Alexander Dumas d. Ä.
Der Graf von Monte Christo. Zweiter Band.
Alexander Dumas d. Ä.

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Das Haus Morel.

Wer ein paar Jahre früher Marseille verlassen hätte und zu der Zeit, in der Dantes seine Vaterstadt wiedersah, zurückgekehrt wäre, hätte die Verhältnisse des Hauses Morel sehr verändert gefunden.

Statt des Behagens und Glückes, das von einem im Gedeihen begriffenen Hause ausgeht, wäre ihm auf den ersten Blick eine gewisse Trauer und Stille aufgefallen. In den Büros, die früher von zahlreichen Kommis wimmelten, waren nur noch zwei zurückgeblieben. Der eine war ein junger Mann, namens Emanuel Raymond, der die Tochter des Herrn Morel liebte, der andere der alte einäugige Cocles, der den Posten eines Kassendieners bekleidete. In der Stellung des letzteren war eine sonderbare Veränderung eingetreten; er war zugleich zum Range eines Kassierers avanciert und zum Range eines Dienstboten heruntergerückt. Es war aber immer der nämliche Cocles, geduldig, treu und ein Rechner, wie man nicht leicht einen zweiten wiederfinden konnte.

Inmitten der allgemeinen Schwermut, die über dem Hause Morel lagerte, war Cocles übrigens der einzige, der unempfindlich geblieben zu sein schien. Diese Gelassenheit entsprang nicht einem Gefühlsmangel, sondern im Gegenteil einer unerschütterlichen Überzeugung. Als die andern Kommis und Angestellten des Hauses die Büros verlassen hatten, hatte Cocles sie gehen sehen, ohne sich weiter darum zu kümmern. Er hatte seinen letzten Monatsabschluß fertig gemacht und darin eine Differenz von siebzig Centimes zu Gunsten der Kasse entdeckt, die er am gleichen Tage seinem Prinzipal überbrachte. Der Prinzipal nahm sie mit wehmütigem Lächeln, ließ sie in eine beinahe leere Schublade fallen und sagte zum Kassierer: Gut, Cocles, Sie sind die Perle aller Kassierer.

Cocles entfernte sich äußerst zufrieden; denn ein Lob von Herrn Morel schmeichelte ihm mehr als ein Geschenk von fünfzig Talern. Aber seit diesem so glücklich durchgeführten Monatsschluß hatte Herr Morel grausame Stunden durchgemacht; um diesen Monatsschluß herbeizuführen, hatte er alle seine Mittel zusammengerafft und sogar einige Juwelen und einen Teil seines Silberzeugs verkauft. Infolge dieser Opfer war diesmal noch alles zur größten Ehre des Hauses Morel vorübergegangen. Die Kasse aber blieb völlig leer. Erschreckt durch umlaufende Gerüchte, zog sich der Kredit mit seiner gewöhnlichen Selbstsucht zurück, und um gegen die 200 000, die in wenigen Wochen zurückzuzahlen waren, aufzukommen, hatte Herr Morel in Wirklichkeit nichts mehr, als die Hoffnung auf die Rückkehr des Pharao, von dessen Abfahrt ein Schiff, das mit ihm die Anker gelichtet, Kunde gegeben hatte. Dieses Schiff, das wie der Pharao von Kalkutta kam, war aber bereits seit vierzehn Tagen im Hafen eingelaufen, während man vom Pharao keine Nachricht hatte.

So standen die Dinge, als der Vertreter des Hauses Thomson und French in Rom am Tage, nachdem er den von uns mitgeteilten Besuch bei Herrn von Boville gemacht hatte, sich bei Herrn Morel einfand. Emanuel empfing ihn. Der erschreckte junge Mann, der in jedem neuen Besucher einen Gläubiger vermutete, wollte seinem Herrn den Ärger ersparen und ihn selbst abfertigen. Der Geschäftsreisende erklärte ihm aber, er müsse durchaus mit Herrn Morel persönlich sprechen.

Emanuel rief seufzend Cocles und befahl ihm, den Fremden zu Herrn Morel zu führen. Cocles ging voraus, und der Fremde folgte. Auf der Treppe begegneten sie einem hübschen jungen Mädchen, das den Fremden voll Unruhe anschaute. Cocles bemerkte diesen Gesichtsausdruck nicht, der jedoch dem Fremden keineswegs entgangen war.

»Herr Morel ist in seinem Kabinett, nicht wahr, Fräulein Julie?« fragte der Kassierer.

»Ja, ich glaube wenigstens«, antwortete das Mädchen zögernd, »sehen Sie nach, Cocles, und wenn mein Vater dort ist, melden Sie den Herrn!«

»Es wäre unnütz, mich zu melden,« erwiderte der Engländer, »Herr Morel kennt meinen Namen nicht. Dieser brave Mann mag ihm nur sagen, ich sei der erste Kommis der Herren Thomson und French in Rom, mit denen das Haus Ihres Herrn Vaters in Verbindung steht.«

Das Mädchen erbleichte und schritt weiter die Treppe hinab, während der Fremde vollends hinaufging. Julie, wie sie der Kassierer genannt hatte, trat in das Büro, wo sich Emanuel aufhielt, und Cocles öffnete mit Hilfe eines Schlüssels eine Tür im zweiten Stock und ließ den Fremden eintreten. Der Fremde fand Herrn Morel erschöpft und bleich an seinem Schreibtische sitzend. Als er den Fremden erblickte, stand er auf und schob einen Stuhl hin; worauf beide Platz nahmen.

Vierzehn Jahre hatten eine gewaltige Veränderung bei dem würdigen Handelsherrn hervorgebracht, der, am Anfang dieser Geschichte sechsunddreißig Jahre alt, nun das fünfzigste erreicht hatte. Seine Haare waren gebleicht, seine Stirn von sorgenvollen Runzeln durchzogen; sein einst so fester, bestimmter Blick war unbestimmt, unentschlossen geworden. Der Engländer schaute ihn aufmerksam und scheinbar teilnahmsvoll an.

Mein Herr, sagte Morel, dessen Unbehaglichkeit dieses Anschauen zu verdoppeln schien, Sie wünschten mich im Namen des Hauses Thomson und French zu sprechen?

Ja, mein Herr. Das Haus Thomson und French soll im Laufe des nächsten Monats in Frankreich 3 bis 400 000 Franken bezahlen, und hat im Vertrauen auf Ihre Zuverlässigkeit alle Papiere angekauft, die es mit Ihrer Unterschrift finden konnte, wobei mir der Auftrag geworden ist, nach Maßgabe des Verfalls die Gelder bei Ihnen zu erheben und sodann zu verwenden.

Morel stieß einen schweren Seufzer aus, fuhr mit der Hand über seine schweißbedeckte Stirn und erwiderte: Sie haben also von mir unterzeichnete Tratten?

Ja, Herr, für eine beträchtliche Summe.

Für welche Summe? fragte Herr Morel mit einer Stimme, der er Sicherheit zu verleihen strebte.

Einmal, sagte der Engländer, ein Päckchen aus der Tasche ziehend, einmal habe ich hier eine Abtretung von 200 000 Franken seitens des Herrn von Boville an unser Haus. Erkennen Sie diese Schuld an?

Ja, mein Herr, das Geld wurde zu 4½ Prozent vor bald fünf Jahren bei mir angelegt.

Und Sie haben den Betrag zurückzuzahlen?

Ja, am 15. des nächsten Monats.

So ist es; dann habe ich hier 32 500 auf Ende dieses; es sind von Ihnen unterzeichnete Wechsel.

Ich erkenne sie an, sagte Herr Morel, dem bei dem Gedanken, daß er zum erstenmal in seinem Leben vielleicht seiner Unterschrift nicht entsprechen könnte, die Schamröte ins Gesicht stieg. Ist das alles?

Ich habe noch auf Ende nächsten Monats diese Papiere, die das Haus Pascale und das Haus Wild und Turner in Marseille an uns verkauften, etwa 55 000 Franken, im ganzen 287 500 Franken.

Es läßt sich nicht beschreiben, was der unglückliche Morel während dieser Aufzählung litt.

287 500 Franken, wiederholte er mechanisch.

Ja, sagte der Engländer. Ich kann Ihnen nun nicht verbergen, fuhr er nach kurzem Stillschweigen fort, daß, so sehr man auch Ihre bis jetzt vorwurfsfreie Redlichkeit schätzt, in Marseille doch das Gerücht geht, Sie seien nicht imstande, Ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Bei dieser rücksichtslosen Offenheit erbleichte Herr Morel furchtbar.

Mein Herr, sagte er, bis jetzt, und es sind mehr als zwanzig Jahre, seitdem ich das Haus aus den Händen meines Vaters übernommen habe, der es selbst fünfunddreißig Jahre führte, bis jetzt ist kein von Morel und Sohn unterzeichnetes Papier an der Kasse präsentiert worden, ohne daß wir Zahlung dafür geleistet hätten.

Ja, ich weiß dies; doch sprechen Sie offenherzig, wie ein Ehrenmann zum andern! Werden Sie diese Papiere mit derselben Pünktlichkeit bezahlen?

Morel bebte und schaute den Engländer ängstlich an.

Auf eine so offenherzig gestellte Frage, antwortete er, muß ich auch offenherzig Antwort geben. Ja, mein Herr, ich bezahle, wenn mein Schiff, wie ich hoffe, glücklich im Hafen einläuft, denn seine Ankunft wird mir den Kredit wiedergeben, den mir schnell aufeinander folgende Unglücksfälle geraubt haben; bliebe aber der Pharao, die letzte Quelle, auf die ich zähle, aus . . .

Die Tränen traten dem armen Reeder in die Augen.

Nun? fragte der Engländer, bliebe diese letzte Quelle aus?

Es ist grausam zu sagen . . . doch, bereits an das Unglück gewöhnt, muß ich mich auch an die Schmach gewöhnen . . . ich glaube, ich wäre dann genötigt, meine Zahlungen einzustellen.

Haben Sie keine Freunde, die Sie unter diesen Umständen unterstützen könnten? fragte der Engländer.

Herr Morel lächelte traurig und erwiderte: Im Geschäftsleben hat man keine Freunde, wie Sie wissen, sondern nur Korrespondenten.

Das ist wahr, murmelte der Engländer. Sie haben also keine Hoffnung mehr?

Eine einzige; die letzte.

Und wenn diese Hoffnung sich nicht verwirklicht?

Bin ich völlig zu Grunde gerichtet.

Als ich zu Ihnen kam, lief ein Schiff im Hafen ein.

Ich weiß, doch ist es nicht das meine, sondern ein bordolesisches Schiff, die Gironde; es kommt ebenfalls von Indien.

Vielleicht bringt es Ihnen vom Pharao Kunde.

Soll ich es Ihnen sagen, mein Herr, ich fürchte beinahe ebensosehr, Nachricht von meinem Dreimaster zu erhalten, als in Ungewißheit zu bleiben. Die Ungewißheit ist noch Hoffnung. Dann fügte Herr Morel mit dumpfem Tone bei: Dieses Zögern ist nicht natürlich; der Pharao ist am 5. Februar in Kalkutta abgegangen und ist seit mehr als einem Monat hier fällig.

In diesem Augenblicke hörte man Lärm auf der Treppe; verschiedene Personen näherten sich, sogar ein Schmerzensruf ließ sich vernehmen. Morel stand auf, um die Tür zu öffnen, doch es gebrach ihm an Kraft, und er fiel in seinen Stuhl zurück. Während die beiden Männer einander gegenüber saßen, Morel an allen Gliedern zitternd, der Engländer ihn mit einem Ausdrucke tiefen Mitleids anschauend, öffnete sich die Tür, und man sah das Mädchen, in Tränen gebadet, erscheinen. Morel stand zitternd auf und stützte sich, um nicht zu fallen, auf den Arm seines Lehnstuhls.

Oh! Vater! sagte das Mädchen, die Hände faltend, verzeihen Sie Ihrem Kinde, daß es Ihnen schlimme Botschaft bringt.

Morel wurde furchtbar bleich; Julie warf sich in seine Arme.

Oh, Vater! Vater! rief sie, Mut gefaßt!

Der Pharao ist also zu Grunde gegangen? fragte Morel mit zusammengeschnürter Stimme.

Das Mädchen antwortete nicht, sondern machte nur ein bejahendes Zeichen mit seinem an die Brust des Vaters gelehnten Haupte.

Und die Mannschaft? fragte Morel.

Gerettet, antwortete das Mädchen, gerettet durch das bordolesische Schiff, das soeben in den Hafen eingelaufen ist.

Morel hob seine Hände mit einem Ausdruck voll Ergebenheit und erhabener Dankbarkeit zum Himmel empor und sagte: Ich danke, mein Gott, ich danke; wenigstens schlägst du nur mich allein.

So phlegmatisch der Engländer war, so befeuchtete doch eine Träne sein Augenlid.

Tretet ein, sagte Herr Morel, denn ich vermute, ihr seid alle vor der Türe.

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als Frau Morel schluchzend eintrat; Emanuel folgte ihr; im Vorzimmer sah man die rauhen Gesichter von sieben bis acht halbnackten Matrosen. Beim Anblick dieser Menschen bebte der Engländer; er machte einen Schritt, als wollte er auf sie zugehen, aber er bezwang sich und drückte sich im Gegenteil in den dunkelsten Winkel des Zimmers. Frau Morel setzte sich in den Lehnstuhl und nahm die Hand ihres Gatten, während Julie, an die Brust ihres Vaters gelehnt, stehen blieb.

Wie ist es zugegangen? fragte Herr Morel. Tretet näher, Penelon, und erzählt! Wo ist der Kapitän?

Was den Kapitän betrifft, Herr Morel, so ist er krank in Palma geblieben; doch wird es wohl nichts weiter sein, und Sie werden ihn in einigen Tagen wohl und gesund ankommen sehen.

Gut . . . nun sprecht, Penelon.

Penelon erzählte, wie der Pharao bei Kap Blanc von einem heftigen Sturm überfallen wurde und trotz heldenmütigem Widerstande untergegangen sei, nachdem sich die Mannschaft und der Kapitän in ein Boot gerettet hatten.

Als der Alte geendet hatte, sagte Herr Morel: Gut, mein Freund, ihr seid brave Leute, und ich wußte zum voraus, daß bei dem Unglück, das mir begegnet ist, nichts anders schuld war als mein Verhängnis. Es ist der Wille Gottes und nicht der Fehler der Menschen. Nun sagt, wieviel Sold bin ich euch schuldig?

Ah! bah . . . sprechen wir nicht davon, Herr Morel.

Im Gegenteil sprechen wir davon, erwiderte der Reeder mit traurigem Lächeln. Cocles, bezahlen Sie jedem von diesen braven Leuten zweihundert Franken. Zu andrer Zeit hätte ich gesagt: Geben Sie jedem zweihundert Franken über seinen Lohn, aber die Zeiten sind ungünstig, meine Freunde, und das wenige Geld, das mir übrig bleibt, ist nicht mehr mein Eigentum; entschuldigt mich also und liebt mich darum nicht minder!

Penelon zeigte eine gerührte Miene, er wandte sich gegen seine Gefährten um, sprach einige Worte mit ihnen, kam dann zurück und sagte: Was das betrifft, Herr Morel, was das betrifft . . .

Nun?

Nun, Herr Morel, die Kameraden meinen, sie hätten für den Augenblick mit fünfzig Franken jeder genug, und sie könnten mit dem Reste warten.

Ich danke, meine Freunde, rief Herr Morel, tief erschüttert, ihr seid brave Leute; aber nehmt nur, nehmt, und wenn ihr einen guten Dienst findet, tretet ein, ihr seid frei.

Diese letzten Worte brachten eine wunderbare Wirkung auf die Matrosen hervor; sie schauten einander mit bestürzter Miene an. Penelon, dem es an Atem fehlte, hätte beinahe seinen Kautabak verschluckt; zum Glück fuhr er zu rechter Zeit mit der Hand an seine Zunge.

Wie, Herr Morel! sagte er mit zusammengepreßter Stimme, wie? Sie schicken uns weg, Sie sind also unzufrieden mit uns?

Nein, Kinder, erwiderte der Reeder, nein, ich bin nicht unzufrieden mit euch, im Gegenteil; nein, ich schicke euch nicht weg. Aber was wollt ihr, ich habe kein Schiff mehr, und bedarf folglich auch keiner Matrosen.

Wie? Sie haben keine Schiffe mehr? rief Penelon; wohl, Sie lassen andere bauen, und wir warten.

Ich habe kein Geld mehr, um Schiffe bauen zu lassen, Penelon, entgegnete Herr Morel traurig lächelnd; ich kann also euer Anerbieten nicht annehmen, so freundlich es auch ist.

Wohl, wenn Sie kein Geld haben, so dürfen Sie uns nicht bezahlen, wir machen es, wie es der arme Pharao gemacht hat, wir laufen aufs Trockene.

Genug, genug, meine Freunde, erwiderte Herr Morel, dem vor Rührung beinahe die Sprache versagte. Wir werden uns in besseren Zeiten wiederfinden. Emanuel, begleiten Sie diese braven Leute, und seien Sie dafür besorgt, daß meine Wünsche erfüllt werden.

Also wenigstens auf Wiedersehen, nicht wahr, Herr Morel? versetzte Penelon.

Ja, meine Freunde, ich hoffe wenigstens; geht!

Auf ein Zeichen seiner Hand marschierte Cocles voran. Die Matrosen folgten dem Kassierer, und Emanuel folgte den Matrosen.

Nun laßt mich einen Augenblick allein, sagte der Reeder zu seiner Frau und zu seiner Tochter, ich habe mit diesem Herrn zu sprechen.

Und seine Augen richteten sich auf den Vertreter des Hauses Thomson und French, der während des beschriebenen Auftritts unbeweglich in seiner Ecke stehen geblieben war. Die Frauen schauten den Fremden an, den sie völlig vergessen hatten, und entfernten sich sodann; nur die Tochter warf im Weggehen dem Engländer einen inständig bittenden Blick zu, den er mit einem Lächeln erwiderte. Die Männer blieben wieder allein.

»Nun«, sagte Morel, »Sie haben alles gesehen und gehört, und ich habe Ihnen nichts mehr mitzuteilen.«

»Ich habe gesehen, mein Herr«, erwiderte der Engländer,»daß Ihnen ein neues Unglück, so unverdient als die anderen, widerfahren ist, und das hat mich in meinem Wunsche, Ihnen angenehm zu sein, bestärkt.«

»Oh! mein Herr . . .«

»Ich bin einer von Ihren Hauptgläubigern, nicht wahr?«

»Sie sind wenigstens der, welcher die Wechsel kürzester Sicht von mir in Händen hat. Eine Fristverlängerung könnte mir die Ehre und folglich das Leben retten.«

»Wieviel verlangen Sie?«

»Zwei Monate«, sagte Morel zögernd.

»Gut«, sagte der Fremde, »ich gebe Ihnen drei«.

»Doch glauben Sie, daß das Haus Thomson und French . . . ?«

»Seien Sie unbesorgt, ich nehme alles auf mich . . . Wir haben heute den 5. Juni. – Schreiben Sie also alle diese Papiere auf den 5. September um, und an diesem Tage um elf Uhr morgens werde ich mich bei Ihnen einfinden.«

»Ich werde Sie erwarten, mein Herr, und Sie sollen Bezahlung erhalten, oder ich bin tot.«

Diese letzten Worte sprach Morel so leise, daß sie der Fremde nicht hören konnte. Die Papiere wurden umgeschrieben, die alten zerrissen, und der arme Reeder hatte wenigstens drei Monate vor sich, um seine letzten Mittel aufzubieten. Der Engländer empfing seinen Dank mit dem seiner Nation eigentümlichen Phlegma und nahm von Morel Abschied, der ihn unter Segnungen bis an die Tür zurückführte. Auf der Treppe traf er Julie; das Mädchen tat, als ob es hinabginge, aber es wartete auf ihn.

»Oh! Herr . . .« rief Julie die Hände faltend.

»Mein Fräulein«, sagte der Fremde, »Sie werden eines Tages einen Brief, unterzeichnet . . . Simbad der Seefahrer . . ., erhalten. Tun Sie Punkt für Punkt, was der Brief sagt, so seltsam Ihnen auch die Aufforderung erscheinen mag.«

»Gut, mein Herr«, erwiderte Julie.

»Versprechen Sie es mir?«

»Ich schwöre es Ihnen.«

»Leben Sie wohl, mein Fräulein; bleiben Sie stets ein gutes, frommes Mädchen, und ich hoffe, Gott wird Sie dadurch belohnen, daß er Ihnen Herrn Emanuel zum Gatten gibt.«

Julie stieß einen leichten Schrei aus, wurde rot wie eine Kirsche und hielt sich am Geländer, um nicht zu fallen. Der Engländer entfernte sich mit einer Verneigung. Im Hofe begegnete er Penelon; dieser hatte eine Rolle von hundert Franken in der Hand und schien sich nicht entschließen zu können, das Geld fortzutragen.

»Kommt, Freund«, sagte der Engländer zu ihm, »ich habe mit Euch zu sprechen«.


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