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Viertes Hauptstück

Auf der Bockswiese arbeiteten inzwischen Hermann und der Fremde daran, den Bauern und seinen Knecht zu beerdigen. Hermann fragte den Fremden nach seinem Namen. »Nenne mich Wilhelm,« antwortete der.

Wilhelm war in die Werkstatt gegangen. Dort lagen starke Bretter, welche der Bauer hatte für seinen Bau verwenden wollen. Das Handwerkszeug war alles da, so machte er sich daran, einen Sarg zu zimmern. Er hobelte die Bretter nicht, dazu war nicht die Zeit. Er riß die Linien auf und schnitt die Stücke zurecht, dann nagelte er den Sarg zusammen.

Inzwischen bereitete Hermann draußen das Grab. Die Bockswieser hatten ihren Gottesacker nur eine kurze Strecke vom Hof. Da lagen die Hügel nebeneinander, unter denen sie begraben waren: Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und so fort. Seit Jahrhunderten lagen die Bockswieser hier begraben, wohl seit den Zeiten, da der erste Mann bis hierher vorgedrungen war, den Wald gelichtet und sein Haus gebaut hatte. Hermann schaufelte den Schnee zur Seite, dann schälte er den Rasen ab, um ihn sauber auf den Hügel legen zu können, und dann hackte er mit der Spitzhacke und schaufelte das Losgehackte aus der Grube.

Die beiden Leichen waren in den Stall geschafft und dort auf Heu gelegt. Die Bäuerin hatte sie entkleidet und wusch sie. Unter den Sachen, die aus dem brennenden Hause gerettet waren, befand sich auch die Truhe mit der Wäsche. In der Truhe hatte sie die Sterbehemden für sich und ihren Mann. Sie holte das Hemd ihres Mannes hervor, dann zögerte sie. Die Sachen des Hansl waren alle verbrannt. »Er ist ein treuer Knecht gewesen, der mit seinem Herrn gestorben ist,« sagte sie, »der verdient es.« So nahm sie ihr eignes Sterbehemd für ihn. Sie entfaltete es, die Tränen kamen ihr. »Das hatte ich nun für mich gesponnen und hatte es weben lassen,« sagte sie, »nun ziehe ich es einem Fremden an.« Sie ging mit den Hemden in den Stall zurück, sie zog die steifen Leichen an. Die Hemden waren lang, sie gingen den toten Männern bis über die Füße.

In der Beilade der Truhe hatte sie die Totengroschen aufgehoben, die einmal ihr und ihrem Mann mitgegeben werden sollten. Sie hatte sie mitgenommen. Nun wickelte sie die beiden Groschen aus dem Läppchen; es waren neu geprägte Münzen mit dem springenden Pferd; sie legte jedem Toten eine in den Mund unter die Zunge.

Da war auch der Wilhelm mit seinem Sarg fertig. Er hatte einen breiten Sarg gemacht für die beiden Männer, weil sie zusammen gestorben waren, der Bauer und der Knecht. Er trug ihn mit Hermann zusammen herbei; die beiden stellten ihn neben die Toten. Dann holten die beiden Heu vom Speicher, sie nahmen vom schönsten, das von der obersten Wiese, das besonders lag; es war kurz und duftete. Das Heu legten sie auf den Grund des Sarges, streuten und klopften es eben. Nun ergriffen sie an Schultern und Füßen die Toten und legten sie vorsichtig in den Sarg, nebeneinander. Die Hände legten sie jedem zusammen über die Brust, wie es gehen wollte.

Die Bäuerin stand dabei und sah ihren Mann im Sarg. Sie sprach: »Es ist eine gute Ehe gewesen, ich habe mich über ihn nicht beklagen können, nun bin ich mit den Kindern allein auf der Erde.« Dabei schossen ihr die Tränen vor, sie wollte sie abwischen, aber dann sagte sie: »Ich kann die Tränen nicht abwischen.« Sie tropften ihr auf Brusttuch und Schürze. Sie sagte: »Für die Kinder wäre er jetzt am nötigsten gewesen, die hatten schon viel von ihm. Und wer soll nun der Arbeit vorstehen! Es ist zu viel für eine Frau.«

Leise sprach Hermann: »Bäuerin, nimm es nicht übel, wir müssen den Sarg jetzt zunageln.«

»Ich will ihn noch einmal ansehen, dann könnt ihr ihn zunageln,« sagte die Frau, sie beugte sich über den Sarg, sie hielt sich an den Seitenbrettern und beugte sich ganz nahe über das Gesicht des Toten. Dann richtete sie sich auf und trat zurück.

Die beiden Männer nahmen den Deckel, paßten ihn sorgfältig auf und vernagelten ihn.

Dann bückten sie sich und faßten ihn jeder an einer Schmalseite und hoben ihn mühsam auf. Sie stellten sich und nahmen ihre Griffe, und dann gingen sie zur Tür. Die Bäuerin lief zur Tür voraus und öffnete sie, die Männer trugen den Sarg aus dem Stall in die winterliche Luft, die kalt hereinströmte. Die Rinder sahen sich um, eine Kuh brüllte.

Die beiden trugen den Sarg und gingen über den Hof an dem noch schwelenden Haus vorbei, bis zum Rande des Waldes, wo das Grab gerichtet war. Zwei Stämmchen waren quer darübergelegt, auf die stellten sie den Sarg. Dann zogen sie zwei Heuseile unter ihm durch und stellten sich an den Schmalseiten auf, indem sie die Seile hielten und sich gegen stemmten; die Bäuerin zog die Bäumchen unter dem Sarg fort, die Männer ließen ihn langsam in die Tiefe gleiten, und als er unten war, zog jeder sein Seil zurück.

Nun knieten die drei am offenen Grab und beteten. Sie beteten lange. Als sie sich erhoben hatten, da bückte sich die Bäuerin, um die drei Hände voll Erde hineinzuwerfen; der Wilhelm hielt sie am Arm zurück und sagte ihr: »Halt erst, ich muß dir noch etwas sagen, solange das Grab offen ist.«

Er sagte: »Ihr habt mich und mein Kind aufgenommen und habt uns Nahrung gegeben. Die andern Leute haben uns alle von ihrer Tür fortgeschickt. Aber ich will nicht hadern, die Armut ist groß, und jeder gibt erst den Kindern, ehe er den Fremden gibt. Ich habe auch ein Haus gehabt und ein Gewerbe, da ist nur noch die Brandstätte, die habe ich verlassen, denn aufbauen kann ich nicht wieder. Nun bist du, Frau, allein hier. Hier kann wieder aufgebaut werden, denn Holz ist vor der Tür, und das Vieh ist noch da. Aber das kannst du nicht allein. Wenn du keinen Mann hast, dann geht dir und den Kindern alles verloren. Deshalb will ich dir vorschlagen, nimm mich als Mann und sei eine gute Mutter für mein Kind, so will ich auch ein guter Mann für dich sein und ein guter Vater für deine Kinder. Ich kann arbeiten, und ich verstehe auch die Landwirtschaft. Das wollte ich dir sagen, solange dein toter Mann noch nicht unter der Erde ist.«

Er schwieg. Die Frau schwieg lange. Dann ging sie auf Wilhelm zu, reichte ihm die Hand und sprach: »Der Kauf ist abgeschlossen. Ich will dir vertrauen. Und ich will dir hier versprechen, daß ich keinen Unterschied machen will zwischen den Kindern.«

Wilhelm drückte ihre Hand, dann nahm er eine Handvoll Erde, warf sie in die Grube und sagte: »Im Namen des Vaters,« eine zweite Handvoll: »Im Namen des Sohnes,« und eine dritte Handvoll: »Im Namen des Heiligen Geistes.« Er trat zurück, und die Bäuerin trat vor und warf die Erde, dann warf Hermann.

Wilhelm hatte schon Kratze und Trog ergriffen und stürzte die Erde auf den Sarg. Hermann folgte ihm. Steine und Erde kollerten auf den Sargdeckel. Bald verschwand der Sargdeckel. Die beiden hackten in den lockeren Hügel und zogen die Erde in die Grube, die Grube füllte sich, dann häuften sie die übrige Erde über ihr an. Die Bäuerin stand bei ihnen, bis sie fertig waren.

Wilhelm sagte zu Hermann: »Wir bleiben nun hier, es muß jemand beim Vieh sein. Geh du allein nach Hahnenklee. Es findet sich schon etwas zu essen für uns bei den geretteten Sachen. Die Kinder behaltet noch ein paar Tage, Anna kann für sie sorgen. Ich richte für uns indessen hier ein Unterkommen.« Hermann gab den beiden die Hand zum Abschied, nahm seine Hacke und Schaufel auf den Rücken und ging.

Er ging den getretenen Pfad zum Hahnenklee. Noch hatte er das Bild der Beerdigung vor Augen, die beiden Toten, fühlte noch die Kälte der Leichname, wie er sie mit in den Sarg hob. So ging er, und bald trat er in den Wald. Ein Kreuzschnabel kletterte an einem Fichtenzapfen und entblätterte ihn. Mit einemmal stand ihm die heimatliche Hütte vor Augen, er dachte an Anna, und ein unbändiges Glücksgefühl strömte aus ihm heraus, er war so glücklich, daß er mit beiden Beinen hochsprang und sich auf den Schenkel klatschte.

So ging er, fast lief er; und als er aus dem Wald trat, da sah er die Hütte vor sich liegen; friedlich stieg eine dünne, blaue Rauchsäule aus dem Schornstein zum strahlenden, sonnigen Himmel.

Als er in die Hütte trat, da lief Anna auf ihn zu, hängte sich an seinen Hals und küßte ihn. Aber als er sie küßte, sah er den Sommer auf einem Schemel am Herd sitzen.

Der Sommer stand auf. Seine Augen flackerten fiebrig, er trat Hermann entgegen und sagte: »Du brauchst mich nicht so anzusehen. Ich will euch nichts tun. Und unsern Schatz hast du ja nun auch. Aber laß mich hier sitzen, daß ich mich erholen kann. Mich hat's gepackt.« Damit sank er wieder zurück auf den Schemel.

Hermann wollte aufbrausen. Aber Anna legte ihm die Hand auf den Arm und zeigte auf die alte Großmutter. Die winkte ihm und machte ihm eine Gebärde des Schweigens.

Hermann zog die Stirn in finstere Falten. Er sagte: »Ich habe dir nicht gesagt, daß du zu mir kommen sollst. Du kannst gehen.«

Der Sommer legte die Hände flehend zusammen. In seinen tückischen Augen war ein trauriger Glanz, und die höhnische Linie um den Mund war schlaff. Er sagte: »Ich habe doch dem Bauern nichts getan, das ist der Unterleitner gewesen. Ich habe abgeredet. Ich habe gesagt: heutzutage ist der Bauer der Herr, da muß sich der Soldat fügen. Deshalb will ich mich auch fügen.«

Die alte Margarete trat auf Hermann zu und sagte flüsternd: »Er ist sehr krank, das Fieber hat ihn.«

Unwillig schüttelte Hermann sie ab und sagte zu dem Sommer: »Ich traue dir nicht. Mach, daß du weiterkommst.«

Da sprang der Sommer von seinem Stuhl auf. Er ballte die Fäuste und hielt sie Hermann vor das Gesicht, der erschrocken und erstaunt zurückwich. »Was habe ich nun!« schrie er. »Der Unterleitner ist hin, der Hausburger ist hin, der Trost ist hin, der Treuding ist hin. Sind alle hin. Nun denke ich, ich habe den Schatz. Siehst du, du Hund, das habe ich auf mich genommen, denn ich denke, nun bin ich ein Herr und kann Kutsche fahren, und ihr müßt vor mir die Mütze deckeln. Was habe ich nun? Nun kann ich abziehen, und hier sitzt es, hier!« Er schlug sich mit den Fäusten auf die Brust. »Hier sitzt es, hier sitzt es,« schrie er, »das schlucke hinunter, wenn du kannst. Das sind doch meine Kameraden gewesen, die haben sich auf mich verlassen. Soll ich mich beim Bauern verdingen als Knecht? Lieber nehme ich die Hacke und schlage sie ihm über den Schädel. Nicht einmal ein Trinkgeld hast du mir dagelassen, du Dieb du, du Schatzräuber du!«

Hermann packte den Sommer vor der Brust und schüttelte ihn. »Was willst du?« schrie er. »Habe ich dir gesagt, daß du nach hier kommen sollst?« Er drängte ihn zur Tür, um ihn hinauszustoßen.

Da kamen die beiden in die Nähe des Tisches, auf dem das Brot lag mit einem Messer daneben. Im Nu hatte der Sommer das Messer ergriffen und stürzte sich auf Hermann. Aber da war schon Anna zwischen den beiden. Sie fing den Messerstoß des Sommer auf, das Messer ging tief in sie hinein, sie schrie: »Herr Jesus!« und stürzte hin. Der Sommer lachte hoch, riß die Tür auf und lief fort.

Hermann war neben Anna niedergekniet, an der andern Seite kniete die alte Margarete. Die Kinder drängten sich in die Ecke zusammen, weinten und schrien.

Margarete zog Anna das Mieder ab, streifte das Hemd zurück, Hermann war wie wahnsinnig, er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn und rief: »Was nutzt mir nun mein Geld, was nutzt mir nun mein Geld!« Annas Augen waren geschlossen, ihr Gesicht war totenblaß, aus der Wunde kam dick das Blut. »Es ist ja nur der Arm!« rief die alte Margarete.

Hermann warf im Nu seine Jacke ab, riß sein Hemd vom Leibe und zerfetzte es in Streifen. »Da, verbinden!« sagte er. Die alte Margarete legte achtfach gefaltete Leinwand auf die Wunde und drückte sie fest; sie färbte sich im Augenblick rot, das Blut quoll hervor. »Sie verliert zuviel Blut,« rief Hermann bebend und riß Streifen von seinem Hemd, die er mit zitternden Fingern aufwickelte. Die Großmutter legte einen Streifen um den Arm und zog ihn fest, dann wickelte sie weiter. Hermann fetzte eifrig an seinem Hemd und reichte ihr die Binden. Nun war es so, daß kein Blut mehr durchdrang.

Die beiden ergriffen die Ohnmächtige und legten sie auf das Lager. Hermann kniete neben ihr, streichelte ihr mit der rauhen Hand die Wangen, er küßte sie auf Mund und Stirn, er gab ihr Liebesworte und Kosenamen, die er ihr noch nie gesagt, denn vor dergleichen hatte er sich immer geschämt. Ein seliges Lächeln überzog das Gesicht der Ohnmächtigen. Ihr Mund bewegte sich, sie bildete einen Laut. »Hermann!« sagte sie, ihre Augen waren noch geschlossen. Da richtete sich Hermann auf die Knie, er faltete die Hände und betete, er konnte nur sagen: »Danke, danke!« Er bückte sich wieder über sie, er berührte sie nicht, aber sein Gesicht war dicht über dem ihren. Da schlug sie die Augen auf, die waren tief dunkel. Sie machte eine Bewegung mit den Armen, wollte ihn umfassen, da fühlte sie den heftigen Schmerz, mit einem Ausruf sank sie zurück. Ihre Augen schlossen sich wieder.

Der Sommer war aus der Tür gelaufen. Er war barhäuptig, sein Wams und seine Hose waren noch naß vom Wasser im Stollen, der Frost und das Fieber schüttelten ihn. Er lief in der Spur, in welcher er gekommen war, die zum Morgenbrotstal führte. Die Sonne schien hell und strahlend vom dunkelblauen Himmel, der Schnee war gefroren und blitzte in Millionen Funken. Er lief, wie er konnte, der Schnee krachte leicht unter ihm. Da kam er unten im Tal an, da war der rauchende Ausfluß des Stollens, da lag die nackte Leiche des Treuding im Wasser, die Beine stakten mager, der Kopf wippte leise auf und ab mit den Wellen.

Der Sommer sprang platschend in das Wasser hinunter und lief in den Stollen hinein. Er lief, das Wasser rauschte und platschte; da stieß er an die Leiche des Trost, die an ihrer Stelle lag; er lief weiter, da rannte er gegen einen Stempel. Er lief, den Kopf gebückt, da stieß er gegen die Leiter.

Er hatte einen Kälberstrick in der Tasche, den er im Stall genommen, weil er gedacht hatte, er könne ihn brauchen, wenn er den Sack holte. Er machte eine Laufschlinge, dann knüpfte er ihn an den ersten Nagel, der in der Schachtzimmerung eingeschlagen war, steckte den Kopf in die Schlinge und sprang von der Leiter ab. Er stürzte mit einem Ruck nieder, bis er an dem Strick hing und baumelte. Noch ein paarmal Zappeln, dann hing er still.

Unter ihm rauschte das Wasser des Stollens, neben ihm tropfte und rann es aus dem Schacht nieder.

Da waren nun die vier Toten: vor dem Eingang lag der nackte Treuding; in der Mitte wippte im Wasser der tote Trost; hier, im Schacht, hing am Strick der Sommer; und oben, vor dem Querschlag, das Schwert zwischen den Beinen, saß der tote Anheißer. Die vier hielten Wache vor der Stelle, wo sie den Schatz verborgen hatten. Der Schatz aber war verschwunden. Eine Viertelstunde Wegs war es bis zur Bockswiese, da lagen die verbrannten Knochen des Unterleitner und des Hausburger unter dem glimmenden Schutt des Hauses; und noch eine Viertelstunde Wegs mochte es sein, da lag in gefrorener Erde, nackt, unter abgeschnittenen Fichtenzweigen, der erste von den Soldaten, die zurückgekommen waren, um den Schatz zu holen, der einzige, der eines natürlichen Todes gestorben war.

Ein Heulen und heiseres Bellen kam tief aus dem Wald und weckte das Echo. Da stürmte ein Rudel Wölfe an, die auf der Jagd waren. Sie rannten gerade hinab in das Morgenbrotstal, da schnupperten die ersten und wendeten sich zum Bach, wo der nackte Leichnam des Treuding war. Bald war der rings umstellt von schlingenden, knurrenden Wölfen. Andre von den Wölfen drangen in den Stollen ein, da stießen sie auf den Leichnam des Trost; sie schleppten und zerrten ihn hervor; sie witterten die Leiche des hängenden Sommers, sprangen hoch, erschnappten etwas und rissen.

Auf das helle Wetter folgte bald wieder Schneetreiben; was übrig war von den zerrissenen Leichen, das wurde im Schnee vergraben; und als das Frühjahr kam, da lagen verstreut hier und da im Wald einige stinkende Knochen.

Anna mußte ihren Arm noch einige Wochen verbinden und in der Binde tragen, aber die Wunde heilte, ohne einen Schaden zu hinterlassen.

An einem Sonntag, es war kurz vor Weihnachten, gingen Hermann und Anna, Wilhelm und die Bäuerin von der Bockswiese nach Goslar. Der Weg war fest, es waren schon mehr Menschen die Straße von Goslar nach Klaustal gegangen.

Die beiden Paare hatten sich gekleidet, so gut sie konnten. Sie gingen zum Pastor, um das Aufgebot für ihre Verheiratung zu bestellen. So saßen sie in der Kirche und hörten die Predigt; die Kirche war fest gemauert und hatte starke Türen, sie stand in einer wohlbewachten Stadt. Die vier Leute saßen in Sicherheit und hörten auf die Worte des Pastors und hörten, wie dann ihre Namen von der Kanzel verlesen wurden.

Der Pastor hatte sie nach der Kirche zu sich geladen. Da saßen sie und teilten sein bescheidenes Mahl; Hermann hatte ihm drei geräucherte Hasen mitgebracht, aber die wurden noch aufgehoben von der Pastorin für eine andre Gelegenheit. Der Tisch war mit einem weißen Tuch gedeckt, die zinnernen Teller blinkten; an der Spitze des Tisches saß der Pastor, neben ihm zu beiden Seiten Hermann und Wilhelm, dann kamen die Frauen, und am Ende die Kinder des Pastors, sechs blonde Knaben. An der Wand hing ein Brett, auf dem Bücher standen: die Bibel, das Gesangbuch, die Konkordanz und noch andre Schriften.

Es war noch Winter, aber es konnte doch schon eine Menge vorgearbeitet werden für das Frühjahr. Auf beiden Höfen mußte man bauen, da brauchte man Holz, das jetzt geschlagen werden mußte. Die beiden Männer waren sich klar darüber, daß man in früheren Zeiten das Holz hatte drei Jahre lang liegen lassen, ehe man es einbaute; aber das ging nun nicht, und sie dachten auch, daß sie nur etwas Vorläufiges richten wollten, das dann die Kinder oder Enkel schöner und größer bauen konnten.

So gingen sie vom Pastor fort in der Stadt herum und sprachen mit Leuten, die sie brauchen konnten bei der Arbeit. Alle freuten sich, die sie fragten, denn die Not war groß. Sie fanden drei Knechte und eine Magd, die ihnen gleich folgten, und so zogen sie denn am Nachmittag zu acht Personen wieder zurück in die Berge.

Am andern Morgen begann die Arbeit. Die Männer gingen in den Wald und bezeichneten die Stämme, die geschlagen werden sollten, dann nahmen alle ihre Sägen zur Hand und machten sich ans Fällen. Als es Mittag war, da krachten schon die ersten Bäume um.

Am Herd stand die alte Margarete und kochte für alle; Anna ging ihr flink zur Hand.


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