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Siebentes Kapitel

Warum Terpentinöl gut riecht und wann ein Tischlerhobel gute Musik macht

Es gibt nämlich auf dieser Welt allerhand Leute. Sogar zuviel, behaupten Griesgräme.

Die haben noch nie ein gesundes Kind in seiner ganzen Anmut gesehen, niemals den Ungestüm seiner jugendlichen Kräfte beobachtet, die noch gar nicht wissen, was alles mit sich versuchen oder beginnen.

Ist das nicht immer wieder, als hübe da eine neue Weltenschöpfung an? Oder als wollte dies Geschöpfchen, das da sich regt und tollt, eine ganz neue Erde sich ersinnen oder doch erobern?

Kommen da nicht immer Fragen, nun ganz verblüffend albern, daß es aller elterlichen Liebe und Geduld bedarf, um nicht dareinzufahren und abzuschrecken, nachdem es nun einmal auch der kleinen Menschlein Aufgabe ist, zu fragen und zu sinnen, und weil auch das scheinbar Dümmste für diesen Endzweck vorbereitet und bildet, dann wieder erfüllt von einer so sonderbaren Weisheit, die auf jedes Rätsel mindestens mit spitzen und bohrenden Fingerchen deutet?

Wenn es so welche gibt, die sich mit ihrem eigenen Geschlecht nicht vertragen können und es mißbilligen, so mögen sich andere mit einer Tischlerwerkstatt durchaus nicht befreunden. Sie haben nämlich einen eklen Geschmack und verzärtelte Nerven.

Und da stellen dann solche Leute Behauptungen auf, die schon ganz und gar nicht haltbar sind und die jeder Billige mit einem verdrießlichen Kopfschütteln vernehmen und ablehnen wird. Als zum Beispiel: es sei eine Tischlerwerkstatt kein behaglicher Aufenthalt.

Da muß man nur hören und staunen, was für haltlose Gründe sie dafür ins Gefecht führen möchten. Richtige Jammergestalten von Gründen, die's nicht besser verdienen, als gründlich in die Pfanne gehauen zu sein.

So sagen sie ganz ohne Scham, die Arbeit mache einen unziemlichen Lärm, den nicht jeder vertragen könne.

Nun ist es ja richtig: der Hobel schrillt und quietscht durch das Holz; und die Säge schnarrt; und die Drehbank oder der Laden knarren; und die Hämmer pochen in einem sehr flinken und eiligen Takt.

Aber es ist dafür gar hübsch, wenn sich die Hobelspäne winden, lebendig, beinahe gleich blanken Schlangen. Und ein herber Geruch ist an ihnen, der immer noch an den Wald mahnt, dem sie entstammen.

Und es ist weiter richtig: es duftet sonst nach allerhand darin, das nicht an Arabien und seine Wohlgerüche mahnt. Als ob etwas durchaus so weit her sein müsse, damit man es mit Wohlbehagen schmecke und vermerke! Da sind Spiritus und Schellack. Wer in aller Welt kann daran etwas bemängeln, besonders ehe der Schellack geschmolzen wird? Da sind Terpentinöl und seine unterschiedlichen Verbindungen. Ja – wenn die Leut' nun einmal durchaus polierte Möbel haben wollen, dann sollen sie nicht darüber schimpfen. Abgesehen von allem anderen: sie riechen gesund und unverkünstelt und sie sind »so viel gut für die Brust«.

Freilich – der Tischlerleim!

Er hat entschieden etwas Widerwärtiges an sich, wenn er in seinem dreibeinigen Pfännchen kocht und seine zähen Blasen wirft und so süßlich riecht und nach Eiern, welche die Bruthenne längst als für alle Zukunft hoffnungslos sich selber überlassen hat. Aber, da gehe man erst in eine Lohgerberei, und man wird die Augen auf- und die Nase zumachen. Man muß sich an ihn gewöhnen, und man kann's, wie man im Leben alles gewöhnen muß und gewöhnen lernt. Wer's nicht glaubt, der frage nur die Rosi Mayer.

Und endlich – und das ist auch ein Trost –, beständig geleimt wird ja doch in keiner Tischlerwerkstatt.

Nämlich, weil sich die Kathi doch um gar nichts kümmerte, die Linnerl noch zu dumm war und die Mutter nicht so überall dabeisein konnte, so hatte die Rosi, wenn man sie nicht im Geschäft brauchte, natürlich auch das Wirtschaftliche über sich.

Und nun kennt man ja auch die modernen Dienstboten. Gar kein Herz haben sie für das, was ihren Herrenleuten gehört, selbst wenn sie nicht so ein freches und verdorbenes Ding sind, wie es die Marie von die Mayerischen bekannterweise und leider Gottes unleugbar war.

Was hin ist, ist nun einmal hin, und nichts kann ewig dauern. Nicht einmal, wenn es aus Gußeisen ist. Solche Redensarten haben sie wirklich an sich. Alle Augenblick stoßen sie was ab. Als ob die Möbel nicht ein Sündengeld gekostet hätten und die Zeiten so schwer wären, daß man froh sein muß, man erhält, was man hat! Wer kann daran denken, etwas Neues zu kaufen? Da heißt's, flicken lassen und immer wieder aufs neue herrichten, daß man nicht merkt, was für ein jämmerlicher Scherben im Grunde das Ganze schon ist.

So war die Rosi das erste Mal in die Tischlerwerkstatt gekommen. Und als ein hübsches Mädel und als die Tochter der Hausherrnleut' war sie denn mit geziemendem Respekt begrüßt worden. Denn, man wisse allenthalben, auf wie wackeligen Stuhlbeinen sie samt ihrer Herrlichkeit thronen – der Hausherr ist immer ein Jemand. Man muß ihm mit Achtung begegnen. Erstens kann er kündigen und steigern, was gar ein Jammer ist. Und dann verkörpert er dem Wiener Volk immer noch den soliden, den ruhenden und schier unerschütterlichen Besitz.

Entschieden über das Maß desjenigen, was ihr als Hausherrntochter zustand, ging es aber hinaus, daß der Altgeselle selber zu einer Reparatur kam, für die allenfalls ein Lehrjunge genügt hätte.

Das Tischlergeschäft ging gut. Und wenn man es nicht ins Große trieb, so war es nur, weil es einer Witwe gehörte. Und wenn kein Mann da ist und immer nach dem Rechten sieht, so machen die Gesellen halt doch, was ihnen paßt.

Auch empfand die Frau ihre Vereinsamung tief genug. Jedes Jahr machte sie eine Wallfahrt nach Mariazell, damit die gnadenreiche Muttergottes sie aus ihrer schmerzhaften Verwittibung erlöse, und versprach ihr eine reiche Spende für ihre Vermittlung und Fürsprache.

Das kostete ein schweres Geld. Denn dieser Ausflug war ihre Vergnügungsreise, Landaufenthalt und Andacht zugleich. Da spart man nicht, wenn man's gottlob nicht muß. Da will man doch nicht aufziehen wie plärrendes Bettelvolk, das sich Gehör im Himmel erschreien möchte, da nahm man sich einen Fiaker von Mürzzuschlag und ließ sich unterwegs und beim »Bäckenwirt« nichts abgehen und reichlich Seelenmessen lesen für den Verstorbenen, der »die gute Stund' selber« war und ihr nur das eine nicht hätt' antun sollen, daß er sie in ihre besten Jahre so einschichtig und verlassen daließ.

Aber, das half zu nichts, und immer wieder hoffte sie vergeblich, sie werde zu zweien ihre Dankfahrt vollbringen können. Der Freier, wie sie ihn wünschte, kam nicht, und die Aussicht wurde immer geringer, er würde sich doch finden. Diese Pilgerreisen waren Jahresringe. Sie bewiesen ihr nur, um was der Stamm älter geworden war, darin der Saft so munter kreiste trotz des Mooses, das sich an der Rinde immer dicker und unerfreulicher aussetzte.

Es wären ja manche gekommen. Aber einmal wünschte sie doch nur einen, der vom Gewerbe war und es verstand wie ihr Seliger. So ein zugrunde gegangener Tischler, der allenfalls leimen konnte und die Alte nur nahm, um ihr Geld mit jungen Flitscherln zu verputzen, paßte ihr durchaus nicht.

Sie hatte Augen im Kopf. Und so inbrünstig sie zur Muttergottes um den Tröster betete, blind oder mannstoll war sie darum doch nicht geworden. Im Gegenteil, sie hatte ihren sehr hellen Verstand und den brauchte sie doch auch, wo die Welt so voll Schlechtigkeit war und jeder nichts anderes im Sinne trug, als wie er seinen Nebenmenschen und ganz besonders so ein armes Frauenzimmer immer für den Narren halten und betrügen konnte.

Wiederholt hatte sie den Gedanken erwogen, einen tüchtigen Gesellen an ihrer Seite einzusetzen. Und gewiß: sie konnte eine Zeit keines der Ehebetten ansehen, die so stattlich und gediegen bei ihr gebaut wurden, ohne mit einem Seufzer dessen zu gedenken, das verwaist und zwecklos neben dem ihrigen stand.

Das mit dem Gesellen aber hatte auch seinen Haken, wie sie bald fand. Denn, sowie einer merkte, er hätte in den Augen der Meisterin Gnade und Antwort gefunden, so wurde er augenblicklich stützig, trieb zunächst in Pfeifen einen höchst verwerflichen Luxus, der tief blicken ließ und die kläglichsten Perspektiven auf die Schicksale ihrer Ersparnisse eröffnete, und benahm sich den übrigen Arbeitern gegenüber in einer Weise, daß gar kein Frieden oder Auskommen mehr denkbar war.

Nur der Xaver Navratil, den sie jetzt hatte, der hätte ihr nach allen Hinsichten gepaßt. Und die Rosi verstand das, wie sie ihn zuerst bei sich in der Stube hantieren sah: über der breiten Brust die blaue Tischlerschürze, die starken Arme bloß und mit einem ernsthaften Geschick alles angehend, was zu tun war. Etwas vom Feldherrn war an ihm, selbst wenn er dem Lehrjungen wohlwollend in den Schopf griff. Er sah augenblicklich, wo sein Eingreifen not war und richtete ohne Besinnen das Erforderliche zu.

Minder hätte sie es freilich verstanden, wenn es wahr gewesen wäre, daß er es mit der Meisterin halte, wie das ganze Haus wissen wollte. Nun – er wollte doch natürlich einmal selbständig werden. Bequemer könnt' er es nimmer haben. Und er war ein armer Teufel, der das Geld recht sehr gut gebrauchen konnte. Und welche Rolle das Geld nun einmal spielt, wie es Dinge möglich macht, die anders nicht einmal auszudenken wären, dies wußte die Rosi doch schon, so grün und unerfahren sie sich sonst vorkam.

Dennoch wehrte sich etwas in ihr gerade gegen diese Möglichkeit, und sie wußte bald, daß sie ihr sehr, sehr weh tun würde.

Denn etwas so Ehrenfestes war an dem Burschen, der nicht einmal seine Eltern gekannt hatte; gar nicht hübsch oder fesch sah er aus, wie man sich sonst einen Korporal von den Deutschmeistern denkt, und, da sie ihn einmal in Uniform gesehen, gefiel er ihr gar nicht, obwohl er eine rote Nelke hinters rechte und ein Virginierstroh hinter das linke Ohr gesteckt trug. Das paßte nicht zu seinem hängenden, struppigen, blonden Schnauzbart, dem etwas schütteren Haar, daran man ihn in seiner Lehrzeit wohl gar zu gewalttätig gerissen – man weiß ja, wie's Waisenkinder haben! –, den grauen gutmütigen Augen in einem fast viereckigen Schädel, als könnte man damit Mauern einrennen. Aber sehr getreu und zuverlässig erschien er, und im Zylinder, mit dem Bratenrock an sich, hätte er sich famos ausnehmen müssen. Und so träumte sie sich ihn gern so einen Blumenstrauß in der knochigen Rechten, wie der Großvater abgemalt war, da er um die Großmutter war freien gekommen.

Er dachte von seinem Handwerk nicht gering, darin er sehr tüchtig war und sein schönes Stück Geld verdiente. Er konnte da ganz warm werden. Damit, daß man sich möblierte, begann nach ihm alle Gesittung. Bis dahin konnte der Mensch immer in Höhlen und Löchern wohnen, wie irgendein anderes Vieh. Nachher war das nicht mehr möglich. Denn derlei vertragen die Möbel nicht, wegen der Feuchtigkeit, »wissen S', Fräulein Rosi!«

Und das mit der Meisterin war natürlich nur dummes Gerede. Weil die Leut' immer was zum ausrichten haben müssen. Könnte ihm gerade einfallen, sich so zu verkuppeln! Das sollte einer tun, der sonst nicht in der Welt vorwärtskommen konnte. Er machte schon seinen Weg. Er hatte zeichnen gelernt, und in ersten Ateliers – die Aussprache war anfechtbar und nur ein Glück, daß die Rosi nicht viel davon verstand – nahm man ihn augenblicklich zu sehr hohem Lohn. Er aber ging nicht. Er war nun einmal Selbständigkeit gewöhnt, ihm gefiel hier etwas – gespannen S' was Fräulein Rosi? –, und ihn jammerte die Meisterin, die so ein guter Kerl und anders ganz verkauft und verraten wäre. Und er wisse, was das Geschäft wert sei und wie schön eine Familie davon leben könne. Etwas habe er sich schon gespart, »ein ganz ein hübsches Stückel Geld, Fräulein Rosi«, und er machte mit der Hand eine zählende Bewegung, und etwas hoffe er schon noch dazuzukriegen. Aber, er brauchte eine fesche Frau Meisterin, sonst käm' er auf schlimme Gedanken, und er machte einen ganz artigen Kratzfuß dazu, denn er wußte, was sich vor einer Hausherrntochter gehört, selbst wenn wirklich gar nichts dahinter sein sollte, und sah sie dabei mit einem Blicke an, daß ihr davor ganz weh und weich wurde. Denn diesen Ausdruck und diesen Glanz hätte sie in diesen Augen nimmer vermutet.

Und so kam es, daß diese beiden einander lieb und lieber wurden, ohne davon oder von ihren Plänen für die Zukunft jemals ein Wort gesprochen zu haben.

Man bestellte sich gelegentlich, wenn man sich ganz sicher vermeinte, im Hausflur für einen kurzen Plausch und einen immer längeren und wärmeren Händedruck. Einmal betraf sie die Urahne dort. Das Mädchen meinte, es hätte keinen Blutstropfen in sich gehabt, und stach man noch so tief. Die Frau sah sie nur mit wundernden Augen an, wie ihr die Rosi einen ängstlichen Knix machte, und nickte hernach ausnehmend freundlich, man konnte nicht anders sagen, halt leutselig. Das nahm das Mädchen aufatmend für ein gutes Vorzeichen.

So kam es weiterhin, daß das Fräulein Rosi in der Tischlerwerkstatt erschien, so oft es nur anging, daß sie sich im weiteren Verlaufe der Begebenheiten an alle Gerüche in ihr gewöhnte, als könnten sie gar nicht anders sein, daß ferner das Reparaturenkonto im Hause Franz Mayer eine erstaunliche Höhe innerhalb kürzester Weile erreichte, daß die Möbel allerdings nach einer Frist auch aussahen, als seien sie blitzblank und eben erst fertig geworden.

Nicht einen Augenblick kam ihnen beiden der Argwohn, als triebe das andere ein Spiel mit ihm.

Mit jedem Tag wuchsen sie mehr und inniger zusammen. Denn sie waren im tiefsten Kern beide brav und einsam beide.

Nur fühlte sich das Mädchen von manchem bedrückt, während sich Xaver Navratil durch die Eroberung einer Hausherrntochter erheblich gehoben fühlte und mit einer löblichen Zuversicht und auf gesunden Beinen der Zukunft entgegenmarschierte, mit der er schon fertig zu werden gedachte.

Sie wußte gar zu genau, wie es mit ihren Aussichten auch nur auf die allerbescheidenste Mitgift bestellt war. Vielleicht irrte er sich darin und erwartete sich etwas. Und es war immerhin ein mißlicher Gedanke, dem Geliebten nichts mitzubringen, der doch selber ganz auf den Erwerb seiner Hände gestellt war. Freilich – etwas hatte er gespart; aber etwas mußte er sich doch dazuschaffen, sollte er vorwärtskommen. Daß sie ihm dieses Etwas nicht bringen konnte, daß er mit ihr vielleicht nur eine Last auf sich nahm, dieses bekümmerte sie rechtschaffen.

Das aber konnte sie ihm durch Fleiß und Tüchtigkeit ersetzen, und sie schwor sich's, daß sie's daran nie fehlen lassen und den Kreuzer noch ganz anders ehren wolle, als selbst ihre Mutter, wenn er sie nur auf festen Boden setze, da sie nach ihrer Gesundheit und Herzenslust arbeiten könne. Denn müßig war sie niemals gerne gewesen.

Andere Hindernisse aber standen ihnen noch im Wege. Sie machten ihr bange, sie schlössen ihr den Mund, daß sie sich und ihr junges Glück, das in allen Sorgen und Ängstigungen immer gleich und sieghaft blieb, durch sie nur die dunkle Folie gewann, damit sie's in ihres Herzens Schrein desto leuchtender hege, niemanden, keiner der Schwestern offenbarte, so sehr sie das Geheimnis auf die Dauer bedrückte.

Da war die Mutter, die kaum einverstanden sein konnte, daß sich die Tochter in Enge und Quälerei hineinsetzte, daß sie sich auf ein so ungewisses Geschick einlasse, statt »sich zu verbessern«.

Aber mit der Mutter konnte man mit Vernunft jederzeit fertig werden. Und die Rosi empfand natürlich als höchst vernünftig und notwendig, was in ihr war, und getraute sich das vor jedermann zu erweisen.

Da waren die Geschwister. Sie sah schon das hämische Gesicht des Adam und hörte der Kathi gedehntes: »Uj – der Tischlergesell-Schwager!« Aber endlich – die hatten ihr doch nichts dreinzureden und sollten sie lieber in Frieden lassen. Sonst möcht' sie's ihnen zeigen – und sie fühlte sich sehr rauflustig.

Da war aber auch der dumme Hochmut ihres Vaters, den man ja sonst um den Finger wickeln konnte, der in diesem einen Punkt aber sicherlich unnachgiebig war. Denn jeder Schwächling hat etwas, darin er nackensteifer und unbiegsamer ist als der Stärkste und Entschlossenste. Immer irgendeine Schrulle, über die mit ihm »aber schon gar nicht zum reden ist«.

Hier war es der Stolz auf die Ahnen und die patrizische Vergangenheit der Familie. Es war undenkbar, daß eine Adam-Mayerische einen Menschen heirate, den man so gar nicht herzeigen konnte.

Einen Tischlergesellen! Ich bitt' Ihnen, net einmal Meister ist er noch! Und überdem heißt er Xaver Navratil! So ein Nam'! Und er weiß net einmal, wer sein Vater war, und seine Mutter ist im Findelhaus gestorben. Halt wirklich schon rare Leut', wirklich schon!

Darüber kam die Rosi ganz gegen ihre muntere Art oftmals ins Grübeln. Wie, wenn die Mutter ja und amen sagte, und der Vater blieb bockig? Ja, meinte sie, da ist das vierte Gebot. Und das steht freilich, und dawider ist nichts zu tun. Aber es heißt: Ehre Vater und Mutter. Keins mehr wie's andere. Das geht also nur, wenn sie eins sind, wie das im heiligen Ehestand sein sollte. Wenn der aber immer das und die ganz was anderes will? Ja, was macht man denn da? Darauf hat unser Herrgott offenbar nicht denken können, weil es nicht hätt' sein sollen. Und es ist doch, bei Gott, es ist doch, und was tut man sich hernach nur, wenn man ein armer, verliebter Narr ist, wie sie's leider nun war?

Und in allen diesen Grübeleien horchte sie nach der Tischlerwerkstatt, und unter allen Hobeln, die sich unter seinen Augen und nach seinem Wink bewegten, meinte sie den seinen herauszuhören. Ritsch – ein langgezogener Strich, der nur so hinflitzte durch das Holz. Das war er – so könnt' es sonst keiner. Das brach Bahn, auch für sie und ihre Zukunft. Ritsch! So würde das einmal gehen, wenn er selber erst den Hausrat für sie tischlern werde, einfach und für die Dauer und von ihr in Ehren gehalten jedes Stück. Ritsch! Da konnte man doch zuhören und sich denken –ja alles mögliche und was einem einfiel. Ob's eine feinere Musik auf der Welt gab? Ritsch! Oder sie wußte, er war auswärts. Dann wartete sie, bis er zu Mittag oder nach Feierabend heimkam. Hinter ihm trug der Lehrjunge den Zöger mit dem Gerät, und er schritt stattlich und hatte im Sommer die Jacke nur so gewiß fesch über die starke Schulter umgehängt. Er rückte seine verwegene blaue Kappe, sie nickte unmerklich, und beider Augen begegneten einander. Nicht eben viel – aber vorläufig für sie genug und eine hübsche Verheißung ...


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