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Schloß Berg

Ein Nebelsee quillt rauchend aus der Aue,
Und duft'ge Wolken treiben durch den Raum,
Kaum graut ein Punkt im Osten noch, am Taue
Verlosch des Glühwurms kleine Lampe kaum;
Horch, leises, leises Zirpen unterm Dache
Verkündet, daß bereits die Schwalbe wache,
Und um manch Lager schwebt ein später Traum.

Die Stirn gelehnt an meines Fensters Scheiben,
Schau immer ich zur wolk'gen Flut hinein,
Und an die Wölkchen, die dort lichter treiben,
Mein Blick hängt unverwendet an dem Schein.
Ja, dort! dort wird nun bald die Sonne steigen,
Mir ungekannte Herrlichkeit zu zeigen;
Dort ladet mich der Schweizermorgen ein.

So steh' ich wirklich denn auf deinem Grunde,
Besungnes Land, von dem die Fremde schwärmt?
Du meines Lebens allerfrühste Kunde
Aus jener Zeit, die noch das Herz erwärmt,
Als Eine, nie vergessen, doch entschwunden,
So manche liebe hingeträumte Stunden
An allzu teuren Bildern sich gehärmt.

Wenn sie gemalt, wie malet das Verlangen
Die Felsenkuppen und den ew'gen Schnee,
Wenn um mein Ohr die Alpenglocken klangen,
Vor meinem Auge blitzte auf der See,
Von Schlosses Turm, mit zitterndem Vergnügen
Ich zahllos sah die blanken Dörfer liegen,
Der Königreiche vier von meiner Höh'.

Mich dünkt, noch seh' ich ihre blauen Augen,
Die aufwärts schaun mit heiliger Gewalt,
Noch will mein Ohr die weichen Töne saugen,
Wenn echogleich sie am Klavier verhallt,
Und drunten, wo die lichten Pappeln wehen,
Noch glaub' ich ihrer Locken Wald zu sehen
Und ihre zarte, schwankende Gestalt.

Wohl war sie gut, wohl war sie klar und milde,
Wohl war sie allen wert, die sie gekannt!
Kein Schatten haftet an dem reinen Bilde,
Man tritt sich näher, wird sie nur genannt
Und über Tal und Ströme schlingt aufs neue,
Um alles, was sie einst umfaßt mit Treue,
Aus ihrem Grabe sich ein festes Band.

Ihr, ruhend noch in dieser frühen Stunde,
Verehrter Freund und meine teuren Zween,
Emilie und Emma, unserm Bunde
Wohl mag Euch lächelnd sie zur Seite stehn.
Ich weiß es, denkend an geliebte Toten,
Habt ihr der Fremden eure Hand geboten,
Als hättet ihr seit Jahren sie gesehn.

So bin ich unter Euer Dach getreten,
Wie eines Bruders Schwelle man berührt,
Eu'r gastlich Dach, wo frommer Treu im steten
Gefolge aller Segen wohl gebührt,
Wo Frieden wohnt was kann man Laut'res sagen?
Mag Mailands Krone denn ein Andrer tragen,
Nebst seinem Zepter, das Ihr einst geführt.

Schlaft wohl, schlaft sanft! – indem ich steh' und lausche
Nach jedem Flöckchen, das dort rötlich weht;
Ist's nicht, als ob der Morgenwind schon rausche?
Wie's drüben wogt und rollt und um sich dreht!
Es breitet sich, es sinkt und überm Schaume,
Was steigt dort auf? ein Bild aus kühnem Traume!
O Säntis, Säntis, deine Majestät!

Bist du es, dem ringsum die Lüfte zittern?
Du weißes Haupt mit deinem Klippenkranz,
Ich fühle deinen Blick die Brust erschüttern,
Wie überm Duft du riesig stehst im Glanz
Ja, gleich der Arche über Wogengrimmen,
Seh' ich in weiter Wolkenflut dich schwimmen;
Im weiten, weiten Meere einsam ganz.

Doch nein! – Dort blickt – dort taucht es aus den Wellen!
Cäsapiana hebt die Stirne bleich
Dort taucht der Glärnisch auf, dort seh' ich's schwellen
Und Zack an Zack entragt der Flut zugleich!
O Säntis! wohl mit Recht trägst du die Krone,
Da sieben Fürsten stehn an deinem Throne,
Und unermeßlich ist dein luftig Reich.

Und sieh! Tirol auch sendet seine Zeichen,
Es blitzt dir seine kalten Grüße zun
Welch' Hof ist wohl dem deinen zu vergleichen,
Mein grauer stolzer Wolkenkönig du!
Die Sonne steigt, schon Strahl auf Strahl sie sendet,
Wie's droben funkelt! wie's das Auge blendet!
Und drunten alles Dämmrung, alles Ruh'.

So sah ich, unter Märchen eingeschlafen,
In Traume einst des Winterfürsten Haus,
Den Eispalast, wo seinen goldnen Schafen
er täglich streut das Silberfutter aus;
Ja, in der Tat, sie sind hinabgezogen,
Die goldnen Lämmer, und am Himmeisbogen
Noch sieht man schimmern ihre Wolle kraus.

Doch schau! ist Ebbe in dies Meer getreten?
Es sinkt es sinkt und schwärzlich über'n Duft
Streckt das Gebirge nun, gleich Riesenbeeten,
Die waldbedeckten Kämme in die Luft;
Ha! Menschenwohnungen an allen Enden!
Fast glaub' ich, Gais zu sehn vor Fichtenwänden,
Versteckt nicht Weisbad jene Felsenkluft?

Und immer sinkt es, immer zahllos steigen
Ruinen, Schlösser, Städte an den Strand,
Schon will der Bodensee den Spiegel zeigen
Und wirft gedämpfte Schimmer übers Land,
Und nun verrinnt die letzte Nebelwelle,
Da steht der Äther, goldenrein und helle!
Die Berge möcht' man greifen mit der Hand.

Wüßt' ich die tausend Punkte nur zu nennen,
Die drüben lauschen aus dem Waldrevier,
Mich dünkt, mit freiem Auge müßt' ich kennen
Den Sennen, tretend aus der Hüttentür;
Ob meilenweit, nicht seltsam würd' ich's finden,
Säh' in die Schluchten ich den Jäger schwinden
Und auf der Klippe das verfolgte Tier.

So klar, ein stählern Band, die Thur sich windet,
Ja! wie ich lauschend steh' von meiner Höh',
Ein einz'ger Blick mir zwölf Kantone bindet,
Ja! drüben zitternd ruht der Bodensee,
Wo längs dem Strand die Wimpel lässig gleiten,
Vier Königreiche seh' ich dort sich breiten
Erfüllt ist alles ohne Traum und Fee.

Mein freier stolzer Grund, dich möcht' ich nennen
Mein kaiserlich'; mein königliches Land!
Das Höchste muß ich deinen Bergen gönnen,
Doch Liebres ich in deinen Tälern fand;
Was klinkt an meiner Tür nach Geisterweise?
Horch: »Guten Morgen, Nette«, flüstert's leise,
Und meine Emma bietet mir die Hand!


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