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Fünftes Kapitel

Die Ahnfrau

Es gehörte übrigens noch jemand zur Familie Mayer.

Gesprochen wurde häufig genug von Franz Mayers Großmutter. Verkehr bestand keiner zwischen ihr und ihren nächsten Angehörigen, obwohl man im selben Hause lebte. Im dritten Stock des weitläufigen Gebäudes hatte sie ihre Wohnung. Keines der Urenkelkinder hatte sie jemals betreten. Aber man erzählte sich Wunder, wie hübsch und anheimelnd, wie peinlich sauber und wie mit den gediegensten Sachen bestellt alles bei ihr sei.

Manchmal sah man sie selber. Und man konnte sich wirklich kein säuberlicher Weiblein erdenken. Immer ging sie ganz in Grau. Und die Haare, so uralt sie war, schimmerten noch durchaus nicht ganz weiß.

Sie hielt sich immer noch stramm, wenn sie über den Hof ihrer Stiege zu ging, nur das Treppenklimmen machte ihr doch schon Beschwerden, und so hielt sie sich am liebsten inner ihrer vier Wände.

Etwas Unnahbares und Selbstgerechtes war allerdings auch an ihr. Sie fühlte sich als Patrizierin und verkehrte nur mit Frauen aus ihrer Schichte, die noch irgendwie mit ihren eigenen jungen Tagen zusammenhingen. Neuer Umgang, neue Bekanntschaften wurden mit einer großen Entschiedenheit abgelehnt. Verließ das Kind einer Freundin das mütterliche Haus, so betrat Eva Mayer ihr Heim sicherlich nicht. Bei sich zu Hause empfing sie, ja hielt Hof. Ihre Zeit lag hinter ihr. Davon, was nachher heraufgekommen war, wollte sie nichts wissen. Das mißbilligte sie durchaus. Da steckte nichts dahinter, nur Schwindel und Betrug. Windeier legte man mit großem Gegacker und tat, als bebrüte man sie eifrig. Kam man vor ihr darauf, dann hatte sie eine höchst eigentümliche Bewegung der Rechten an sich: mit einem Handrücken strich sie dabei über ihr Kleid, nicht anders, als wenn man etwas sehr Ekelndes abstreift. Sie brauchte sich's nicht nahekommen zu lassen. Denn ihr Seliger hatte vorgesorgt. Was ihr zukam, das war ganz bestimmt vinkuliert und so auf dem Hause festgelegt, daß es ihr unter gar keiner Bedingung genommen oder auch nur verkürzt werden konnte.

Einmal des Jahres, in der Pfingstwoche, hielt ein Fiaker vor dem Hause. Dann erschien sie in allem ihrem Glanze. Eine Gestalt aus der Vergangenheit. Im Damastkleid oder im grauen Atlas, der wohl noch auf einem der Stühle des alten Adam Mayer gewebt sein konnte, so starr und rauschend und feierlich war er; auf dem sehr kleinen Kopfe eine Art Haube. Dann tat sie ihren Schmuck an, funkelnd genug in seiner altmodischen Fassung. Dann galt es nämlich, sich zeigen. Sie lehnte es niemals ab, aus religiösem Gefühl und aus der Verpflichtung der angesehenen Frau vom Grund, die Stelle einer Firmpatin bei jedem zu übernehmen, der sie mit eigenem Anspruch darum bat. Die Erinnerung daran und an ihre Firmlinge bildete ihre Annalen. Dann stierten die Urenkelkinder ihr insgeheim und vornehmlich die Kathi mit einem eigenen Leuchten in den Augen nach, bis der Wagen um die Ecke bog und das flinke Trappeln der Pferde auf dem harten Pflaster verklirrte.

Was so ein Tag nur an Geld fraß! Und das kam wildfremden Leuten zugute und wurde vertan und verjuxt! Und hernach gab's immer noch in der ganzen Gasse ein Gerede, wie reich die Urgroßmutter das Patenkind beschenkt hätte und wie nobel sie es dabei habe hergehen lassen! Und was die alte Frau nur an sich trug und auf sich wenden konnte! Ganz besonders die Kathi wußte das auf den Heller zu schätzen, und von ihr lernten's die anderen. Sie aber – du lieber Gott, wenn die Marie ihren Ausgang hatte und sie legte sich ordentlich an, dann sah sie mindestens so fein aus wie die Herrschaftstöchter. Natürlich – die Handschuhe durfte sie nicht ausziehen; sonst merkte man doch augenblicklich, daß sie ein ganz ein ordinärer Trampel war. Und tat sie gar erst den Mund auf – uijeh!

Überdies waren die Mädchen nun schon in jenen Jahren, da man nachdenkt, Vergleiche zieht und der ursprünglichste aller Triebe der menschlichen und insbesondere der weiblichen Natur erwacht: der Neid.

Es ist sehr leicht, ein Kind glücklich zu erhalten. So leicht, daß der ein Verbrechen an aller Menschheit begeht, der es unterläßt. Da genügt etwas Liebe und Sonne; es reicht, wenn man es nur an seinen ursprünglichsten Neigungen und Freuden nicht zu sehr beknappt. So ungestüm regt

sich in ihm die Freudigkeit des Lebens, daß alle Not und kein Drangsal darüber etwas vermag. Kaum die Wolke vorüber ist, taucht es sein Herzchen in den ersten freudigen Strahl, der durchbricht.

Diese aber waren schon in den Jahren, da sich bestimmte Bedürfnisse melden; da nach den Schnurrpfeifereien und den Kostbarkeiten des Lebens das Begehren zu rufen beginnt; und waren ohne jede Aussicht, jemals daran einen genügenden Anteil zu gewinnen.

Denn sie wußten wohl: es stand mit den Vermögensverhältnissen bei ihnen im Hause schlecht und wurde mit jedem Jahre schlimmer. Daß die Mutter nicht mehr so recht mitkonnte, sahen sie selber, den Vater hörten sie lamentieren, er könne nicht mehr so arbeiten wie vordem.

Da war die Kathi. Bei der hatte man doch etwas versucht, wenn es gleich zu keinem Ergebnis geführt. Bei der Rosi und gar bei der Linnerl, die wohl wußte, sie könne etwas durchsetzen, wenn es sie nur freue und man biete ihr Gelegenheit dazu, ließ man schon alles gehen, wie es mochte. Aber dies schien ihnen nachgerade bezeichnend für alles, das bei ihnen unternommen ward: ewige Anläufe, ohne daß es jemals zum Sprunge kam.

Mit dem Adam war doch auch mancherlei probiert worden. Der hatte halt nie und nirgends gut getan. Erst in der Realschule – was war das für ein Kreuz und bei jedem Semester für ein Spektakel gewesen! Froh waren sie sämtlich, als es damit sein Bewenden hatte. Und in der Handelsschule warf man ihn hinaus, und in keiner Lehre konnte man mit ihm bestehen, der nicht einmal vor den übelsten Streichen zurückschreckte, wenn er loskommen wollte. Er aber durfte tun und treiben, was er mochte. Nach einigem Lärm und etlichen Drohungen wurde ihm alles verziehen. Ja – warum denn nur? So fühlten sich die beiden jüngeren unablässig zurückgesetzt und wie Stiefkinder.

Jener Tag der Firmwoche, an dem sich die Urahne im vollen Staat zu ihrer Fahrt nach St. Stephan rüstete, zeigte ihnen den ganzen Glanz des Hauses, dem sie entsprossen waren und daran ihnen nimmer ein Anteil gegönnt sein sollte.

Denn sie wußten weiterhin: der Vater und die alte Frau standen so schlecht, daß keine Aussöhnung mehr denkbar war. Und diese Feindseligkeiten hatten sonderbar genug begonnen.

Erst hatte es Franz Mayer versucht, die Großmutter für seine Geschäfte zu gewinnen. Sie hörte ihn und seine erstaunenden Berechnungen des sichersten Nutzens, der ihr erwachsen müsse, mit einer löblichen Gelassenheit und sehr beifälligem Kopfnicken an. Alsdann: ja, das sei ganz schön – für Junge. Sie sei eine alte Frau und habe keinen Anlaß, sich in Spekulationen einzulassen. Sie habe ihr Sicheres, das ihr genüge.

Später einmal, das einzige Mal in ihrem langen Leben, war sie schwer erkrankt. Und hernach, da sie in der Genesung war, da redete ihr der Vater nach Kräften zu, sie möchte doch herunter, in seine Familie ziehen.

Sie mochte nicht. Sie fühlte sich da heroben ganz wohl. Sie wohne hoch? Das sei sie nun einmal gewohnt und da überlege sich mancher den Weg zu ihr herauf. Die Kinder seien ihr noch zu klein und sie vertrüge in ihren Jahren keinen Lärm mehr. Umsonst wurde beteuert, man werde sie auf Händen tragen. Sie sei kein Wickelkind und dafür wohl schon zu gewichtig. Man werde sie aufs beste hegen und jedem ihrer Wünsche willfahren. Sie sei noch rüstig genug, um keiner Pflege zu bedürfen.

Immer wieder und mit einer Zähigkeit, die sonst gar nicht in seinem Wesen lag, war Franz Mayer auf die Sache zurückgekommen. Immer schroffer, je mehr die Großmutter die letzten Gründe seines Andringens zu erkennen glaubte, wurde ihre Ablehnung. Erst hieß es, sie sei ihre eigene Wirtschaft zu sehr gewöhnt, als daß sie sich noch in eine fremde finden könne. Man werde sich durchaus ihren Wünschen gemäß einrichten. Ja – das passe ihr nicht. Sie sei nicht gelaunt, jemandem Ungelegenheiten zu machen. Er stand noch immer nicht ab, und da fuhr sie heraus: sie lasse sich nicht als Melkkuh in seinen Stall führen, wenn er es durchaus wissen wolle. Das habe sie doch nicht nötig.

Er sah sich durchschaut, und das fraß nachhaltig an ihm.

Und dennoch war sein Gedanke so sehr vernünftig gewesen. Denn wozu brauchte die einschichtige Person die große Wohnung, die man so schön vermieten konnte, wo doch jeder froh war, wenn er sie zu dem billigen Zins bekam, zu dem sie im Steuerbogen angegeben war? Warum hauste sie unter kostbarem Mobiliar – denken S' Ihnen, ein Tischerl ist da, ganz von Ebenholz mit Gold und Perlmutter! –, wenn ihr eigen Geblüt sich mit so Geraffelwerk behelfen mußte?

Man hätte sich so schön aufhelfen können. Das wär' doch wie der Haupttreffer gewesen, auf den der Wiener so gern seine Hoffnung setzt. »Halt nur, daß alte Leut' so viel starrkopfert sein und niemals kein Einsegen haben.«

Jedes Jahr, das sie seither noch verbrachte, galt ihm als Unrecht, ja als eine direkte, an ihm verbrochene Boshaftigkeit. Und es wurde bei ihm ein unverbrüchlicher Lehrsatz: ihnen konnte es sämtlich nicht besser gehen, solange das Weib dort oben herumwirtschaftete. Man ging doch zugrunde an den Leistungen, die man ihr darbringen mußte. Eigentlich hatte der Großvater die Seinigen alle bis ins letzte Glied enterbt, um dieser einen Person willen, die dem bejahrten Witwer in die Augen gestochen, die nichts gehabt oder in die Ehe mitgebracht, aber schon gar nichts als ihre Schönheit und Scheinheiligkeit, die sich nun dafür benahm, als sei sie mindestens eine geborene Fürstin, die gar keinen Verstand hatte, wie schlecht und wie schwer die Zeiten für einen bedrängten Familienvater sich anließen, und die so zäh und so eigensinnig sei, daß man sie wohl einmal »mit dem Hackel wird derschlagen müssen«. Schaden sei um sie nicht; gewiß kein Schaden; und anders loszukriegen wäre sie schon gar nicht.

Was für Summen die nur verschlungen hatte in ihrem unnützen Leben! Denn sie hatte kein Kind gehabt und nur, weil sie sich davor fürchtete, nicht augenblicklich, kaum, daß sie den Alten unter die Erde gebracht, sich einen Jungen, Feschen wieder genommen. Die mußte man nur kennen!

Ins Ungeheuerliche, mit Zins zu Zins, schwollen diese Beträge, wenn Herr Franz Mayer von ihnen redete. Er berauschte sich an ihnen, und man begriff, wohin das Gesamtvermögen der Familie geraten sein sollte. Überhaupt machte der Mann niemals einen so phantastischen Eindruck, als wenn er real bleiben und mit Ziffern beweisen wollte.

Das kam dann nicht anders heraus, als sei alles Unheil, das über sein Geschlecht hereingebrochen war, ihr Werk. Ein böser Dämon, ein Moloch, der beispiellose Opfer forderte und gelassen zusah, wie alles um ihn sich an ihnen verblutete, saß oben im Hause. Sie mußte Geld haben, die Alte. Viel Geld. Es war unmöglich, daß sie aufbrauchte, was alles ihr der Großvater in seiner wahnwitzigen Verblendung zugeschrieben hatte. Denn sie lebte im Grunde sehr bescheiden. Niemals ging sie aufs Land, und gegeben, wenn sie nicht »ihre Pflänze riß,« hatte sie doch noch keiner schreienden Katz' etwas. Was würde einmal damit? Ihnen sollte doch, sie hatte es eidlich erklärt, kein Kreuzer zufallen. Eher möcht' sie's doch verbrennen oder ins Bürgerspital stiften.

Sprach er so, schwelgend und sich ersättigend an seinem Haß, dann kam in die Augen des Adam ein rötliches Licht, und sie unterliefen blutig. Frau Kathi Mayer horchte eine Weile achtlos und verdrossen, wie man eine leidige, oft vernommene zweck- und sinnlose Litanei anhört, schupfte alles mit einem entschiedenen Ruck von ihren Achseln, und nur wenn ihr der Nachweis, Eva Mayer allein habe jegliches verschuldet, gar zu albern wurde, so warf sie ein kurzes spitzes Wort dazwischen: »Dös stimmt net ganz«, oder: »Da wird sich noch wer bei der Nasen fassen dürfen.« Die Kathi aber saß in ihren Gedanken da, die stets woanders, ganz woanders waren ... Ihr glitt's ab ...

Die beiden Jüngeren aber lauschten mit eigenen Gefühlen.

Denn eigentlich fühlten sie sich zur Urahne mächtig hingezogen. Etwas Adliges war an ihr und ihrer so streng geschlossenen Existenz, in der eigentlich niemand mehr Raum hatte. Sie ahnten das wohl, ohne sich Rechenschaft davon geben zu können. Alles an ihr, selbst ihre unverwüstliche Lebenskraft, selbst die Art, wie sie in ihrer völligen Vereinsamung lebte, flößte ihnen eine dunkle, doch mächtige Bewunderung ein.

Einmal wurde das bei der Linnerl so stark, daß sie bei einer zufälligen Begegnung nach der Schule nicht anders konnte. Sie bückte sich und küßte die Hand der Greisin recht heiß und ehrfürchtig.

Sie wußte wohl, daß sie Gefahr einer harten Strafe dabei lief. Denn der Adam, der ja so nichts zu tun hatte, dessen Augen waren natürlich überall, wo man sie nicht wünschte. Und es machte ihm tausend Spaß, anzuzeigen und so das Gewitter, das immer und mit allem Fug über seinem dicken Kopf schwebte, auf die anderen abzulenken. Nur die Kathi verzündelte er nie, sooft er sich mit ihr häkelte. Man wußte nicht: hatte er sie gern oder fürchtete er sich vielleicht gar vor ihr.

Die alte Frau blieb stehen. Und die Linnerl fühlte, wie zwei harte Augen auf ihr ruhten und wäre am liebsten in den Erdboden versunken, und ihr Herzchen klopfte mächtig, und sie schämte sich so sehr. Eine alte, welke Hand griff ihr unters Kinn und hob ihr das errötende, gutmütige Gesichtchen; ein prüfender Blick, der langsam milder wurde, tauchte ihr in die sanften, braunen Augen, die sich jählings zu füllen begannen, und eine sonderbar tiefe Stimme sprach: »Bist ein braves Mäderl. Weißt, was sich gehört.«

Die Kleine stammelte etwas.

»Lernst d' auch brav in der Schule?«

Die Linnerl nickte eifrig und öffnete ihren Katechismus, der ganz voll bunter Heiligenbildchen war. »Vom Herrn Katecheten«, hauchte sie, »weil ich die Bravste bin in der Religion in meiner Klasse ...«

»Därfst di net vor mir fürchten. Ich tu keinem nix. Darfst amal zu mir kommen.«

»Ich möcht's so viel gern. Aber ich därf net. Sie erlauben mir's net, und allan trau' ich mich net. Der Adam ...«, stotterte sie.

»Der gehört am Galing«, entschied sie hart ... »Aber kumm' nur einmal.«

»Därf die Rosi a?«

»Wenn sie so is wie du, därf sie a.«

»Oh, sie is viel braver wie ich«, beteuerte die Linnerl. »So viel fleißig! Und hübscher is sie. Freilich – die Hübscheste is die Kathi« – sie wurde ganz eifrig.

»Das is sie schon. Aber zu mir kommen muß sie net. Behüt' di Gott, Linnerl!«

Und aufrecht stieg sie die vielen Stufen zu ihrer Wohnung empor, und die Linnerl, ein stolzes Geheimnis im kleinen Herzen, sah ihr sehnsüchtig nach.

Ja – das war was anderes, was Nobleres! Da ruhte alles in sich und war verankert. Bei ihnen aber – oh, sie war klug genug, und sie merkte alles. Da war eine beständige Zersetzung, ein ewiger Fluß zu schlimmen und unerfreulichen Dingen, ein rastloser Übergang.

In ihrem Zimmer aber ruhte sich indessen Frau Eva Mayer. Sie kannte die Gefühle sehr genau, mit denen man da unten ihrer gedachte. Denn so oft sie sich's verbeten hatte, man trug ihr dennoch zu, was über sie geäußert ward, jeden Tratsch, jedes Wort eines unbedachten Grolles, das Franz Mayer auf der Kneipe oder im Café gegen sie ausstieß. »Ein dummer Hund ist er«, dachte sie bei sich. »Ins Kriminal könnt' ich ihn bringen, wenn's mir passet. Aber ich fürcht' mich net vor ihm. Ich net. Und ich stirb net. Just net!«

Und sie trat ans Fenster und warf einen Blick in den Hof. Dort stand immer noch die Linnerl und blickte ganz verlangend, wie verzaubert, empor. Und sie dachte ihrer Urenkelkinder und ihres wahrscheinlichen Schicksals, mit dem sie nun durchaus nichts zu tun haben wollte. Und dennoch bewegte es sie, und sie sah gar nicht so stramm und hart aus, wie sie sich sonst gehabte. »Was sich der liebe Gott nur denkt«, flüsterte sie, »wenn er solche Leut' Kinder gibt. Dös sollt' net sein därfen – ewig net. Is schad um die zwa Maderln – ewig schad'«, und ihre Lippen bewegten sich in der naschenden Bewegung des hohen Greisenalters, und ihr Kopf schwang unablässig sinnend. »Wenn man da was tun könnt', ohne daß man sich alle auf'n Hals zügelt? Die übrigen aber – Bande und Bagage!« Sie strich sich mit einem noch heftigeren Ruck als sonst von ihrem Kleide und schellte mit einer sehr entschiedenen Bewegung der uralten Magd, die sie bei sich hatte: »Wo bleibt mein Mittagmahl? Essen möcht' i. – Sö sein's net wert ...« Was sie nicht wert seien oder wen sie meine, behielt sie aber bei sich.


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