Daniel Defoe
Moll Flanders
Daniel Defoe

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Nachdem wir etwa einen Monat verheiratet waren, fing er an zu reden, daß er sich aufs Schiff begeben wollte, um nach Irland zu reisen. Doch hatte er keine Eile damit, und wir blieben noch drei Wochen länger, nach deren Ablauf er eine Kutsche von Chester kommen ließ und sie nach dem sogenannten schwarzen Felsen, Liverpool gegenüber, bestellte. Dahin ließen wir uns in einem schönen Boot übersetzen, während die Diener mit Pferden und dem übrigen Gepäck in einem Fährschiffe blieben. Er entschuldigte sich, daß er keine Bekannten in Chester hätte, deshalb wolle er vorausgehen und in eines Bürgers Hause hübsche Zimmer für mich aussuchen. Ich fragte ihn, ob wir lange in Chester bleiben würden, es wäre doch nicht nötig, daß er meinetwegen besondere Zimmer auf so kurze Zeit nähme, denn da Chester eine ziemlich große Stadt sei, so würde man ohne Zweifel gute Gasthäuser und alle Bequemlichkeit in ihnen antreffen. Darauf kehrten wir in einem Gasthofe nicht weit vom Dom ein, deren Name mir entfallen ist.

Hier fragte mich mein Gemahl, ob ich nichts in London zu besorgen hätte, ehe wir nach Irland übersiedelten.

Ich antwortete, ich wüßte nichts, was nicht durch Briefe aus Dublin ebensogut besorgt werden könnte. Madame, sagte er mit großem Respekt, ich vermute, daß der größte Teil eures Vermögens, welches, wie mir meine Schwester sagte, in der Bank von England liegt, sicher genug verwahrt ist, wenn es aber erforderlich wäre, es auf einen andern zu übertragen, oder den Besitzer solcher Kapitalien zu verändern, so wäre es wohl nötig, vorher nach London zu reisen, um die Sache in Ordnung zu bringen, ehe wir nach Irland gingen.

Ich stellte mich, als ob ich dies nicht verstünde, und fragte ihn, was er mit solchen Reden meine. Ich hätte nichts in der Bank von England, soviel ich mich erinnern könnte, und hoffte, er wolle nicht sagen, daß ich mit ihm jemals von dergleichen gesprochen hätte.

Ihr habt mit mir nichts gesprochen, sprach er, aber meine Schwester hat mir gesagt, daß es sich so verhalte. Ich erinnerte auch nur daran, mein Schatz, fuhr er fort, wenn es nötig wäre, deswegen etwas zu unternehmen, damit wir nicht gezwungen sein möchten, die Reise doppelt zu machen, denn ich wollte euch nicht oft auf See wissen.

Dies befremdete mich noch mehr, und ich fing an darüber zu denken, was wohl dahinter stecken möge. Es fiel mir auch gleich auf, daß meine Freundin, die ihn Bruder nannte, mich ihm ganz anders, als ich wirklich war, geschildert haben mußte. Ich nahm mir deswegen vor, den Grund zu erfahren, ehe ich aus England abreiste und in fremde Hände geriete.

Ich rief eines Morgens seine Schwester zu mir in mein Zimmer und sagte ihr, was ihr Bruder und ich miteinander geredet hätten, und beschwor sie, mir zu gestehen, was sie ihm in den Kopf gesetzt und auf welchem Grunde sie diese Heirat vermittelt hätte.

Sie bekannte, daß sie ihm versichert hätte, ich sei sehr reich, und daß man ihr das in London gesagt habe.

Wenn man es euch auch in London gesagt hat, habt ihr es jemals von mir selbst gehört?

Nein, sprach sie, ich hätte ihr niemals gesagt, doch oft erwähnt, das was ich hätte, sei in meinem eigenen Besitz.

Das ist es auch, war meine Antwort, aber nie habe ich vorgegeben, daß ich großen Reichtum besäße, ja nicht einmal daß ich 100 Pfund hätte. Wie hätte sich auch mein großer Reichtum mit meinem Vorhaben zusammenreimen lassen, mit ihr nach dem Norden zu reisen, um hier billiger zu leben?

Da ich diese Worte etwas heftig äußerte, kam mein Ehemann in die Kammer. Ich bat ihn, sich neben mich zu setzen, weil ich ihm in Gegenwart seiner Schwester etwas Wichtiges sagen müsse.

Er sah ein wenig bestürzt aus, als er mich mit solcher Ruhe reden hörte, setzte sich jedoch und machte vorher die Tür zu. Dann wandte ich mich an ihn und sagte: Ich fürchte, mein Schatz – denn mit ihm redete ich freundlich – du bist schrecklich hereingefallen mit meiner Heirat, so daß es nicht wieder gut gemacht werden kann, aber da es nicht meine Schuld ist, möchte ich es auch nicht büßen, sondern derjenigen belassen, die es angesponnen hat, denn ich bin in allen Punkten unschuldig.

Wie kann ich falsch gelaufen sein, mein Schatz, indem ich dich geheiratet habe, sagte er, im Gegenteil, ich hoffe Ehre und Nutzen daraus zu haben.

Bald werde ich dir das Rätsel lösen, sagte ich, und sei versichert, du wirst nur zu deutlich erkennen, daß man dich hinters Licht geführt hat, doch will ich dich, mein Schatz, vollkommen davon überzeugen, daß ich meine Hand nicht dabei im Spiel gehabt.

Dies erschreckte ihn, und ich glaube, er roch Lunte. Nichtsdestoweniger blickte er mich an und sagte, ich solle fortfahren; er saß still dabei und hörte zu.

Dann sprach ich: Gestern abend habe ich dich gefragt, ob ich mich jemals eines großen Vermögens gerühmt oder gesagt hätte, daß ich ein ansehnliches Kapital in der Bank von England liegen hätte oder sonst irgendwo. Darauf hast du mir gestanden, ich hätte nie dergleichen gesagt. Nun frage ich dich hier in Gegenwart deiner Schwester, ob ich dir jemals Ursache gegeben, mich für reich zu halten, oder ob ich je ein Wort darüber hätte fallen lassen.

Er gestand wiederum, das sei nicht geschehen, fügte aber hinzu, ich hätte mich immer wie eine reiche Frau aufgeführt, er verließe sich auch noch jetzt darauf, daß ich reich, und er also nicht betrogen sei.

Ich frage nicht, war meine Antwort, ob du betrogen bist, obschon ich fürchte, daß wir es alle beide sind, sondern ich will nur beweisen, daß ich keine Schuld daran trage. Ich habe deine Schwester gefragt, ob ich ihr je von meinem Reichtum noch von großen Gütern gesprochen hätte, und sie hat dies verneinen müssen.

Nun, Madame, sagte ich zu ihr, seid so gerecht und klagt mich an, falls ihr es könnt, ob ich euch jemals vorgeredet habe, ich besäße große Güter?

Sie wußte hierauf nichts zu erwidern sondern sagte nur, man habe ihr in London genug von meinem Vermögen vorgeschwatzt und sie versichert, die Kapitalien lägen auf der Bank von England.

Du aber, mein Liebster, sagte ich zu meinem Manne, tu mir die Liebe und sage, wer uns beiden dir und mir so übel geraten und dir weis gemacht hat, ich sei eine reiche Partie? Wer hat dich dazu gebracht mir einen Antrag zu machen?

Er konnte kein Wort reden, sondern zeigte auf die Schwester. Nach einer kleinen Weile ergrimmte er so heftig, wie ich es in meinem Leben nicht wieder gesehen habe. Er verfluchte sie, schalt sie eine Hure und alles worauf er sich nur besinnen konnte, er sagte, sie habe ihn unglücklich gemacht und vorgegeben, ich hätte 15 000 Pfund bares Geld, wovon sie selbst 500 Pfund bekommen sollte für ihre Vermittlung.

Er wandte sich hierauf zu mir und sagte, die Person sei gar nicht seine Schwester, sondern schon vor zwei Jahren seine Hure gewesen, sie hätte schon von ihm 100 Pfund für diese Partie bekommen, und es sei aus mit ihm, wenn sich die Sache so verhalte, wie ich sagte. Er schwur in seinem Grimm, er würde sie erstechen, worüber sie und ich aufs höchste erschraken. Sie heulte und weinte und sagte, die Leute im Hause, wo ich gewohnt, hätten ihr das alles weis gemacht, aber dies erbitterte meinen Mann noch mehr, daß sie die Sache so weit getrieben und ihn zum armen Kerl machen wollte blos aufs Hörensagen hin.

Darauf redete er abermals ganz ehrbar mit mir und sagte, er fürchte, daß wir uns beide ins Verderben gestürzt hätten, denn, fuhr er fort, damit ich aufrichtig gegen dich bin, mein Schatz, so sollst du wissen, daß ich keine Güter besitze. Um das wenige, was ich hatte, hat mich dieses Teufelsweib gebracht, weil ich es auf ihre Veranlassung in einen großen Staat anlegen mußte. Während er so zu mir sprach, benutzte jene die Gelegenheit aus dem Zimmer zu entwischen und ließ sich auch nicht wieder sehen.

Ich war nun ebenso bestürzt wie er und wußte nichts zu sagen. Es kam mir so vor, als hätte ich am meisten darunter zu leiden, als er mir aber sein Unglück vorstellte, daß er nun nichts in der Welt besäße, geriet ich ganz außer mir.

Dies ist, sprach ich, eine höllische Verblendung gewesen, denn wir sind miteinander auf Grund eines doppelten Betruges verheiratet. Du bist um die Hoffnung auf eine reiche Mitgift betrogen, ich dagegen, wenn ich reich gewesen wäre, würde wohl schön mit dir gefahren sein, denn du sagst ja selbst, daß du nichts besitzest.

Du wärest wohl betrogen worden, sagte er, denn ich besitze nichts, aber 15 000 Pfund hätten uns beide in diesem Lande gar wohl unterhalten können, und es war mein Entschluß, dir jeden Heller davon zu überlassen. Ich würde dich um keinen Schilling betrogen haben und hätte es mein Leben lang mit Liebe und Güte vergolten. Das war ehrlich geredet, und ich glaube, er meinte es auch so, war auch sonst geeignet mich glücklich zu machen, denn er betrug sich so gut, wie nur ein Mann es tun konnte gegen mich. Da er aber nichts hatte und dazu noch dieser Geschichte wegen tief in Schulden geraten war, verlor ich allen Mut, denn es sah schrecklich für uns aus, und ich wußte endlich nicht mehr, was ich sagen oder denken sollte.

Ich gestand ihm, es sei schade, daß soviel Liebe und Güte, die ich bei ihm verspürte, auf solchem Elend aufgebaut wäre, daß ich mich nur auf Unglück gefaßt machen könnte, zumal das wenige, was ich hätte, uns nur eine Woche lang erhalten könne. Hierauf zog ich meinen Bankzettel über 20 Pfund und 11 Guineen Gold hervor, indem ich sagte, dies sei alles, was ich von meinen geringen Einkünften erspart hätte, daß ich nach der Aussage der Betrügerin gehofft hätte, mich damit hier zu Lande drei bis vier Jahre zu ernähren, daß ich aller Mittel entblößt sei, wenn ich es hergeben müßte, und er wisse wohl, wie jämmerlich es um eine Frau bestellt sei, die kein Geld in der Tasche habe. Dennoch, fügte ich hinzu, stünde es zu seiner Verfügung, wenn er es verlangte.

Er sagte mir mit großem Herzeleid, wobei ihm die Tränen in den Augen standen, daß er mir nicht noch das wenige nehmen wolle, das ich hätte, um mich noch elender zu machen. Er habe noch 50 Guineen, das sei sein ganzes Hab und Gut, wobei er einen Beutel hervorzog und ihn auf den Tisch warf, und er hieß mich, ihn an mich zu nehmen, wenn er auch Hungers sterben sollte.

Ich erwiderte hierauf ebenso betrübt, daß es mir unerträglich sei ihn so reden zu hören, wüßte er aber ein Mittel, wie wir leben könnten, so wollte ich alles tun, Freud und Leid mit ihm teilen und mich so behelfen, wie es nur möglich wäre.

Er bat mich, nicht so zu sprechen, denn es würde ihn von Sinnen bringen. Er sagte, er sei von vornehmer Herkunft, obgleich er kein Geld habe, nur ein Weg stünde ihm noch offen, und der würde auch nicht helfen, wenn ich ihm nicht eine bestimmte Frage beantworten würde, wobei er es jedoch für bedenklich hielte, mich dazu zu drängen.

Ich sagte, er solle eine richtige Antwort bekommen, ob sie nach seinem Wunsch ausfallen würde, müßte ich dahingestellt sein lassen.

Wohlan, mein Schatz, sagte er, laß mich offen wissen, ob das wenige, was du besitzest, imstande wäre, uns eine Zeitlang standesgemäß zu unterhalten?

Mein Glück war es, daß ich mich niemandem eröffnet, sondern meine Lage, ja sogar meinen richtigen Namen bisher verschwiegen hatte. Da ich nun sah, daß von ihm nichts zu holen war, so gutherzig und redlich er auch erschien, daß vielmehr das meinige, wenn er es bekommen hätte, gar bald verzehrt worden wäre, so nahm ich mir vor, alles zu verhehlen bis auf den Bankzettel und die 11 Guineen, die ich gern preisgegeben hätte, wenn das Geschehene dadurch zu ändern gewesen wäre. Ich hatte zwar noch einen Bankzettel von 30 Pfund bei mir, aber das war alles, was ich mit mir genommen hatte, nicht um davon auf dem Lande zu leben, sondern um im Notfalle ein Stück Geld in der Hand zu haben. Diesen Zettel aber hielt ich zurück, wodurch ich mit dem übrigen desto unabhängiger wurde, obschon ich seinen jämmerlichen Zustand herzlich bedauerte.

Damit ich aber wieder auf seine Frage komme, so sagte ich ihm, es täte mir leid, ihm gestehen zu müssen, daß das wenige, was ich hätte, zu unserm Unterhalt nicht weit reichen werde. Ich hätte mich in Südengland nicht erhalten können, und dies sei die Ursache gewesen, daß ich mich der Frau anvertraut hätte, die ihn ihren Bruder genannt und mir versichert hätte, ich könnte in der Stadt Manchester, die ich noch nicht kannte, für etwa sechs Pfund das Jahr einen guten Tisch haben; da nun mein jährliches Einkommen kaum 15 Pfund ausmache, sei ich über diesen Vorschlag sehr froh gewesen und hätte mich zur Reise entschlossen in der Absicht, es dort so lange zu versuchen, bis sich etwas Besseres finden würde.

Er schüttelte den Kopf und schwieg still. Es war ein sehr trauriger Abend, doch speisten wir miteinander, schliefen auch die Nacht zusammen. Als er gegessen hatte, bekam er auch ein wenig mehr Mut und verlangte eine Flasche Wein.

Ist unsere Lage gleich schlimm, mein Schatz, sprach er, so hat es doch keinen Zweck, daß wir uns deswegen grämen. Laß uns so vergnügt sein wie wir nur können. Ich will mich bemühen, auf die eine oder andere Art unsern Unterhalt zu erlangen. Daß du dich allein ernähren kannst, ist immerhin besser als gar nichts, ich aber muß in die Welt hinaus. Ein Mann muß männliche Gedanken haben, und wer den Mut sinken läßt, dem öffnet Unglück die Tür. Darauf schenkte er ein, trank mir zu, hielt mich bei der Hand, bis er ausgetrunken hatte und sagte, daß er sich meinetwegen am meisten bekümmere.

In der Tat war er ein braver, vortrefflicher Edelmann, und deswegen verdroß mich das Mißgeschick am meisten. Es ist gleichwohl ein Trost, mit einem rechtschaffenen Manne unglücklich zu sein und nicht von einem Lumpenhund verführt zu werden. Er war in diesem Falle am übelsten dran, zumal er sehr viel Geld auf das bloße Versprechen seiner ehemaligen Geliebten hin durchgebracht hatte. Dabei muß man die schändliche Absicht dieser Person in Betracht ziehen, die, um 100 Pfund für sich zu bekommen, ihn drei- bis vierhundert verschwenden ließ, was seine ganze Habseligkeit, ja mehr war als er besaß. Das Vorhaben, eine reiche Witwe zu verführen, wenn alles seine Richtigkeit gehabt hätte, war schändlich genug, geringe Sachen durch Lügen groß zu machen, war schlimm genug gehandelt und ein handgreiflicher Betrug, aber hier war doch der Unterschied, daß der Mann nicht unter die liederlichen Gesellen gerechnet werden konnte, die sich ein Gewerbe daraus machen, reiche Weiber in ihr Netz zu ziehen, wie es wohl viele schon gemacht haben, die sechs bis sieben reiche Partien nacheinander angebändelt, das Beste herausgepreßt haben, dann davon gelaufen sind und die armen Frauen elendiglich haben sitzen lassen. Meiner war aus gutem Hause, und obgleich er arm und unglücklich war, mochte er wohl bessere Tage gesehen haben. Wenn ich nun wirklich ein großes Vermögen gehabt hätte, würde es mich zwar über alle Maßen verdrossen haben, daß ich so betrogen gewesen, doch hätte dieser Mann wohl an und für sich eine reiche Frau verdient, und ihre Mittel würden gar nicht schlecht angewendet gewesen sein, denn er war wirklich eine liebenswerte Persönlichkeit, von gutem Herzen, vielem Verstande und ungemeiner Großmütigkeit.

Wir hatten uns in dieser Nacht so viel zu sagen, daß keiner von uns schlafen konnte. Er bereute es, daß er mich getäuscht hatte, als ob es ein Kapitalverbrechen gewesen wäre, das er mit dem Tode sühnen müßte. Er bot mir immer wieder sein Geld an und sagte, er wolle in den Krieg ziehen und mehr verdienen.

Ich fragte ihn, warum er mich nach Irland bringen wollte, wo er mich doch nicht ernähren konnte.

Er nahm mich in die Arme und sagte: Mein Schatz, ich war nie willens nach Irland zu gehen, noch weniger dich dorthin zu führen, die Ursache, warum ich hierhergekommen, war nur, um mich den Augen der Leute zu entziehen, die von meiner reichen Heirat gehört hatten und von mir Geld fordern konnten, ehe ich selbst etwas bekommen hätte.

Aber, fragte ich, wohin würden wir dann unsern Weg genommen haben?

Mein Schatz, sprach er, ich will dir den ganzen Anschlag entdecken. Ich hatte die Absicht, dich hier wegen deines Vermögens zu fragen, wie ich denn auch getan habe, und wenn du mir, wie ich vermutete, günstige Angaben darüber gemacht hättest, so würde ich eine Ausrede wegen der irländischen Reise erfunden und den Weg mit dir nach London genommen haben. Hierauf, fuhr er fort, hätte ich dir meinen wahren Zustand entdeckt und gestanden, daß ich mich dieser Künste bedient hätte, um deine Zustimmung zur Ehe zu erlangen, und hätte dich dabei um Verzeihung gebeten und mich aufs äußerste bemüht, das Unrecht durch Vergnügungen wieder gut zu machen.

Wahrlich, du würdest mich bald auf deine Seite gebracht haben, sagte ich, und es tut mir leid, daß ich nicht imstande bin dir zu zeigen, wie leicht ich mit dir versöhnt gewesen wäre und alle diese Streiche um deiner großen Gutherzigkeit willen vergessen hätte, allein was ist nun zu tun? Wir sind beide verloren, denn was hilft unsere Versöhnung, wenn wir nichts zu leben haben?

Wir machten viele Vorschläge, aber es wollte nichts angehen, da wir doch nichts hatten, um einen Anfang zu machen. Zuletzt bat er mich, nicht mehr davon zu sprechen, wenn ich ihm das Herz nicht brechen wollte. Dann redeten wir noch eine Weile von andern Dingen, bis er mir die eheliche gute Nacht wünschte und einschlief.

Am andern Morgen stand er früher auf als ich, und da mich das Wachen in der vorigen Nacht sehr schläfrig gemacht hatte, lag ich bis Mittag im Bett. Während dieser Zeit nahm er seine Pferde, seine Diener, sein Gepäck und ging davon, indem er mir diesen kurzen doch rührenden Brief hinterließ:

Mein Engel!

Ich bin ein nichtswürdiger Hund und habe Dir übel mitgespielt, bin aber wider meinen Willen und gegen meine sonstige Gewohnheit von dieser widerlichen Metze dazu verführt worden. Vergib mir, mein Schatz, ich bitte Dich mit der größten Aufrichtigkeit um Verzeihung. Ich bin der elendigste Kerl von der Welt, weil ich Dich so hintergangen habe. Ich bin so glücklich gewesen Dich zu besitzen, und bin unglückseligerweise gezwungen Dich zu verlassen. Vergib mir, mein Engel, vergib mir, ich bitte Dich noch einmal. Es ist mir nicht möglich, daß ich Augenzeuge Deines Verderbens sein und nichts dabei tun soll. Unsere Heirat gilt nichts, denn ich werde niemals imstande sein Dich wiederzusehen. Und deshalb spreche ich Dich frei. Kannst Du Dich anderswo vorteilhaft verheiraten, so unterlaß es meinetwegen nicht. Ich schwöre Dir hoch und heilig, daß ich Deine Ruhe niemals stören will, wenn ich es erfahren sollte, was wohl schwerlich geschehen wird. Andererseits, wenn Du keine neue Ehe eingehen solltest, und ich nur etwas Glück in der Welt habe, so will ich es Dir, wo Du auch sein würdest, ganz und gar opfern.

Etwas von meinem letzten Gelde habe ich in Deine Tasche gesteckt. Nimm für Dich und Deine Magd einen Platz in der Kutsche nach London. Ich hoffe, daß Du mit dem übrigen Deine Rechnung bezahlen kannst, damit Du das Deinige nicht anzugreifen brauchst. Nochmals bitte ich Dich tausendmal um Vergebung und werde es so oft tun, als ich Deiner gedenke. Gute Nacht!

Ich bin von ganzem Herzen der Deinige.

James.

Nichts in meinem ganzen Leben ist mir so zu Herzen gegangen wie dieser Abschied. Ich verwünschte ihn tausendmal in meinen Gedanken, daß er mich so sitzen ließ. Denn ich hätte mit ihm die ganze Welt durchwandern wollen, wenn ich auch um mein Brot hätte betteln müssen. Ich durchsuchte meine Taschen und fand zehn Guineen, seine goldene Uhr und zwei kleine Ringe, von denen der eine mit kleinen Steinen besetzt und ungefähr sechs Pfund wert, der andere aber nur von Golde war.

Ich setzte mich hin und betrachtete diese Sachen wohl zwei Stunden lang, bis die Magd mir sagte, daß die Mahlzeit angerichtet wäre. Ich aß nur wenig und fing nach dem Essen bitterlich an zu weinen. Ich rief ihn mit Namen: O Jimmy, komm wieder, ich will dir alles geben, was ich habe. Ich will mit dir betteln, ja mit dir Hungers sterben! Mit diesen Worten lief ich im Zimmer wie unsinnig herum, rief nach ihm, damit er zurückkäme, und fing dann wieder zu weinen an. So nahm der Nachmittag ein Ende, bis die Uhr sieben schlug und es anfing zu dämmern. Da kam er zu meinem unaussprechlichen Schrecken in die Herberge zurück und ging geradenwegs auf mein Zimmer zu.

Ich war sehr erschrocken und er auch. Ich wußte nicht die Ursache und auch nicht, ob ich darüber froh oder betrübt sein sollte. Allein meine Liebe siegte, und es war mir unmöglich, meine Freude zu verbergen, die so groß war, daß ich in Tränen ausbrach. Kaum war er eingetreten, da lief er mit ausgestreckten Armen auf mich zu, hielt mich fest und erstickte mich fast mit seinen Küssen, sprach aber kein einziges Wort.

Zuletzt fing ich an: Mein Schatz, wie hast du so von mir gehen können?

Er antwortete nichts, denn es war ihm unmöglich zu reden.

Nachdem sich das erste Entzücken ein wenig gelegt hatte, sagte er mir, daß er schon zehn Meilen weit gewesen wäre, aber er hätte zurückkommen müssen, mir noch einmal gute Nacht zu sagen.

Ich erzählte, wie ich die Zeit verbracht hätte, und wie ich ihm laut zugerufen habe, er solle doch wieder zurückkommen.

Er sagte mir, daß er es im Walde ganz deutlich gehört hätte, obwohl er zwölf Meilen entfernt war.

Als ich darüber lächelte, sagte er: ich sollte nicht denken, daß er scherze, denn als ich deine laute Stimme vernommen hatte, war ich sicher, daß du nach mir gerufen hattest, ja bisweilen kam es mir vor, als ob du hinter mir her wärest. Du riefst laut: Jimmy, Jimmy, komm doch wieder!

Obwohl ich ihm noch kein Wort davon gesagt hatte, lachte ich ihn doch aus, daß er mich so weit hätte hören wollen.

Lache nicht, mein Engel, sprach er, ich habe deine Stimme so deutlich vernommen, wie ich es eben jetzt tue.

Hierüber wurde mir bange, ich gestand auch, daß ich ihn wirklich mit diesen Worten gerufen hätte, die er mir gesagt.

Nachdem wir uns eine Zeitlang über diesen Vorfall aufgehalten hatten, sagte ich zu ihm: Du sollst nun nicht wieder von mir fortgehen, lieber will ich mit dir die ganze Welt durchwandern.

Er antwortete, es sei ihm zwar sehr schwer von mir zu scheiden, aber weil es sein müsse, so hoffe er, ich würde mich auch darein finden, ihm würde es wohl den Rest geben, das sähe er schon kommen. Inzwischen hätte er bedacht, daß ich allein den weiten Weg nach London reisen müßte, und da ihm nun das woher und wohin ganz gleich wäre, so habe er sich vorgenommen, mich bis in die Nähe von London zu begleiten, sollte er aber dann plötzlich seinen Abschied nehmen, so sollte ich es ihm nicht übel deuten – dies mußte ich ihm auch versprechen.

Er erzählte mir nun, auf welche Art er seine drei Diener losgeworden sei, damit sie ihr Glück anderswo versuchen sollten, daß er seine Pferde verkauft hätte, alles dies in dieser kurzen Zeit in einer Stadt, die am Wege lag. Er versicherte mir, die Tränen seien ihm in die Augen getreten, als er bedacht hätte, wieviel glücklicher doch diese Knechte seien als ihr Herr, denn sie konnten beim nächsten Edelmann einen Dienst finden, er dagegen wüßte nicht wo aus noch ein.

Ich sagte ihm, sein Abschied hätte mich in einen solchen Zustand versetzt, wie er niemals schlimmer sein könnte. Nun aber, da er wiedergekommen wäre, würde ich nicht mehr von ihm gehen, wenn er mich nur mit sich nehmen wollte, es sei gleich, wohin. Indes wäre ich damit einverstanden, daß wir zuerst nach London gingen.

Wir reisten miteinander bis Dunstable, das etwa dreißig Meilen vor London liegt, dort sagte er mir, sein Schicksal und sein Unglück zwängen ihn mich zu verlassen. Er habe besondere Ursache London zu meiden, es wäre nicht wichtig für mich, sie zu erfahren, aber er müsse scheiden. Die Landkutsche, in der ich fuhr, pflegte sonst nicht in dem Orte zu halten, aber da ich es auf eine Viertelstunde verlangte, so wartete der Kutscher vor der Herberge, in die wir eintraten.

Dort bat ich um die einzige Gunst, weil er doch nicht weiter gehen wollte, daß er mir wenigstens vergönnen möchte, vierzehn Tage an diesem Orte mit ihm zu bleiben, während welcher Zeit wir vielleicht etwas finden würden, wodurch eine ewige Trennung verhindert werden könnte. Ich hätte ihm noch etwas Wichtiges zu eröffnen, was vielleicht zu unserm Vorteil sein könnte.

Dieser Vorschlag war vernünftig, so daß er ihn nicht abweisen konnte. Er rief daher die Wirtin und sagte, seine Frau sei krank geworden, so daß sie unmöglich weiter mit der Landkutsche fahren könne, es fiele ihr gar zu beschwerlich. Er fragte sie, ob sie ihm nicht für ein paar Tage in ihrem Hause ein paar Zimmer verschaffen könne, damit ich dort von meiner Mattigkeit ausruhen könnte.

Die Wirtin, eine höfliche Frau, besuchte mich sogleich und sagte, sie hätte zwei oder drei schöne Zimmer in einem Flügel des Hauses, wo es ganz ruhig sei, wenn ich sie sehen wollte, würden sie mir gewiß gefallen, ich könnte auch eine von ihren Mägden haben, die weiter nichts tun sollte als mir aufwarten.

Dies war so günstig, daß ich mit beiden Händen zugriff, ich besah mir die Zimmer und fand sie nach meinem Geschmack, denn sie waren sehr gut eingerichtet und sehr luftig. Wir bezahlten die Kutsche, nahmen unsere Sachen heraus und wurden einig, hier eine Zeitlang zuzubringen.

Ich versicherte meinem Manne, daß ich so lange bei ihm an diesem Orte bleiben wollte, bis all mein Geld verzehrt sei, ohne daß es ihn einen Schilling kosten sollte.

Wir hatten einen kleinen Wortwechsel darüber, allein ich gab ihm zu verstehen, es sei allem Anschein nach das letztemal, daß ich seine Gesellschaft haben würde, deswegen möchte er nur mir dieses einzige Mal meinen Willen lassen. In allen andern Sachen sollte er den seinen haben, und damit gab er sich zufrieden.

Eines Abends, als wir auf den Feldern spazieren gingen, machte ich ihm folgenden Vorschlag. Ich sagte ihm, daß ich in Virginien gewohnt und dort auch noch eine Mutter hätte, die, wie ich hoffte, noch am Leben sein würde, wiewohl mein Mann schon einige Jahre verstorben wäre. Ich sagte ihm, daß, wenn es nur mit meiner Ladung Tabak, die ich bedeutend größer darstellte, nicht so schlecht gegangen wäre, daß ich wohl reich genug gewesen sein würde, um unser jetziges betrübliches Scheiden zu verhindern. Hierauf erzählte ich ihm, wie sich die Leute im dortigen Lande niederließen, wie ihnen Land eingeräumt würde, das auch sonst spottbillig wäre. Ferner gab ich ihm über das Anpflanzen Bescheid, wie mit Hilfe einer Ladung von 200 bis 300 Pfund englischer Waren ein fleißiger Mann gleich den Grund zu einer Familie legen und in wenig Jahren reich werden könnte.

Ich beschrieb ihm ferner, welche Gewächse man dort pflanzen, wie das Land gedüngt und bearbeitet werden müsse und wie reichliche Früchte es trage – ich behauptete, daß wir in wenigen Jahren, wenn wir es so anfingen, gewiß ebenso reich sein würden, wie wir jetzt arm wären.

Mein Gespräch setzte ihn in Verwunderung, und wir redeten fast die ganze Woche von nichts anderem, wobei ich ihm deutlich bewies, daß es aller menschlichen Voraussicht nach schier unmöglich sei, daß es uns dort nicht glücken sollte, falls wir nur danach leben würden.

Zunächst sagte ich ihm, was ich für Mittel anwenden wollte, um die 300 Pfund aufzubringen, indem ich ihm vorstellte, wie dies ein guter Weg sei, aus unserm Unglück herauszukommen und uns wieder emporzuarbeiten. Ich setzte hinzu, wir könnten nach sieben Jahren unsere Pflanzung guten Händen anvertrauen und wieder nach England zurückkehren, die Einkünfte hier empfangen, hier wohnen und ein lustiges Leben führen. Ich nannte ihm auch als Beispiel einige Leute, die es ebenso gemacht hätten und die nun in London ein großes Haus führten.

Kurz ich trieb es so weit, daß er fast mit mir einig wurde, allein es fand sich bald dieses, bald jenes, das ihn zurückhielt. Zuletzt wandte er das Blatt um und fing an ebenso von Irland zu erzählen.

Er sagte, wenn jemand sich in das Landleben schicken und sich als Pächter niederlassen wollte, so könnte er in Irland Höfe zu 50 Pfund das Jahr haben, so gut, wie man sie in England nicht unter 200 Pfund bekommen könnte. Der Ertrag sei groß, der Boden so fruchtbar dort, daß, wer nicht gerade zu viel verlangte, ebensogut davon leben könnte wie ein Edelmann in England, der 3000 Pfund Einkommen hätte. Er habe den Plan gefaßt hinüberzugehen, um einen Versuch zu machen, mich aber indessen in London zu lassen. Fände er nun, daß sich die Sache gut anließe, so wollte er schon kommen und mich holen.

Es war mir nun herzlich bange, daß er mich bei meinem Wort nehmen und verlangen würde, ich sollte alle meine Habe zu Gelde machen, um es ihm zu geben, damit er nach Irland reisen könne, um dort sein Glück zu versuchen. Aber er war zu großmütig, um mir das zuzumuten oder es anzunehmen, wenn ich es ihm angeboten hätte. Er kam mir hierin sogar zuvor, indem er sagte, er wolle es erst allein versuchen, und wenn er sähe, daß er Glück haben würde, könnte ich das meinige bei meiner Übersiedlung dazu geben, damit wir endlich leben könnten, wie es uns zukäme. Doch wollte er von meinen Mitteln keinen Pfennig nehmen, ehe er nicht allein den Versuch gemacht hätte, dabei versicherte er mir, daß, wenn es ihm in Irland fehlschlagen sollte, er wieder zu mir kommen und auf meinen Vorschlag bezüglich Virginiens eingehen würde.

Zu weiterem konnte ich ihn nicht bringen, obgleich ich fast den ganzen Monat lang daran arbeitete, in welcher Zeit ich mich beständig seiner Gesellschaft erfreute, die mir die angenehmste war, die ich je im Leben gehabt hatte.

Bei dieser Gelegenheit entdeckte er mir einen Teil seines Lebenslaufs, der sehr seltsam und voll reicher Abwechslung war, so daß es eine herrliche Geschichte geben würde, wenn sie gedruckt werden würde. Doch hiervon später ein mehreres.

Zuletzt kam es zum Scheiden, von meiner Seite mit dem größten Zwange der Welt. Er schien auch ungern daran zu denken, doch trieb ihn die Not, und seine Gründe, warum er nicht nach London gehen wollte, waren sehr stichhaltig, wie ich später erfuhr.

Ich gab ihm Bescheid, wie er an mich schreiben sollte, doch hielt ich immer mit meinem Hauptgeheimnis hinter dem Berge, das heißt, ich sagte ihm weder meinen rechten Namen, noch wer ich wäre, noch wo ich anzutreffen sei. Er hingegen gab mir auch eine Adresse, unter welcher er meine Briefe bestimmt erhalten würde.

Am nächsten Tage nach unserm Abschiede kam ich in London an, begab mich aber nicht sogleich nach meiner alten Wohnung, sondern nahm aus gewissen Gründen ein Zimmer in der Johannisstraße. Hier war ich nun gänzlich allein und hatte Zeit genug, ernstlich zu bedenken, wie ich die letzten sieben Monate herumgeschwärmt hatte, denn solange war es gewesen. An die schönen Stunden, die ich mit meinem letzten Mann verlebt hatte, erinnerte ich mich mit unendlicher Lust, allein diese Freude wurde mir ziemlich vergällt, als ich merkte, daß ich schwanger war.

Dies kam mir sehr ungelegen, weil ich nicht wußte, wo ich mein Wochenbett halten sollte, zumal es heutigentags schwer hält, daß eine fremde Frau, die niemand kennt, in solchen Fällen gute Behandlung findet, wenn sie eben niemanden hat, der für sie einsteht – und daran fehlte es mir.

Ich hatte mit meinem Freunde von der Bank einen geregelten Briefwechsel geführt, oder vielmehr er hatte es getan, denn ich bekam einmal jede Woche einen Brief von ihm, und obgleich mein Geld nicht so schnell verbraucht war, daß ich ihm um neues schreiben mußte, gab ich ihm doch Antwort, damit er wissen sollte, ich sei noch am Leben. So hatte ich auch bei meinem Wegzuge aus Lancashire hinterlassen, man sollte mir alle Briefschaften nachsenden. Unter anderm empfing ich von meinem Bankner in meiner jetzigen Einsamkeit einen sehr höflichen Brief, in dem er mir versicherte, daß sein Prozeß wegen der Ehescheidung gut vonstatten ginge, obwohl er auf mehr Schwierigkeiten gestoßen sei, als er zuerst gedacht.

Die Nachricht von den Schwierigkeiten gefiel mir gar nicht, denn obwohl ich noch nicht imstande war ihn zu heiraten, wie wohl etliche getan hätten, die von einem andern Mann schwanger sind, so wollte ich ihn doch nur ungern verlieren und beschloß, ihn zu nehmen, sobald ich mein Wochenbett gehalten hätte. Ich sah wohl ein, daß ich von meinem vorigen Manne nichts mehr zu hören bekommen würde, und weil er mich immer angetrieben, mein Glück in einer andern Ehe zu suchen, ohne daß er es mir übelnehmen oder auch die geringste Schwierigkeit machen wollte, so trug ich kein Bedenken, seinem Willen zu folgen, wenn mein anderer Freund mich noch wollte. Dies letztere versicherten mir seine Briefe, die aus den freundlichsten und verbindlichsten Worten bestanden.

Meine Schwangerschaft nahm unterdessen zu, die Leute im Hause merkten es und gaben mir auch zu verstehen, daß ich mich nach einem andern Unterkommen umsehen sollte. Da war ich nun wieder in Not, war sehr betrübt und wußte nicht, wohin ich nunmehr sollte. Ich hatte zwar Geld, aber keine Freunde, und sollte nun ein Kind dazu auf dem Halse haben.

Hierüber wurde ich krank, und dadurch wurde meine Traurigkeit nur noch größer. Es lief endlich nur auf ein kaltes Fieber hinaus, was mir aber keine Furcht machte, denn ich hätte viel für ein unzeitiges Kindbett gegeben, aber es ist mir nie in den Sinn gekommen, etwas zu diesem Zwecke einzunehmen, ich hatte vor dem Gedanken daran einen großen Abscheu.

Als ich nun mit meiner Wirtin darüber redete, riet sie mir, eine Hebamme holen zu lassen. Zuerst wollte ich es nicht, ließ es aber zuletzt geschehen, daß sie nach einer solchen sandte, zumal mir keine bekannt war.

Es schien, daß meine Wirtin in dergleichen Dingen nicht unerfahren war, obwohl ich zu Anfang das Gegenteil angenommen hatte, denn sie ließ eine Hebamme von der rechten Art kommen, die mir am besten dienen konnte.

Sie war in ihrem Berufe als Hebamme sehr geschickt, außerdem hatte sie aber noch einen andern, in dem es ihr keine Frau nachtat. Meine Wirtin hatte ihr gesagt, sie glaube, ich sei ganz melancholisch, und das habe mir Schaden getan.

Ich verstand sie wirklich nicht, aber sie erklärte es mir umständlich, was mir fehle. Madame, sprach sie, es scheint, als ob ihr nicht begreift, was eure Wirtin will, und wenn ihr es versteht, so ist es eben nicht nötig, daß man es sagt. Ich darf nichts weiter sagen als dieses, wenn ihr mir von eurem Zustande soviel als möglich entdecken wolltet, denn weiter will ich von nichts wissen, so dürfte ich euch vielleicht beispringen und alle schwermütigen Gedanken von euch vertreiben können.

Jedes Wort, das diese Frau mir sagte, war mir eine Herzstärkung und gab mir Kräfte. Mein Blut lief gleich besser, und ich wurde ein ganz anderer Mensch. Ich bekam wieder Lust zum Essen und genas gleich darauf. Sie redete auf diese Weise noch weiter mit mir, und als sie mich nötigte, mich ihr anzuvertrauen, das Geheimnis sollte bei ihr vergraben sein, hielt sie ein wenig inne, um die Wirkung ihrer Rede abzuwarten.

Ich hatte eine solche Frau gar zu nötig, so daß ich auf ihr Anerbieten gerne einging. Ich sagte ihr demnach etwas über meine Lage, daß ich wirklich verheiratet sei und einen Ehemann hätte, daß er aber so weit von hier sei, daß er nicht kommen könne.

Sie sagte, das ginge sie nichts an, alle Frauen, die in ihre Hände kämen, würden von ihr nicht anders als verheiratete Frauen angesehen. Eine jede schwangere Frau habe einen Vater zu ihrem Kinde, ob das nun ihr Ehemann sei oder nicht, danach frage sie nicht. Denn, sagte sie, einen Mann zu haben, der nicht erscheinen kann, ist ebensogut als keinen zu haben, deshalb ist es mir gleich, ob ihr eine Frau oder eine Freiliebste seid.

Ich fand bald, daß ich hier als Hure angesehen wurde, ich mochte nun eine sein oder nicht. Ich ließ es demnach dabei und sagte, es sei wahr, aber wenn ich ihr meine Lage entdecken sollte, so müßte ich es so tun, wie sie beschaffen sei. Ich erzählte ihr darauf die Sache kurz und schloß mit den Worten: Meine gute Frau, ich habe euch meine Umstände kundgetan, nicht deswegen, als ob sie im gegenwärtigen Falle etwas zur Sache täten, sondern nur um zu beweisen, daß es mir gleichgültig sein könnte, ob mein Kindbett geheim oder offen gehalten wird; die ganze Schwierigkeit bestehe nur darin, daß ich an diesem Orte nicht die geringste Bekanntschaft hätte.

Ich verstehe euch, sagte sie, ihr habt niemanden, der sich euer annähme, oder für euch bürgte, im Falle der Kirchenvorstand Nachfrage halten sollte, auch mögt ihr vielleicht nicht wissen, wo ihr mit dem Kinde hin sollt, wenn es zur Welt gekommen ist. Das letztere, sagte ich, wäre nicht so sehr meine Sorge als das erstere.

Madame, sprach sie, wollt ihr euch in meine Hände geben? Obgleich ich euretwegen keine Nachfrage halten will, so steht es euch doch frei, euch meinethalben zu erkundigen. Mein Name ist B . . ., mein Haus ist in der . . . straße, wo die Wiege aushängt, mein Beruf ist das Kinderholen, und es kommen viele Frauen zu mir, ihr Wochenbett in meinem Hause zu halten. Ich habe der Kirche Bürgschaft geleistet, damit sie keine Ungelegenheit habe von dem, was unter meinem Dache das Licht der Welt erblickt. Nur eine Frage ist noch zu beantworten, und dann hat die Sache ihre Richtigkeit.

Ich wußte gleich, was das für eine Frage sein würde, und sagte: Obwohl ich keine Freunde hier am Orte habe, so fehlt es mir doch nicht an Geld, doch habe ich nur das nötigste und nichts im Überfluß. Dies setzte ich hinzu, damit sie sich nicht auf einen großen Gewinn gefaßt machte.

Sie antwortete, das sei eben die Sache,

denn ohne Geld könne man in dergleichen Fällen nichts ausrichten. Doch sollt ihr sehen, daß ich euch weder übervorteilen noch sonst im geringsten zu nahe treten will, zumal ihr alles vorher wissen sollt, damit ihr euch danach richten und so kostbar oder so sparsam leben könnt, wie ihr wollt.

Ich sagte ihr, sie würde wohl begreifen, daß ich mir nur dies von ihr ausbitten wollte, alles so einzurichten, daß nichts Überflüssiges auf meine Rechnung käme, denn obwohl ich mit meinem Gelde auskommen könnte, so hätte ich doch dessen nicht zuviel.

Am nächsten Tage brachte sie mir eine Aufstellung:

Für drei Monate Kammermiete in ihrem Hause, auch für Essen und Trinken, die Woche zu 10 Schillingen: machte 6 Pfund.

Für die Amme auf einen Monat und für Kindbettleinen: 1 Pfund 10 Schillinge.

Dem Prediger, das Kind zu taufen, für die Gevattern und den Küster: 1  Pfund 10 Schillinge.

Für den Taufschmaus zu fünf Personen: 1 Pfund.

Für ihre Mühe als Hebamme und zur Befriedigung des Kirchspielvogtes: 3 Pfund 3 Schillinge.

Für die Magd, die mir aufwartet: 10 Schillinge.

Macht zusammen: 13 Pfund und 13 Schillinge.

Ich betrachtete die Rechnung, lachte und sprach: Dies ist alles sehr billig aufgestellt, und ich glaube, ihr wißt den Leuten wohl zu begegnen.

Sie meinte, ich sollte darüber urteilen, wenn ich meine Erfahrung hätte, und sollte ich an der Güte der Verpflegung zweifeln, so wäre sie zufrieden, wenn ich jemanden bestellte, der acht darauf gäbe.

Darauf legte sie mir jeden Punkt ihrer Rechnung noch besonders aus. Fürs erste, sagte sie, müßt ihr bedenken, daß ich euch drei Monate Unterhalt gebe für 10 Schillinge die Woche, und ich bürge dafür, daß ihr euch über meinen Tisch nicht beklagen sollt. Ich glaube nicht, fuhr sie fort, daß ihr in dem Hause, wo ihr jetzt seid, billiger lebt.

Ferner, sagte sie, wenn das Kind nicht am Leben bleibt, wie das öfter geschieht, so würden wir die Kosten für den Geistlichen sparen. Und wenn ich keine Freunde bei der Taufe hätte, gehen auch die Unkosten des Taufessens ab. Alsdann würde das ganze Wochenbett nicht über fünf Pfund drei Schillinge kosten.

Ich merkte, daß sie ihr Handwerk von Grund aus verstand, und übergab mich ihren Händen. Darauf sprachen wir von andern Dingen. Sie untersuchte meine Bewirtung an dem Orte, wo ich jetzt war, und meinte, daß es mir an Aufwartung und verschiedenen Dingen fehle, und daß ich es bei ihr ganz anders haben würde.

Ich sagte, weil die Frau im Hause so finster ausgesehen habe, seitdem sie meine Schwangerschaft bemerkt habe, hätte ich mich fast gescheut mit ihr zu reden, da ich befürchtet hätte, sie möchte mir einen Schimpf antun.

Ei, sagte sie, die gute Frau sollte sich nicht so anstellen, denn sie hat es ja selbst versucht, Frauen in solchem Zustande aufzunehmen und zu bewirten, vermochte aber dem Kirchenvorstande kein Genüge zu tun. Indes, da ihr doch ausziehen werdet, wollen wir uns nicht mit ihr abgeben, doch will ich dafür sorgen, daß ihr besser bedient werdet.

Die ehrliche Hebamme betrieb verschiedene Geschäfte, unter denen eines war, ein Kind, wenn es gleich nicht in ihrem Hause geboren wurde – denn sie besorgte auch außerhalb heimliche Entbindungen – an Leute zu geben, die es für ein Stück Geld zu sich nahmen, damit es niemandem beschwerlich fiele. Und wie sie sagte, wurden diese Kinder sehr gut versorgt. Ich kann nicht begreifen, wo sie mit all den Kindern blieb in Anbetracht der großen Menge, von der sie sprach.

Oftmals stellte ich hierüber eine Unterhaltung mit ihr an, aber sie gab immer nur den Bescheid, daß durch dieses Gewerbe manchem unschuldigen Lamm das Leben erhalten würde, das sonst vielleicht erwürgt worden wäre, und daß manches Frauenzimmer der Verzweiflung entginge, das sonst wäre zur Kindesmörderin geworden.

Das einzige, was mich bei dieser Frau vor den Kopf gestoßen hatte, war, daß sie einmal, als wir über meinen Zustand sprachen, einige Worte äußerte, die den Anschein hatten, als ob sie mich der Bürde früher entledigen wollte, oder deutlicher, als wolle sie mir das Kind abtreiben, falls mir die Zeit zu lange währte, und ich es gern los sein wollte. Allein ich ließ sie bald merken, daß solche Gedanken meinen Abscheu fänden. Sie wußte ihre Worte so zu drehen und auszulegen, daß ich ihr nicht zu nahe treten und nicht sagen konnte, ob sie es mir wirklich vorgeschlagen hatte, oder es nur als eine Bosheit der andern angeführt hatte, sie hatte wohl meine Gedanken gemerkt, daß ich solche Dinge mißbilligte, noch ehe ich mich darüber äußern konnte.

Damit ich es kurz mache, will ich nur sagen, daß ich mich bald darauf zu meiner neuen Hofmeisterin, denn so wurde sie in ihrem Hause genannt, begab. Dort begegnete man mir so höflich, versorgte mich so gut und handelte so anständig an mir, daß ich mich wunderte und anfangs nicht wußte, welchen Nutzen meine Wirtin wohl dabei haben könnte. Später aber zeigte es sich, daß sie zwar von den Tischgeldern keinen Gewinn machte, denn sie konnte unmöglich viel davon übrig haben, sondern ihr Vorteil mußte aus andern Quellen ihrer Haushaltung hervorgehen, und da kann ich versichern, daß sie etwas Ordentliches einstrich. Denn es ist kaum zu glauben, wieviel sie zu tun hatte, sowohl im Hause wie außerhalb, und alles nur auf eine heimliche Art, das heißt offen gesagt: mit lauter Huren und Hurenkindern.

Solange ich bei ihr war, zählte ich nicht weniger als zwölf Kindbetterinnen im Hause, und wenn ich mich recht erinnere, hatte sie noch etwa 32 unter ihren Händen außerhalb des Hauses, von welchen eine bei meiner vorigen Hauswirtin in der Johannesstraße wohnte, so unschuldig diese sich auch mir gegenüber angestellt hatte.

Dennoch muß ich gestehen, daß ich niemals etwas Übles in dem Hause gesehen habe, solange ich dort wohnte, ja ich glaube sicherlich, daß man niemals das geringste Unanständige dort trieb.

Kein Mann durfte die Treppen heraufkommen, es wäre denn, eine Sechswöchnerin zu besuchen, und auch dann war die Alte immer zugegen, die sich eine Ehre daraus machte, daß kein Mann eine Frau, auch seine eigene nicht, während solcher Zeit berührte. Sie wollte auch nie erlauben, daß ein Mann im Hause schliefe, er mochte vorgeben, was er wollte, auch wenn es Eheleute waren. Sie pflegte zu sagen, es ginge sie nichts an, wieviel Kinder in ihrem Hause geboren würden, aber daß dort welche gezeugt würden, wollte sie nicht verantworten.

Vielleicht trieb sie diese Bedenken weiter als nötig war, doch brachte es ihr den Vorteil, daß sie mit ihrem Gewerbe in gutem Rufe blieb und den Leumund hatte, daß sie zwar die liederlichen Weiber verpflegte, aber sie zu keinem liederlichen Leben verführte.

Noch ehe ich niedergekommen war, empfing ich einen Brief von dem Verwalter meines Geldes, in welchem er mir viele gute Worte gab und mich auf das inständigste um meine Rückkehr nach London bat. Der Brief war schon vierzehn Tage alt, als ich ihn erhielt, da er erst über Lancashire an mich gelangt war. Der Inhalt war, daß er einen Beschluß gegen seine Frau erwirkt hätte und mir nun sein Wort halten wollte, wenn ich noch desselben Sinnes wäre. Er fügte auch noch eine Menge liebevoller Erklärungen hinzu, die er sich wohl gespart hätte, wenn er meinen Zustand gekannt hätte, und die ich gar nicht verdiente.

Ich datierte diesen Brief von Liverpool, sandte ihn aber durch einen Boten, der sagen mußte, er sei eine Einlage, die ein guter Freund bekommen habe. Ich wünschte ihm Glück zu seiner Freiheit, machte aber einige Schwierigkeiten wegen der Gültigkeit seiner nächsten Ehe und bat ihn, vorher diesen Punkt wohl zu überlegen, ehe er einen Entschluß fasse, weil ein Mann von seinem Verstande sich in dergleichen wichtigen Dingen nicht übereilen dürfe. Der Schluß war, daß ich ihm in allen seinen Unternehmungen guten Fortgang wünschte, ohne ihm das geringste von meinen Gedanken zu sagen oder auf seine Einladung zu antworten, nur gab ich ihm von ungefähr zu verstehen, daß ich wohl gegen Weihnachten nach London kommen würde. Mein Brief aber war im April geschrieben.

Mitte Mai genas ich eines schönen Knaben und befand mich so wohl, wie man unter dergleichen Umständen nur sein kann. Meine Hofmeisterin verrichtete ihr Amt als Hebamme mit aller Kunst und Geschicklichkeit, besser als ich es jemals erfahren hatte. Ihre Sorge für mich, sowohl bei der Geburt wie auch im Wochenbett, war so, daß eine Mutter nicht hätte mehr tun können. Es lasse sich aber niemand hierdurch verleiten, denn die gute Frau ist zu ihren Vätern versammelt und hat keine Schülerinnen hinterlassen, die es ihr gleich tun könnten.


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