Charles Dickens
David Copperfield - Teil 1
Charles Dickens

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Einundzwanzigstes Kapitel.

Die kleine Emilie.

In dem Hause von Steerforths Mutter war ein Bedienter angestellt, wie ich hörte, gewöhnlich im Dienst des jungen Herrn und von ihm auf der Universität in Dienst genommen. Dem Äußern nach war er ein Muster von Respektabilität. Ich glaube nicht, daß es jemals in solcher Stellung einen respektabler aussehenden Mann gegeben hat. Er war wortkarg, von leisem Tritt, sehr still in seinem Wesen, ehrerbietig, aufmerksam, immer bei der Hand, wenn er gebraucht, und nie im Wege, wenn er nicht gebraucht wurde: aber sein Hauptanspruch auf Beachtung war seine Respektabilität. Er hatte dabei kein bewegliches Gesicht und sogar einen ziemlich steifen Nacken; einen runden glatten Kopf mit kurzem, aber an den Schläfen dicht anliegendem Haar, eine sanfte Stimme und eine eigentümliche Art, den Buchstaben S so deutlich zu lispeln, daß er ihn öfter zu gebrauchen schien als jeder andere Mensch; aber jede Eigentümlichkeit, die er hatte, wurde durch ihn respektabel.

Wenn seine Nase verkehrt gestanden hätte, so hätte bei ihm auch diese Eigentümlichkeit respektabel ausgesehen. Er umgab sich mit einer wahren Atmosphäre von Respektabilität, und ging sicher in ihr einher. Es wäre ganz unmöglich gewesen, ihm wegen dieser seiner Respektabilität etwas Unrechtes zuzutrauen. Niemand hätte es gewagt, ihn in eine Livree zu stecken, so ungemein respektabel sah er aus. Ihm eine niedrige Arbeit zuzumuten, hätte eine mutwillige Verletzung der Gefühle eines hochachtbaren Mannes bedeutet, und wie ich merkte, empfanden das die weiblichen Dienstboten im Hause unwillkürlich, denn sie besorgten derartige Arbeiten selbst, während er dabei am Kamin der Schrankstube die Zeitung las.

Ein so zurückhaltender Mann war mir noch nie vorgekommen. Aber durch diese, wie durch jede andere seiner Eigenschaften, erschien er nur um so respektabler. Selbst der Umstand, daß niemand seinen Taufnamen kannte, schien zur Hebung seiner Respektabilität beizutragen. Gegen seinen Zunamen Littimer, mit dem er gerufen wurde, war nichts einzuwenden. »Peter« konnte gehängt oder »Tom« deportiert worden sein, aber »Littimer« klang höchst respektabel.

Ich glaube, es rührte von der Ehrfurcht einflößenden Natur der Respektabilität als Begriff her, daß ich mich diesem Manne gegenüber so außerordentlich knabenhaft fühlte. Wie alt er selbst war, konnte ich nicht erraten – und das kam ihm wieder in derselben Hinsicht zu gute; denn in der ruhigen Haltung seiner Respektabilität hätte er ebensogut 50 wie 30 Jahre alt sein können.

Littimer brachte mir morgens, ehe ich aufstand, das vorwurfsvolle Rasiermesser und meine Kleider in das Zimmer. Als ich die Gardinen zurückzog und zum Bett hinausblickte, sah ich ihn, wie er in einer gleichmäßigen Respektabilitätstemperatur, ungerührt von dem winterlichen Ostwinde, und nicht einmal fröstelnd aufatmend, meine Stiefel in die erste Position der Tanzkunst stellte, die Stäubchen von meinem Rock blies und ihn so zärtlich hinlegte, als wäre es ein Wickelkind.

Ich wünschte ihm guten Morgen und fragte, welche Zeit es sei. Er zog eine höchst respektable Savonetteuhr aus der Tasche, drückte nur so wenig an der Feder, daß sich der Deckel nur so wenig öffnete wie eine Austernschale und sah von der Seite nach dem Zifferblatt hinein, als ob er ein orakelkündendes Wesen zu Rate zöge, klappte sie wieder zu und sagte: »Wenn es beliebt, es ist halb neun Uhr. – Mr. Steerforth wird sich freuen zu hören, wie Sie geruht haben, Sir«, setzte er hinzu.

»Ich danke Ihnen,« antwortete ich, »vortrefflich. Befindet sich Mr. Steerforth auch wohl?«

»Ich danke Ihnen, Sir, Mr. Steerforth befindet sich leidlich wohl.« Wieder eine seiner Eigenschaften: – er machte keinen Gebrauch von Superlativen. Immer einen kühlen ruhigen Mittelweg.

»Könnte ich die Ehre haben, noch etwas für Sie zu tun, Sir? Die Frühstücksglocke läutet um neun Uhr; gefrühstückt wird halb zehn.«,

»Ich danke Ihnen; es ist schon gut«, sagte ich.,

»Ich danke Ihnen, wenn Sie erlauben«, erwiderte er; und damit und mit einer leichten Verbeugung, als er vor meinem Bett vorbeiging, wie wenn er für seine Berichtigung um Verzeihung bitten wollte, ging er hinaus, wobei er die Tür so leise und vorsichtig zumachte, als ob ich eben in einen süßen Schlummer gesunken wäre, von dem mein Leben abhing.

Jeden Morgen fand dasselbe Gespräch zwischen uns statt: niemals mehr, und niemals weniger; und dennoch, so weit ich mich infolge von Steerforths Gesellschaft, oder Mrs. Steerforths Vertrauen, oder Miß Dartles Unterhaltung während der Nacht über mich selbst erhoben hatte, oder dem reifen Alter näher gekommen zu sein glauben mochte –, diesem höchst respektabeln Manne gegenüber wurde ich, wie unsere Dichter sagen, wieder zum Kind.

Er besorgte uns Pferde, und Steerforth, der alles konnte, gab mir Reitstunde. Littimer besorgte uns Floretts, und Steerforth lehrte mich das Fechten; er besorgte Handschuhe, und ich begann bei demselben Lehrmeister meine Lektion im Boxen. Es verletzte mich nicht, daß ich Steerforth gegenüber als ein Neuling in allen diesen Wissenschaften erschien, aber nie konnte ich mich entschließen, meinen Mangel an Geschicklichkeit vor diesem respektabeln Littimer zu zeigen. Ich hatte zwar keinen Grund zu glauben, daß Littimer selbst etwas von diesen Künsten verstand, auch nicht durch ein Zucken seiner respektabeln Augenlider ließ er so etwas ahnen: aber so wie er da war, wenn ich mich übte, kam ich mir wie der unerfahrenste und ungeschickteste aller Sterblichen vor.

Ich habe länger bei diesem Manne verweilt, weil er damals einen besondern Eindruck auf mich machte, und wegen späterer Ereignisse.

Die Woche verstrich in der angenehmsten Weise. Wie sich leicht denken laßt, verging sie mir in meinem Entzücken sehr schnell; und doch gab sie mir so viele Gelegenheiten, Steerforth besser kennen zu lernen, und ihn aus tausend Gründen noch mehr zu bewundern, daß mir an ihrem Schluß die Zeit viel länger gewesen zu sein schien. Seine ungenierte, aber liebenswürdige Weise, mich wie ein Spielzeug zu behandeln, war mir angenehmer als jedes andere Benehmen, das er gegen mich hätte zeigen können. Es erinnerte mich an die Zeit unserer früheren Bekanntschaft, es erschien als die natürliche Folge davon. Auch zeigte er mir, daß er noch ganz der alte war, und er enthob mich der Sorge, die ich sonst vielleicht gefühlt hätte, meine geringen Verdienste mit den seinen zu vergleichen und meine Ansprüche auf seine Freundschaft mit gleichem Maßstabe messen zu wollen. Vor allem aber war es ein traulicher, ungezwungener, liebevoller Ton, den er gegen niemand sonst anschlug. Wie er mich auf der Schule anders als alle übrigen behandelt hatte, so glaubte ich beglückt, würde er jetzt zu mir auch anders als zu irgend einem andern Freunde sein. Ich glaubte, daß ich seinem Herzen näher als jeder andere Freund stände, und mein eignes Herz ergab sich ihm in warmer Zuneigung.

Er entschloß sich mit mir in die Provinz zu gehen, und der Tag unserer Abreise erschien. Lange wußte er nicht, ob er Littimer mitnehmen sollte oder nicht, aber zuletzt beschloß er ihn dazulassen. Der respektable Mann, zufrieden mit seinem Geschick, wie es immer ausfallen mochte, befestigte unsere Koffer auf dem kleinen Wagen, der uns aus London bringen sollte, als wären sie bestimmt, dem Sturm der Jahrhunderte zu trotzen, und nahm meine bescheiden dargebotene Erkenntlichkeit in vollkommener Seelenruhe hin.

Wir nahmen von Mrs. Steerforth und Miß Dartle mit vielen Danksagungen von meiner Seite, und vielen Freundschaftsbezeugungen von der Mutter, Abschied. Das letzte, was ich sah, war Littimers unerschütterlicher Blick, in dem ich die schweigende Begutachtung las, daß ich doch noch sehr jung sei.

Meine Empfindungen bei einer so glücklichen Rückkehr zu der alten trauten Umgebung will ich nicht zu beschreiben versuchen. Nach Yarmouth nahmen wir Post. So sehr lag mir die Ehre der Stadt am Herzen, daß ich sehr erfreut war, als Steerforth, wie wir durch die dunkeln Straßen nach dem gewohnten Gasthofe »zum Delphin« fuhren, sagte, es schiene ihm ein gutes, närrisches, abgelegenes Nest zu sein, soweit er sehen könnte. Wir begaben uns nach Ankunft zu Bett, nachdem ich vor meiner ehemaligen Zimmertür ein Paar schmutzige Stiefel mit Gamaschen hatte stehen sehen, und frühstückten zu einer späten Stunde des Morgens. Steerforth, der sehr aufgeräumt war, hatte schon vorher einen Spaziergang am Strande gemacht, und war schon, wie er sagte, mit der Hälfte der Fischerbevölkerung bekannt geworden. Außerdem war er sicher, in der Ferne Mr. Peggottys Haus mit dampfenden Essen gesehen zu haben; er hätte große Lust gehabt, hineinzugehen und sich als Copperfield vorzustellen und zu beteuern, daß ich mich nur so gänzlich verändert hätte,

»Wann wirst du mich dort einführen, Blümchen?« sagte er. »Ich stehe ganz zu deiner Verfügung. Richte es ganz nach deinem Belieben ein.«

»Hm, Steerforth, ich glaube, heute abend wäre eine gute Zeit, wenn sie alle um das Feuer sitzen. Wir müssen hingehen, wenn sie sich alle gemütlich eingerichtet haben, und damit du den Raum recht behaglich findest.«

»Gut!« sagte Steerforth. »Heute abend also.«

»Ich werde ihnen nichts von unserem Hiersein verraten«, bemerkte ich ganz erfreut. »Wir müssen sie überraschen.«

»Natürlich!« sagte Steerforth. »Es wäre kein Spaß dabei, wenn wir sie nicht überraschten. Wir müssen die Eingebornen in ihrem Naturzustande sehen.«

»Wenn sie auch nur ›solche Art Leute‹ sind, wie du dich ausdrücktest!«

»Haha! Du meinst mein Scharmützel mit Rosa!« sagte er und sah mich scharf an. »Zum Kuckuck mit dem Frauenzimmer; manchmal habe ich beinahe Angst vor ihr. Sie kommt mir wie ein Kobold vor. Aber nichts mehr von ihr! – Was willst du denn anfangen? Du wirst natürlich zuerst deine Kinderfrau sehen wollen?«

»Ja,« sagte ich, »Peggotty muß ich vor allen Dingen sehen.«

Steerforth sah nach der Uhr. »Sehen wir den Fall: ich lasse dich auf zwei Stunden fort, daß du dich bei ihr ausweinen kannst, würde das genug sein?«

Ich erwiderte lachend, daß ich glaubte, in dieser Zeit damit fertig zu werden, machte ihm die genauesten Angaben, um die Wohnung von Mr. Barkis, Fuhrmann nach Blunderstone und andern Orten, aufzufinden, und ging dann allein aus. Die Luft war kalt und frisch, der Erdboden hart und trocken, auf dem Meere glänzten kurze krause Wellen; die Sonne goß viel Licht, doch wenig Wärme über die Umgebung aus, und alles war munter und frisch. Ich war selbst so frisch und freudig angeregt in dem Gedanken, wieder hier zu sein, daß ich die fremden Leute auf der Straße hätte anreden und ihnen die Hand geben mögen.

Die Straßen kamen mir natürlich eng und schmal vor, und die Häuser klein und niedrig, wie es wohl immer der Fall ist, wenn wir in reiferm Alter die Umgebung unserer Kinderjahre wiedersehen. Aber ich hatte nichts davon vergessen und fand nichts verändert, bis ich an Mr. Omers Laden kam. Omer und Joram hieß es jetzt, wo früher Omer gestanden hatte; aber die Firma Tuchhändler, Schneider, Putz- und Mützenmacher, Leichenbesorger usw. prangte noch in unverminderter Vollständigkeit am Hause.

Meine Schritte schienen sich, nachdem ich die Firma gelesen hatte, so natürlich dem Laden zuzuwenden, daß ich über die Straße ging und hineinsah. Im Hintergrunde des Ladens erblickte ich eine hübsche Frau, die ein kleines Kind in ihren Armen schaukelte, während sich ein zweites, etwas größeres, an ihre Schürze klammerte. Unschwer erkannte ich Minnie und ihre Kinder. Die Glastür des Hinterzimmers stand nicht offen, aber aus dem Arbeitsschuppen quer über dem Hofe konnte ich in gedämpften Tönen die alte Weise hören, als ob sie nie aufgehört hätte.

»Ist Mr. Omer zu Hause?« fragte ich, indem ich in den Laden trat. »Ich möchte ihn einen Augenblick sprechen.«

»O ja, Sir, er ist zu Hause,« sagte, Minnie, »bei solchem Wetter erlaubt ihm sein Asthma nicht auszugehen. Joe, rufe den Großvater.«

Der kleine Kerl, der sich an ihrer Schürze festhielt, setzte seine Lunge so wacker in Tätigkeit, daß er sich selbst darüber schämte und sein Gesichtchen in ihrem Kleide versteckte, während die Mutter stolz auf ihn herniedersah. Jetzt hörte ich ein Keuchen und Husten näher und näher kommen, und bald stand Mr. Omer vor mir, kurzatmiger, aber nicht viel älter aussehend als ehedem.

»Dienerchen, Sir«, sagte Mr. Omer. »Was wünschen Sie von mir, Sir?«

»Eine Hand, Mr. Omer, wenn es Ihnen gefällig ist«, sagte ich und bot ihm die meine. »Sie waren einmal sehr gütig gegen mich, und ich glaube nicht, daß ich damals meine Erkenntlichkeit gebührend an den Tag legte.«

»War ich das gegen Sie?« erwiderte der Alte. »Freut mich, das zu hören; kann mich aber nicht darauf besinnen. Wissen Sie es auch ganz gewiß, daß gerade ich es gewesen bin?«

»Ganz gewiß.«

»Ich glaube, mein Gedächtnis wird so kurz wie mein Atem,« sagte Mr. Omer und sah mich kopfschüttelnd an, »denn ich kann mich nicht auf Sie besinnen.«

»Können Sie sich nicht erinnern, wie Sie auf meine Ankunft mit der Eilkutsche warteten, wie ich dann hier frühstückte, und wie ich mit Ihnen nach Blunderstone fuhr – mit Ihnen, mit Mrs. Joram und mit Mr. Joram, der damals Ihre Tochter noch nicht geheiratet hatte?«

»Ach du lieber Himmel!« rief Mr. Omer, nachdem ihm die Überraschung einen Hustenanfall zugezogen hatte, »ist das wirklich wahr? Liebe Minnie, weißt du es noch? Mein Gott, ja – es war für eine Dame, glaube ich?«

»Für meine Mutter«, gab ich zur Antwort.

»Wahr–haf–tig,« sagte Mr. Omer und tupfte mich mit dem Zeigefinger auf die Weste, »und ein kleines Kind war auch dabei. Sie wurden miteinander begraben. Drüben in Blunderstone war's, ganz recht. O Gott, o Gott! Und wie haben Sie sich seitdem befunden?«

»Ganz gut«, sagte ich, und hoffte, daß es mit ihm eben so gewesen sei.

»Nu, ich hätte nicht besonders zu klagen«, sagte Mr. Omer. »Mein Atem wird kurz; er wird aber selten länger mit den Jahren. Ich nehme es so hin und schicke mich darein, wie es geht. Das ist das beste, nicht wahr?«

Mr. Omer hustete wieder infolge seines Lachens, und seine Tochter, die jetzt neben ihm stand und das kleinste Kind auf den Ladentisch gestellt hatte, klopfte ihm auf den Rücken, bis er sich wieder erholt hatte.

»Mein Gott!« sagte Mr. Omer. »Ja wahrhaftig. Zwei Leichen! Auf derselben Fahrt, Sie können mir's glauben, wurde der Hochzeitstag für meine Minnie festgesetzt. »Bestimmen Sie ihn Sir«, sagte Joram. »Ja, bitte, Vater, tue es«, sagte Minnie. Und jetzt ist er mit im Geschäft. Und sehen Sie einmal her! Das Jüngste!«

Minnie lachte und strich sich das Haar an den Schläfen glatt, wie ihr Vater jetzt einen sehr fetten Finger dem Kinde gab, das sie auf dem Ladentisch tanzen ließ.

»Zwei Leichen, natürlich!« sagte Mr. Omer und nickte mit dem Kopfe, seinen Erinnerungen nachgehend. »Ganz richtig! Und Joram arbeitet jetzt gerade an einem grauen mit silbernen Nägeln, noch nicht das Maß« – er meinte das Maß des tanzenden Kindes auf dem Ladentisch, – »es fehlen noch mehr als zwei Zoll. Wollen Sie etwas genießen?«

Ich lehnte dankend ab.

»Warten Sie einmal,« sagte Mr. Omer »– Barkis, dem Botenfuhrmann seine Frau, Peggotty, dem Schiffer seine Schwester – hatte sie nicht etwas mit Ihrer Familie zu tun? War sie nicht bei Ihnen in Diensten?«

Meine bejahende Antwort gereichte ihm sehr zur Befriedigung.

»Ich glaube wahrhaftig, mein Atem wird nächstens auch besser, denn mein Gedächtnis ist stärker geworden«, sagte Mr. Omer. »Denken Sie sich, Sir, wir haben bei uns hier in der Lehre eine junge Verwandte von ihr, die einen so feinen Geschmack im Putzmachen hat – ich glaube, keine Herzogin in ganz England nimmt es mit ihr auf.«

»Doch nicht die kleine Emilie«, sagte ich unwillkürlich.

»Emilie heißt sie,« sagte Mr. Omer, »und klein ist sie auch. Aber ich sage Ihnen, ein Lärvchen hat sie, daß die Hälfte der Weibsen in Yarmouth ganz wütend auf sie ist.«

»Dummes Zeug, Vater!« rief Minnie.

»Meine Liebe,« sagte Mr. Omer, »ich meine dich nicht mit« – er warf mir dabei einen schlauen Seitenblick zu – »ich sagte ja auch nur ›die Hälfte‹ der Weibsen von Yarmouth – und fünf Meilen in der Runde.«

»Dann hätte sie sich nicht überheben sollen, Vater,« sagte Minnie, »und den Leuten keinen Anlaß geben von ihr zu reden, und sie hätten es nicht tun können.«

»Hätten es nicht tun können!« entgegnete Mr. Omer, »hätten es nicht tun können! Ist das deine Lebenserfahrung? Was könnte ein Weibsen nicht tun, wenn es sich um das hübsche Gesicht einer andern handelt?«

Ich glaubte wirklich, es sei mit Mr. Omer vorbei, als er diesem Spaß Worte gegeben hatte. Er hustete so stark, und sein Atem entzog sich so sehr allen Bemühungen, ihn wieder zu erlangen, daß ich in der Tat erwartete, seinen Kopf hinter dem Ladentisch verschwinden und seine kleinen schwarzen Beine mit den halbverschossenen Kniebändern im letzten Todeskampf emporzappeln zu sehen. Endlich erholte er sich wieder, keuchte aber immer noch sehr und war so erschöpft, daß er sich auf den Schemel vor dem Ladenpulte setzen mußte.

»Sehen Sie,« sagte er, indem er sich die Glatze abtrocknete und schwer aufatmete, »sie hat sich hier an niemand angeschlossen, sie hat weder Bekannte noch Freunde gesucht; geschweige denn Liebsten. Natürlich klatschten gleich böse Zungen, Emilie wolle die vornehme Dame spielen. Nun meine ich, das Gerede entstand nur, weil sie manchmal in der Schule gesagt hatte, wenn sie eine vornehme Dame sei, wolle sie deshalb das oder jenes für ihren Onkel tun – verstehen Sie? oder ihm dies oder jenes kaufen.«

»Das hat sie mir tausendmal gesagt, als wir noch beide Kinder waren«, bestätigte ich voll Eifer.

Mr. Omer nickte mit dem Kopfe und rieb sich das Kinn. »Ganz recht. Dann verstand sie es, sich mit sehr geringen Mitteln viel besser zu kleiden als andere mit großem Aufwand, und das machte die Sache schlimm. Außerdem war sie, was manche Leute launenhaft nennen wollen – ich will sagen, was ich launenhaft nennen würde – wußte nicht recht, was sie wollte – ein wenig verzogen, und konnte sich nicht recht in anderer Leute Willen schicken. Mehr kann nicht gegen sie gesagt werden, Minnie?«

»Nein, Vater«, sagte Mrs. Joram. »Nichts Schlimmeres, glaube ich.«

»Als sie daher eine Stelle bekam und einer alten verdrießlichen Dame Gesellschaft leisten sollte, so vertrug sie sich nicht mit ihr und blieb nicht. Endlich kam sie zu uns auf drei Jahre in die Lehre. Zwei davon sind beinahe vorbei, und sie hat sich so gut gehalten wie kein anderes Mädchen. Sie ist sechs andere wert! Minnie, ist sie nicht sechs andere wert?«

»Ja, Vater«, erwiderte Minnie. »Ich werde ihr niemals etwas Unrechtes nachsagen!«

»Sehr gut«, sagte Mr. Omer. »So ist's recht. Und so, junger Herr,« sagte er, nachdem er sich noch ein Weilchen das Kinn gerieben hatte, »damit Sie mich nicht für eben so langatmig wie kurzatmig halten, höre ich auf, weil ich nichts mehr zu sagen habe.«

Da sie das ganze Gespräch in leisem Tone gefühlt hatten, so bezweifelte ich nicht, daß Emilie in der Nähe sei. Als ich jetzt fragte, ob dies dei Fall sei, nickte Mr. Omer bejahend und deutete nach der Tür des Hinterstübchens. Meiner eiligen Frage, ob ich einen Blick hineinwerfen dürfe, wurde keine Einwendung entgegengehalten, und ich sah sie, indem ich durch die Glasscheibe blickte, bei ihrer Arbeit sitzen. Ich sah sie, ein wunderliebes kleines Wesen, die blauen klaren Augen, die einst in mein kindliches Herz geblickt hatten, jetzt lachend einem von Winnies Kindern zugewandt, das in ihrer Nähe spielte. Es lag Mutwillen genug in dem hübschen Gesicht, um zu rechtfertigen, was ich von ihr gehört hatte, aber nichts, was nicht von Reinheit und Glück sprach und auf einen guten und glücklichen Wandel deutete.

Die Weise vom Hofe drüben, die nie aufgehört zu haben schien – ach, es war ja auch die Weise, die auf Erden niemals aufhört – summte leise die ganze Zeit über.

»Wollen Sie nicht hineingehen und mit ihr sprechen?« sagte Mr. Omer. »Gehen Sie hinein und sprechen Sie mit ihr, Sir! Tun Sie, als ob Sie zu Hause wären.«

Ich war zu blöde, um der Aufforderung zu folgen – ich fürchtete, sie in Verlegenheit zu setzen und selbst verlegen zu erscheinen; aber ich erkundigte mich nach der Stunde ihres Fortgehens, um die Zeit unseres Besuchs bei ihren Verwandten danach einzurichten, und nahm Abschied von Mr. Omer und seiner hübschen Tochter und ihren Kindern, um mich zu meiner guten alten Peggotty zu begeben.

Da stand sie in der mit Ziegelsteinen gepflasterten Küche und kochte das Essen! Auf mein Klopfen machte sie mir die Tür auf und fragte, was ich wünsche. Ich sah sie mit einem Lächeln an, aber sie gab das Lächeln nicht zurück; ich hatte nie aufgehört ihr zu schreiben, aber es mußten sieben Jahre sein, daß wir uns nicht gesehen hatten.

»Ist Mr. Barkis zu Hause?« fragte ich mit angenommener rauher Stimme.

»Er ist zu Hause, Sir,« erwiderte Peggotty, »aber er liegt zu Bett, weil er so arges Reißen hat.«

»Fährt er noch nach Blunderstone?«

»Wenn er das Bett verlassen kann«, gab sie zur Antwort.

»Fahren Sie manchmal hinüber, Mrs. Barkis?«

Sie betrachtete mich aufmerksamer, und ich bemerkte ein rasches Gegeneinanderbewegen ihrer Hände.

»Weil ich mich nach einem Hause dort erkundigen möchte, das sie – hm – ja – Krähenhorst nennen«, sagte ich.

Sie trat einen Schritt zurück und streckte in ungewissem Bangen ihre Hände vor sich aus, als wollte sie mich fern halten.

»Peggotty!« rief ich endlich.

Sie rief: »Mein Herzensjüngchen«, und wir brachen beide in Tränen aus und lagen uns in den Armen.

Welche Torheiten sie beging, wie sie abwechselnd lachte und weinte, welchen Stolz, welche Freude sie an den Tag legte, wie sie beklagte, daß sie, deren Stolz und Freude ich hätte sein können, mich nie zärtlich an die Brust hatte schließen können – das kann ich nicht über das Herz bringen zu sagen. Mich quälte nicht der Zweifel, ob es nicht allzu kindlich sei, auf ihre Empfindungen einzugehen. Ich habe nie so von Herzen als an diesem Morgen gelacht und geweint – selbst vor ihr nicht.

»Wie wird sich Barkis freuen,« sagte Peggotty und wischte sich die Augen mit der Schürze, »daß es ihm mehr helfen wird als ganze Töpfe voll Salbe. Soll ich ihm sagen, daß du hier bist? Willst du zu ihm mit hinauf kommen, liebes Kind?«

Natürlich war ich ganz damit einverstanden. Aber Peggotty kam nicht so leicht fort, als sie glaubte, denn so oft sie die Tür erreicht hatte und sich nach mir umsah, kehrte sie wieder um, um mir noch einmal lachend und weinend um den Hals zu fallen. Endlich, um die Sache abzukürzen, begleitete ich sie hinauf, und trat, nachdem ich draußen ein wenig gewartet hatte, um ihr Zeit zu geben, Mr. Barkis auf mein Kommen vorzubereiten, in das Zimmer des Kranken.

Er empfing mich mit unverhohlener Begeisterung. Er war zu gichtisch, um sich die Hand schütteln zu lassen, aber er bat mich, dafür die Troddel an seiner Zipfelmütze zu schütteln, was ich mit großer Herzlichkeit tat. Als ich neben seinem Bette Platz nahm, sagte er, es täte ihm ordentlich wohl, daß ich da sei, und ihm wäre, als ob – – er mich wieder im Botenwagen nach Blunderstone fahre. Wie er so dalag, die Augen gegen die Decke gerichtet und so zugedeckt, daß man nur das Gesicht sah, nahm er sich höchst wunderlich aus: etwa wie ein aus dichten Wolken lugender Cherub.

»Was für einen Namen schrieb ich damals im Wagen an, Sir?« fragte Mr. Barkis mit einem mühsamen Lächeln.

»Ach, Mr. Barkis, wir hatten eine wichtige Unterhaltung über diese Angelegenheit, nicht wahr!« sagte ich.

»War ich nicht lange Zeit willens, Sir!« sagte Mr. Barkis.

»Lange Zeit«, gab ich zur Antwort.

»Und ich bereue es nicht«, sagte Mr. Barkis. »Besinnen Sie sich noch, wie Sie mir einmal erzählten, daß sie alle Apfeltorten machte und das Kochen besorgte?«

»O, recht gut«, bestätigte ich.

»Es war so wahr wie Kohlrüben,« sagte Mr. Barkis und schüttelte die Nachtmütze als einzige für ihn mögliche Bekräftigung, »so wahr wie Steuernzahlen! Und nichts ist so wahr wie das.«

Mr. Barkis wendete seine Augen mir zu, als ob er von mir eine Beistimmung erwartete, und ich gab sie ihm zu erkennen.

»Nichts ist so wahr und wirklich wie Steuernzahlen,« wiederholte Mr. Barkis, »ein so armer Mann, wie ich bin, findet das heraus, wenn er zu liegen kommt, und ich bin ein sehr armer Mann, Sir.«

»Das tut mir sehr leid, Mr. Barkis.«

»Ein sehr armer Mann, Sir, das versichere ich Sie«, wiederholte Mr. Barkis.

Er brachte jetzt langsam seine Hand unter der Bettdecke hervor, und ergriff nach längerem Hin- und Hertappen einen Stock, der neben dem Bette hing. Damit tastete er eine Weile unter dem Bett herum, währenddem sich sein Gesicht vor Schmerz auf die seltsamste Weise verzog, und traf endlich auf ein Kistchen, von dem ich längst ein Ende unter dem Bett vorlugen gesehen hatte. Dann glätteten sich seine Züge wieder.

»Alte Kleider«, meinte Mr. Barkis.

»So?« erwiderte ich.

»Ich wollte, es wäre Geld, Sir«, sagte Mr. Barkis.

»Ich wünschte es Ihnen auch«, gab ich ihm zur Antwort.

»Aber es ist keins drin«, sagte Mr. Barkis und sperrte seine Augen so weit wie möglich auf.

Ich versicherte ihm, daß ich dies vollkommen glaube, und Mr. Barkis fuhr fort, indem er seine Frau mit sanfteren Augen ansah: »Sie ist das nützlichste und beste aller Weiber, C. P. Barkis. Alles Lob, was man der C. P. Barkis nachsagen kann, verdient sie und noch mehr! Meine Liebe, du wirst heute für Gäste kochen: was Gutes zu essen und zu trinken, nicht wahr?«

Ich hätte gegen diesen unnötigen Empfang mir zu Ehren Einwand erhoben, wenn mir nicht Peggotty an der anderen Seite des Bettes Zeichen gemacht hätte, nichts zu sagen. So schwieg ich.

»Ich muß hier irgendwo ein bißchen Geld haben, Frau«, sagte Mr. Barkis, »aber ich bin recht müde. Geh du fort mit Mr. David; will sehen, daß ich ein bißchen schlafen kann. Wenn ich aufwache, will ich sehen, ob ich's finde.«

Seinem Verlangen Folge leistend, verließen wir das Zimmer. Als wir vor der Tür standen, erzählte mir Peggotty, daß Mr. Barkis, der noch genauer war als früher, stets zu dieser List seine Zuflucht nahm, bevor er ein einziges Geldstück aus seinem Schatz hervorholte, und daß er unsägliche Schmerzen erduldete, indem er ohne Beistand aus dem Bette kroch und das Geld aus dem unglücklichen Kasten holte. Wirklich hörten wir ihn jetzt drinnen jämmerlich stöhnen; aber während Peggottys Augen von Teilnahme für ihn feucht wurden, sagte sie zugleich, dieser Aufwand von Freigebigkeit werde ihm gut tun, und es sei besser, ihm nicht entgegenzutreten. So stöhnte er weiter, bis er wieder im Bett war, ohne Zweifel unsägliche Folterqualen leidend; dann rief er uns herein und gab vor, eben von einem erquickenden Schlummer erwacht zu sein, und eine Guinee unter seinem Kopfkissen gefunden zu haben. Das Bewußtsein, uns so glücklich getäuscht und das undurchdringliche Geheimnis der Geldkiste vor uns bewahrt zu haben, schien ihn hinlänglich für die ausgestandenen Qualen zu entschädigen.

Ich bereitete Peggotty auf die Ankunft von Steerforth vor, und er ließ nicht lange auf sich warten. Ich bin überzeugt, es war für sie kein Unterschied, ob er ein persönlicher Wohltäter von ihr oder ein Freund von mir war, und sie würde ihn in dem einen wie in dem andern Falle mit der größten Dankbarkeit und Ergebenheit aufgenommen haben, aber seine heitere, frische Laune, sein offenes, leutseliges Benehmen, sein hübsches Gesicht, seine Gabe, sich in jeden Menschen zu schicken und, wenn er wollte, das herauszufinden, was dem, mit dem er sich unterhielt, am meisten am Herzen lag, gewannen sie in weniger als fünf Minuten. Schon sein Benehmen gegen mich würde ihm ihr Herz gewonnen haben. Aber aus allen diesen Ursachen zusammengenommen betrachtete sie ihn, glaube ich, mit einer Art Verehrung, ehe er uns für den Abend verließ.

Er blieb mit mir zum Essen da: – wenn ich sagte bereitwillig, so würde ich nur unvollkommen seine freudige Beistimmung ausdrücken. Er kam in Mr. Barkis Zimmer wie Luft und Licht und machte es frischer und heiterer als ein gesundes Sommerwetter. Dabei tat er alles ohne Geräusch, ungezwungen und unabsichtlich, vielmehr mit einer unaussprechlichen Leichtigkeit, als könne er es gar nicht anders machen oder habe gar nichts besseres zu tun; und diese Anmut war so natürlich und unwiderstehlich, daß sie mich noch jetzt in der Erinnerung berückt.

Wir verbrachten unsere Zeit in dem kleinen Wohnzimmer, wo das Martyrologium, seit meiner Zeit unberührt, wie ehedem aufgeschlagen, auf dem Pult lag, und als ich jetzt seine schrecklichen Schildereien betrachtete, dachte ich wieder an die Empfindungen, die sie in mir erweckt hatten, aber ich fühlte sie nicht mehr. Als Peggotty erwähnte, was sie mein Zimmer nannte, daß es für mich als Schlafzimmer bereit sei, und daß sie hoffe, ich werde Gebrauch davon machen, da hatte ich kaum Zeit, Steerforth zögernd anzublicken, als er schon die ganze Sache wußte.

»Natürlich«, sagte er. »Solange wir hier bleiben, schläfst du hier, und ich schlafe im Gasthof.«

»Aber dich zu einer so weiten Reise zu bewegen, und sich dann von dir zu trennen, scheint mir schlechte Freundschaft zu sein, Steerforth«, wendete ich ein.

»Aber mein Gott, wohin gehörst du von Rechts wegen!« sagte er. »Was will alles andere dagegen bedeuten?« Damit war es abgemacht.

Er behielt alle seine angenehmen Eigenschaften bis zum letzten Augenblick, wo wir uns – es war um acht Uhr – nach Mr. Peggottys Boot auf den Weg machten! Ja, er wurde noch unwiderstehlicher, je weiter die Stunden vorrückten, denn ich dachte selbst damals und zweifle jetzt noch nicht daran, daß ihm das Gefühl des Erfolgs, bei seinem Wunsch zu gefallen, größeren Scharfblick verlieh und ihn um so leichter erreichen ließ, was er wünschte. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, daß dies alles nur ein blendendes Spiel sei, das er nur der augenblicklichen Erregung wegen spiele, nur um seinen lebhaften Geist zu beschäftigen und rücksichtslos seine Überlegenheit geltend zu machen, daß er nur in leichtsinniger Verschwenderlaune gewinne, was ihm an und für sich wertlos sei und was er im nächsten Augenblick wieder wegwerfe, – ich sage, wenn irgend jemand gegen mich an jenem Abend eine solche Behauptung geäußert hätte, so möchte ich wissen, auf welche Weise sich meine Empörung Luft gemacht hätte!

Wahrscheinlich wäre dadurch nur das romantische Gefühl von Treue und Freundschaft gesteigert worden – wenn das überhaupt noch möglich war – mit dem ich neben ihm über die dunkle winterliche Sandfläche dem Boot zuschritt. Der Wind heulte noch klagender um uns als an jenem Abend, wo ich zuerst über Mr. Peggottys Schwelle trat.

»Eine unheimliche Gegend, nicht wahr, Steerforth!« sagte ich.

»Unheimlich genug in der Nacht,« sagte er; »und die See brüllt, als ob sie nach uns hungerte. Liegt dort das Boot, wo das Licht schimmert.«

»Das ist das Boot«, gab ich zur Antwort,

»So ist es dasselbe, das ich heute früh sah. Ich hab's gleich herausgefunden, instinktiv glaub' ich.«

Wir schwiegen, bis wir uns dem Lichte näherten, und gingen leise auf die Tür zu. Ich legte die Hand auf den Drücker, flüsterte Steerforth zu, sich in meiner Nähe zu halten und trat ein.

Von draußen hatten wir ein Stimmengemurmel vernommen, und im Augenblick unseres Eintritts Händeklatschen; zu meinem großen Erstaunen rührte letzteres von der für gewöhnlich untröstlichen Mrs. Gummidge her. Aber Mrs. Gummidge war nicht allein ungewöhnlich aufgeregt. Mr. Peggotty, das Gesicht strahlend vor freudiger Befriedigung, und aus vollem Halse lachend, hatte seine kräftigen Arme geöffnet, wie um die kleine Emilie darin aufzunehmen; Ham mit einem gemischten Ausdruck von Bewunderung, Entzücken und einer ungeschickten Verlegenheit, die ihm sehr gut stand, hatte die kleine Emilie an der Hand, als wollte er sie Mr. Peggotty vorstellen; die kleine Emilie selbst, errötend und verschämt, aber erfreut über Mr. Peggottys Freude, wie uns ihre strahlenden Augen sagten, hielt nur unser Eintritt ab – sie sah uns zuerst –, sich an Mr. Peggottys Brust zu werfen. In dem Augenblick, wo wir aus der dunkeln kalten Nacht in die warme helle Stube traten, stellte sich uns dieses Bild dar mit Mrs. Gummidge im Hintergrund, die wie eine Verrückte in die Hände klatschte.

Das Bild dieser kleinen Gruppe löste sich aber bei unserm Eintritt so rasch auf, daß man hätte zweifeln können, es sei noch soeben vorhanden gewesen. Ich stand mitten unter der erstaunten Familie, unmittelbar vor Mr. Peggotty, und hielt ihm die Hand hin, als Ham ausrief:

»Master Davy ist's! Master Davy!«

In einem Augenblick schütteln wir uns alle gegenseitig die Hände; fragen einander, wie es uns ginge, sagen, wie froh wir wären uns zu sehen, und sprechen alle durcheinander. Mr. Peggotty war so stolz und froh über unsern Besuch, daß er nicht wußte, was er sagen oder tun sollte, sondern immer in einem fort erst mir, und dann Steerforth, und dann wieder mir die Hand schüttelte, und dann mit der Hand in seinem struppigen Haar wühlte, und so freudig und triumphierend lachte, daß es eine wahre Wonne war ihn anzuhören.

»Nein, daß diese beiden Herren – und nun richtige erwachsene Herren – gerade heute abend hierher kommen müssen,« sagte Mr. Peggotty »so was ist ganz gewiß noch nicht in der Welt passiert! Emilie, Goldkind, komm her! Komm her, du kleine Hexe! Das ist Master Davys Freund! Das ist der Herr, von dem du schon gehört hast, Emilie. Er kommt und besucht mich mit Master Davy an dem glücklichsten Abend, den dein Onkel jemals erlebt hat und erleben wird, und ein Hurra wollen wir ihm rufen!«

Nachdem er alles dies in einem Atem und mit außerordentlicher Lebendigkeit gesprochen, nahm Mr. Peggotty das Antlitz seiner Nichte zwischen seine beiden großen Hände, küßte es wohl ein Dutzend Mal, legte es mit einem Ausdruck von zärtlichem Stolz und Liebe an seine Brust, und streichelte es, als wäre seine Hand eine zarte Damenhand. Dann ließ er sie wieder los, und wie sie hinaus in das kleine Zimmerchen flüchtete, das mir als Schlafstube gedient hatte, sah er uns alle nacheinander an, ganz erhitzt und außer Atem von ungewöhnlicher Befriedigung.

»Wenn Sie zwei beide Herren – jetzt erwachsene Herren und solche Herren«, sagte Mr. Peggotty.

»Das sind sie, das sind sie«! rief Ham. »Gut gesagt, das sind sie. Master Davy – erwachsene Herren – das sind sie.«

»Wenn Sie zwei beide Herren, erwachsene Herren«, sagte Mr. Peggotty, »mir auch übel nehmen, daß ich so aus dem Häuschen bin, wenn Sie wissen warum, so muß ich Sie um Verzeihung bitten. Emilie, liebes Kind! – sie merkt, daß ich's erzählen will,« – hier machte sich seine Freude wieder Luft – »und ist deshalb fortgelaufen. Willst du so gut sein, einmal nach ihr zu sehen, Mutter?«

Mrs. Gummidge nickte und verschwand.

»Wenn das nicht der schönste Abend meines Lebens ist,« sagte Mr. Peggotty, und nahm bei uns vor dem Feuer Platz, »so will ich eine Auster sein, und eine gekochte dazu, – mehr kann ich nicht sagen. Diese kleine Emilie da, Sir,« sagte er leise zu Steerforth – »die da so rot wird –«

Steerforth nickte nur, aber mit einem so freundlichen Ausdruck des Verständnisses an Mr. Peggottys Gefühl, daß dieser ihm antwortete, als ob er gesprochen hätte.

»Gewiß«, sagte Mr. Peggotty. »Das ist sie und so ist sie. Danke Ihnen, Sir.«

Ham nickte mir mehrmals zu, als ob er mir dasselbe hätte sagen wollen.

»Sehen Sie, diese kleine Emilie da«, sagte Mr. Peggotty, »ist für unser Haus gewesen, was nur ein kleines helläugiges Wesen für irgend ein Haus sein kann. Sie ist nicht mein Kind, ich hatte nie eins; aber ich könnte sie nicht lieber haben, Sie verstehen! Ich könnte es nicht!«

»Ich verstehe«, sagte Steerforth.

»Das weiß ich, Sir«, sagte Mr. Peggotty, »und danke schönstens. Master Davy da weiß noch, was sie war; Sie selber können mit eigenen Augen sehen, was sie jetzt ist. Aber keiner von Ihnen kann wissen, was sie meinem Herzen war, ist und sein wird. Ich bin rauh, Sir,« sagte Mr. Peggotty, »rauh wie ein Meerigel; aber niemand, als vielleicht eine Frau kann wissen, was mir die kleine Emilie ist. Und unter uns gesagt,« sprach er noch leiser, »diese Frau heißt nicht Mrs. Gummidge, obwohl die auch ihre großen Verdienste hat.«

Mr. Peggotty fuhr hier mit beiden Händen in das Haar und legte sie dann auf die Knie, um weiter zu sprechen.

»Nun war eine gewisse Person da, die unsere Emilie auch von der Zeit an kannte, wo ihr Vater ertrank, die sie immer gesehen hatte von Kindesbeinen auf. Erst als kleines Dingschen und dann immer größer und nun als ein junges Mädchen! Nicht von besonderem Aussehen ist er,« sagte Mr. Peggotty, »etwas von meinem Schlage – wetterhart – ein bißchen vom Südwester – sehr salzig – aber im ganzen ein ehrlicher Kerl; und das Herz auf dem rechten Fleck hat er!«

Ich glaube, ich hatte Ham noch nie so, wie jetzt, den Mund lachend auseinanderziehen sehen.

»Ja, und was wird die brave Teerjacke tun«, sagte Mr. Peggotty, dessen Gesicht ein Vollmond der Wonne war – »er verliert sein Herz an die kleine Emilie. Er folgt ihr auf Schritt und Tritt, er machte sich sozusagen zu ihrem Bedienten, er verliert ganz und gar seinen Appetit, und endlich gesteht er mir, was ihm fehlt. Natürlich hätte ich gern gesehen, daß unsre kleine Emilie versorgt worden wäre. Ich hätte jedenfalls gern einen Mann neben ihr gesehen, der ein Recht hätte, sie in Schutz zu nehmen. Ich weiß nicht, wie lange ich lebe, oder wie bald ich sterben kann; aber ich weiß, wenn einmal nachts draußen auf der Reede im Sturme mein Boot umschlüge, und ich die Lichter der Stadt zum letztenmal glänzen sähe über die Wellen hinweg, gegen die ich mich nicht halten könnte, so würde ich ruhiger sinken mit dem Gedanken: ›Dort am Ufer ist ein Mann, der treu wie Gold aushält bei meiner kleinen Emilie, die Gott segnen möge; und kein Haar kann meiner Emilie gekrümmt werden, solange dieser Mann lebt!‹«

Dabei schwenkte Mr. Peggotty in seiner einfachen ernsten Weise den rechten Arm, als ob er das letztemal von den Lichtern der Stadt Abschied nehme, und fuhr dann fort, nachdem er Ham zugenickt hatte.

»Nun also, ich riet ihm, mit Emilie zu reden. Er ist groß genug, aber er ist blöder als ein Schulbube, und er wollte nicht. So redete ich mit ihr. ›Was! ihn!‹ sagte Emilie. ›Ihn, den ich so viele Jahre kenne und den ich so lieb habe! Ach, Onkel! Den kann ich nicht heiraten. Er ist ein so guter Mensch!‹ Ich gebe ihr einen Kuß und sage weiter nichts zu ihr als: ›Liebes Kind, du hast ein Recht, dich offen auszusprechen, du sollst nach deinem Sinn wählen und frei sein wie ein Vögelchen.‹ Dann gehe ich zu ihm und sage: ›Ich wollte, sage ich, es wäre so gewesen, aber es geht nicht. Aber ihr könnt beide bleiben, wie ihr jetzt seid, und was ich zu dir sage ist: sei mit ihr wie du früher mit ihr gewesen bist, und sei ein Mann.‹ Er schüttelte mir die Hand und antwortete: »Das will ich«, sagt er. Und das tat er auch ehrlich und männlich zwei Jahre lang, und wir waren hier zu Hause unter uns ganz, wie ehedem.«

Mr. Peggottys Gesicht, dessen Ausdruck sich in den verschiedenen Stadien seiner Erzählung verändert hatte, leuchtete jetzt wieder ganz in dem frühem triumphierenden Entzücken, wie er eine Hand auf meine und die andere auf Mr. Steerforths Knie legte, nachdem er den Nachdruck noch durch ein Hineinspucken verstärkt hatte und zwischen uns folgende Rede, teilte:

»Mit einem Male eines Abends – heute abend etwa – kommt die kleine Emilie von der Arbeit nach Hause und er mit ihr! Dabei ist nicht viel Besonderes, werden Sie sagen. Nein, weil er sie unter seine Obhut nimmt wie ein Bruder, nach Dunkelwerden und vor Dunkelwerden und zu jeder Zeit. Aber diese Teerjacke da nimmt ihre Hand und ruft mir ganz freudig zu: ›Sieh her Onkel! das will meine kleine Frau werden!‹ Und sie sagt halb keck und halb blöde und halb lachend und halb weinend: ›Ja, Onkel! Wenn Sie erlauben!‹ – Na, ob ich's erlaube!« rief Mr. Peggotty und wiegte außer sich vor Freude den Kopf hin und her, »als ob ich etwas anderes tun könnte! – ›Sieh, Onkel‹, sagt sie, ›wenn du erlaubst, ich bin jetzt gesetzter und habe mir's noch einmal überlegt, und ich will ihm eine so gute kleine Frau sein, als es mir nur möglich ist, denn er ist im Grunde doch ein lieber, guter Mensch.‹ Da klatschte Mrs. Gummidge in die Hände, wie im Theater, und Sie traten herein. So! Nun ist die Geschichte heraus«, sagte Mr. Peggotty – »Sie kamen gerade! Jetzt, diese Stunde eben, ist's vorgefallen; und da steht der Mann, der sie heiraten wird, sowie sie ausgelernt hat.«

Ham wankte unter dem Schlag, den ihm Mr. Peggotty in seiner unbegrenzten Freude als ein Zeichen des Vertrauens und der Freundschaft auf die Achsel gab; und das war bei solchem Puff auch kein Wunder; aber da er sich ebenfalls gedrungen fühlte, etwas zu sagen, sprach er mit vielem Stottern:

»Sie war nicht größer als Sie, Master Davy – als Sie das erstemal herkamen – als ich schon dachte, wie schön sie heranwachsen würde. Ich sah sie in die Höhe wachsen wie eine Blume. Ich gebe mein Leben für sie – Master Davy – ach, mit Freuden! Sie ist mir mehr – als – – sie ist mir alles, was ich jemals brauchen kann, und mehr, als ich – als ich jemals sagen könnte. Ich – liebe sie wahr und wahrhaftig! Kein vornehmer Herr im ganzen Lande – und keiner auf dem Meere – kann seine Liebste mehr lieben, als ich sie, obgleich mancher gemeine Mann – besser sagen würde, was er meint, als – als ich es kann!«

Es kam mir rührend vor, einen so rüstigen Gesellen wie Ham jetzt war, in der Innigkeit seines Gefühls für das hübsche kleine Geschöpfchen, das sein Herz gewonnen hatte, beben zu sehen, das schlichte Vertrauen allein schon, das sie beide, Mr. Peggotty und er, in uns setzten, war rührend. Aber auch die Geschichte selbst rührte mich. Inwieweit meine Bewegung durch die Erinnerungen aus meiner Kindheit beeinflußt wurde, kann ich nicht sagen. Ob ich mit einer unbestimmten nachdämmernden Vorstellung, daß ich Emilie noch weiter lieben würde, hingekommen bin, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich durch alles dies zusammengenommen in eine wonnevolle Stimmung versetzt war: in eine Stimmung, so unbeschreiblich, so empfindungsreich und wonnevoll, daß sie durch eine Kleinigkeit in Schmerz hätte umschlagen können.

Wenn es daher von mir abgehangen hätte, den richtigen Ton unter ihnen geschickt anzuschlagen, so würde ich eine erbärmliche Rolle gespielt haben: aber das war Steerforths Sache, und er tat es mit solcher Gewandtheit, daß wir uns in wenig Minuten so ungeniert und wohl fühlten, wie es nur möglich war.

»Mr. Peggotty,« sagte er, »Sie sind durch und durch ein guter Mensch und verdienten immer so glücklich zu sein, wie Sie es heute abend sind. Meine Hand darauf! Ham, ich gratuliere. Auch darauf meine Hand! Blümchen, schüre das Feuer und laß es aufprasseln! Und Mr. Peggotty, wenn Sie Ihre kleine Nichte nicht bewegen können wieder zu kommen, gehe ich lieber und räume ihr hier meinen Eckplatz ein. Eine solche Lücke in Ihrem Familienkreise an einem solchen Abend möchte ich um alle Schätze der Welt nicht verschulden.«

Mr. Peggotty ging daher alsbald in mein früheres Zimmer, um die kleine Emilie zu holen. Anfangs wollte sie nicht kommen, und dann ging Ham hinaus. Endlich brachten sie sie wieder, sehr verlegen. – Aber sie faßte sich bald, als sie fand, wie rücksichtsvoll Steerforth mit ihr redete, wie geschickt er alles zu vermeiden wußte, was sie in Verlegenheit setzen konnte; wie er mit Mr. Peggotty von Booten und Schiffen, dem Meer und Fischen sprach; wie er sich an mich wendete, als er die Zeit erwähnte, wo er Mr. Peggotty in Salemhaus gesehen hatte; und wie gewandt und leicht er das Gespräch führte, so daß wir ganz ungeniert durcheinander sprachen.

Emilie sprach wenig an diesem Abend, aber sie sah und hörte zu, ihr Gesicht belebte sich, und sie war reizend.

Steerforth erzählte eine Geschichte von einem schauerlichen Schiffbruch (sie bezog sich auf sein Gespräch mit Mr. Peggotty), und er schilderte alles so anschaulich, als ob er es vor sich sähe, und »klein Emiliens« Blicke hingen an ihm, als ob sie die Sache ebenfalls sähe. Drauf erzählte er uns zur Entschädigung ein lustiges Abenteuer, das er selbst erlebt hatte, mit solcher Heiterkeit, als ob es ihm etwas geradeso neues wie uns wäre, und die kleine Emilie lachte, daß es melodisch im Boote wiederhallte, und wir alle lachten – Steerforth mit – im unwiderstehlichen Drange der Fröhlichkeit. Er bewog auch Mr. Peggotty zu singen, oder vielmehr zu brüllen:

»Wenn die wilden Stürme blasen, blasen, blasen.«

Und dann sang er selbst ein Seemannslied, mit solchem Pathos und so schön, daß ich mir hätte einbilden können, der das alte Boot umschleichende Wind, den man in Pausen atemloser Stille murmeln hörte, lausche selber draußen.

Was Mrs. Gummidge betrifft, so wußte er dieses Opfer der Schwermut mit einem Erfolg aufzuheitern, der seit dem Tode ihres Alten (wie mir Mr. Peggotty sagte) unerhört war. Er ließ ihr so wenig Zeit, sich unglücklich zu fühlen, daß sie den Tag darauf sagte, sie müsse behext gewesen sein.

Aber er nahm weder die allgemeine Aufmerksamkeit, noch die Unterhaltung allein in Anspruch. Als die kleine Emilie kecker wurde und mit mir immer noch gleich verschämt von unsern alten Streifereien am Strande sprach, um Muscheln und glatte Kiesel zu suchen, und als ich sie fragte, ob sie noch wisse, wie sehr ich sie geliebt habe, und als wir beide lachten und erröteten bei den Erinnerungen an die schönen alten Zeiten, die uns jetzt fast wie ein Traum erschienen, da schwieg er und beobachtete uns gedankenvoll. Diesmal saß sie den ganzen Abend über auf der alten Kiste, in ihrer Ecke neben dem Feuer, und an ihrer Seite, wo ich sonst zu sitzen pflegte, saß Ham. Ich konnte nicht dahinterkommen, ob es eine kleine Koketterie oder mädchenhafte Scheu vor uns war, daß sie sich immer dicht an der Wand und von ihm entfernt hielt; aber ich bemerkte, daß dies den ganzen Abend der Fall war.

Es war fast Mittemacht, als wir Abschied nahmen. Wir hatten zum Abend Schiffszwieback und getrockneten Fisch gegessen. Steerforth hatte aus seiner Tasche eine ganze Flasche Schiedamer Likör hervorgeholt, die wir Männer leerten – ich kann jetzt ohne Erröten sagen, »wir Männer«. – Wir schieden sehr lustig voneinander; und als sie alle in der Tür standen, um uns, so weit es ging, heimwärts zu leuchten, sah ich die schönen blauen Augen der kleinen Emilie uns hinter Ham hervor nachblicken, und hörte uns ihre liebliche Stimme vor dem schlechten Wege warnen.

»Ein allerliebstes Mädchen!« sagte Steerforth und nahm meinen Arm. »Es ist ein kurioses Haus und kuriose Leute, und es ist ein ordentlich neues Gefühl, mit ihnen umzugehen!«

»Und welch ein Glück,« entgegnete ich, »daß wir gerade zu dieser Verlobung kommen mußten. Ich habe in meinem Leben noch nicht so glückliche Leute gesehen. Wie angenehm ist es, so etwas zu sehen und an ihrer ehrlichen Freude teilzunehmen.«

»Es ist doch immerhin ein etwas tölpelhafter Kerl für das Mädchen, nicht wahr?« meinte Steerforth.

Er war so herzlich mit Ham und mit allen gewesen, daß mich die unerwartete und kalte Antwort ordentlich verletzte. Aber als ich mich rasch umwendete und seine lachenden Augen sah, sagte ich sehr erleichtert:

»Ach Steerforth! du kannst gut über die Armen scherzen! Du kannst dich mit Miß Dartle necken oder deine Gefühle im Scherz vor mir zu verbergen suchen, ich weiß es besser. Wenn ich sehe, wie vollkommen du sie verstehst, wie du auf ein solches Glück wie das dieser Fischerleute oder auf die Liebe meiner alten Kindermuhme eingehen kannst, so weiß ich recht wohl, daß dir keine Freude und kein Schmerz solcher Leute gleichgültig ist. Und ich bewundere und liebe dich deshalb um so mehr, Steerforth!«

Er blieb stehen, sah mich an und sagte: »Blümchen, ich glaube, du nimmst es ernst und bist ein guter Mensch. Ich wollte, wir wären es alle!« Im nächsten Augenblick trällerte er lustig Mr. Peggottys »Lied von den wilden Stürmen«, während wir raschen Schrittes nach Marmouth zurückkehrten.


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