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In Spanien und Portugal hatten die Jesuiten ihr eigenes Glück zum gefährlichsten Feind, weil sie es ohne Scham und Scheu mißbrauchten. Indessen schadete ihnen der Mißbrauch, welchen sie von ihrem Glücke machten, in Spanien weniger als in Portugal, und zwar aus dem Grunde, weil derselbe in dem ersteren Lande weniger öffentliches Ärgernis erregte, dann auch, weil sie in Portugal stets Feinde des Nationalinteresses waren. In Spanien dagegen verschwand ihr geheimes Treiben in jenem großen Geheimnis, welches ganz Spanien vor den Augen der übrigen Welt bedeckte; ihre geistliche Tyrannei verschmolz mit der politischen der spanischen Könige, deren Interessen die Jesuiten ja überall so eifrig verfochten. Aber eben das sogenannte spanische Interesse (nämlich das Streben Philipps II. nach einer Universalmonarchie) hatte die wahren Interessen Spaniens selbst zu vernichten geholfen; Spaniens Schätze, so reichlich sie aus der neuen Welt zuflossen, waren verschwendet, Spaniens Wohlstand war unter dem Druck der Unduldsamkeit erschöpft, und Spaniens Volk, so edel von Anlagen, so groß und herrlich durch den Ruhm früherer Taten, – es hatte unter dem geistlichen Joch sein Nationalgefühl fast vergessen. So stand die spanische Macht, welche zur Zeit, da Philipp II. den Thron bestieg, ein Schreckbild für alle europäischen Staaten gewesen, im Lauf der Zeiten nur wie eine aufrecht gestellte königliche Leiche da, mit dem Purpur verhüllt, daß man die Farbe des Todes nicht gewahr werden solle, und unter dem verhüllenden Purpur bewegten Mönche die steifen Arme des Leichnams, um diesem den Schein des Lebens zu geben. Die Nation schwieg, weil sie die gleichmäßig fortdauernde Bewegung der Maschine empfand, vor welche sie so lange gespannt war.
Anders verhielt es sich in Portugal, dort kamen die Ränke der Jesuiten bei weitem mehr ans Tageslicht. Und zwar gleich nach dem Tode ihres königlichen Freundes und Gönners Johann III. Sie erzogen den unmündigen Thronfolger Don Sebastian, gaben ihm einen Pater aus ihrem Orden zum Beichtvater und gewannen dadurch einen solchen Einfluß, daß sie alle Staatsämter mit den Ihrigen besetzen konnten. Zugleich kränkten und beleidigten sie die Königin Großmutter, welche die Regentschaft führen sollte, so lange, bis sie ihr Amt 1562 dem Kardinal Infant Don Heinrich übergab, einem Schwächling, welcher alles tat, was die Jesuiten wollten. Als Don Sebastian 1568 für volljährig erklärt ward, überschritt ihre Herrschaft vollends alle Schranken; im spanisch-österreichischen Interesse verhinderten sie die Vermählung Sebastians mit einer französischen Prinzessin, und endlich veranlaßten sie denselben zu einem Krieg mit den Mauren in Afrika, in welchem der junge Fürst (1578) blieb. Nun wurde der alte Kardinal Don Heinrich König von Portugal; aber schon hatte Philipp II. von Spanien beschlossen, jenes Land in Besitz zu nehmen, und eifrig unterstützten ihn dabei die Jesuiten. Als nun Heinrich 1580 starb, eroberte Philipp II. Portugal, und natürlich erhielten die Jesuiten abermals den größten Einfluß. Das Volk verfluchte die Fremdherrschaft; aber sein Grimm war ohnmächtig; die Jesuiten und die spanische Inquisition entnervten den Nationalgeist, und in Folge der Verbindung mit Spanien mit fortgerissen in den Kampf gegen die Niederlande, verlor Portugal den größten Teil seiner Besitzungen in Ostindien. Mittlerweile wurde das moralische Verderbnis der Jesuiten in Portugal immer größer, und bald zeigte es sich auch, daß sie, durch ihr Glück übermütig geworden, nicht länger mehr bloß unterm Schutz des spanischen Interesses, sondern selbstständig über die Portugiesen herrschen wollten. Besonders war dies der Fall während der Regierung Philipps IV. (1621 – 1665). Da gelang es ihnen, einen Mann, welcher zwei Jesuiten zu Brüdern hatte, an die Spitze der Inquisition für Portugal zu bringen. Die traurigste Folge, welche dieses Ereignis für die Nationalliteratur und also auch für den Nationalgeist Portugals hatte, war die Einführung der römisch-päpstlichen Zensur, unter der furchtbaren Kontrolle des Inquisitionsgerichts.
Indessen hatte der unerträgliche Druck, welchen die spanische Verwaltung durch Steuerauflagen und Beamtenwillkür über Portugal ausübte, dort naturgemäß allmählich das Nationalgefühl wieder geweckt und ein Entgegenstreben hervorgebracht, welches endlich die Fremdherrschaft zerbrach. Im Jahre 1640 wurde Herzog Johann aus dem alten Hause Braganza als König ausgerufen, und die Reichsstände erklärten ihn 1641 als Johann IV. zum rechtmäßigen Beherrscher Portugals. Die Jesuiten fügten sich den Umständen, wünschten dem neuen Monarchen Glück zu seiner Erhebung und wußten sich dessen volles Vertrauen gar bald im höchsten Grade zu erwerben. Er übergab ihnen sogar seinen Sohn Theodos zur Erziehung, welchen sie streng nach ihren Grundsätzen heranbildeten; doch der Prinz starb. Nach dem Tode des Königs Johann IV. (1656) überließ sich dessen Witwe, Louise, welche für ihren minderjährigen Sohn Alfons VI. die Regentschaft führte, gänzlich dem Einfluß der Jesuiten. Als Alfons VI., ein roher, unsittlicher Jüngling, 1662 die Regierung übernahm, sahen die Jesuiten ein, daß ihre Herrschaft ein Ende nehmen müßte, wenn er auf dem Throne bliebe: denn er haßte sie. Deshalb beteiligten sie sich bei einer Verschwörung seines ehrgeizigen Bruders Don Pedro und seiner Braut, der Prinzessin von Nemours, um Alfons vom Throne zu stoßen. Der Anschlag gelang. Alfons VI. wurde 1667 in seinem Palast gefangen genommen, Don Pedro Regent und seit 1683 König von Portugal. Natürlicherweise begünstigte dieser seine Verbündeten, die Jesuiten, zu hohen Staatswürden. Und in der Tat, sie rechtfertigten dies Vertrauen auf ihre Staatsklugheit und bewerkstelligten 1673 eine Finanzspekulation, in deren Folge die Juden von der grausamen Verfolgung des Inquisitionsgerichts gegen große Geldsummen befreit wurden, durch diese letzter konnte man nun die Kosten zur Wiedereroberung der portugiesischen Kolonien in Amerika bestreiten. Nun wurden die Besitzungen Portugals in Brasilien bis an den Platastrom erweitert. Die Jesuiten aber benutzten diese Gelegenheit, um auch ihre Missionen mächtig auszudehnen.
Hier ist nun der geeignete Ort, von den Missionen der Jesuiten in fremden Weltteilen zu erzählen.
Voll edler Begeisterung hatte Franz Xaver, wie schon im zweiten Kapitel erzählt worden ist, im äußersten Asien Bahn für die Ausbreitung des Christentums, besonders in Japan gebrochen. Seine Ordensbrüder eiferten seinem erhabenen Beispiel unverdrossen nach, und bald staunte ganz Europa über die Berichte der Jesuiten aus Asien, wie viele Seelen dort durch ihre Bemühungen alljährlich für das Christentum gewonnen wurden. Freilich verbanden die Jesuiten mit diesen Bekehrungen auch ihre selbstsüchtigen Zwecke, nämlich Ausbreitung ihres Handels und ihrer Herrschaft; freilich duldeten sie bei jenem frommen Geschäfte – eben wegen ihrer weltlichen Nebenabsichten – keine Einmischung andrer geistlichen Orden; die Hauptsache aber, nämlich die Verbreitung christlicher Religionsbegriffe, bleibt immer ein großes Verdienst, welches dem Jesuitenorden nie abgestritten werden kann. Die Jesuiten gingen dabei meistens mit größter Schonung gegen die landesüblichen Religionsbegriffe, Sitten und Bräuche zu Werke; das hat man ihnen häufig zum Vorwurf gemacht; aber ebenso gingen auch die ersten Verbreiter des Christentums in Deutschland zu Werke, und gewiß war jene Manier für die tiefere Begründung des Christentums in Asien viel klüger berechnet und vorteilhafter, als wenn die Jesuiten das Christentum mit Feuer und Schwert eingeführt hätten, wie es z. B. die Dominikaner so oft getan haben. Inzwischen war auch das Handelsinteresse der Portugiesen zu innig mit den jesuitischen Bekehrungen in China verknüpft, als daß die Holländer, nachdem sie einmal auch einen Handelsweg nach Japan gefunden hatten, es ruhig hätten mit ansehen können. Die Eifersucht der letzteren gab dem Handel der Portugiesen und den Missionen der Jesuiten in Japan den ersten Stoß. Und in der ersten Hälfte des 17ten Jahrhunderts brach in Japan eine allgemeine Christenverfolgung aus, bei welcher zahllose Neubekehrte ihre Treue für den Glauben Jesu mit unglaublicher Standhaftigkeit durch Folterleiden und Märtyrertod besiegelten.
Um die Ausbreitung des Christentums in China machte sich besonders der Pater Matthäus Ricci (vom J. 1581 an) hochverdient. Seine Gelehrsamkeit, sowie die seiner Ordensbrüder, verschaffte dem Orden in China großes Ansehen; Pater Ricci starb 1619, berühmt und allgemein betrauert. Fünf Jahre später erging über die Christen in China eine große Verfolgung; danach erhob sich jedoch die Macht der Jesuiten dort zu einem neuen Glanz, und zwar um die Mitte des 17ten Jahrhunderts, vorzüglich durch die wissenschaftlichen Verdienste des Jesuiten Adam Schall, eines ausgezeichneten Mathematikers. Den Berichten der Jesuiten verdankte man (wie bereits erwähnt worden) in Europa lange Zeit die wichtigsten wissenschaftlichen Nachrichten über das merkwürdige Kaiserreich im äußersten Osten Asiens, Verdienste, welche manche Fehler, die sie sich dort selbst zuschulden kommen ließen, bei weitem überwiegen. Auch hat sich dort durch die Jesuiten unter allen Wechselfällen späterer Zeiten immer ein Kern des Christentums erhalten.
In Südamerika, nämlich in dem spanischen Gebiet von Paraguay, gründeten sich die Jesuiten ein eigenes Reich. Sie kamen zuerst im Jahre 1586 in jene Gegenden, um den wilden Ureinwohnern dort das Christentum zu predigen. Aber alle ihre Bemühungen wurden größtenteils dadurch wieder vereitelt, daß die Spanier, welche dort Niederlassungen begründet hatten, die Eingeborenen wie Sklaven behandelten und durch rohe Willkür auch den Christusglauben, den sie bekannten und ihnen aufdrängen wollten, verhaßt machten. Als die Jesuiten dies erkannten, stellten sie es dem König von Spanien ohne Hehl vor und machten ihm den Vorschlag, daß die spanischen Statthalter abgeschafft und dagegen sie – nämlich die Jesuiten – ermächtigt werden sollten, dort ständig zu wohnen und die Oberaufsicht über die von ihnen zu bekehrenden Wilden zu führen, auf daß diese in Ruhe und Eintracht, wie die ersten Christen, leben könnten; der König von Spanien aber sollte immer ihr Oberherr bleiben. König Philipp III. bewilligte diesen Plan, und bald machten sich die jesuitischen Missionare ans Werk. Mit Liebe und Sanftmut gewannen sie die wilden Herzen der Eingeborenen, bekehrten sie zum christlichen Glauben und flößten ihnen Sinn für Gesittung und geselliges Zusammenleben ein. Sie lehrten sie, Häuser zu bauen, das Recht zu begreifen und Gesetze zu achten; sie brachten ihnen alle Segnungen der europäischen Kultur, Künste und Wissenschaften; sie wurden ihre Freunde und Wohltäter; sie gründeten einen Freistaat, dessen unsichtbares Oberhaupt Gott selber war. Aber nur zu bald artete dies rein menschliche Verhältnis der Jesuiten zu ihren geistlichen Söhnen aus; sie konnten den Verlockungen der Herrschsucht nicht widerstehen und benutzten die hohe Verehrung der Bewohner Paraguays zum weltlichen Vorteil des Ordens. So hatten sie die Einrichtung getroffen, daß niemand Privateigentum besaß; alle Früchte des Fleißes wurden in großen Vorratshäusern aufbewahrt, aus welchen die Jesuiten jedem einzelnen das austeilten, was er zum Lebensunterhalt brauchte. Übrigens zogen sie aus den Anpflanzungen, besonders aus der des sogenannten »Krautes von Paraguay« (eines Heilmittels), woraus sie einen einträglichen Handelsartikel machten, ungeheure Summen. Santa Fe, Buenos Ayres und Tukuman waren die Hauptplätze ihres Handels in Paraguay. Eifersüchtig auf diese ihre Herrschaft, schlossen sie dieselbe vor den Blicken jedes Fremden, besonders aber aller Spanier, streng und sorgfältig ab, verboten jede Gemeinschaft ihrer Untertanen mit diesen, sie verhinderten sogar die Einführung der spanischen Sprache und erhielten sorgfältig die Landessprache der Eingeborenen, das »Guareni«; außerdem übten sie das Volk von früher Jugend an in den Waffen und hielten alle Zugänge des Landes wohl befestigt gegen alle Angriffe; kurz sie bewiesen bei der Regierung ihres kleinen Reiches in Paraguay eine Politik, wie sie wenigen Monarchen in gleicher Vollkommenheit eigen sein mag. Zu Ehren der Wahrheit sei gesagt, daß sie dabei einen wichtigen Punkt nicht vergaßen, auf welchem alles Glück der Untertanen beruht, nämlich die Sittlichkeit. Durch den erhabenen Einfluß der Religion brachten sie es dahin, daß in ihrem Staate Eintracht, Keuschheit und Mäßigkeit als Haupttugenden aufrecht blieben. So bestand dies Jesuitenreich lange Jahre hindurch, wie eine unbekannte kleine Welt, streng abgeschlossen und wohl verteidigt, als eine der ergiebigsten Fundgruben, woraus dem Orden die zahlreichen Geldmittel zuflossen, welche er in Europa brauchte, um dort bald einen Minister, bald eine Mätresse zugunsten der Gesellschaft zu bestechen, um Bekehrungen einflußreicher Männer durch seine Kreaturen zu erwirken, um seine Spione zu bezahlen, um seinen bedrängten Mitgliedern aufzuhelfen und um allen jenen äußeren Prunk zu bestreiten, wodurch er die Phantasie immer blendete und betäubte. Außerdem besaßen die Jesuiten auch in den portugiesischen Provinzen Brasilien und Maragnon eine ausgedehnte Macht.