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Sechstes Kapitel

»Verzeiht, wenn ich störe.«

Mit diesen Worten unterbrach der Eunuch Euläus der sich leise und unbemerkt dem Pastophorium genähert hatte, den Ausruf des Klausners, indem er sich ehrerbietig vor Publius verneigte. »Ist es zu fragen erlaubt, zu welchem Bündnis einer der edelsten Söhne Roms diesem wunderlichen Manne die Hand reicht?«

»Das Fragen steht jedem frei,« entgegnete Publius schnell und herb, »aber das Antworten ist nicht jedermanns Sache und heute auch nicht die meine. Ich sage dir Lebewohl, Serapion, aber nicht auf lange Zeit, denk' ich.«

»Gestattest du mir, dich zu begleiten?« fragte der Eunuch.

»Du bist mir auch ohne meine Erlaubnis gefolgt.«

»Ich tat es auf Befehl meines Königs, und erfülle nur sein Gebot, wenn ich dir auch jetzt mein Geleit anbiete.«

»Ich gehe voran und kann dir nicht wehren, wenn du mir folgst.«

»Ich aber,« entgegnete der Eunuch, »bitte dich, zu bedenken, daß es mir übel anstehen würde, wie ein Diener hinter dir herzuschreiten.«

»Ich achte den Willen meines Gastfreundes, des Königs, der dir befahl, mir zu folgen,« antwortete der Römer. »Vor dem Tor des Tempels kannst du ohnehin deinen Wagen, ich aber den meinen besteigen; ein alter Hofmann wird gern den Befehl seines Gebieters erfüllen.«

»Und er erfüllt ihn,« gab Euläus dem Römer demütig zurück, doch aus seinem Auge zuckte, wie die gespaltene Zunge aus dem Rachen der Schlange, welche schnell erscheint und noch schneller verschwindet, zuerst ein Blick voll drohenden Hasses und dann ein anderer, argwöhnischer, welcher der Rolle galt, die der Römer in seiner Hand hielt.

Publius achtete nicht dieser Blicke und schritt schnell auf den Akazienhain zu; der Klausner aber schaute dem ungleichen Paare nach, und als er den mächtigen Eunuchen hinter dem Jünglinge hergehen sah, stemmte er die Hände in die Hüften, blies die fleischigen Wangen auf und brach in ein lautes Gelächter aus, sobald das Paar hinter den Akazien verschwand.

Wenn das Zwerchfell Serapions einmal erschüttert war, so ließ es sich schwer zur Ruhe bringen, und er lachte noch immer, als einige Minuten nach dem Verschwinden des Römers Klea vor seiner Klause erschien.

Munter wollte er den Schützling empfangen, aber nachdem er ihm ins Antlitz geschaut hatte, rief er besorgt:

»Du siehst aus, als sei dir der Geist eines Abgeschiedenen begegnet. Die roten Lippen sind bleich, und ich sehe tiefe Schatten unter deinen Augen. Was ist dir begegnet, Kind? Irene hat ja vorhin mit dir dem Aufzug beigewohnt, ich weiß es. Habt ihr über die Eltern schlimme Nachricht erhalten? Du schüttelst den Kopf. Nun, Kind, so denkst du vielleicht mehr, als du solltest an jemand. Wie dir das Blut in die Wangen steigt! Gewiß, der schöne Publius von Rom hat dir zu tief in die Augen geblickt. – Ein prächtiger Junge ist er, ein rechter Mann, ein braver Geselle...«

»Laß das,« unterbrach Klea den Freund und Beschützer, indem sie mit der Handfläche abweisend die Luft teilte, als wolle sie Serapions Rede in zwei Hälften zerschneiden. »Ich darf nichts mehr von ihm hören.«

»Ist er dir unziemlich begegnet?« fragte der Klausner.

»Ja,« rief Klea tief errötend und mit einer ihrem besonnenen Wesen sonst fremden Heftigkeit. »Ja, mit herausfordernden Blicken verfolgt er mich unablässig.«

»Nur mit Blicken?« fragte der Klausner. »Doch wir schauen ja auch nach der erhabenen Sonne und nach lieblichen Blumen, soviel wir nur mögen, und ohne daß sie es uns verargen!«

»Die Sonne ist zu hoch und die seelenlose Blume zu niedrig, als daß ein Mensch sie beleidigen könnte,« entgegnete Klea; »aber der Römer ist nicht mehr und nicht weniger als ich, das Auge spricht so gut wie der Mund eine Sprache, und was das seine von mir verlangt, das treibt mir das Blut in die Wangen und erregt auch jetzt meinen Groll, da ich nur daran denke.«

»Darum miedest du auch seinen Blick so ängstlich.«

»Wer sagte dir das?«

»Publius selbst; und weil deine Karte ihn schmerzte, wollte er Ägypten verlassen; nun aber hab' ich ihn zu bleiben bewogen, denn wenn es einen Sterblichen gibt, von dem ich für euch und die Euren Gutes erwarte...«

»So ist er's gewiß nicht!« versetzte Klea fest. »Du bist ein Mann und meinst jetzt vielleicht, daß du, solange du jung warst und frei in der Welt umherzogst, nicht anders gehandelt hättest, wie er nach dem Rechte der Männer; – aber würdest du hier hineinsehen oder mit dem Herzen eines Weibes fühlen, so dächtest du anders! Wie der Wüstensand, der in die Äcker geweht wird und ihr freundliches Grün in häßliches Grau verwandelt, wie der Sturm, der den blauen Spiegel der Meeresfläche in ein krauses Gemisch von schwarzen Strudeln und schäumendem Gischt verwandelt, so hat dieses Mannes herausfordernde Kühnheit die Stille meines Herzens grausam gestört. Zum vierten Male verfolgten mich seine Blicke beim Aufzug. Gestern noch hatte ich die Gefahr nicht erkannt, aber heute, – ich muß dir's sagen, denn du bist ja wie mein Vater, und wem sonst auf der Welt dürft' ich es anvertrauen? – aber heute hab' ich seinen Blick zu meiden gewußt, und doch fühlt' ich während der langen, unendlich langen Stunden des Festes, daß sein Auge unablässig das meine suche. Daß mich kein Irrtum betrügt, ich hätt' es gewußt, auch wenn Publius Scipio – doch was soll dieser Name auf meinen Lippen? – auch wenn der Römer nicht gekommen wäre, um sich seines Angriffs auf ein schuhloses Mädchen zu rühmen. Und daß du, gerade du dich zu seinem Bundesgenossen hergeben magst! Das tätest du nicht, nein, gewiß nicht, wenn du wüßtest, wie mir beim Aufzuge zumute war, während ich zu Boden schaute und wußte, daß sein Blick mich entweihe wie der Regen, der im vorigen Jahre von den sprossenden Reben des Tempels die Blüten spülte. Es war, als schnüre sich ein Netz um mein Herz; aber was für ein Netz! Als hätte man eine Flamme als Flachskunkel an den Spinnrocken gesteckt, sie zu dünnen Fäden ausgezogen und mit dem glühenden Garn Maschen gestrickt, ja, so war es! Ich fühlte die Fäden und Knoten sich mir in die Seele einbrennen und konnte sie nicht entfernen und durfte mich nicht einmal wehren. Ja, blicke mich nur angstvoll an und schüttle den Kopf! – So ist es gewesen, und die Brandnarben tun mir auch jetzt noch weh, so weh, ich kann's nicht beschreiben!«

»Aber, Klea,« unterbrach Serapion das Mädchen, »du bist außer dir und wie von einem Dämon besessen. Geh in den Tempel hinüber und bete, oder wenn das nicht hilft, zum Asklepius oder Anubis und lasse den Unhold bannen.«

»Ich brauche keinen von deinen Göttern,« entgegnete das Mädchen in großer Erregung. »Ja, ich wollte, du hättest dem Schicksal den Lauf gelassen, und wir dürften das Los der Eltern teilen, denn was uns hier droht, ist schrecklicher noch, als im Sonnenbrand Goldstaub sieben, oder in Mörsern den Quarz zu verstampfen. Ich kam nicht zu dir, um über den Römer zu reden, sondern um dir zu erzählen, was mir der Oberpriester gleich nach dem Aufzug eröffnete.«

»Nun?« fragte Serapion gedehnt und beinahe ängstlich, indem er seinen Hals reckte, das buschige Haupt dem Mädchen näherte und die Augen so weit öffnete, daß die Säckchen unter ihnen halb verschwanden.

»Er teilte mir erst mit,« erwiderte Klea, »wie spärlich es mit den Einkünften des Tempels bestellt sei ...«

»Es ist richtig,« unterbrach sie der Klausner, »daß Antiochus den besten Teil des Tempelschatzes raubte, und die Krone, die für die Heiligtümer der ägyptischen Götter immer Geld übrig hat, unsere Äcker mit großen Abgaben belastet; aber ihr werdet, sollt' ich meinen, schon karg genug, ja schlechter als billig gehalten, denn für euern Unterhalt ward, das weiß ich genau; denn sie ist durch meine Hände gegangen – an den Tempel eine Summe gezahlt, von deren Zinsen sich nicht nur zwei naschende Vögel wie ihr, sondern zehn hungrige Matrosen ernähren ließen; dazu verrichtet ihr ohne Entgelt mühsame Dienste. Wahrhaftig, es verspricht wohl größeren Nutzen, einem Bettler die Lumpen zu stehlen, als euch zu berauben! Was kann der Oberpriester denn wollen?«

»Er sagt, daß wir fünf Jahre lang von der Priesterschaft genährt und beschützt worden seien, daß durch uns heute noch dem Tempel Gefahren drohten, und daß wir entweder das Heiligtum verlassen oder uns entschließen müßten, an die Stelle der beiden Zwillingsschwestern Arsinoë und Doris, die bis jetzt an der Bahre des verstorbenen Gottes bei der Totenfeier die Klagelieder in der Kleidung der Isis und Nephthys gesungen und die Spenden für die in den Tempel zur Einsegnung gebrachten Leichen unter Jammer und Klagegeschrei ausgegossen haben, zu treten. Diese Mädchen, sagt Asklepiodor, würden zu alt und unschön für solchen Zweck, aber der Tempel sei verpflichtet, sie bis an ihr Ende zu erhalten. Außer ihnen und uns noch zwei andere Dienerinnen des Gottes zu ernähren, reichten die Mittel des Tempels nicht aus, und so sollten Arsinoë und Doris nur noch die Spenden ausgießen, wir aber die Totenklage an ihrer Stelle übernehmen.«

»Aber ihr seid keine Zwillinge!« rief Serapion, »und nur solche, so verlangt es die Vorschrift, sollen als Isis und Nephthys den Osiris beweinen.«

»Man will uns zu Zwillingen machen,« entgegnete Klea, indem sie verächtlich die Lippe aufwarf; »die Haare Irenens sollen wie meine schwarz gefärbt und ihre Sohlen erhöht werden, damit sie meine Größe erreiche.«

»Dich kleiner zu machen, als du bist, würde ihnen eben nicht glücken, und helle Haare lassen sich leichter dunkel als dunkle hell färben,« sagte Serapion mit mühsam verhaltenem Ingrimm. »Was für eine Antwort gabst du auf diesen immerhin durch seine Seltsamkeit glänzenden Vorschlag?«

»Die einzige, die ich Wohl geben konnte. Ich sagte Nein, erklärte mich aber bereit, nicht nur aus Furcht, sondern weil wir dem Tempel doch viel verdanken, mit Irenen jeden anderen Dienst zu verrichten, nur nicht diesen.«

»Und Asklepiodor?«

»Er kränkte mich mit keinem bösen Worte und bewahrte auch, als ich ihm widersprach, die vornehme Ruhe; ja manchmal maß er mich erstaunt mit den Augen, als wenn er etwas ganz Neues und Fremdes an mir entdecke. Zuletzt stellte er mir vor, wie viel Mühe sich der Gesangmeister des Tempels mit uns gegeben habe, wie gut meine tiefere mit der hohen Stimme Irenens zusammenklinge, wie großen Beifall wir durch schönen Vortrag des Klagegesanges erringen könnten, wie gern er uns, wenn wir das Amt der Zwillinge antreten würden, eine bessere Wohnung und reichlichere Kost anweisen werde. Wie man Falken durch Hunger zähmt, so hat er es, glaub' ich, versucht, uns durch schmale Kost gefügig zu machen. Vielleicht tue ich ihm unrecht, aber ich fühle mich heut nur zu geneigt, von ihm und den anderen Vätern das Schlimmste zu denken. Sei dem, wie ihm wolle! Jedenfalls entgegnete er mir, als ich auf meiner Weigerung bestand, nichts weiter, sondern verabschiedete mich mit der Aufforderung, mich in drei Tagen wieder bei ihm melden zu lassen und ihm mitzuteilen, ob wir seinem Wunsche zu entsprechen oder den Tempel zu verlassen gedächten. Ich verneigte mich, näherte mich der Tür und stand schon auf der Schwelle, da rief er mich noch einmal zurück und sagte: »Denke auch deiner Eltern und ihres Schicksals!« Das klang feierlich und beinahe bedrohlich, weiter aber sprach er nichts und kehrte mir schnell den Rücken. Was bezweckt er wohl mit dieser Mahnung? Denk' ich doch täglich und stündlich an Vater und Mutter und erinnere Irene an sie!«

Der Klausner brummte dabei zuerst nachdenklich und unzufrieden vor sich hin, dann sagte er ernst:

»Asklepiodor hat mit seiner Rede mehr gewollt, als du glaubst. Jeder Satz, mit dem er einen Widerspenstigen entläßt, ist eine Nuß, deren Schale man erst zu öffnen hat, um den Kern zu finden. Wenn er dir sagt, du mögest deiner Eltern und ihres traurigen Schicksals gedenken, so heißt das in seinem Munde und unter diesen Umständen kaum etwas anderes, als daß ihr nicht vergessen sollt, wie leicht auch euch das Schicksal eures Vaters ereilen könnte, wenn ihr euch dem Schutze des Tempels zu entziehen versucht. Nicht umsonst hat dir Asklepiodor, das erzähltest du mir selbst neulich, eine Woche wird es kaum her sein – mitgeteilt, wie oft den zur Zwangsarbeit in den Bergwerken Verurteilten die Angehörigen nachgesandt werden. Ja, Kind, das letzte Wort Asklepiodors hat einen gräßlichen Sinn! Die Ruhe und der Stolz, mit dem du dreinschaust, ängstigen mich, und du weißt doch, daß ich nicht zu den Schreckhaften und Furchtsamen gehöre. Widerwärtig ist das gewiß, was man euch zumutet, aber nehmt es auf euch; es wird ja hoffentlich nicht auf lange Zeit sein! Tu es um meinet- und um der armen Irene willen; denn du wirst auch außerhalb dieser Mauern in der rauhen, begehrlichen Welt dich selbst zu behaupten wissen, aber Irene, die kleine Irene wird es nicht können. Und dann, meine Klea, mein liebes Herz, wir haben jetzt jemand gefunden, der eure Sache zu der seinen macht und der groß ist und mächtig; aber was sind drei Tage! Euch hinausgestoßen zu sehen und zu denken, daß man euch mit wüstem Gesindel in einem widrigen Fahrzeug in den glühenden Süden und zu Arbeiten führt, die erst die Seele töten und dann den Leib, das ist ja nicht möglich! Das wirst du mir und dir und der Irene nicht antun lassen, nein, du mein Liebling, nein, mein Herz, das darfst du, das sollst du nicht tun! Seid ihr denn nicht meine Kinder, meine Töchterchen und all meine Freude, und nun wollt ihr mich in diesem Käfig allein lassen, weil ihr so stolz seid!«

Dem starken Manne versagte die Stimme, und aus den Augen rann ihm ein schwerer Tränentropfen nach dem andern in den Bart und auf den Arm Kleas, den er mit beiden Händen zu sich heraufgezogen hatte.

Auch über des Mädchens Blick breitete sich ein Schleier von warmen Zähren, als sie den rauhen Freund weinen sah, aber sie blieb standhaft und sagte, indem sie die Hand aus der seinen zu befreien suchte:

»Du weißt ja, Vater, daß mich manches an diesen Tempel fesselt: die Schwester und du und des Torhüters kleiner Philo. Euch zu verlassen, wird mir schwer fallen, furchtbar schwer, aber lieber will ich auch dieses Leid und jedes andere auf mich nehmen, als Irene gestatten, als Klagefrau in Arsinoës oder der schwarzen Doris Stelle zu treten. Denke dir das sonnige Kind bemalt und entstellt am Fußende einer Bahre knien, mit falschen Klagen und erzwungenen Zähren stöhnend und jammernd. Zu einer Lüge von Fleisch und Bein würde sie werden, sich selbst ein Ekel, und für mich, die ich ja doch bei ihr die Mutter vertrete, früh und spät ein marternder Vorwurf! Aber was frag' ich nach mir! Ohne eine Miene zu verziehen, würde ich mich mit dem Gewand der Göttin bekleiden und an die Bahre führen lassen und jammern und klagen, daß es jedem Hörer den Grund der Seele aufrühren sollte; denn mein Herz ist ja eine Heimat des Schmerzes und gleicht dem Auge des Blinden, das die Sehkraft verliert, weil sich salzige Tränen immer und immer wieder darüber ergießen. Mir würden die Klagegesänge vielleicht die Seele erleichtern, die so voll ist von Leid, wie ein überströmender Becher; aber lieber wollt' ich, daß eine Wolke mir ewig die Sonne verdunkle, ein Nebel mir jeden Stern verschleiere und schwarzer Rauch mir die Luft verderbe, die ich atmen muß, um zu leben, als daß ich ihren Leib entstellen, ihre Seele verfinstern, ihr helles Lachen in Klagegeschrei und ihren heiteren Kindersinn in dumpfe Trauer umwandeln lasse. Lieber will ich fort von hier und von dir, um mit den Eltern in Elend und Tod zugrunde zu gehen, als das mit ansehen, als dies gestatten.«

Serapion drückte bei diesen Worten beide Hände vor das Antlitz, Klea aber wandte ihm schnell den Rücken und schritt tief atmend ihrer Kammer zu.

Sonst pflegte Irene ihr, wenn sie ihre Schritte vernahm, entgegenzueilen, heute aber wurde Klea von niemand begrüßt, und in ihrer Kammer, welche schon von dem hereinbrechenden Dunkel der Nacht verfinstert zu werden begann, fand ihr Blick nicht sogleich die Schwester; denn sie hockte zusammengekauert in einem Winkel des Gemaches, hielt das Gesicht mit beiden Händen bedeckt und wimmerte leise.

»Was hast du?« fragte Klea, indem sie sich besorgt der Weinenden näherte, sich über sie beugte und versuchte, sie aufzurichten. »Laß mich,« schluchzte Irene, wandte sich mit einer raschen Bewegung halb von der Schwester ab und wehrte sich wie ein trotziges Kind gegen ihre Liebkosungen.

Als Klea ihr dann, um sie zu beruhigen, besorgt und liebreich das Haar streichelte, sprang sie auf und rief heftig und unter Tränen:

»Ich mußte weinen und immer weinen seit einer Stunde. Der Korinther Lysias hat nach dem Aufzug so freundlich mit mir geredet, aber du, du kümmerst dich gar nicht um mich und läßt mich so lange allein in dieser staubigen, widrigen Höhle. Gewiß, ich halt' es auch nicht länger hier aus, und wenn ihr mich festhalten wollt, so flieh' ich aus diesem Tempel; denn draußen ist es hell und vergnügt, aber hier ist es finster und gräßlich.«


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