaubt der Herr Pfarrer sowieso nichts. (Er steht auf.)

Dekan. Es ist also verlogen.

Amtsbruder. Ich möchte doch vorschlagen, daß dem Bruder das Versprechen schriftlich abgenommen werde.

Pfarrer. Jetzt wartet nur, wartet nur!

Amtsbruder. Energisch alles verlangen, Herr Dekan! Wir sind auf einem gefährlichen Punkte mit dem Kollegen.

Dekan. Wie soll ich es anfassen? (Er wendet sich ratlos zu den Pfarrern.)

Pfarrer. Jetzt wartet nur, wartet nur! Wenn ich das Prämium hätte! – Ich hab's! Ich hab's! (Er schusselt konfus herum.)

( Hella kommt abgehetzt vom Feste gerannt, sie trägt auf dem Arm den schwarzen Rock des Pfarrers. Ehe sie zum Hofe hereinkommt, bleibt sie vor furchtbarem Seitenstechen, sich am Zaune haltend, stehen. – Die Pfarrer weichen alle vor dem herumschusselnden Pfarrer zurück.)

Amtsbruder. Satanas hat seiner begehret.

Dekan. Hm m m, da sind wir machtlos.

Pfarrer. Gebt mir doch 's Hütchen! 's Hütchen. – Hella, du hast mir ja gewunken. Ist es wahr?

Hella (schleppt sich voll in den Hof herein, da bricht sie weinend und lachend zusammen). Ja ja. Der Herr Pfarrer hats Prämium! Hühü. Ich beherrsch mich nimmer.

Pfarrer. Hella, lügst du auch ganz gewiß nicht?

Hella. Man lügt nicht.

Pfarrer. Michel, Esel, warum schwätzt er nicht? (Rennt umher.) Wo geht's denn hinaus? (Will endlich fortstürzen.) Jetzt werd ich verrückt!

Hella. Hier hab ich den geistlichen Rock, Herr Pfarrer.

Pfarrer (hält hastig). Was hast? (Er zieht seine Joppe aus, wirft sie über den Hof ins Gartenhaus, er steht mit nacktem Rumpf in den Hosen, aber Chemisett, Kragen und Krawatte an, er zieht den schwarzen Rock über.)

Dekan. Kollege, das Hemd?

Pfarrer. Das trag ich nie!

(Gelächter der Pfarrer.)

Amtsbruder. Das Nackende hat er mit Satanas gemein!

Pfarrer (stürzt unbekümmert davon).

Michel (zum Büttel, während die andern dem Pfarrer nachsehen). Ich hab es halt schwer, mit dem Herrn Pfarrer zu reden. Das Geradeheraus glaubt er mir nicht. Drum hab ich's mit Heulen auch einmal probiert.

Dekan (immer noch im starren Blick hinter dem Pfarrer her). Ist die Preisverteilung schon endgültig herausgekommen?

Hella. Ja gewiß, Herr Dekan.

Amtsbruder. Schändlich, schändlich ist das.

Hella (mit hochgestreckten Armen). Aber freut sich denn darüber nicht alle Welt, wenn einem so das ganze Leben davon abhängig gewesen ist?

Dekan. Hm m m m, wir hören.

Amtsbruder. Diesen Satz von dem Fräulein gut im Gedächtnis behalten, meine Herren. »Das ganze Leben von ihm von einem Schweineprämium abhängig.«

Dekan. Hm m m m, Sie sind also das teure Fräulein, das auch im Hotel mit ihm war?

Hella. Ja, ich bin die, die bis daher alles mit ausgefressen hat. Und die (verzückter) der Mischa 's Futter eingegeben hat. Ich kann schon gar nicht mehr aufstehen. Ich bin ja nicht mehr gelaufen, geflogen bin ich! Hebe mich eins auf von den Knieen!

Michel und Büttel (richten sie hoch).

Dekan. Hm m m m, wir sind ebenfalls froh, der Herr Pfarrer hat uns versprochen, die Schweinezucht aufzugeben.

Hella. Jetzt noch? Gott, wie oft hat er das schon gesagt!

Die Pfarrer (stutzen sich an).

Michel. Man kann recht froh sein, daß er's immer bloß gesagt und nie getan hat.

Amtsbruder. Diesmal wird es geschehen!

Hella (sehr ungläubig). Das glaube ich aber nicht, daß er es jetzt noch tun wird.

Dekan. Dann kann man bloß wünschen, daß er seinen Prozeß verliert. Hm m m.

Hella. Ha! Da wird man noch viel darnach krähen, wie der ausgeht!

Amtsbruder. Sie, Sie Fräulein, Sie haben eine Bedeutung in seinem Leben erlangt. Sie können ihm da viel zusprechen.

Hella. Das werde ich bleiben lassen. Die ganze Gemeinde hat die Mischa in ihr Herz geschlossen.

Kirchenpfleger (kommt angeschnauft). Hat er ihn?

Hella. Wohl hat er ihn.

Kirchenpfleger. Aber da muß ja ganz Miesbach an einer Ovation teilnehmen! (Ab.)

Büttel. Das ist der Punkt. (Schiebt seinen Karren voll ans Haus.) Der Herr Pfarrer ist jetzt unser erster Bürger. (Stellt die Leiter auf.)

Michel (drohend gegen den Dekan). Wage man's nicht, höheren Orts dagegen aufzumucken!

Dekan. Das sieht auf einmal aus, als ob man der Visitation noch das Fell ausgerbte.

Büttel (oben auf der Leiter). Das könnte wohl sein, Herr Dekan.

Dekan. Wir wollen uns nur schnell aus dem Staub machen. (Mit warnendem Arm.) Aber Miesbacher, beschwert euch noch einmal über euren Pfarrer! (Ab mit den Pfarrern außer dem Amtsbruder.)

Amtsbruder. Herr Dekan, wollen wir uns denn so dünn machen? Ich glaube, wir haben die Pflicht, die Autorität des Oberkirchenrates durchzusetzen.

Büttel und Michel (lachen).

Dekan (noch hinter dem Zaune, verschmitzt). Dazu ist mir meine Haut zu lieb. Wenn Sie verharren wollen, Heinrieder, wird es natürlich besonders anerkannt. (Ab.)

Michel (folgt hinter ihnen).

Hella. Herr Pfarrer, gehen Sie doch auch lieber. Sie hören doch, was Ihnen bevorsteht.

Amtsbruder. Es wäre noch schöner, wollte es eine Hand wagen, mich anzurühren.

Hella. Herr Pfarrer, es gibt dann eine große Sauferei, und die meisten alle, die mit der Mischa kommen, sind bereits angetrunken.

Amtsbruder. Nötigenfalls misch ich mich unter die Begeisterten.

Hella (ab ins Haus).

Schullehrer (kommt an in Pantoffeln, mit Zigarre, die er graziös steif raucht). Miesbach ist die bedeutendste Gemeinde des Bezirkes Hundeluft.

Büttel (hat die Girlande aufgelegt). Wenn mir ein Mensch sagte, hängt der Spruch in der Mitte?

Amtsbruder. Weiter links.

Büttel. Buben, muß er nach links?

Buben (einstimmig). Ja.

Büttel. Ich meine, er hängt gut.

Amtsbruder. Mensch, wo ist Ihr Augenmaß?

Büttel. 's ist gerade recht. Da kommt ja der Herr Schullehrer. Sie sind ja eine maßgebende Persönlichkeit hier im Orte. Sie sind ja auch der Vorstand vom Verschönerungsverein. Hängt der Spruch in der Mitte?

Schullehrer (beguckt lange, während die Buben hinter seinem Rücken Zeichen nach links machen).

Amtsbruder. Nicht wahr, nach links?

Schullehrer (endlich mit wackelndem Kopf). Es ist die Mitte. (Kopfwackelnd im Gehen zu den Buben.) Ihr Buben, kommt dann zu mir herüber, wir werden dem Herrn Pfarrer den Empfang singen. (Ab.)

Büttel. Was hab ich gesagt! 's ist die Mitte. Somit hätte ich das meinige geleistet. (Steigt herab, macht sich davon.)

Amtsbruder (hält ihn auf). Sie, Herr Polizeidiener. Ist das Ihr Ernst, daß das die Mitte ist? Sehen Sie sich's noch einmal von unten an.

Buben. Es muß nach links. So hinüber.

Büttel. Der Herr Lehrer ist mir allein maßgebend. Ich seh gar nicht mehr hin. (Es versteht sich von selbst, daß der Spruch ein bedeutendes Stück außerhalb der Mitte angebracht ist.)

Amtsbruder. So erklär ich mir allerdings auch den Umschwung in Miesbach. Ihr seht einfach nicht hin, wer euer Pfarrer ist.

Büttel. Buben, geht zum Singen!

Buben (hetzend ab).

Büttel. Wir sehen bloß hin, was er ist. Der Herr Pfarrer hat Ruhm und Ansehen in die Gemeinde gebracht. Der große Preis, der früher jahrelang vom Lammwirt zu Ellhofen behauptet worden ist, ist an den Herrn Pfarrer von Miesbach gefallen.

Amtsbruder (heftig fuchtelnd). Und alles, alles ist damit wie nie gewesen, ausgelöscht?

Büttel. Wer sich jetzt noch rührt, kommt sofort durch meine Person in strengen Verhaft.

Amtsbruder. Durch wen fühlen Sie sich hierzu angewiesen?

Büttel. Durch mich und den Herrn Pfarrer. Herrgott, sie kommen! (Rasch mit seinem Karren ab.)

Der Schullehrer (umsurrt von Schulkindern kommt in den Hof). Kinder, stellt euch vor dem Saustalle auf! Wir erzielen von hier aus die bessere Akustik. Ruhe! (Es wird mäuschenstill, er schlägt die Stimmgabel an.) »A«. Singt mit mir: »Nun – – Nun – – nun«.

Die Kinder (summen). »Nun«.

Schullehrer. Nun wollen wir warten.

Die Kinder (werden wieder lebhaft).

Amtsbruder. Was werden Sie singen?

Schullehrer. »Nun danket alle Gott –«. So, der Herr Pfarrer will auch bei Fest sein?

Amtsbruder. Ich habe die Pflicht aufzupassen, daß keine Gotteslästerung vorfalle.

Schullehrer (mit wackelndem Kopf zu den Kindern). Wer heute nicht kräftig singt, der muß mir die nächste Woche das Holz spalten.

Die Kinder (lachen).

(Michel kommt dahergehopst, wirft sich in verrückten Verdrehungen auf den Boden, in ersonnen wilden Verrenkungen. Hinter Michel kommen bald die Dudelsackpfeifer in langsamem Schritt, hinter ihnen folgt der Büttel, den Säbel umgeschnallt, nach einem kleinen Abstand kommt Mischa mit Eichenlaub bekränzt, annähernd doppelt so groß wie früher anzusehen. Hinter Mischa kommt der Pfarrer, der sie leitet. Dann sofort strömt ganz Miesbach. Die Leute stauen sich auf und hinter dem Zaun, sowie im Hofe. – Hella tritt mit einem Weinkruge in der Hand aus dem Hause, mit lachendem Gesicht. Die Bläser hören auf, der Lehrer fuchtelt in die Luft.)

Gesang (der Kinder). »Nun danket alle Gott –«

Büttel (ordnet da und dort an den Leuten).

Amtsbruder (steht auf den Stufen des Hauses mit verwerfend ausgereckten Armen, die er ab und zu wieder neu ausstößt, wie ein sich blähender Kauder).

Hella und der Pfarrer (winken sich zu).

Mischa (marschiert in den Stall, vergnügt wie von einer Amerikareise zurückkehrend).

Schullehrer (schreit mitten in den Gesang laut hinein). Knell, du wirst mir das Holz spalten!

Michel (drückt Mischa einen derben Kuß auf das Hinterteil).

Mischa (ab in den Stall).

(Gesang verstummt.)

Kirchenpfleger (tritt vor). Der Herr Pfarrer sei uns herzlich willkommen geheißen. Ich kann nichts weiter sagen: »Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich.« Mehr kann ich nicht sagen. Das sage ich. Der Herr Pfarrer, er lebe hoch hoch hoch!

Alles. Hoch! – Hoch! – Hoch!

Pfarrer. Ich danke euch, meine Liebsten, für den herzlichen Empfang, dem Herrn Kirchenpfleger für seine schönen Worte und dem Herrn Lehrer besonders für seinen vorzüglichen Gesang. Mein Wunsch ist, daß ewig Friede und Freude herrschen werden unter uns allen, in Zukunft. Dazu helfe uns Gott. Amen.

Alle (feierlich). Amen.

Büttel (tritt grüßend an). Der Herr Schultheiß laßt sagen, er komme noch persönlich zum Glückwunsch.

Pfarrer. Und nun –

Amtsbruder (unterbricht ihn). Satan! – Satan! – Sa . . . (Er wird von Fäusten gepackt und vom Büttel, schnell greift er nach Hellas Krug und trinkt heftig.) Ich trinke auf das Wohl des Herrn Pfarrers und Mitbruders und aller Christengenossen!

(Gelächter der ganzen Gemeinde.)

Pfarrer. Und nun lade ich euch alle zu einem großen Trunk ein und zu frohem Tanz. Ein paar Kundige mögen Hella im Keller zur Hand gehen und die Sackbläser mögen schöne Lieder spielen. So wollen wir einmal das Glück auf die Probe stellen, ob es je wieder zerbricht.

Alle. Nein! Nie mehr!

Pfarrer (liebkost Hella). Hella, Liebe, du mußt gleich wieder hart arbeiten.

Hella. Herr Pfarrer, in solchen Erinnerungen, die ich habe! (Selig ab ins Haus.)

Amtsbruder (quetscht sich hinter ihr durch die Türe). Halt, ich bin sachkundig. (Ab.)

Pfarrer (patscht in die Hände, wiederholt). Los! Spielt zum Tanz auf!

Michel (wirft sich noch einmal auf den Boden). Ich enngaschiere die Mischa. (Schreit in den Stall.) Raus Suck! Zur Polka! – Fräulein Mischa. –

( Mischa erscheint graziös wundervoll, Musik und Tanz von Michel und Mischa.)


(Vorhang.)


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