Denis Diderot
Die Nonne
Denis Diderot

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Vorwort

Der vorliegende Roman, »Die Nonne« von Denis Diderot, erregte, als er in Frankreich zur Veröffentlichung gelangte, einen Sturm der Entrüstung. Ganz besonders war es die hohe und niedere Geistlichkeit, welche sich in Schmähungen und Verwünschungen gegen den Verfasser nicht genug thun konnte und diesen gar zu gerne dem Scheiterhaufen überliefert hätte – wenn er nicht schon vorher gestorben wäre. Denn erst im Jahre 1793, nachdem der Sturmwind der Revolution die Privilegien des Adels und des Klerus hinweggefegt, erschien der Roman »Die Nonne« mit verschiedenen anderen Schriften Diderots im Druck; doch ist anzunehmen, daß das Werk etwa um dreißig Jahre früher entstand und handschriftlich wie auch durch Vorlesungen in den den Enzyklopädisten nahe stehenden Kreisen bekannt war.

Wie fast allen Werken Diderots liegt auch diesem Werke eine Thatsache zu Grunde. Im Jahre 1757 strengte eine Nonne des Klosters Longchamp einen Prozeß gegen ihre Eltern an, die sie gezwungen hatten, den Schleier zu nehmen. Der damals noch allmächtige Klerus verstand es, alle Versuche des unglücklichen Opfers, sich dem ihm aufgedrungenen Berufe zu entziehen, zu unterdrücken, und selbst der von der Unglücklichen in Scene gesetzte öffentliche Skandal hatte keine andere Wirkung, als der Ärmsten eine noch schlimmere Behandlung zu verschaffen, die in ihrer ausgesuchten Grausamkeit vor den gewagtesten Mitteln nicht zurückschreckte. Aber trotz aller Vertuschungsversuche der Geistlichkeit drang doch einiges von dem Prozeß in die Öffentlichkeit; einige wohlwollende Leute bemächtigten sich der Sache; doch all ihr Bemühen war vergeblich, die Unglückliche blieb in den Händen der Geistlichkeit, und wer weiß unter welch körperlichen und seelischen Martern man sie in majorem Dei gloriam zu Tode gemartert hat.

Diesen Stoff hat Diderot im ersten Teile seines Romans behandelt, während der zweite einer genauen Schilderung der in den Klöstern herrschenden Unsittlichkeit gewidmet ist. Die Beschreibung der unsittlichen Scenen hat dem Buche den Vorwurf der Frivolität eingetragen, doch mit Unrecht, denn der Verfasser hat dieselben nicht als Selbstzweck, sondern nur zur Schilderung der in den Klöstern herrschenden Sittenlosigkeit benutzt. Selbst Schlosser, der in seinen Urteilen über die französische Litteratur oft recht schroffe und herbe Meinungen abgegeben hat, sagt in seiner Geschichte des 18. Jahrhunderts, dritter Zeitraum, zweiter Abschnitt, zweites Kapitel:

»Die Geschichte ist so genau aus den Erfahrungen jener Zeit und dem, was alle Tage in gewissen Familien vorging, entlehnt, daß man wirkliche Denkwürdigkeiten zu lesen glaubt. Jede fühlende Seele schaudert, wie innig ergriffen und von Rührung durchdrungen, sie muß einen Zustand des Staats und der Kirche verabscheuen, der Dinge, wie die hier erzählten, möglich machte. Diderot hat mit einer bewunderungswürdigen Kunst die Erzählung von Anfang bis zum Ende so durchgeführt, daß er nie aus dem Tone gefallen ist. Das Klosterleben und Klosterwesen der Zeit kurz vor der Revolution ist in keinem Buche mit mehr Wahrheit und Lebendigkeit geschildert, als in diesem Roman.«

Der Übersetzer hat sich bemüht, dem Originale ganz getreu zu folgen, nur einige Stellen, die gewisse Längen enthalten, sowie die durchaus überflüssigen Obscönitäten sind dem Rotstift zum Opfer gefallen. Diese Streichungen sind um so berechtigter, als das Werk dadurch nur an Knappheit und Schärfe gewinnt, auch ging Diderot selbst mit einem Plan der Umarbeitung der »Nonne« um, ein Plan, der wohl nur infolge seines Todes nicht zur Ausführung gelangte.

Der Übersetzer.



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