Eduard Devrient
Hans Heiling, Titelseite
Eduard Devrient

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Ouverture.

Erster Akt.

No. 1. Introduction.

(Das Innere von Heilings Wohnung. Der Vorhang hebt sich im 5. Takt.)

Königin (unsichtbar). O bleib' bei mir!

Geisterchor (unsichtbar). O bleib' bei uns,
die Geister dienen
auf Wort und Mienen
willig dir.

(Man sieht Heiling aus einem unterirdischen Gange heraufsteigen, das Schmuckkästchen in der Hand. Er blickt den Gang hinab, der sich schliesst.)

Heiling. Auf ewig schliesse dich, du dunkler Gang,
ich will dich nicht mehr gehen. (Er tritt zu dem aufgeschlagenen Zauberbuch an den Tisch.)
Ihr mächt'gen Zeichen, durch deren Spruch
ich alle Geister banne, verstummt auf immerdar. (Er schlägt das Buch zu und schliesst die Klammern.)
Umfange mich mit Liebesarmen nun,
du reiche Erde und halte Wort mir,
ganz bin ich nun dein. (Er legt den Schmuck weg, schürt die Glut des Feuers etc.)

Gertrude (aussen an der Tür pochend).
Meister Heiling!

Heiling (stutzt). Wer ruft?

Anna. Meister Heiling, guten Morgen!

Heiling (entzückt). Sie ist es! Sie! (Er eilt die stark verriegelte Thüre zu öffnen. Heiling führt Anna und Gertrude herein.)

Heiling (zärtlich zu Anna). Willkommen mir auf dieser Stelle,
den Himmel trägst du über meine Schwelle,
zum erstenmale unter meinem Dach,
darf ich zum Grusse diese Hände fassen.

Anna (unbefangen). Und gestern habt den ganzen Tag
Ihr wieder Euch nicht sehen lassen.

Gertrude. Es hat uns recht um Euch gebangt.

Heiling (zu Anna). So hat dein Herz nach mir verlangt?

Anna. Ei ja! Ei ja, es hat mich recht verdrossen,
daß Ihr Euch abermals verschlossen,
was, ja was habt gestern Ihr gemacht?

Heiling. Nur an dich! ja nur an dich hab' ich gedacht;
doch nun soll uns nichts mehr scheiden,
nie will ich dich wieder meiden.

Anna. Recht so, lasst die Heimlichkeit
die ja keinen Menschen freut,
stellt das düstre Grübeln ein,
lernet froh und lustig sein!

Gertrude. Wie an solcher Zärtlichkeit
sich mein Mutterherz erfreut,
ja, in solchen Glückes Schein
wird mein Alter sorglos sein.

Heiling. Ja, ich thu' mit Freudigkeit,
was dein holder Mund gebeut,
nenn' ich dich erst Theure mein,
werd' ich fröhlich, selig sein.

Heiling (spricht). So machst du mir denn heute zum erstenmal die Freude, mein Haus zu betreten; in wenigen Tagen führe ich dich hier als Herrin ein, und alles soll dann deinem Willen sein.

Anna (sich scheu im Zimmer umsehend). Doch sagt nur, was habt Ihr denn für wunderliches Geräth? Es schauert mich, sehe ich an den Wänden umher. Was thut Ihr denn mit all dem verwirrten Kram, vor dem man nicht frei Atem holen kann?

Heiling. Du Liebes scheues Kind, [schmähe nicht das unschuldige Geräth, dessen ich zur Forschung in tiefen Wissenschaften bedarf.] Auch sollst du ja hier nicht wohnen. Ein trauliches Gemach soll dich empfangen, wo dich nichts stören noch erschrecken wird. Ich zeige es dir.

Gertrude. Nun schön, Meister. Ich muss sagen, ein wenig neugierig bin ich, Euer Haus zu sehen.

Heiling. So lasst mich voran gehen, damit du alles deiner würdig findest. Bald rufe ich dich ab. (Er geht links ab.)

Gertrude. Nun, Annchen, du sagst ja gar nichts. Gefällt dir denn das Haus deines Bräutigams nicht? Von aussen ist es wohl stattlich genug.

Anna (setzt sich an den Tisch). Ja, Mutter, es gefällt mir schon, aber ich kann mich doch nicht darauf freuen. Sieht es hier nicht aus, als könne man niemals hier fröhlich sein? [Und wie einsam! Unser Dorf ist wohl eine Stunde entfernt, ringsum hier nichts als wüstes Land, Gestein und Haide.] Ach, Mutter, Ihr hättet mir doch nicht zureden sollen Heiling zu heirathen.

Gertrude. Kind, was fältt dir ein? So einen reichen gelehrten Mann zu nehmen, um den dich alle Dirnen beneiden, das könnte dich gereun? Was hast du denn sonst zu erwarten? Von den jungen Burschen meint es doch keiner redlich mit einem armen Mädchen.

Anna. Keiner?

Gertrude. Nein, sage ich dir, keiner.

Anna. Ihr macht es auch ärger als es ist.

Gertrude. Kann man es denn ärger machen als die jungen Burschen heutztage? (Für sich.) Was ihr nur im Kopfe spukt? Wenn doch Heiling käme – ich muss nur nach ihm sehen. (Sie geht ab zur Seite links.)

Anna allein.

Anna (sitzt ein Weilchen, die Hände im Schoose, vor sich hinsehend; dann seufzt sie tief auf). Ach! Was hilft all mein Sinnen, es wird doch nicht anders. (Sie steht auf.) Warum denke ich immer an ihn? Wer weiss, ob er sich um mich bekümmert? Und wenn auch – es ist ja doch nicht mehr zu ändern, in drei Tagen ist meine Hochzeit. – Ach! (Sie geht ein paar Schritte, bleibt vor em Tische stehn, auf dem das Buch liegt.) Was das für ein gewaltig grosses Buch ist! Und so fest mit Klammern verschlossen. (sie versucht, sie zu öffnen.) Sieh da, sie springen auf! Gewiss sind schöne bunte Heil’genbilder drin, die seh‘ ich gar zu gern. (Sie schlägt das Buch auf.)

No. 2. Terzett.

Anna (In das Zauberbuch blickend). Ha, welche Zeichen,
so glänzend und schön,
wie sie nahen und weichen,
wie ich's nie gesehn.
Wirre Gestalten
treiben und walten,
schwellen wie Wellen,
wie sie sich verschlingen,
mächtig auf mich dringen. (Die Blätter schlangen sich von selbst um.)
Immer mehr! Immer mehr!
Sie schwindeln und drehn, die Sinne mir vergehn,
entsetzlich! Entsetzlich! Was hab' ich gesehn!

Heiling (tritt heftig herbei). Unselige! Unselige!
Was hast du gethan? (Er schlägt das Buch zu. Er stösst Anna’s Hand von sich. Anna sinkt in Gertrudes Arme.)
Welch' toller Wahnsinn
trieb dich an?
Hinweg! Vermessene!

Gertrude. Was ist dir? O mein Kind!

Anna. Wehe mir!

Heiling (sich besinnend, zu Anna). Verzeihe mir!

Gertrude. Ach mein Kind!

Heiling. Erhole dich (er will Anna liebkosend in den Arm nehmen), lass deine Angst mich stillen.

Anna (reisst sich los). Nein, um aller Heil'gen willen,
vernichtet das Buch, schafft mir Ruh'!

Heiling. Anna, was verlangest du?

Anna. Fort das Buch, hört auf mein Flehn,
wollt Ihr mich je heiter sehn!

Heiling. Anna, was verlangest du?

Anna. Hört auf mein Flehn,
wollt Ihr mich wieder heiter sehn!
Hat mein Bitten keine Kraft,
ist Eure Liebe schon dahin?
Aus Erbarmen willigt ein,
ich vergeh' vor Pein!

Heiling (für sich). Meine hohe Wissenschaft,
meinen Stolz und meine Kraft,
gäb' ich dahin!
soll ich die Geister ganz befrein,
fürder machtlos sein?

Anna (immer drängender). Fort das Buch, hört auf mein Flehn,
wollt Ihr mich je heiter sehn.
Hat mein Bitten keine Kraft,
ist Eure Liebe schon dahin?
Aus Erbarmen willigt ein,
ich vergeh' vor Pein! (Sie schmeigt sich ängstlich an Heiling.)

Heiling (sieht tiefbewegt auf Anna). Alles, Alles muß ich dir gewähren! (Er fasst das Buch mit beiden Händen.)
Mag die Flamme dich verzehren!

(Er schleudert es auf den Heerd, eine lohe Flamme schlägt auf und verschlingt das Buch. Es donnert dumpf. Heiling tritt zu Anna.)

Heiling. Machtlos, arm steh' ich nun hier,
all mein Glück liegt nun in dir!

Gertrude. Den Heil'gen Dank!

Anna. O tausend, tausend Dank!

Heiling. Sei mir nicht bang_!
Sei mir nicht bang!
O mein ganzes Leben
muss ich dir ja geben,
nichts ist mir für dich zu theuer!

Anna
O tausend Dank!
Ihr habt neues Leben
mir zurückgegeben, o tausend Dank!
Nun athm' ich wieder freier.

Gertrude
Den Heil'gen Dank!
Er hat nachgegeben,
kann nicht widerstreben,
das ist ein gefäll'ger Freier.

Gertrude (spricht). Nun, das ist recht, Meister Heiling, dass Ihr Annchens Bitte nachgegeben.

Heiling. War es recht von mir? Ich habe viel, viel hingegeben!

Anna. Ich weiss ja, Heiling, dass ihr mich lieb habt.

Heiling (sie an seine Brust ziehend). Weißt du es! O so vergiss es nie! [Du kannst ja reich vergelten.]

Anna (bemerkt eine Kette welche aus seinem Kleide hervorhängt.) Was habt ihr denn da, Heiling?

Heiling. Fast hätt‘ ich es vergessen. Es ist eine Kette, die du zum Angedenken dieser Stunde tragen sollst. (Er hängt ihr die Kette um.)

Gertrude. Ach, wie prächtig! Annchen, Annchen! Di siehst ja wie ein Edelfräulein.

Anna. Wie Ihr doch immer bedacht seid, mir Freude zu machen! Gewiss, ich erkenne das recht tief im Herzen [und es thut mir weh in der Seele, dass ihr mich wohl gar für undankbar haltet, weil ich Euch meine Dankbarkeit nicht zeigen kann. Ich weiss nicht, warum ich es nicht kann, aber] undankbar bin ich wahrhaftig nicht.

Heiling. Du bist es nicht.[doch nenn‘ es auch nicht so.] Wenn du mich liebst, was gilt dann unter uns Dank und Erkenntlichkeit?

No. 3. Arie.

Heiling. An jenem Tag, da du mir Treue versprochen,
als ich in Wonn' und Schmerz zu deinen Füssen rang,
da, ja da, da ist in meiner Brust der Morgen angebrochen,
gestillt zum erstenmal war meiner Seele Drang.
Aus trüber, freudenloser Nacht
bin ich zum hellen Leben da erwacht.
Du, ja du hast überschwenglich selig mich gemacht! (Innig, doch mit heimlicher Drohung)
O lass die Treue niemals wanken,
halt fest die Liebe in deinem Herzen,
in dir nur lebe ich!
Ich liebe dich so ohne Schranken,
ich liebe dich mit tausend Schmerzen,
mit Höllenqualen lieb' ich dich! (argwöhnisch und immer heftiger)
Könntest du je von mir lassen,
könnte je dein Herz erkalten,
Weh! uns beiden dann! Weh!
Schon bei dem Gedanken fassen
mich die finstern Gewalten,
treiben zu grässlicher Rache mich an!
Ich liebe dich mit blutendem Herzen,
ich liebe dich mit endlosen Schmerzen,
mit Argwohn und Bangen,
mit rasendem Verlangen,
so lieb‘ ich dich,
so, ja, so lieb‘ ich dich! (Er stürzt zu Anna’s Füssen nieder, das Gesicht in ihren Schoos bergend.)

Anna (spricht). Seid doch nur nicht so wild, Ihr richtet Euch noch zu Grunde; steht doch auf! (Sie hebt ihn auf.) Bin ich nicht Eure Braut, und in drei Tagen Eure Hausfrau? Dann aber müsst Ihr auch froh und heiter werden, und Euer stetes Grübeln und Studiren lassen.

Gertrude. Anna hat wohl recht, Ihr müsst die Menschen nicht scheuen und eine Lustbarkeit gern mit machen. Seht, heut gerade feiern sie im Dorfe das Fest unseres lieben heiligen Florian.

Anna. Ja, lasst uns zusammen hingehen, gewiss, es wird Euch gefallen.

Heiling. Wohl weniger mir als dir.

Gertrude. Nun, soll denn Anna an solchem Tage nicht einen Tanz mitmachen?

Heiling (heftig). Tanzen? Wie, tanzen wollte sie, und weiss, wie es durchs Herz mir schneidet, wenn ich am Arme eines andern sie erblicke? Ich gab es einmal zu, nie mehr! Der wüste Bursche Keckheit macht mich wild.

Anna. Nicht doch, Heiling, ich will ja nicht tanzen, wenn es Euch so zuwider ist. Lasst uns nur hingehen, und unter heitern Menschen heiter sein.

Heiling. Kannst du das nicht bei mir allein?

Anna. O ja, das wohl. Ihr werdet mich aber doch nicht wie eine Klosterfrau halten wollen? (Halblaut, schmollend.) Wozu schenkt ihr mir denn so schöne Sachen, wenn sie kein Mensch sehen soll?

Heiling. So zieht der eitle Hochmuth dich dahin?

Anna. Wie Ihr nun das gleich nehmt!

Gertrude. Meister, gönnt dem jungen Blut ein Vergnügen und geht mit hinüber.

Anna (schmeichelnd). Ach, thut es, Heiling, ich bitte Euch gar zu sehr. Thut mir’s zu Liebe.

Heiling (nach kleiner Pause). Und tanzen willst du nicht?

Anna (sieht nieder, kleinlaut). Wenn Ihr’s nicht wollt –

Heiling (schnell). Gewiss nicht?

Anna (ihn halb ansehend). Gewiss nicht!

No. 4. Terzett.

Heiling. Wohlan! Wohlan!
So lasst uns gehen!

Anna (freudig). O herrlich, o prächtig,
das ist schön!
O herrlich, das ist schön,
Dass wir nun doch zum Feste gehn.

Gertrude. Seht, Meister Heiling, das ist schön,
Dass Ihr sie lasst zum Feste gehn.

Anna (mit der Kette spielend und umherhüpfend).
Nun macht das Gechmeide
mir erst rechte Freude,
denn heimlich und allein
kann mich nichts erfreuen.
Die Mädchen und Frauen
wie werden die schauen,
Manche wird freundlicher grüssen,
manche auch wird es verdriessen!
Ha ha! ha! ha! ha! ha! Welchen Spass giebt es da!

Gertrude (zu Heiling). Seht nur, das närrisch junge Blut
wie es so kindisch thut.

Anna. Ach Heiling, wie bin ich Euch so gut
dass Ihr mir den Gefallen thut!

Gertrude. Seht nur, das närrisch junge Blut
wie es so kindisch thut.

Heiling. Auch der thörichte Uebermuth,
wie steht er Euch so gut!

Anna. So lasst uns fort!

Gerdtrude. So lasst uns fort!

Heiling. Mit Widerstreben
hab' ich der Bitte nachgegeben.
Doch gilt es dir ein Liebeszeichen,
so muss mein Widerwille weichen.

Anna (bittend). So lasst uns gehn.

Anna und Gertrude. O lasst das Wort Euch nicht gereu'n,
gewiss, das Fest wird Euch erfreu'n.

Heiling. Wirst du mir stets zur Seite sein,
so soll es nimmer mich gereu'n.

Anna und Gertrud. O lasst das Wort etc.

Heiling. Wirst du mir etc.

Verwandlung.

No. 5. Bauernchor.

(Platz vor der Schenke unter Bäumen. Im Hintergrunde freie Aussicht. Stephan, Niklas und Bauern trinkend an Tischen etc.)

Bauernchor
Juchheisa! Juchheisa,
heut' dürft ihr die Kannen nicht schonen,
der heilige Festtag gehöret den Bauern,
denn Zehnten und Steuern,
und Zinsen und Frohnen,
kann schon armen Leuten
das Leben versauern.
Das Tragen und Hacken,
das Mühen und Placken
hört heut' einmal auf.
Drum lustig, Gevattern!
drum lustig Gevattern und Und Nachbarn, stosst an,
es lebe der heilige Florian!
Juchheisa!
heut' dürft ihr die Kannen nicht schonen,
der heilige Festtag gehöret den Bauern,
denn Zehnten und Steuern,
und Zinsen und Frohnen,
kann ja armen Leuten
das Leben versauern.
Das Tragen und Hacken etc.

Niklas (spricht). Juchhei! Gott segne es dem heiligen Florian, dass er uns einen Festtag in den Kalender gebracht hat. Juchhei! Ich könnte heut den letzten Pfennig in der Schenke lassen!

Stephan. Pfui, Gevatter, pfui! Denkt ihr nicht an Weib und Kinder?

Niklas. Hol’s der Geier! Soll ich auch Festtags an sie denken? Sie liegen mir Werktags genug auf dem Halse. Ich will auch einmal lustig sein, so spring‘ ich drunter, dass es eine Art ist.

Stephan. Recht, Gevatter, wir haben so schon lange keinen Tanzbären gesehn.

Niklas. Geh, du Duckmäuser! Hast du auch einmal das Herz, am Festtag einen dummen Spass zu machen? Aber sag, kommt dein Vetter heut nicht heraus, mit seinen Gesellen? Das sind mir lustige Vögel, die gräflichen Schützen, wo sie sind, geht es noch eins so toll her.

Stephan. Ei, freilich kommen sie. Mein Vetter, der Leibschütz, sagte am letzten Sonntage als er hier war "Vetter," sagte er, "auf Sankt Florian komme ich zu euch heraus, oder es müsste schlimm gehen. Sorgt nur, dass wir schmucke Dirnen zum Tanz finden, und dass die Beste nicht fehlt.

Niklas. Schaut den Fuchs! Ach, ich versteh‘ schon, wen er damit meint! Mich macht keiner Blind! Ich habe wohl gesehen, wie er um schön Annchen herum schleicht.

Stephan. Eben darum, Gevatter, eben darum leidet Meister Heiling gewiss nicht, dass seine Braut heut zum Tanz heraufkommt. Er schielte meinen Vetter immer so grimmig von der Seite an, als er mit Annchen tanzte.

Niklas. Die Pest über den verdammten Goldmacher! Er hat unsren Burschen den nettesten Backfisch weggeschnappt. Und sag‘ nur einer, was das Mädel an dem spukhaften Kerl hat?

Stephan. Ja, ein wunderlich Aussehn hat er, mir grauselt immer, wenn ich ihn sehe. Aber Annchen wird es doch gut haben, er ist ein steinreicher Mann.

Niklas. Hol’s der Geier, wenn er für all sein Geld nicht einmal zum Lachen kommen kann! (Wichtig, beide Ellbogen über den Tisch legend.) Und sage doch, was es heissen soll, dass er sich alle Freitag in seinem Hause verschliesst?

Stephan. Ach, Ihr wisst ja, er kocht Arzeneien.

Niklas. Schon recht, ich bin froh, dass ich seine Latwergen nicht schlucken muss.

(Hörnerklang von aussen.)

Bauern. Ha, die Schützen! Hört ihr? Sie kommen!

Stephan. Ah, da kommen sie, mein Vetter Kunz voran.

Der burggräfliche Leibschütz Konrad (kommt mit vier Jägern, die ihre Hörner tragen, von links). Die Vorigen. Konrad und mehrere Schützen.

Stephan (zu Konrad). Grüss dich Gott, Vetter, grüss dich Gott!

Konrad (Stephans Hand schüttelnd). Schön Dank, Vetter! Guten Tag, ihr lieben Freunde!

Die Bauern. Grossen Dank!

Stephan (zu Konrad). Nun kommt her zu uns, wir rücken zusammen.

Konrad. Wenn ihr’s vergönnt?

Alle. Viel Ehre, viel Ehre, Herr Schütz!

Stephan (schiebt ihm den Krug hin). Nun, Vetter, versuch‘ unser Bier.

Niklas (ihm zutrinkend). Ich bring es Euch, seid schön willkommen!

Konrad (thut Bescheid). Schön Dank! Euch einen fröhlichen Tag!

Niklas. Ja, Herr, der möchte Euch wohl verdorben werden. Ich wette, Ihr habt Euch auf einen Tanz mit schön Annchen gespitzt, und die werdet Ihr heut nicht finden.

Konrad. Wirklich nicht?

Niklas. Behüte, ihr Liebster leidet’s nicht. Gelt, es verdriesst Euch überhaupt, dass Ihr da zu spät gekommen seid. (Er lacht).

Konrad. Redet nicht so, wenn es mir bei Euch gefallen soll, weiss Gott, Ihr macht mich wild! (Will aufstehen.)

Stephan. Liebster Junge, sei doch gescheit! Es war ja nicht bös gemeint.

Niklas. Ei, bewahre, nicht im geringsten. Kommt her, lasst uns auf schön Annchens Wohl trinken.

Konrad. Von Herzen gern. Mög‘ es ihr wohlergehn, ihr Lebelang! (Sie trinken.)

Stephan. So, nun ist’s wieder gut, nun wollen wir von was andrem reden. Erzähle etwas, Vetter.

Niklas. Ja, Herr, wie neulich, von Zwergen und Kobolden.

Stephan (schnell). Ach nein, nein, nicht wieder so etwas, das kommt einem im Traum vor. (Alles lacht.)

Konrad. Was fürchtest du denn von den Erdgeistern? Sie sind doch den Menschen gar nicht abhold, besonders ihre Weibchen, die schon manchen Erdensohn mit ihrer Liebe sollen bethört haben.

Niklas. Nicht möglich!

Konrad. Ja, man sagt es. Die Kinder [aus solcherLiebschaft] sind dann halb Geist, halb Mensch.

Stephan. Sehn die denn ganz wie unsereins aus?

Konrad. Nun, etwas dickköpfig und krummbeinig mögen sie wohl sein.

Stephan (besieht verstohlen seine Beine). Krummbeinig?

Niklas. Ja, ja, beguckt nur deine Beine, dein dicker Schädel war mir längst verdächtig.

Stephan. Ach, Klas, du wirst doch deinem Gevatter nicht so denken.

Niklas. Ei, der Teufel trau‘ seinem Gevatter!

Konrad. Nun, beruhige dich, Gevatter. Aber wahr ist es, man kann sich nicht genug hüten! denk nur, wie es der Seffa ging.

Stephan. Nun, wie denn?

Konrad. Das wisst ihr nicht?

Niklas. Rückt einmal heraus mit der Geschichte.

Konrad. Nun, hört zu. (Er steht auf und nimmt die Mitte.)

(Jubeln, Zechen und Sprechen wird lauter.)

No. 6. Lied mit Chor.

Konrad. Ein sprödes, allerliebstes Kind – (Die Bauern sind unruhig.) (Spricht:) Ja, wenn Ihr nicht ruhig zuhören wollt –

Niklas (reckt sich in die Höh.) Seid doch still da hinten, hier giebt’s was zu hören.

Konrad. Ein sprödes, allerliebstes Kind
schlug jeden Antrag in den Wind,
lacht' ihre Freier aus,
ja, ja, ja, ja, lacht‘ ihre Freier aus.
Doch als ein schmuckes Gräflein kam,
sie flugs sich ihn zum Manne nahm,
jucheisa hopsasa! Ihr Bursche, bost euch grün und blau,
ich werde gnäd’ge Frau,
ja, ja, ich werde gnäd’ge Frau!

Chor und Konrad. Juchheisa hopsasa!
Ihr Bursche, bost euch grün und blau,
Ich werde gnäd'ge Frau, ich werde gnäd’ge Frau, ja gnäd’ge Frau.
Ha ha ha ha ha ha ha ha!

Konrad. Da leckt sie denn und scharmuzirt,
und brüstet sich und curtesirt,
und putzt sich wie ein Pfau,
sie curtesirt und putzt sich wie ein Pfau,
Doch Freitags schliesst das Gräfelein
sich fest in seine Kammer ein,
oho, oho, ei, ei, sie denkt: ei das ist doch curios,
hier ist der Teufel los, ei, ei, hier ist der Teufel los!

Chor und Konrad. Oho, oho, ei, ei! sie denkt: ei, das ist doch curios,
hier ist der Teufel los, hier ist der teufel los, der Teufel los.
Ha ha ha ha ha ha ha ha!

Konrad. Da guckt sie einst durch's Schlüsselloch,
sieht wie ihr Mann zwei Spannen hoch
mit andern Zwergen tanzt,
zwei Spannen hoch mit andern Zwergen tanzt.
Mit kurzen Beinen, dickem Kopf,
springt der Herr Graf, der arme Tropf,
hophop, heisa, hophop! schlägt Burzelbäume flink voran,
ein Kobolt war ihr Mann, ja, ja, ein Kobolt war ihr Mann!

Chor und Konrad. Hophop, heisa, hophop!
schlägt Burzelbäume flink voran,
Ein Kobold war ihr Mann, ein Kobolt, ja ein Kobolt war ihr Mann.
Ha ha ha ha ha ha ha ha!

Vorige, Heiling, Anna, Gertrude (sind während des letzten Verses aufgetreten, Anna und Gertrude bleiben zur Seite bei einigen Frauen, die Goldkette wird bewundert. Heiling steht unbemerkt im Chor, welcher zur Seite gegen den Tisch gewendet, steht).

Niklas. Hört, das ist eine prächtige Geschichte. Das hochnasige Ding schön angeführt.

[Heiling (für sich). Verspottet denn das elende Geschlecht ohne Unterlass die Geister, die es fürchten soll?]

Stephan. Nein, darüber lache wer will. Am Ende ist man seinen besten Freunden nicht mehr sicher.

Niklas. Ja, ja, traue uns nicht, eh‘ du dich umsiehst, verwandeln wir uns alle in Riesen und Kobolde und fressen dich auf! (Er reckt sich plötzlich gegen ihn über den Tisch, den Mund weit aufsperrend.) Bäh!!

Alle (lachen).

Stephan (springt auf). Klas, Klas, ich sage dir, jage einem Familienvater keinen Schrecken in den Leib. Ich fange schon an, mich vor mir selbst zu fürchten. So ein Beest ist wohl gar –

Heiling (ist inzwischen von vorn gekommen).

Niklas. Meister Heiling! (Er grüsst ihn.)

Stephan (entsetzt). Meister Heiling?

Alle. Meister Heiling! (Sie treten zurück.)

Konrad (steht auf und tritt etwas verstört zu Anna.)

Heiling (nach einer kleinen Pause). Habt guten Tag! Es scheint euch zu befremden, mich hier zu sehn.

Stephan. O nein, gar nicht, wir freuen uns darüber.

Konrad. Ja, wahrlich, Meister, wir freuen uns, das Ihr Eurer Einsamkeit entzieht und Eurer schönen Braut eine unschuldige Freude nicht missgönnt.

Heiling. Unschuld’gen Freuden war ich niemals feind.

Stephan. Nun, Meister Heiling, dürft Ihr auch einen Trunk nicht verschmähn. (Er geht zum Tisch.)

Konrad (in eifrigem Gespräch mit Anna). Darum könnt Ihr nicht denken, was ich für eine Freude hatte, Euch zu sehn.

Anna (scherzend). Ja, wer’s Euch glaubte! Das habt Ihr wohl schon mancher vorgeredet.

Stephan. Nun, Herr, thut mir die Ehre an. (Er reicht Heiling den Krug.)

Heiling (blickt unverwandt nach der anderen Seite auf Anna und Konrad).

Konrad (fortfahrend). Wollte Gott, ich dürfte Euch beweisen, wie unrecht Ihr mir thut!

Anna (sieht nieder). Was meint Ihr?

Stephan. Ei, Meister Heiling, wollt Ihr mir nicht Bescheid thun?

Heiling (nimmt abgewandt den Krug).

Gertrude (leise zu Anna). Annchen, Annchen, sieh doch Heiling an!

Konrad (im Feuer der Rede Anna’s Hand ergreifend). Wahrhaftig, ich meine es von Herzen.

Heiling (schleudert den Krug hinweg). Verflucht!

Stephan (erschrocken). Heiliger Schutzpatron! Was ficht ihn an?

No. 7. Finale.

Bauern: Heisa! da sind die Spielleute! Hinein zum Tanze! (alle hinein).

Anna. Ach herrlich! (hüpft und klatscht vor Freude in die Hände). Ach prächtig, die Spielleute sind da, nun wird es munter hergehen. (ihr Auge fällt auf Heiling, sie wird still.) Ach ich dummes Ding, was freue ich mich denn ? Für mich wird ja nicht aufgespielt.

Konrad. Nun Meister, Ihr vergönnt doch, dass ich den Reigen mit Eurer schönen Braut _

Heiling (scharf). Nein Herr, das vergönn‘ ich nicht!

Gertrude. Ihr solltet Annchen doch die kleine Freude lassen.

Heiling. Ich habe ihr Versprechen.

Anna. Nun, wenn Ihr durchaus nicht wollt, so tanze ich nicht; aber Ihr solltet mir zu Liebe doch nachgeben.

(Es fängt an dunkel zu werden.)

Anna. Wie hüpft mir vor Freuden
das Herz in der Brust,
das Tanzen, das Tanzen
das ist meine Lust!
Zu schweben und drehen
im wogenden Kranz:
o lasst Euch erbitten,
Gewähret mir den Tanz!

Heiling. Nein! Ich kann sie nicht gewähren
die verführend wilde Lust!

Gertrude (bittend) und Konrad.
Wollt, o wollt die Bitte ihr gewähren,
gönnet ihr die kleine Lust.

Heiling. Nein!

Anna. Soll ich ganz, soll ich ganz der Freud' entbehren,
wollt Ihr jede Lust mir wehren?

Heiling. Meine Wünsche sollst du ehren
Nicht was mir verhaßt begehren!

Konrad (für sich). Kaum kann ich dem Zorne wehren.

Gertrude (für sich). Könnt' ich doch dem Zwiste wehren!

Konrad (für sich). Kaum kann ich dem Zorne wehren.

Anna (heftig). Zeigt ihr Euch schon als Tyrann,
und seid doch noch nicht mein Mann,
sei es frei denn Euch gesagt,
nimmer werd' ich Eure Magd!

Heiling (mit einer Bewegung nach Anna). Anna! Anna!

Gertrude. Kind, ich bitte!

Konrad (diese Bewegung missverstehend).
Halt! Verletzet nicht die Sitte!

Heiling (wüthend). Wagt Ihr?

Gertrude. Anna, ich bitte!

Anna (begütigend). Nicht doch,
nicht doch, lieber Freund,
Es war ja nicht so bös' gemeint!
Ihr wisst ich kann das Befehlen nicht leiden,
es bringt mich zur Wuth!
Seid freundlich, seid sanft und bescheiden,
dann, dann, ja dann bin ich Euch gut.

Heiling. So willst du?

Anna (die Hand ihm auf den Mund haltend).
Nein, lasst es vergessen sein.
Nicht wahr, nicht wahr, Ihr kommt mit hinein? (rasch mit Gertrude und Konrad ab.)

Heiling (ihr nachrufend). Anna! Anna!
Sie hört mich nicht?
sie geht? sie geht?
Sie hat mich nie geliebt! (Er steht starr in sich versunken. Die Musik aus der Schenke wird lauter gehört.)

Heiling (auffahrend). Ha jubelt! jubelt, rast in toller Lust.
Ihr weckt den finstern Geist in meiner Brust!
Mir diesen Trotz, mir diesen Hohn,
Dies meiner grenzenlosen Liebe Lohn!
Ach! ach, sie hat mich nie geliebt!
(Er stürzt wütend ab.)


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