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Eine fuertreffliche,
lustige und nuetzliche Historie
vom edlen, ehrenreichen und mannhaftigen
Ritter Pontus,
des Koeniges Sohn aus Gallicia und von der
schoenen Sidonia, Koenigin in Britannia;
darinnen viel nuetzlicher Lehren und Unterweisungen,
wie man sich bei Fuersten und Herrn
rittermaeßig, frommlich und hoeflich
soll verhalten.

 

Das erste Kapitel

Wie der Soldan seine drei Soehne wider die Christen ausschicket, sie zu bekriegen.

Vor Zeiten war gar ein frommer, guter, wohlthuender Koenig in Gallicia, Tiburt genannt, dem zu seinen Zeiten viel Widerwaertigkeit, große Bekuemmerniß, Unfall und Leiden zustund und ueberfiel. Dieser Koenig Tiburt haet des Koenigs von Arragon Schwester zu einem ehelichen Gemahl: das war gar eine schoene Frau, eines heiligen und guten Lebens und Wesens. Diese beiden hatten einen Sohn, Pontus genannt, der war der allerschoeneste und tugendlichste Juengling, daß man seines gleichen im ganzen Koenigreich, weder nahe noch fern, sehen noch finden mochte; denn er nicht ungleich war seinem Vater, der da fast huebsch, fromm und tugendreich war. Zu denselben Zeiten war im Orient der Soldan fast maechtig und gewaltig an großem Gut, Gewalt und aller Kriegsruestung. Dieser Soldan hatte vier Soehne; mit denen macht' er ein solches Geschaeft, Beschluß und Ordnung, daß der aelteste Sohn, nach seinem Tode, sollt' ihm erblich nachfolgen und besitzen sein Koenigreich. Und mit den andern seinen dreien Soehnen beredet' er sich also, und sprach: »Ritter und liebe Kind, ihr sollt nicht warten noch gedenken, etwas von mir zu erben, noch erblich zu besitzen; aber ich ordne und schaffe euch jetzt, daß euer jeglicher in's besondere soll und werde haben dreißig tausend streitbarer Mann. Und mehr: denselbigen will ich bestellen Schiffe und ihnen auch dazu lohnen, und alle Nothdurft haben, und euer jeglichen versehen auf drei Jahr. Und euer jeglicher soll also fahren nach Gewinn und Abentheuer in die Land' und Koenigreiche der Christen. Welcher dann unter euch dreien das Beßte thut und den Glauben Machomets baß mehren und erheben wird, und am meisten gewinnet, derselbe soll und wird mir der liebste und angenehmste sein, und will ihn auch erhoehen und am werthesten und ehrlichsten halten, und ihm von meinem Gut mehr vor den andern geben.« Also verschuf derselbige Soldan.

Als sie nun mit aller noethigen Schiffung von dannen gefertiget wurden, da begab es sich, als das Glueck wollte, daß einer desselbigen Soldans Sohn, Produs genannt, mit seiner Schiffung und Volk, durch Ungewitter gefuehrt ward gen Galicia in Hispania, zu der Stadt Cologne. Er kam daselbst auf das Erdreich in ein Gebirge, und stieg aus selb zwanzig. Viel Volks, das daselbst spazierte auf dem Grand und Ufer des Meers, und was er fand daselbst am Land, fing er, fragete sie vielerlei fremder Sachen, und wer der Herr des Lands waere? Die gaben ihm Antwort und sagten: Wie das Land ein Koenigreich waere und hieße Gallicia, und dieses Lands Inhaber und Herr waere ein Koenig und hieße Tiburt. Da fraget' er sie mehr: was Glaubens sie waeren und wen sie anbeteten? Die sagten ihm: wie sie an Jesum Christum glaubten.

Da nun des Soldans Sohn solches vernahm und sich eigentlich erkundet, da hieß er die Schiff' ein wenig hinter sich fuehren, gleich als ob er wiederum von dannen und nicht in dem Lande bleiben wollte. Und schickete darnach zwoelf Schiffe zu den Thoren und Porten der Stadt Cologne, und befahl ihnen, die darinnen waren, daß sie sich sollten erzeigen in dermaßen, als ob sie Kaufleute waeren, und sollten mit ihnen nehmen Gewuerz, seiden Gewand, Tuecher, Zucker, und die ausbieten, in maßen, als sie die verkaufen wollten, und daß sie den Abend unter ihre Roeck' ihre Panzer anlegten und an den Morgen, so der Tag herbraech', auf die Stadtmauer bei dem Thor und Thuernen gingen, gegen das Meer. Und so wollt' er dann mit seinem Volk und Leitern dahin kommen; so sollten sie ihnen in die Stadt zu steigen hinein helfen, damit sie diese moechten gewinnen und hinein kommen; denn also moechte es nicht fehlen, sie wuerden die Stadt gewinnen.

Als nun der Anschlag war geschehen, da kamen die mit den zwoelf Schiffen fuer die Stadt, erzeigten sich, als ob sie Kaufleute waeren aus Cypern, und verkauften da Gewuerz und seidene Tuecher, und gaben solchen Kaufmannsschatz gar wohlfeil. Und ihrer zween und dreißig, in Kaufmannsweise, gingen an dem Abend in die Stadt und nahmen Herberg' an, am allernaechsten bei dem Stadtthor, hießen ihr Nachtmahl gar wohl bereiten und zurichten und luden auch ihren Wirth, daß er mit ihnen zu Nacht aeße. Als sie nun hatten gegessen und waren froehlich gewesen, da gingen sie schlafen, und den Morgen frueh gingen sie auf die Mauer bei dem Thor, als die Mauer von Waechtern verlassen war, lehneten sich ueber die Mauer hinaus und warteten des Anschlags.

Da war hiezwischen unten zu der Mauer kommen Produs, des Soldans Sohn, mit großem Volk und viel Leitern. Und da sie die Ihren droben vernahmen, wurfen sie die Leitern an die Mauer und stiegen hinauf, also, daß in einer kurzen Weile mehr denn tausend auf der Mauer waren, gewannen das Thor und darnach die Stadt ohne Widerstand, und thaeten großen Mord und Uebels in der Stadt. Darnach liefen sie zu dem Schloß und zu des Koenigs Saal, den zu gewinnen; denn da war der Koenig Tiburt und die Koenigin selber innen; und wollten da den Koenig mit Gewalt fahen. Er wollte aber sich nicht gefangen geben, sondern wehrete sich so mannlich und fast, bis sie ihn erschlugen; das doch gar ein großer Schade war. Und dieweil solches geschah, stahl sich die Koenigin heimlich durch ein klein Thuerlein aus, hatte nichts mehr, denn ein Unterroecklein an, schlug einen kleinen Mantel um sich, und floh in einen finstern, tiefen Wald.

Nun hatte des Koenig Tiburt Sohn, genannt Pontus, dreizehen edle Kinder und Knaben und einen Kaplan; der fuehrete des Koenigs Sohn, Pontus, und dieselben edlen Kinder in einen alten Berg und Hoehle: darin blieben sie zween Tag', ohn' Essen und ohne Trinken. Aber zuletzt sprang Pontus aus der Hoehl' und mit ihm sein Vetter Polidas und auch die andern des Hungers wegen. Da sie nun gesehen wurden, da fing man sie alle und fuehrte sie fuer den Koenig, des Soldans Sohn. Und da er die huebschen Kinder und Knaben ansah, da ließ er sie fragen, von was Geschlecht sie waeren? Da antwortete Pontus und sprach: Sie waeren Kinder, die der Koenig Tiburt um Gottes willen ließ ziehen, wenn sie groeßer wuerden, ihm zu dienen und etliche sollen ihm ziehen Winde, etliche des Koenigs Greifen und Falken bewahren, und andere Dienste mehr, im koeniglichen Saal und Kammer.« Darnach sprach Produs: »Bei Machomet, ich weiß nicht, was ihr seid; aber an Huebschheit und Vollkommenheit habt ihr feinen Fehl. Ihr mueßt euern Glauben lassen, der nichts werth ist, und lernen unsern Glauben von Machometen, der gut und vollkommen ist: so will ich euch viel Gutes thun. Wollt ihr aber nicht, so will ich euch lassen toedten eines harten Tods. Nun erwaehlet euch aus den zweien, welches ihr thun wollt.« – »Fuerwahr, – sprach Pontus, daß wir unsern Glauben lassen sollen und Machomets Glauben annehmen, das thun wir nimmermehr, und sollten wir darum sterben.« Da sprach der Koenig: »So seid ihr dazukommen und muesset alle sterben eines harten Tods.«

 

Das zweite Kapitel

Wie die vierzehen Knaben durch einen Ritter des Soldans beim Leben erhalten wurden, und auf dem Meer hinweg bracht.

Nun war bei dem Koenig Produs ein Ritter, Patrises genannt, der war ein heimlicher Christ, welcher in einem Streit war gefangen worden und des Machomet Glauben, um Furcht willen des Tods, an sich haet genommen, und waren doch allezeit sein Herz und Gedanken in Christo Jesu. Er war auch dem Koenig gar lieb; er ging fuer ihn und sprach: »Gnaediger Herr, ich will mich der Kinder unterwinden, sie zu unterweisen und zu unserm Glauben zu bringen.« »Deß bitt' ich dich,« – sprach zu ihm der Koenig – »und befehle sie dir in deine Gewalt.«

Da der Ritter schickete sie in seine Herberg', und draeuet' ihnen vor den Heiden aus dermaßen fast. Als er aber zu ihnen in die Herberge kam, da nahm er die Kinder zu ihm in seine Kammer, hieß alles Volk von ihm gehen und fragte sie, ob sie haetten gegessen? Sie sagten ihm: sie haetten in dreien Tagen nichts gegessen. Da ließ der Ritter ihnen gnug zu essen und zu trinken geben. Darauf ging er von ihnen zu dem Meer, fand da ein Schiff, das kaufet' er, richtet' ihnen das wohl zu und hieß in das Schiff Speis' auf drei Monat tragen, bei der Nacht. Und an dem Morgen frueh fuehret' er dieselbigen edlen Knaben zu dem Schiffe und hieß sie darein gehn. Er hat auch in seinem Gefaengniß einen Schiffmann, der auch ein guter Christ war und des Tods taeglichen erwartete: den gab er denen Knaben zu in das Schiff, sie zu fuehren und zu Land zu bringen, und befahl ihm, daß er sich an einen heimlichen Ort im Schiff legte und verborgen hielte.

Da nun die Kinder im Schiff waren, da ließ man den Segelbaum fallen und fuehrte das Schiff mit den edlen Kindern hindann auf das große und hohe Meer. Da ging der Schiffmann herfuer, nahm das Ruder in seine Haende und fragete die sieben edlen Kinder: wo sie hin woellten fahren? Ihm antwortet' der schoene Juengling Pontus und sprach: »Lieber Freund, wir sagen dem allmaechtigen Gott Lob, Ehr' und Preis, und danken seinen goettlichen Gnaden, daß er dich uns hat zugesendet. Nun fuehr' uns gegen einen Port in Flandern oder in Frankreich.« Das gelobt' ihnen der Schiffmann zu thun.

 

Das dritte Kapitel

Wie der Koenig durch seinen Ritter beredet wird, daß die vierzehen Kinder getoedtet seien.

Nun wollen wir eine Weile von den vierzehen Kindern lassen und fuerbaß anheben und sagen von dem, der die Kinder und den Schiffmann in das Schiff thaet. Derselbige Ritter hieß mit Namen Patrises, der ging fuer den Koenig, des Soldans Sohn, und sprach: »Gnaediger Herr, ich hab' Euch wohl gerochen an den Kindern, die ihr mir befohlen habet; denn sie wollten nicht an Machometen glauben. Ihr werdet sie nimmermehr sehen, noch von ihnen hoeren sagen; denn ich habe sie ohne Speis' in ein altes zerbrochenes Schiff gethan, das hat zwei oder drei Loecher, und habe sie auf's hohe Meer gesetzt; und vielleicht sind sie itzund schon ertrunken, daß ihr forthin gewißlich von ihnen nichts mehr werdet hoeren.« – »Ich wollt' es nun recht gern; – sprach der Koenig – denn mir hat hinte Nacht von ihnen getraeumet, gleich als wie ich die vierzehen Kinder saehe in einem gruenen Wald. Und das huebscheste Kind unter ihnen, das redete mit mir, und bedauchte mich, wie es zu einem Loewen waere worden, und traete mich gar hart, und hielte mich so hart und fest unter ihm, daß mich bedunket', ich stuerbe. Solches hat mich gar aus dermaßen erschrecket, und bin ich dieses Traumes fast traurig.« – »Seid unerschrocken, – sprach der Ritter – es ist nur ein Traum und Melancholei, und darob duerfet ihr keine Sorge haben.«

Darauf sprach der Koenig: »Nun reitet hin und bringet uns die gefangenen Leute. Alle, die unsern Glauben annehmen wollen, die wollen wir werth und schoen halten und ihnen von unsern Guetern geben. Aber welche unsern Glauben verachten und nicht annehmen, die muessen viel Arbeit thun, große Armut leiden, in harter Unterthaenigkeit leben und uns Zins und Nahrung geben, soviel sie haben moegen. Also machet' er ihn gewaltig ueber die Gefangenen und ueber das ganze Land, gab ihm auch nothduerftige Briefe, solche Ordnung zu machen.

Da hatte nun der Ritter alle seine Gedanken und Sinn dahin, wie er den Christen moechte helfen, damit sie des Glaubens halb nicht getoedtet wuerden. Er ritt um in den Landen, das Volk zu suchen und zu fahen, und nahm von ihnen viel Gelds und Guts, doch von jedem, nach dem er vermocht' und hatte. Unter andern fand er des Koenigs von Gallicia Bruder, den Grafen von Estor, das war gar ein alter frommer Mann; den hatte man ihm verrathen. Und als der Ritter vernahm, daß er des Koenigs Bruder von Gallicia war, da nahm er ihn, fuehrt' ihn eine Kammer besonders und sprach zu ihm: »Herr, ich weiß wohl, daß ihr seid des Koenigs von Gallicia Bruder, der erschlagen ist. Ihr habet große Begierde und woelltet gern viel thun und ueber euch nehmen, zu helfen diesem Land und Volk, das in so große Kuemmerniß, Unglueck und Peinigung gefallen ist und fast unterthaenig und gehorsam jetzt muessen sein den Heiden; so lange bis unser lieber Herr Jesus Christus ihnen Huelf und Trost sendet. Aber ich sage euch das fuerwahr in geheim und ganzen Treuen, daß ich mit euerm guten Rath dazu will thun und helfen, was ich kann und vermag.« Darob empfing der Graf von Estor viel und große Freude, fiel nieder weinend auf seine Knie und danket' unserm Herrn Jesu Christo. Da hub ihn der Ritter auf, und umfingen einander mit den Armen, halseten und kuesseten einander weinend und preis'ten den allmaechtigen Gott.

Da sprach der Ritter Patrises zu dem Grafen: »Lieber Herr, ich mein' und hoffe, Gott werde sich noch ueber das Volk und auch ueber das Land erbarmen. Wir muessen aber uns maßen, daß wir nicht viel miteinander reden, was dem Koenigreich und dem christlichen Volk nuetz und vorstaendig sei. Und ihr sollt euch erzeigen und thun in maßen, als ich, als ob ihr ein Heide wolltet sein und euch Machomets Glaube fast wohl gefiele; so wird der Koenig große Freude darob haben.«

Da schwuren sie einen Bund zusammen, Lieb und Leid mit einander zu leiden, und kueßten auch einander von des Buendnisses und des Eids wegen, den sie zusammen geschworen hatten, um gemeines Nutzes willen. Damit ging der Ritter Patrises von ihm aus und fuegete sich zum Koenig und sprach zu ihm: »Gnaediger und edler Herr, ihr sollt billig Machomet danken; denn von seinen Gnaden habe ich zu unserm Glauben bracht des Koenigs Tiburt, der erschlagen ist, Bruder, der da ein Herr ist dieses Lands, den Grafen von Estor.«

Solcher Red' und Fuernehmens gewann der Koenig große Freude, und machet' also zwischen seinem Ritter und dem Grafen von Estor ein neues Buendniß und Freundschaft. Darnach brach der Koenig auf, zog mit dreißig tausend streitbaren Mannen fuer die Staedt' und Schloesser, und im Land hin und wieder, also lange, bis er sich das ganze Land unterthaenig und gehorsam macht', und legt' ihnen auf großen schweren Zins ihm jaehrlich zu reichen. Da war groß Jammer, Noth und Leiden unter den Christen, das nicht wohl zu beschreiben ist; darum ich's auch, Kuerze halben, bleiben lasse.

 

Das vierte Kapitel

Wie die vierzehen Kinder einen Schiffbruch erlitten und nach viel Faehrlichkeit zu Lande kamen.

Ich will nun weiter von den Kindern sagen, wie sie auf dem Meer unmuthig und in großen Sorgen ihres Lebens waren. Aber das Gluecksrad, das gar seltsam umhergeht, fuehrete sie von Malegranat bis in klein Britannia. Der Wind und die Fortun auf dem Meer waren fast groß und warfen das Schiff in einen Hafen, gegen einen Wald, da ein Kloster in lag, und schlug also das Schiff an einen Berg, daß das Segel und die Masten zerbrachen. Aber Gott und das Glueck war mit ihnen, also, daß das Schiff zwischen zween Berge kam und sie da einen Schiffbruch erlitten. Da arbeiteten die Kinder so lange, bis sie auf einen Berg kamen. Da huben sie ihre Haende auf gen Himmel, dankten dem allmaechtigen Gott und ruften ihn herzlichen an um weitere Huelfe. Also erhoerte sie der guetige, barmherzige Gott, der seine Ohren nicht verstopft, noch sein Angesicht verbirgt, vor dem Geschrei und Ruf seiner lieben Freund'; als ihr hernach werdet hoeren.

In denselben Zeiten regiert' in Britannia ein Koenig, genannt Argill, ein frommer, getreuer und kluger Mann; aber er war fast alt und hatte nur eine einige Tochter, die hatt' er mit des Herzogen von Normandia Schwester, die sein ehelich Gemahl war; und dieselbige seine Hausfrau haet das Podagra hart, also, daß sie sich ohne Huelfe nicht mochte umkehren. Und dieselbige seine Tochter war so vollkommen andaechtig, demuethig und auch schoen, daß man ihres gleichen nirgend konnt' und mochte finden; denn man wußte von keiner, denn allein von ihrer Tugend und Schoene zu sagen; sie war auch allein des Koenigs Freud' und Aufenthaltung. Nun war ein Seneschal in Britannia bei dem Koenig, genannt Herland, der war gar ein frommer und getreuer Ritter, und war des Koenigs ganz gewaltig. Der jagte desselben Tags in dem Wald, und, als Glueck gab, kam ein Hirsch in das Wasser gleich fuer den Berg, da die edlen Kinder waren. Als der Seneschal dem Hirsch nacheilte zu dem Berg in's Wasser, da ersah er die Kinder auf dem Berge, ritt hinzu und rufte mit lauter Stimme, was sie fuer Leut', oder von wannen sie waeren?

Da gaben sie Antwort und sprachen: sie waeren seltsame, fremde Leute, die da nicht wueßten, wo sie waeren. Da ritt er zu ihnen hinzu in das Wasser, das seinem Pferde ging bis an den Bauch, und fragte sie, von was Land sie waeren? Sagten sie: wie sie aus Gallicia waeren. Sprach er: er wollt' einen nach dem andern hinter ihm hinaus fuehren. Darnach ging der Kinder eins zu ihm, das hieß Unitas, und sprach zu dem Seneschal: »Herr, hie ist Pontus, des Koenigs Sohn von Gallicia.« Und zeiget' ihm den. »Und der bei ihm steht, – sprach er – ist sein Vetter; und ich und die anderen sind Freiherrn von Gallicia Soehne.« Und da der Seneschal vernahm, daß Pontus des Koenigs Sohn von Gallicia war, da erzeiget' er sich ganz freundlich gegen ihn, empfing ihn gar schoene mit großer Ehrerbietung und hielt eine Weile Gespraech mit ihm; darauf ihm die Kinder, und besonders Pontus, weislich konnten antworten. Und erzaehlten ihm die Geschichte mit des Soldans Sohn gegen die Stadt Cologne, mit dem Koenig Tiburt, Pontus Vater, und auch mit ihnen, wie es ergangen war. Da der Seneschal vernahm und hoerte das Ueberfallen und Einnehmen des Koenigreichs von Gallicia, da erbarmet' es ihn gar uebel, und er hatte große Betruebniß und Mitleiden, und besonders, daß der Koenig erschlagen und das Land gewonnen war durch solch unchristlich Volk, und daß sie solche Gewalt ueber Christen sollten haben.

Er nahm Pontus hinter sich und fuehrt' ihn, ordnet' auch den andern etliche Pferde, darauf zu reiten, und fuehrte sie mit ihm gen Vannes, da der Koenig von Britannia war. Da derselbige Koenig die Kinder haet gesehen und gehoert, wie der Koenig von Gallicia erschlagen und das Land daselbst verloren und gewonnen war, da weinet' er fast und herzlich sehr, und gehub sich gar uebel; darauf hieß er den Seneschal fuer sich kommen, befahl ihm Pontus zu ziehen und ueber ihm zu halten; und jedem Grafen und Freien von Britannia befahl er der Kinder eines, sie also auf drei Jahr bei ihnen zu halten und ziehen; und schieden also damit von dem Koenig. Er empfahl ihnen fast, die Kinder zu lehren allerlei Kurzweil', im Schachzabel, Fechten, Jagen und Beizen, und was solchen Kindern zugehoert.

Herland, der Seneschal, ritt also heim und fuehrte Pontus mit ihm. Den lehret' er allerlei Kurzweil', mit Schachzabel, Jagen, Fechten, und was einem Fuersten zugehoert. Da ward der Ruhm und das Geschrei ueberall in Britannia und andern Enden gar groß, von der großen Schoenheit, Weisheit, Tapferkeit und Demuethigkeit, die Pontus an ihm haette, und jedermann, fern und nahe, sagte von Pontus; denn er fuerchtet' und liebete Gott und sein Wort gar fast und suchete seine Ehre vor allen Dingen. Alle Morgen, so er aufstund, war seine erste Arbeit, daß er seine Haende wusch, ging zu der Kirchen und hoeret' eine Messe. Er aß und trank auch nicht so lange, bis er sein Tageszeit vollbracht hat. Auch was ihm geschah, und wie wenig er hat, gab er doch eine Gabe den armen und duerftigen Leuten. Seine Schwuere waren nur: fuerwahr, oder: so mir Gott helfe; lieber Freund, es ist nicht also; und so weiter. Auch so er mit dem Ball spielet', oder ander Spiel und Kurzweil trieb, so war er gleich froehlich, so er verlor, als, so er gewann. Thaet man ihm Unrecht, so gab er das mit zweien oder dreien Worten zu verstehen, als ihm Unrecht war geschehen, und wollte nicht weiter kriegen; ehe ließ er sein Recht fallen. Er saget' aber denen, die ihm Unrecht gethan hatten, daß sie ihm solches nimmer sollten thun; denn er wollte ehe von dem Spiel gehen, ehe daß er mit ihnen wollte kriegen. Es mochte auch niemand mit ihm zuernen; denn seine Worte waren allezeit auf große Freud' und Schimpf gerichtet. Welcher ein Spoetter, unaufrichtiger und unnuetzer Mann war, den haet er nicht lieb, und vermochte sich sein auch gar nicht. Wenn man Frauen, Jungfrauen, Edelleuten, Priestern oder andern Dingen uebel redete, das war ihm gar ein groß Mißfallen und er sprach: »Man soll nicht alle Dinge glauben und sagen, was man hoeret,« und sprach darzu: »denn solches heißt nur reden von Hoerensagen, und waere auch nicht gut, daß es alles wahr waere, was man hoeret reden.« Auch gefielen ihm solche Leute nicht wohl, war auch nicht wohl bei ihnen. Man konnte auch derselbigen Zeit demuethigeren, lieblicheren Mann nicht finden; denn es koennt' ein Edelmann seine Kappen oder Hut so bald nicht abthun, er haette den seinen so bald auch abgethan, und grueßet' auch gern und gesellete sich zu jedermann. Er ging auch zu keinem Spiel oder Schimpf, da Zorn war oder Unzucht getrieben ward. Was soll man sagen? er war ein Liebhaber aller Zucht, Ehren und Tugenden, die reichlich an ihm erschienen, also: gleich wie er alle andere Juengling' in Gestalt und Huebsche uebertraf, so ferne schien und fuertraf er an Tugenden alle andere, also, daß er der vollkommenste war in allen guten Sitten und hoeflicher Zucht, der da funden mochte werden. Er war groß, wohlgeschickt von Brust und Ruecken, klein von Bauch; seine Arm' und Beine waren nach Wunsch wohl gemachet: sein Antlitz war klar und braun; er haet ein liebliches Gesicht, sein Mund war roth, seine Nase war gerade: er sah gleich als ein Engel, und je mehr man ihn ansah, je mehr und lieblicher war er anzusehen; und ging die Red' allein ueberall von ihm.

Nun kam die Rede gen Hof und fuer die schoene Sidonia, des Koenigs Tochter, von Pontus Huebsche und Schoene, auch von seiner trefflichen Tugend und guten Sitten, also, daß sie sein begehrete zu sehen, und bat Gott gar fleißiglich in ihrem Herzen, daß sie ihn bald und oft moechte sehen.

 

Das fuenfte Kapitel

Hie hielt der Koenig einen großen Hof zu Vannes, mit Grafen und Herren; dazu beschicket' er die vierzehen Knaben.

Es geschah nun nach dreien Jahren, daß der Koenig Argill einen großen Hof zu Vannes wollte haben, und schickete Volk von seinem Gefolge nach den vierzehen Kindern und entbot ihnen, daß sie zu demselben Hof sollten kommen. Also brachte Herland, der Seneschal, mit sich den Pontus, und der Graf von Lenal brachte mit sich seinen Vetter Polidas, der auch gar schoen war, und der jedermann, nach Pontus, am baßten gefiel. Da nun Pontus zugegen war, sah ihn jedermann gern, und hatten ihre Gesicht' alle auf ihn und wuenschten ihm Gnad' und Heil. Da ihn der Koenig ansah (bedarf nicht Frag', ob er ihn schoen empfing), sprach er zu ihm: seine Zukunft sollte gluecklich sein und Gott wollt' ihm geben so viel Gutes und Ehre, so viel er ihm deß goennete. Er befahl ihm, daß er sollte dienen mit seinem Trinkkopf an dem Hof. Also hielt der Koenig den Hof mit Grafen, Freien, Herren, Rittern und Knechten. Die schoene Sidonia hielt ihren Hof auch da besonders, mit Jungfrauen und Frauen. Viel und groß war die Freude, die man an demselben Hof mit mancherlei Kurzweil' anfing.

Sidonia hoerete fast gern und viel sagen von der großen Frommkeit und auch Huebschheit, die Pontus an ihm hat, und war Tag und Nacht in großen Gedanken, wie sie ihn koennte und moechte sehen, und wußte nicht Ursach zu finden, damit er, ihrer Begierde nach, ihr zu sehen moechte werden. Da sie viel und weit gnug gedacht, da schickete sie nach Herland, den Seneschal; und da er zu ihr kam, schenkete sie ihm gar ein schoenes Pferd und einen edlen Falken, und empfing ihn gar schoen. Da sie ihm so große Ehre bewies, gedacht' er wohl und besorgete, daß sie etwas sonderes wollte. Also darnach sagete sie ihm, warum sie nach ihm geschickt haelt', und sprach: »Seneschal, lieber Freund, ihr mueßt uns lassen sehen euere Zucht, ich meine den Pontus, den ihr itzund gezogen habt; denn man saget uns, daß er bei euch gar aus der maßen wohl gelernet hab', auch gar wohl kundig sei. Darum bitt' ich euch, woellet ihn zu uns fuehren, daß wir ihn sehen; und kommet auch selbst mit ihm zu uns; denn man hat uns auch von ihm gesagt, daß er gar wohl sing' und tanze, und wir wollten fast gerne ihn sehen tanzen und hoeren singen.«

»Gnaedige Frau, – sprach der Seneschal – in Gottes Namen, ich will ihn zu euch fuehren, dieweil es euren Gnaden ein Gefallen ist.« – »So gehet itzund hin nach ihm, – sprach Sidonia – daß wir ihn moegen sehen und hoeren, ob es alles wahr sei, deß man von ihm redet und sagt.«

Der Seneschal nahm Urlaub, ging von ihr und bedachte sich auch gar eben; denn es war gar ein weiser Ritter und ein frommer Mann, gedacht' und vernahm, wie sie ihm so große Ehre nur allein von Pontus wegen bewiese, und war darum in großem Unmuth. Doch gedacht' er sich, er wollte seinem Vetter Polidas an seiner statt zu ihr bringen, aus großer Betrachtung und vielerlei Ursach willen; denn er besorgete den Koenig gar fast, darum, daß vielleicht etwas Uebels daraus moechte kommen. Er ging hin, nahm Polidas und fuehret' ihn mit sich. Sidonia ging in ihre heimliche Kammer, nahm nur eine Jungfrau mit ihr, die hieß mit Namen Eloisa, welche sie heimlich gar sehr lieb hat und getraute ihr auch vor andern, und saget' ihr: wie sie fast große Begierde hatte zu sehen den schoenen Pontus, da maenniglich von redete.

Nun war ein kleines Fenster in ihrer Kammer, da haet Sidonia staetiglich ihre Augen außen gerichtet, zu sehen, wann Pontus kaeme. Itzund sah sie zum Fenster aus, darnach nahm sie ihren Spiegel, besah sich und fragete Eloisa: wie ihre Gebaerden, und ob sie recht waeren? Indem sahen sie den Seneschal und Polidas herzukommen, der auch gar schoen war. Und da sie herzukommen waren, da ging Sidonia aus ihrer Kammer und haet deß gar große Freude; sie ging zu Polidas, empfing ihn gar hoeflich und schoen, nahm ihn bei der Hand, fuehret' ihn zu ihrem Stuhl und hieß ihn zu ihr sitzen. Da sprach Polidas: »Gnaedige Frau, ich will, noch soll nicht zu euch sitzen; denn es ist nicht billig.« – »Sicher, – sprach Sidonia – ihr mueßt zu mir sitzen; denn ihr seid auch eines Koenigs Sohn, darum es nicht unbillig ist.« – »Nein, gnaedige Frau, – sprach Polidas – ich bin keines Koenigs Sohn.« Da fragete sie ihn und sprach: »Seid ihr nicht des Koenigs Sohn von Gallicia?« – »Gnaedige Frau, nein, ich bin Polidas und bin sein Vetter.« – »Ei,– sprach sie – sicher, ich vermeinet' es.« Und hielt ihn dennoch gar schoen, wiewohl daß es ihr Zorn thaet, daß sie der Seneschal haet betrogen. Sie hieß darnach den Seneschal zu ihr kommen, und sprach zu ihm: »Ihr solltet mir haben bracht seinen Vetter; warum habet ihr mir das gethan? Was moeget ihr wider mich gedenken? oder haltet ihr mich so gar naerrisch?«

 

Das sechste Kapitel

Wie der Seneschal Sidonia um Gnad' und Verzeihung bittet, von wegen des Betrugs, so er ihr erzeigt haet.

Als nun der Seneschal den Zorn und Unwillen Sidonia's gegen sich vernahm, demuethiget' er sich fast vor ihr und sprach: »Gnaedige Frau, ich bitt' euch durch Gottes willen um Gnade, wollet mir das uebel nicht vermerken, was ich gethan habe; denn ich habe gefuerchtet meinen Herrn, den Koenig, euern Vater, der euch fast lieb hat. Denn solltet ihr euch gegen Pontus ein wenig baß und guenstiger erzeigen, denn gegen einen andern, fuercht' ich, man moechte ihn darum neiden, und ihm zu Schaden kommen. Und wiewohl euere Gedanken zu Zucht und Ehren stehen, so ist die Welt doch so voll Rede, daß sie das nicht zu dem Beßten sondern zu dem Argesten kehret und ausleget.« Sidonia sprach: »Habt keinen Zweifel an mir; denn mir waere lieber der Tod, als daß man Ursache moechte finden an mir, anders zu reden, denn, das ehrlichen und gut waere, und sollt' auch deß ganz sicher sein.«

Der Seneschal ging hin, Pontus zu holen. Sidonia ging in ihr Gemach, erwartete mit großer Begierd' und Freude des Juenglings. Sie sah zu einem Fenster aus auf den Weg, da er herkommen sollte, und war niemand bei ihr, denn Eloisa, ihre liebe Jungfrau; und also schauet' Eloisa auch oft aus. Zuletzt kam Eloisa schnell gelaufen zu der Frauen, und sprach: »Frau, er kommet, der Schoenste von aller Welt.« Da erschrack Sidonia von rechten Freuden, die sie empfing, ging auch an das Fenster und sah ihn und den Seneschal mit einander kommen. Und als sie Pontus recht ersah, da war er gerade, lang und schoen, daß sie sich darob verwundert', und sprach: »Liebe Eloisa, er bedunkt mich aus dermaßen schoen.« Darzu sprach Eloisa: »Frau, es ist nicht ein Mann, sondern ein Engel; denn ich habe keine menschliche Kreatur nie so huebsch gesehen. Gott hat ihn mit seiner eigenen Hand gemachet.« – »Auf meinen Eid, – sprach Sidonia – liebe Eloisa, ihr redet die Wahrheit, als ich meine.« Denn, alsbald sie ihn ansah, da gewann sie ihn lieb, und bald ging sie heraus in eine große Kammer, da ihre Frauen und Jungfrauen in waren, und wartete lange daselbst.

Da kamen herzu Pontus und der Seneschal. Und als Pontus zur Sidonia kam, erzeigt' er sich ganz hoeflichen, mit Worten und Gebaerden, mit tiefem Neigen oder Buecken, mit zuechtigem Reden und fuerstlichem Ansprechen, wie er solches gelehret und wohl unterrichtet war. Da ging Sidonia ihm entgegen, empfing ihn auch gar lieblich und schoen, nahm ihn mit seiner Hand, fuehrte ihn mit ihr hinein in ihr koeniglich Gemach und hieß ihn zu ihr niedersitzen auf ihren Stuhl. Aber der zuechtige und adeliche Pontus, wehrete sich gar fast und sprach: »Gnaedige Frau, es nicht billig noch ziemlich ist, daß ich zu euch auf euren Stuhl soll sitzen, ich bin ein Juengling und geringe Person, dieser Ehren ganz nicht wuerdig.« Und machte sich ihr fast ungleich und ganz unterthaenig. Da sprach Sidonia zu ihm: »Ei, warum treibt ihr so viel Gepraengs mit mir? Ihr seid doch also wohl eines Koeniges Kind, als ich.« – »Ei, – sprach er – es ist fast ungleich; denn ihr seid eines maechtigen Koeniges Tochter; so bin ich einer, der weder Land noch Leute, darzu gar nichts hat, und werde allein erhalten durch die Wohlthaten, die mir von meinem Herren, euerm Vater, widerfahren, der mir viel Gutes thut.«

 

Das siebente Kapitel

Was fuer Gespraech und schoener Red' auch Kurzweil und Hoeflichkeit Sidonia und Pontus mit einander hatten

Als sich nun Pontus der Sidonia fast ungleich gemacht und zu ihr zu sitzen sich lange gewehret hatte, sprach Sidonia ernstlich zu ihm: »Setzet euch nieder, ich befehle es euch.« Da setzet' er sich ein kleines nieder; denn sie saß auch. Sidonia aber sprach zu den Frauen und Jungfrauen: »Ich will, daß ihr etwas Kurzweil vor Pontus anfahet, und vor dem Seneschal, daß wir sehen und hoeren, ob er etwas von seinem Tanzen und Singen hat vergessen.« – »Gnaedige Frau, – sprach Pontus – ich mag noch kann sein nicht vergessen; denn ich kann sein auch nicht viel.« Und fing hiemit an zu singen und tanzen und war froehlich. Sidonia hatte große Freude mit ihm und fing an und sprach, wie sie von allerlei Sachen wegen mit ihm haette zu reden, und behielt ihn bei ihr, denn er war fast vollkommen in allen Dingen, nach dem Alter, das er hatte. Sie sprach zu ihm: »Pontus, ihr seid lang' in Britannia gewesen, und seid doch nie zu mir kommen.« – »Gnaedige Frau, – sprach er – ich bin mein selbst nicht gewaltig, darum thue ich, was man will, und muß gehorsam sein.« – »Es ist recht; – sprach Sidonia – aber ich frage euch, ob ihr nicht auch etliche Begierde habt uns zu sehen, und auch die Frauen und Jungfrauen, die hierin bei mir sind.« – »Ja, gnaedige Frau; – sprach er – denn es ist ein huebsch Angesicht und fast lieblich anzusehen, jungfraeulich und weiblich Bildniß, das oft einem erweckt sein Herz zu Freude, das in Trauern ist.« Da sprach Sidonia: »Habt ihr aber keine Gnade erworben von Frauen und Jungfrauen, also, wenn ihr Ritter werdet, daß ihr einer Ritter seid?« – »Gnaedige Frau, – sprach er – nein, fuerwahr; denn meine Dienste waeren viel zu gering und zu klein.« Antwortete Sidonia: »Ei, das widersprech' ich; denn ihr seid von solchem hohen Stamm kommen, daß ihr wohl werth seid, zu dienen der hoechsten und schoensten Jungfrauen in ganzem Britannia.« Also geschahen da gar viel huebscher, schoener Reden zwischen ihnen beiden.

Doch zuletzt sprach Sidonia: »Pontus, wenn ihr nun werdet haben den Orden der Ritterschaft und selbst Ritter werdet, so sollt ihr mein Ritter sein. Wenn ich dann werde vernehmen, daß ihr etwas Ritterliches und guter That habt gethan, davon zu reden und das zu hoeren, wird mir besonders große Freude bringen.« Da sprach er: »Frau, ich dank' euern Gnaden, und Gott woelle mir verleihen, daß ich gute, tapfere, ritterliche Thaten thun moege, deren ihr ein Wohlgefallen moeget haben, und dazu alle euere Frauen und Jungfrauen, die hie innen bei euch sind. Aber ich bin wenig dazu geschickt, solche Thaten zu thun; denn was ein armer Mann solcher guter Thaten thut, wird ihm klein geschaetzt und nicht viel davon geredet.« Da sprach Sidonia: »Ich will euch das sagen, wiewohl ihr noch nicht Ritter seid, so halt ich euch doch fuer meinen Ritter; aber wenn ihr nun Ritter werdet, so werde ich euch am werthesten und fuernehmesten halten, fuer alle andere Ritter. Aber ich will, daß ihr mir schwoeret, fuer alle andere Frauen mir in Ehren und Zuechten zu dienen, als ich es denn von euch ohne Zweifel verhoffend bin; denn meine Gedanken sind nur zu Zucht und Ehren.« – »Gnaedige Frau, – sprach Pontus – ich danke euern Gnaden, als viel und hoch ich kann und mag, der großen Ehren, die ihr mir beweiset. Gott woelle, daß ich's verdienen koennt' und moege.« – »Ich sage euch, – sprach Sidonia – ich hab' euch eigentlich lieb, als meinen eigenen Ritter, doch solcher Gestalt und Maß, daß ich von euch moege erkennen, daß ihr nichts anders gedenket, noch in euern Sinn nehmet, denn was meine Ehr' und mir ehrlich ist. Verheißet mir dies als eines Koenigs Sohn zu thun.« – »Ja, Frau, – sprach Pontus – ich verheiß' euch das bei meinen Treuen.« Da gab sie ihm einen Ring mit einem Diamanten, und sprach: »Ihr sollet tragen den Diamanten von meinetwegen.«

Also fuehrete sie ihn zu dem Tanze und bat ihn, daß er ihr sollte ein Liedlein singen. Pontus war nun mit ihrer Lieb umgeben, verwilligte gern ihrem Geheiß und sang ein Liedlein gar wohl. Die Frauen und Jungfrauen sahen und hoerten ihn fast gern und lobten ihn treflich sehr; eine jede begehret' in ihrem Herzen ihn lieb zu haben, und gedachten: Die Frau wird wohl gluecklich sein, die er wird lieb haben, vor anderen Frauen. Als sie nun hatten gesungen und getanzt, da hieß Sidonia Fruechte und Wein bringen, gab dem Seneschal einen Kopf mit Wein und sprach zu ihm: »Seneschal, ich geb' euch den Kopf mit dem Wein mit meiner eigenen Hand.« Deß danket' ihr der Seneschal gar demuethiglichen. Und da sie genug Kurzweil hatten gehabt, da sprach der Seneschal: »Gnaedige Frau, wollt ihr uns nun erlauben, so wollen wir wieder gehen zu unserm Herren, dem Koenig.« Also erlaubete sie ihnen, und bat den Seneschal, daß er und Pontus oft zu ihr kaemen.

 

Das achte Kapitel

Hie kommt Botschaft an den Koenig in Britannia, wie die Heiden in's Land gefallen sei'n, das ihn fast betruebt.

In denselbigen Tagen, als der Hof zu Vannes war, kam Botschaft dem Koenig, wie die Heiden kuerzlich in Britannia und nun auf das Land waeren kommen, bei zwanzig tausend stark. Dadurch ward der Hof zertrennt und jederman traurig und in Sorgen. Darnach um den Mittag kam ein heidnischer Ritter, und mit ihm zween Edelmann, die auch Heiden waren, die kamen in Botschaftsweise von Corodus, des Soldans Sohn, welcher war einer von den dreien Bruedern, von denen droben gesagt ist. Der benannte Ritter war gar lang, groß und stark, auch sehr wohl geschickt, und haet einen hoffaertigen Sinn; hatte auch mit ihm einen Mann, der beide Sprachen konnt', und redete mit lauter Stimme schreiend: Wie des Soldans Sohn von Babilonia waere in das Land kommen, und woellte christlichen Glauben zerstoeren, und gebieten, den Glauben Machomets zu halten; und thaete auch dem Koenig von Britannia ernstlich entbieten, daß er woellte lassen den gekreuzigten Gott und anbeten Machometen, und sich ihm zinsbar machen, mit seinem ganzen Koenigreich. Thaete er aber das nicht williglich, so woellt' er ganz Britannia verderben und sie alle toedten. Der Koenig hoerte und vernahm die hoffaertigen Draeuworte des heidnischen Ritters, und war aber niemand da, der ihm solches wollte widersprechen oder Antwort geben.

Da das Pontus merkte, wie daß diesem niemand antworten wollte, ging er getrost herfuer und sprach zu dem Koenig: »Gnaediger Herr, ich bin einfaeltig und ein Kind, aber ich mag nicht leiden oder hoeren, wo ich dabei bin, daß man unsern christlichen Glauben vernichtet, unterdruecket und verschmaehet.« Er kniete nieder fuer den Koenig und begehrte, daß er ihm wollte erlauben, diesem zu antworten. Da nun der Koenig sah, daß kein anderer solches wollte verantworten, noch dawider reden, da erlaubet' er ihm das zu thun. Pontus trat zu dem Heiden und sprach: »Deine Wort' achten wir nicht; darum, euch Zins zu geben und uns euch unterthaenig zu machen, das thun wir nicht; denn wir sind frei.« Da begehrete der Heide, ihm zween zu geben, die mit ihm kaempften; die wollte er allein bestehen, daß man sollte sehen, daß Machomet groeßer und sieghafter waere, denn unser Herr Jesus Christus. Darauf antwortet' ihm Pontus aber: »Es ist nicht von noethen, zween wider dich zu geben: aber, wiewohl ich jung und nicht stark bin, so werf ich meinen Handschuh nieder, in dem Namen Jesu, des starken Gottes, allein wider dich zu stehen und zu fechten.« Und warf also den Handschuh fuer den Koenig. Den nahm der Heid auf. Da sprach der Koenig zu Pontus: »Ich habe große Schmerzen in meinem Herzen, daß ihr so schnell seid gewesen mit dem Geluebde gegen den Heiden; denn ihr seid zu jung, einem so großen und starken Mann und Ritter zu widerstehen.« – »Gnaediger Herr, – sprach Pontus – wisset ihr nicht, daß Daniel ein Kind war, und es half Gott der Susanna durch ihn: laßt euch der Werke Gottes nicht verwundern.« Und weiter sprach er: »Gnaediger Herr, macht mich mit euern Haenden zum Ritter und gebt mir Harnisch nach Nothdurft, so will ich darnach mein Beßtes thun.« Also macht' ihn der Koenig zum Ritter und guertet' ihm sein Schwert um, gab ihm dazu den beßten Harnisch, den er haben mochte, deßgleichen sein allerbeßtes Pferd, und weß er weiter nothduerftig war. Und da Pontus den Harnisch angeleget da weineten seine dreizehen Gesellen, die mit ihm aus Gallicia kommen waren, denn er erbarmete sie, und sie furchten sein vor dem Heiden. Deßgleichen auch der Seneschal und alle Grafen, Freien, Herren, Ritter, Knecht' und das ganze Volk trauret' um ihn, daß er so jung war und mit einem so großen, starken Mann kaempfen sollte.

Also ritt nun Pontus dahin, mit seinen zugeordneten Trabanten, dem Heiden den Kampf zu leisten.

 

Das neunte Kapitel

Wie Pontus den Heiden in dem Namen Christi anrennet und nach langem Streit und hartem Kampf ihm sein Haupt nimmt.

Als nun Sidonia den Pontus haet gesehen geruestet dahin reiten, mit dem Heiden zu kaempfen, traurete sie fast und hatte großen Unmuth, davon nicht zu sagen ist, um ihren Ritter. Doch schickete sie ihm nach eine Fahne an seine Lanze. Als ihm die Fahne gegeben ward, da nahm sein Herz Mannheit und große Freude darob und danket' ihr deß. Sidonia blieb heimlich in ihrer Kammer besonders, kniet' oft nieder und bat Gott andaechtiglichen, daß er Pontus Huelf' und Sieg wollte geben wider den Heiden.

Nun als Pontus und der Heide zu kaempfen bereit waren und gegen einander auf ihren Pferden sahen, da sprach der Heide zu Pontus: »Kind, nimm noch einen zu dir, dich zu behueten und dir zu helfen; denn du bist denen Sachen noch viel zu jung und erbarmest mich.« – »Lass' dein unnuetz Klaffen; – sprach Pontus – denn du wirst bald sehen die Kraft Jesu Christi.« Und nahm also manniglichen seine Lanze unter seinen Arm und rennete unerschrocklichen gegen den Heiden, traf ihn zwischen dem Schild und dem Helm und stach ihn durch den Hals zwischen den Schultern, durch und durch, brach also seine Lanze entzwei, und wundete den Heiden also den ersten Anritt gar hart. Der Heid' aber traf Pontus in seinen Schild und brach auch seine Lanze. Pontus sprengte mit seinem Pferd jenseits hinaus, als sein Spieß zerbrochen war, und begehrte die Sache, welche er angefangen hatte, zu vollenden, zog aus sein Schwert und ritt beherzt auf den Heiden, gab ihm einen harten Streich, daß ihm die Naegel aus seinem Visier und Bart sprungen, und schlug ihn solchermaß, daß ihm sein Gesicht verging, und riß ihm das Visier ab, daß ihm das Angesicht bloß war. Der Heide gewann sein Schwert, wischete grimmiglich auf Pontus hinzu und gab ihm so einen geschwindten Schlag, daß ihm schier schwindlicht ward. Pontus ermahnete sein Pferd mit den Sporen, kehrete sich wiederum gegen den Heiden und gab ihm abermals einen großen Schlag. Pontus aber haet eben sein Aufsehen und guten Fleiß, daß er den Heiden nur unter sein Angesicht schluege, das ihm entbloeßt war. Und in den Streichen gegen einander begab es sich, daß Pontus ihm die Nase, den Mund und das Kinn abschlug, daß es nur an der Haut hing; da blutete der Heide so fast, daß ihm sein Schild und der Harnisch blutfarb ward. Der Heide verlor seine Kraft und ward ohnmaechtig, daß er sich kaum auf dem Pferd mochte erhalten. Als das Pontus merkete, sprenget' er auf ihn zu, gab ihm so einen harten Streich, daß er sich begunte zu senken zu der Erden. Da eilete Pontus auf ihn, riß ihm den Helm von seinem Haupt und schlug ihm also, in einem Streich, sein Haupt ab, daß es auf die Erde fiel. Da ward Frohlockung und alle Freud', auch große Danksagung und Lob dem allmaechtigen Gott gehoert von dem Koenig und allen denen, die da zusahen. Pontus nahm das Haupt, stecket' es vorn an sein Schwert, trug es zu den zweien Heiden, die mit ihm waren kommen, und sprach zu ihnen: »Ich schenk' euch euers Herren und Meisters Haupt, das woellet ihr des Soldans Sohn, euerm Koenig, bringen, und ihm dabei sagen: die Kraft unsers Herren und seines Glaubens habe sich in diesem Kampf erzeiget; denn Jesus Christus habe sich durch mich, als durch ein Kind, geoffenbaret, daß er des wahren Gottes Sohn ist und euer Gott und Glaube nichts ist.«

 

Das zehente Kapitel

Wie Pontus um den erlangten Sieg Gott danket und sein Opfer thut.

Nun lassen wir von dem Heiden und kommen wieder zu reden von Pontus, der da erkannte, daß er allein durch die Huelfe Gottes gesieget haette. Und nach begangenem Siege ritt er zu den Hauptleuten in die Stadt, stund ab von seinem Pferd, ging, ohne jemand anzusprechen, mit großer Andacht zu der Kirchen, fiel da nieder auf seine Knie, und dankete Gott um den Sieg. Und thaet da sein Opfer, saß darnach wieder auf sein Pferd und ritt zu des Koenigs Saal, und kam der Koenig mit der Koenigin und der schoenen Sidonia, seiner Tochter, ihm entgegen und empfingen ihn gar schoen.

Darnach hieß der Koenig alle Fuersten, Freien, Herren, Ritter und andere zu ihm kommen, mit ihnen Rath zu haben, wie er mit den Unglaeubigen, deren fast viel im Lande waren, thun, und wie er sie vertreiben sollte; und sendete Boten aus in die Lande, zu allen christlichen Fuersten, Herren und Staedten; klaget' ihnen seine Noth, bat sie demuethiglichen, ihm und dem Land Britannia, mit ihrem Volk, was sie aufbringen moechten, wider die Heiden zu Huelfe zu kommen. Da nun dieselbigen Fuersten und Herren die Botschaft und Meinung des Koenigs von Britannia vernahmen, schrieben sie auch von Stund' an aus in ihre Land, verkuendeten sie ihrem Volk, begehrend, sich zum beßten zu ruesten und mit ihnen einen Zug und Reise zu thun wider die Unglaeubigen, dem Koenig von Britannia zu Huelfe zu kommen. Da sie solches vernahmen, da war jedermann willig, zu ziehen und zu fechten wider die Heiden, auch zu retten christlichen Glauben; und ruesteten sich nach dem allerbeßten. Und als nun der bestimmte Tag des Koenigs kam, da kamen die Fuersten, Grafen, Herren, Freien, Ritter und Knecht', eine merkliche Anzahl, auch die von den Staedten und andere mehr, die verschrieben waren, ihm Huelfe zu thun, mit großem und vielem Volk zu ihm in die Stadt Vannes, und sammleten sich daselbst.

 

Das eilfte Kapitel

Hie ritt der Koenig von Britannia den Fuersten und Herren entgegen, die ihm zu helfen verschrieben waren.

Als nun der Koenig die Zukunft der Fuersten und Grafen erhoerte, macht' er sich auf, ritt ihnen entgegen, wohl geruestet, und empfing sie gar fuerstlich und schoen, geleitete sie in die Stadt, thaet ihnen große Ehr' und machet' ihnen viel Freude.

Pontus und der Seneschal redeten an dem Abend mit dem Koenig und den Herren von Britannia also: »Wollt ihr, daß es uns gelinge, so rathet, daß wir uns darnach richten, daß wir vor dem gesagten Feiertag die Feinde angreifen und mit ihnen schlagen, ehe sie in ihre Harnisch' und auf ihre Pferde kommen; und ehe sie dann ihre Ordnung und sich geschickt machen, so haben wir sie ueberwunden.« »Wahrlich, – sprach der Koenig – dieser Rath bedunket uns gut zu sein. Nun heißt mir mein Pferd bringen, und schafft, daß jedermann sich rueste und auf sei; denn es ist Zeit.«

Und also bereitete sich jedermann zum Streit; sie saßen auf ihre Pferd' und machten ihre Ordnung. Das Wetter war schoen und still, der Mond war klar und schien fast hell. Hiemit ritten sie gegen der Heiden Lager bis an ihre Gezelt hinan. Die Heiden besorgten sich dessen gar nicht; sie hofften mit solchem großen Volk, das sie hatten, gar sicher zu sein, und setzten also ihre Hoffnung in die Viele des Volks. Da nun der Koenig von Britannia und sein Heer so nahe hinzu kommen waren, daß sie die Heiden und ihre Gezelte sehen mochten, die da gar ein großes Feld inne hatten, und waren mit viel Gezelten umgeben von mancherlei Farben: da fing Pontus an, der denn ein Hauptmann war, am ersten gegen die Heiden zu ruecken, sie anzugreifen, und sprach zu allem Volk: »Sehet, dort liegen die Feind' und Widerwaertigen unsers Glaubens, die da vermeinen, uns zu zerstoeren. Und darum bitt' ich euch um zwei Dinge: das erste ist, daß ihr alle euere Hoffnung in Gott setzet, und das andere ist, daß ihr nicht trachten oder warten sollt auf der Feinde Gut, von Geizigkeit wegen, sondern allein gedenken, wie ihr euere Feind' ueberwinden woellet. Und laßt euch erbarmen das arme Volk, das durch sie aus ihren Doerfern und Haeusern vertrieben ist; welches Volk große Mueh' und Arbeit auf dem Feld und sonst gehabt hat, damit es uns Nahrung geben moechte, davon wir taeglich leben: darum wir auch schuldig und dazu gesetzt sind, sie bei unserm Glauben zu schirmen.«

 

Das zwoelfte Kapitel

Wie der Koenig von Britannia mit seinem Volk die Heiden unversehenlich ueberfiel und schlug.

Nachdem, als Pontus nun sie alle zu Tugenden, maennlichen und ritterlichen Thaten auf's treulichste ermahnet hat, gewann hierauf jedermann ein gutes, getreues und mannliches Herz, und ermahnete je einer den andern zur Freudigkeit, und hieben auf ihre Pferde, rannten mannlichen mit einander hinan an ihre Feinde, griffen sie freudig an, zerbrachen und zerschlugen ihnen allda ihre Gezelt' und viel heidnisch Volk; das ein groß Schrecken unter sie brachte. Ihrer etliche sprungen nackend aus ihren Laegern, etliche waren noch in ihrem Harnisch, die sich zur Wehr stellten, etliche vor Furcht liefen aus einem Zelt in das andere, und erhub sich da gar ein groß Geschrei, Da nun der Tag herbrach und fing an Licht zu werden, da schlugen die Christen zu Tode, wen sie von Heiden ergriffen. Ihrer etliche legten und wurfen Feuer in ihre Gezelte, die verbrannten mit allem, das darinnen war.

Der heidnische Koenig Corodus erschrak des schnellen Ueberfalls fast sehr, ermahnete seine Drommeter freundsamlich und schnell zum Streit aufzublasen; welches die Heiden wohl vernahmen. Sie thaeten sich ernstlich und schnell zusammen, und ruestete sich ein jeder mit seinem Harnisch und Gewehr in die Ordnung. Die Reisigen saßen schnell auf ihre Pferd' und ruesteten sich zur Gegenwehr; denn sie waren nun mit den Christen allenthalben an den Seiten umgeben, welche unverzagt darein stachen, und erwuergten fast viel Heiden, ehe sie zu ihrer Ruestung und in die Ordnung kamen. Der Heiden waren aber so viel, ehe die Christen den dritten Theil erschlugen, kamen die andern in ihren Harnisch und mit ihren Gewehren zu Roß und Fuß mit großen Schaaren entgegen, mit ihrem Koenig Corodus; welcher, als er auf einem Roß saß, schrie zu seinem Volk mit lauter Stimme, daß jedermann zu seinem Hauptmann und in seine Ordnung reiten und laufen sollte, dahin er geordnet waere; denn es waere von noethen. Welchem Geheiß des Koenigs sie bald nachkamen, und kamen also in ihrer Ordnung den Christen unter Augen, mit ihnen zu schlagen.

In solchem Laermen und Scharmuetzel, welcher schier die ganze Nacht gewahret hat, ging die Sonne auf: da war auf beiden Seiten gar ein großes Geschrei. Da rueckten die drei Laeger oder Haufen der Christen zusammen, machten daraus ein Heer oder Haufen, und ordneten da eine neue Ordnung. Der heidnische Koenig bracht' auch zusammen in einem Haufen eilftausend streitbarer Mann und wollte damit unter die Christen rennen und sie also mit Gewalt zurueck treiben. Das sah und vermerkt' Andre von Lator und sprach zu Werner von Toll und zu Wilhelm von Rosches: »Ihr Herren, es ist Zeit, daß wir auf seien und angreifen unsere Feinde; denn wo wir lange verziehen werden, so wuerde es unserm Volk uebel gehen: denn ich sehe, daß dort ein groß Volk wider sie kommt; und wollten wir warten, bis sie gar herzu kaemen, so stuende es gar sorglichen.« Da wurden sie alle der Sachen eins, legten ein ihre Spieße, mahnten ihre Pferde und renneten den Koenig Corodus gar frischlichen an mit seinem Volk. Da er sie nun also gegen ihn kommen sah, da setzte er sich und sein Volk gegen sie zu Wehr', und schlugen unerbaermlich zusammen und theilten mit einander manchen harten Streich. Aber der Koenig Corodus und sein Vetter Proiles, der auch gar ein fester, mannlicher Ritter war, die kamen vor den andern allen. Andre von Lator rennete den Proiles von seinem Pferd, und schenkte das Pferd Wernern von Toll und sprach zu ihm: »Lieber Gesell, nimm das an zur Beute fuer den ersten Dienst, den du mir gethan hast.« Die Heiden drungen herzu, sammleten sich um ihren Koenig, und erhub sich erst ein großer, harter Streit zu beiden Seiten, mit Stechen und Schlagen, das gar huebsch zu sehen war. Wilhelm von Rosches und Gottfried von Lusignan, die schlugen zu Tod', was Heiden ihnen zu Haenden kamen, und brachen also mit ihrem Haufen ein in der Heiden Ordnung. Da hoerte man ein groß Getuemmel und ein grausam Krachen der Spieß' und Geschrei des Volks: da wurden viel' erschlagen, viele heftig verwundet; und nahmen also beiderseits fast großen Schaden.

Der Koenig von Britannia griff an mit seiner Ordnung auf einer Seiten: da ward er troffen und von seinem Hengst gestochen, daß er auf der Erden lag; da umgaben ihn die Feinde und vermeinten ihn zu fahen und zu toedten. Dazu kam ungefaehrlich Pontus und ersah den Koenig auf der Erden liegen und sein Pferd auf ihm: da ist nicht zu sagen, was Schrecken er davon empfing. Es war zu besorgen, der Koenig kaeme um sein Leben. Und waere der Graf von Lana! und Rogumant nicht gewesen, die hielten dem Koenig auf gar viel Stich' und Streich' und litten viel um seinetwillen, er waere da zu Tod' erschlagen worden. Pontus wagete da auch fast sein Leben und sparete sich nicht, dem Koenig, als seinem Herren, zu helfen. Er nahm sein Schwert zu beiden Haenden, schlug unbarmherziglich um sich in seine Feind', und erschlug so viel Leut' und Pferde, daß jedermann vor ihm floh, also, daß er in kurz das große Volk, das um den Koenig gewesen war, von dannen trieb. Und Polidas, sein Vetter, und der Seneschal folgten ihm staets auf dem Fuß nach und hielten die Feind' auf mit ihren großen Streichen, bis dem Koenig durch Pontus auf sein Pferd geholfen ward. Aber der Koenig hatte seinen rechten Arm gebrochen und war gar hart geschlagen; er war auch alt bei hundert Jahren, und war gar ein frommer Mann und seine Tage hoher Sinne gewesen. Da er also wieder auf sein Pferd kommen war, da sah Pontus erst, daß ihm sein Arm gebrochen war; deß er gar sehr erschrak, und schicket' ihn hinweg vom Haufen an einen sichern Ort, da er versorgt war.

Der Streit waehrete lang' und war fast groß zu beiden Seiten. Pontus schauete zu der linken Seiten, da sah er viel Freien, Herren, Ritter und Knechte liegen, die von den Heiden nieder geschlagen und von ihren Pferden kommen waren, und war zu besorgen, sie wuerden alle erschlagen; denn es waren allwegen an einem Britannier wohl zehen Heiden oder mehr. Werner von Rosches wehrete sich gar sehr vor den andern. Pontus sprach zu seinen Gesellen: »Nun sehet, dort ist unser Volk in großen Noethen und umgeben mit den Heiden; wir wollen ihnen zu Huelfe kommen.« Und also ermahnten sie ihre Pferde, nahmen ihre Schwert' in ihre Haende und rennten frischlichen und mannlichen zu den Feinden hinzu, unter sie. Pontus war zu vorderst, er erschlug alles, das ihm zu Handen kam, und die allerfreudigsten mußten ihm da entweichen. Sie schufen so viel, daß sie in kurzer Zeit ihrem Volk zu Huelfe kamen und die Feinde mit Gewalt fluechtig machten. Und da wurden abermals viel guter Grafen und Herren auf beiden Theilen der Christen erschlagen, die ich doch nicht zu nennen weiß.

Der Koenig Corodus und sein Vetter Carpadon thaeten großen Schaden; denn sie waren die beßten unter den Heiden und hatten am meisten versucht. Pontus sah, daß der Koenig Corodus mit Fechten viel Wunders vollbracht' und viel Volks erschlug. Er war auch gar koestlich in seinem Harnisch, von edlem Gestein und koestlichen Perlen, und fuehrt' auf seinem Helm gar eine schoene und reiche Krone. Er hatte nun auch Wilhelm von Rosches und viel andere im Feld hernieder geschlagen; und darum sprach Pontus zu Herlanden, dem Seneschal, und Andre von Lator: »Nun sehet zu, was Feind haben wir an dem Koenig Corodus und an den zweien Rittern, die neben ihm reiten! Wo wir lange bleiben auf dem Plan, werden sie uns großen Schaden thun. Moechten wir sie erschlagen und von dem Leben zum Tod bringen, so wollten wir die andern gar leichtlich ueberwinden.« – »Herr, – sprach Andre von Lator – nehmt euch einen fuer: so wollen ich und der Seneschal an die andern zween.« Pontus sprach: »So will ich an den Koenig.« Hiemit erwuchs ein Grimm und ein großer Zorn; er ritt also mit ganzer seiner Macht, Kraft und Staerke auf den Koenig, und gab ihm einen solchen großen, ungefuegten Schlag, daß er von dem Pferd auf die Erde fiel, und brach ihm ein Bein in seinem Nacken. Andre von Lator schlug nieder den Proiles, des Koenigs Vetter, und schlug ihm einen Arm ab; davon er starb. Herland, der Seneschal, der schlug Carpadon, daß er auch von dem Pferd auf die Erden fiel.

Und da die Heiden sahen, daß ihr Koenig Corodus und die zween Ritter Proiles und Carpadon hernieder geschlagen waren, da wurden sie so gar verzagt und erschraken so fast, daß ihre Mannheit ihnen entfiel und gar nichts mehr war; sie waren gleich als Schafe, die ihren Herren oder Hirten verlieren, und fingen an von Unmuth zu verzagen. Aber dagegen fing erst an das Christenvolk freudig zu werden und kecklich darein zu schlagen. Der heidnische Koenig aber mochte nicht mehr aufstehen: also toedtet' ihn einer, der fuehrt' einen Loewen in seinem Schild; und das war der Herr von Gragan, oder aber von Elitan; derer einer, ich weiß nicht, welcher. – Die Heiden wußten nun nicht, wo sie hin fliehen oder sich verbergen sollten vor den Christen.

Nun lagen an dem Ende gegen das Meer noch viel Heiden, welche diese Maehre nicht wußten, daß ihr Koenig Corodus todt war. Dieselbigen Heiden hatten viel Christen in dem Streit gefangen, darunter auch etliche waren von Britannia, die hatten sie mit sich gefaenglich umher geschleift und fast hart gehalten. Und da sie ihr Volk stehen sahen, da nahm sie es groß Wunder. Da aber die gefangenen Christen das sahen, da gewannen sie wiederum ein froehlich Gemueth und Herz und liefen die Heiden an, nahmen ihnen ihr Gewehre, schlugen und stachen in sie. Denen kamen die andern Christen mit dem ganzen Haufen zu Huelfe. Also verloren die Heiden das Feld und ihr Volk.

Da sie alle in der Flucht waren, eilete Pontus ihnen mit seinen Gesellen hitziglichen nach, verschonete niemands, ertoedtete Leut' und Ross', und was ihm zu Handen kam, und vollbrachte Wunder mit seinem Gewehr gegen den Feind. Herland, der Seneschal, Andre von Lator und andere Herren und Hauptleute, die sammelten sich mit ihrem Volk, thaeten sich zu einander, folgten den fluechtigen Heiden nach und schufen Wunder mit Stechen und Schlagen unter ihnen, also, daß nicht viel davon kamen.

Ihrer viel liefen dem Meer zu und wollten in die Schiff'; aber die Christen eilten ihnen nach und ertraenkten sie alle. Pontus der saß in eine kleine Barken, ertraenket ihrer viel und fing ihrer viel; die fraget' er: auf welchem Schiff des Koenigs Corodus Schatz laege? Da zeigten sie ihm gar ein schoenes koestliches Schiff. Er sprach zu ihnen: »Nun zeigt mir des Koenigs Schatz, oder ihr mueßt alle sterben.« Da fuehrten sie Pontus und Polidas, seinen Vetter, und sechs seiner Gesellen zu dem Schiff. Da sprang Pontus mit den andern in's Schiff hinein und erschlugen alle, die darin waren zu Tode. Nun sahen sie ein ander Schiff, darin des Koenigs Gezelt und Zehrung lag. Pontus sprach zu seinen Gesellen: »Behaltet mir das Schiff; ich will ferner besehen, ob ich mehr finde, die ihr Haupt gegen uns erheben woellten.« Ließ sie also auf dem Schiff und fuhr in einem kleinen Nachen wieder zu dem Land; und welche sich wider ihn da setzten und wehrten, schlug er alle in seinem Zorn und Grimme zu Tod', oder ertraenkete sie allezumal. Ein Theil aber der Christen lief zu den Schiffen und ihrer etliche zu den Gezelten, und suchten also allenthalben ihre Feinde, dabei die Gueter und Schaetze der Heiden, und war ihrer keiner, er fand, das ihn reichlichen wohl benuegete; jedoch fand einer mehr, denn der andere.

Darnach ging jedermann auf das Feld und die Walstatt, zu suchen seinen Freund. Da fand man auch gar viel Grafen, Ritter und Knechte der Christen, die erschlagen waren; dieselben zu nennen diesmal, um Kuerze willen, ich unterwegen lasse. Und da nahm ein jeder seinen guten lieben Freund, wie er ihn daselbst auf der Walstatt fand, und ließ ihn heim fuehren zu Lande. Und welche noch bei Leben waren, die ließ man verbinden, arzneien und ihrer wohl pflegen.

Pontus ließ gar große Schaetz' und Gut gen Vannes in seine Herberge fuehren und gab großes Gut den Herren, Rittern und Knechten, einem jeden nach seinem Verdienst. Und der das Allerbeßt' in dem Streit gethan haet, der ward auch am beßten und ehrlichsten begabet, und ward ihm von allen große Ehre zugemessen und ihm groß Lob und Preis gesagt.

 

Das dreizehnte Kapitel

Hie kommt Pontus, nach der Heimfahrt von dem Krieg, zu Sidonia.

Sidonia hatte nun vernommen den Sieg der Fuersten und Herren gegen die Heiden, auch insonderheit die maennlichen und ritterlichen Thaten des Pontus, welches ihr brachte gar große Freud', und erwartet' also staets mit großen Begierden der Zukunft ihres Ritters Pontus. Als er nun heim kam, da schickete Sidonia nach ihm, eilends zu ihr zu kommen. Welches zu thun er ganz willig und gehorsam war, und kam also ohne Verzug in seinem Harnisch, Stiefeln und Sporen zu ihr. Als nun Sidonia Pontus kommen sah, ging sie ihm entgegen, empfing ihn gar schoen und hoeflichen und sprach: »Mein lieber Freund, Gott sei gelobt von wegen der großen Ehr' und Ruhms, so ihr in diesem Streit erlangt habt. Und, als mir seine goettliche Gnade helf', es bringt mir so große Freude, zu hoeren und sagen von der Gutthat, die ihr in diesem Streit vollbracht habt, daß kein Ding ist, darob ich so groß Wohlgefallen moechte haben, als an euerm Lob, das euch jedermann giebt.« – »Gnaedige Frau, – sprach Pontus – man hat euch vielleicht mehr Gutthat von mir gesagt, denn es an ihm selber ist und ich gethan habe. Aber ich dank' euch der Gutthat und Ehren, die ihr mir goennet. Wisset auch fuerwahr, wird mir von Gott gegeben oder verliehen, etwas Gutes zu thun, so geschieht es euerthalben; denn mir all' euere Gebaerd' und Thun gefaellt, und ich fuer Gottes Thun und Werk erkenne: darum euch allein vor allen zu dienen ich begehr' und zu thun nach euerem Gefallen; und bitt' auch Gott, daß er mich solches verleihe.«

Was soll ich aber weiter sagen? Sie hatten gar große Lieb' und staetes Vertrauen zu einander. Aber der Neid, der nimmermehr stirbt, thaet ihnen gar viel zu Leid; als ihr hernach hoeren werdet. Nun lassen wir das bleiben und fahen an zu sagen von dem Koenig von Britannia.

 

Das vierzehnte Kapitel

Hie schicket der Koenig nach allen Fuersten, Grafen und Herren und begehret einen Verweser seines Koenigreichs an seine Statt: dazu wird Pontus einhaellig erwaehlet.

Der Koenig schicket' in seinem Alter nach allen seinen Fuersten, Grafen, Herren, Rittern und Knechten, und sprach zu ihnen: »Lieben Herren, ich bin nun ein alter schwacher Mann und mag nicht mehr arbeiten und Unruh' erleiden, als ich vormals bisher gethan habe; und darum ist es von noethen, daß ich mit euerm guten Rath und getreuer Huelfe mir erwaehl' einen Hauptmann und Verweser, der Gewalt habe hinfuero alle Sachen an meiner Statt auszurichten. Derhalben so bedenkt und trachtet, welchem ihr am liebsten und gernesten in solchem woellt unterthaenig sein, denselben erwaehlet; denn ich woellte gar gern, daß es mit euerm Rath geschaehe, damit ihr keinen Unwillen gegen ihn gewaennet.« Die Herren riethen ihm und sprachen alle mit gemeiner Stimme: sie wueßten dazu nicht bessern und auch nuetzern, denn Pontus; wenn er das nur thun und ihm gefallen woellte; denn er waere wohl wuerdig, solche Ehre zu haben und ein Kaiserthum zu verwalten, um seiner Mannheit, Vernunft, Frommkeit und Huebsche willen, und als eines Koenigs Sohn, der auch der beßte Ritter waere, der auf diesem Tag lebte. Und da der Koenig solchen ihren guten Willen und getreuen Rath vernahm, da ward er gar froehlich; denn es war vorhin seine Begierde gewesen, Pontus dazu zu nehmen und haben, aber er hatt' ihnen seinen Willen nicht offenbart, damit daß ihnen Pontus darnach desto baß befohlen waere.

Also sendete man nach dem mannlichen und strengen Ritter Pontus. Und da er nun kam, sagte man ihm oeffentlich vor ihnen allen, wie er durch den Koenig und alle Herren zu einem Hauptmann und Vorgeher zu Britannia gegeben und erwaehlet waere. Pontus dankete dem Koenig und den Herren allen fast sehr und sprach zu ihnen: sie haetten sich nicht wohl bedacht; denn er nicht Weisheit haette, solches auszurichten; er waere auch der Jahre halb zu jung. Es wollt' ihn aber nicht helfen, er wollte oder nicht, so ward ihm das befohlen.

Jedermann war ihm hold und furchte ihn doch dabei, von wegen seiner Gerechtigkeit. Wo Krieg war zwischen Herren, Rittern und Knechten, so hielt er allwegen bei der Gerechtigkeit und machte zwischen ihnen Fried' und Einigkeit. Er thaet auch einem jeden nach seinem Verdienst und niemand Gewalt noch Unrecht. Er gefiel auch jedermann, Reichen und Armen, aus der maßen wohl, und besonders den schoenen Frauen; denn er war ganz vollkommen. Niemand mochte ihm also bald Reverenz und Ehre thun, er thaete es von Stund' an hinwieder. Er hoert' auch gar williglichen und gern das Anbringen und Klagen armer und trostloser Leut', als Wittwen und Waisen.

Er war auch gar gern in den Waelden und bei den Wassern. Wo er auch in eine Stadt kam, da schicket' er nach Frauen und Jungfrauen und machte ihnen viel Freud' und Kurzweile mit Tanzen und Singen, das er fast wohl konnte; und da, wo er hin kam, da folget' ihm nach viel Freuden. Und er war also eines ehrlichen Gemueths, gottesfuerchtig und aufrichtig, daß er sich nie ließ merken, weder mit Worten noch mit Werken, auch an ihm nicht gespuert mochte werden einigerlei Unzucht oder unehrlich Begehr an Frauen oder Jungfrauen. Und die Frauen sprachen oft zusammen: »Der Person, so Pontus lieb wird haben, wird viel Gluecks zustehen.« Und ihrer jegliche gedachte besonders in ihrem Herzen: O woellte Gott, daß ich die waere, die Pontus lieb haben wird. Ach, haette er mich nur so lieb, als ich ihn!

Jedermann liebet' ihn, Frau und Mann, arm und reich, von wegen seiner Freundlichkeit. Aber der Neid, der allwegen lebt und nimmer ruht, besaß einen seiner Gesellen aus den vierzehen Kindern, genannt Gendolet; derselbige war gar gescheit und koennt' auch wohl reden. Er sah die große Zucht und Ehre, die Pontus geschah: daraus er anfing ihn fast zu neiden, und versucht' ihn mit einem Pferd, das Sidonia dem Pontus geschenkt haet. Um dasselbige Pferd bat er Pontus, ihm das zu schenken und geben; und gedachte doch wohl, daß es ihm nicht wuerde, aber er thaet es darum, daß er Ursach' an ihm moechte haben zu neiden und faelschlich zu verschwaetzen. Pontus antwortet' ihm und sprach: »Sicher, das Pferd geb' ich euch nicht; aber gehet hin in meinen Stall und nehmt unter den andern, welches euch am baßten gefaellt.« Gendolet sprach: »Versaget ihr mir denn das Pferd, so hab' ich euerer Gnade und Gunst nicht lange zu hoffen.« Pontus sprach: »Genuegt euch nicht, daß ich euch sonst die Wahl geb' aus allen meinen Pferden? Und habt ihr nicht genug an einem, so nehmt zwei.« Gendolet ging von ihm und stellete sich fast zorniglich und gedacht' in seinem Herzen: ich wußte wohl, daß ich fehlen wuerde das Pferd zu haben: aber, soll ich leben, es soll ihm vergolten werden. Und gedacht', als einer, der voller Neids ist, ihn gegen Sidonia zu verschwaetzen und ihm Haß zu bringen.

 

Das fuenfzehnte Kapitel

Wie Gendolet aus Neid Pontus faelschlich gegen Sidonia's Jungfrauen verschwaetzet.

Gendolet, nachdem er den Neid gegen Pontus gefaßt hatte, ging er zu einer Jungfrauen Sidonia's, welche ihr fast lieb war, und gute Treu zu ihr haet, und sprach: er wollte ihr etwas gar in großem Geheim sagen, aber sie mueßte ihm bei dem heiligen Evangelio schwoeren, daß sie solches von ihm nicht woellte sagen, und fing an, mit seinen sueßen Worten sprechend: »Ich habe von Herzen lieb meinen gnaedigen Herren, den Koenig, dazu auch meine gnaedige Frau, die Koenigin, und ihrer beider Tochter Sidonia; denn sie haben mich erzogen und ernaehret: darum kann ich nicht verschweigen, das wider sie ist. Wisset, daß mein Herr Pontus thut dergleichen und giebt der Jungfrauen zu verstehen, wie er sie vor allen anderen Frauen in aller Welt lieb habe: aber ich sage euch fuerwahr, daß er sie betrueget; denn ich bin sein gar wohl innen worden, daß er eine andere viel lieber hat, denn sie. Und darum ist es gar thoerlich gethan, daß sie ihre Lieb' und Herz setzt auf solchen wankelmuethigen und unstaeten Menschen, der ueberall anklopfet und lieb gehabt sein will; damit verfuehrt und betrueget er manche fromme, ehrbare Frau.«

Die Jungfrau meinete nun, daß etwas an der Sache waere, wie ihr Gendolet angezeiget haette, ging hin zu ihrer Frauen Sidonia und sprach: sie haette verstanden, wie daß Pontus eine andere haette, die ihm lieber waere, denn sie. Und alles, das ihr Gendolet gesagt haet, sagete sie ihr. Da das Sidonia vernahm, gewann sie heimlich gar großen Unmuth und Schmerzen in ihrem Herzen, und thaet doch nicht der gleichen, sondern, als eine vernuenftige, tugendsame Frau thun soll, hielt sie sich.

Als nun Pontus kam, trieb er seine Kurzweil' und erzeigte sich froehlich, wie er denn vormals allweg bei ihr zu thun gewohnt war: aber Sidonia war fast unmuthig und konnte sich nicht froehlich erzeigen gegen ihn, wie vormals; denn sie haet gar viel seltsamer Gedanken. Pontus erschrak deß gar sehr, ging eilends zu Eloisa der Jungfrauen und fragete sie: was der Frauen geschehen waere? Eloisa antwortet' ihm und sprach: »Sicher, Herr, ich weiß nicht, was ihr geschehen ist; aber es ist nun bei vierzehen Tagen, daß sie nicht also froehlich ist gewesen, als vor.« Also ging Pontus gemaechlich zu ihr und sprach: »Gnaedige Frau, was gebricht euch? Habet ihr einerlei Verdruß ob mir, so zeiget mir's an. Oder ist etwas in der ganzen Welt, das euch bekuemmert oder zu Freuden dienen mag, so offenbart mir's.« Sie sprach: »Die Welt ist seltsam zu erkennen.« Er sprach: »Gnaedige Frau, ich bitt' euch um Gottes willen, sagt mir, warum oder von weß wegen redet ihr solche Worte? Hat jemand wider euch geredet oder gethan?« Sie sprach: »Ihr habt mich wohl verstanden.« Hiemit ging sie von ihm mit großem Unmuth in eine Kammer. Pontus koennt' ihr kein gut Wort abgewinnen, als er vormals gewohnt war, und verstund nun wohl, daß man ihr etwas von ihm gesagt haett' und ihn gegen sie verschwaetzt; und vermeinte noch aus ihr zu bringen, woher dieser Unmuth kaeme: aber es war gar umsonst, denn sie wollt' ihm zu diesem mal keine Antwort geben.

 

Das sechzehnte Kapitel

Wie Pontus, von wegen des Unwillens der Sidonia gegen ihn, von dem Hofe hinweg ziehen will.

Wie nun Pontus den Unwillen Sidonia's gegen ihn verstanden haet, ging er in großem Unmuth heim; er schlief dieselbe Nacht gar wenig. Zu morgen stund er frueh auf und thaet sein Gebet, nach seinem Gebrauch. Darnach schicket' er nach Eloisa, ihrer Jungfrauen, die er gar fast liebete, darum, daß sie der Sidonia also geheim war, und sprach zu ihr: »Eloisa, liebe Freundin, ich weiß nicht, was ich mehr gedenken soll. Ich will eine Zeit lang aus dem Land reiten und ausbleiben, bis ich gewiß bin, daß ihr mein Wiederkommen gefaellt und sie mich auch gern sieht.«

Darnach ging Pontus zu dem Koenig und sagt' ihm: wie er eine Weile wollte ausreiten; und bat, daß er ihm solches guenstlich vergoennen woellte. Da sprach der Koenig: »So reitet nicht fern von dannen, damit ich euch oft moege sehen; denn all' meine Freud' und meines Koenigreichs Auferhaltung liegt an euch.«

Also nahm Pontus Urlaub von dem Koenig, an dem Abend spat, heimlichen, daß sein niemand innen ward, und ging da von dem Koenige an seine Herberg' und schickete nach Herlanden, dem Seneschal, der sich nun wollte schlafen legen. Da er kam, sprach zu ihm Pontus: »Lieber Freund, ich bin in Willen, eine Zeit von hinnen zu reiten und auszubleiben, mich in der Welt baß zu erkunden, Ritterspiel zu suchen und mich damit baß ueben. Nun hab' ich in Geheim mit dem Koenig davon geredet und Urlaub erlangt, und ihm gesagt, wie ich euch an meiner Statt woelle lassen und euch meine Gewalt geben; dabei ihr moeget erkennen, daß ich euch fuer andere lieb habe. Und ich bitt' euch gar freundlichen, ihr wollet das also aufnehmen und euch meinen Vetter Polidas und die andern meine Gesellen dieweil befohlen haben.«

Pontus aber stund auf zu Mitternacht, ruestete sich und ritt also auf das allerheimlichste und stilleste, so er mochte, seine Straße dahin; und ritt also lange, bis er kam zu einem großen Wald. Darin war ein Kloster, welches bewohnten Betbrueder und Einsiedel, und war gar fern von den Leuten. In selbigem Kloster bei den Bruedern blieb er wohl sieben Tage. Er thaet da allen Tag sein ernstlich Gebet und brach sich gar sehr ab an Essen und Trinken, auch an Schlafen. Er fastet' auch sonderlich drei Tag' in der Wochen, und an dem Freitag trug er ein haeren Hemde an seinem Leib.

Nun gedacht' er und betrachtete, daß der Koenig so ein alter Mann war und daß auch sein Koenigreich und sein Volk ihm nunmals zu regieren gegeben waere, und so der Koenig verfiel' oder mit Tod' abginge, daß man ihn gewaltig machen wuerde: darum vermeinet' er, es waere nicht gut, daß er ferne hinweg reisete; und ob Krieg und andere Sachen in dem Koenigreich und Lande auferstuenden, daß er ihnen desto baß und baelder moechte zu Huelfe kommen.

Nun war Pontus eines Nachts in demselben Wald in großen Gedanken und fast unmuthig, und hoerte die Voegel gar schoen singen; denn es war zu der Zeit des Monats April: da dichtet' er, und machte gar ein schoenes und liebliches Lied mit einer gar sueßen Melodei und Weise, daß jedermann gar gefaellig und anmuthig war.

 

Das siebenzehnte Kapitel

Wie Pontus bei ihm selbst in dem Wald trachtete noch einem loeblichen und mannlichen Ritterspiel.

Als sich nun Pontus in dem Wald eine Zeit gehalten, kamen ihm viel und mancherlei Gedanken. Unter andern fiel ihm bei, wie er woellte etwas anfahen, das zu der loeblichen Ritterschaft gehoerte, und verfaßte sein Bedenken und Meinung deshalben ordentlich in Schrift, wie er solches an wollte fahen und endlich zu dem Ende bringen. Also schickete Pontus nach einem Zwerg; und da der zu ihm kam, da ließ er ihn gar schoen und hoeflichen bekleiden in Sammet und Seiden, eignet ihm zu Harnisch' und Knecht' und gab ihm einen offenen Brief, darin er sich auch schrieb mit seinem Namen den schwarzen Ritter mit den weißen Zaehren. Er verkuendet' und schrieb auch darinnen den allerbeßten Rittern und Herren allenthalben in den Landen: Wie er sich alle Montag' in demselben Jahr, frueh, als um die Primzeit, finden wuerde lassen gar bei einem abentheuerlichen und wonnesamen Brunnen des gruenen Waldes; und daselbst wuerde stehen ein schwarz Gezelt, mit weißen Zaehren umsprenget, und dabei ein duerrer Baum, an welchem ein Schild wuerd haengen mit Zaehren. Und der Zwerg wuerd' ein Horn haben und das allweg um dieselbige Zeit blasen: da wuerde dann herfuer gehen eine alte Jungfrau mit einem schoenen Boertlein und mit ihr ein alter Betbruder, die wuerden ihnen dann sagen, was sie da thun sollten, und sie fuehren auf eine Wiesen, daselbst sie dann den Ritter finden wuerden, in seinem Harnisch, zu Stechen und Rennen ganz geruestet. Mit diesem muesse dann ein jeder dreimal rennen und scharf stechen, auch mit scharfen schneidenden Schwertern ohne Spitze mit ihm fechten und kaempfen, also lange, bis sich einer von ihnen ergiebet. Und welcher dann da den Sieg behaelt, der soll die andern Ritter, die dabei sind gewesen und zugesehen haben, auf ihre Treu und Eid erforschen und fragen, welche sie fuer die schoenste Frau oder Jungfrau hielten und erkaennten in ganz Klein-Britannien derselbigen, sie sei gleich, wer sie woelle, soll sich dann der ueberwundene Ritter gefangen geben, also, ihr zu dienen und zu thun, von wegen des schwarzen Ritters mit den weißen Zaehren, was ihr gefaellig und lieb ist. Auch daß darnach zu Pfingsten ueber ein Jahr alle andere Ritter und Herren in denselbigen Wald kommen moechten; denn da ein fuerstlicher Hof werden sollte. Und welcher dann auf demselben Hof am beßten und ritterlichsten wuerde fechten und rennen, derselbige sollte haben eine Lanze mit einer Fahnen, dazu eine koestliche gueldene Kron' und mit koestlichen Perlein gestickt. Und welcher auch an dem allerbeßten und mannlichsten mit dem Schwert fechten wuerde, der sollte haben das Schwert mit den gueldenen Strichen, dazu auch eine gueldene Krone. Wo es sich nun aber also fuegete, daß man den schwarzen Ritter ueberwuende, welcher das thaete, der moechte dann ihn schicken zu was Frauen oder Jungfrauen er woellte.

 

Das achtzehnte Kapitel

Wie Pontus den Zwerg mit Briefen und muendlichem Bericht in Botschaftsweise hinschicket.

Da nun Pontus solchen Brief dem Zwerg hat ueberantwortet, da befahl er ihm muendlich, daß er sollte reiten in alle Land' und Herrschaften gen Frankreich und anderswo zu den Herrenhoefen, da viel Volks waere, und sollte solches ueberall anzeigen und zu wissen thun, nach Inhalt des Briefs; das also geschah und von dem Zwerg vollendet ward. Als nun solche Botschaft allenthalben, in Koenigreichen, Furstenthumen und allen Herrenhoefen verkuendet und angezeigt ward durch solch oeffentlich Ausschreiben: da bereiteten und ruesteten sich viel großer, streitbarer und maechtiger Ritter und Herren zu kommen an den benannten Ort, da sich der schwarze Ritter mit den weißen Zaehren finden wollte lassen und zu streiten sich geruestet erzeigen.

Nun war eine Stadt nicht fern davon, Belleroge genannt, darein schicket' Pontus, zu holen nach allem dem, das er bedurft', und besonders schicket er nach einer alten Jungfrauen: er kleidete die in einen rothen Mantel, und ein goeldenes Boertlein trug sie auf ihrem Haupt und haet ein grau Haar, denn sie war fast alt, und haenget' ein duennes Tuechlein fuer ihr Angesicht, damit man sie nicht sollte erkennen. Pontus veraenderte sich mit Kleidung und einem Angesicht, in Gestalt eines Betbruders mit einem grauen Haar, und langem Barte, und haet einen Brief in seiner Hand, darin stund verfasset die Ordnung seines Fuernehmens.

 

Das neunzehnte Kapitel

Wie und mit was Ordnung das ausgeschriebene Ritterspiel von dem schwarzen Ritter mit den weißen Zaehren sich anfahet

Auf dem ersten Montag, nach Ausschreibung des Ritterspiels, begab es sich, daß an dem Morgen frueh erschien und sich da sehen ließ mancher stolzer, kuehner und wohlgeruesteter Ritter, in Hoffnung, zu stechen und fechten mit dem schwarzen Ritter, der da bei dem wunderschoenen Brunnen war, und ihre Mannheit auch gegen ihn zu beweisen. Und bei demselben Brunnen war ein groß Gezelt aufgeschlagen: aus demselbigen ging ein Zwerg, der sah aus gar muerrisch und fast ungeschaffen, und ging zu dem großen Baum, da der Schild mit den weißen Zaehren und ein Horn an hing. Er nahm das Horn und blies es mit Kraeften, daß es erhallte. Da das geschah, ging aus dem Gezelte die alte Jungfrau und der Betbruder, die hießen den Zwerg schreien und rufen, daß alle die Ritter und Herrn, so aus fernen Landen, von wegen des Ritterspiels, zu dem schwarzen Ritter mit den weißen Zaehren hieher kommen waeren, daß ein jeglicher seinen Schild an den Baum haengen sollte, darin die kleinen Haeklein geschlagen waren. Und als sie nun die Schild' alle hatten aufgehaengt, da hub an der Zwerg zu ihnen: »Nun hoeret zu, gestrenge Ritter und alle ihr Herren, meine Jungfrau die heißt mich euch sagen, daß sie geordnet und bestellet habe, vier Schild' aus allen den Schilden zu erwaehlen, zu denen wird sie schießen; und in welchem Schild man finden wird einen Pfeil stecken mit gueldenen Federn, den sie darein geschossen hat, desselbigen Schildes Herr soll sich anlegen in Harnisch und auf denselben Montag mit dem schwarzen Ritter stechen und fechten. Und welchen Schild sie trifft mit dem andern Pfeil, derselbige soll deßgleichen thun am andern Montag; deßgleichen an dem dritten und vierten Montag. Und sie wird auf jeglichen Montag vier Schilde treffen, bis es, in einem Jahr, zween und fuenfzig Ritter trifft, die beßten und denen man am meisten Lob und Ehre beilegt, die denn meine Jungfrau weiß und kann erwaehlen mit Zahl, nach ihrem beßten Gefallen. Und das soll ein ganz Jahr waehren, bis der schwarze Ritter ihnen oder sie ihm mit Gewalt obsiegen.«

Und da rufte der Zwerg mit lauter Stimme der Jungfrauen, daß es jedermann hoerte: da kam sie herfuer gegangen aus dem Gezelt und trug einen Tuerkischen Bogen und vier Pfeil' in der Hand, schoß zu den Schilden und traf am ersten Wernhers von Rosches Schild, der der beßte Ritter von Britannia war. Zu dem andern mal traf sie Gottfrieds von Lusignan Schild; der war der beßte Ritter von dem Land Klein-Britannia. Zu dem dritten mal traf sie Andre's von Lator Schild, des beßten Ritters von dem Land Agrires. Der vierte Schild, den sie traf, der war der beßte Ritter aus Normandia.

Und da nun also die Jungfrau ihr Geschaeft vollbracht haet, da nahm sie der Betbruder und fuehrte sie wiederum in das Gezelt und unter den Umhang, der ganz schwarz war und mit weißen Zaehren besprengt. Er legete bald an seinen Harnisch und ging heraus von dem Gezelt: er trug seinen Schild an dem Hals und einen Spieß in seiner Hand und saß auf ein Pferd, das war ganz mit schwarzem Sammet bedeckt, darauf weiße Orientische Perlen geheftet, als die Zaehren; er war sonst koestlich und wohl ausgeputzt und ganz lieblich anzusehen in seinem Harnisch. Es nahm jedermann Wunder, von wannen der Ritter waere; denn es war die gemeine Rede: Pontus waere zu dem Koenig von Ungern in einen Krieg geritten, der zur selben Zeit zwischen zweien Koenigen war. Darnach kam Wernher von Rosches, dem der erste Pfeil in seinen Schild ward geschossen, gar koestlich in seinem Harnisch, mit viel Drommetern und großem Schall, daß man davor nicht wohl hoeren konnte. Da stund der schwarze Ritter von dem Pferd ab, nahm einen gueldenen Kopf in seine Hand, schoepfte da Wasser aus dem wunderschoenen Brunnen und begoß und besprengte damit die Wiesen: und alsbald das Wasser auf die Erden kam, da gab es einen Nebel und Finsterniß, daß einer den andern kaum sehen mochte; aber es waehrete nicht lange. Das Volk verwunderte sich dessen sehr, und sonderlich der Kraft und Eigenschaft des Brunnens: und also thaet Pontus allwegen mit dem Brunnen, ehe er anfing zu fechten. Darnach so saß er auf sein Pferd, setzte seinen Helm auf, nahm sein Spieß unter seinen Arm, ermahnete sein Pferd mit den Sporen und ritt frischlich gegen Herr Wernhern von Rosches. Sie gaben einander gar ungestueme Stoeß', also, daß einer dem andern durch seinen Schild rennete. Sie wendeten sich schnell um, rennten fast grimmlichen auf einander und trafen so wohl, beiderseiten, daß Wernher von Rosches zu Haufen fiel mit seinem Pferd; aber er sprang bald wieder auf seine Fueße. Da der schwarze Ritter das ersah, da stund er auch ab von seinem Pferd, lief ihn an mit dem Schwert und schlug auf ihn mit Kraeften, wo er ihn erreichen mochte. Der von Rosches wehrete sich nach seinem beßten Vermoegen, aber es half ihn gar wenig: denn Pontus gab ihm gar viel harter Streiche, daß er sich nicht erhohlen mochte; und zujuengst traf er ihn mit einem so kraeftigen Streich; daß er ihm das Visier vom Helm schlug, und verwundet' ihn also in seinem Angesicht. Wernher hub da auf sein Schwert und begehrete Pontus zu schlagen; aber Pontus hielt den Streich auf und empfing ihn in seinen Schild: darein schlug er ihm wohl einer Spannen lang eine Scharte, daß er sein Schwert nimmer gewinnen mochte. Da nun Wernher seines Schwerts entwehrt war, da sprach Pontus zu ihm: »Ritter, ist es Zeit, daß ihr euch ergebet in Gnad' und Gefaengniß der allerschoensten Frauen dieses Koenigreichs.« Wernher gab ihm hierauf keine Antwort, sondern thaet als einer, der voll Zorns und Unmuths war. Aber Pontus sprach: »Ich schlag' euch nun nicht mehr; denn ihr habt kein Gewehr in euerer Hand.« Der von Rosches lief Pontus an und vermeinet' ihn mit der Faust zu schlagen; aber Pontus, der große und starke Ritter, ward zornig, ergriff ihn, zog ihn zu sich, warf ihn nieder unter sich und sprach: »Ritter, ich will euch noch gehn lassen in Gefaengniß der Schoensten in Britannia; und sagt ihr meinen gutwilligen Dienst, als von dem schwarzen Ritter mit den weißen Zaehren.« Und hiemit ging er von ihm.

Wernher von Rosches verstund die Frommkeit des schwarzen Ritters und gab ihm großes Lob in seinem Herzen. Er ging hin zu den andern Rittern, die dabei gewesen waren und da zugesehen hatten, und sprach zu ihnen: »Liebe Herren und Freund', ich habe da meinen Meister funden, und hab' ihn als einen frommen und strengen Ritter versucht und erfunden, als er wahrlich ist; davon ich nicht viel mehr reden will, denn, daß ich euch frag' auf euere Treue, daß ihr mir sagt, welches die schoeneste Jungfrau sei in diesem Koenigreich.« Da sprachen sie alle einmuethiglichen, daß des Koenigs in Britannia Tochter, mit Namen Sidonia, die allerschoeneste waere. Und also schied Wernher von Rosches von dannen und ritt gen Bannes.

Pontus aber saß auf sein Pferd und ritt wieder zu dem Wald etliche heimliche Wege, die ihm wohl kund waren, und wußte niemand, wo er hin kam. Er ritt wiederum in das Kloster, sperrete zu das Thor, stund ab von seinem Pferd und ließ ihm seinen Harnisch abthun. Die Jungfrau mit dem Zwerg und auch die andern blieben in dem Gezelt, bis es Nacht ward, und da jedermann ab dem Weg kam, da gingen sie auch in das Kloster zu Pontus.

Nun lassen wir's itzund mit Pontus bleiben und sagen von der schoenen Sidonia, was fuer Klag' und Leid sie haet in Abwesen des Pontus, und wie Herr Wernher von Rosches, als ein Gefangener, sich der Sidonia darstellte.

 

Das zwanzigste Kapitel

Was fuer Klage Sidonia fuehrt von wegen des Hinzugs des Pontus auch wie sich der erste ueberwundene Ritter der Sidonia darstellet.

Sidonia war Tag und Nacht von wegen des Abwesens des Pontus in großem Unmuth, Klagen, Schmerzen und Leid und gedachte, was ihr ihre Jungfrau Eloisa gesagt haett' und was Pontus zu ihr geredet haette, wie er eine Weile wollte hinweg reiten und aus dem Lande sein; und gedachte, wie es derhalben waere geschehen, daß sie nicht schoen mit ihm geredet haette: das gereute sie gar hart, und sie sprach oft zu ihr selbst: »O weh, ich unglueckhaftige Frau! ich Hab' ihn durch meine Thorheit verloren und dahin bracht, daß er Unglueck haben muß. Alles Unglueck komme ueber den, der mir die erste Maehre bracht hat! Und es ist eine große Thorheit an mir gewesen, daß ich also seine Frommkeit in Zweifel gesetzt habe, so doch sein frommes und gerechtes Herz keine Untreue gegen mich gefasset hat.« Also weinet' und klagete sie in großem Unmuth ihres Herzens ihr verlorenes Lieb, ihren Ritter Pontus. Das Leben trieb sie Tag und Nacht; und es geschah hiezwischen viel seltsamer Red' an des Koenigs Hof von Pontus.

Da nun Wernher von Rosches wieder heim kam an des Koenigs Hof, da fraget' er und begehrete, zu kommen zu der schoenen und tugendsamen Sidonia, und zeiget' an, wie er ihr Gefangener waere. Der Koenig schickete nach ihr und zeiget' ihr an, wie Wernher von Rosches, der strenge Ritter, ihr Gefangener waere; darum er fuer sie begehrete, sich ihr zu ueberantworten und in ihr Gefaengniß zu geben.

Also kam sie mit viel Volks und ihren Jungfrauen, zu vernehmen Herr Wernhers von Rosches Werbung und Geschaeft. Und da sie auf den Saal kam und sich niedergesetzt hatte, da kam der von Rosches, kniete fuer sie und sprach mit lauter Stimme, daß es jedermann wohl vernehmen mochte: »Gnaedige Frau, der schwarze Ritter mit den weißen Zaehren sendet mich zu euch. Er und ich haben mit einander gefochten und gestritten, und durch seine Mannheit hat er mich ueberwunden und hat mir befohlen, ich soll mich der schoensten Frauen oder Jungfrauen gefangen geben, die in diesem Koenigreich sei. Also hab' ich mich erkundet bei allen Herren, Rittern und Knechten, die dabei gewesen find, und mich erfraget: welche die Schoeneste waere in ganzem Britannia? Die sprachen alle gemeiniglich, daß ihr ueber alle andere die schoeneste waeret: darum ergeb' ich mich in euer Gefaengniß, mit mir zu fahren, als euerm Gefangenen. Auch befahl er mir, daß ich euch viel Dienst von ihm sagen sollte.« Sidonia ward einwenig schaamroth, darum, daß man sie fuer die Schoeneste haet erwaehlet, und sprach: »Ich danke den Herren, Rittern und Knechten, die mir solch Lob zumessen und fuer die Schoeneste mich erwaehlet haben; aber sie haben sich selbst hierin betrogen. Ich dank' auch dem schwarzen Ritter, der euch mir hat gefangen geschickt. Nun sagt mir doch, wer er sei?« – »Sicher, gnaedige Frau, – sprach Herr Wernher – ich weiß nicht, wer er ist; aber ich sage euern Gnaden fuer eine Wahrheit, daß er in seinem Harnisch gar ein huebscher, mannlicher Mann und Ritter ist; und hab' auch seines gleichen noch nie gesehen, der seines Treffens mit der Lanzen und auch mit dem Schwert gewisser sei. Und er bedunkt mich ein wenig laenger zu sein, denn Pontus: er ist ihm auch etwas gleich, aber er ist es nicht; denn man saget fuerwahr, wie Pontus sei in Ungern geritten.« Da ward gar viel von dem schwarzen Ritter gesagt, und wie er auf den naechstzukuenftigen Montag mit Gottfrieden von Lusignan, am dritten Montag mit Andre von Lator und darnach mit dem Grafen von Martein rennen und fechten woellte.

Der Koenig und Sidonia, auch andere Frauen und Jungfrauen erboten dem von Rosches viel Zucht und Ehr', und er mußte mit ihnen in dem Saal essen. Sidonia sprach in Schimpfsweise: »Herr von Rosches, daß ihr nun in meinem Gefaengniß und mein Gefangener seid, deß bin ich froh: aber ihr sollt billig traurig sein und sorgen; denn ihr wisset nicht, in was Gefaengniß ich euch legen werd' und was ihr leiden mueßt.« Der von Rosches fing an zu lachen und sprach: »Gnaedige Frau, wollt ihr mich in kein haerter Gefaengniß legen, denn ich itzund bin, so will ich es noch wohl erleiden. Ich vermein', ehe noch das Jahr herum komm', ihr werdet mich nicht allein, sondern solcher Gefangener mehr in euerer Gewalt haben.«

Da man nun gegessen haet, hueben die Frauen an zu singen und zu tanzen. Aber Sidonia tanzete nicht viel und haett' auch gern nicht getanzet, wo sie nicht haette besorgt, daß vielleicht ihr Unmuth dadurch gemerkt worden waere.

Nun lassen wir das also bleiben und fahen an zu reden von dem anderen Montag.

 

Das ein und zwanzigste Kapitel

Von dem Ritterspiel, Rennen und Stechen des andern Montags.

Das andere oder zweite Ritterspiel fing sich an, nach Ordnung, auf dem zweiten Montag, welcher Tag nun gar schoen und klar erschien. Da kam der mannliche Ritter und Herr des andern Schildes, der da troffen ward von der alten Jungfrauen, naemlich der Herr von Lusignan, und erschien mit viel anderen Rittern und Knechten, gar schoen und wohl ausgeputzet in seinem Harnisch, an welchem jedermann seine Lust zu sehen haet.

Da kam herfuer aus dem Gezelt gegen ihn geritten der schwarze Ritter und hat den Spieß in seiner Hand und den Schild an seinen Hals hangen. Da sie nun auf die Bahn kamen und einander ersahen, rannten sie gar stark zusammen, also, daß von den Stoeßen die Rosse mit ihnen fielen. Sie kamen wieder auf die Fueße, ritten von einander, fasseten ihre Spieße wohl, nahmen eine weite Bahn und rannten mit Kraeften zusammen, daß noch einmal Roß und Mann zu Haufen fiel. Sie lagen da unbeweglich und mochten sich nicht regen; denn die Pferde lagen ihnen auf ihren Beinen, daß sie nicht aufkommen mochten: jedoch arbeitete sich Pontus herfuer, daß er aufkam, und schaemete sich gar sehr, daß er zum zweiten mal war niedergerannt worden. Er sah, daß der von Lusignan noch unter dem Pferd lag und konnte sich nicht regen, denn er hatt' einen Schenkel zerbrochen. Pontus lief zu und begehrt ihm zu helfen: da griff der von Lusignan an sein Schwert, zu erzeigen, daß er noch Mannheit und ein gut Herz hat, und begehrete Pontus zu schlagen; und da er einen Streich oder drei gethan haet, da sprach Pontus zu ihm: »Herr von Lusignan, ich seh' euch da vor mir schadhaft liegen, darum so waere es mir eine große Schande, daß ich euch, also liegend, schluege.« Gottfried sprach: »Ihr habt mich doch noch nicht ueberwunden, dieweil ich mein Schwert in meinen Haenden fuehren mag.« Und sprang auf und wieder an Pontus: da haet er des verletzten Schenkels keine Gewalt, und zudem so stieß er sich mit dem guten Fuß an einen Stein, daß er strauchelt' und fiel. Pontus der half ihm wieder auf und sprach zu ihm: »Herr, ich woellte euch itzt wohl ueberwinden; aber ich sehe euer Gebrechen, und darum sollt ihr euch nicht mir, sondern der allerschoensten Jungfrauen in diesem Koenigreich ergeben, die euch gnaedig wird aufnehmen und wohl empfahen. Und sagt ihr viel Dienst von dem schwarzen Ritter mit den weißen Zaehren. Und ich bitt' euch, ihr woellet nun Friede halten und nichts weiter mit mir anfahen; denn was geschehen ist, das ist alles hin: und ich weiß, wenn ihr gesund und baß moegend waeret, ihr ließet mich nicht ungemuehet, denn ich hab' euere Mannheit vor langem gewußt.« Da der von Lusignan des Ritters Ehrbarkeit und Frommkeit vernahm und erkannte, da lobet' er ihn fast und sprach zu ihm: »Herr, ich will nun reiten und mich antworten, dahin ihr mich durch euere Mannheit zu stellen gezwungen habt.«

 

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Das Ritterspiel, Fechten und Rennen des dritten Montags.

Auf dem dritten Montag erschien gar ein schoener, klarer Tag und kam abermals auf geordneten Platz, zu sehen das Ritterspiel, gar viel Volks von Rittern und Knechten. Als es nun war um die Primzeit, da kam auf die Bahn der schwarze Ritter, wohl geruestet und ausgeputzt: und gegen ihn da kam auf die Bahn Andre von Lator, auch gar huebsch in seiner Ruestung. Da sie nun einander ersahen, da rannten sie gar flugs auf einander, und trafen auf beiden Theilen gar wohl. Darnach wandten sie sich wiederum und rannten abermals mit Kraeften auf einander, daß sie ihre Lanzen zu Stuecken auf einander zerstießen und der von Lator an seinem Pferde hing mit einem Schenkel, also, daß er sich kaum erhalten konnte, daß es nicht fiel. Doch erhohlet' er sich wieder. Da griffen sie zu ihren Schwertern, die gar stark und wohl schneidend waren, und gaben einander damit gar harte, ungestueme Streiche. Pontus hohlet' einen Streich und schlug den von Lator mit solcher Macht, daß er tuermlich davon ward; und da Pontus sah, daß dem von Lator schwindelte, da nahm er ihn mit ganzen Kraeften bei dem Helm und warf ihn von dem Pferd auf die Erden. Und da er ihn liegen sah, da gedacht' er, es waere ihm eine Schande, daß er den anritt, stund auch ab von seinem Pferd und lief den von Lator an: der wehrte sich gar kecklichen gegen ihn. Pontus gab ihm einen gar harten Schlag, damit er ihm die Scheibe auf dem Arm im Schild zerspaltete. Andre von Lator gab ihm auch viel harter Streiche, wo er ihn erreichen mochte; denn er auch ein guter und fester Ritter war. Sie trieben das so lange mit einander, bis das Pontus dem von Lator seinen Helm zerschlug. Sie waren beide fast mued' und lehnten sich ueber ihre Schwerte, Luft und Athem zu schoepfen. Da sprach Andre von Lator zu Pontus, da er sich ein wenig verschnauft hat: »Herr Ritter, ich weiß nicht, wer ihr seid; aber das mag ich wohl reden, da ich heut' aufstund, da gedacht' ich nicht, daß ich so viel Kraft und Mannheit finden sollte bei einem Mann, als ich bei euch gefunden habe. Aber wolltet ihr mich schlagen und weiter noethen, so mueßte ich mich noch baß wehren und versuchen, was an mir waere.« Pontus sprach: »Ja, sicher, ihr muesset euch nun ergeben der allerschoensten Jungfrauen dieses Lands, mich betruegen denn meine Sinne; und nehmet hin und traget diese Gabe von dem Schwert zu ihr.« Und hub mit dem auf und gab ihm einen gewaltigen Streich; denn es thaet ihm gar Zorn, daß er sich sein so lange gewehrt haet, und schlug einen Streich in den andern auf Herr Andre, bis er sich nicht mehr regen mocht', und sprach zu ihm: »Edler Ritter und Herr von Lator, ergebt euch noch.« Darauf er ihm keine Antwort gab; denn es war gar nahe dabei, daß er sich ergeben mußte. Pontus thaet, als einer, der voller Tugend und Guetigkeit ist, und sprach zu ihm: »Ich bitt' euch, ihr wollt euch noch ergeben der allerschoensten Jungfrauen dieses Landes und Koenigreichs: damit nun forthin unserm Fechten ein Ende sei; denn wir haben uns genug an einander versuchet.« Andre von Lator der erkannte nun Pontus Tugend und Sanftmuethigkeit, mit dem er gefochten haet, und sprach: »Herr, seit es euch ein groß Wohlgefallen ist, so will ich mich ihr gern ergeben.« Pontus der sprach: »Daran begnuegt mich fast wohl.« Andre von Lator der stund nun auf und war sehr muede von dem Fechten und den Schlaegen, die er empfangen haet. Pontus aber saß wieder auf sein Pferd und ritt in den Wald zu dem Kloster.

Andre von Lator kam zu Gottfrieden von Lusignan und sprach zu ihm: »Wohlauf, mein lieber Freund und Gesell, ihr und ich wollen mit einander reiten zu der Allerschoensten und uns ergeben in ihre Gnade.« – »Herr, – sprach der von Lusignan – ich will euch gern hierin Gesellschaft und Freundschaft leisten und woellte euch ungern allein dahin reiten lassen.« Und also trieben sie vorhin gar viel Schimpftheiding mit einander. Andre von Lator der hieß ihn des Harnischs ledig machen und abziehen; und er haet auch aus der maßen große, tiefe und schaedliche Wunden, aber derer keine war toedtlich.

Und also ritten sie auch mit einander in dreien Tagen zu der schoenen Sidonia. Der Koenig empfing sie mit großen Ehren und Freuden, als die besten zween Ritter, so man in allen Landen finden mocht'; sie hatten auch von jedermann großen Preis und Ruhm. Darnach da gingen sie zu der schoenen Sidonia und ergaben sich in ihre Gnade. Sie war gar vernuenftig, erbot ihnen viel Zucht und Ehr' und empfing sie gar wohl und schoen. Sie schenket ihnen Hermelinpelze mit guter Seiden ueberzogen, auch gar koestliche Guertel und an jedem Guertel gar einen zierlichen Beutel oder Saeckel.

 

Das drei und zwanzigste Kapitel

Mit was Ordnung das Ritterspiel, Stechen und Fechten des vierten Montags gehalten wurde.

Als es nun an dem vierten Montag gar ein schoener, klarer Tag war, da kam fast viel Volks, die Ritterschaft und das Ritterspiel zu sehen. Und als nun die Stunde vorhanden war, da kam aus dem Wald gegangen die alte Jungfrau und der Zwerg, und die Jungfrau haet einen Bogen und vier Pfeil' in der Hand, als sie denn vor auch gehabt hatte, und ein Betbruder, mit einem gemachten Angesicht, der hielt auf einem Zelter mit einem gueldenen Zaum und zeiget' ihr, wie sie sollte schießen und zu welchen Schilden der Ritter, die nun forthin fechten sollten. Und die Jungfrau schoß und traf an dem ersten Diepolts Schild von Weles, welcher gar ein gestrenger und herzhafter Ritter war, der auch gar großen Ruhm hat; mit dem andern Pfeil traf und schoß sie den Schild des Grafen von Montmoran; mit dem dritten Pfeil traf sie Heinrichs von Montmoran Schild; mit dem vierten schoß die Jungfrau in Robetes von Ranselon Schild. Und da sie nun die vier Pfeile hatte verschossen, da ging sie wiederum in ihr Gezelt. Darnach ueber eine kleine und gar kurze Zeit da kam der große und mannliche schwarze Ritter heraus geritten in seinem vollen Harnisch und haet seinen Spieß in seiner Hand und den Schild an seinem Hals. Da kam gegen ihn geritten der Graf von Martein, gar koestlich und wohl geziert in seinem Harnisch, und dazu auch kam er mit großem Pomp und herrlicher Pracht, mit Drommeten und allerlei Saitenspiel. Und sobald sie einander ersahen, da ließen sie die Pferde gar schnell und stark auf einander laufen und gaben einander gar harte Stoeße; und Pontus traf den Grafen so hart, daß er sich kaum erhielte, daß er nicht fiel. Darnach nahmen sie ihre Schwert' in ihre Haende, rannten wieder auf einander und schlugen gar haertiglichen einander. Aber Pontus, der fast groß und stark war, erzuernet' und nahm den Grafen bei dem Helm, riß ihn von dem Roß auf die Erden, gab ihm mit dem Schwertknopf einen harten Stoß und schrie ihn an: er sollte sich ergeben, und er wollt' ihn nicht mehr mit der Schneiden schlagen. Der Graf wehrte sich, so lang' er mochte; aber an dem letzten, er wollte oder nicht, so mußte er sich ergeben der allerschoensten Jungfrauen in dem Koenigreich Britannia. Und darnach ließ er von ihm und ritt wiederum in den Wald, in maßen, als er vormals hat gethan. Der Graf aber ritt zu der schoenen und tugendsamen Sidonia und gab sich in ihre Gnad', als auch die andern gethan hatten.

Nun, auf die anderen Montage kamen nach Ordnung, nach einander zu solchem Fechten ein jeder, wie er erwaehlt ward. Und zum ersten kam Diepolt von Weles; darnach alle andere, also lange, bis daß die Montage des ganzen Jahrs herum waren; welches alles zu erzaehlen viel zu lang waere. Denn es kam allezeit gar viel und große Ritterschaft dahin und war alles gar schoen und huebsch zu sehen. Und wurden alle Gefangenen zu der schoenen Sidonia von Pontus gesandt; also, daß zween und fuenfzig, die allerbeßten Ritter, die man im Land mochte finden, von Pontus ueberwunden und zu Sidonia geschickt wurden: welche alle um Ruhms willen dahin kommen waren; denn Pontus begehret' und forderte allzeit die beßten, darum ein jeder wollte und begehrte von derselben Zahl zu sein und sich mit ihm zu versuchen. Und es ward gar ein großer Ruhm von ihm in Frankreich, in Deutschen und andern Landen, die da umher waren. Es kamen auch von allen Landen und Enden viel Ritterschaft dahin und haengeten ihren Schild auf: Pontus der focht allezeit mit dem Allerbeßten und Beruehmtesten von jedem Land, und thaet das der Meinung halb, daß man ueberall von ihm sollte sagen.

 

Das vier und zwanzigste Kapitel

Wie der schwarze Ritter, nach vollendetem Kampf und Ritterschaft des ganzen Jahrs, einen fuerstlichen Hof zurichtet.

Da nun das Jahr herum kam und das ritterlich Kaempfen und Fechten des schwarzen Ritters, welches ein ganz Jahr lang gewaehret haet, ein End hatte und vollbracht war, und die Pfingsten herzu kamen, da sollten sich stellen wiederum die gefangenen und ueberwundenen Ritter in des schwarzen Ritters Land mit den weißen Zaehren, auf den Platz und Ende, da sie ueberwunden und gefangen wurden.

Da ließ nun Pontus einen schoenen Saal zurichten und machen bei dem wunderschoenen Brunnen, hieß den Saal mit gruenem Laub allenthalben bedecken und umhaengen, und bestellet' auf das allerkoestliche, so er bekommen mochte, Speis' und Trank und alle Nothdurft ueberfluessig.

Er schrieb auch dem Koenig von Britannia gar einen freundlichen Brief, darinnen er ihn gar schoen und unterthaeniglichen bat, daß er ihm so gnaedig wollte sein, und auf die Pfingsten zu ihm auf den Hof zu dem wunderschoenen Brunnen kommen, und mit ihm bringen die allerschoensten und huebschesten Frauen und Jungfrauen von seinem Koenigreich. Er sollte auch nicht hinter ihm lassen seine Tochter Sidonia; denn da wuerde sie und die andern das Lob und den Preis geben denen, die in dem ganzen Jahr am baßten und ritterlichsten an den Montagen gestritten und gefochten hatten; und so weiter, mit viel mehr schoenen Worten.

Da nun der Koenig den Brief haet gelesen und sein Begehr vernommen, da empfing er viel und große Freude darob und gefiel ihm gar wohl, daß ihm der schwarze Ritter so viel Ehr' erzeigete. Er schickete von Stund' an nach seiner Tochter Sidonia, saget' ihr die Maehr' und Botschaft und befahl ihr damit, daß sie auch von Stund' an sollte ausschicken nach den allerschoenesten Frauen und Jungfrauen, die in all' seinem Koenigreich waeren, und daß sie diese mit ihr zu dem Hof sollte bringen.

 

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Hie kommt der Koenig mit seiner Tochter Sidonia, die mit ihr brachte viel schoener Frauen und Jungfrauen, zu dem schwarzen Ritter in den Wald und erkannten, wie das Pontus war.

Wie sich nun auf das Ausschreiben Sidonia's viel schoener Frauen und Jungfrauen versammlet hatten, kamen sie auf den bestimmten Tag zu ihr, wohl geschmueckt und auf das koestlicheste geziert, mit großer Begierde, zu erfahren den Willen und Fuernehmen Sidonia's. Da nun der Pfingsttag vorhanden war, da war auf der ganze koenigliche Hof mit großem Pomp und Freuden. Auch die schoene Sidonia, des Koenigs Tochter, mit ihren Frauen und Jungfrauen, waren auf zu Roß und Wagen und fuhren zu dem bestimmten Hof des schwarzen Ritters mit den weißen Zaehren in den gruenen Wald zu dem wunderschoenen Brunnen, fuehrten mit ihnen Gezelt' und Umhaeng' und ließen die daselbst aufmachen, und umhaengten sie, daß es eine Gestalt haet, als waere es eine große Stadt; denn es kam treflichen viel Volks dahin.

Pontus haet lassen machen dreizehen Roecke seiner Gesellschaft, seinem Vetter und den dreizehen Gesellen, und auch Herlanden, dem Seneschal, die gab er ihnen. Denn er haet einen Tag zuvor, vor des Koenigs Zukunft, sie zu ihm zu kommen geordnet. Und da nun der Koenig sollte kommen, da nahm er sie mit sich und ritt ihm gar schoen in seiner Gesellschaft entgegen. Und da ihn der Koenig ansah und erkennete, daß es Pontus war, der so viel Mannheit und ritterliche Thaten haette begangen, da ist nicht zu sagen, was große Freud' er in seinem Herzen empfing ob ihm; er erzeigte ihm auch große Ehre, kuesset' und halset' ihn vor Freuden und sprach zu ihm: »Warum habt ihr euch so lange verhalten vor mir und mich getaeuschet, als ob ihr in einen Krieg geritten waeret? Es hat mir aber mein Herz allwegen angezeigt und gesagt, daß ihr der waeret, der so viel Wunders dies Jahr hat gethan.« Pontus aber ward schamroth ob der Rede des Koenigs und redete nichts dazu; denn er schaemte sich des Lobs und der Ehren, die ihm der Koenig gab.

Darnach ging Pontus zu der schoenen Sidonia, die viel schoener Frauen und Jungfrauen in ihrer Gesellschaft haet, kniete fuer sie nieder und grueßete sie gar tugendlichen; deßgleichen grueßete sie ihn wiederum und erzeigten sich, als die große Freud' in ihren Herzen haetten. Sidonia lachet und sprach zu ihm in Schimpfsweise: »Pontus, warum seid ihr allein so lang' in dem Wald gewesen? Ihr moechtet wild sein worden.« – »Gnaedige Frau, sprach Pontus – ich werde bald wieder heimlich.« Und er hat große Freude, zu sehen, die er so lange nicht gesehen hat.

Er kehrete sich von ihr zu den Frauen und Jungfrauen, die mit ihr kamen und alle mit gruenen Kraenzlein bekroent waren, empfing sie gar schoen und sprach zu ihnen: »Ihr Frauen und Jungfrauen, Gott gebe euch allen, was euer Herz begehret.« Die Frauen und Jungfrauen grueßten ihn wiederum gar zuechtiglich und hatten alle große Freud', ihn zu sehen, von wegen der ritterlichen Thaten und großen Ehre, welche er begangen hatte; denn sie hatten ihn alle fuer andere Ritter lieb und werth und sprachen zu einander: »Gott der allmaechtige woelle ihm helfen und auch vor Uebel behueten und ihm seine Ehre mehren und erhalten!« Man hoert' auch sonst viel von ihm sagen fern und nahe. Also kamen sie mit solchem Gespraech und Freuden auf die Wiesen zu dem wunderschoenen Brunnen.

 

Das sechs und zwanzigste Kapitel

Wie der Koenig mit Sidonia und ihren Frauen und Jungfrauen von dem schwarzen Ritter empfangen wurden.

Wie nun der Koenig mit seiner Tochter Sidonia und allem seinem Volk von dem schwarzen Ritter empfangen und hinein geleitet ward zu dem schoenen Brunnen, da der Hof zugeruestet war, da stunden sie mit Freuden ab. Da kamen zu ihnen gegangen viel fremder Herren, Grafen, Freien, Ritter und Knecht' und empfingen den Koenig, auch Sidonia mit ihren Frauen und Jungfrauen gar hoeflichen und schoen. Es ward aber ihnen allen große Ehr' und Reverenz von Pontus erzeiget und bewiesen. Er richtet' an große Freud' und Kurzweile mit Posaunen, Harfen, Singen und allerlei Saitenspiel, daß es in dem ganzen Wald erhallte: damit sie den ganzen Tag in großen Freuden hinbrachten; denn es waren da, ohne den Koenig, viel edler Herren, Fuersten und Grafen, auch der Herzog von Oesterreich und Andere. Nun, an dem Morgen frueh, gingen sie alle mit einander zur Kirchen und vollbrachten ihren Gottesdienst mit Beten und Messe Hoeren.

Darnach gingen sie auf den Saal: da satzte man den Koenig und Sidonia an einen hohen Tisch oben an, der ganz fuerstlich zugerichtet war. Darnach wurden die Herzogen, Grafen und jedermann gesetzt, und ward ihrer da gar herrlich und wohl gepflegt. Der Hof war fast groß, doch ganz ordentlich und wohl zugerichtet. Auf der einen Seiten des Saals hingen zum Gesicht die zween und fuenfzig Schilde der ueberwundenen Ritter. Nun, nach vielen und mancherlei fuerstlichen Trachten, kam zuletzt gar eine koestliche, kuenstliche und seltsame Tracht; denn es war zugeruestet, als ob es Kinder in eitlem Harnisch waeren, die mit einander foechten, und andere seltsame Dinge, darob sie alle Verwunderniß hatten.

Nach dem Essen da waren geordnet sechs der allerhuebschesten Frauen, auch sechs der allerschoenesten Jungfrauen und sechs von den aeltesten Rittern, und auch sechs alte Knechte, die des Adels waren, die beßten, die man da fand. Ein Theil trug die Lanze mit der koestlichen schwarzen Fahne mit den weißen Zaehren, die waren mit Orientischen Perlen gemacht, und einen Zirkel mit koestlichem Gold, auch von edlem Gestein und Perlen. Der andere Theil der trug das koestliche Schwert mit dem gueldenen Knopf und eine gueldene Borte mit Seiden gewuerkt und mit guten Steinen besetzt; welches alles huebsch zu sehen war. Und solche koestliche Gezierd' und Kleinod hat Pontus alles in dem Schiff von des Soldans Sohn gefunden, als er ihn zu Feld' im Krieg erschlug und ihm die Schiffe nahm: solches Gut konnt' und wußt' er nun nicht baß auszutheilen, denn in dieser Gesellschaft, da der Koenig mit so viel Fuersten und Herren und auch Frauen war. Die Ritter und Frauen, die da trugen die Kleinode, gingen in dem Saal mit Gesang auf und nieder zu suchen, in maßen, als sie nicht wueßten, wem sie das geben und dazu erwaehlen sollten; und am letzten da gingen sie zu dem Herrn von Lusignan und gaben ihm die Lanze mit der koestlichen Fahne und den koestlichen Zirkel von Gold, und setzten ihn den auf sein Haupt, als fuer den beßten Stecher. Darnach gingen sie zu Andre von Lator, gaben ihm das koestliche Schwert und guerteten ihm das um, und die koestliche Krone; er wollt' oder nicht, so mußt' er es haben, wiewohl er dazu viel Ausrede haet; denn er vermeinte, daß viele da waeren, die solches baß verdient und erfochten haetten, denn er, und schaemete sich der Ehren fast sehr und entsatzte sich darob. Aber Pontus haet das alles so geordnet; denn er sprach, daß er ihm auf einem Tag mit Fechten am meisten haette zu schaffen gegeben; aber der Herr von Lusignan haet es gethan mit Stechen und Rennen. Und da das also geschah, da huben die Drommeter an zu blasen und zu drommeten, auch zu hofieren mit Pfeifen und andern Saitenspielen, und die Herolde fingen an zu schreien so mit kraeftiger Stimm' im Saal um und um, daß niemand dafuer mochte hoeren; denn es toenete gleich, als ob es gedonnert haette. Es ward auch solchen Herolden, Drommetern, Pfeifern und Spielleuten große Gabung und Schenkung gegeben.

 

Das sieben und zwanzigste Kapitel

Wie zuletzt sich der Hof zertrennte; und was fuer Gespraech Sidonia mit Pontus haet, von wegen seines Thuns.

An dem Abend, da man hatte zu Nacht gegessen, da gingen sie mit einander zu dem Tanz, und waehrete der Tanz bis nach Mitternacht. Darnach ließ man bringen Wein und Fruechte. Und da sie nun das hatten genommen, da gingen die fremden Fuersten, Grafen, Herren und Gaeste zu dem Koenig und der schoenen Sidonia, auch zu den andern Frauen und Jungfrauen und zu den Herren von dem Land, und nahmen Urlaub von ihnen; der ihnen guetlich ward gegeben.

Also ritten sie an dem Morgen frueh nach der Messe von dannen. Pontus geleitete sie in ein Schloß, das ihres Wegs war, und da haet er ihnen das Fruehmal lassen bereiten. Und da sie hatten gegessen, da ritten sie von dannen. Also schied Pontus von ihnen und ritt wieder zu dem Koenig und zu den Frauen. Und als nun der Hof ein Ende haet, da nahmen nun die Frauen und die Herren von Britannia auch Urlaub von dem Koenig und seiner Tochter und von Pontus.

Darnach ritt der Koenig und seine Tochter und Pontus mit einander spazieren, sangen und waren froehlich. Da fing Sidonia mit Pontus an zu reden und sprach: »Ihr habet euch lange fuer uns verborgen und hat mich fast sehr verwundert, daß ich nie nichts besonders von euch habe gehoert.« – »Gnaedige Frau, – sprach er – ich hab' euch doch alle Wochen einen Boten gesendet.« – »Es ist wahr, – sprach sie – lieber Freund, ihr habt mir in mein Gefaengniß geschickt die Allerbeßten von allen Landen; doch waere es mir ein groeßeres Wohlgefallen gewesen, wo ich haette gewußt, daß sie mir von euch waeren kommen. Aber ich haette nicht vermeint, daß sie von euch gesandt waeren worden; denn jedermann sprach, wie ihr waeret in Ungern oder Pohlen in Krieg geritten, und wunderte mich gar sehr, daß ihr mir doch nichts zu wissen thaetet; denn ich habe derhalb viel Unruh' und Traurens in meinem Herzen gehabt.« – »Ei, – sprach Pontus – gnaedige Frau, mein Herz und alle meine Gedanken sind staets bei euch gewesen, und all mein Thun, Mueh' und Fleiß ist allein eurethalben geschehen und angefangen worden; denn ich wußte wohl, daß ihr fuer die Allerschoenste erwaehlet und erkoren wuerdet: darum denn die allerbeßten Ritter zu euch sind kommen und sich in euere Gnad' ergeben.«

Zu solchen Worten und Gespraech kam Gendolet, der war dem Pontus noch immer gar feind und gehaessig und mißgoennet' ihm der Ehren darum. Denn er sah wohl, daß der Koenig alt und kindisch war, und gedachte, wie er einen falschen Sinn moechte erdenken, dadurch er Herr und Meister wuerde, und einsmals war der Koenig auf einer Jagd in dem Wald allein: da ging er zu ihm und sprach: »Gnaediger Herr, wollte mich euere Gnade verstehen und nicht melden, so woellt' ich euern Gnaden gar ein groß und merklich Geheim sagen.« – »Fuerwahr, – sprach der Koenig – ich will euch sicherlichen versprechen, daß ich's von euch nicht sagen will.« Da fing er an und sprach: »Allergnaedigster Herr, der Koenig ihr habt mich erzogen und mir viel Gutes gethan, darum geb' ich euch zu erkennen eine Sache, die wider euere Ehr' ist. Und wiewohl ich Pontus, nach euch, am allerliebsten habe, so kann ich doch, euch zu gut, solch Laster nicht verschweigen, und sag' euch fuerwahr, daß mein Meister Pontus, um Sidonia, euere Tochter, sehr wirbt: er ist aber so ein schoener Ritter, daß ich besorge, daß sich etwas naerrischer Liebe zwischen ihnen moechte zutragen und erwachsen, daß ihr hinfuero Schand' und Unehre haben mueßtet.« Der Koenig sprach: »Mein Gendolet, nun sehe ich wohl und erkenne, daß ihr mich lieb habt und mit Treuen meinet, auch euch meine Unehre nicht lieb waere, darum ich euch schuldig bin zu danken, und dank' euch auch deß gar fast.« – »Ei, – sprach Gendolet – gnaediger Herr, ihr duerft mir dessen nicht Dank sagen: ich bin euch deß schuldig. Und, gnaediger Herr, – sprach er – ich will euch sagen und rathen, wie ihr solches am beßten von ihm moeget innen werden: sprechet ihn darum an. Sagt er dann, daß er sie nicht lieb habe, so heißt ihn darum einen Eid schwoeren: so werdet ihr erfahren, daß er das nicht thun wird.« Nun haet aber Gendolet von Pontus vor vernommen, daß in ganzem Hispania und Gallicia und an denselben Enden sich niemand sollte lassen dringen, und besonders die Edlen, Eid zu schwoeren, als lange sie fechten und mit der Hand sich vertheidigen koennten; und welcher dawider thaete, der wuerde geschaendet und nimmer fuer ehrlich gehalten. Und das sagt' und unterwies Gendolet den Koenig darum; denn er wußte wohl, daß Pontus keinen Eid wuerde schwoeren, und unterstund also damit, ihm den Koenig ungnaedig und zu einem Feind zu machen, und ihn damit vom Hof und sich selbst an seine Statt zu bringen.

Der Koenig ward der Maehre gar traurig und ganz unmuthig und hatte hierin mancherlei Gedanken; denn er haet die Tochter aus dermaßen lieb. Und da er von der Jagd heim war kommen und von dem Pferd abstund, da wollte Pontus die Kappen und Handschuhe, nach seiner Gewohnheit, von ihm haben genommen: da wandte sich der Koenig von ihm auf die andere Seiten und thaet, als haett' er ihn nicht gesehen. Und da Pontus das ersah und erkannte, wie daß der Koenig zornig ueber ihn war, da sprach er zu ihm: »Gnaediger Herr, warum seid ihr auf mich zornig?« Der Koenig sprach in Zorn zu ihm: »Pontus, ich habe nicht wohl an euch gezogen; denn ihr gehet mir auf meine Ehre.« – »Gnaediger Herr, – sprach Pontus – durch was Weg?« Der Koenig sprach: »Daß ihr meine Tochter zu Unehren vermeinet zu haben, und wisset, daß ich kein anderes Kind mehr habe, denn allein diese Tochter, welche ist meine Freud' und langes Leben.« – »Herr, – sprach Pontus – wer das redet, will er mir's unlaeugnend sein, so bin ich bereit zu sagen, daß er mich habe faelschlich angelogen und nicht fromm ist, mit Urlaub von euern Gnaden zu reden.« – »Nein, – sprach der Koenig – wollt ihr aber schwoeren einen Eid, daß ihr sie zu Unehren nicht lieb habt, so moecht' ich euch vielleicht glauben.« – »Herr, – sprach Pontus – daß ich sie lieb hab', als euere Tochter, und in Ehren, das widerred' ich nicht: aber zu gedenken und an sie zu begehren, das ihr und euch unehrlich waere oder gewesen sei, hab' ich nie gedacht. Und, gnaediger Herr, ihr sollt nicht solche Dinge, die wider meine Ehre sind, an mich begehren; denn ihr wisset wohl, daß keines Koenigs Sohn seine Sache durch den Eid soll bestaetigen, dieweil er sich mit seinem Leib mag erwehren; denn das ist Gebrauch und Gewohnheit in meinem Land, davon ich bin.« – »Ich weiß nicht davon.« Sprach der Koenig und war fast zornig. Pontus sprach: »Herr, so erbiete ich mich weiter, zu fechten mit zweien oder dreien, die die Sache vermeinen auf mich zu bringen; denn ich weiß, daß ich hierin gerecht und unschuldig bin und Gott mein Helfer und Richter hierin sein wird; denn ich mich solches Lasters und Uebels vor Gott frei ledig weiß.« – »Ei, – sprach der Koenig – ihr seid ein starker und mannlicher Ritter, das wissen wir wohl: darum keiner mit euch darf fechten.« Pontus sprach: »Ich erbeut mich alles deß, so ich mich mit Ehren mag erbieten.« Der Koenig schwieg still und ging von ihm, damit kein Krieg ferner daraus wuerde.

Da nun Pontus des Koenigs beharrliche Meinung gegen ihn sah, da ward er unmuthig und fast zornig. Er ging also zu dem Koenig, nahm Urlaub von ihm und sprach: »Gnaediger Herr, an euerm Hof begehre und will ich nicht laenger sein; denn ich versteh' und merke wohl, daß ich keinen Glauben mehr bei euch habe.« Und ging also darauf von ihm hinweg zu Sidonia und zeigt' ihr an alles, deß ihn der Koenig ziehe, und was er mit ihm geredet haette. Als nun Sidonia dieses alles vernahm, da ward sie unmuthig und fast traurig in ihrem Herzen, daß sie in Ohnmacht fiel. Und als sie wieder zu ihr selbst kam und reden mochte, da sprach sie: »Ach, allmaechtiger Gott, wer moegen nur die gar boesen Leute sein, die so große Luegen auf uns erdacht haben?« – »Gnaedige Frau, – sprach Pontus. Nun will ich von euch Urlaub nehmen, mit so großem Unmuth und Herzeleid, als kein Ritter von Frauen oder Jungfrauen nie gethan hat.«

Da nun Sidonia vernahm, daß Pontus hinweg ziehen woellt' und nicht mehr zu Hof sein, da ging sie in großem Schmerzen fuer den Koenig, ihren Vater, fiel vor ihm nieder und bat ihn demuethiglichen, zu erkennen die Unschuld des frommen Ritters. »Liebe Tochter, – sprach der Koenig – so fern er durch den Eid mag bewaehren, daß er euer in Unehren nie begehrt habe.«

Sidonia ging mit schwerem Gemueth vom Koenig hinweg, schickete nach Pontus, zeigte ihm an ihren guten Rath und sprach: »Lieber Freund und edler Ritter, es waere und gedaeuchte mich fast gut zu sein, daß ihr schwueret gegen den Argwohn; denn ihr moeget das ohne Suende wohl thun und euch damit entschuldigen.« – »Gnaedige Frau, – sprach er – so duerfte ich nimmer in mein eigen Land kommen, das mir von meinem Herrn Vater zustehet und darin ich geboren bin. Und der allmaechtige Gott wolle mich behueten, daß ich nicht der erste Koenigssohn sei, der ein solches thue; denn es waere mir eine große und ewige Schande, auch meinen Erben nach mir: viel lieber wollte ich todt sein. Und, gnaedige Frau, wiewohl ich mit dem Leib eine Zeit werde von euch sein, so bleibt doch mein Herz, ohn' Unterlaß allwegen, Tag und Nacht bei euch. Und von heut' ueber sieben Jahre, so will ich wieder, ob ich so lange lebe, hie bei euch in diesem Land sein. Und waere es moeglich und euer Wille, so wollt' ich gern, daß ihr dieweil unveraendert und ohn' einen Mann bliebet.« – »O weh, – sprach sie – wie eine lange Zeit ihr euerer Wiederkunft setzet! Ach, wie werd' ich so viel klaeglicher Tag' und Uebels und so viel langer Naechte haben, bis solche lange Zeit herum kommt!« Darauf kam ihr eine Ohnmacht, daß sie um sich selbst nicht wußte. Er ward auch dergleichen so betruebt, daß er kaum ein Wort mehr reden konnte. Sie beide umfingen einander und weinten heiße Thraenen, die ihnen ihre Backen herab floessen. Pontus gab ihr einen Kuß, zum Zeichen der Lieb', und nahm damit Urlaub von ihr, zog seine Kappen fuer die Augen und schied von ihr mit großem Schmerzen.

 

Das acht und zwanzigste Kapitel

Wie Pontus von jedermann an dem Hof Urlaub nahm.

Da nun die Zeit vorhanden war, daß Pontus, der werthe und fromme Ritter von des Koenigs Hof scheiden wollte, da rufte er seinen Kaemmerer und seiner Knecht' einem und befahl ihnen zu ruesten und zuzurichten seinen Ruestwagen mit Kisten, daß sie darein thaeten, was er geordnet haett'; und daß sie auch sonst zurichteten die Pferd' und versaehen mit aller Nothdurft. Pontus aber ging hin und machte seinen Abschied und nahm von jedermann Urlaub an dem Hof. Da sie nun sahen, daß Pontus von dannen wollte, da fingen sie alle an zu trauren und heftig zu weinen. Und als Pontus zu reiten bereit war, da waren auch auf alle Herrschaften des Hofs von Rittern und Knechten, ihn zu geleiten. Da baten sie ihn gemeiniglich mit huebschen Worten, in dem Land zu bleiben, und sagten ihm: er sollte bedenken, wie der Koenig alt und ein Kind waere worden; darum sollt' er sich solche Worte, die er geredet haette, nicht fast zu Herzen nehmen und ihrer nicht achten. Aber Pontus wollte sich nicht daran kehren. Also nahmen sie wiederum von ihm Urlaub und ritten zu dem Koenig, klagend, und sprachen zu einander: »O ihr Britannier, ihr solltet billig weinen und klagen! denn der mannliche und fromme Ritter hat euch Fried' und Freude gemacht und hat euch in Schutz und Schirm erhalten; zu gleicher weise, als die Henn' ihre Huehnlein erhaelt unter ihren Fluegeln, also hat er euch behuetet vor euern boesen Nachbarn und Feinden. Der arme Leute, ja auch jedermann schoen hat gehalten, der faehrt nun dahin, von jedermann verlassen. Der wird ein unglueckhaftiger Mann, der solche Wort' auf ihn hat erfunden und ihn damit vertrieben.«

Pontus ritt gen Malo: da bestellt' er ihm ein Schiff und ließ das zurichten mit Speis' und anderer Nothdurft. Und am Morgen frueh thaet er zuerst sein Gebet, darnach ging er in das Schiff.

Und wie er nun so fern kommen war, daß er das Land und die Gelegenheit zu Britannia nicht mehr sehen mochte, da ward er gar sehr betruebt, daß ihm die Zaehren die Backen abrannen, und sprach heimlich in seinem Herzen: »Gesegnet sei Britannia, von wegen der allerschoensten, treuesten und froemmsten, die unter allen Frauen und Jungfrauen lebt, und auch von der guten und frommen Ritterschaft wegen, die darin ist; denn ich vermeine, daß kein lieblicher Land in dieser Welt sei, denn dies einige Britannia.« Und ward hierauf gar fast betruebt in seinem Herzen, von der schoenen Sidonia wegen; doch konnt' er solchen Unmuth wohl verbergen.

 

Das neun und zwanzigste Kapitel

Was Pontus auf der Reise begegnete.

Da nun Pontus, der betruebte und bekuemmerte Ritter, in den Port zu Anthoni und gen London in Engelland kam, und als er zwischen Anthoni und London ritt, da kam unversehenlich gegen ihn gelaufen ein großes, ungeheures, bissiges wildes Schwein, dem ein Hund nachjagte. Als nun Pontus das wilde Schwein ersah, ermannet' er, rennete freudig auf es zu, zog aus sein gut scharfschneidend Schwert, schlug auf das Schwein und hieb es mit einem kraeftigen Streich von einander zu zweien Stuecken. Nun war des Koenigs Soehne von Engelland einer auf der Jagd, genannt Heinrich, der kam dazu, als Pontus das Schwein von einander haet geschlagen. Da er das sah, verwundert' er sich darob und bat ihn, daß er sein Diener wuerde. Da fragt' ihn Pontus: von was Stamme er waere? Und da er vermerkete, daß er des Koenigs Sohn war, da versprach er sich mit Geluebd', ihm zu dienen.

Und als sie nun gen Hof kamen, da war der Koenig zu Tisch gesessen, und ward auf Stund' geschafft, daß man dem neuen Ritter und fremden Gast sollte gute Herberge geben. Und da das also war geschehen, da ging des Koenigs Sohn mit dem neuen Ritter auf den Saal, knieten nieder und grueßeten den Koenig und die Koenigin. Da fragete der Koenig den Sohn: wie es ihm auf dem Waidwerk ergangen waere? Da sagt' er: wie es ihm wohl ergangen waere. Darnach ruft' ihm der Koenig und fragt' ihn heimlich: wer der schoene und fremde Ritter waere? Da sagt' er ihm: wo er ihn haette funden und wie er das wilde Schwein von einander haette geschlagen. Da ward Pontus gar fast von denen auf dem Saal und auch von andern, die dazu kamen, angesehen und gelobt; denn es war ein Ungehoertes bei ihnen; und geschahen da viel Reden von dem Ritter, den des Koenigs Sohn mit ihm haette bracht. Die Frauen sahen ihn auch gar fast an, und besonders des Koenigs zwo Toechter, und sprachen: es waere ein Wunder, daß er so huebsch, vollkommen und dazu so lieblich waere. Und man hieß ihn sitzen zwischen des Koenigs zwo Toechter.

Als man nun gegessen hatte, da ging der Koenig aus dem Saal und hieß ihm das wilde Schwein bringen, das Pontus von einander haette gehauen. Als nun das Schwein fuer den Koenig bracht ward, da haet er lange Zeit kein groeßeres nie gesehen. »Ei, gnaedige Frau, – sprach Heinrich zu der Koenigin, seiner Mutter – sehet, was mein neuer Ritter mit seinem Schwert, und mit einem Schlag gemacht hat!« Pontus kehrete sich um und schaemete sich, daß man ihn so fast lobte. Der Koenig und die Koenigin fragten ihn: von was Lands er waere? Da antwortet' er und sprach: er waere aus Frankreich. »Wie ist euer Name?« Sprach der Koenig. – »Sordit, – sprach Pontus – von dem rechten Weg.« Da fragt' ihn der Koenig neuer Maehre aus Frankreich und von viel andern Sachen. Darauf konnt' er ihm gar wohl und schoen antworten. Daraus vernahm der Koenig wohl, daß er weis' und vernuenftig war, verwunderte sich ob ihm und sprach zu der Koenigin und zu den Herren, die da bei ihm waren: er haette nie in langer Zeit so einen vernuenftigen, wohlredenden Ritter vernommen, als ihn. »Und sicher, – sprach der Koenig – mir ist in meinem Sinn, daß er hoeher sei, denn er sich selbst macht.« Sie blieben da eine gute Weile bei einander; und jemehr man ihn ansah, jemehr man Lust ob ihm hatte, und jedermann lobte und ehrte ihn.

Der andere und juengere des Koenigs Sohn, genannt Johannes, derselbige gewann Pontus gar lieb; demselben auch gar wohl mit mancherlei Kurzweile war: darum so war er gar gern bei Pontus; denn Pontus viel und mancherlei Kurzweile wußt' und konnte, deren er auch viel haet getrieben; und wiewohl er nicht gern deßgleichen thaet mit Jagen, Voglen und allerlei Kurzweil' oder Waidwerk; denn er sonst viel ritterlicher Uebung hatte. Dadurch er jedermann wohlgefiel; denn in allem seinem Thun erzeigt' er sich dermaßen, daß jedermann eine Lust und Wohlgefallen ob ihm hat. Er liebte auch Gott fast vor allen Dingen, ging auch sehr gern und oft zur Kirchen und hoeret' allen Tag Messe und gab gern, um Gottes willen, armen Leuten. Er thaet nicht große Schwuere, nur sprach er: Fuerwahr es ist also; damit beschloß er allweg seine Red' und gebrauchte sich's fuer die hoechste Kundschaft und Bestaetigung der Wahrheit.

 

Das dreißigste Kapitel

Wie Pontus, der nun Sordit hieß, den Stein zu werfen, um der Liebsten willen, die er haette, von des Koenigs Sohn ermahnt ward.

Es begab sich eines Tags, daß des Herzogen von Glocester Sohn, der gar ein huebscher und starker Ritter war, aber uebermuethig und stolz, und viel von ihm selber hielt, den Stein warf mit Herr Heinrichen, des Koenigs Sohn, und mit viel andern Herren, und warf den am allerweitesten fuer sie alle. Deß lobet' und ruehmet' er sich fast vor den Frauen und ueberhub sich deß gar sehr. Das thaet Herr Heinrichen, des Koenigs Sohn, fast Zorn, wiewohl er sich's nicht merken ließ. Er ging zu Pontus und sprach zu ihm: »Lieber Freund, geht hin und raechet mich mit dem Steinwerfen; denn Roland von Glocester lobt und ruehmt sich dort vor den Frauen, wie er mit dem Steinwerfen mich uebertreff' und mir fuergeworfen habe, gleich als ob er's allein waere und ihm niemand gleichen moechte.« – »Herr, – sprach Pontus – dieweil es euer Will' und Gefallen ist, so will ich hingehen und das thun: aber ich kann nicht viel damit.« Und nahm den Stein, den sein Herr haet geworfen, in die Hand und warf ihn ein wenig weiter, denn er vor geworfen war. Roland nahm den Stein, noethet' und uebete sich gar fast und warf dem Pontus fuer. Da ging Herr Heinrich zu Pontus und sprach: »Durch die Lieb' und Treue willen der Frauen, so ihr am liebsten habt, so werft den Stein, so fern ihr moeget.« Da nun Pontus erhoerte diese Ermahnung, gedachte er an die schoene Sidonia und sprach: »Gnaediger Herr, ihr habt mich gar hoch ermahnet; denn ich bin meiner Frauen und eigenen Mutter viel Gutes schuldig.« – »Ei, – sprach Genese, des Koenigs Tochter – Sordit, Sordit, ihr seid gar kaum ohn' eine besondere Liebe, der ihr Gutes schuldig seid, als ich vermeine.« – »Gnaedige Frau, – sprach er – ich bin so einfaeltig und ungeschickt, daß mich keine Frau sonderlich mag lieb haben.« – »Gott weiß es wohl.« Sprach Genese; sie aber gedachte heimlich in ihrem Herzen: woellte Gott, daß er mich auch lieb haette, wie ich gern ihn woellte haben! Sordit hub auf den Stein, nach dem als ihn des Koenigs Sohn ermahnet haet, und warf den fuenf großer Schuh weiter, denn ihn die andern geworfen hatten. Und da die Frauen solches von Pontus ersahen, da segneten und verwunderten sie sich sehr darob. Aber Roland von Glocester erschrak deß und sprach: »Ich bin ganz ueberwunden und habe keinen Ruhm mehr meines Werfens halb.« Da fragete Herr Heinrich, des Koenigs Sohn, den Sordit: warum er nicht zum ersten einen solchen Wurf haette gethan. Er antwortet ihm: »Haettet ihr mich nicht also hoch ermahnet, ich haette mich's noch nicht unterstanden; denn ich habe wider sein Gefallen gethan, und das ist mir leid: doch hab' ich euerm Geheiß wollen gehorsam sein; und ihr wißt wohl, daß ich in solchen Dingen niemands Ungnad' auf mich soll laden, und gehoert mir auch nicht zu.« Da erkannte der Herr seine große Tugend und Frommkeit wohl.

Genese des Koenigs Tochter ging zu ihrem Bruder und sprach zu ihm: »Lieber Bruder, ich bitt' euch, ihr woellet kommen zu kurzweilen und spielen in meine Kammer und euern Ritter mit euch bringen.« – »Liebe Schwester, – sprach er – das will ich gern tun.« Also kamen sie zu kurzweilen zusammen in ihrer Kammer: da brachte sie ihnen Fruechte und Wein; darnach fingen sie an zu singen und tanzen. Es war aber Sordit fast schwermuethig und sie konnten ihn kaum zu tanzen bewegen. Da er nun tanzen sollte, da sprach er: er koennte nicht tanzen; und tanzete doch am allerbeßten. Darnach machten sie ihn auch singen, und durch Bitte willen des Koenigs Toechter hub er an gar ein huebsches, schoenes Lied zu singen und sang auch am allerlieblichsten. Und als sie nun gesungen und getanzt hatten, da fing des Koenigs Sohn und seine Schwester an zu harfen und baten Sordit auch zu harfen: er wehrte sich fast; doch zuletzt fing er auch an zu harfen gar ein huebsches neues Lied. Da Genese das Lied erhoert, da sprach sie zu Sordit: »Fuerwahr, es bringt mir gar große Freude, daß ihr das Lied koennet; denn es ist das Lied, welches der gute Ritter Pontus, als man uns hat gesagt, von seiner Frauen von Britannia gemacht hat: ich glaub' es auch gern, daß er es gemacht habe.« Sordit schaemete sich und ward roth von wegen der Worte; denn er gedacht' an die von der er's gemacht haet, an die schoene Sidonia. Er lehrte auch des Koenigs Tochter und ihrer Schwester Genese das Lied. Da gingen die zwo Schwestern zu ihrer Mutter, der Koenigin, und sagten: wie daß Sordit das Lied koennte, das Pontus in der Kleinen Britannia haette gemacht. Da mußte Sordit das Lied vor dem Koenig und der Koenigin harfen; die hielten es gar fuer ein koestlich Lied. »Wahrlich, – sprach der Koenig – ihr mueßt mich das Lied lehren; denn es ist gar gut.« Er konnte auch gar wohl viel und allerlei Kurzweile.

Einsmals redete Genese mit ihm und sprach: »Sordit, sehet ihr jemand von Frauen oder Jungfrauen in diesem Koenigreich, die euch gefallen, so saget mir das: fuerwahr, so will ich die sein, die euch mit Ehren und gutem Willen dazu helfen soll.« – »Gnaedige Frau, – sprach er – ich danke fast euern Gnaden; ich bin allzeit euer nothduerftig: aber in den Sachen gefallen sie mir alle und habe sie alle lieb, als man fromme Frauen haben soll.« – »Ei, Sordit, sind sie euch alle gleich? Ist ihrer keine, die einen Vortheil habe vor der andern?« – »Gnaedige Frau, – sprach er – sie sind alle fromm und wohl zu ehren und lieb zu haben: so bin ich ein armer Ritter und ist wenig von meiner Liebschaft zu halten und zu achten.« – »Nein, nicht also, – sprach sie – er ist nicht arm, der solche Tugend, Huebschheit und auch Frommkeit an ihm hat, als ihr habt. Und ich weiß fuerwahr keine Frauen in diesem Land, die es nicht fuer eine große Gnad' und Ehre haette, daß sie einen solchen Mann sollte haben, als ihr seid.« – »Gnaedige Frau, – sprach er – ich bin gar fern und ungleich einem solchen Ritter, von dem ihr saget; aber es ist euch ein Wohlgefallen und Freude, mich umzutreiben.« – »Ei, – sprach sie – wir vermeinen es nicht also; fuerwahr, ich rede gleich, als ich mir gedenke.« Der Ritter nahm die Wort' alle im Schimpf auf. Und da Genese verstund, daß ihm solches nicht zu Herzen woellte gehen, da ward es ihr leid; denn, wo sie haette vernommen, daß ihm ihre Red' und Fuernehmen haette gefallen, sie haett' ihm ihr Herz und ihren Willen mehr geoffenbaret. Pontus erkannte das auch durch etliche Wort' und am Gesicht wohl an ihr, daß sie ihn gern haette lieb gehabt, wo er es haette verhaengt; aber er war froehlich mit ihnen allen und gab keiner insonderheit Ursach', ihn lieb zu haben: darum viel Frauen unmuthig und traurig waren, und besonders des Koenigs Toechter.

 

Das ein und dreißigste Kapitel

Wie sich ein großer Krieg erhub zwischen dem Koenig von Engelland und Irland.

Nun kam dem Koenig von Engelland solche Maehre zu, wie daß der Koenig von Irland ihm mit Heers Kraft im Land laege, viel und großen Schaden thaete, da ließ er ueberall ausschreiben um Volk und begehrt' aufs baldeste, daß sich jedermann geruestet mache, in Krieg und zu Feld zu ziehen. Da war jedermann gehorsam und willig, ihm hierin zu dienen und zu helfen.

Da nun das Sordit vernahm, ging er zu seinem Herrn, des Koenigs Sohn, fraget' ihn und sprach: »Gnaediger Herr, was ist die Ursache, darum mein Herr, der Koenig, euer Vater, mit dem Koenig von Irland krieget? Ist es eine rechte, redliche Kriegsursach', oder nicht?« Deß antwortet' ihm Herr Heinrich: wie sein Vater, der Koenig, redliche und genuegsame Ursache haette, den von Irland zu bekriegen, und der von Irland haette des Kriegs keine Ursach'; und nahm das also auf seinen Eid und Seele. »Herr, – sprach Sordit – ich will mich mit euch wider niemand unrechtlich in Harnisch nimmer legen, noch euch oder jemand dazu verhelfen, und besonders wider die Christen; denn wir sollen die Seelen lieber haben, denn die Leiber, die toedtlich sind; und taeglich ihr End' ist: so muessen die Seelen ihren Lohn empfahen, er sei gut oder boes.« Der Herr hoert' ihm zu der Wort', und gefiel ihm trefflich im Herzen wohl, und lobet' ihn derhalben desto mehr.

Und also schieden sie von dannen und ritten mit viel Volks und großem Heer gegen den Koenig von Irland, der nun da zu Feld lag und das Schloß, das er gewonnen, inne hatte. Als aber nun der Koenig von Irland durch seine Spaeher vernahm, wie daß des Koenigs von Engelland zween Soehne mit ihrem Volk wider ihn zu Feld kommen waeren, da ordnet' er sein Volk und ritt gegen sie.

Und da sie nun zu beiden Seiten zusammen kamen, da erhub sich zwischen ihnen gar ein großer Streit und ungestuem Geschrei, und wurden gar viel hernieder und zu Tod geschlagen, und blieben viel mannlicher Herren und Ritter allda auf dem Platz, deren Namen anzuzeigen viel zu lang und beschwerlich waere. Sordit, der allezeit große Begierde hat, Ritterschaft zu pflegen und mannliche Thaten vor andern zu thun, schlug zu allen Seiten nieder, wen er traf, und machete sich also zu erkennen, denen, die ihn vor nie gesehen hatten, daß man ihm Raum ließ, wo er hin ritt, und thaet solche Wunder, daß sein niemand wollt' erwarten. Der Koenig sah den Ritter an und gedacht' ihm: bleibt dieser lange leben, so macht er mir das Volk fliehen, daß ich den Streit mueßte verlieren. Er ermahnete sein Pferd, nahm eine große, starke Lanze in seine Hand, rannte mit großer Staerk' auf ihn und traf ihn also hart, daß er sich hinter sich bog, und fiel doch nicht, denn man half ihm. Da gedacht' ihm Sordit in seinem Herzen: ich bin nichts werth, wo ich mich nicht wieder an ihm raeche. Er sah wohl, daß es der Koenig war; er hatt' auch sonst viel guter, mannlicher Thaten von ihm gehoert und gesehen. Er erkannt ihn auch an seinem koestlichen Harnisch, der mit Perlen und edlen Gesteinen geschmueckt war. Sordit bedachte sich bald und rennet' auf ihn, gab ihm so einen großen Schlag auf seinen Helm, daß ihm daemisch und schwindelicht ward und er fuer sich auf den Sattelbogen fiel. Also wollt' er den Koenig nicht mehr schlagen, denn er furcht', er stuerbe, und gedachte bei ihm: wie es schade waere um solchen guten, mannhaftigen Ritter, daß er erschlagen sollte werden; er erhaschet' ihn und zog ihn mit ganzen Kraeften von dem Sattelbogen zu sich auf sein Pferd, als an Wolf ein Schaf. Die Irlaender ersahen das und vermeinten ihrem Herren zu Huelfe zu kommen; aber sie schafften gar wenig, denn Sordit schlug so fast um sich, daß niemand sich zu ihm durfte nahen; und zuletzt fuehrt' er ihn aus dem Haufen hinweg und gab ihn wohl zu verhueten und gefaenglich zu halten. Da die Irlaender hoerten, daß ihr Koenig gefangen war, da verlor ein jeder seine Mannheit; sie fingen an zu fliehen zu dem Gebirg' und Waelden, und wurden ihrer gar viel erschlagen und gefangen in dem Streit und an der Flucht, die sie thaeten.

Es ward gar große Freude des Siegs in des Koenigs Hof, und sprachen alle: wie solches durch Sordit waere geschehen. Er schaemete sich fast der Wort' und der Ehre, die man ihm darum gab, und sprach zu dem Koenig und zu der Koenigin: haett' er gewußt, daß man ihm solche Ehre woellte haben gethan, er waere in einem Jahr nicht zu ihnen kommen; denn er solches nicht verdienet haette. »Ei, – sprach der Koenig – wir vermeinen daran recht zu thun; so es euch aber nicht gefallt, so wollen wir das fuerbaß nimmer thun.«

Nun fragete man den Koenig: wie man dem gefangenen Koenig von Irland thun und ihn halten sollte? Er antwortet': er wollte mit ihm handeln, wie es Sordit gefiele. Sordit sprach: wenn es dem Koenig gefallen woellte, so braecht es ihm Ehr' und Lob, daß er den Koenig von Irland zu ihm forderte und bei ihm in dem Saal ließ essen.

Dem Koenig gefiel das gar wohl und befahl ihm also zu thun. Und des Koenigs Sohn, Heinrich, fuehrte den Koenig von Irland auf den Saal: der war gar ein zierlicher und huebscher Ritter, war erst bei den dreißig Jahren alt und war gar koestlich mit seinem Gewand; denn er haet einen Rock an von braunem gueldenen Tuch, und sein Mantel ging ihm bis auf die Fueße hinab und war mit Zobeln gar schoen unterzogen; und jedermann sah ihn gar fast an. Der Koenig und die Koenigin thaeten ihm alle Ehr' und hielten ihn gar herrlich und schoen, von Sordits wegen, darum, daß der Koenig sein Gefangener war. Und also setzete man den Koenig nieder zwischen die zwo Jungfrauen, des Koenigs Toechter. Der Koenig von Irland war gar ein schoener Ritter und erzeigte sich gar adelich und schoen mit guten, hoeflichen Gebaerden.

 

Das zwei und dreißigste Kapitel

Wie dem gefangenen Koenig von Irland alle Ehr' und Muedigkeit, um Sordits willen, bewiesen ward.

Einsmals, als der gefangene Koenig von Irland zwischen des Koenigs von Engelland Toechtern ueber Tisch saß und sein schoen gepfleget ward, da trat Sordit zu ihm hinzu und sprach: »Ihr sollt euch wohl gehalten, gnaediger Herr; denn ihr habet gar ein sanftes und huebsches Gefaengniß, also zu sitzen zwischen den schoenen Jungfrauen.« – »Sicher, – sprach der Koenig – dieweil mir Gott ein solches gutes Gefaengniß giebt, so darf ich nicht trauren noch klagen.«

Nach dem Essen fing Sordit an mit Worten zu scherzen mit des Koenigs von Engelland junger Tochter und sprach zu ihr: »Gnaedige Frau, was redet ihr von dem Koenig von Irland? Sollte ich wissen, daß er euch gefiel' und es euer Gefallen waere, so woellte ich davon reden und es fuertragen, ob zwischen euch beiden eine Heirath moechte geschehen und gemacht werden, wiewohl mir das nicht gebuehrt zu thun, noch zugehoert; denn armer Leute Rede hat nicht viel Kraft bei den Maechtigen.« – »Sordit, lieber Freund, – sprach sie – habet ihr solches sobald erdacht?« – »Ja, gnaedige Frau, – sprach er, ich wollte, daß es euch wohl gefiele, denn es gefaellt mir ganz wohl.« – »Es gefiele mir auch wohl, – sprach sie – wenn es meinem Herren und Vater gefiel' und meinen Bruedern: ob ich nicht einen andern moechte haben, der nicht ein Koenig oder Herzog ist, sondern den beßten Ritter von dieser Welt.« – »Gnaedige Frau, – sprach Sordit – es ist schwerlich und nicht wohl zu erkennen, welcher der beßte sei; denn es sind gar viel guter Ritter auf Erden.« Das sprach er darum, daß er vermeinete, sie redete von ihm; darum wollte er ihr nicht recht geben.

Darnach gingen sie kurzweilen und zu spielen in einen Garten. Etliche spieleten in dem Schach, etliche im Spielbrett und fingen viel Kurzweil' an. Und nach dem Nachtmal sungen und tanzten sie mit einander.

An dem Morgen frueh verschuf der Koenig von Schotten, der des Koenigs von Engelland Schwester haet zu einem Gemahl (so haet der Koenig von Engelland, des Koenigs von Schottenland Schwester zu einem Gemahl), daß alle Fuersten und Herren zusammen kamen, zu betrachten, wie man dem Koenig von Irland thun sollte; und ward viel und mancherlei gerathen, da lang waere von zu sagen. Doch am letzten fragete der Koenig den Sordit. Sordit wehrete sich lang', aber zu dem letzten mußt' er seinen Rath darin geben. Da sprach er: »Dieweil ich je dazu reden soll, so bitt' ich euch, ihr woellet mir das nicht in Argem aufnehmen, als einem jungen Mann, der nicht viel Weisheit hat. Ich habe vernommen, wie die Ursache, darum ihr in Uneinigkeit und Krieg kommen seid, nicht fast groß zu schaetzen, sondern nur eine erdachte Ursach' und ein Muthwille sei solcher großen maechtigen Herren.

Nun hoert und merkt, ich will euch sagen, was ich habe gedacht, dadurch guter Friede zwischen euch wird. Das ist's, daß ihr euere juengste Tochter ihm zu einem Weib gebet, damit daß der Krieg zwischen euch ein Ende nehme. Nun habt ihr Macht, hierin zu thun, was euch gefaellt.« Sie antworteten alle und sprachen: »Es ist ein guter Rath, dem auch soll gefolget werden.« Da sprach der Koenig von Schotten: »Sordit, seit von euerm Herzen so sueße Worte gehen, die jedermann gefallen, so befehlen wir euch die Sache.«

Da ging Sordit hin zu dem Koenig von Irland und redete mit ihm davon. »Ach, – sprach der Koenig – moechtet ihr das verschaffen und zuwegen bringen, ich waere euch, nach Gott, mehr schuldig, denn keinem andern Menschen in aller dieser Welt, denn von ganzem meinem Herzen begehr' ich ihrer, und ist nichts, das mir baß liebet und gefaellt, denn, das ihr itzt an mich begehret.«

Die Sache ward also richtig, und der Koenig ließ sie versprechen gen einander, in Gegenwaertigkeit des Erzbischofs von Kandelberg. Sie vermaehleten sich und hielten Hochzeit einen ganzen Monat, und einen koestlichen großen Hof; und kam dahin der Koenig von Irland mit hundert Rittern, die alle seine Freund' und Verwandten waren. Er begaebet' und schenkte an Sordit vier großer schwarzer Hengste, sechs apfelgrauer Pferd' und fuer sechs und zwanzigtausend Gulden koestliche gueldene Tuecher von braunem Sammet, von Hermelin und von Zobel, schoenen Feh und viel Pelze. Viel und große Gaben wurden auf dem Hof verschenkt. Darnach schickete der Koenig die Koenigin in sein Koenigreich, da man sie fast ehret' und werth haet.

 

Das drei und dreißigste Kapitel

Wie der dritte Sohn des Soldans in Engelland kam mit großer Macht.

In dem siebenten Jahr darnach begab es sich, daß der dritte Sohn des Soldans, mit Namen Corbatan, manche Insel und Koenigreich beraubet' und einnahm, den Christen großen Schaden thaet und also viel Land und Leut' unter sich bracht haet. Zuletzt kam er auch in Engelland sein Heil zu versuchen, gleich wie seiner Brueder einer in Gallicia und der dritte in Klein-Britannia. Es war gar ein erschrecklich Geschrei von ihm im Land; denn er haet, mit großen und kleinen, hundert Schiffe. Dieser saget' ab dem Koenig von Engelland und entbot ihm, er sollte das Land raeumen, verlaeugnen den Gekreuzigten und seinen Glauben, und Machometen anbeten. Das Erdreich erzitterte von der großen Gewalt und Menge seines Volks, das dahin kommen war.

Der Koenig und seine Raethe sandten ueberall aus nach Volk. Er schrieb auch des Koenigs von Schottenland Bruder und seinem Sohn von Irland und seinem Vetter von Cornuaille und gar viel Freien von Duglas. Und als sie nun zu einander kamen, war des Volks fast viel; da schicket' er nach seinen zweien Soehnen und nach Sordit. Als sie nun sich versammelt hatten, da ritten sie mit einander aus. Und wie sie kamen auf vier Englische Meilen zu den Heiden, da ordneten und machten sie ihre Ordnung, wie sie sein sollte, und waren der Haufen sechs und fast groß, und sie wurden geschaetzet, daß ihrer mehr denn hundert tausend, allein an Fußvolk und an Schuetzen waeren. Da der Koenig Corbatan verstund ihre Zukunft, da ordnet' er zwoelf Haufen; derer waren mehr denn sechshundert tausend zu Fuß, welche gar keck und hochmuethig waren.

Die Christen zogen in voller Ordnung gegen sie zu, und als sie eine solche große Welt der Heiden ersahen, da verwunderten sie sich fast sehr, ob dieser großen Menge. Sie hatten sich alle zuvor Gott treulichen befohlen, ihre Suenden gebeichtet, Messe gehoert, das Sakrament genommen und also sich Gott gar ergeben und heimgestellet; derhalben sie viel desto sicherer und kecker waren. Sordit ritt auf und ab bei dem Volk, und troestete sie ganz christenlich.

 

Das vier und dreißigste Kapitel

Wie die Christen die Heiden angriffen und schlugen.

Und als sie einander ersahen, da rannten sie freudig zusammem. Es erhub sich da ein groß Geschrei und Krachen und wurden in kurz gar viel hernieder geschlagen, die todt blieben. Der Streit war heftig und groß, auch gar ernstlich zu sehen. Sordit erzeigte sein ritterlich Gemueth, Staerk' und Kuehnheit gar gewaltig und machete Weit' um sich, wo er hin ritt; und alle, die er erreichen mochte mit seinem Schwert, die schlug er hernieder, daß ihrer wenig davon wieder aufstunden. Und indem ersah er einen Heiden, der haet Herr Johannen, des Koenigs Sohn, zu Tod geschlagen, um den er großen Schmerzen trug: den rannte er an und schlug ihn in großem Grimm zu Tod. Corbatan, der Heide, der thaet Wunder mit Schlagen und Wehren, der ersah Herr Heinrichen, des Koenigs Sohn, der gar koestlich war in seinem Harnisch, nahm sein stark, groß und wohlschneidend Schwert, saß auf einem schwarzen großen Hengst, sprengte ihn an und schlug ihn in eine Seiten, das ihm das Schwert zerbrach. Eilends hat er ein ander Gewehr und stach das durch Herr Heinrichen, auf den ein groß Aufsehen war: da ergrimmete jedermann gegen ihn. Da durchschlug Sordit das Feld und machete jedermann vor ihm fliehen mit seinen großen Streichen, die er thaet: und in dem Durchbrechen im Streit sah er seinen Herrn gefallen und auf der Erde liegen; welches ihn fast sehr erschreckte. Da stund er ab von seinem Pferd, half seinem Herrn und fragt' ihn: wie ihm sei? Er sprach: »Wohl, nur, daß ich gerochen werd' an dem, der mir's gethan hat.« Da Wach einer seiner Diener: »Es hat's Corbatan der Heidenkoenig gethan.« Da antwortete Sordit: »Herr, zweifelt nicht daran, ich will sterben oder euch raechen.« Da satzten sie ihn wieder auf sein Pferd und fuehrten ihn aus dem Gedraenge. Darnach nahm Sordit zu ihm etliche und hundert Mann, ersah das Faehnlein des Koenigs Corbatan, eilet' auf ihn durch das Gedraeng' und thaet groß Wunder mit seiner Hand, bis daß er kam zu dem Koenig Corbatan: der war nun gar koestlich in seinem Harnisch und hat eine gueldene Kron' auf dem Helm. Da sprach Sordit zu ihm: »O Herr, ihr entgeht mir nun nicht ohne Wiedergeltung: ihr habt mir meinen Herren verwundet.« Und schlug auf ihn mit aller seiner Staerke, daß er ganz daemisch ward und fiel fuer sich auf den Sattelbogen. Sordit schlug ihm auf seine Band des Helms, daß die zerbrachen und kam ihm mit seinem Schwert unter den Helm und druckte so stark, daß er ihm das Haupt abschnitt. Er nahm den Helm und bracht' ihn seinem Herren. Da den sein Herr sah, sprach er: »Gott sei gelobt! nun will ich desto lieber und leichter sterben, so ich sterben muß.« Und dankete Sordit gar fast.

Und als nun die Heiden ihren Koenig todt vernahmen, begunnten sie zu verzagen, dieweil sie keinen Hauptmann mehr hatten. Sordit rennet' unter sie, wo er sah, daß sie am dicksten waren, fing an, in sie zu schlagen und sein Volk zu troesten, und thaet Wunder, bis daß ihn jedermann erkennete durch seine Schlaege; und jedermann floh vor ihm, als die Hasen vor den Hunden, also lange, bis sie alle begunnten zu fliehen von einander, wie die wilden Thiere. Die Heiden wußten nicht, wo sie hin fiiehen sollten. Etliche liefen zu ihren Schiffen, aber Sordit mit den Englischen haengete ihnen so heftig nach, daß sie sich nicht mochten verbergen, jagten sie alle in das Meer und ertraenkten sie.

Darnach ging Sordit zu einem Schiff, darin waren Heiden, die konnten Latein reden; da fragete sie Sordit: welches des Heiden, ihres Koenigs, Schiff waere, und wo seine Schaetze waeren? Da war ein Heide, der zeiget' ihm das. Sie nahmen da die Ruder, fuhren zu dem großen Schiff und stiegen darein. Und das Schiff war fast groß und gar koestlich mit Bildern und Gemaelden, daß es eine Lust zu sehen war. Nun waren etliche in dem Schiff, die sich wollten wehren, aber Sordit schlug mannlich mit seinem Schwert um sich, also, daß sie zum Schiff hinaus fielen in das Meer und niemand da blieb, denn allein die zween Heiden, die ihn dazu gefuehrt hatten. Und dieselben versprachen ihm, daß sie wollten Christen werden, dieweil ihr Gott Machomet ihrer so viel haette lassen umkommen und erschlagen werden; sie wurden darnach Christen und Sordit gab ihnen viel Guts. Es sprach ihrer einer zu Sordit: »Dort sind Kasten und Truhen, die sind alle voll Golds und Silbers; denn unser Oberherr und Meister hat das alles von armen Leuten, Inseln und Koenigreichen, darin die Christen waren, und die bei dem Meer wohnten, genommen.« Es waren solche große Schaetze, die darin waren, daß sie niemand mochte aussprechen. Ein jeglicher von den Herren und Freien nahm ein Schiff; denn ihrer waren eilf hundert und die Tuerken waren alle erschlagen; und da war großer Gewinn, denn jedermann ward reich am selben Tag.

Sordit fordert zu ihm sein Volk, zu dem er am meisten vertrauet hat, und wollte Soeldner und Kriegsleute bestellen in sein Koenigreich, das die Heiden noch inne hatten, und gab aus große Gab' und Schenkung, daß sich jedermann verwunderte darob, als von solcher seiner Mildigkeit. Und dies geschah an einem Montag.

Der Koenig und all sein Hofgesinde hatten große Freude von wegen des Siegs und der Ueberwindung der Heiden, und sprachen alle einhelliglichen, daß der gute Ritter Sordit sie alle ueberwunden haelt', und meinten, wo er nicht waere gewesen, sie waeren von den Heiden alle ueberwunden worden, aber seine große Mannheit haett' ihnen geholfen und dem Land von ihren Feinden. Und doch in solchen Freuden hatten sie auch groß Truebsal, von wegen des Koenigs Soehnen von Engelland, und wurde da fast geklagt. Der Koenig troestete Sordit und die Koenigin mit den andern Frauen und sprach: sie waeren alle erlediget. Da aber Sordit seinen Herrn da todt sah, fing er an heftig zu weinen; da troestete der Koenig den Sordit und sprach zu ihm: »Laß dein Trauren, lieber Ritter; er moecht in keines hoehern Dienst nicht gestorben sein, denn in Gottes Dienst und zu behalten sein Land wider die Unglaeubigen.« Der Koenig, wiewohl er großen Schmerzen in seinem Herzen haet, doch, Sordit zu troesten, erzeigt' er sich wohlgemuth.

Bald darnach forderte er seinen Rath, und war da des Koenigs Bruder, der Koenig zu Schotten und sein Vetter, der Koenig von Cornuaille und ein Freiherr, und sprach zu ihnen: »Liebe Herren, ihr habt gesehen die Wunder, die im Koenigreich sind geschehen, auch wie ich habe verloren meine zween Soehne; und so bin ich alt und die Koenigin nicht fast jung; darum sollt ihr gedenken, wer nach meinem Tod das Koenigreich haben und regieren soll.« Da sprach der Koenig von Schottenland: »Ich hab' euere Schwester zu einem Gemahl, und ihr die meine; so halt' ich euch fuer meinen Bruder: aber mich bedaeucht gut zu sein, daß ihr euere Tochter gebt an Sordit; denn, so das geschieht, so wird man euch fuerchten, und wird euer Koenigreich wohl regiert.« Darauf sprachen die andern Herren alle mit einer Stimme, daß der Koenig aus Schottenland wohl gerathen haette, dem auch hierin zu folgen waere. Da gab der Koenig seinen Willen dazu und bat hierauf den Koenig aus Schottenland, daß er solches an Sordit braecht' und davon mit ihm redete.

Da ging der Koenig von Schottenland zu Sordit und sprach: »Sordit, ihr sollt Gott danken; denn man haelt euch fuer fromm und getreu, jedermann hat euch lieb und werth: und der Koenig will euch geben zu einem Gemahl seine Tochter Genese.« Darauf antwortete Sordit und sprach: »Ich danke dem Koenig seiner Gnaden und allen denen, die mir solches Glueck und Ehr' auch ander Gutes goennen. Aber sie haben sich hierin nicht wohl bedacht, denn es ist nicht gebuehrlich, daß ich eines Koenigs Tochter sollte haben und ein armer Mann so groß Koenigreich erlangen; denn ich bin von einem geringen Geschlecht. »Was ist das, das ihr redet? – sprach der Koenig – Sind wir nicht alle von einem Vater und einer Mutter? So habt ihr dazu so viel Tugend ritterlicher Thaten und Mannheit vollbracht, daß ihr wohl wuerdig seid, eine solche hochgeborene Jungfrau zu haben zu einem Weib.« Sie redeten viel und mancherlei von den Sachen, aber der Koenig von Schottenland konnte keinen Weg finden, daß Sordit seinen Willen dazu wollte geben; er fand auch alle Wege solche Ausred' und Wehrworte, daß sich der Koenig darob verwunderte.

Und als nun der Koenig von Schottenland an Sordit das vernahm, daß er der Sache halb an ihm nichts schaffen mochte, kam er wieder zu dem Koenig und seinen Raethen und verkuendet' ihnen, was er gefunden und erlanget haett' an Sordit, wie er dem Koenig fast Dank saget' und sich selbst so gar erniederte. Da sprach der Koenig: »Sicher, er ist vermaehlet oder versprochen einer Frauen, zu der er ein Wohlgefallen hat, darum er seine Treue halten will.« Darauf sprachen die andern alle: »Ja, gewißlich wird es also um ihn stehen.« Genefe aber, des Koenigs Tochter, war fast betruebt, daß sie ihn nicht sollte haben, und sprach: »Fuerwahr, ich sehe und merke wohl, daß sein Herz anderswo verpflichtet ist, da er seine Treue an will halten; oder er hat vielleicht eine Hausfrauen.« Darum haet sie großen Schmerzen und Unmuth; denn sie sein vor allen Maennern begehren thaet.

Nun lassen wir von Sordit und von des Koenigs Hof von Engelland und heben wieder an zu sagen von Sidonia und dem Koenig von Britannia, wie sich die Sache weiter, im Abwesen des Pontus, zutrug.

 

Das fuenf und dreißigste Kapitel

Wie Gendolet, der kluge und boshaftige, nachdem Pontus hinweg war, sich am Hof hielt und das Regiment erlangte.

Da nun Pontus von Britannia hinweg war, hatte Sidonia hiezwischen, seiner Hinfahrt halb, großen Schmerzen und Bekuemmerniß; das sie doch klueglich verbergen konnte, daß es niemand an ihr merken mochte, denn allein Eloisa, ihre geheime Jungfrau, die staets um sie war und ihr heimliches Anliegen wußte: die troestete sie staets in solcher Betruebniß.

Nun war Gendolet also gescheit und klug und also wohlredend, daß er des Koenigs Meister war, und vertrieb also mit seinem Klaffen Herlanden, den Seneschal, von seinem Dienst und machete, daß ihm der Koenig ungnaedig war, und brachte den Hof gar in seine Regierung, also, was er that, hieß und gebot, daß es war und geschehen mußte, gleichergestalt, als ob es der Koenig selber geheißen und befohlen hat: also hatt' er sich eingedrungen an dem Hof.

Als nun viel Koenige, Fuersten und Herren, der Sidonia, des Koenigs Tochter, nachstellten und um sie warben, wiewohl sie das nicht gern hoert' und ihren Willen gar nicht dazu geben wollte, war unter andern Fuersten der Herzog von Bourgogne; nachdem er haet hoeren sagen, von dem Grafen von Muempelgart, daß Sidonia waere die huebscheste, schoeneste und vernuenftigeste, die in allen Landen waere. Da nun der Herzog das vernahm, ward er mit Liebe gegen Sidonia gefangen und haengete also dem nach mit staeten Gedanken, betrachtend, wie er fueglich dahin moechte kommen, um sie zu werben, und fragete: welcher Rath dem Koenig am allerliebsten und naechsten waere? Da ward ihm gesagt und angezeigt, wie der Ritter Gendolet dem Koenig der wertheste und fuernehmeste Rath waere, an dem alles Thun und Lassen stuende. Auf das ließ der Herzog von Bourgogne mit Gendolet reden, thaet ihm große und herrliche Schenkung und verhieß dabei, viel mehr zu thun, wo er daran waere und huelfe, daß ihm Sidonia zu einem Weib gegeben wuerde.

Gendolet ward durch den Geiz gefangen, ging zu dem Koenig und sprach zu ihm gar mit schoenen und klugen Worten: »Gnaediger Herr, ich bedenk' allezeit euer und euers Koenigreichs Nutz und Frommen, nachdem ich denn auch zu thun schuldig bin: derhalben daeucht mich fast gut und gerathen zu sein, daß ihr euerer einigen Tochter Sidonia bei euerm Leben einen Mann gebet, dieweil ihr noch frisch, gesund und aufrecht seid, und solltet euch also eine Freundschaft machen mit einem Koenig oder Herzogen.« Und hielt ihm fuer den Herzogen von Bourgogne, wie er sie gern haette, wie er gar ein hoher und maechtiger Mann waere; und waere eine große Thorheit, sollte man ihm das versagen; und redete so scharf und ernsthaft von der Sachen, daß er den Koenig bewegte, davon mit Sidonia, seiner Tochter, zu reden.

 

Das sechs und dreißigste Kapitel

Wie der Koenig durch den Rath Gendolets bewegt ward, seiner Tochter Sidonia einen Mann zu geben.

Nachdem nun der Koenig durch den Rath und Fuertrag Gendolets beredet und bewegt ward zu folgen, schickete er bald nach seiner Tochter Sidonia, hielt ihr die Meinung und den getreuen Rath Gendolets fuer und sprach: »Liebe Tochter, der Herzog von Bourgogne, der ist ein naechster Freund des Koenigs von Frankreich, der begehrt euer zu einem Gemahl; und bedunket mich, daß wir ihm das nicht koennen versagen, und ich bin hierin willig, waere es nur euer Wille.« Da sprach Sidonia: »Gnaediger Herr, es dunkt mich noch nicht Zeit oder Nothdurft zu sein, daß ich einen Mann nehme.« Darauf antwortete der Koenig und sprach: »Ihr habt mir solches lange verzogen, und weiß nicht, warum. Und gebet ihr nicht euern Willen dazu, itzt zumal, so werde ich euch nimmer hold sein.« Darob Sidonia fast sehr erschrak, daß sie ihr Vater so hart und uebel behandelte, fiel vor ihm nieder auf ihre Knie und sprach zu ihm: »Gnaediger Herr, es ist kein Ding, das ihr mit mir schaffen koennet und moeget, ich thu' es gern: aber, lieber Herr und Vater, ich hab' ein Gebrechen an mir, daß ich euch nicht darf sagen, bis ich gesund werde. Und ich achte, daß ich vor Pfingsten in dem Sommer nicht gesund moege werden: auf dieselbe Zeit, so meine Sache besser wird, will ich euern Willen ohne Zweifel erfuellen.« Da sprach der Koenig: ihn begnuegte wohl daran, »aber ich geb' euch nicht laenger Frist, als bis auf dieselbe Zeit.« Nun war es dieselbe Zeit desselben Jahrs, daß Pontus von ihr Urlaub genommen hatt' und ihr verheißen wieder zu kommen. Der Koenig haet ein gut Genuegen an ihr, ging zu Gendolet und sagt' ihm die Zeit, die Sidonia ihm bestimmt haet. Darauf antwortete Gendolet: es waere gut; schickete zu dem Herzog von Bourgogne und verschuf so viel hierin, damit die Heirat beschlossen und vereinet ward, also, daß sie sollten vermaehlet werden am Montag in den Pfingstfeiertagen.

Sidonia war gar in großer Unruh' und schickete manchmal, zu forschen, nach Pontus, und koennt' ihn doch nicht erfahren, darum, daß er seinen Namen hat veraendert, und war in großem Unmuth Tag und Nacht. Und als sich die Zeit nun naeherte, da erschrak Sidonia gar sehr, schickete nach Herland, dem Seneschal, und klagte ihm ihre Noth. »Gnaedige Frau, – sprach Herland, der Seneschal – ich will euch sagen: Oluner, mein Sohn, ist einer von den waidlichen Rittern des Lands, den auch Pontus fast lieb haet; den will ich schicken in Engelland und Schottenland und ueberall aus in die Lande, nach ihm zu forschen: und findet er ihn, so wird er ihn gewißlich mitbringen.« Da sprach Sidonia: es waere gut, und bat ihn darum.

Oluner fuhr darnach ueber Meer, kam zu dem Port von Anthoni und fragete da nach dem Ritter Pontus. Da ward ihm gesaget, wie es bei sieben Jahren waere, daß der beßte und allerhuebscheste Ritter von aller Welt in das Land kommen waere; aber er hieße mit seinem Namen Sordit. Da gedacht' ihm der Ritter Oluner wohl, wie es Pontus waere und haette seinen Namen verkehret, etlicher Ursache halben. Er machte sich also auf den Weg, ging ferner mit seinem Knecht und kam in einen Wald, da waren viel Raeuber in, und koennt' er die Sprache nicht. Als die Raeuber ihn ersahen, so koestlich in seinem Gewand, da liefen sie ihn an, beraubten ihn seiner Kleider, nahmen ihm alles, was er haet, und verwundeten ihn. Doch kam er von ihnen und verbarg sich in dem Wald, damit er sein Leben fristete. Doch so litt er große Armut, daß er schier nackend ging und großen Hunger duldete; denn er niemand fand, der ihn in seiner Widerwaertigkeit getroestet haette oder Huelfe bewiesen. Er war aber fast mehr betruebt und thaet ihm weher, daß er die befohlene Sache nicht mochte ausrichten, denn sein Verlust und die Armut.

Er ging durch den Wald und bettelte das Almosen von Haus zu Haus, von einer Thuer zu der andern, bis er kam in Engelland in den koeniglichen Hof. Er kam also auf demselben Tag dahin an dem Abend, als der Koenig von Schotten haet mit Pontus geredet von der Heirat wegen. Pontus war zu Hof und sah den Freuden und dem Schimpf zu, so die jungen Ritter und Gesellen anfingen und trieben. Oluner stund auch da und war ganz nackend und bloß und gar uebel bekleidet. Er sah Pontus an, kennet' ihn, ging zu ihm, kniete vor ihm nieder und sprach: »Mein Herr Pontus, Gott geb' euch, wohl zu leben und allzeit euere Ehre zu mehren, an welchem End' ihr seid!« Pontus erschrak und sprach: »Lieber Freund, mit wem redet ihr?« Da sprach Oluner: »Ich rede mit euch, denn ich erkenne wohl, daß ihr Pontus seid, des Koenigs Sohn von Gallicia, der ihr eine Zeit in Britannia bei dem Koenig gewohnt habt und daselbst auch auferzogen und unter der Zucht meines Vaters auf drei Jahre gewesen. Und daß ihr mich itzund da arm und nackend sehet, das ist mir geschehen um euertwillen und euch zu suchen; und sollt mir nicht desto weniger vertrauen oder glauben, darum, daß ich arm und nackt bin: denn ich bin Oluner, des Seneschals Sohn.«

Da nun Pontus das hoert' und vernahm, da thaet er ihn erst recht erkennen, thaet ab seinen Mantel, bedecket' ihn damit, leget' ihm den an, nahm ihn in seine Arme, kuesset' ihn und weinete so sehr, daß er kein Wort mit ihm mochte mehr reden. Er fuehrt' ihn mit sich in seine Kammer und fiel mit ihm nieder auf sein Bett, druecket', kuesset' und halset' ihn gar inbruenstig und sprach: »O Oluner, lieber Freund und Bruder, wie steht es in euerm Land, daß ich euch solchermaß hie sehe?« Da sagte ihm Oluner, wie es in Britannia am Hof zuginge, naemlich, wie Gendolet den Hof unter sich ganz gezogen und bracht haette, wie der Koenig niemand glaubte, denn ihm allein, und wie er seinen Vater vertrieben haette von seinem Amt. Weiter saget' er ihm, wie Sidonia gezwungen wuerde, einen Mann zu nehmen, wie sie ihren Willen nicht dazu geben wollte, was sie fuer Leid und Unruhe darum haett' und wie sie sich zum letzten nicht laenger haette erwehren moegen, denn bis auf diesen kuenftigen Montag in den Pfingstfeiertagen, und sollte dann gemaehlet werden mit dem Herzogen von Bourgogne, der viel boeser Tadel an ihm haett'; und wie Gendolet das haett' angetragen und gethan, von der großen Gabe wegen, die ihm derselbige Herzog gegeben und verheißen haette. »Und Sidonia entbeut euch, – sprach er – sei es euer Gefallen, daß ihr hierin wollet ihr zu Huelfe kommen, durch die Treu' und Liebe, so zwischen euch und ihr ist.« Da Pontus die Ermahnung hoerte, naemlich, daß er durch seine Frau ward ermahnet der Treu' und Liebe, so zwischen ihnen war, da flossen ihm große Zaehren seine Backen herab, und er sprach: »So Gott will, ihr soll und wird wohl hierin geholfen.« Und sie redeten da ferner mancherlei mit einander.

 

Das sieben und dreißigste Kapitel

Wie Pontus seinen Ritter mit sich auf den Saal fuer'n Konig fuehrt' und wie der sie empfing.

Als nun Abend ward, daß man wollte zu Nacht essen, da ging Pontus auf den Saal und fuehrte seinen Ritter mit ihm an der Hand; den haet er mit koestlichem seidenen Gewand angethan und wohl geschmuecket und er war gar ein huebscher Ritter anzusehen. Der Koenig ging Pontus und dem Ritter entgegen, mitsammt dem Koenig von Schottenland, und sprach zu Pontus: »O Pontus, warum habt ihr euch selbst so fast geunehret, daß ihr das so lange verschwiegen habt vor uns, und habet uns nicht gesagt, daß ihr des Koenigs Sohn von Gallicia seid?« Nachdem hieß ihn der Koenig sitzen zwischen die Koenigin und seine Tochter; er wollt' oder nicht, so mußt' er's thun: er thaet das ungern und mit großer Pein. Und als sie gegessen hatten, gingen sie in einen Garten: da spielten sie und fingen an mancherlei Kurzweile, damit sie die Zeit vertrieben.

Pontus ging zu dem Koenig von Schotten und zu dem von Irland, zu dem von Cornuaille, auch zu den andern Herren und Fuersten, und erzaehlete ihnen Alles von Anfang an, und sprach: »Die Hoffart der zweien des Soldans Soehne haben wir unterdrueckt und vertilget. Nun ist noch der dritte, der mein Koenigreich innen hat, das ich sollt' inne haben und mir zugehoert; darin das Volk große Angst und Noth erlitten hat. Doch hab' ich vernommen, wie das Land gar wohl regiert sei gewesen, also, daß wenig Volks erschlagen ist worden; denn sie machten sich alle unterthaenig: ein jeglicher Mensch mußte geben einen Gulden, und durch dieselbige große Steuer, die die Heiden erhuben, ließen sie jedermann leben und glauben, was einem jeden gefiel' und er glauben woellte.« Da sprach der Koenig von Engelland: »Wir erbieten uns zu euch mit dem Leib, wiewohl daß ich alt bin, und auch dazu mit Leuten, Land und Gut.« Deßgleichen thaet auch der Koenig aus Schottenland und alle andere Koenige und Fuersten. Pontus dankete den Koenigen und Fuersten und sprach: »Ich will keinen Koenig noch Herzogen mit mir fuehren, nur allein Kriegsleute: derer will ich haben bei zwoelftausend, die ich versolden will; denn, Gott sei gelobt, ich habe genug dazu.« Und es war wahr, daß er genug dazu haet; denn er hatte funden in des Koenigs Corbatan Schiff, in dem letzten Streit, so viel und so einen großen Schatz, daß es unaussprechlich war.

Er nahm aber von einem jeglichen Koenig die beßten Ritter zu ihm, bis daß er haet so viel, als zwoelf tausend streitbarer und wohlgeruesteter Mann, gab ihnen Sold nach allem ihrem Willen und sie hatten große Freud' und Lust mitzuziehen. Und da sie nun waren in ihren Schiffen, und als es alles wohl zugerichtet und versehen war nach Nothdurft, und sie Urlaub genommen hatten von ihren Herren und Freunden, zogen sie auf ihre Segel und schieden daselbst von dannen mit großen Freuden von dem Port Anthoni.

Da schied Pontus von dannen und kam in die Gegend die vor ward genannt Britannia; und er wich mit großem Leid von dem Land. Sie fuhren Tag und Nacht, bis daß sie kamen gen Vannes, da er seinem großen Schiff zu bleiben befohlen hat auf dem hohen Meer; und er sprach: er woellte nicht das Meerschiff von dannen fuehren? und sie sollten Kaufleute machen mit Salz und sollten fahren zu dem Port. Er schuf seine Sache wohl und ordentlich, nahm etliche Schiff' insonders, da er in hatte wohl drei hundert streitbarer Mann. Er hieß sie sich anlegen in ihren Harnisch, als sie waren in einem Wald zwischen Reyß und Vannes, und befahl ihnen, daß sie nicht von dannen sollten weichen, bis sie haetten gewisse Botschaft und Wortzeichen von ihm, daß sie kommen sollten; denn er ihnen entbieten wollte zu kommen auf den Pfingsttag, da die Hochzeit sollte sein auf dem Montag darnach mit Sidonia und dem Herzogen von Bourgogne.

Er saß auf sein Pferd und nahm nur einen Knecht allein mit ihm auf demselbigen Tag; und er ritt, bis er einen Bettler fand, der sein Brot um Gottes willen suchte, dessen Kleider und Rock fast zerrissen waren, und haet eine Kappen auf mit Muscheln und Pilgerzeichen daran gehenkt; er sprach zu ihm: »Lieber Freund, wir wollen mit einander wechseln, ich will dir geben meinen Rock um den deinen mit der Kappen.« – »Ach, – sprach der arme Mann – ihr spottet mein.« – »Nein, fuerwahr,« sprach Pontus. Er that sich ab, hieß den armen Mann anlegen sein Gewand und nahm er des armen Manns Gewand und legete das an, auch seine Kappen und den Huth und nahm den Stab in seine Hand. Als sein Knecht das sah, sprach er zu ihm: »Ei, Herr, was thut ihr? Seid ihr nicht witzig, daß ihr ihm gebet euere Kleider um die seinen.« – »Schweig' still, – sprach Pontus – du weißt nicht, warum ich das thue; halt' dich heimlich und still, fuehre die zwei Pferd' in die Stadt und zeuch sie nicht ferner, bis ich zu dir komme.«

Da zog Pontus an einem Stab dahin, als ein Pilger, bis er auf den Weg kam, da der Herzog von Bourgogne her kommen sollte. Und bald sah er etliche seiner Diener daher reiten und sah, daß der Herzog von Valles vor ihm her kam und er darnach; er ritt auf einem großen schwarzen Pferd gar gemaechlichen und redete gar ernsthaftig mit Gendolet.

 

Das acht und dreißigste Kapitel

Wie Pontus in Pilgrimsweise dem Herzog von Bourgogne und Gendolet begegnete. Auch wie er zu Hof auf die Hochzeit kam und als ein Bettler gespeis't ward.

Und als der Herzog daher ritt, haet er eine Hand auf Gendolets Schulter liegen; da stund Pontus am Weg, und als sie fuerhin ritten, sprach er: »Schau', die zween Soehne sind wohl gezogen, sie haben zween große Baeuch' und sind gar feist.« – »Ei, – sprach Pontus zu Gendolet – euer Bauch hat manche Suppen und gute Bißlein vom Hof gegessen: ihr seid wohl geschickt zu einer Mastsau am Hof.« – Gendolet ward zornig, warf sein Pferd herum und sprach zu ihm: »Bube, wie darfst du mir solche Worte geben?« Und wollt' ihn mit der Geißel geschlagen haben. Pontus erhascht' ihm sein Pferd, kehret' es ihm um, nahm seinen Stab und sprach: »Ihr thut mir nichts.« Und der Herzog sprach zu Gendolet: »Laßt den Buben gehen; denn man mag keine Ehr' an ihm erjagen.«

Sie ritten fuerder und Pontus ging hinten nach. Und da er sah, daß sie hinein gen Hof gingen, da wollt' er auch mit ihnen hinein gehen: der Thorwaerter widerredete das, wollt' ihn nicht hinein lassen, nahm ihn bei der Schulter und wollt' ihn wieder heraus werfen; aber Pontus machet' ihn fallen und sprach also: er waere einer von den dreizehn armen Leuten, die essen sollten vor des Koenigs Tisch. Da sprach der Thorwaerter: »Du bist ein boeser, vermessener Bettler; man gebe dir alles Unglueck!«

Nun war da eine Gewohnheit, daß man zu eines jeden maechtigen Herren Hochzeit nahm dreizehen armer Mann und setzete die fuer der Braut Tisch, in der Ehre Gottes; und nach Essens so gab ihnen die Braut zu trinken mit ihrer eigenen Hand. Pontus ging und saß nieder, als der dreizehen Armen einer. Man speisete sie von mancherlei Essen: aber Pontus aß wenig und sah staets nur auf seine Frauen Sidonia, welche war fast still und unmuthig; denn Gendolet haet ihr gesagt, wie Pontus todt waere. Nun dachte sie staets an ihn, dieweil eben die Zeit war, da er ihr hatte verheißen wieder zu kommen. Und als die Braut hinaus wollte gehen, da war ein Gang, da die dreizehen armen Maenner in stunden: da war eine Jungfrau, die trug eine silberne Kanne mit Wein und eine andere trug einen gueldenen Kopf, da die Braut den dreizehen armen Leuten zu trinken aus gab. Pontus war der letzte, der trank, und als er den Kopf zu dem Mund hielt, da ließ er einen Ring mit einem Diamant darein fallen, den ihm Sidonia vor Zeiten haet gegeben. Und da er getrunken haet, sprach er zu ihr heimlich: »Gnaedige Frau, trinket, durch Pontus willen.« Als sie den Namen hoerte nennen, erschrak sie vor Freuden und trank den Wein. Und als sie trank, da sah sie in dem Wein den Ring und erkannt' ihn bald; davon sie große Freud' empfing, und wußte nicht, was sie daraus gedenken sollte. Sie schickte bald nach ihrer Jungfrauen Eloisa und sprach zu ihr, daß sie zu ihr kommen hieße den großen armen Mann.

Darnach ging sie in ihre heimliche Kammer. Eloisa fuehrte den armen Mann zu ihr und meinte, die Braut woellte vielleicht ihm etwas um Gottes willen geben; und die andern Armen vermeinten auch also; denn sie wußten wohl, daß sie barmherzig war. Nun, da sie in ihrer heimlichen Kammer war, darnach nicht lange kam Eloisa und auch der große arme Mann mit ihr, der gar fast veraendert und verkehrt war, daß ihn niemand mochte erkennen.

 

Das neun und dreißigste Kapitel

Wie Pontus in eines armen Manns Gestalt zu Sidonia kam.

Sidonia fing an zu reden mit dem Bettler, nach dem sie geschickt haet, und sprach zu ihm: »Lieber Freund, wer hat dir gegeben den Ring, den ich funden hab' im Kopf? Durch Gottes willen bitt' ich dich, verschweig' mir nichts.« Da sprach er: »Gnaedige Frau, wißt ihr nicht, wem ihr den gegeben habet?« – »Ja, – sprach sie – ist er aber noch bei Leben? Verschweige mir nichts in keinerlei weg.« – »Er lebet wohl.« Sprach er. Da hub sie ihre Haend' auf und sprach: »Gott sei gelobet, daß er noch bei Leben ist!« – »Wie, gnaedige Frau, meinet ihr, daß er todt waere?« – »Ja wohl; – sprach sie – denn Gendolet und viel andere haben mir's gesagt.« – »Wie, wenn ihr ihn saehet, was wolltet ihr dazu reden?« – »Was ich reden wollte? – sprach sie – Ich sage, daß mein Herz keine groeßere Freude nicht empfangen koennte noch moechte. Da er das hoerte, da verkehrt' er nicht mehr seine Rede und reinigete sein Angesicht, das er gefaerbt hat: da erkennete sie ihn auf Stund' und sprach: »O, ihr seid Pontus! Nichts ist in dieser Welt, das mir lieber ist, denn ihr, nach Gott und meinem Vater.« Sie hatte große Freude ob ihm und halset' ihn gar freundlich. »O gnaedige Frau, – sprach er – es ist mir eine große Freude, daß ihr einen Mann habet' und so einen maechtigen, und daß ihr sowohl versehen seid.« Und redete das also, sie zu versuchen. »O, – sprach sie – lieber Freund, davon redet nur gar nichts; denn ich keinen andern Mann haben will, als euch, wenn es euer Gefallen waere, mich zu nehmen; und das versprech' ich euch von Herzen und Mund. Und es ist nichts, hat auch keine Kraft, was man an dem letzten verheißet und gelobt, sondern, was man zu dem ersten verspricht, das ist man schuldig zu halten; denn das erste Geluebde geht allweg fuer: darum ich's auch nicht wankeln will.« – »O gnaedige Frau, – sprach Pontus – das sollt ihr nimmer erdenken gegen mich armen Mann, der sein Brot durch Gottes willen nimmt; und woellet ihr einen so maechtigen Herzogen von meinetwegen lassen? das wollte ich euch nimmermehr rathen, von der Treu' und Liebe wegen, die ich zu euch hab' und trage.« – »Lieber Freund und edler Ritter, – sprach sie – ich will keinen andern nicht haben, denn euch; denn mir waere zu tausend malen baß, bei euch zu leiden Unruh' und solche Armut, als ihr leidet, denn alle Reichthuemer und Gueter des allmaechtigsten Koenigs auf Erden. Und habt ihr etlichen Abgang und Mangel, die hat euch Gott zugeschickt, euch zu versuchen: und darnach wird euch Gott das zwiefaeltig wiedergeben und Ehr' und Reichthum verleihen, nur daß ihr allezeit eine gute Hoffnung und Vertrauen zu ihm habt.« Da nun Pontus hoerete die große Treu' und Liebe von ihr gegen ihn, sprach er: »Gnaedige Frau, es war nie keine bessere Liebe, denn zwischen euch und mir ist: darum will ich euch itzt nichts mehr verschweigen. Wisset fuerwahr, daß ich Gold und Silber auch edel Gestein mehr habe, denn euer Vater, mein Herr; und habe zwoelf tausend streitbarer Mann, denen ich Sold geb' ein ganzes Jahr, mir zu helfen streiten und das Koenigreich wieder zu gewinnen, das meines Herren und Vaters ist gewesen. Damm fuerchtet euch nicht. Und ihr sollt itzund gehn und dem Stechen zusehen; und laßt euch fuehren zu Polidas, meinem Vetter, heißt auch meine andern Gesellen bei euch stehen, welche ihr wißt, die ich lieb habe: und ich will kommen auf die Bahn und will stechen. Bewahr' euch der allmaechtige Gott! ich kann nun nicht laenger bei euch sein.« Er halsete sie gar freundlich, und durfte doch sie nicht kuessen und auch darum nicht bitten.

Also ging er von ihr und hinkte dahin, als ein Bettler, der da lahm waere. Er kam also zu seinem Knecht, der sein wartete, sprang auf sein Pferd und ritt durch den Wald zu den andern seinen Gesellen. Da sie ihn sahen, da erkannten sie ihn nicht mehr und waren etliche unter ihnen, die sprachen; er waere ein Spaeher. Aber er hub an und lachet' und saget': »Ich bin Pontus.« Da thaeten sie ihn erkennen und fingen an zu lachen und lachten sein gar genug. »Herr, – sprach der Graf von Glocester – es haette nicht viel gefehlet, wir haetten ein Unzucht an euch begangen und erzeigt: wie habet ihr euch so gar unterthaenig gemacht?« Da befahl er ihnen, daß sie sich sollten in Harnisch legen, heimlich zu stechen, und sollten auf die Bahn kommen, nach einander, je zwanzig, je dreißig; und daß keiner nichts thaete, denn, was man ihm befoehle. Pontus sagt ihnen den Hof und die Hochzeit. Er ging mit vierzig seiner Ritter, der beßten, die thaeten ihren Harnisch an, und sagte ihnen seine Sach und Anschlaege.

Sie ritten also auf die Bahn zu stechen. Die von Britannia und Burgund nahmen Wunder, was Leute das waeren, die so mit einer koestlichen Kleidung und Ruestung kamen und so wohl stechen konnten. Und als nun Sidonia dahin kommen war, mitsammt andern Frauen zu dem Stechen: da kam Polidas, nahm sie dem Gendolet, der sie fuehrt', und sprach: er woellte sie zu dem Stechen fuehren; denn sie haette das vormals also mit ihm geschaffet. Gendolet ward zornig darum und ging hinweg. Sidonia sagete dem Polidas, wie sein Vetter Pontus da waere und wuerde bald stechen. Da das Polidas vernahm, da empfing er große Freude darob.

Als er kam, da ist nicht zu sagen, was fuer Freude Sidonia empfing, da sie ihn sah kommen, der da der ausrichtigeste und freudigeste Stecher war unter ihnen allen, und schlug darnieder Ritter und Knecht, brach viel Spieß' und trieb Wunder. Sidonia neigete sich zu Polidas und sprach: »Sehet zu dem Ritter, der blau traegt in seiner Kleidung und eine weiße Frauen, die einen Loewen hat an einer Ketten, in dem Schild, und hat gueldene Buchstaben darum, die lauten: Gott hilf! und hat fuenfzig Gesellen, die alle seine Farb' und Zeichen fuehren, ausgenommen die gueldenen Buchstaben. Sicher, – sprach sie – der mit den gueldenen Buchstaben ist Pontus, euer Vetter, und die andern sind seine Gesellen.« Da sprach Polidas: »Gnaedige Frau, ich erkenne ihn gar wohl an seinem Reiten und auch an seiner ritterlichen That, die er thut; darum so hab' ich große Freud', also, daß ich nicht groeßere Freude moechte haben.« Und saget auch: wie seine Gesellen, die um ihn hielten, ihm trefflichen wohl gefielen.

Darnach da kam der Herzog von Burgundia auf die Bahn. Er saß auf einem großen Pferd von Hispania, war auch gar koestlich in seinem Harnisch und hat dreißig Ritter, die seine Gesellen waren und alle mit seiner Farbe bekleidet: die hatten ihre Lanzen eingelegt und fingen an zu rennen und zu stechen wider die Britannischen, die auch auf der Bahn hielten. Da das Pontus ersah, da begunnt' er auch zu stechen gegen sie und fing an, Ritter und Pferd nieder zu stechen; darob sie alle erschraken und sich entsatzten.

Der Koenig mit den Frauen und die andern Ritter und Herren, die da zusahen, forscheten: wer der große, gewaltige Ritter waere, der die Frau in seinem Schild fuehrete, die einen Loewen an einer Ketten haette mit den gueldenen Buchstaben, und der so viel Gesellen haett' in seiner Farbe? Jedermann sprach: er wueßte es nicht.

Nicht lange darnach begab es sich, daß Pontus dem Herzogen von Bourgogne entgegen kam: der war gar koestlich in seinem Gewand, und Pontus gebauchte wohl, wie er es waere oder aber ein anderer maechtiger Herr von Bourgogne. Er schlug bald sein Pferd mit den Sporen gar groeblich und traf den Herzogen von Bourgogne in seinen Schild; sein Speer war groß und stark und er traf ihn also haertiglich, als einer, der viel Kraeft' und Staerke haet, und besonders an einem solchen Ort, da seine Frau Sidonia stund und das zusehen mußte, die er lange nicht gesehen haet, und stieß ihn also hart, daß er ruecklings ueber sein Pferd fiel und blieb mit einem Fuß in dem Stegreif hangen, daß ihn das Pferd also schleifet' in einen Graben; es lief durch das Gedraenge und wollt' ueber den Graben sein gesprungen und fiel so groeblich, daß der Herzog darunter kam, beide sturben, und er vor kaum zu beichten kam. Die von Burgundia waren unmuthig und traurig um ihren Fuersten und Herren; denn jedermann sah wohl, daß der Braeutigam todt war. Pontus hoerte wohl das Klagen, und wie der Braeutigam todt waer', aber es kuemmerte ihn nicht fast, und auch deßgleichen Sidonia.

Pontus mit seinen Gesellen stunden ab von ihren Pferden und gingen hinauf zu den Frauen: da grueßten sie die Frauen alle und gingen zu Sidonia. Pontus nahm Sidonia mit der Hand und sprach zu ihr: »Gnaedige Frau, ihr mueßt mein Gefangener sein; doch will ich euch ein gutes Gefaengniß geben.« Sidonia ward schaamroth und haet doch große Freude darob in ihrem Herzen, die niemand erdenken mag, antwortete Pontus und sprach: »Ist es also, daß ich euer Gefangener muß sein, so will ich es leiden.«

Der Koenig ging hinaus und war fast unmuthig von wegen des Tods des Herzogen von Bourgogne. Alsbald er aber bei sich betrachtete die große Ritterschaft, die Pontus thaet und begangen haet und wie er seine Tochter genommen, da gewann er große Freud' und sprach: es haette Gott also geschickt und geordnet, daß sie ihm zum Weib werden sollte, und er moechte sie auch keinem bessern Ritter geben, denn ihm; »denn an ihm – sprach er – ist so große Wuerdigkeit und Frommkeit, daß er wohl wuerdig ist zu haben des nahmhaftigsten Koenigs Tochter, der da lebet auf dieser Erde. Und sicher, ich vermeinet', er waere todt, nach dem, als man mir zu verstehen hat gegeben.« Und ging also mit offenen Armen gegen Pontus und sprach zu ihm: »Seid mir Gott willkommen, lieber Pontus, edler Herr und Ritter; euere Zukunft giebt mir große Freud': und daß ihr meine Tochter haben sollt, bin ich ganz willig und zufrieden.«

 

Das vierzigste Kapitel

Wie Pontus sich vor dem Koenig demuethiget und ihm koenigliche Ehre beweiset, mit Wuenschung langes Lebens und alles Gluecks.

Wie nun Pontus sah, daß der Koenig gegen ihn ging, fiel er nieder auf seine Knie, thaet seine Haube ab und bat Gott, daß er ihn behuetete vor Uebel, ihm langes Leben gaebe, und seinem allergnaedigsten Herren, was ihm lieb und nuetzlich waere. Da umfing ihn der Koenig und hatten sie große Freude.

Nun ist nicht zu schreiben, wie schoen und hoeflich er von Sidonia empfangen ward; auch von seinem Vetter Polidas und von den andern seinen Gesellen, die alle voll Freuden waren, und wußten nicht, wie sie solche Freude gegen Pontus genugsam sollten ausgießen und anzeigen. Gendolet, der haessige und neidische Mensch, der ihm alles Gluecks und Ehren mißgoennete, stellte sich auch dergleichen mit dem Mund und Gebaerden, als ob er sich heftig freuet': aber es war eitel Gleißnerei mit ihm und war ihm gar nicht im Herzen, sich zu erfreuen; denn er war aller seiner Hoffnung beraubet.

Darauf gingen die Herren und Freien zu Pontus, und der Graf von Leon redete fuer die andern alle mit Pontus und sprach gar freundlich und lieblich zu ihm und hielt ihm fuer: als er des ersten in das Land kommen waer' und darinnen erzogen, haelt' ihn der Koenig gar lieb gehabt; wie man ihn durch Neid gar faelschlich vor dem Koenig haet beredet und verschwaetzt, wie der Koenig alt waere und glaeubte gleich, was man ihm sagte. Und sagt' ihm weiter, daß der Koenig ließe mit ihm reden, mit gutem Willen seiner Landschaft, daß er ihm seine Tochter Sidonia begehrte zu geben zu der Ehe, und daß er also nach seinem Tode Koenig bliebe. Als Pontus solches vernahm und er auch nichts anders begehren thaet, antwortet' er darauf und sprach: Er danket' fast und sehr dem Koenig und den Herren und Freien, die da waren von seinem Land, und sprach: er waere gehorsam und willig, ihr Gefallen zu thun; denn er haette sie lieb fuer alle andere.

Die gesandten Herren waren froh dieser seiner gegebenen Antwort, gingen hin, sagten die Maehre dem Koenig und zeigten ihm dabei an, wie gutwillig sie ihn in der Sache gefunden haetten, wie er noch eingedenk waere aller Ehren und Wohlthaten, so ihm vom Herrn Koenig und seinem Hof, auch von der Landschaft bewiesen und erzeigt waeren worden: darum er auch seine Tochter vor allen in der Welt haben wollte. Darob empfing der Koenig ein groß Wohlgefallen, schickete von Stund' an nach dem Bischof und ließ sie gegen einander, nach christlicher Ordnung und Gewohnheit versprechen.

 

Das ein und vierzigste Kapitel

Wie Pontus mit Sidonia vermaehlet ward; und verhieß sich Sidonia, seiner Hausfrauen, nicht eher beizuliegen, bis er Gallicia wieder gewoenn.

Als nun Pontus und Sidonia einander versprochen waren, da wurde angesetzt, daß sie gleich am Montag darnach sollten vermaehlet werden. Also geschah, daß der Bischof kam und sie zur Ehe zusammen gab. Da war viel Hofierens, große Freude, mit Pfeifen, Drommeten und mancherlei Saitenspiel, und es frohlockete jedermann. Von der Freud' aber, die Pontus und Sidonia in ihrem Herzen hatten, ist nicht zu sagen; denn sie hatten zu tausendmal mehr Freud' in ihrem Herzen, denn sie beide auswendig erzeigten.

Pontus, der war fast weis' und wollte niemands Unwillen haben und ging zu den Burgundischen, zu des verstorbenen Ritter Bruder und zu dem Grafen von Muempelgart, beredete sich gegen sie und sprach: »Liebe Herren, die Abentheure, die ungefaehrlich geschehen ist, ist mir fast leid, von des Herren Tod wegen; und fuerwahr, als er mit mir stach, wußte ich nicht, wer er war.« Darauf antworteten sie ihm: sie glaubten das wohl; denn es auch oft mehr geschehen waere; davor niemand moechte sein.

Und an dem Morgen darnach ließ er viel und großen Gottesdienst fuer den Herzogen thun und gab groß Gut, durch Gottes willen, zu Trost und Heil seiner Seelen, also, daß dergleichen Gottesgaben vor nie gehoert noch gegeben waren worden; darum man ihm groß Lob und Ehre nachsagte; davon auch des verstorbenen Herzoges Freund' ein groß Vergnuegen hatten, und dankten ihm fast. Sein Leib ward balsamiert, und man fuehrt' ihn in einem beschlossenen Wagen in sein Land. Und Pontus ritt mit dem Leichnam wohl drei große Meilen, mit viel Windlichtern, und ehret' ihn, als viel er mochte, wiewohl er nicht fast unmuthig war um seinen Tod. Die Herren von Burgundia machten ihn wiederkehren mit großer Bitte und nahmen Urlaub von ihm; sie lobten Pontus fast und hielten viel von seiner Mannheit und auch Muedigkeit. Und jedermann achtete, daß ihn Gott insonderheit lieb haette, dieweil er ihn so wohl gelehret und so fromm gemacht haette.

Darnach ging er zu dem Koenig und zu den Herren und sprach zu ihm: »Gnaediger Koenig, ihr habet wohl gehoert, daß ich hab' ein groß Heer, damit ich mein Koenigreich, das die Heiden bekuemmert haben, wieder gewinnen will: und waere es nun euer Gefallen, so woellte ich aus euerm Koenigreich Leute haben, die da Sold nahmen von mir; und ich will sie ehrlich ausrichten und sie besolden, bis auf Aller Heiligen Tag.« – »Ei, – sprach der Koenig – lieber Sohn, ihr sollt nicht sorgen um Soeldner: nehmet meinen Schatz, und was mein ist. Und waere es euch ein Gefallen, ich wollte selbst mit euch ziehen und euch Gesellschaft leisten; denn ich bin alt und ist nicht großer Verlust an mir: und ich weiß und kann keine bessere Reise thun, die mir nuetzer und zu meiner Seelen Heil foerderlicher sei, denn also in dem Dienst Gottes arbeiten.« Pontus danket' ihm fast seiner Huelf' und sprach zu ihm: er sollte auf diese Fahrt nicht mitziehen; »sondern ihr sollt bleiben – sprach er – in euerm Land. Und ich will auch euern Schatz nicht; denn von der Gnaden Gottes hab' ich selber Schaetze genug zu meinen Sachen. Aber euer Volk zu nehmen, thu' ich gern; denn sie find die, die ich am allerliebsten, zu denen ich in der Noth die groeßte Zuflucht habe.« Die Herren und Ritter hatten eine große Freude, von des Heers wegen, und ihrer jeglicher erbot sich insonderheit, mit ihm zu reisen.

Darnach schicket Pontus nach einem großen Schiff und auch nach einem Theil seiner Schaetze, daß die nahe vor seiner Hochzeit sollten gen Vannes kommen. Und als nun der Schatz kommen war, da schenket' er Sidonia Kronen, koestliche Kraenzlein und andere gute Kleinode von Gold und Perlen, auch ander edel Gestein und viel gueldene Tuecher und koestlich Pelzwerk von Zobel, auch von Hermelin, also viel, daß es groß Wunder war. Darnach gab Pontus dem Koenig schoene Kleider mit koestlichen Steinen und Perlen, auch mit gueldenen Knoepfen. Auch die andern Herren von Britannia begabet' er ehrbarlich mit großen Gaben von Gold, einen jeglichen nach seinem Stand und Wuerde. Er ward durch seine Gabe und Muedigkeit hoch gelobt und gepreis't, als ein milder, reichlicher Herr.

Auf dem Tag, als nun Pontus Hochzeit hielt, waren da zugegen die Herren von Schottenland, Engelland und auch Irland, gar koestlich und herrlich in ihren Kleidungen, welchen die von Britannia große Ehr' und Zucht bewiesen. Der Hof und die Freude waren fast groß und der Drommeter und Herolde waren so viel, daß es unsaeglich war, und Pontus schenket' ihnen viel großer Gaben. Da war auch mancherlei seltsam Essen und Getraenk von mancherlei Wein.

Pontus thaet da oeffentlich ein Geluebde, davon man viel Rede hat, und sprach: »Darum, daß man nicht moechte sprechen, daß des Koenigs Tochter einen Mann ohne Land haette genommen, verheiß' ich, daß ich nimmer will kommen an ihr Bette, bis ich gewaltiger Herr werde des Koenigreichs, so meines lieben Vaters gewesen ist, und ich auch deß gekroent werde. Und ich spreche bei der Wahrheit, daß ich sie vor nie gekuesset hab' in unehrbarer Begierd' und hab' auch nie an sie begehret keinerlei Unzucht, also wenig, als ich an meiner Mutter begehret habe.« Das redet' er von der Worte wegen, die der Koenig vormals zu ihm gesprochen haet, darum er von Britannia abgeschieden war. Sidonia hoerte sein Verheißen und Geluebd' und empfing darob große Lieb' und Freude; doch waere sie lieber bei ihm gewesen.

Und als nun fuenfzehen Tage vergingen, da kamen aus allen Landen Fuersten, Herren, Ritter und Knechte gen Vannes, Pontus zu Dienst und Gefallen, und versammlete sich da gar ein groß Heer Wider die Heiden. Huebsch war zu sehen das Heer, das fast gewaltig, groß und wohlgeruestet war.

 

Das zwei und vierzigste Kapitel

Wie Pontus vom Konig und Sidonia mit seinem Heer in Gallicia zog.

Als nun Pontus von dem Koenig und Sidonia Urlaub genommen haet, zog er mit gewaltigem Heer in Gallicia, die Heiden auszutreiben und das Land einzunehmen, und kam gen Sales zu dem Port Dorbendalle: da waren große Schiffe hin kommen mit großer Gesellschaft, die da warteten auf Pontus. Als nun Pontus kam, da ritt ihm entgegen Gottfried von Lusignan und Andre von Lator, die empfingen ihn gar schoen mit großen Freuden, als zween Ritter, die ihm in aller Welt die liebsten waren; und er schenkt' ihnen groß Gut. Darnach kam Wilhelm von Rosches, der ein guter Ritter war, und Payen von Rochefort und der von Damille und Peter von Dourme, Gerhart Castelgontier und Leo von Maulmirier, der da Hauptmann war ueber Hurepois, und Massulp von Touraine, der Graf von Torwarts, der Graf von Lamarcha; und der meiste Theil waren Freien und Herren. Pontus gab ihnen groß Gut, also, daß sich jedermann verwundert' ob seiner Mildigkeit; und sprachen gemeiniglich: man sollte ihm dienen vor aller Welt, und er waere auch wuerdig zu regieren und zu gewinnen die ganze Welt von wegen seiner Tugend und großen Mildigkeit. Pontus verschuf jedermann Speis' und alle Nothdurft zu diesem Zug, und sie fuhren da von dannen mit großen Freuden. Und bald darnach kamen ihnen zu die andern Schiffe: und da ward sein Heer erst huebsch zu sehen, als es bei einander war und war gleich anzusehen, als ein dicker Wald.

Und als sie nun kamen auf drei Meilen zu Cologne, da schrie Pontus aus, daß man da bleiben sollt', und sprach: man mueßte bei Nacht in das Land kommen. Und daselbst, als der Mond schien, mochten sie sehen die Stadt Cologne. Und sie stunden alle ab, bei der Stadt eine Meil' oder zwo, und ließen ihre Schiffe wiederum ein wenig hinter sich fahren, damit man nicht moechte sehen und erkennen ihr Vermoegen. Das geschah also, nach Pontus Geheiß. Und als es nun Nacht war und sie sich wollten niederlegen, da befahl Pontus, auf zu sein, und daß sich ein jeder zu seinem Schiff machte und fuehren bis zu der Stadt Cologne auf eine Meil' und ruhten da die ganze Nacht. Etliche fuehrten ihre Schiffe wieder hinter sich, etliche hielten sich bei einem Wald, damit man ihrer nicht koennte wahrnehmen: und da lagen sie und hielten sich auf das allerstilleste, so sie mochten und konnten.

Pontus saß auf ein Pferd und ritt zu Ende des Walds, zu suchen und zu erforschen die Gelegenheit der Gegend und des Lands, und kam also ungefaehr zu einer Kapellen. Da stund er ab und ging hinein: da fand er darin knien und beten zween Ritter, die ihm doch unbekannt waren, den Grafen von Estor, der sein Oheim war, und Patrises, den Ritter, der die dreizehen Kinder in dem Schiff auf dem Meer hinweg geschickt haet. Diese zween hatten einander fast lieb, als ob sie Brueder waeren; die hatten auch dem Volke geholfen, daß sie dem Soldan den Zins sollten geben, damit sie nicht vertrieben wuerden, also lange, bis Gott zu Huelfe kaeme, das Land unter seinen rechten Herren braecht' und es von den Unglaeubigen gereiniget wuerde. Und dieselbigen gingen also frueh vor Tag zu der benannten Kapellen, zu beten und Gott zu dienen; und die Heiden wußten die Kapelle nicht, denn sie hatten ihrer nie wahrgenommen noch erfahren. Nun, als Pontus zu der Zeit, als der Tag herbrach, darein kam und die zween ersah, da ward er fast froh und gedachte wohl in seinem Sinn, wie daß es Christen waeren, dieweil sie da knieten, betende. Und als die zween Ritter vernahmen und hoerten, daß jemand hinein zu ihnen ging, da erschraken sie; denn sie vermeinten, es waeren die Heiden und woellten sie fahen; und waren in großer Angst und Sorgen; denn sie kannten Pontus gar nicht. Da Pontus nun sah, daß sie furchtsam und erschrocken waren, sprach er zu ihnen: »Wer seid ihr? Nennet euch ohne Sorg' und Furcht.« Und sie antworteten ihm wiederum: »Wer seid ihr? daß ihr daher zu uns kommen seid?« Pontus sprach: »Ich will euch, so Gott will, nichts verschweigen: ich bin ein Christ.« Da sprach der Graf von Estor, der sein Oheim war: »Seid mir Gott willkommen; denn euere Gesellschaft gefaellt mir wohl: und wir beide sind auch gute Christen in unsern Herzen und Gemuethern, und bitten euch, daß ihr uns saget, wer ihr seid.« Da antwortet' ihnen Pontus und sprach: »Fuerwahr, ich heiße Pontus und bin des Koenigs Sohn von Gallicia, den der Soldan erwuergt hat; und mir steht das Land zu.« Und als nun sein Oheim, der Graf, hoerete, daß er Pontus war, da lief er mit offenen Armen zu ihm, halset' und kuesset' ihn und sprach: »Ach Gott, nun hab' ich alles, was ich begehren moechte. Ach, lieber Vetter, Gott sei gelobet, daß ihr mir zu sehen seid worden vor meinem Ende.« Da Pontus vernahm, daß er so nahe sein Oheim war, da hatt' er groß Erbarmung mit ihm und sprach: »Herr und mein Oheim, ihr machet große Freude meinem Herzen, ist das wahr, das ihr mir sagt.« Und in dem Gespraech, da ward es Tag und hell; da thaeten sie einander erkennen. Da er ihn nun erkennete, da kuesset er ihn mit weinenden Augen an beide Seiten und sprach: »Mein lieber Vetter, wie seid ihr so gar allein kommen? Es ist fast sorglich mit euch; denn wuerde man euer innen und gewahr, euer Leben stuende ganz in der Waage, so daß ihr sterben mueßtet.« – »Mein lieber Oheim, – sprach Pontus – ich habe, nicht fern von hinnen, vierzig tausend Mann, und sind die allerbeßten von Engelland, Schottland, Irland und von Britannia, und von viel anderer Fuersten Landen, die unsere Nachbaren sind.« Als sein Oheim das hoerte, da fiel er nieder auf seine Knie, hub auf seine Haende gen Himmel und dankete dem allmaechtigen Gott. Darnach fing er an und zeigete Pontus die Gewohnheit und alle Gelegenheit des Lands. Und darnach fuehrte sie Pontus, sein Volk zu schauen. Da sie das sahen, da hatten sie große Freud' und sagten an Pontus, wie er sich mit seinem Volk halten sollte.

Der Graf von Estor sah seinen Sohn, der gar ein schoener, vollkommener Ritter war, er halsete, kuesset' und empfing ihn gar schoen. Er sprach zu Pontus und den andern: »Ihr Herren, ihr sollt euch zurichten, und ich will verkuenden dem Koenig Produs und sagen: die Christen seien kommen und woellen ihm das Land wieder abgewinnen; wo man nicht in der Zeit dazu thue, so werd' es sorglich stehen. Und wenn er das vernehmen wird, so wird er ausreiten mit allem seinem Volk, ungeordnet; dadurch ihr sie ganz leichtlich ueberfallen, schlagen und Sieg an ihnen gewinnen moegt. Darum sollet ihr schicken ein kleines Schiff nach euern großen Schiffen, damit sie unverzueglich kommen. Und ihr sollt auch anzuenden etliche Haeuser; dadurch werden sie gedenken und abnehmen, daß euer Vermoegen nicht so groß sei, als es denn ist, und darum sie dann desto frecher und sich ohne Ordnung halten werden.«

Damit nahm er Urlaub und ritt gar frueh wiederum in die Stadt, nach seiner Gewohnheit, zu der Zeit, als der Koenig aufpflag zu stehen. Und als er zu ihm kam, da grueßet' er ihn, in dem Namen Machomets, und sprach darnach zu ihm: »Gnaediger Herr Koenig, die Christen sind kommen in euer Land, dasselbe zu gewinnen, und sind auch nicht mehr denn eine Meile von hinnen.« Da fraget' ihn der Koenig: ob ihrer wenig oder viel waeren? Da antwortet' ihm der Graf und sprach: »Ihrer sind wohl bei fuenfzig Schiffen; nach meinem Bedunken sind ihrer nicht mehr.« Darauf antwortete der Koenig Produs: »Sie moegen uns nicht großen Schaden thun. Aber ich will euch sagen einen Traum, der mir getraeumet ist. Es kam mir fuer, wie ich zu einem schwarzen Wolf waere worden und ein großer weißer Windhund lief mir nach, und haengete mir derselbige so lange nach mit Beißen und Zerren, bis er mich vom Leben zum Tod brachte.« – »Ei, – sprach der Graf – man soll nicht an die Traeume glauben.« – »Ihr redet recht, – sprach der Koenig – heißet die Drommeter bald aufblasen, daß sich jedermann in Harnisch lege: so wollen wir die Raeuber auf dem Meer fahen und die lassen schinden und schleifen.« Der Graf antwortet': es waere recht. Und er ging hin und schrie: Mordio! Da ruestete sich jedermann, thaeten ihren Harnisch an, saßen auf ihre Pferd' und warteten auf den Koenig. Der Koenig haet sich koestlich angethan in seinem Harnisch und ritt aus, ohn' Ordnung seines Volks; und waren wohl auf zwanzig tausend Reisiger, ohne Schuetzen und andere, die zu Fuß liefen.

Pontus hatte seinen Haufen und Volk geordnet und vier tausend Mann, wohlgewaffnet, in einem Thal, zwischen den Heiden und der Stadt, verborgen, und befahl ihnen, in die Feinde zu fallen, wenn sie sich am mindsten besorgten. An der andern Seiten war Patrises mit sieben hundert streitbarer Maenner und wartet' an einer heimlichen Statt, bis es ihn Zeit dunkete.

Der Koenig spornete sein Pferd und rennet' eines Rennens, bis daß er sah einen Rauch auf dem Meer, und sah nicht mehr, denn fuenfzig Schiffe, kehrete wiederum zu seinem Volk und sprach: »Wir wollen sie ueberfallen; denn sie sind alle unser: ihr Herr Jesus Christus mag ihnen nicht helfen und sie erledigen von unsern Haenden.« Und rennet eines Rennens, bis zu der Statt, da die vier tausend verborgen lagen: da sah er das große Volk, das da verborgen lag und verwunderte sich gar fast darob. Und da vermeinet' er auch, sein Volk zu ordnen und brachte sie eines Theils zur Ordnung, die waren fast freudig. Als er also mit seinem Volk da still hielt, da hoert' er zwischen den Seinen und der Stadt ein groß Geschrei und sah sein Volk gegen ihn her fliehen. Und als er das sah, da sprach er mit lauter Stimme: »Es ist keine Huelfe, zu fliehen; wir muessen sie behend ueberfallen und angreifen.«

 

Das drei und vierzigste Kapitel

Wie Pontus mit seinem Volk die Heiden vor der Stadt Cologne angriff und schlug.

Sie mahnten ihre Pferde mit harten Sporenschlaegen, rennten gegen die Christen, ihr Volk zu entsetzen, die Christen dergleichen auch gegen sie, und trafen gewaltig, zu beiden Theilen, daß ihrer viel da blieben. Es war zuvorderst im Anrennen und Treffen Gottfried von Lusignan, der sich mannlich hielt und große Wehr und Schaden thaet: den ersah der Koenig, sprengte mit seinem Roß auf ihn zu, gab ihm gar einen harten Stoß in eine Seiten, daß er beinahe kraftlos worden waere, zog darnach aus sein Schwert, rufete seinen Gott um Huelf an und sprach: »Hilf, Machmet, hilf!« Und was er anruehrt' und mit dem Schwert traf, das schlug er alles zu Boden und hernieder, daß sich gleich die andern darob entsatzten. Da aber das Pontus ersah, der große Begierde haet zu dem Fechten, und besonders mit denen, die sein Koenigreich inne hatten, schlug er auf beiden Seiten um sich, und was er fuer Heiden traf, schlug er zu Tod. Die Heiden hielten sich bei ihrem Herren und Koenig der unsers Volks viel toedtete. Und Andre von Lator sah Gottfried von Lusignan auf der Erde liegen und wie er sich selber nicht mochte helfen; denn er war hart wund und in Sorgen seines Lebens: er schlug nieder einen Tuerken, nahm ihm sein Pferd, ritt wider allen ihren Willen zu Gottfried von Lusignan und sprach zu ihm: »Lieber Gesell, sitz' auf; denn hier ist gar sorglich zu Fuß stehen.« Gottfried saß auf und dankt' ihm fleißig. Und als sie beide aufgesessen waren, ritten sie fast auf die Heiden.

Da war ein großes Rufen und Geschrei: der Koenig ließ blasen seine Drommeter, daß sich sein Volk zu einander versammelte und in eine Ordnung schickte; das gab unserm Volk große Hoffnung. Pontus sah sein Volk an und ersah den Koenig, der ihm seinen Vater und sein Volk erschlagen haet, wie sein Volk so stark und keck durch ihn war und wie er Wunder thaet mit seinem Leib: er war auch gar koestlich in seinem Harnisch und trug auf seinem Haupt eine Krone. Er eilete gegen Pontus zu: Pontus aber war gar froh, daß er ihm begegnet', eilet' auch zu ihm und gab ihm viel großer und harter Schlaege, wo er ihn hin treffen konnt' oder mochte, so lange, bis er ihn daemisch machte, schlug ihm auf die Bande, damit er seinen Helm gebunden haet, und wundet' ihn, daß er sich dermaßen verblutete, daß er keine Kraft mehr haet und vermochte sich nicht mehr zu wehren. Da ließ Pontus nicht ab mit Schlagen auf ihn, bis er zur Erden sank: da ergriff er ihn beim Helm und saeget' ihm seinen Hals ab, also, daß er ihm sein Leben nahm. Da nun sein Volk das ersah, schlugen sie ihre Haende zusammen vor Schrecken und wurden darnach ganz verzagt. Und da kamen auf der andern Seiten vier tausend an sie und erschlugen sie alle mit einander, daß ihrer keiner davon kam. Sie wurden also jaemmerlich erschlagen und es war da keiner, der Barmherzigkeit bewies.

Patrises, der verborgen war gewesen, kam herfuer und war der erste, der das Thor einnahm, und verschuf auch mit den andern, daß sie sollten nach ihm kommen. Und als er zu dem Thor kam, da ward er bald erkannt und gefragt: wie es ihm ginge? Darauf er antwortet': es ging' ihm uebel. Er ging hinein und blieb bei dem Thor, und fuenfzig Gesellen mit ihm, die da mit ihm geritten waren. Also gewann er das Thor, behielt das inne, bis die andern kamen, und ließ das verhueten, daß niemand aus noch ein mochte kommen, bis daß Pontus kam. Die andern gingen in die Haeuser. Da die Heiden sahen, daß die Christen in der Stadt waren, machten sie das Kreuz mit ihren Armen und begehrten, daß man ihnen das Leben fristen sollte; denn also hat es Patrises verschaffet und geordnet. Also ward die Stadt Cologne auch gewonnen; denn alles Volk, das da streitbar war, war alles aus der Stadt mit ihrem Herren und Koenig, und wurden alle erschlagen. Also hatten die Christen Platz und Raum in der Stadt.

 

Das vier und vierzigste Kapitel

Wie Pontus sein Opfer thaet von wegen des Siegs.

Da nun die Heiden, mit Gottes Huelfe, geschlagen waren und Pontus den Sieg erobert hatte, da ritt er stracks zu der Hauptkirchen und opfert' ein Pferd und seinen Harnisch auf den großen Altar, zog ab seinen Panzer und stund da bloß. Aber man bracht' ihm bald einen Mantel mit Zobeln unterzogen, den leget' er an und blieb in der Kirchen, bis er drei Messen gehoert, mit großer Andacht, und dankte dem allmaechtigen Gott der großen Gnade, so er ihm erzeigt haette.

Und die Dinge wurden also betrachtet und geordnet, daß die Heiden in einem Monat alle vertrieben und erschlagen wurden und das Land also gereiniget von dem boesen Volk; und welche Heiden sich selbst helfen mochten und konnten, das thaet ihnen fast noth; denn welche fluechtig aus dem Land wurden, derer toedteten etliche die Spaniolen, etliche die von Castilien, und von andern Landen wurden auch viel ergriffen und umbracht, wo man sie ankam. Also nahm es ein Ende mit ihnen, und ward das Land also durch Gottes Verhaengniß und Ordnung von den Unglaeubigen erlediget und dem rechten, natuerlichen Erben wieder zu Haenden gestellet.

Als Pontus nun das Land inne hatt' und besaß, hatt' er verordnet in allen Staedten, daß man der Verwundeten und Kranken, so im Streit verwundet waren worden, fast wohl pflegen und warten sollte, mit Arzneiung der Wunden und andrem, was die Nothdurft erforderte. Er ging auch selbst oft zu den Kranken, so bei ihm in der Stadt Cologne lagen, und ließ ihnen alles das reichen und kaufen, das ihnen von noethen war. Er klagete die Herren, die im Streit umkommen waren, gar fast, und die andern begaebet' er gar reichlich, herrlich und wohl. Nach etlichen Tagen fand er einen großen Thurm, darin des Koenigs Produs Schatz aller war; der war so koestlich und groß, daß es ein Wunder zu sehen war.

Und als er haet das Land durchritten und beschauet, da sah er, daß viel Volks und groß Gut in dem Land war, von Wein und von Getreid', an allen Enden. Und alles Volk lief, zu sehen ihren rechten Herrn, der ihr rechter Koenig war, und sahen auch den fast gern, von wegen seiner Huebsche, Ruhm und Mannheit, auch Frommkeit und Tugend halben; denn es war keiner so arm, er redete mit ihm und erzeigete sich ganz demuethiglich gegen die Armen, haet auch Gott fast lieb, dazu alle Gerechtigkeit.

 

Das fuenf und vierzigste Kapitel

Wie Pontus seine Mutter fand, die vierzehen Jahr bei einem Einsiedel gelebt haet.

Es begab sich auch da auf demselbigen Tag ein großes Wunder. Es war naemlich eine Gewohnheit zu denselbigen Zeiten, daß fuer des Koenigs Tisch zwoelf arme Menschen sitzen sollten und essen, in den Ehren unsers Herren Jesu Christi und seiner heiligen zwoelf Boten. Der Graf, der Pontus Oheim war, ging um und beschauete der armen Leute Tisch, und ersah eine Frau, die den Koenig gar ernstlich ansah; und als sie ihn ansah, da liefen ihr die Zaehren ueber ihre Backen herab: da merkete der Graf auf und sah die Frau gar eben an und also lange, bis er sie erkannte durch ein Mal, das sie an ihr haet, und erkannte, daß es die Koenigin war, seine Schwester, und des Koenigs Pontus Mutter. Und als er die in so großer Armut sah, und wie ihre Kleider zerrissen und geflickt waren, da mocht er sich des Weinens nicht enthalten; sein Herz das ward ihm groß von Erbarmung, da er sie so elend sah in solchem Bettlerstand. Und als er vor Weinen reden mochte, dankt' er Gott darum, ging zu seinem Vetter, dem Koenig Pontus, und sprach zu ihm weinend: »Gnaediger Herr, ich will euch groß Wunder sagen.« – »Von wem?« Sprach der Koenig. »Herr, – sprach der Graf – von der frommsten und andaechtigsten Frauen, die ich weiß, meiner gnaedigen Frauen, der Koenigin, euerer Mutter, welche hierin ist in diesem Saal.« Pontus sprach: »Wo ist sie?« Da mocht' ihm der Graf kaum antworten vor großer Erbarmung und Liebe, die er zu ihr hatte; er erhohlete sein Gemueth und sprach zu ihm in geheim: »Dort sitzet sie unter den Armen, die oeberste, ohn' eine.« Damit zog er seine Kappen herab fuer die Augen und weinet', und erbarmet' ihn fast in seinem Herzen, daß er ganz betruebt ward, und sprach zu seinem Oheim: »Thut nicht deßgleichen, als ob ihr sie kennet, damit es niemand innen werde, bis ich aufstehe von dem Tisch: so will ich in meine Kammer gehen.«

Und als sie nun hatten gegessen, da ging der Koenig in seine Kammer: da brachte sein Oheim, der Graf von Estor, seine Mutter zu ihm. Und als sie Pontus ersah, da fiel er fuer sie nieder auf seine Knie, hub die Kron' ab seinem Haupt und setzet' ihr die auf. Sie fing an, weinete, kuesset' und halset' ihn gar freundlich, und ihr Bruder, der Graf, weinete mit ihr gar fast. Als sie nun Weinens halb mochten reden, da sprach Pontus zu ihr: »Gnaedige Frau, sagt mir, wie ihr davon kommen seid und wie euch Gott hat geholfen. Da antwortete die Koenigin: »Lieber Sohn, ich will euch das sagen. Da das Geschrei aufkam und am groeßten war, am selbigen Morgen frueh, da die Stadt gewonnen und mein Herr, euer Vater, erschlagen ward, da lag ich noch im Bett; und mein Herr sprang auf, legt' an seinen Panzer, setzet' einen Eisenhut auf, nahm sein Schwert in seine Hand und lief heraus; er wartete auf niemand, als ein kecker Ritter, dafuer man ihn denn hielt. Und als er von mir schied und ich hoerte das große Geschrei, da thaet ich mich fuerchten, nahm meiner Jungfrauen Roeck' einen, ging von dannen mit meiner Waescherin und ging durch das Volk aus in einen Wald nahe dabei, darin ein Einsiedler wohnete, der ein kleines Haeuslein und dabei eine Kapelle hatte. Da blieb ich und meine Dienerin, die fast alt war, bis auf diese Zeit. Sie ging alle Tag' aus nach dem Almosen zu des Koenigs Hof; und von demselben Almosen lebte der Einsiedel und auch wir zwo. Nun merkt, wie mich Gott allezeit hat aufenthalten in gutem Leben und Gesundheit.« Da sprach der Sohn: »Gnaedige Frau, ihr habt wohl ein gut Leben gefuehrt.« Das auch wahr war, denn sie trug ein haeren Hemd und war umguertet mit einem Seil; sie betet' und fastet' auch viel und war gar eine andaechtige Frau. Der Koenig hatte Freud' und große Erbarmung mit seiner Mutter; er schickte nach einem Schneider und ließ ihr schneiden Rock und Mantel.

Pontus traeumete dieselbige Nacht, wie Sidonia, seine allerliebste Frau, ein Baer schaedigen woellt'; und sie schrie gar laut und rufete Pontus gar oft an um Huelf und sprach: »Mein allerliebster Herr, laßt mich nicht also sterben und umbringen!« Das kam ihm zwo oder drei Naechte fuer, davon er groß Wunder haet in seinem Herzen und erschrak deß gar fast.

Da nun der Tag herbrach, da weckt' er auf seinen Kaemmerer und sendete nach seinem Oheim, dem Grafen, und nach Patrises. Als sie kamen, sagt' er ihnen den Traum und wie es ihm drei Naechte nach einander also getraeumet haett', und sprach fuerbaß zu ihnen: »Mir saget mein Herz, wie mein Gemahl etwas Kuemmerniß oder Krankheit habe. Nun will ich mich nichts irren noch hindern lassen und will zu ihr auf's baldeste, so ich mag.« Da sie verstunden seinen Willen, durften sie nicht dawider reden. Da sprach abermals der Koenig zu ihnen: »Ihr Herren, das Land ist erlediget von den Gnaden Gottes, und ich habe den Glauben, daß durch euch beide dem Land sei geholfen worden. Darum, lieber Oheim, so lass' ich euch zu einem Anwald, und Patrises muß Hauptmann sein im Land; denn es ist billig, daß ihr und er ergetzet werdet, sintemal ihr dem Land so viel Gutes habt gethan.«

Darnach nahm er Urlaub von den Herren und den Frauen des Landes und ging in sein Schiff, und Pontus redete mit allen Freien und saget' ihnen, was ihm fuerkommen waere im Schlaf, dadurch er nicht Ruhe moechte haben, bis er saehe die Koenigin, sein Gemahl. Damit fuhren sie auf das hohe Meer mit großer Eil', als fast sie mochten, bis daß Pontus sah das Land Britannia, dahin sein Gemueth stund.

Nun lassen wir hie fahren den Koenig Pontus auf dem Meer und kommen wieder zu reden von dem Koenig von Britannia und von seiner Tochter Sidonia, wie es ihnen im Abwesen des Pontus erging.

 

Das sechs und vierzigste Kapitel

Wie Gendolet durch Klugheit falsche Briefe zurichtet' an den Koenig und Sidonia.

Wie Gendolet nun, nach dem Abschied des Pontus von Britannia, bei dem Koenig blieb, und ihm alle Gewalt von Pontus uebergeben war, den Koenig und seine Tochter, auch das ganze Koenigreich zu regieren, davon er große Freud' und Ehre haet: da mocht' er sich nicht enthalten der Falschheit und Verraetherei, so er in seinem Herzen trug, und gedachte, wie er durch Betrug moechte zuwegen bringen, Sidonia zu einem Weib zu haben, nahm sich fuer mancherlei Weg und bedachte sich weit, wie er das anfangen sollte, damit sie ihm wuerd' und er ihr Herr und Koenig sein moechte. Er gab sich deßhalb in große Frechheit und besaß ihn der Teufel, daß er es je wagen wollte. Er ließ darauf die Stadt versehen mit Speis' und Lieferung, bestellte Soeldner und gab jedermann Sold, damit er desto baß muthwillen koennte. Und als er haet die Staedt' und Schloesser versehen, da ließ er sich machen ein Insiegel mit Pontus Wappen und ließ Briefe schreiben; darnach versiegelt' er die mit demselben Insiegel. Der Inhalt der Briefe lautete solchermaß: Pontus dem Koenig von Britannia entbot, wie sein Volk alles erschlagen sei, und empfahl sich fast dem Koenig und bat ihn, durch seinen Nutzen, und Behuetung und Beschirmung des Lands, daß er seine Tochter an Gendolet woellte geben; denn er moechte sie nicht baß versorgen; und wenn dieselbe Heirat geschaehe, so wollt' er ihm allen seinen Schatz, so er von Engelland bracht haet, geben. Die Briefe hatt' er gar gut gemacht. Einen solchen Brief und Meinung haet er an Sidonia auch geschrieben, und bat sie gar inniglich, durch alle Freundschaft und Liebe, so zwischen ihnen beiden war, daß sie naehme zu der Ehe Gendolet, seinen Freund.

Als nun der Koenig und seine Tochter solche Brief' empfingen und lasen, ist nicht zu sagen, was großes Unmuths und Klage sie hatten. Sidonia klagte viel und gar sehr den, deß sie nicht vergessen mochte, raufte vor großem Leid und Schmerzen ihr Haar aus und hatte so große Bekuemmerniß, daß es einen Stein zu trauren bewegt moechte haben.

Der Koenig war alt und Gendolet thaet also viel mit seinen gescheiten Worten, daß der Koenig seinen Willen dazu gab. Er ging zu seiner Tochter, troestete sie auf's beßte, so er mochte, und sprach zu ihr: »Liebe Tochter, der Unmuth thut euch weh; es ist nun keine Huelfe noch Hoffnung mehr seines Koenigreichs: und dieweil euch Pontus bittet in seinem Schreiben, daß ihr Gendolet nehmt durch seinetwillen und von wegen des großen Schatzes, den er ihm hat gegeben, so geb' ich meinen Willen auch dazu. Und Gendolet spricht, er wolle euch gehorsam sein und euch das Koenigreich behueten; denn solltet ihr euch vermaehlen zu Koenigen oder Fuersten, die fremd waeren, ich mueßte euch schicken in ihre Land' und das Koenigreich mueßte ohn' Erben sein.« Da Sidonia ihres Vaters Meinung hoerte, da verwunderte sie sich fast darob und sprach zu ihm: »Gott verhuet' es, daß er mein Mann nimmer mehr werd'! Ehe wollt' ich eine Begine werden.« Und bekuemmerte sich nachmals gar fast und war in großem Unmuth. Darnach ging Gendolet zu ihr und sprach: »Ihr wollt nicht gehorsam sein euers vorigen Mannes Briefen und Geschaeft, der so große Liebe und Treue zu euch hat gehabt, noch auch meinem Herren, euerm Vater: auf meine Treue, die ich euch schuldig bin, bedenkt ihr euch nicht anders, ich besorg', ihr moechtet dadurch in Unglueck kommen.« Und da er mit huebschen Worten nichts an ihr haben mochte, da draeuet' er ihr und sprach: »Sintemal ich gewaehrt bin von meinem Herren und euerm Vater, so mueßt ihr das thun, ihr wollt oder nicht.«

Sidonia war gar unmuthig und gedacht' in ihrem Herzen: es waere nicht die erste Falschheit, die er gethan haett', und meinete, die Briefe waeren falsch. Und sie hieß zu ihr kommen drei Edelmaenner und zween Kaemmerer, die sie hat, und Eloisa und zwo andere edele Jungfrauen, und sagt' ihnen: wie Gendolet gar zornig waer' und all sein Vermoegen thaete, sie zu haben, mit Lieb' und Leid; »und er ist gar gescheit und vermeint vielleicht, Gewalt mit mir zu treiben: so hab' ich fuergenommen, daß wir uns wollen in den Thurm machen und diesen speisen, uns darin zu erhalten, bis wir Huelfe gewinnen von etlichen unseren Freunden, oder bis ich hoer' eine gewisse Botschaft von meinem Herren Pontus.« Der Rath gefiel ihnen allen wohl; sie schufen, daß der Thurm mit Brot, Wein und allerlei Speise gespeiset ward, gingen in den Thurm, versperrten den mit eisenen Riegeln und trugen auch große Steine darein, damit sie sich wehren wollten; denn Gendolet haet sich fuergenommen, wo sie es nicht gern und willig wollte thun, so wollt' er sie dazu mit Gewalt zwingen.

Er vermeinte sie eines Tags in ihrer Kammer zu finden, und da er sie darin nicht fand, sucht' er sie in einer andern Kammer: da sagt' ihm eine Jungfrau, wie sie waere in den Thurn gangen und haette sich mit Speis' und aller Nothdurft gar wohl versehen. Da er nun das vernahm, da waer' er schier von Sinnen kommen vor großem Zorn, ging fuer den Thurn, rufet' ihr gar demuethiglich, begehrte ganz inniglichen, daß sie ihm den Thurn aufthaete, und schwur bei seiner Treu', er wollt' ihr kein Leid thun. Aber Sidonia, die seine Falschheit wohl wußte, sprach zu ihm: sie wollte ihn nicht hinein lassen. Und als er nun sah, daß er mit gut nichts an ihr haben mochte, da fing er an und draeuet' ihr und sprach: er woellte sie noethen, daß sie seinen Willen unehrlich thun mueßte, dieweil sie sein Gemahl nicht woellte sein.

Da ging er hin und fing den Koenig, der Ursache halb, daß er nichts wider ihn moechte fuernehmen, und legt' ihn in ein Gefaengniß. Er ging zu den Buergern und sagt' ihnen: wie ihm Sidonia gegeben waere und versprochen zu einem Gemahl von ihrem vorigen Mann, deß er gute Briefe haette, dazu auch der Koenig, ihr Vater, seinen Willen gegeben haette; und sprach dazu: er haette verstanden, daß sie sich selbst wollte verheiraten, naemlich zu einem da nichts von zu halten waere, der viel Schatzung auf sie legen wuerde und das Koenigreich verderben; »aber ich will euch – sprach er – bei euern Freiheiten behalten und bei euerer Gewalt und will euch behueten gleich als das Gold den Stein behuetet. Darum hab' ich meinen Herren in eine Kammer gethan; denn er ist zu einem Kind worden durch sein Alter und hat keine Vernunft mehr, und besorge, daß er seinen Willen zu seiner Tochter Willen werde schlagen. Sollte das einen Fuergang gewinnen, so wuerde das Land verloren; aber ich hoff', ich woelle mit der Huelfe Gottes wohl davor sein, durch gemeines Nutzes willen des Landes zu Britannia.« Und redet' in solcher maß mit ihnen, daß sie vermeinten, es waere alles wahr. Und es durfte sich niemand dessen annehmen oder dawider legen, denn er haet viel fremder Soeldner.

 

Das sieben und vierzigste Kapitel

Wie Gendolet die Buerger beredet, den Thurn zu stuermen, darin Sidonia war.

Als nun Gendolet mit der Gemein' und den Buergern haet geredet, da ging er wieder zu dem Thurn und stuermte den. Darin waren nicht mehr, denn vier oder fuenf Personen, die große Steine herab warfen und wehrten sich also aus dem Thurn. Der meiste Theil seines Volks gingen von ihm und wollten nicht, daß sie gefangen wuerden. Der Sturm waehrete lang und er vermeinete je, er wollt' es also zuwegen bringen. Als er sah, daß er nichts daran haben mocht' und sie nicht heraus bringen, da ward er traurig und sprach: er wollte sie versperren und in dem Thurn erhuengern.

So ließ nun Gendolet den Thurn verhueten, damit man ihr nichts von Speise zubraecht', und erdacht' abermals eine große Gescheitheit. Er ging zu dem Koenig und bat ihn, daß er sollte gehen zu seiner Tochter und mit ihr von seinen Sachen reden; denn er meinete, der Vater wuerde sie abwenden von ihrer Haertigkeit, und gedacht', er woellte sie nicht weiter versperren, sondern mit sanften Worten gegen sie handeln und umgehen. Der Koenig war gar ein frommer Mann und gedacht' auf seine Bosheit nicht. Er ging zu seiner Tochter, redete mit ihr, wie sie waere in Sorgen ihres Lebens und sterben mueßte von Hunger, und sagt' ihr viel, damit er vermeinte, sie von ihrem Fuernehmen zu bringen. Darauf antwortete sie ihrem Vater und sprach: »Lieber Vater, ich glaube gaenzlich, daß die Briefe seien falsch und erdacht; denn ich gedenke, wie er mir vor gelogen hat und gesagt, wie Pontus todt waere: darum will ich sterben, oder die Wahrheit erfahren.« – »Sicher, – sprach der Koenig – die Sach' ist sehr schwer, und ich werde fast betruebt von wegen seiner Listigkeit, so er bei sich hat.«

Darnach kam Gendolet und schrie zu dem Koenig hinauf in den Thurn und fragt' ihn: was er an seiner Tochter funden haette? »Und will sie es thun, – sprach er – so kommet herab.« Da sprach der Koenig: »Sie ist noch unmuthig um ihren Herren; darum hat sie mir noch keine Antwort gegeben.« Gendolet sprach: »So mueßt ihr auch bei ihr bleiben und Gesellschaft mit ihr halten, mit Essen und Trinken. Und ihr mueßt beide Hungers sterben, oder sie muß mir werden.« So brachte Gendolet den Koenig zu seiner Tochter, damit sie desto groeßere Erbarmung haett' ueber ihren Vater, so er Hunger litte, und sich desto eher ergaebe.

Also belagert' er sie beide. Und sie hatten Essens genug, bis auf den sechsten Monat. Darnach thaet sich ihre Speise mindern, daß ihnen abging an Fleisch und an Brot, und sie aßen drei Tage nichts, denn ein wenig Kaes, und zu jedem mal ein Maaß Weins: davon ward der Koenig krank. Sidonia haet eilf Aepfel, davon gab sie allen Tag zween ihrem Vater. Sie weinete vor großem Jammer, darin sie ihren Vater sah und thaet ihr seine Kuemmerniß viel weher, denn die ihre. Sie ging oft zu einem Fenster und sah in das Meer, ob sie jemand sehen moechte. Sie klagete Pontus gar fast, war in großem Unmuth und wuenschet' ihr den Tod gar oft und sprach zum Koenig: »Gnaediger Herr, es waere euch viel nuetzer, daß ich laengst gestorben waere, denn daß ich euch solche Kuemmerniß mache, daß ihr Hunger leidet von meinetwegen.« Der Koenig weinet' und sprach: »Liebe Tochter, ich wollte ehe sterben, eh' ich wollte, daß ihr den Verraether solltet haben in solcher maß.« Sidonia rufete Gendolet und sprach zu ihm: »Siehe, du Verraether und untreuer Mann, wie magst du in solcher Noth sehen und lassen sterben einen solchen frommen Herren, als der Koenig, mein Vater, ist? Ist das die Zucht, die er an dich gelegt hat, daß du ihn umlegst und laeßt ihn sterben vor Hunger und Durst, der dir manchmal hat gegeben gute lustige Speise zu essen? Ist das der Lohn, den du ihm herwiederum giebest?« Und sie straft' ihn gar haertiglich: aber es half alles nicht; denn er schwur viel großer Eid': er wollte sie beide von Hunger sterben lassen, wo sie sich nicht wollte verwilligen, ihn zu nehmen.

Der Koenig lag von großer Ohnmacht zu Bett' und wollte sterben vor Hunger. Da Sidonia das sah, da sprach sie: sie wollte lieber siechen bis in den Tod, denn daß ihr Vater sollte sterben um ihrentwillen; und sprach zu ihm: »Weinet nicht, mein allerliebster Vater, ich mag nicht leiden euere Krankheit und Hunger; ich wollte lieber sterben und in Unmuth sein all' meine Tage, die ich hie habe zu leben, denn daß ich euch in solcher maß sollte sehen.« Der Koenig weinte fast und wußte nicht, was er reden sollte, da er sah seine Tochter so bekuemmert, und zum andern, daß er sich selbst sollte sehen Hungers sterben. »Nein, – sprach Sidonia – Vater, ich kann und mag solches an euch nicht sehen noch leiden; ich woellt' aber gern, daß mich der Tod naehme!« – »Ach, – sprach der Koenig – daß Pontus waere im Leben und hie an dieser Statt! er wuerd' uns wohl raechen an dem Verraether, der euch will haben wider euern Willen.« Auch die Edelleut' und Jungfrauen, so sie bei ihr hatte, waeren schier kommen von ihrer Vernunft, Hungers halb, und fielen nieder fuer Ohnmacht. Und es war kein Wunder; denn sie hatten in etlichen Tagen gar nichts gegessen, und sprachen zu ihr: »Gnaedige Frau, durch Gottes willen, lasset euch gefallen diesen Mann und werdet nicht schuldig an euerm eigenen Tod und auch an dem Tod unsers gnaedigen Herren, euers Vaters, und an uns.« Und da Sidonia sah, daß sie das thun mußte, mehr ihrem Vater zu helfen, denn ihr selber; denn durch Furcht ihres Tods haette sie es nicht gethan; da hieß sie Gendolet zu ihr kommen. Und er kam: da ging sie wieder hinweg; denn sie mocht' und konnte ihm nicht zureden; und ging zu ihrem Vater und sprach: »O gnaediger Herr, ihr sollt mit ihm reden und versuchen, ob ihr moechtet eine Einigkeit mit ihm machen. Und sprechet, daß ihr mit mir wollt schaffen, daß ich meinen Willen dazu werde geben, in solcher Gestalt, daß wir acht Tag' oder mehr Fristung moechten haben; daß wir wieder ergetzt wuerden und uns von Hunger und Unmuth, so wir durch ihn gelitten haben, wieder erhohlen moechten.«

Der Koenig stund auf, fing an und sprach zu Gendolet: daß er mit Gewalt ihre Lieb' und Freundschaft nicht moechte gewinnen; und sprach: daß er davon sollte lassen, so woellt' er ihm geben Staedt' und Schloesser, oder was er sonst haben woellte. Aber es half alles nicht; er war verstockt in seiner Bosheit, mehr, denn vor, und sprach: er wollte nun fuerbaß nicht nachlassen, was ihm gleich derhalb begegnen moechte. Darnach begehrete der Koenig einen Monat Frist, und wenn der Monat verginge, so wollt' er sie ihm geben, Gendolet wollte aber das nicht thun. Am letzten begab es sich kaum, daß er ihm vier Tage gewaehret' und Fristung gab: und wenn die vier Tage herum waeren, so wollt' er sie haben; da sollte sie sich nach richten; und sprach: sie sollte nicht aus dem Thurn gehen, bis daß sie sich ihm vermaehlet. Davon gewann Gendolet große Freud' und ließ ihr alle Tage bringen die beßte Speise, die er haben mochte, und hielt den Koenig auch gar schoen, bis an den fuenften Tag.

Der Hof fing an und ward groß, und Gendolet freuete sich fast, zu haben eine solche schoene Frau, die er so lieb haet. Der Koenig ging selber nach ihr und brachte sie herfuer, zu thun, das sie sich verwieget haet. Und da sie kam, da haet sie so fast geweinet und war so voll aller Bekuemmerniß und Schmerzen, daß sie gern waere todt gewesen. Sie klagete Pontus fast in ihrem Herzen und sprach: »O weh, wohl einen unglueckseligen Wechsel hab' ich muessen thun und ich bin die Unglueckhaftigste!« Und da fuehrte man sie zur Kirchen.

Da nun alle Dinge geordnet und zugerichtet waren und Sidonia in die Kirche kam, sich zu vermaehlen, da war ein Erzpriester und gab Gendolet und Sidonia zusammen. Da empfing sie großen Unmuth, Schmerzen und Herzenleid und weinete fuer und fuer, daß die Zaehren bis auf die Erde herab fielen.

Darnach gingen sie zum Essen. Da waren mancherlei Spielleut', als: Drommeter und Pfeifer und mancherlei Saitenspiel. Der Braeutigam war gar froehlich: aber es war zu seinem großen Unglueck; denn, wie es Gottes Will' ist, daß jedermann nach seinem Verdienst soll belohnet werden und keine Bosheit ungestraft bleiben, also sollt' es dieser auch nicht hinbringen ungestraft.

Nun lassen wir von ihm und kommen wieder an Pontus, den wir verließen im Schiff auf der Meerfahrt, und sagen wie er zu Land kam.

 

Das acht und vierzigste Kapitel

Wie Pontus von Gallicia abschied und in Britannia schiffete.

Da nun Pontus von Gallicia hatte Urlaub genommen von seiner Mutter, von seinem Oheim und auch von dem Heer und ganzem Land, und hatte verordnet alle Dinge mit der Landschaft auf das Beßte, da schied er von dannen. Und als er auf das Meer kam und die Segel ausspannete, fuhr er mit gutem Wind festiglich, bis daß sie zu der Insel Rheda kamen. Da nahmen die Fuersten und Herren Urlaub von Pontus, die ihm das Geleit gegeben hatten, und er urlaubet' ihnen und danket' ihnen fast ihrer Dienst' und schenkte ihnen große Gaben. Darnach ging er wieder in sein Schiff mit den andern Herren und Freien von Engelland und Britannia und fuhren sie ernstlich, bis daß sie in Britannia kamen. Pontus nahm ein klein Schiff und ging mit etlichen darein.

Sidonia traeumete dieselbige Nacht, wie ihr Herr waere kommen. Darum schickete sie ihrer Diener einen zu dem Meer, zu schauen, ob er jemand kommen saehe. Er ging gar einen kleinen Weg, sah um sich und sah ein kleines Faehnlein von ferne auf dem Meer stiegen. Auf Stund' fiel ihm in Sinn, wie es die Gesellschaft waere, die aus Britannia in Gallicia waere gefahren: da nahm er seinen Huth in seine Hand und winket' ihnen damit. Pontus ersah das zum ersten und sprach: »Dort sehe ich einen reitend, der uns winket, und mich bedunkt, er begehr' unser oder spott' unser: darum laßt uns bald fahren. Und da sie nahe zu ihm kamen, und er Pontus im Schiff ersah, da rufet' er: »O gnaediger Herr, eilet flugs und bald; denn es ist große Zeit?« – »Was ist es?« Sprach Pontus. Da sagt' er ihm in der Kuerze, wie Gendolet ihm nun haette gedient, in etlichen Stuecken besonders. Pontus gesegnete sich und nahm ihn groß Wunder, wie er solche Verraetherei moechte erdenken. »Gnaediger Herr, – sprach der Edelmann – sie werden itzund das Nachtmahl haben; darum muessen wir auch gedenken, hinein zu kommen.« – »Ich will dir sagen, – sprach Pontus – wie wir ihm thun wollen. Wir wollen uns verkleiden hie in diesem Wald und wollen mit Pfeifen und tanzend hinein gehen, und muessen auch etwas mit uns bringen, damit wir moegen sagen, wir seien Spielleut und kommen Kurzweile zu treiben und zu hofieren auf der Hochzeit; und darnach wollen wir einen Tanz oder zween machen.« Der Edelmann sprach: »Es wird gut.«

Pontus der legte sich an in Bauren Gewand und ging tanzend hinein gen Hof; das war um den Abend, als die Sonn' unterging; und man ließ sie hinein, in ihrem verkehrten Gewand: sie hatten große Kappen angelegt, die gefuellt waren mit Heu und ihrer jeder haet eine sondere Gebaerde. Man sah ihren Possen zu und laechele jedermann ihrer. Es sprach Gendolet: »Bei meinem Eid, uns gefaellt wohl, die große Freude, die das gemeine Volk hat von unserer Hochzeit; das ist huebsche Kurzweile, die diese uns machen.« Aber er wußte nicht, was diese in ihrem Sinn hatten, dadurch ihm seine Freude bald verkehrt ward. Er entbot Sidonia durch den, der ihr Fuerschneider war: daß sie sollte froehlich sein und sich wohlgehalten, dieweil sie saehe, daß jedermann, auch das gemeine Volk, so große Freude haetten von der Hochzeit; und er wollte ihr also getreulich dienen, als je kein Mann seiner Frau gethan haette. Da sie nun seine Botschaft hoerte, da wollt' ihr ihr Herz zerbrechen vor großem Unmuth und Schmerzen; sie weinete heiße Thraenen und gedachte bei ihr selbst: O ich Unglueckhaftige ueber alle Frauen! ach, warum hab' ich also lange gelebt? daß ich bin kommen zu solchem Unglueck vor allen andern, daß ich wechseln muß den Allerhuebschesten, Getreuesten, Froemmsten und Weisesten, und den Spiegel dieses Lands; denn er ist voll aller Mildigkeit, Treu' und aller guten Tugend und von Adel, als eines Koenigs Sohn, der er ist. Nun hab' ich an seiner Statt einen Verraether und untreuen Mann, der keiner Ehren werth ist! Damit schwanden ihr die Sinne und sie fiel nieder auf den Tisch vor rechter Ohnmacht. Pontus sah sie an und ging ihm ihr Unmuth zu Herzen: er gedachte, wie er sie bald raechen wollte und ihr wieder Freude machen in kurzem. Und da Pontus mit den Seinen ein mal oder zwei durch den Saal war gegangen und jedermann wahrgenommen hat, da ersah er den Verraether Gendolet, der in großen Freuden war: da ging Pontus gegen ihn, thaet ab seine Kappen, daß ihn jedermann mußte erkennen, und sprach zu Gendolet: »O du Verraether und verzweifelter Schalk, wie hast du moegen erdenken so viel Verraetherei und Uebels? gegen mich und den Koenig, der dich erzogen hat und dir so viel Gutes gethan: du hast aber ihm Boeses herwiederum gethan; darum mußt du deinen Lohn empfahen.« Da Gendolet sah, daß es Pontus war, und er ihn erkannte, da war er ganz erschrocken, wußte nicht, was er ihm sollt' antworten und erstarrete ganz und gar; denn er wußte wohl, daß er sterben mueßte. Pontus ergrimmt' ueber ihn und konnte sich nicht zurueck halten, damit er ihn nochmals, als einem Verraether, einen haerteren Tod haett' angethan, und zuckte sein kleines Schwert, das er dazumal an sich haet, welches gar wohl schneidend war: damit schlug er ihn in solcher maß, daß er ihn von einander schlug bis auf die Brust. Darnach schlug er ihm sein Haupt ab, hieß ihn ausschleifen vor jedermann und ihm thun, als einem Verraether, und hieß ihn unter dem Galgen begraben.

 

Das neun und vierzigste Kapitel

Wie Pontus, nachdem er Gendolet seinen verdienten Lohn gegeben haet, von dem Koenig und Sidonia empfangen ward.

Da sich nun diese Handlung verlaufen haet und dem Verraether seiner Bosheit gelohnt war und der Koenig und Sidonia Pontus sahen und recht erkannten, da eilten sie von dem Tisch herfuer, gingen mit offenen Armen gegen ihn, umfingen ihn, kuesseten und halseten ihn gar herzlich. Sidonia weinete gar heftig von großen Freuden, hing ihm an seinem Hals und konnte sich nicht von ihm scheiden. Darauf fing Pontus an und erzaehlt' ihm alle Handlung des Kriegs, wie es sich verlaufen und was sich zugetragen haette, wie er seinen Feind ueberwunden und geschlagen. Da der Koenig das hoerte, kam seinem Herzen eine große Freude, die hinweg trieb allen Unmuth, Beschwerniß und Schmerzen, so vorhin sein Herz umfangen hatten, und dankete Gott gar fleißig. Sidonia aber war unmuthig von wegen der großen Kuemmernisse, so sie gehabt hatte Gendolets halben, die ihr Herz also verwundet hatten, daß keine Freude solchen Schmerzen sobald hinnehmen koennt', und hat doch auch dabei große Freud' in ihrem Herzen, von wegen der Zukunft des Pontus, ihres Herren, und ihrer Erledigung: deß sie Gott groß Lob und Dank sagte.

Die Nacht war jedermann, nach vollbrachten Freuden und Kurzweil', in guter Ruhe. Pontus und Sidonia hatten große Lieb' und Freude mit einander, die sie nicht genug gegen einander ausschuetten mochten, als zwei, die einander lange nicht gesehen und große Treue zusammen hatten.

Dieselbige Nacht, als Gendolets Soeldner, die von ihm bestellt waren, hoerten von der That und Handlung, naemlich wie Pontus den Gendolet, ihren Herrn erschlagen, und wie er der rechte Herr und Fuerst waere des Lands, dem auch Sidonia vorhin vermaehlet waere gewesen: da kam sie eine Furcht an und sie machten sich auf und liefen davon, damit sie nicht gleichen Sold mit ihrem Herren empfingen. Das gemeine Volk dankete Gott der Zukunft ihres Koenigs Pontus und gingen mit der Prozession, Gott zu loben und ihm Dankbarkeit zu beweisen, daß er ihnen ihren rechten Koenig und Herren wiedergegeben haette.

An dem andern Morgen kamen die Herren von Britannia, Normandia, auch die aus Engelland und von Poitou: die empfing Pontus gar schoen, deßgleichen ward ihm von ihnen auch viel Zucht und Ehre bewiesen und viel glueckseliger Tag' und Regierung gewuenscht. Pontus redete mit dem Herzogen von Glocester, daß er bei ihm woellte bleiben mit zwoelf Rittern, und sprach zu ihm: in vierzehn Tagen woellt' er mit ihnen in Engelland reiten, zu sehen den Koenig und die Koenigin und ihre Tochter, von denen ihm viel Gutes, auch große Zucht und Ehre bewiesen waere worden. Darnach ging er zu dem Grafen Richemont, der dann in Engelland reiten wollt', und sprach zu ihm: »Lieber Herr, ich bitt' euch, so ihr kommt in Engelland zum Koenig, daß ihr mich seinen Gnaden woellt empfehlen und ihm und der Koenigin viel Lieb' und Freundschaft von mir sagen. Und so ihre Tochter Genefe keinen Mann haette, so sagt dem Koenig, ich woellt' ihr einen bringen, wo es seiner Gnaden Gefallen sein will, und daß sie einen will nehmen.« Und sagete dem Grafen in geheim: es waere sein Vetter Polidas, der fast huebsch und voller Tugend waere, und auch geschickt, daß viel Gutes noch von ihm moechte kommen und durch ihn geschehen.

Der Graf von Richemont kam gen Hof. Da fand er den Koenig von Engelland und den Koenig von Schotten, der da kommen war, zu sehen den Koenig seinen Bruder, und erzaehlt' ihnen alles, das geschehen war mit Pontus und sprach in der Geheim zu dem Koenig: wie Koenig Pontus in vierzehn Tagen bei ihm wollte sein in seinem Koenigreich, auch wie er bei ihm haette behalten den Herzogen von Glocester, und wie er auch geredet haette von der Heirat wegen zwischen seinem Vetter und Genefe. Darauf fraget' ihn der Koenig: was Ritters das waere? Er antwortet' ihm und sprach: wie es gar kein Unterschied waere zwischen ihm und Pontus, nur allein, daß dieser Ritter ein wenig kuerzer waere, denn Pontus; sonst waere er ihm fast gleich an Gebaerden und Sinnen. »Sicher – sprach der Koenig – so gefaellt er mir gar wohl, gefiel' er nur meiner Tochter.« Da Genefe das hoerte, da kniete sie nieder auf ihre Knie und sprach zum Koenig, ihrem Vater: was sein Gefallen hierin waere, das sollt' ihr guter Will' und Wohlgefallen auch sein und wollt' es auch thun. Denn weil sie den Pontus so lieb hatte gehabt, gedacht' sie in ihr selbst: dieweil er Pontus Vetter waere und ihm so ganz gleich an der Huebsche, Zucht und Ehrbarkeit, daß kein Unterschied da waere, wie der Graf von Richemont dem Koenig haett' gezeigt: so moechte sie ihn baß liebhaben, denn keinen andern; und er gefiel ihr baß, aus den Worten des Grafen, denn kein anderer in der Welt. Und sie fing an, gar ernstlichen zu forschen und fragen fern und nahe von den Rittern, die bei ihm gewesen waren in dem Krieg und die ihn hatten gesehen: wer er waere, wie es um ihn stuend' und eine Gestalt haette, vieler Sachen halb? Und jemehr sie nach ihm forschete, jemehr er ihr gefiel und sie Liebe zu ihm gewann und keine groeßere Begierde hatte, denn, daß sie ihn sollte und moechte sehen.

Nun lassen wir itzt von diesem Ritter zu reden und kommen wiederum zu reden von Koenig Pontus von Gallicia.

 

Das funfzigste Kapitel

Wie Koenig Pontus durch seine Ritterschaft eine Kurzweile zurichtete

Da nun Koenig Pontus den Herren von Engelland das Geleit hatte gegeben bis an das Gestade des Meers, da nahmen sie Urlaub von einander und ritt Koenig Pontus wiederum gen Vannes mit seinen Freien und Rittersgenossen.

Und als sie zu Tische saßen und froehlich waren und viel Schimpfred' und Hofschwaenke sich begaben, da fing Koenig Pontus an und sprach zu den Freien, die noch da bei ihm waren: »Ist es euer Gefallen, so wollen wir sehen die Frauen und Jungfrauen von dem Land und wollen ihnen eine Freude zurichten, von des Herzogen von Glocester wegen und seiner Ritter, und wollen eine Kurzweile machen mit Rennen und Stechen; und daß dies auf das baldeste geschehe; denn wir muessen in fuenfzehen Tagen in Engelland sein, zu sehen den Koenig, um etlicher heimlichen Sachen wegen, die ich mit ihm zu reden habe.« Und sie antworteten alle und sagten: es gefiel' ihnen wohl. »Nun hoeret zu, – sprach der Koenig – ich befehle euch allen, daß ihr heim reitet und daß euer jeder mit ihm bringe sein Weib und Schwester; und schicket euch, daß ihr bald wieder hie seid.«

Die Herren waren ihm alle gehorsam, ritten schnell und bald heim zu ihren Frauen und Freunden, erwaehlten die allerhuebschesten und baß kundigsten Frauen, die sie haben mochten, versammleten sie und ritten mit einander gen Vannes. Da sie nun kamen, da war der Koenig auf und ritt ihnen entgegen; und sie wurden also von ihm empfangen mit großen Freuden und mit mancherlei Saitenspiel.

Des Morgens fing das Stechen an und ward gar groß und kurzweilig zu sehen. Sidonia stund mit den Frauen und Jungfrauen von Britannia oben in einem Gemach, daß sie dem Stechen zu konnt' sehen. Der alte Koenig war auch in einem sonderen Gemach und die alten Ritter und Herren waren bei ihm. Pontus war von den innern Stechern, und war das Stechen gar hart und ernstlich, daß der Koenig und die Frauen, die von oben herab zusahen, sich fast verwunderten darob. Pontus aber stach vor ihnen allen hernieder Ritter und Pferd, daß sie sich alle besorgten, ihm zu begegnen. Und die Frauen lobten ihn gar fast. Gar herrlich und wohl war es alles zugerichtet und sie hatten da mancherlei Kurzweil' und waehrete die Gesellschaft und das Ritterspiel, bis daß die Sonn' unterging.

An dem Abend gingen sie zu Tisch: da ward ihnen gar herrlich gedienet mit mancherlei koestlichen Trachten. Die Pfeifer und Herolde trieben viel Schimpf und Kurzweile, die man gar fern hoerte.

Nachdem, als sie gegessen hatten, da theilete man aus den Preis und die Gaben, nachdem ein jeder gestochen haet. Den Preis von den Auslaendigen gab man dem Grafen von Montfort, der gar redlich hatte gestochen. Die Gabe, die man ihm zueignete, war ein gueldener Kopf. Pontus aber haet den Preis vor ihnen allen, und die Frauen schickten ihm ein koestlich Kraenzlein.

Und gleich, wie man ihm das brachte, da kamen geritten Gottfried von Lusignan, Andre von Lator, Wilhelm von Rosches und der Graf von Martein, nach denen Pontus geschickt haet, mit ihm zu fahren in Engelland, denn alle Ritter waren ihm hold, um seiner Frommkeit und Redlichkeit willen, und daß er so mild und freigebig war gegen jedermann. Da nun Koenig Pontus diese Herren und Ritter sah, stund er auf, ging gegen sie und empfing sie gar schoen und wohl. Sie aber sprachen zu ihm: er haette unrecht und zuviel gethan daran, daß er gegen sie auf waere gestanden. Aber er war tugendlich und demuethig und sprach: sie waeren aller Ehren werth.

Des Morgens nahm Pontus Urlaub von dem Koenig und Sidonia, auch von den andern Frauen, und ritt zu Sant Malo, saß auf ein Schiff und fuehrete mit ihm die zwoelf Freien von Britannia und die vier, die vor gemeldet sind. Der Herzog von Glocester ward vorhin geschickt zum Koenig von Engelland, ihm zu verkuendigen, wie Pontus kaeme, wiewohl es der Koenig vorhin wußt' und hatte sich auf ihn geruestet.

Der Koenig saß auf sein Pferd und die andern Herren und Koenige mit ihm, und ritten wohl eine Meile dem Koenig Pontus entgegen mit ihren Drommeten. Er ward mit großer Freud' empfangen, und sie entboten ihm große Ehre. Der Koenig Pontus war gar koestlich in seinem Gewand, mit Perlen und Gold wohl geziert, und hatt' eine Kron' auf seinem Haupt von klarem Gold und koestlichen Steinen; er hatt' auch zwanzig Freien bei ihm, ohne Polidas, seinen Vetter, und die waren alle gekleidet in Sammetroeck', die waren unterzogen mit Hermelin und waren alle in einer Farb', und hatten Kraenzlein auf mit Perlen und edlem Gestein, alle gleich. Und die andern Herren waren alle in Scharlach gekleidet, unterzogen mit Ruecksehe, auch alle in einer Farbe; gar koestlich waren sie in ihrer Kleidung und hatten Guertel ueber die Roecke und huebsche Saeckel daran. Ihre Ordnung gefiel ihnen allen wohl; darum sie fast wurden angesehen.

Der Koenig Pontus ritt mit großen Freuden in die Stadt London. Da fand er die Koenigin, die auf ihn wartete. Und alsbald er sie sah von ferne, da stund er ab und ging zu ihr; und sie umfing ihn mit ihren Armen, kuesset' ihn und bewies ihm große Ehre. Sie fraget' ihn: wie es ihm seit ergangen waere? Und er sprach: »Wohl von den Gnaden Gottes.« Genefe's Augen waren stets gerichtet auf Polidas, wo sie ihn moechte ersehen: am letzten sah und erkennete sie ihn durch Pontus, seinen Vetter; denn er ihm etwas gleich sah. Er gefiel ihr wohl und gedauchte sie fast huebsch und wohlkundig zu sein. Aber doch, daß sie es wahrlichen moechte wissen, ob er's waere, so erforschete sie den Herzog von Glocester, der bei ihr stund: der saget' ihr, wie es Polidas waere; und sie gedachte bei ihr, wie sie nicht gar haette gefehlet, ihn zu erkennen; denn ihr Herz sagte ihr das.

Darnach, da es Essens Zeit war, da gingen sie zu Tisch; und da ward ihnen gar koestlich und wohl gedient mit mancherlei guter Speis', und die maechtigen Freien dienten denselbigen Tag persoenlich, aus des Koenigs Befehl, zu Tisch. Nach Essens tanzten sie eine Weil' und waren froehlich. Darnach brachte man Wein und Fruechte.

Genefe, des Koenigs Tochter hatte große Begierde, daß man redete von ihren Sachen. Sie sprach zu dem Koenig von Schotten in Schimpfsweise: »Ich weiß, was aus den Sachen wird, die der Graf von Richemont an hat bracht.« Der Koenig lachet' und sprach zu ihr: »Ihr habet ihn wohl gesehen: wie gefaellt er euch? was rathet ihr dazu?« Da ward sie schaamroth und sprach: »Was mein Herr und Vater und auch ihr mit mir schafft und heißt, will ich gehorsam sein.«

Da verstund der Koenig von Schotten wohl, daß es ihr gefallen war, ging zu dem Koenig von Engelland und sprach zu ihm; es waere von noethen und an der Zeit, daß man redete von der Heirat seiner Muhmen. Da sprach der Koenig von Engelland: »Ihr rathet wohl.« Der Koenig von Schottenland hieß ihn gehn in seine Kammer. Das thaet er und schickte nach dem Koenig von Irland und dem Koenig von Cornuaille und den andern Fuersten und Freien, die aus seinem Koenigreich waren. Und da sie nun bei einander waren, da sagte ihnen der Koenig die Worte, die der Graf von Richemont an haet bracht von Koenig Pontus, naemlich von der Heirat zwischen seiner Tochter und Polidas. Darnach fingen sie an zu reden von den Sachen und umzufragen von einem zum andern; und am letzten sprachen sie alle einhaelliglich: seine Tochter moechte nicht baß angelegt werden, durch die Versorgniß des Koenigreichs, »und das euch am nuetzesten waere; denn also lange sein Vetter Pontus lebt, so duerfte niemand so keck sein, der uns Krieg wuerde anbieten.« Da der Koenig hoerte, daß sie alle willig waren, da bat er den Schottischen Koenig und den Herzogen von Glocester, daß sie gingen zu Pontus und die Sache von ihm vernaehmen; »und saget ihm, wir wollen seinen Vetter gern haben zu unserm Sohn.« Dieses thaten sie.

 

Das ein und funfzigste Kapitel

Wie man Polidas. Pontus Vetter, und Genefe, des Koenigs Tochter von Engelland, zur Ehe zusammen gab.

Nachdem, als sie nun der Sachen eins waren, der Heirat halben, da entbot man dem Erzbischof von Kandelberg; und als er kam, da gab man die zwei zusammen mit großen Freuden. Nun, es ist nicht zu sagen, was fuer großer Freude Genefe gehabt habe, wiewohl sie nicht dergleichen that; denn sie haet ihn fast lieb und lobet' ihn von wegen seiner Huebschheit und Frommkeit, und auch von seines Vettern wegen, den sie vor so gar lieb haet gehabt, auf dem andern Theil. Polidas dankete Gott in seinem Herzen, daß er so viel Gluecks hat in dieser Welt; denn er sah wohl, daß sie huebsch war und mit hoeflichen Gebaerden wohl geziert: darum sie ihm gar wohl gefiel.

Es ward nun ein Tag angesetzt, daß man Hochzeit sollte halten. Da kam gar große Herrschaft ihnen zu Gefallen, und ward der Hof gar groß und der Freude viel. Am andern Tag, als nun die Hochzeit fuerbei war, da fing man an zu kurzweilen mit Rennen und Stechen; denn Pontus wollte nicht, daß man staeche den ersten Tag, als man Hochzeit hielt, von der Geschichte wegen des Herzogen von Burgundien, der auf demselbigen Tag, als er Hochzeit hielt, umkam; davon viel und lang zu sagen waere. Es war große Freude da und waehrete von dem Montag bis auf den Freitag.

Darnach am Freitag, als der Hof und die Hochzeit ein Ende hatte, nahm Koenig Pontus Urlaub von dem Koenig und der Koenigin von Engelland, mit großer Bitt', ehe' denn sie ihm erlaubten.

Auch besonders nahm er Urlaub von Genefe, des Koenigs Tochter, und sie redeten gar holdselige Worte miteinander. Genefe sprach zu Pontus: »Wahrlich ich habe meinen Herren Polidas desto lieber darum, daß ich euch vor lieb habe gehabt, und daß ihr so treulich gehalten habt euere erste Lieb' an Sidonia.« Pontus lachet' ein wenig dazu und gedacht' in ihm selber, daß keine Bescheidenheit waere vor Frauen zu verbergen; denn sie koennten es alles wohl erdenken. Und sie redeten allerlei mit einander von viel Sachen wegen. Pontus sprach weiter zu Genefe, des Koenigs Tochter: »Meine gnaedige Frau und geliebte Freundin, ich will euer Ritter sein, dieweil ich lebe, will allezeit in euerm Dienst sein und ihr sollt mit mir schaffen und gebieten, als mit dem eueren.« Darnach nahm er zu ihm seinen Vetter Polidas und sprach zu ihr: »Meine Frau und meine geliebte Freundin, das ist mein Vetter: ich will und gebiet' ihm, daß er euch lieb hab' und hoch acht' und halte, und daß er ob keiner andern also groß Wohlgefallen hab' als ob euch. Thut er das nicht, so lasset mich's wissen, so will ich's wenden.« – »Herr, – sprach sie – er wird alles das thun, bin ich ungezweifelt, das ein frommer Herr thun soll.« – »Ich wuensch' und begehr' es von Herzen, – sprach Pontus – und will es auch gern hoeren.« Und schied also von ihr.

 

Das zwei und funfzigste Kapitel

Wie Pontus aus Engelland wiederum in Britannia zog.

Als nun Pontus von Engelland hinweg schied, saß er mit seinen Herren auf das Meer und fuhr in Britannia. Als sie nun das Land erreichten, da wurden sie von maenniglichen wohl empfangen und mit großen Freuden aufgenommen. Darnach, nach wenig Tagen, brachen die auslaendischen Gaest' auf, nahmen Urlaub von Pontus und schieden von dannen. Pontus danket' ihnen gar fast ihres Dienstes, begabete sie gar herrlich mit großer Schenkung und wollte ihnen das Geleit geben; sie wollten's aber ihm nicht zulassen: darnach nahm er Urlaub von ihnen und schieden sie sich also.

Der Koenig von Britannia lebete nur noch drei Jahr; denn er war fast alt. Darauf ward Pontus Koenig. Jedermann war ihm hold, vom Adel und von der Gemeine. Er war fromm und gerecht, auch barmherzig gegen jedermann. Er hat auch fast lieb die Koenigin, sein Gemahl.

Darnach fuhr er in Gallicia und blieb da ein Jahr und da wurden sie gar hoch und fast geehret. Der Graf von Estor, sein Oheim, danket' ihm gar fast der großen Ehre, die er seinem Sohn Polidas hatte bewiesen, naemlich, daß er ihn zu einem Koenig haette gemacht. Pontus gab großes Land und Erbschaft dem Patrises, der ihn von dem Tod errettet halt' und dem Land so viel Gutes gethan. Große Ehr' erbot auch die Koenigin Sidonia der Koenigin in Gallicia, ihres Herren Mutter.

Nachdem ritt Pontus mit Sidonia seinem Gemahl kirchfahrten zu Sankt Jakob in Gallicia.

Er kam darnach in Hispania zu dem Krieg der Heiden und Unglaeubigen. Er fuehrte mit ihm viel Herren und Freien von Britannia und auch fast alle Ritterschaft, und ihrer waren mit den Fremden, so zu ihnen kommen waren, und mitsamt denen von Gaskonien, wohl bei vierzehen tausend; und diese schlugen die Unglaeubigen und hatten gar mannlich mit ihnen gestritten und gewonnen Staedt' und Schloesser. Nachdem saßen sie auf das Meer und fuhr ein jeglicher wiederum heim in sein Land. Und Koenig Pontus ward groß gelobet und gepreiset; denn er hatte gar reichlich Sold ausgegeben und dazu große Schenkung gethan. Und er hielt mit ihnen tugendliche und freundliche Gesellschaft, daß sie ihm alle großes Lob nachsprachen und sagten: er waere geschickt und wuerdig zu gewinnen alle Lande. Man lobet' ihn auch fast von wegen der Ritterschaft, so er hat begangen, und von wegen seiner Frommkeit, Mildigkeit und großen Demuethigkeit, die er in ihm haet; denn alle gute Sitten und Gewohnheit, die ein Mensch haben mochte, die hatt' er, und auch nach der Welt alle Schoenheit. Es waere gar viel und weitlaeuftig von ihm und seinen Tugenden zu schreiben und zu sagen, mit welchen er vor andern von Gott begabet war, darum er auch fuertrefflich von jedermann gehalten ward.

Er blieb eine Zeit lang in Gallicia und darnach zog er wieder in Britannia. Nachdem aber fuhr er in Engelland, zu sehen seinen Vetter Polidas, der nun Koenig war in Engelland: da ward er empfangen mit großen Freuden. Es ist nicht zu sagen, was Freude Genefe empfing ob seiner Zukunft und was großen Fleiß sie hatt', ihn schoen zu halten.

Darnach, als sie nun viel Freude mit einander hatten gehabt, da geleitet' ihn der Koenig von Engelland bis in Britannia und zog er fuerder in Gaskonien, da er gar schoen gehalten ward und trefflich geehret. Darnach kehret ' er wiederum heim in sein Koenigreich und fuehrt' ein gut Regiment, nach Unterweisung des Pontus.

Pontus aber und Sidonia, die Koenigin, regierten eine gute und gar lange Zeit, nach allem Wunsch und Gefallen der Landschaft.

Und als sie nun ihre Tage, Zeit und Regierung, nach Gottes Ordnung, gluecklich und wohl vollbracht und geendet hatten, da sturben sie, nach gemeinem Brauch und Ordnung dieser Welt: wie denn alle Kreaturen, die das Leben empfangen und einmal angenommen haben, wiederum, nach vollbrachtem Lauf, wie er einem jeden von Gott geordnet und das Ziel gesteckt ist, es muessen lassen und durch den zeitlichen Tod von ihnen legen; dafuer denn keine Gewalt, Macht, Staerke, Kunst, Huebsche, Reichthum, Frommkeit, oder was dergleichen genannt mag werden, helfen oder sein mag, denn, sobald jemand das Leben von Gott wird gegeben, so hat er auch dabei den Tod am Hals. Also nahm auch das Regiment und die Herrschung des huebschen, frommen, maechtigen und tugendreichen Koenig Pontus von Gallicia ein Ende mit dem Tod. Er ward begraben mit großem Pomp und Pracht, nach koeniglichem Gebrauch und Ordnung, mit großem Weinen und Klagen des Hofgesinds, aller seiner Unterthanen und des ganzen Lands, als der einig tugendreicheste, frommeste, mildeste und gerechteste unter allen regierenden Koenigen, die je gewesen waren und auch nochmals kommen und sein moechten.


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