Daniel Defoe
Oberst Hannes
Daniel Defoe

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Als ich eingetreten war, hieß er seinen Diener fortgehen und ich stand halbnackt, mit bloßem Kopfe und mit der Hacke in der Hand, da ich von der Arbeit fortgeholt worden war, nicht weit von der Tür. Er hieß mich meine Hacke wegzulegen und zu ihm zu kommen, und er schien mir schon ein wenig freundlicher und leutseliger auszusehen, als ich mir vorher eingebildet hatte.

Höre, junger Mann, sprach er, wie alt bist du?

Das weiß ich nicht, wenn ich die Wahrheit sagen soll, gestrenger Herr, antwortete ich.

Wie heißest du?

Man nennt mich Oberst, aber mein Name ist Hannes, gestrenger Herr.

Aber sage mir doch deinen Namen.

Mein Name ist Hannes.

Wie, heißt du denn mit deinem Taufnamen Oberst und mit deinem Zunamen Hannes?

Wahrhaftig, gestrenger Herr, um euch die Wahrheit zu sagen. ich weiß wenig oder gar nichts von mir selbst, und so weiß ich auch nicht, wie mein rechter Name ist. Allein ich bin immer nur so genannt worden, soweit ich mich erinnern kann. Welches aber mein Vor- oder Zuname, mein Tauf- oder christlicher Name ist, oder ob ich jemals getauft und zum Christen gemacht worden bin, weiß ich nicht zu sagen.

Nun, dem sei wie dem wolle, es war wenigstens ehrlich, wenn auch einfältig geantwortet. Aber sage mir doch, wie du hierher gekommen, und aus welchen Ursachen du hier zum Sklaven gemacht worden bist?

Ich wollte wünschen, Euer Gnaden könnten sich die Zeit nehmen, meinen kurzen Lebenslauf anzuhören, Sie würden gestehen müssen, daß Ihnen kaum etwas Abenteuerlicheres zu Ohren gekommen sei.

Nun wohl, erzähle er mir doch etwas davon, ich will es gern anhören, und wenn es eine Stunde lang währen sollte.

Dies flößte mir Mut ein. Daher machte ich mit meinem Soldatenleben den Anfang und erzählte, wie ich mich hätte bereden lassen, zu Dunbar mit den andern durchzugehen und schilderte ihm alle Umstände, wie ich sie oben angeführt habe, von der Zeit an, da ich ans Ufer gekommen, bis der Kapitän wegen meines Wechsels mit mir geredet hatte, als ich hier angelangt war. Er erhob verschiedene Male seine Hand, um seinen Abscheu gegen die Gewissenlosigkeit, die zu Newcastle an mir verübt worden war, zu bezeugen und fragte nach dem Namen des Kapitäns. Denn dieser Kapitän, meinte er, müsse trotz all seiner glatten Worte ein Schuft gewesen sein. Also nannte ich ihm seinen Namen nebst dem Namen des Schiffes, was er alles in sein Taschenbuch schrieb. Darauf fuhren wir in unserm Gespräche fort und er fragte mich weiter:

Da ich nun deine Lage kenne, sage mir doch, was ich für dich tun kann, Hannes.

Dies müssen Euer Gnaden am besten wissen, sagte ich.

Aber du hast mir von einem Wechsel über 94 Pfund erzählt. wovon du dem Kapitän 40 Pfund für deine Freiheit geben wolltest. Hast du diesen Wechsel noch in Verwahrung?

Ja, gnädiger Herr, hier ist er, sagte ich und damit zog ich ihn aus dem Hosenbund heraus, wo ich ihn in Papier eingewickelt zu verwahren pflegte, er war aber von dem öfteren Ein- und Auswickeln, Einstecken und Herausziehen ganz abgenutzt, und gab ihn ihm zu lesen, was er auch tat. Darauf sagte er:

Ist denn dieser Mensch noch am Leben, dem du den Wechsel gegeben hast?

Ja, Euer Gnaden, er war noch am Leben und bei guter Gesundheit, als ich von London fortging, wie auch aus dem Datum zu ersehen ist, denn ich begab mich am folgenden Tag hinweg.

Ich wundere mich gar nicht, daß dir der Kapitän diesen Wechsel gern abgenommen hätte, als du hier an Land kamst.

Ich würde ihm den Wechsel auch ausgehändigt haben, wenn er mich und meinen Bruder wieder zurück nach England gebracht hätte. Dann würde ich ihm so viel davon gegeben haben, als er verlangt hätte.

Er hat den Handel besser verstanden, denn er wußte, daß du einige Freunde daselbst hattest, die ihn schon zur Rechenschaft gezogen hätten. Allein es wundert mich, daß er ihn dir nicht mit List oder Gewalt abgenommen hat, als ihr noch auf See waret.

Ich konnte ihm nicht nachsagen, daß er danach getrachtet hätte.

Nun, Hannes, ich will sehen, ob ich dir in dieser Sache helfen kann. Auf mein Wort, wenn das Geld ausbezahlt werden kann und du es sicher hierher schaffen kannst, so könnte ich dir Mittel und Wege an die Hand geben, wie du es noch weiter bringen könntest als dein Herr, wenn du dich ehrlich und fleißig erweisest.

Da ich mich in eurem Dienst befinde, gnädiger Herr, so muß ich die Beurteilung meiner Aufführung und des übrigen Ew. Gnaden selbst überlassen.

Vielleicht aber sehnst du dich danach, wieder nach England zurückzukehren?

Nein, wahrhaftig nicht, gnädiger Herr, wenn ich nur mein Brot hier ehrlich erwerben kann, so habe ich keine Lust, wieder nach England zu gehen. Denn ich weiß nicht, womit ich dort meinen Lebensunterhalt verdienen sollte. Wenn ich dies gekonnt hätte, so hätte ich mich nicht als Soldat anwerben lassen.

Wir wollen das jetzt gut sein lassen, allein ich muß dich hierüber noch ein andermal befragen. Denn es ist in der Tat seltsam, daß du Soldat geworden bist, wenn du 94 Pfund Sterling dein eigen nanntest.

Ich will Euer Gnaden ausführlich hierüber Bericht erstatten, und ebenso ehrlich wie über meinen Lebenslauf, wenn Euer Gnaden Geduld haben möchten, es noch anzuhören, da es etwas lang sein wird.

Gut, hierzu werden wir ein andermal Zeit finden. Jetzt muß ich dich nur noch dieses fragen: Bist du damit einverstanden, daß ich jemanden nach London schicke, der mit dem Herrn, der dir den Wechsel ausgestellt hat, reden soll. Er wird das Geld nicht in Empfang nehmen, sondern ihn nur fragen, ob er die Summe von dir in Händen hat, und ob er sie auszahlen würde, wenn du es verlangtest und du ihm den Wechsel oder eine Abschrift übersenden würdest?

Ja, Ew. Gnaden, von Herzen gern! Ich will den Wechsel in eure Hände geben, denn euch kann ich ihn besser anvertrauen als dem Kapitän.

Nun, Hannes, wenn du willst, will ich ihn dir aufheben. Aber ich will dir einen Schein mit meiner Unterschrift ausstellen, daß ich den Wechsel in Verwahrung habe und ihn dir auf dein Verlangen jederzeit zurückgeben würde, das ist so gut, als ob du den Wechsel selber hättest. Denn so gehst du am sichersten.

Ich war ganz zufrieden und gab meinem Herrn den Wechsel, er stellte mir dagegen einen Schein aus, und ich fand an ihm einen treuen Vormund und Verwahrer, wie man später noch hören wird.

Nach dieser Unterredung entließ er mich und ich ging wieder an die Arbeit. Aber ungefähr zwei Stunden darauf kam der Verwalter oder Aufseher der Plantage, als er vorbeiritt, zu mir hin, wo ich arbeitete, zog eine Flasche aus der Tasche, rief mich zu sich und gab mir einen Schluck Rum; weil ich aber aus Höflichkeit nur ein kleines Schlückchen tat und nur ein wenig nippte, hielt er mir die Flasche noch einmal hin und hieß mich noch einen Schluck nehmen, redete auch überaus freundlich mit mir, ganz anders, wie er sonst zu tun pflegte.

Dies gab mir Mut und richtete mich ein wenig auf. Jedoch machte ich mir noch nicht viel Hoffnung, wußte auch nicht, woher mir Hilfe kommen sollte.

Ein paar Tage danach, als wir morgens alle wieder an unsere Arbeit gingen, rief mich der Aufseher zu sich und gab mir abermals einen Schluck Rum und ein großes Stück Brot dazu und befahl mir, ich sollte um ein Uhr mit meiner Arbeit aufhören und zu ihm ins Haus kommen, da er etwas mit mir zu bereden habe.

Ich ging zu ihm in der Kleidung eines armen halbnackten Sklaven. Komm her, junger Mann, sagte er, und gib mir deine Hacke. Als ich sie ihm überreichte, sagte er: du sollst nun nicht mehr auf der Plantage arbeiten.

Ich erschrak und geriet ganz in Verwirrung. Was habe ich getan, mein Herr? fragte ich. Wohin soll ich geschickt werden?

Erschrick nicht, sprach er, es ist nicht zu deinem Schaden. Ich habe Befehl, einen Aufseher aus dir zu machen, denn du sollst nicht länger ein Sklave sein.

Ich! Ein Aufseher? sprach ich. Ich befinde mich nicht in dem Vermögen dazu. Ich habe weder Kleider noch Wäsche noch sonst etwas, womit ich mir zu helfen wüßte.

Komm nur mit, sprach er, es steht besser um dich als du denkst! Er führte mich in ein großes Lagerhaus, oder vielmehr durch eine ganze Reihe großer Packhäuser hintereinander, wo die große Niederlage war. Sobald wir dahin kamen, rief er den Aufseher über das Lagerhaus und sprach zu ihm: Ihr sollt diesen jungen Menschen einkleiden und ihm alles geben was nötig ist und zwar auf den Fuß Nr. 5, alsdann gebt ihm das Verzeichnis davon, unser Herr hat mir befohlen, solches in die Rechnung der Westlichen Plantage einzusetzen. Dies war die Plantage, wohin ich mich begeben sollte.

Darauf führte mich der Hausverwalter in ein Lagerhaus hinein, wo verschiedene solcher Kleider lagen, wie sie für mich vorgeschrieben waren: einfache, aber sehr gute Kleider, die schon fertig und von gutem dicken Tuch waren, wovon die Elle in England wohl elf Schillinge wert sein mochte. Dazu gab er mir drei gute Hemden, zwei Paar Schuhe, Strümpfe und Handschuhe, einen Hut, sechs Halstücher und überhaupt alles, was ich brauchte. Und nachdem er alles zusammengesucht und ordentlich hingelegt hatte, führte er mich in eine kleine Stube und ich sagte zu mir: Hier trete ich ein als Sklave und komme heraus als ein Edelmann!

Hierauf trug er alle Sachen in die Stube, schloß die Türe zu und sagte, ich sollte mich ankleiden, was ich auch bereitwilligst tat. Nun fing ich freilich an, wie leicht zu verstehen ist, auf bessere Zeiten zu hoffen als ich bisher gehabt hatte.

Nach einer kleinen Weile kam der Aufseher wieder und bezeigte mir seine Freude über meine neue Kleidung und forderte mich auf mit ihm zu gehen. Ich wurde nun also zu einer andern Plantage geführt, die noch größer war als die erste, und wo zwei Aufseher und zwei Schreiber waren, je einer daheim und draußen. Von den Aufsehern war einer nach einer andern Plantage versetzt worden, und ich trat an seine Stelle. Mein Amt war, nach den schwarzen Sklaven zu sehen und dafür Sorge zu tragen, daß sie ihre Arbeit verrichteten, desgleichen sie mit Essen zu versehen, mit einem Worte: sie zu regieren und zu überwachen.

Über diese Erhöhung wurde ich nicht wenig aufgerichtet in meinen Gedanken, und es ist unmöglich, die Freude meines Herzens, die ich darüber empfand, in Worten auszudrücken.

Es wurde mir auch ein Pferd gegeben nebst einer langen Peitsche, damit ich die ganze Plantage bereiten könnte, um die Schwarzen und Knechte zu beaufsichtigen. Denn da die Plantage sehr weitläufig war, konnte es zu Fuß nicht geschehen, wenigstens nicht so oft, wie es nötig war. Die Peitsche aber wurde mir gegeben, um die Sklaven und leibeigenen Knechte zu züchtigen und zu peitschen, wenn sie nachlässig waren, sich untereinander zankten, oder sonst etwas Unrechtes anstifteten.

Es geschah einige Zeit danach, daß mich unser großer Meister, wie wir ihn nannten, wieder zu sich in seine Wohnung holen ließ und mir mitteilte, daß er von seinem Freunde aus England, dem er wegen meines Wechsels geschrieben hatte, Antwort erhalten hätte. Ich wurde einigermaßen stutzig und dachte, er würde ihn von mir haben wollen, um ihn nach England zu senden. Allein er sagte nichts dergleichen sondern erzählte mir, daß sein Freund bei dem Herrn in London gewesen sei und daß er zugegeben habe, den Wechsel gegeben zu haben und das Geld in seinem Besitz zu halten. Allein er habe dem jungen Menschen, der ihm das Geld anvertraut hätte, versprochen, das Geld keinem andern Menschen, sollte er ihm auch den Wechsel bringen, als ihm selbst auszuhändigen.

Aber nun, Oberst Hannes, sprach er, da ihr ihm Nachricht gegeben, wo ihr euch befindet und durch welche gottlose Künste ihr hintergangen worden, und es euch unmöglich sei, eure Freiheit zu erlangen, bis ihr das Geld bekommen hättet, so hat mir mein Freund geschrieben, daß er euch, wenn ihr hier eine Abschrift von dem Wechsel habt machen lassen, die notariell beglaubigt ist, und ihr euch verpflichtet, das Original nach Bezahlung des Geldes auf seine Order zurückzustellen, das Geld auszahlen wolle.

Ich erklärte ihm, daß ich willens wäre alles zu tun, was er für gut hielte, und so wurden die Abschriften auf die gehörige Art ausgestellt.

Allein, was wollt ihr nun mit dem Gelde machen, Hannes, sagte er mit freundlichem Lächeln. Wollt ihr eure Freiheit von mir erkaufen und ein Pflanzer werden?

Ich wollte hierin nun schlau sein. Denn ich erinnerte mich gar wohl seiner Versprechungen und hatte seine Redlichkeit und Güte viel zu genau erfahren, als daß ich an der Erfüllung seiner Worte zweifeln sollte. Ich deutete mir daher seine Frage ganz anders. Ich wußte gar wohl, daß er, wenn er mich fragte, ob ich meine Freiheit erkaufen und mich anbauen wollte, mich nur prüfen wollte, ob ich die Absicht hätte ihn zu verlassen. Daher gab ich ihm folgende Antwort: Was das betrifft, gnädiger Herr, daß ich mir meine Freiheit erkaufen möchte und mich anbauen, so versichere ich euch, daß ich viel lieber noch einige Zeit in eurem Dienst bleiben möchte und es mir nur leid tut, daß ich nur noch zwei Jahre euch zu dienen habe.

Stille, Hannes, sagte er, schmeichelt mir nicht, ich liebe die Aufrichtigkeit. Die Freiheit ist ein kostbares Kleinod und jedermann angenehm. Wenn ihr Lust habt, daß euer Geld herübergebracht wird, so sollt ihr eure Freiheit haben, um für euch selbst anzufangen, ich aber will Sorge tragen, daß euch hierzulande wohl begegnet werde und ich will euch zu einer guten Plantage verhelfen.

Ich versicherte ihm nochmals, daß ich seinen Dienst nicht um die beste Plantage in Maryland verlassen möchte. Er hätte sich mir gegenüber so gütig erwiesen, begegnete mir auch beständig noch so, überdies schiene ich ihm so nützlich zu sein, daß ich nicht daran dächte ihn zu verlassen. Ich hoffte, er werde mir nicht zutrauen, so wenig Dankbarkeit wie ein Schwarzer zu hegen.

Er lächelte und sagte, er verlange nicht, daß man ihm auf solche Art und unter solchen Bedingungen dienen sollte. Er habe noch nicht vergessen, was er mir versprochen, noch die Treue, die ich ihm auf seiner Plantage bewiesen hätte. Daher wäre er entschlossen, mir zuerst meine Freiheit zu geben. Hiermit zog er ein Stück Papier heraus und gab es mir. Das, sprach er, ist das Zeugnis, daß ihr ins Land gekommen und mir auf fünf Jahre verkauft worden seid, von denen ihr drei bei mir ausgehalten habt, und hiermit erkläre ich euch nun frei und für euren eigenen Herrn.

Ich verneigte mich und sagte ihm, wenn ich auch nun mein eigener Herr wäre, so wollte ich doch so lange sein Diener sein, als er mich brauchen können Wir bekomplimentierten einander und keiner wollte dem andern eine Höflichkeit schuldig bleiben. Schließlich sagte er zu mir, wenn es nicht anders ginge, so sollte ich in seinem Dienste bleiben, allein dies sollte unter folgenden zwei Bedingungen geschehen:

Erstens, daß er mir fürs Jahr 30 Pfund Sterling nebst freier Kost für die Verwaltung der Plantage, in welcher ich damals beschäftigt war, geben und zweitens, daß er mir zugleich eine neue Plantage verschaffen wolle, auf der ich für mich selbst anfangen könnte. Denn, Oberst Hannes, sagte er lächelnd, obgleich ihr noch jung seid, so ist es doch Zeit, daß ihr etwas auf eigene Faust anfanget.

Ich antwortete ihm, ich würde für mich selbst auf einer Plantage wenig ausrichten können, wenn ich seine Geschäfte nicht vernachlässigen wollte, und dies möchte ich auf keinen Fall, sondern ihm treulich dienen, solange er meine Dienste annehmen wollte. Also schieden wir für diesmal voneinander.

Das erste gute, das er mir nach erteilter Freiheit erwies, war, daß er mich der Fruchtbarkeit und Güte des Landes versicherte, sowie daß mir ein gutes Landstück zugeteilt wurde, wo ich mich selbst anpflanzen könnte.

Allein dieses ordnete er nach seinem eigenen Willen an und kaufte, wie ich später erfuhr, 300 Acker Land für mich an einem günstiger gelegenen Orte, als mir sonst eingeräumt worden wäre. Dies konnte er vermöge seines Ansehens tun, in dem er bei den Machthabern stand. So wurde mir ein großes Stück Land, nicht weit von seiner eigenen Plantage, abgesteckt und angewiesen. Als ich ihm meine Erkenntlichkeit hierüber beweisen wollte, sagte er, daß ich hierzu keine Ursache hätte, denn er täte dies, damit ich nicht genötigt wäre, wegen der Verrichtung meiner eigenen Geschäfte die seinigen zu versäumen, und daher wolle er mir das Geld nicht anrechnen, das er bezahlt hätte, und das eben keine sehr große Summe wäre. Wenn ich mich recht entsinne, waren es ungefähr 40 oder 50 Pfund Sterling.

Also gab er mir auf eine sehr großmütige Weise nicht nur meine Freiheit wieder, sondern schoß mir dieses Geld auch freiwillig vor, setzte mich selbst in eine Plantage ein und gab mir jährlich noch 30 Pfund Sterling Lohn dazu, damit ich zugleich nach seiner eigenen Plantage sehen sollte.

Allein, Oberst Hannes, sprach er, es ist nicht genug, daß ich euch diese Plantage gebe, wenn ich euch nicht dabei unter die Arme greife, damit ihr sie erhalten und hochbringen könnt, so würdet ihr wenig Nutzen davon haben. Deswegen will ich euch für alles, was ihr für eure Einrichtung braucht und was da erforderlich sein wird, wie Pferde, Kühe und Schweine, Knechte und Gesinde, wie auch zu Anfang einige Sklaven, Kredit geben, auch damit ihr Baumaterialien kaufen könnt, um Häuser und die übrigen zur Plantage nötigen Gebäude aufzuführen. Wenn dann eure Geldsendung aus London ankommt, will ich sehen, wie ich mir das ausgelegte Geld davon wieder abrechne.

Dies war nun sehr gütig und zuvorkommend von ihm, zumal er mir zwei von seinen Leuten, die Zimmerleute waren, sandte. An Bauholz, Brettern und Planken war in einem Lande, das fast nur aus Wald bestand, kein Mangel. Die Zimmerleute führten mir in einigen Wochen ein hübsches Holzhäuschen auf, worin ich drei Stuben und eine Küche hatte, ein Nebengebäude und zwei große Schuppen, die ein wenig vom Hause entfernt lagen, als meine Lagerhäuser, desgleichen nicht weit davon Ställe. So hatte ich mich denn in der Welt an einem bestimmten Orte niedergelassen und festgesetzt und war nach und nach von einem Beutelschneider zu einem nach Virginien verkauften Sklaven, von einem Sklaven zu einem Oberaufseher der Sklaven und von einem Oberaufseher zum Eigentümer einer ansehnlichen Plantage aufgerückt.

Ich hatte, wie gesagt, ein Haus, einen Stall, zwei Lagerhäuser und 300 Acker Land. Allein »bloße Mauern machen schwindlige Hausmütter« sagt man, und ohne Kredit hätte ich nämlich weder Axt noch Hacke gehabt, um die Bäume zu fällen, weder Pferd noch Schwein, weder großes noch kleines Vieh, das ich hätte auf die Weide treiben können, nicht einmal einen Spaten oder ein Grabscheit, um den Boden umzugraben, ich hatte nur einzig und allein meine eigenen beiden Hände, um ans Werk zu gehen.

Aus der Gelegentlichkeit ist nun eine Gewohnheit geworden, daß man den derartigen Anfängern durch Werkzeuge, Eisenwaren und Kleider, kurz alles, was man zum Anfang nötig hat, hilft, dafür machen sich die Personen, die den Kredit geben, von dem Tabak, der gepflanzt und gebaut wird, bezahlt, und der Schuldner kann den Gläubiger nicht um die Bezahlung betrügen. Und gleichwie der Tabak sowohl ihr Geld wie auch die Hauptfrucht des Landes ist, so wird auch alles für eine gewisse Menge Tabak, wobei ein fester Preis angenommen wird, gekauft.

Also hat der vermögenslose Pflanzer zu seinem Anfang Kredit und geht daher alsbald eifrig ans Werk, um das Land fruchtbar zu machen und Tabak zu pflanzen. Von diesem armseligen Anfang an haben es einige Pflanzer sowohl in Virginien wie in Maryland sehr weit gebracht. Und wer anfangs kaum einen Hut aufzusetzen und Schuhe anzuziehen hatte, brachte es zu einem Vermögen von mehr als 50 000 Pfund Sterling. Und sicherlich ist es keinem fleißigen Menschen, der gesund war, der arbeitete und sparsam haushielt, schlecht gegangen. Denn da er alle Jahre mehr Land hinzunehmen und bebauen, und so mehr Tabak pflanzen kann, der so gut wie bares Geld ist, so muß er notwendig nach und nach an Vermögen zunehmen, bis er endlich so viel vor sich gebracht hat, daß er schwarze Sklaven nebst andern Knechten kaufen kann und dann nicht länger mehr selbst zu arbeiten braucht.

Es war für mich ein großer Vorteil, daß ich einen so wohlgesinnten Herrn hatte, der mir in jeder Notlage beistand. Denn in dem allerersten Jahre hatte ich einen schweren Schicksalsschlag zu überwinden. Wie schon erwähnt, hatte ich die beglaubigte Abschrift meines Wechsels nach London gesandt, wo mir mein gütiger Freund, der Zollbeamte, das Geld auch auszahlte. Der Kaufmann in London hatte auf Anraten meines Herrn das Geld in eine Schiffsladung gesteckt, wo es so gut angelegt war, daß es auf einmal einen reichen Mann aus mir gemacht hätte. Allein zu meinem unaussprechlichen Schrecken und Jammer ging das Schiff unter. Es wurden zwar einige von den Gütern gerettet, allein sie waren so verdorben, daß nichts als Nägel, Werkzeug und Eisenteile mehr zu gebrauchen waren. Und obschon der Wert davon sich noch ziemlich hoch belief, so war mein Verlust doch weit größer, und zwar schon deswegen, weil er mir als ein unersetzlicher und folgenschwerer erschien.

Ich war über die Nachricht dieses Verlustes recht betroffen, weil ich wußte, daß ich nun meinem Herrn so viel schuldete, daß ich es ihm auch in vielen Jahren nicht wiedererstatten konnte. Da er mir diese unangenehme Botschaft selbst brachte, wurde er bald meine Verwirrung, in der ich mich befand, gewahr, allein er redete mich freundlich an: Seid getrost und nicht so niedergeschlagen, sprach er, ihr könnt diesen Verlust schon verwinden.

Gestrenger Herr, sprach ich, es war alles, was ich hatte, und ich werde nun niemals aus meiner Schuld herauskommen.

Nun gut, sprach er, ihr habt ja keinen Gläubiger sonst außer mir, und ich erinnere mich, daß ich einmal zu euch gesagt habe, ich wollte einen Mann aus euch machen, nun ich will euch dieses Unglücks wegen nicht um eure Hoffnung betrügen.

Ich dankte ihm und tat es mit mehr Ehrerbietung als je, weil ich mich jetzt mehr denn je in der Klemme befand. Allein er hielt sein Wort redlich und ließ mich auch nicht im geringsten Mangel leiden.

Nun ging es mit mir sichtlich vorwärts. Ich hatte eine große Strecke Land urbar gemacht, das heißt vom Holze gesäubert, und durfte auf eine gute Tabakernte hoffen. Ich bekam auch drei Knechte dazu und einen Schwarzen, so daß ich also fünf weiße Knechte und zwei Schwarze hatte, mit deren Hilfe meine Arbeit wohl fortschritt.

Im ersten Jahre nahm ich zwar mein Gehalt, das aus 30 Pfund Sterling bestand, an, weil ich dessen sehr benötigte. Das zweite und dritte Jahr aber entschloß ich mich, gar nichts anzunehmen, sondern das Geld in der Hand meines Wohltäters zu lassen und die Schulden hiermit abzutragen.

Nun muß ich den geneigten Leser um die Erlaubnis einer kleinen Abschweifung ersuchen. Obwohl ich mich keines einzigen Vorteils einer guten Erziehung zu rühmen hatte, so spürte ich nunmehr doch, als ich zu empfinden anfing, daß ich in der Welt lebte und zu einem freien unabhängigen Zustand gelangt war, und überdies die Hoffnung vor Augen hatte, mit der Zeit es zu etwas Ansehnlichem zu bringen, daß sich ganz andere Ansichten in meinem Gemüte bildeten. Es war mir eine unaussprechliche Freude, daß ich nunmehr hoffen konnte, nicht nur als gemachter Mann, sondern auch als ein ehrlicher und rechtschaffener Mensch in der Welt zu leben. Und es verursachte mir ein großes Behagen, mich von der Knechtschaft eines Landstreichers, Diebes und Übeltäters, der ich von Kindheit an gewesen war, befreit und von der Leibeigenschaft eines nach Virginien verkauften elenden Sklaven erlöst zu sehen.

Indem ich weiter blickte und betrachtete, wie sich alles mit mir geändert hatte, und daß ich von dem Ertrage meiner eigenen Arbeit leben konnte und nicht mehr genötigt war einen Spitzbuben abzugeben, der sein Brot mit Gefahr seines Lebens und zum Verderben anderer ehrlicher Leute gewinnt, so hatte dieses etwas ganz ungemein Angenehmes und Erfreuliches in sich, ja es verursachte mir ein solches Vergnügen, wie es mir bisher ganz unbekannt gewesen war.

Ich hatte einen solchen Abscheu vor dem ruchlosen Leben, das ich bisher geführt hatte, daß ich heimlich froh war und geradezu ein Vergnügen darüber empfand, daß das Unglück mit dem Schiffbruch mich betroffen hatte. Denn obwohl ich es nicht anders als einen Verlust betrachten konnte, so dachte ich doch wenig darüber nach, daß dieses verloren gegangene Gut ein unrecht erworbenes war und das Sprichwort sich auch hier erfüllt hatte: Wie gewonnen, so zerronnen. Denn ich sah das Geld wie ein fremdes Gut an, das mir nicht zukam und das wie Feuer in meinem Flachs gewesen wäre, wenn ich es mit meinem jetzigen Vermögen vermischt hätte, das ich mit Ehren erlangt hatte und das mir gleichsam vom Himmel gesandt war, um den Grund zu meinem Glücke zu legen, bei dem das andere nur eine Motte gewesen wäre, die es verzehrt hätte.

Da ich nun in Schottland Lesen und Schreiben gelernt hatte, kam es mir jetzt gut zustatten, daß ich es nur aufzufrischen brauchte, und fing nun an die Bücher liebzugewinnen.

Insbesondere hatte ich Gelegenheit einige sehr nutzbringende Bücher zu lesen. Zum Beispiel des Livius Römische Geschichte, die Geschichte der Türkei, die Geschichte von England, die Beschreibung der Niederländischen Kriege, das Leben Gustav Adolfs, des Königs von Schweden, die Geschichte der von Spanien eroberten Provinz und der Stadt Mexiko, nebst verschiedenen andern, von denen ich einige aus dem Nachlaß eines Pflanzers, der gestorben war und dessen Güter veräußert wurden, kaufte. Andere borgte ich mir.

Indes spielte mir ein gütiges Schicksal, das noch etwas Besseres für mich aufgehoben hatte, eine Gelegenheit in die Hände, um mich weiterbilden zu können. Es kam ein rechter Bursche bei mir an, der von Bristol nach Virginien verschickt worden war, da er sein Leben verwirkt hatte. Dieser wurde mein Leibeigener. Er gestand mir aufrichtig ein, ein liederliches Leben geführt zu haben, daß ihn Mangel und Not ein wenig zu sehr gedrückt, daß er sich aufs Rauben und Plündern gelegt und gemeint hätte, ein Straßenritter wäre besser daran als ein armer Ritter.

Aber statt bei einer schlimmeren Gelegenheit war er bei einer geringfügigen Spitzbüberei ertappt, verurteilt und nach Virginien geschickt worden, wobei er froh gewesen, daß er so glimpflich davongekommen.

Er war ein außerordentlich gelehrter Mensch. Und da ich dies merkte, fragte ich ihn um Rat, wie ich die lateinische Sprache erlernen könnte.

Er lächelte ein wenig und sagte: Ich würde sie euch in drei Monaten lehren, wenn ihr mir die Bücher dazu verschaffet, oder ohne Bücher, wenn wir nur Zeit genug darauf verwenden dürften. Ich sagte ihm, daß mir schiene, ein Buch würde seinen Händen besser anstehen als die Hacke, und wenn er es nur so weit mit mir bringen könnte, daß ich lateinisch lesen und andere Sprachen dadurch verstehen lernte, so wollte ich ihn gern von der Arbeit erlösen, mit welcher ich ihn jetzt beschweren müßte.

Mit diesen Gedanken ging ich freudig an meine Arbeit. Da ich nun fünf Knechte hatte, ging meine Pflanzung, wenn auch langsam, doch recht glücklich vorwärts und nahm von Tag zu Tag zu. Das dritte Jahr aber kaufte ich mit Hilfe meines alten Wohltäters noch zwei Schwarze, so daß ich nun im ganzen sieben Knechte hatte, und da mein Land ziemlich fruchtbar und ergiebig war, so machte mir ihre Erhaltung keine große Schwierigkeit.

Und da ich für meine Person nicht viel auszugeben brauchte sondern auf meines früheren Herrn Unkosten versorgt wurde und überdies noch jährlich 30 Pfund Sterling bekam, so konnte ich all meinen Gewinst zurücklegen und das Kapital von Tag zu Tag dadurch vermehren.

So lebte ich zwölf Jahre lang überaus glücklich auf meiner Plantage. Ich hatte durch meinen Herrn, mit dem ich nunmehr freundschaftlich verkehrte, einen Abnehmer in London bekommen, mit dem ich Handel trieb. Ich verschiffte meinen Tabak an ihn und erhielt europäische Waren dafür, die ich teils zur Fortführung meiner Pflanzung brauchte, teils auch wieder an andere verkaufte.

Während dieser meiner in- und auswärtigen Tätigkeit ging mein guter Freund und Wohltäter den Weg alles Irdischen und ließ mich in Ansehung des durch seinen Tod erlittenen unschätzbaren Verlusts höchst traurig zurück. Er war mir wie ein Vater gewesen, und ich war nun eine verlassene Waise ohne ihn, daher fremd und ungewandt. Zwar war mir das Land und der Handel gut genug bekannt, da ich sein ganzes Geschäft lange Zeit geführt hatte, jedoch fehlte mir mein bester Ratgeber und meine höchste Instanz, zu welcher ich in allen Fällen meine Zuflucht zu nehmen brauchte. Allein hiergegen gab es kein Mittel. Indes war ich doch auch jetzt imstande für mich selbst weiterzukommen. Ich hatte eine sehr ausgedehnte Pflanzung und beinahe 70 Schwarze und andere Knechte. Ja ich war nun, wenn ich bedachte, daß ich doch mit leeren Händen angefangen hatte, wirklich reich geworden. Denn obschon ich kein Kapital zu meinem Anfang besessen, so hatte ich doch eines solchen Mannes Freundschaft und Beistand, was viel mehr wert war. Und wenn ich auch 500 Pfund Sterling gehabt hätte, so würde ich es doch nicht soweit damit gebracht haben, wenn mir mein Ratgeber und mein Rückhalt gefehlt hätte.

Nun war ich nicht blos ein Pflanzer sondern auch ein dem Lernen ergebener Freund der Wissenschaften. Mein Lehrmeister, den ich schon erwähnte, war ein überaus hingebender und tüchtiger Mensch. Er ließ mich eine Sache nicht blos oberflächlich sondern mit Verstand und Nutzen lernen, er besaß nicht nur gebührenden Eifer und Treue, desgleichen eine unvergleichliche Klugheit und Bescheidenheit, sondern auch was man mit einem Worte Takt nennt, bei seiner Unterweisung. Denn ich habe seit der Zeit an vielen Beispielen gesehen, daß sich nicht jeder große Gelehrte zum tüchtigen Lehrer eignet, und daß die Kunst, andern eine Sprache gründlich zu lehren, von der Kunst, sie selbst gründlich zu verstehen, sehr weit verschieden ist.

Ich nahm mir einmal die Freiheit ihn zu fragen, wie es gekommen sei, daß er als ein Mensch, der allem Anschein nach eine sehr gute Erziehung und die vortrefflichsten Anlagen, sein Glück in der Welt zu machen, gehabt haben müsse, in solche elenden Umstände geraten sei, in denen er sich befunden, als er herübergekommen sei. Ich war aber so vorsichtig, daß ich ihm sagte, ich wollte ihn hiermit keineswegs ausforschen, um etwas von ihm zu erfahren, was er lieber geheim halten wolle. Ja, falls er Bedenken hege, sich darüber mit mir in ein Gespräch einzulassen, so wollte ich es gern entschuldigen und es nicht weiter übelnehmen. Denn gegen Leute, die so viel durchgemacht haben, soll man sich jederzeit vorsichtig und rücksichtsvoll benehmen und nicht von ihnen verlangen, etwas von sich selbst zu erzählen, was ihnen schmerzlich ist, oder was sie lieber verborgen halten wollen.

Er gestand mir aufrichtig, daß die Betrachtung seines Lebens freilich nichts anderes mit sich bringen könne als den Schmerz wieder aufzuwühlen. Daher tat ich denn keine weitere Frage mehr sondern sagte ihm, es täte mir leid, daß ich ihn durch meine Neugierde beunruhigt hätte.

Er unterrichtete mich auch in der Weltgeschichte, und wenn es uns an Büchern fehlte, oder diese nicht ausreichten, so wußte er Sachen hinzuzufügen, die die neuesten Geschichtschreiber mit Stillschweigen übergangen oder wenigstens nicht richtig dargestellt hatten. Hierdurch weckte er einen unlöschlichen Durst in mir nach den Dingen, die in andern Weltteilen vorgingen. Und zwar um so mehr, weil damals der größte Teil der Welt mehr oder weniger in den schweren Krieg verwickelt war, in welchem der König von Frankreich allein fast allen europäischen Mächten die Spitze zu bieten versuchte.

Ich kam mir vor als ein Mensch, der in dem entlegensten Teile der Welt vergraben war, und von dem, was geschehen war, das wenigste zu hören bekam, und dies auch nicht eher als vielleicht nach Ablauf eines halben oder gar eines ganzen Jahres, wenn es an andern Orten schon wieder vergessen war. Mit einem Wort, der alte Gedanke tauchte wieder bei mir auf, daß auch dies noch nicht das Leben eines Edelmannes sein könnte.

So viel war wohl gewiß, daß es demselben viel näher kam als der Beruf eines Beutelschneiders und auch noch näher als der verächtliche Stand eines Sklaven. Allein dies schien mir trotzdem nicht genug zu sein und ich konnte keine Befriedigung darin finden. Ich hatte nun noch eine Plantage dazu, die auch sehr ausgedehnt war und glücklich vorwärts ging. Ich hatte bereits über 100 Knechte aller Art und einen guten Verwalter, auf den ich mich verlassen konnte. Außerdem besaß ich noch eine dritte Plantage, die ich erst neu angelegt hatte, und die sozusagen noch als unreife Frucht anzusehen war. Überdies fand sich auch nichts, was mich hätte abhalten können hinzugehen, wohin es mir beliebte.

Ich fing demnach an meine Gedanken auf eine Reise nach England zu richten. Ich hatte den Entschluß gefaßt, mich alsdann in die Umstände zu schicken, wie sie mir das Glück an die Hand geben würde. Jedoch mit der Absicht, mich wenn möglich besser in der Welt umzusehen, um das, wovon bisher die Bücher meinem Geiste nur entfernte Bilder eingeprägt hatten, mit Augen zu betrachten und zu meinem wirklichen Nutzen anzuwenden.

Demnach suchte ich die Einrichtung meiner dritten Plantage nach Möglichkeit zu beschleunigen, um sie so instand zu setzen. daß ich sie entweder einem Pächter oder einem guten Aufseher anvertrauen konnte.

Hätte ich sie einem Aufseher oder Verwalter übergeben wollen, so würde sich niemand besser dafür geeignet haben als mein Hofmeister. Ich konnte mich aber nicht entschließen, mich von dem zu trennen, der die Begierde zu reisen in mir erweckt hatte, und gedachte ihn zu meinem Reisegefährten zu erwählen.

Es gingen drei Jahre darauf hin, ehe ich meine Angelegenheiten so weit geordnet hatte, daß ich das Land verlassen konnte. Inzwischen befreite ich meinen Hofmeister von der Knechtschaft und würde ihm seine völlige Freiheit erteilt haben, wenn ich nicht zu meinem größten Mißvergnügen gefunden hätte, daß ich ihn nach den Umständen seiner Transportierung, die eingetragen waren, unmöglich bevollmächtigen konnte, ehe seine Zeit abgelaufen war, nach England zu gehen. Also machte ich ihn zu einem von meinen Aufsehern und setzte ihn dadurch instand, auf solche Weise zu leben und ebenso nach und nach zu steigen, wie mich mein Wohltäter erhöht hatte. Nur daß ich ihm soviel Beistand nicht leisten konnte, als ich gehabt hatte, selbst eine Pflanzung für sich anzufangen. Allein er brachte es durch Fleiß und seine Bemühungen auch ohne meinen Beistand weiter, als ich ihn durch die Stellung als mein Aufseher zu bringen versucht hatte, welches ihm vorläufig als Erleichterung und Befreiung von der harten Arbeit und Kost diente, die er als Knecht auszustehen gehabt.

Er führte sich in diesem Dienst so treu und fleißig auf, daß er sich dadurch im ganzen Lande beliebt machte. Und als ich zurückkam, fand ich ihn in ganz andern Verhältnissen wieder, als ich ihn verlassen hatte. Er war noch an zwanzig Jahre mein oberster Verwalter, wie ich noch an anderer Stelle erzählen werden

Ich fing nun an die nötigen Anstalten zu meiner Reise nach England zu machen, nachdem ich meine Plantagen solchen Händen anvertraut hatte, mit denen ich, wie ich hoffte, vollkommen zufrieden sein konnte. Meine erste Sorge war, mich mit einem solchen Vorrat an Waren und Geld zu versehen, als mir zu einem Leben im Auslande nötig sein würde, um insbesondere mich aber instandzusetzen, große Posten von Waren, die meinen Plantagen von Nutzen sein konnten, einzukaufen. Als ich es mir aber genauer überlegte, fand ich es nicht für geraten, meine ganze Ladung auf dem Schiffe unterzubringen, auf dem ich selbst fuhr. Daher schickte ich zu verschiedenen Malen und auf verschiedenen Schiffen 500 Fässer Tabak nach England, und gab meinem Geschäftsfreunde in England Nachricht, daß ich zu der und der Zeit an Bord gehen und selbst hinüberkommen wollte, wobei ich ihm den Auftrag gab, für meine Ladung mit einer ansehnlichen Summe gutzustehen.

Ungefähr zwei Monate darauf verließ ich das Land und begab mich auf ein festes Schiff, welches 24 Stück schweres Geschütz und über 600 Fässer Tabak mit sich führte, um nach England zu gehen. Wir hatten die ersten vierzehn Tage, trotzdem eine Jahreszeit war, in der gutes Wetter zu sein pflegte, eine sehr schwierige und rauhe Reise.

Nachdem wir ungefähr elf Tage auf See gewesen waren, in welcher Zeit der Wind meistens stark aus Westen oder zwischen Westen und Nordwesten geblasen hatte und wir dadurch von der gewöhnlichen Fahrtrichtung nach England eine ganze Strecke nach Osten abgetrieben worden waren, befiel uns ein gewaltiger Sturm, der fünf Tage anhielt und die ganze Zeit über entsetzlich tobte, so daß wir uns genötigt sahen, vor dem Winde – wie die Seeleute sagen – zu laufen und abzuwarten, wohin uns der Zufall treiben würde. Durch diesen Sturm wurde unser Schiff heftig beschädigt, daß es an verschiedenen Stellen leck wurde oder Löcher bekam, die aber durch den unverdrossenen Fleiß der Seeleute zu rechter Zeit wieder verstopft wurden. Trotzdem sah sich der Kapitän, nachdem er Wind und Wetter so lange wie möglich äußersten Widerstand entgegengesetzt hatte, da die See sehr hoch ging, endlich gezwungen den Entschluß zu fassen, seinen Kurs nach den Bermudas zu richten. Wir waren aber schon so weit gefahren, daß wir diese Inseln nicht mehr erreichen konnten. Hierauf legten wir mit nordwestlichem Winde einen guten Weg zurück, daß wir nach vierzehn Tagen das Kap Teneriffa, der ein ungeheurer Berg auf einer der Kanarischen Inseln ist, erreichten. Hier erquickten wir uns ein wenig, versahen uns mit frischem Wasser und anderem Proviant, desgleichen mit vortrefflichem Wein, fanden aber keinen Hafen, in den wir einlaufen und unser Schiff, das nach dem ausgestandenen schlechten Wetter leck war, ausbessern konnten. Also mußten wir es machen so gut es ging und wieder in die See stechen, nachdem wir vor den Kanarischen Inseln nur vier Tage vor Anker gelegen hatten.

Von den Kanarischen Inseln an hatten wir wieder erträgliches Wetter und ruhige See, bis wir in die Mündung des Britischen Kanals gelangten.

Als ich nach London kam, wurde ich von meinem Freunde, an den ich meine Waren überwiesen hatte, sehr freundlich aufgenommen und sah, daß ich mich in sehr günstigen Verhältnissen befand. Denn es waren alle meine Güter, die ich, wie bereits erwähnt, auf verschiedenen Schiffen an ihn gesandt hatte, glücklich in seine Hände gelangt.

Ich hatte nun für nichts weiter zu sorgen, als mich vor allen, die mich früher gekannt hatten, gänzlich verborgen zu halten, was aber keine allzu große Schwierigkeiten erforderte. Denn ich war jedem, der mich gekannt hatte, aus dem Gedächtnis entfallen. Ich konnte mich selbst auf sie kaum mehr besinnen. Mein Hauptmann, der mit mir von London fortgegangen war und mich mit nach Schottland geschleppt hatte, war, wie ich auf mein Nachfragen erfuhr, überall in der Welt herumgestreift, hernach aber wieder nach London gekommen und hatte sein altes Handwerk weiter getrieben, bis er ein richtiger Straßenräuber geworden und sein Ende am Galgen gefunden hatte.

Mein anderer Bruder Hannes, der sich Major nannte, war dem gleichen Handwerk weiter nachgegangen und hatte, obgleich er unzählige Räubereien verübt hatte, doch jederzeit so viel Geschicklichkeit dabei bewiesen, daß er den Kopf immer wieder aus der Schlinge zu ziehen wußte, bis er endlich in Newgate festgemacht und mit Fesseln und Banden beladen wurde. Er war aber ein so geschickter Kumpan, daß kein Kerker, keine Fesseln und Banden stark genug waren ihn halten zu können. Daher hatte er auch hier nebst zwei andern Spießgesellen Mittel gefunden, die Fesseln abzustreifen und sich einen Weg durch die Mauer des Gefängnisses hinaus zu bahnen und sich in der Nacht an der Außenseite herunterzulassen. Somit waren sie entwischt und hatten Gelegenheit gefunden, nach Frankreich zu gehen, wo er dasselbe Handwerk fortsetzte, und zwar mit so viel Glück, daß er unter dem Namen Antoni ein recht berühmter Straßenräuber wurde und die Ehre hatte, mit drei andern Kameraden, denen er die englische Manier, großmütig zu plündern – wie sie es nannten – das heißt ohne die Beraubten zu ermorden, zu verwunden oder übel zu behandeln, gelehrt hatte, zu Greve, das ist der Richtplatz zu Paris, aufs Rad geflochten zu werden.

Alles dieses erfuhr ich von einigen ihrer Kameraden, die das Glück gehabt hatten, dergleichen Strafe durch die Flucht zu entkommen, die mir dies alles mitteilten, ohne daß sie nur im geringsten ahnen konnten, wer ich sei, oder aus welchen Ursachen ich so genau danach fragte.

Was mich betraf, so sah ich mich nun sozusagen auf dem Gipfel des Glücks. Zum mindesten befand ich mich in überaus vorteilhaften Verhältnissen. Und da ich mich von Anfang an einer sparsamen Lebensart beflissen hatte, so hielt ich mein Vermögen immer zusammen, ohne deswegen Not zu leiden oder zu darben, und so stand ich denn in dem Rufe eines reichen Kaufmanns, der aus Virginien herübergekommen war.

Ich lebte unverheiratet und wohnte bei fremden Leuten, wurde aber nichtsdestoweniger allzu bekannt in der Stadt, ich galt für einen Ausländer und zwar für einen Franzosen. Es war mir dies recht lieb und schmeichelte mir heimlich, wenn mich jemand für einen Franzosen hielt. Und da ich sehr gut französisch sprach, ging ich in London in die französische Kirche und sprach bei allen Gelegenheiten französisch, wo es nur anging. Um dies noch wahrscheinlicher zu machen, hielt ich mir einen Diener, der ein Franzose war; er mußte auch mithelfen, meinen Tabak in Empfang zu nehmen und zu veräußern, wovon ich 500 bis 600 Fässer alle Jahre aus meinen Plantagen erhielt, auch meine Leute mit allem, was ihnen nötig war, zu versehen.

Unter diesen Verhältnissen lebte ich noch ungefähr zwei Jahre, als der Teufel, der mir seit der Zeit, da ich aufgehört hatte ein Dieb zu sein, beständig gram gewesen war, mir auf eine solche Art ein Bein stellte, daß ich wohl sagen kann, ich sei rechtschaffen von ihm bezahlt worden, indem er mir einen Fallstrick legte, der beinahe mein gänzliches Verderben wurde.


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