Daniel Defoe
Bob Singleton
Daniel Defoe

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Wir hatten nunmehr von Ceylon genug, obgleich sechzig bis siebzig von unsern Leuten durchaus noch einmal an Land gehen wollten, um sich zu rächen, doch redete es ihnen William endlich aus, der sowohl bei der Mannschaft als bei uns Befehlshabern ein so großes Ansehen genoß, daß er mehr als irgendeiner von uns über die Mannschaft vermochte.

Sie schrien wütend nach Rache, wollten durchaus an Land gehen und fünfhundert von den Einwohnern töten. Nun gut, sagte William, und wenn ihr es auch tut, was gewinnt ihr dabei?

Ei was, erwiderte der Wortführer des unzufriedenen Haufens, wir wollen Genugtuung haben.

Ganz recht, sagte William wieder, aber was wird es euch nützen? Auf diese Einwendung hin wußten sie nichts mehr zu antworten.

Überdies, fuhr William fort, besteht, wenn ich mich nicht irre, euer Hauptgeschäft darin, Geld zu erwerben, wenn ihr daher auch zwei- bis dreitausend von diesen armen Geschöpfen überwindet und tötet, was könnt ihr von ihnen bekommen, da sie kein Geld besitzen? Bei diesen armen nackten Schelmen ist ein für allemal nichts zu holen. Dagegen ist es mehr als wahrscheinlich, daß ihr bei einem solchen Unternehmen wenigstens ein Dutzend von eurer Gesellschaft verlieren würdet. Sagt mir einmal, wo da der Gewinn sein soll, und welchen Ersatz ihr der Gesellschaft für die Gefallenen bieten könntet.

Kurz, William setzte seine Gründe mit solcher Überzeugungskraft auseinander, daß die Leute einsahen, es würde eine bloße Abschlachterei sein, wenn sie auf ihrem Vorhaben bestünden. Sie gaben jetzt selbst zu, daß die Eingeborenen ein Recht auf ihr Eigentum hätten, sie aber keines es ihnen wegzunehmen und unschuldige Leute zu töten, welche bloß nach den Geboten des Naturgesetzes gehandelt hatten; sie gestanden, daß dies ebensogut ein Mord wäre, als wenn einer einem Fremden auf der Straße auflauern und ihn mit kaltem Blute für nichts und wieder nichts töten wollte ohne Rücksicht darauf, ob dieser Fremde ihn beleidigt hätte oder nicht.

Indes versetzte uns ein anderer Zufall in die Notwendigkeit, uns abermals mit diesen Leuten einzulassen, bei welcher Gelegenheit dem abenteuerreichen Leben unserer ganzen Gesellschaft beinahe ein rasches Ziel gesetzt worden wäre, denn etwa drei Tage, nachdem wir von dem Kampfplatz abgezogen und wieder in See gestochen waren, wurden wir von einem heftigen Sturme von Süden her oder vielmehr von einem Orkan von allen Punkten des Südens her überfallen, denn er wütete und raste auf die schrecklichste Weise. Wir waren nicht imstande das Schiff länger zu regieren, drei Marssegel wurden zerschlitzt und zuletzt die Hauptmarsstange herabgeworfen, kurz wir wurden ein- oder zweimal rechts gegen das Ufer getrieben, und einmal wären wir an einer gewaltigen Klippenreihe, etwa eine halbe Meile vom Ufer entfernt, zu tausend Stücken zertrümmert worden, hätte nicht der Wind gerade im entscheidenden Augenblicke gewechselt; da er indes sehr oft umschlug, so setzten wir alle Segel bei und gelangten in einer halben Stunde wieder mehr als eine Meile weit in die offene See. Hierauf blies der Wind mit ziemlicher Wut südwestlich und trieb uns wieder ein gut Stück östlich nach der Klippenreihe zurück, wo wir eine große Öffnung zwischen den Felsen und dem Lande fanden und uns bemühten hier zu ankern; allein wir fanden bald, daß sich der Platz nicht dazu eignete, denn der Grund bestand aus lauter felsigem Gestein. Wir segelten also durch die Öffnung hindurch, welche etwa vier Meilen lang war. Der Sturm dauerte fort, und nun fanden wir eine schreckliche, höchst gefährliche Küste, so daß wir nicht wußten, was wir beginnen sollten. Wir strengten unsere ganze Sehkraft an, um irgendeinen Fluß, eine Landzunge oder eine Bucht zu entdecken, wo wir einlaufen und ankern könnten, fanden aber geraume Zeit nicht, was wir suchten. Endlich erblickten wir eine große Landspitze, welche südlich weit in die See hineinragte und so lang war, daß wir bald deutlich einsahen, wenn der Wind so anhielt, so konnten wir sie nicht umsegeln, wir schifften daher möglichst unter der Leeseite dieses Punktes weiter und ankerten endlich an einer Stelle von etwa zwölf Faden Tiefe.

Aber in der Nacht wechselte der Wind aufs neue und blies so fürchterlich, daß unsere Anker schleppten und das Schiff fortgetrieben wurde. Trotz der Hilfe, die uns unser Notanker bot, fanden wir, als es tagte, zu unserer unendlichen Bestürzung, daß das Schiff gestrandet war.

Da die Flut vorüber war, das Wasser aber immer noch ein wenig ablief, so lag das Schiff beinahe trocken auf einer harten Sandbank. Die Eingeborenen stürzten in großen Scharen herbei, um uns zu sehen, und da sie sich nicht denken konnten, wer wir wären, gafften sie uns als eine Art Meerwunder an und zerbrachen sich die Köpfe, was sie tun sollten.

Ich habe Grund zu glauben, daß sie sogleich eine Botschaft absandten mit der Nachricht, es sei ein Schiff da, und zwar in dem bereits angegebenen Zustande, denn am folgenden Tage erschien ein großer Mann, den wir anfangs für ihren König hielten, denn er hatte eine Menge Leute bei sich, darunter viele mit Wurfspießen in der Hand, die so lang waren wie kurze Gewehre. Sie kamen alle an den Rand des Wassers hinab und stellten sich unmittelbar vor unsern Augen in guter Ordnung auf. Etwa eine Stunde lang standen sie so da, ohne eine Bewegung zu machen, dann aber näherten sich etwa zwanzig Mann, von denen einer eine weiße Flagge vorantrug. Sie wateten bis an die Mitte des Leibes ins Wasser, denn die See ging nicht mehr so hoch wie früher, da der Wind nachgelassen hatte und nun vom Ufer aus seewärts blies.

Der Mann hielt eine lange Rede an uns, wie wir aus seinem Gebärdenspiel entnehmen konnten, und wir hörten zuweilen seine Stimme, konnten aber kein Wörtlein verstehen. William, der uns bei jeder Gelegenheit so nützliche Dienste geleistet, hatte nach meiner Ansicht auch hier wiederum das Verdienst, uns allen das Leben zu retten. Die Sache verhielt sich nämlich so: der riesenhafte Redekünstler stieß, als er mit seiner Rede zu Ende war, drei laute Schreie aus, ich weiß diesen Tönen keine andere Benennung zu geben, sodann senkte er dreimal seine weiße Flagge und machte endlich drei Bewegungen gegen uns, daß wir zu ihm kommen sollten.

Ich gestehe, daß ich der Ansicht war, man sollte das Boot bemannen und zu ihnen hinsegeln, aber William wollte es mir durchaus nicht gestatten. Er sagte, wir dürften niemandem trauen: wenn es Barbaren wären, so würden wir samt und sonders alle von ihnen niedergemacht, wären es aber Christen, so würden wir nicht viel besser fahren, sobald sie unsern wahren Charakter erführen; die Malabaren, und zu dieser Rasse gehörten wohl diese Leute, wären von jeher heimtückisch gegen jedermann gewesen, der in ihre Hände gefallen; wenn wir daher auf unsere Sicherheit bedacht sein wollten, so sollten wir unter keinen Umständen zu ihnen gehen. Ich widersprach ihm lange und bemerkte ihm, meiner Ansicht nach habe er zwar noch immer recht gehabt, aber diesmal treffe er gewiß nicht das Wahre. Ich für meine Person wollte mich ebensowenig in unnötige Gefahren stürzen als er oder irgendein anderer, aber alle Nationen in der Welt, selbst die wildesten, hielten das Versprechen, das sie durch eine Friedensfahne gegeben, für etwas Heiliges. Ich bewies ihm dies an mehreren Beispielen, besonders aus der Geschichte meiner afrikanischen Reise, und setzte hinzu, ich könnte diese Leute unmöglich für bösartiger halten als einige von jenen Völkerschaften, mit denen ich damals zusammengetroffen. Überdies, sagte ich, scheine unsere Lage derart zu sein, daß wir jedenfalls in fremde Hände geraten müßten, und wir würden daher weit besser tun, durch einen freundschaftlichen Vertrag als durch eine erzwungene Unterwerfung in ihre Gewalt zu fallen, wenn sie wirklich eine verräterische Absicht hegen sollten.

Ganz gut, mein Freund, versetzte William, wenn du hingehen willst, so kann ich dich nicht hindern, nur will ich dir dann beim Abschied das letzte Lebewohl sagen, denn verlaß dich darauf, daß du uns nie wieder sehen wirst. Ob wir in dem Schiffe am Ende besser davonkommen werden, das kann ich nicht behaupten, aber dafür bürge ich dir, daß wir unser Leben nicht ohne Not und mit so kaltem Blute hingeben werden wie du zu tun im Begriffe bist, wir werden uns wenigstens solange wie möglich halten und am Ende wie Männer sterben, nicht aber wie Narren, die sich von einer Handvoll heimtückischer Barbaren in die Falle locken lassen.

William sagte dies mit solcher Erregung und dabei mit einer so richtigen Würdigung unserer Lage, daß mir die Gefährlichkeit meines Planes doch endlich einzuleuchten begann. Ich hatte ebensowenig Lust als er mich niedermachen zu lassen, und doch mochte ich um mein Leben nicht so ängstlich sein wie er.

Aber Freund William, sagte ich, was sollen wir denn tun? Du siehst, in welcher Lage wir sind und was uns bevorsteht, etwas muß getan werden, und zwar sogleich.

Nun gut, erwiderte William, ich will dir sagen, was du tun sollst. Fürs erste laß auch eine weiße Flagge aufpflanzen, sodann bemanne die Schaluppe und die Pinasse mit soviel Mann als hineingehen, ohne im Gebrauch ihrer Waffen behindert zu werden, und laß mich mit ihnen fahren, du sollst dann sehen, was wir tun werden. Ergeht es mir übel, so kannst du dich wenigstens retten, und dich dabei beruhigen, daß mein Unglück meine eigene Schuld war, jedenfalls mag dir dann meine Torheit zu einer Lehre dienen.

Ich wußte anfangs nicht, was ich erwidern sollte, aber nach einer Pause sagte ich: William, William, es würde mir ebenso leid tun, wenn du umkämst, als wenn mir selbst ein Unfall begegnete, und falls das Unternehmen mit Gefahr verbunden ist, so verlange ich, daß du dich ihr ebensowenig aussetzest wie ich. Deshalb wollen wir lieber alle zusammen auf dem Schiffe bleiben und gemeinschaftlich dem gleichen Schicksal entgegengehen.

Nein, nein, entgegnete William, mit meinem Plane ist keine Gefahr verbunden, und du kannst mit mir gehen, wenn du Lust hast. Wenn du dich nur in meine Anordnungen fügen willst, so verlaß dich darauf, daß wir, obgleich wir uns von den Schiffen entfernen, mit diesen Wilden nur bis auf die nötige Nähe zusammentreffen werden, um mit ihnen zu sprechen. Du siehst, sie haben keine Boote, um zu uns zu kommen, aber es wäre mir lieber, wenn du meinen Rat annähmest und auf dem Schiffe die Signale befolgtest, die ich vom Boote aus geben werde. Im übrigen können wir ja die Sache noch näher besprechen, ehe wir abfahren.

Da ich hieraus ersah, daß William bereits einen fertigen Plan in seinem Kopf hatte und wegen der zu treffenden Maßregeln nicht in Verlegenheit war, so erklärte ich mich, er solle für diese Fahrt der Kapitän sein: wir wollten uns alle unter seinen Befehl stellen, und ich selbst würde für ihre pünktlichste Befolgung Sorge tragen.

Nach dieser Verabredung beorderte er vierundzwanzig Mann in die Schaluppe, zwölf Mann in die Pinasse, und da die See gerade ziemlich ruhig war, so segelten sie, sämtlich sehr gut bewaffnet, ab. Er befahl uns, alle Kanonen des großen Schiffes auf der dem Ufer zunächst gelegenen Seite mit Musketenkugeln, alten Nägeln, und allen möglichen Stücken alten Eisens und Bleis zu laden und sie schußfertig zu halten, sobald wir sähen, daß sie die weiße Flagge senkten und in der Pinasse eine rote aufpflanzten.

Nachdem diese Bestimmungen festgesetzt waren, segelten sie gegen das Ufer zu: William in der Pinasse mit zwölf Mann und hinter ihm die Schaluppe mit vierundzwanzig Mann, sämtlich handfeste entschlossene Burschen und sehr gut bewaffnet. Sie ruderten so nahe am Ufer hin, daß sie mit den Eingeborenen sprechen konnten, dabei hatten sie wie diese eine weiße Flagge aufgepflanzt und erboten sich zu einer Unterredung. Die Tölpel von Eingeborenen, denn ich kann sie nicht anders nennen, zeigten sich sehr höflich, als sie aber fanden, daß wir sie nicht verstehen konnten, so brachten sie einen alten Holländer herbei, der schon seit vielen Jahren ihr Gefangener war, und beauftragten ihn mit uns zu sprechen. Der wesentliche Inhalt seiner Rede war, der König des Landes habe seinen General hierher gesandt, um zu erfahren, wer wir wären und was wir hier trieben.

William, der auf dem Stern der Pinasse stand, antwortete ihm, er, der seiner Sprache nach ein Europäer sei, werde wohl leicht einsehen, wer wir wären und in welcher Lage wir uns befänden, das Schiff sei auf den Sand gelaufen, und somit könne er sich wohl denken, daß wir hier nichts anderes trieben, als was man mit einem Schiffe in solcher Not tun könne. Er, William, wünsche nun auch seinerseits zu erfahren, warum sie in solcher Anzahl und zwar bewaffnet gekommen seien, wie wenn sie uns bekriegen wollten.

Der Holländer antwortete, sie hätten guten Grund gehabt ans Ufer herabzukommen, indem das Erscheinen von fremden Schiffen an der Küste das Land jedesmal in Unruhe setzte, und da unsere Fahrzeuge wohl bemannt, auch mit Kanonen und sonstigen Waffen wohl versehen seien, so habe der König einen Teil seiner Krieger gesandt, um im Falle einer feindlichen Landung sich zur Wehr zu setzen. Aber, fuhr er fort, da ihr euch in solcher Not befindet, so hat der König seinem General den Befehl gegeben, euch alle mögliche Hilfe zu leisten, und euch zu sich ans Ufer eingeladen, um euch mit der größten Höflichkeit zu empfangen.

William erwiderte schnell: Ehe ich dir antworte, ersuche ich dich mir zu sagen, wer du bist, denn deiner Sprache nach mußt du ein Europäer sein.

Jener sagte, er sei ein Holländer.

Das höre ich recht wohl aus deiner Sprache, sagte William, aber bist du auch wirklich ein geborener Holländer, oder bist du hierzulande geboren und hast vielleicht durch den Umgang mit den Holländern, die sich auf dieser Insel niedergelassen haben, das Holländische gelernt?

Nein, sagte der alte Mann, ich bin gebürtig aus Delft in Holland.

Gut, versetzte William, aber bist du ein Christ oder ein Heide oder was wir einen Renegaten nennen?

Ich bin ein Christ, sagte er.

Du bist also Holländer und Christ, sagst du, aber bist du ein freier Mann oder in Diensten?

Ich stehe in den Diensten des Königs hier und zwar bei seinen Kriegern.

Aber bist du ein Freiwilliger oder ein Gefangener?

Ich war allerdings zu Anfang ein Gefangener, bin aber jetzt in Freiheit und insofern ein Freiwilliger.

Das heißt, nachdem du anfangs Gefangener gewesen, hast du jetzt die Freiheit ihnen zu dienen, aber bist du so frei, daß du, wenn du wolltest, zu deinen Landsleuten gehen dürftest?

Nein, das will ich nicht sagen. Meine Landsleute leben weit von hier in den nördlichen und östlichen Teilen der Insel, und ohne ausdrückliche Erlaubnis des Königs darf niemand zu ihnen gehen.

Gut, und warum hast du dir diese Erlaubnis nicht ausgewirkt?

Ich habe nie darum ersucht.

Vermutlich weil du wußtest, daß du sie nicht bekommen hättest.

Ich kann mich darüber nicht auslassen, aber warum fragst du mich das alles?

Ei, ich habe meinen guten Grund. Wenn du ein Christ und kein Gefangener bist, wie kannst du dich diesen Barbaren als Werkzeug hergeben, um uns, deine Mitchristen, an sie zu verraten? Beweist dies nicht eine ruchlose Gesinnung?

Wie könnt ihr sagen, daß ich euch verraten will? Bringe ich euch nicht die Nachricht, daß der König euch einladen läßt ans Land zu kommen, und daß er Befehl gegeben hat, euch höflich zu behandeln und zu unterstützen?

Wenn du ein Christ bist, woran ich übrigens sehr zweifle, so frage ich dich: Glaubst du, daß der König oder Häuptling, wie du ihn nennst, es mit diesen Versprechungen halbwegs aufrichtig meint?

Er verspricht es euch durch den Mund seines Generals.

Ich frage dich nicht, was er verspricht oder durch wen, sondern ich frage dich nur: kannst du sagen, du seist überzeugt, daß er sein Versprechen halten wolle.

Wie kann ich dafür bürgen, wie kann ich wissen, was er im Sinne hat?

Du kannst doch sagen, was du glaubst.

Ich kann bloß sagen, daß er es tun will, und ich glaube, er wird es tun.

Du bist, wie ich sehe, ein doppelzüngiger Christ. Nun, ich will dir die Frage anders stellen: Willst du sagen, du selber glaubst es und rätst uns, es auch zu glauben und auf diese Versprechungen hin unser Leben in ihre Hände zu geben?

Ich bin nicht dazu da euer Ratgeber zu sein.

Du scheust dich vielleicht deine wahre Meinung auszusprechen, weil du in ihrer Gewalt bist. Aber versteht denn einer von diesen da, was wir beide sprechen? Können sie holländisch sprechen?

Nein, kein einziger, deswegen habe ich nicht die mindeste Besorgnis.

Nun gut, so antworte mir offen, wenn du ein Christ bist: Können wir es auf ihre Worte hin mit Sicherheit wagen, uns in ihre Hände zu geben und ans Ufer zu kommen?

Ihr geht mir sehr scharf zu Leibe. Aber laßt mich jetzt auch eine Frage stellen: Habt ihr Aussicht mit eurem Schiff wieder flott zu werden, wenn ihr euch dessen weigert?

Ja allerdings, jetzt da der Sturm vorüber ist, sind wir deshalb ohne Sorge.

Dann kann ich nicht sagen, daß es das beste für euch wäre ihnen zu trauen.

Gut, das heißt ehrlich gesprochen.

Aber was soll ich ihnen dann sagen?

Finde sie mit schönen Worten ab, wie sie es auch mit uns gehalten haben.

Mit was für schönen Worten?

Ei, sie sollen dem Könige melden, wir seien Fremde und durch einen gewaltigen Sturm an die Küste verschlagen, wir dankten ihm aufs herzlichste für sein höfliches Anerbieten und werden dasselbe, wenn wir dessen benötigt sein sollten, mit der größten Erkenntlichkeit annehmen. Vorläufig aber hätten wir keinen Grund ans Ufer zu kommen, und überdies können wir das Schiff in seinem gegenwärtigen Zustande nicht gut verlassen, sondern müssen daran arbeiten es wieder flott zu machen, da wir alle Aussicht haben, in wenigen Tagen es wieder ganz instand gesetzt zu haben und die Anker auswerfen zu können.

Aber er wird erwarten, daß ihr ans Ufer kommt, ihn besucht und ihm für seine Höflichkeit ein Geschenk macht.

Sobald wir unser Schiff wieder instand gesetzt und die Ritzen verstopft haben, so werden wir ihm unsere Ehrfurcht beweisen.

Ja, ihr könntet aber ebensogut schon jetzt zu ihm kommen.

Halt, Freund, ich sagte nicht, wir wollten dann zu ihm kommen. Du sprachst von einem Geschenke, und das meinte ich mit dem Ausdruck, ihm unsere Ehrfurcht zu beweisen.

Gut, aber ich werde ihm sagen, ihr werdet ans Ufer kommen, wenn euer Schiff wieder flott ist.

Ich habe darauf nichts zu erwidern, du kannst ihm sagen, was du für gut hältst.

Aber er wird in große Wut geraten, wenn ich ihm dies nicht verspreche.

Über wen wird er in große Wut geraten?

Über euch.

Was haben wir danach zu fragen?

Ei, er wird sein ganzes Heer gegen euch senden.

Und wenn auch das ganze Heer schon da wäre? Was meinst du wohl, was es gegen uns ausrichten könnte?

Er wird erwarten, daß es eure Schiffe verbrenne und euch alle zu ihm führe.

Sage ihm, er solle es einmal versuchen, dann werde er gewiß in seine eigene Grube fallen.

Er hat eine ungeheure Anzahl Leute.

Hat er auch Schiffe?

Nein, Schiffe hat er nicht.

Auch keine Boote?

Nein, auch keine Boote.

Nun, wie kannst du denn glauben, daß wir uns vor seinen Soldaten fürchten? Was könntest du gegen uns ausrichten, wenn du auch hunderttausend Mann bei dir hättest.

Ei, sie könnten euch verbrennen.

Verbrennen – meinst du? Ja, das könnten sie allerdings. Aber sie werden es nicht versuchen. Sie sollen es nur einmal auf ihre Gefahr probieren, ich versichere dir, wir werden eure hunderttausend Mann zusammenschmettern, sobald sie in den Bereich unserer Kanonen kommen.

Aber wenn der König euch Geiseln für eure Sicherheit gibt?

Wen kann er geben außer lauter Sklaven und Dienern wie du bist, lauter Leute, deren Leben er so wenig achtet als wir einen Hund.

Wen verlangt ihr als Geisel?

Seine Gnaden ihn selbst.

Was würdet ihr mit ihm tun?

Was er auch mit uns tun würde: ihm den Kopf abschneiden.

Und was würdet ihr mit mir tun?

Mit dir? Wir würden dich in dein Vaterland zurückbringen. Zwar verdienst du weiter nichts als den Galgen, wir würden aber doch wieder einen Menschen und Christen aus dir machen und nicht an dir handeln, wie du an uns gern gehandelt hättest – dich nicht an grausame wilde Heiden verraten, welche keinen Gott kennen und kein Gefühl für die Mitmenschen haben.

Ihr bringt mich da auf einen Gedanken, über den ich morgen weiter mit euch sprechen will.

Damit trennten sie sich, William aber kam wieder an Bord und erzählte uns weitläufig seine Unterredung mit dem alten Holländer, die für mich sehr belehrend war, denn ich sah aufs neue, daß William sich weit besser auf solche Verhandlungen verstand als ich.

Es war ein großes Glück, daß wir noch in derselben Nacht unser Schiff losmachten, und zu unserer allgemeinen Beruhigung fanden wir etwa anderthalb Meilen von unserm jetzigen Platze entfernt ein tieferes Wasser, wo wir die Anker auswerfen konnten, so daß wir die insulanische Majestät mit ihren hunderttausend Mann durchaus nicht zu fürchten brauchten. Wir machten uns in der Tat am andern Tag einigen Spaß mit ihnen, als sie in zahlloser Menge, jedoch unseres Erachtens bei weitem nicht hunderttausend Mann stark, mit einigen Elefanten herabkamen. Sie hätten uns übrigens auch mit einem ganzen Heer von Elefanten nichts anhaben können, denn wir saßen ziemlich sicher auf unserm Ankerplatz und waren außerhalb ihres Bereichs, wiewohl nicht so ganz als wir glaubten, denn obgleich wir auf einem glatten Wasser lagen, so wären wir um ein Haar wiederum gestrandet, da der vom Ufer herkommende Wind die Ebbe ungewöhnlich weit hinaus blies, so daß wir die Sandbank, auf die wir zuvor gestoßen waren, in Gestalt eines Halbmondes daliegen sahen, der uns mit seinen zwei Hörnern umgab; wir befanden uns nämlich im Mittelpunkte desselben wie in einer runden Bucht, übrigens sowohl von der rechten als von der linken Seite in einem tiefen, für den Augenblick aber toten Wasser, und die zwei Hörner oder Spitzen des Sandes ragten beinahe zwei Meilen über die Stelle hinaus, wo unser Schiff lag.

Auf dem östlich von uns gelegenen Teile des Sandes breitete sich die schlecht angeführte Menge der Insulaner aus, und da die meisten von ihnen nicht über die Knie oder Knöchel hinauf im Wasser standen, so schlossen sie uns auf dieser Seite, sowie auf der des Landes und auch ein wenig auf der andern Seite des Sandes ein, indem sie auf einem Raume von etwa sechs Meilen einen Halbkreis oder vielmehr drei Fünftel eines Kreises bildeten, das andere auf unserer Westseite gelegene Horn des Sandes war nicht ganz so seicht, weshalb sie sich in dieser Richtung nicht soweit ausdehnen konnten.

Sie bedachten nicht, welchen Dienst sie uns taten, und wie sie durch ihre plumpe Unwissenheit unfreiwillig unsere Wegweiser geworden waren, während wir, da der Platz nicht gehörig von uns sondiert worden war, unversehens hätten zugrunde gehen können. Außer diesen Massen von menschlichen Teufeln hatten wir auch ein sehr leckes Schiff, und alle unsere Pumpen konnten das Überhandnehmen des Wassers kaum verhindern, unsere Zimmerleute aber waren über Bord, um die Beschädigungen des Schiffes aufzufinden, zuzustopfen und es zuerst auf der einen, dann auf der andern Seite zu flicken. Da nun unsere Leute das Schiff auf der Seite hielten, welche den auf dem östlichen Horn des Sandes stehenden wilden Scharen am nächsten lag, so war es sehr erbaulich zu sehen, wie diese vor Furcht und Freude sich nicht zu fassen wußten, dann auf einmal einander zuriefen und ein Geschrei erhoben, das ich unmöglich beschreiben kann.

Während wir nun, wie man sich wohl denken kann, alle Hände voll zu tun hatten, um unsere Lecke zu verstopfen, unser Tau- und Segelwerk, welches Schaden erlitten hatte, wieder instand zu setzen, einen neuen großen Mast aufzutakeln usw., während wir das alles taten, bemerkten wir einen Haufen von etwa tausend Leuten, welche sich von dem in der Tiefe der Sandbucht liegenden Teile des Barbarenheeres wegmachten und längs des Wassersaumes um den Sand herumkamen, dann aber ungefähr eine halbe Meile von unserer östlichen Batterieseite Halt machten. Wir sahen auch den Holländer ganz allein mit seiner weißen Flagge und allen seinen Bewegungen wie vorher näher auf uns zukommen.

Unsere Leute hatten gerade das Schiff wieder instand gesetzt und glücklicherweise unsere schlimmsten und gefährlichsten Ritze ausfindig gemacht und verstopft, als die Feinde an unsere Batterieseite kamen, und so ließ ich denn wie tags zuvor die Boote bemannen und schickte William als Bevollmächtigten ab. Ich wäre selbst gegangen, wenn ich holländisch verstanden hätte. Da dies nicht der Fall war, so konnte ich das Ergebnis des Gesprächs ja doch nur aus zweiter Hand erfahren, wozu es nachher immer noch Zeit war. Alle Instruktionen, die ich William gab, beschränkten sich darauf, womöglich den alten Holländer zu veranlassen, daß er an Bord kommen möchte.

William ging also wie am Tage zuvor, und als er auf etwa zweihundert Fuß am Ufer war, ließ er seine weiße Flagge aufhissen und die Batterieseite des Bootes gegen das Ufer richten, und während seine Leute auf ihren Rudern lagen, begann er:

Nun, mein Freund, was hast du jetzt zu sagen?

Ich komme mit demselben friedlichen Auftrag wie gestern.

Wie kannst du von einem friedlichen Auftrag sprechen, mit allen diesen Leuten in deinem Rücken und all diesen närrischen Waffen, die sie bei sich haben? So sage denn, was du zu sagen hast.

Der König hat uns befohlen, den Kapitän und alle seine Leute einzuladen ans Ufer zu kommen; zugleich hat er allen seinen Untertanen eingeschärft, ihnen mit der größtmöglichen Höflichkeit zu begegnen.

Gut, und sind diese Leute deswegen gekommen, uns ans Ufer einzuladen?

Sie werden euch kein Leid tun, wenn ihr friedlich an Land kommen wollt.

Gut, und was denkst du, das sie uns tun können, wenn wir nicht wollen?

Ich wünsche, daß sie euch auch dann keinen Schaden zufügen.

Aber ich bitte dich, Freund, sei kein Narr und Schelm zugleich. Weißt du nicht, daß wir dein ganzem Heer nicht zu fürchten brauchen und vor allem sicher sind, daß sie uns nichts zufügen können? Was veranlaßt dich, so einfältig und dabei so spitzbübisch zu Werke zu gehen?

Ihr glaubt euch vielleicht sicherer als ihr wirklich seid, und wißt nicht, was sie euch tun können. Ich kann euch versichern, daß sie imstande sind, euch schweren Schaden zuzufügen, und vielleicht gar euer Schiff zu verbrennen.

Angenommen, dies sei wahr, wie ich überzeugt bin, daß es erlogen ist, so siehst du, daß wir noch mehrere Schiffe haben. Dabei deutete er auf die Schaluppe.

Gerade um diese Zeit entdeckten wir zu unserm außerordentlichen Vergnügen die schon dreizehn Tage lang vermißte Schaluppe, die von Osten her in einer Entfernung von etwa zwei Meilen die Küste entlang auf uns zusteuerte.

Das kümmert uns wenig. Wenn ihr auch zehn Schiffe hättet, so könntet ihr es doch nicht wagen, mit eurer Mannschaft ans Ufer zu kommen, wir sind zu zahlreich für euch.

Du sprichst schon wieder nicht, wie du denkst, wir können dir ja einmal ein Pröbchen geben, wenn unsere Freunde zu uns gestoßen sind, denn du hörst, sie haben uns entdeckt.

Die Schaluppe feuerte eben jetzt fünf Kanonen ab, um Nachricht von uns zu erhalten, denn sie sah uns nicht.

Ja, ich höre sie feuern, aber ich hoffe, euer Schiff wird es nicht erwidern, denn wenn dies geschieht, so wird es unser General als Friedensbruch ansehen und seiner Armee Befehl geben, euch da im Boote mit einem Hagel von Pfeilen zu überschütten.

Du kannst versichert sein, daß das Schiff feuern wird, damit die andern es hören, jedoch nicht mit Kugeln. Wenn dein General nichts Besseres weiß, so mag er tun, was er will, du darfst aber darauf rechnen, daß wir es mit Zinsen heimzahlen werden.

Was soll ich denn tun?

Geh einmal zu ihm und melde ihm vor der Hand was ich sagte, gib ihm zu verstehen, daß das Schiff nicht auf ihn noch auf seine Leute feuert, dann komm wieder und sage uns, was er im Sinne hat.

Nein, ich will zu ihm schicken, wir erreichen dadurch denselben Zweck.

Wie du willst, doch glaube ich, du würdest besser daran tun selbst zu gehen, denn wenn unsere Leute vorher feuern, so wird er vermutlich in großen Zorn geraten und zwar über dich, denn wir bekümmern uns nicht um seinen Zorn.

Ihr schätzt eure Feinde viel zu gering und wißt gar nicht, wozu sie fähig sind.

Du tust, als ob diese armen wilden Wichte Wunder was ausrichten könnten, so laß uns doch einmal sehen, was sie alles vermögen, meinetwegen magst du die Friedensflagge senken, wenn du Lust hast, und damit den Anfang machen.

Ich möchte viel lieber den Frieden zustande bringen, so daß wir als gute Freunde voneinander scheiden können.

Du bist ein heimtückischer Schurke, denn offenbar weißt du, daß uns diese Leute nur deswegen ans Ufer locken wollen, um sich unserer Personen zu bemächtigen, und du, der du dich einen Christen nennst, möchtest uns gern bereden, in diese Falle zu gehen und unser Leben in die Hände von Menschen zu geben, welche nichts von Mitleid, anständigen Gebräuchen oder guten Sitten wissen. Wie kannst du, der du dich einen Christen nennst, doch ein so niederträchtiger Bursche sein?

Wie könnt ihr mich so nennen? Was habe ich euch getan und was verlangt ihr von mir?

Daß du nicht den Verräter spielst sondern dich benimmst wie einer, der früher Christ war und es auch geblieben sein würde, wenn er kein Holländer wäre.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich wünschte wohl von diesen Leuten loszukommen, sie sind abscheulich blutdürstig.

Kannst du schwimmen?

Ja, das kann ich, aber wenn ich einen Versuch machen würde, zu euch hinüberzuschwimmen, so würde ich tausend Pfeile und Wurfspieße in meinem Leibe stecken haben, bevor ich euer Boot erreichen könnte.

Ich will näher zu dir hinfahren und dich, dem ganzen Haufen zum Trotz an Bord nehmen. Wir wollen ihnen nur eine einzige Salve geben, dann stehe ich dafür, daß sie alle eiligst davonlaufen.

Ich versichere euch, daß ihr euch hierin täuschet, sie würden im Gegenteil alle sogleich ans Ufer rennen, feurige Pfeile auf euch abschießen und euer Boot, euer Schiff und alles, was ihr habt, in Feuer setzen.

Wir wollen uns dieser Gefahr aussetzen, wenn du zu uns kommst.

Werdet ihr mich aber auch anständig behandeln?

Ich gebe dir mein Wort darauf, sobald du dich wie ein Ehrenmann aufführst.

Werdet ihr mich nicht zum Gefangenen machen?

Ich bürge dir mit meinem Kopfe dafür, daß du frei sein und die Erlaubnis erhalten sollst zu gehen, wohin du willst, obgleich ich dir ehrlich gestehen muß, daß du es nicht verdienst.

Eben gerade um diese Zeit feuerte unser Schiff drei Kanonen ab, um der Schaluppe zu antworten und ihr kund zu tun, daß man sie gesehen hätte, auch verstand die Schaluppe das Zeichen sogleich und steuerte unmittelbar auf unser Schiff zu. Unmöglich aber ist es, den Schrecken, das abscheuliche Geschrei, die Verwirrung und die allgemeine Unordnung zu beschreiben, welche die drei Schüsse unseres Schiffes unter dieser unübersehbaren Menschenmenge verursachten. Sie eilten alle zu ihren Waffen und stellten sich in einer Art Schlachtordnung auf, wobei übrigens von einer eigentlichen Ordnung durchaus keine Rede war.

Auf das Kommandowort rückten sie sofort in Haufen an das Ufer und begrüßten uns sogleich mit einem dichten Hagel von Pfeilen, welche mit einem kleinen in Schwefel oder ähnlichen Stoff getauchten Stück Tuch umwickelt waren, das durch seinen Flug in der Luft Feuer fing, und nur selten versagte eines dieser Geschosse.

Ich kann nicht leugnen, daß diese Angriffsweise, von der wir keinen Begriff gehabt hatten, uns anfänglich ein wenig überraschte, denn die Zahl der Pfeile war so groß, daß wir wirklich besorgten, sie möchten unser Schiff in Brand stecken. Auch entschloß sich William sogleich zurückzurudern, um uns zu überreden, daß wir die Anker lichten und in die See stechen sollten, aber es war nicht mehr Zeit dazu, denn die ungeheure am Ufer stehende Menschenmenge überschüttete das Boot und das Schiff alsbald von allen Seiten mit ihren Geschossen.

Sie feuerten, wenn ich es so nennen darf, nicht alle auf einmal, so daß zeitweise eine Pause eingetreten wäre, sondern schossen, da die Auflegung ihrer Pfeile wenig Zeit erforderte, unaufhörlich fort, so daß die Luft voll Feuer war.

Ich kann nicht sagen, ob sie ihren wollenen oder tuchenen Lappen erst anzündeten, bevor sie ihre Pfeile abschossen, denn ich bemerkte nicht, daß sie Feuer bei sich hatten, was indes dennoch der Fall gewesen zu sein schien.

Außer dem Feuer, das der Pfeil mitbrachte, hatte er eine Spitze aus Knochen oder aus scharfem Kieselstein. Einige nahmen auch ein Metall dazu, das zwar als Metall an und für sich etwas weich, aber doch hart genug war, um stecken zu bleiben, wo es einfiel.

William und seine Leute waren klug genug, sich dicht hinter ihre Schutzbretter zu legen, welche sie zu diesem Zwecke so hoch gelegt hatten, daß sie sich leicht hinter denselben verbergen und gegen alles, was von der Seite kam, schützen konnten, gegen das aber, was senkrecht aus der Luft herabfiel, hatten sie keine Abwehr. Anfangs taten sie, als wollten sie fortrudern, gaben aber doch eine Kleingewehrsalve auf die Leute bei dem Holländer ab, wobei William den Seinigen einschärfte, ja genau auf die andern zu zielen, um den Unterhändler nicht zu treffen.

Jetzt war das kein Rufen mehr sondern ein so abscheuliches Geschrei, daß keiner den andern verstehen konnte, aber unsere Leute ruderten, nachdem sie im Anfange ein wenig rückwärts gefahren waren, kühn wieder näher auf sie zu und gaben eine zweite Salve ab, welche große Verwirrung unter den Feinden erregte, denn wir konnten vom Schiffe aus sehen, daß mehrere von ihnen getötet oder verwundet wurden.

Wir hielten dies für einen höchst ungleichen Kampf und gaben daher unsern Leuten das Zeichen zurückzurudern, um auch Anteil an dem Kampfe nehmen zu können; aber da sie so nahe am Ufer waren, flogen die Pfeile so dicht über sie her, daß sie die Ruder nicht handhaben konnten. Sie spannten daher ein Segel auf, in der Hoffnung, hinter ihren Notbrettern liegend, längs des Ufers hinsegeln zu können, allein das Segel war keine fünf Minuten ausgebreitet, als es bereits von fünfhundert Feuerpfeilen durchlöchert und zuletzt hellerloh brannte. Da nun auf diese Art die Feuergefahr für das ganze Boot vorhanden war, so plätscherten und schoben unsere Leute, in den Booten liegend, ihre Fahrzeuge so gut als möglich aus der Gefahr.

Mittlerweile hatten sie uns Platz gemacht, so daß wir dem ganzen wilden Heere beikommen konnten, und als wir mit dem Schiffe so nahe wie möglich herangefahren kamen, feuerten wir auf die dichteste Masse desselben sechs- oder siebenmal fünf Kanonen zu gleicher Zeit ab, welche mit altem Eisen und Kugeln aller Art geladen waren.

Wir konnten leicht sehen, daß wir eine gewaltige Verwüstung unter ihnen angerichtet, eine Masse Menschen getötet oder verwundet hatten, und daß sie deshalb in großer Bestürzung waren, gleichwohl rührten sie sich nicht von der Stelle, und die ganze Zeit über flogen ihre feurigen Geschosse so dicht wie zuvor.

Endlich hörte auf einmal dieser Pfeilregen auf, und der alte Holländer kam ganz allein ans Ufer gerannt, seine weiße Flagge wie vorher so hoch wie möglich schwingend und unserm Boote Zeichen gebend, daß es wieder zu ihm kommen möchte. William hatte anfangs keine Lust sich zu nähern, da aber der Mann unaufhörlich winkte, so entschloß er sich endlich dazu, worauf der Holländer ihm sagte, er sei bei dem General gewesen, den das Blutbad unter seinen Leuten so mürbe gemacht habe, daß er jetzt alles von ihm verlangen könne.

Alles, sagte William, was haben wir mit ihm zu schaffen? Er soll seiner Wege gehen und seine Leute außer Schußweite führen, kann er das nicht?

Freilich, erwiderte der Holländer, aber er wagt es nicht, sich von der Stelle zu rühren und vor des Königs Angesicht zu treten, da er, wenn nicht einige von euren Leuten ans Ufer kämen, sicherlich zum Tode verurteilt würde.

Ganz gut, versetzte William, so mag er denn sterben, denn er soll nie einen von uns in seine Gewalt bekommen, und wenn er dadurch auch sich selbst und dem ganzen Heere das Leben retten könnte. Aber, setzte er hinzu, ich will dir sagen, wie du ihn hintergehen und dabei deine eigene Freiheit gewinnen kannst, wenn dir nämlich daran liegt, deine Heimat wieder zu sehen, und du noch nicht verwildert genug bist, um deine Tage unter diesen Heiden und Halbmenschen zu beschließen.

Ich wollte von Herzen gern fliehen, antwortete er, aber wenn ich jetzt einen Versuch machte, zu euch zu schwimmen, so würden sie, so fern sie mir im Augenblicke auch noch sind, doch so sichere Pfeile nachsenden, daß sie mich töten würden, ehe ich die Hälfte des Weges erreicht hätte.

Aber, entgegnete William, ich will dir sagen, wie du seine Einwilligung bekommen kannst. Geh zu ihm und melde ihm, ich hätte mich erboten dich an Bord zu bringen, wo du einen Versuch machen wolltest, den Kapitän ans Ufer herüberzulocken, und ich wollte ihn nicht hindern, wenn er Lust dazu habe.

Der Holländer schien über diesen Vorschlag entzückt. Ja, das will ich tun, rief er, ich bin überzeugt, daß er es mir erlauben wird.

Damit rannte er fort, als hätte er eine fröhliche Botschaft zu überbringen, und sagte dem General, William habe versprochen, wenn er mit ihm an Bord des Schiffes gehe, so wolle er den Kapitän überreden, mit ihm ans Land zu kommen. Der General war einfältig genug ihm dazu Befehl zu geben und schärfte ihm ein, nicht ohne den Kapitän zurückzukommen, was dieser mit Vergnügen versprach und auch ehrlich hielt.

William nahm ihn also in sein Boot und brachte ihn an Bord, wo er sein Versprechen erfüllte und nie mehr zurückkehrte. Da nun inzwischen die Schaluppe an die Mündung der Enge gekommen war, wo wir lagen, so lichteten wir die Anker und segelten weiter, wobei wir, als wir ziemlich nahe ans Ufer kamen, drei Kanonen gegen sie abschossen, jedoch nur blind, denn wir hatten kein Interesse mehr ihnen wirklichen Schaden zuzufügen. Sofort erhoben wir auf gute Seemannsart zum Abschied ein Freudengeschrei und führten ihren Gesandten von dannen. Wie es dem General erging, davon haben wir keine weiteren Nachrichten bekommen.

Wir waren also wieder in der offenen See und segelten eine Zeitlang nördlich, um zu versuchen, ob wir irgendwo unsere Spezereiwaren anbringen könnten, denn wir besaßen großen Reichtum an Muskatnüssen, wußten aber nicht, was wir damit anfangen sollten. Auf die indische Küste, oder besser gesagt, unter die indischen Faktoreien konnten wir uns nicht gut wagen. Nicht als ob wir ein Gefecht mit ihren paar Schiffen gescheut hätten, auch wußten wir, daß sie keine Kaperschiffe von der Regierung hatten, und es sich deswegen nicht einfallen lassen würden uns anzugreifen. Wenn wir einen Versuch auf sie gemacht hätten, dann würden sie ohne allen Zweifel sich zu gemeinschaftlichem Widerstand und gegenseitigem Schutze vereinigt haben, aber ein Seeräuberschiff von beinahe fünfzig Kanonen, wie das unsrige, anzugreifen, das war offenbar nicht ihre Sache, und wir konnten deshalb ohne Sorge sein. Dagegen mußten wir zu vermeiden suchen, bei ihnen gesehen zu werden, weil sich diese Nachricht von einer Faktorei nach der andern verbreiten würde, und man sich dann gegen etwaige künftige Unternehmungen von unserer Seite gehörig verwahrt hätte. Noch weniger konnte es uns lieb sein, unter den holländischen Faktoreien an der malabarischen Küste gesehen zu werden, denn da wir gerade solche Spezereien in Menge aufgeladen hatten, auf welche sie ein Handelsrecht zu besitzen meinten, so würden sie daraus bald ersehen haben, wer wir waren, und dann hätten sie uns ohne Zweifel auf alle erdenkliche Art aufzulauern versucht.

Der einzige Ausweg war demnach, nach Goa zu segeln und dort womöglich unsere Spezereien an die portugiesische Faktorei zu verkaufen. Wir steuerten also dorthin, denn wir hatten zwei Tage vorher am Lande ein wenig ausgeruht, und auf der Höhe von Goa angelangt hielten William und ich, wie gewöhnlich bei allen wichtigen Anlässen, Rat, wie wir es anfangen sollten, um hier unentdeckt Geschäfte zu machen. Wir vereinigten uns zu dem Entschlusse, daß William mit einigen zuverlässigen Burschen in der Schaluppe nach Surate, das noch weiter nördlich lag, fahren und dort als Kaufmann mit solchen Leuten von der englischen Faktorei, von denen er Günstiges erwarten konnte, einen Handelsverkehr einleiten solle.

Um dies mit größtmöglicher Vorsicht zu betreiben und allem Argwohn vorzubeugen, beschlossen wir, sämtliche Kanonen herauszunehmen und nur solche Leute mitzuschicken, welche versprachen, nicht an die Küste zu gehen oder sich in keinerlei Gespräch mit Leuten, die an Bord kämen, einlassen zu wollen, und um die Täuschung zu vollenden, suchte sich William zwei von unsern Leuten, einen der Chirurgen und einen gescheiten Kerl, einen alten Matrosen, der an der Küste von Neuengland Lotse gewesen und ein vortrefflicher Mimiker war, heraus, stutzte beide als Quäker zurecht und lehrte sie verschiedene Redensarten dieser Sekte. Der alte Lotse sollte den Kapitän der Schaluppe vorstellen, der Chirurg den Doktor und er selbst den Lademeister: in dieser Vermummung nun segelte er mit der möglichst schlicht aufgemachten Schaluppe, die alles Schnitzwerks, das indes nie bedeutend gewesen war, und aller Kanonen entkleidet war, nach Surate.

Ich hätte freilich vorher bemerken sollen, daß wir uns einige Tage vor dem Abschied an ein kleines sandiges Eiland dicht unter der Küste verfügt hatten, wo eine gute Bucht mit tiefem Wasser war, eine recht brauchbare Reede, auch außerhalb des Gesichtskreises aller Faktoreien, von denen es an der Küste wimmelte. Hier beluden wir die Schaluppe aufs neue und befrachteten sie bloß mit solchen Dingen, die wir gern los sein wollten, insbesondere mit Muskatnüssen und Gewürznelken, wobei der erstere Artikel den Hauptteil der Ladung ausmachte. Von hier segelte William mit seinen zwei Quäkern und etwa achtzehn Mann in der Schaluppe nach Surate und ankerte in einiger Entfernung von der Faktorei.

Er brauchte die Vorsicht, mit dem Doktor, wie er ihn nannte, auf einem Boote, das zu ihnen kam, um Fische zu verkaufen, und bloß von Eingeborenen gerudert wurde, allein ans Land zu gehen; er mietete später dieses Boot, um sich wieder darin an Bord bringen zu lassen.

Sie waren noch nicht lange am Ufer, als sie Gelegenheit fanden die Bekanntschaft einiger Engländer zu machen, welche hier wohnten, und vielleicht ursprünglich in den Diensten der Kompagnie gestanden hatten, jetzt aber an der Küste als selbständige Kaufleute mit allen Artikeln, die ihnen in den Wurf kamen, Geschäfte zu machen. Der Doktor mußte die Bekanntschaft einleiten, er stellte ihnen seinen Freund, den Lademeister, vor, und nach und nach fügte es sich, daß die Kaufleute eine ebenso große Freude an der Ware bezeigten wie unsere Leute, nur daß die Ladung ihnen ein wenig zu groß war.

Indes war diese Schwierigkeit leicht zu beseitigen, denn Tags darauf brachten sie noch zwei weitere Kaufleute, ebenfalls Engländer, mit, die, wie William aus ihren Reden entnehmen konnte, Lust hatten, die Waren zu kaufen und auf eigene Rechnung nach dem persischen Meerbusen zu führen. William merkte dies und dachte, wie er mir nachher sagte, sogleich, wir könnten sie ebensogut selbst dahin bringen als diese Leute, doch war sein Augenmerk zunächst nicht darauf gerichtet, da er nicht weniger als fünfunddreißig Tonnen Muskatnüsse und achtzehn Tonnen Gewürznelken bei sich führte. Unter den Muskatnüssen befand sich eine bedeutende Menge Muskatblüten, da unsere Leute aber guten Nutzen[Gewinn] gaben, so wurden sie bald handelseinig. Die Kaufleute, welche gern die Schaluppe samt allem gekauft hätten, gaben nun William die nötigen Weisungen und ließen ihn durch zwei Lotsen nach einer Bucht, etwa sechs Seemeilen von der Faktorei, bringen, wohin sie ihre Boote ruderten und die ganze Ladung einnahmen, nachdem sie William sehr anständig bezahlt hatten. Der Gesamterlös belief sich auf etwa fünfunddreißigtausend spanische Piaster außer einigen Wertgegenständen, die William gern nahm: zwei großen Diamanten im Werte von dreihundert Pfund Sterling.

Als die Zahlung geleistet war, lud William die Käufer an Bord der Schaluppe ein, wo der lustige alte Quäker seine Gäste so vortrefflich unterhielt und ihnen dermaßen mit Getränken zusetzte, daß sie ganz guter Dinge wurden und in derselben Nacht nicht mehr ans Ufer gehen konnten.

Sie hätten für ihr Leben gern gewußt, wer unsere Leute wären und woher wir kämen, aber kein einziger Mann in der Schaluppe wollte irgendeine Frage von ihnen anders beantworten als in einer Weise, die ihnen zeigen mußte, man treibe Spaß mit ihnen. Inzwischen ließ William im Laufe des Gesprächs die Bemerkung fallen, diese Herren wären offenbar imstande auch noch eine weit größere Ladung zu kaufen, und hätten uns vielleicht zweimal soviel Spezereien abgenommen, wenn wir sie gehabt hätten. Sodann bat er den lustigen Kapitän ihnen auseinanderzusetzen wie sie noch eine andere Schaluppe besäßen, die in Marmagoon läge und ebenfalls ein bedeutendes Quantum Spezereiwaren an Bord hätte, wenn dieselben bis zu seiner Rückkehr noch nicht verkauft sei, so wolle er sie auch hierher bringen.

Die neuen Kunden zeigten so viel guten Willen, daß sie mit dem alten Kapitän schon im voraus einen Handel abschließen wollten. Dieser sagte jedoch: Nein, nein, Freunde, ich handle nicht mit euch, ohne daß ihr die Waren in Augenschein genommen habt, überdies weiß ich nicht, ob der Besitzer der Schaluppe seine Ladung nicht bereits verkauft hat, wenn dies aber bis zu meiner Rückkehr noch nicht geschehen ist, so gedenke ich ihn zu euch zu bringen.

Der Doktor hatte die ganze Zeit über genug zu tun, ebenso auch William und der alte Kapitän, denn er ging mehrere Male des Tages auf dem indischen Boote ans Ufer und brachte frische Vorräte für die Schaluppe, deren die Mannschaft sehr bedürftig war, namentlich kaufte er auch siebzehn recht ansehnliche Tonnen Arrak, mehrere kleinere Quantitäten ungerechnet, ferner ein Quantum Reis und eine Menge Früchte, Mangopflaumen, Kürbisse und noch vieles andere, auch Geflügel und Fische in Hülle und Fülle. Er kam niemals ohne eine bedeutende Ladung an Bord, da er nicht bloß für die Schaluppe sondern auch für das andere Schiff Einkäufe machte, und nachdem er nun eine halbe Schiffsladung Reis und Arrak nebst einigen Schweinen und sechs oder sieben lebendigen Kühen aufgekauft, somit aufs beste für unsere Vorratskammer gesorgt und unsern Leuten baldige Rückkehr versprachen hatte, segelten sie zu uns zurück.

William war jederzeit ein willkommener Bote gewesen, nie aber mehr als eben jetzt, denn wir konnten in der Gegend, wohin wir unser Schiff gebracht hatten, nichts anderes bekommen als einige Mangofrüchte und Wurzeln, da wir uns nicht weiter ins Land hineinbegeben oder bekannt werden wollten, ehe wir Nachrichten von unserer Schaluppe erhalten hätten, und wirklich war die Geduld unserer Mannschaft beinahe zu Ende, denn William hatte zu seiner Unternehmung siebzehn Tage gebraucht, sie aber wohl angewendet.


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