Felix Dahn
Ebroin
Felix Dahn

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Drittes Buch.

I.

Mehrere Jahre später zog an einem Sommermorgen eine kleine Reiterschar langsam einen steilen Bergeshang der Vogesen hinan.

Die Männer hatten in der königlichen Villa Vineola übernachtet, die, dem neustrischen König gehörig, als Einsprengsel auf austrasischem Boden lag und der Villicus hatte sich erboten, sie einen stark abkürzenden, aber, weil vielfach verwachsen, schwer zu findenden Gebirgsweg auf die alte Römerstraße von Straßburg nach Troyes zu führen. Als sie in der einsamsten Waldestiefe angelangt waren, sah der Wegweiser zu dem Führer der Schar, neben dessen Rappen er dahinschritt, hinauf, und sprach: »Herr Majordomus, schau einmal da hinan, auf jenen Bergeskegel zur Rechten: siehst du nichts?« »Jawohl,« entgegnete der Befragte. »Ich sehe dort schon geraume Zeit eine schmale Rauchsäule aufsteigen. Aus der wildesten Wildnis! Wohnt jemand in jener Einsamkeit?« – »Ein Einsiedler. Ein wunderbarer Mann! Gar nicht wie sonst wohl die Priester. Ich glaub', er ist gar keiner, eher ein Kriegsmann. Dort oben hausten früher die Wölfe des Wasgenwalds in Rudeln: er hat sie in seiner Umgebung fast ausgerottet. Ohne Waffe mit einem dicken Knüttel, dringt er in ihr Lagergesteck, in das dichteste Dornicht, wo hinein unsere schärfsten Hunde nicht schlüpfen und erschlägt sie, die Mutter und die Welpe. Und dann betet er wieder stundenlang auf den Knieen. Hab' ihn oft beten hören! Seltsam, er betet auch oft für einen Mann, der ebenso heißt wie du, Herr Majordomus.«

»Ebroin?« fragte der und hielt das Roß an.

»Ja. Aber du kannst ja nicht gemeint sein.«

»Weshalb nicht.« – »Ei, der Wirrkopf – er ist, mein' ich, nicht recht bei Kopfstand! – seufzt dann von Raub, von verfluchtem Gold! Von Blutschuld, welche die Heiligen vergeben sollen.« Ebroin sprang vom Pferd und übergab es einem Gefolgen. »Rasch, Villicus, führe mich zu dem Einsiedler.«

Nach geraumer Zeit angestrengten Steigens, wobei Ebroin zuweilen mit dem Schwert das dichtwuchernde Dorngestrüpp aus dem Pfad hauen mußte, oft auf den Speer wie auf einen Bergstock sich stützte, gelangten sie an ein wildes, zerrissenes Felsgeklüft, in dem sich plötzlich eine Höhle aufthat; daneben qualmte ein eben verlöschendes Feuer, von dürrem Reisig und trockenen Blättern genährt; oben, auf der Überwölbung durch den Fels, ragte ein kunstlos geschnitztes Holzkreuz.

»Wir sind zur Stelle,« sprach der Villicus; »aber die Höhle ist leer; der Klausner ist nicht darin. Und doch hat er hier vor kurzem sein Frühmahl gehalten: sieh, da liegen die Reste: geröstete Eicheln. Gewiß hat er uns heraufsteigen sehen: – dann versteckt er sich meist. Denn er meidet die Menschen.« – »Warum? Lebt ihr in Feindschaft?« – »O nein! Ist er doch der Wohlthäter all' der Höfe hier. Er hat ja, ich sagte es, die Wölfe ausgerottet, die unsere Herden rissen. Wir tragen ihm reiche Dankesschuld.« – »Wißt ihr, wie er heißt – oder hieß – in der Welt?« »Nein. Er nennt sich nur den Sünder. Sünder,« rief er nun laut, »bist du hier versteckt? Komm hervor! Hier ist ein gar vornehmer Herr, der will dich sprechen.«

Aber alles blieb still. Nur ein Rotkehlchen flog, verscheucht, aus einem dichten Hollunderbusch, der leise schwankte.

»Nun,« sprach Ebroin, »vielleicht kommt er – wie die Elben – ruft man ihn beim wahren Namen. Vanning, Freund Vanning, komm! Ich bin's, der dich ruft: – dein Ebroin!«

Da that sich jener Busch auseinander und auf die beiden zu schritt eine seltsame Gestalt.

Barhäuptig, wie barfüßig, das Gesicht von einem wirren Gewoge lange Jahre hindurch nicht mehr geschnittenen, struppigen, braunen Haars und nicht mehr geschorenen Bartes umwogt, die Farbe der Stirn, der Wangen tief gebräunt von der Sonne, die Haut verwittert in Sturm und Regen und Schnee, das einzige Gewand ein Mantel, aus lauter Wolfsfellen zusammengesteckt mit langen Dornen, in der Rechten ein gewaltiger Stock, vielmehr ein junger Eichenstamm: – so schritt der Hochragende auf die Besucher zu; er stutzte, wie er Ebroins näher ansichtig ward und blieb stehen.

»Vanning, treue Seele! Mein armer Kerl!« rief Ebroin, ließ den Speer fallen, sprang auf ihn zu und umarmte ihn herzlich. »Ebroin! – Laß, laß mich! Berühre nicht den Sünder – du weißt . . .« – »Daß ich schuldig bin an allem – auch an dem, was ich hier – mit Schauder! – sehe. Ach, Villicus, hab' großen Dank, daß du mich hierher geführt. Da! Nimm!« – »Wie, Herr Majordomus« – da fuhr Vanning erstaunt zurück – »ein Goldsolidus? Du hast dich vergriffen.« – »Nein, nein. Dieser Gang ist mir viele tausend Solidi wert. Geh nun, sage den Meinen, sie sollen da unten sich lagern und auf mich warten. Ich habe mit diesem Einsiedler zu reden.


II.

Und lange sollte sie währen, die Unterredung der beiden Freunde, wie sie traulich – aneinander geschmiegt, Schulter an Schulter, wie dereinst als Hofknaben – auf dem grünen Rasen nebeneinander saßen. Ebroin hatte den rechten Arm um den Nacken des Wiedergefundenen geschlungen, der allmählich seine Scheu und Zurückhaltung überwand und immer offener und fließender erzählte.

Der Morgentau glitzerte und glänzte auf den bunten Blumen der Waldwiese, lichte, weiße Sommerwolken zogen langsam an dem tiefblauen Himmel hin, der schmale Felsquell rieselte mit leisem Murmeln von dem braunen Sandstein des Felshangs herab in das dunkelgrüne Waldmoos; das Rotkehlchen, neugierig und zutraulich wie sie sind, hüpfte nah und näher heran, das Köpflein seitwärts wendend, und aus der niederern Schicht des Gehölzes drang flötend der metallische Ruf der Walddrossel empor.

»Aber welcher Einfall! Welcher Wahn, lieber Herzensbruder!« begann nun Ebroin, ihn noch näher an sich ziehend. »Deine Worte, deine Geschicke, deine Leiden sind ja wahre Keulenschläge auf mein Gewissen, auf mein allein schuldig Haupt. Ich, ich habe dich ja angestiftet oder mit fortgerissen! Um meinetwillen nur, für meine heiße Leidenschaft hast du ja gethan, was du gethan. Mein Leben zu retten hast du jenen Mann erschlagen. Nicht für dich hast du das Geld geraubt . . .« – »Da sei Gott vor! Und ich hab' es nicht behalten! Sobald ich dich auf dein Lager gebracht hatte, lief ich mit dem Sack auf die Seinebrücke und warf ihn ins Wasser. War auch thöricht. Hätte das Geld den Heiligen schenken sollen. So belehrte mich denn auch scharf der Priester, zu dem ich von der Brücke hinweg eilte, zu berichten. Deinen Namen: – er wollte den meines Verführers durchaus wissen . . .«

»Natürlich!« grollte Ebroin.

»Nannte ich nicht: denn der that doch nichts zur Sache, nicht? Zur Strafe aber für meine Halsstarrigkeit verweigerte er mir die Freisprechung und legte mir – unter furchtbaren Verwünschungen – die Pflicht auf, meinen Anstifter dem Palastgericht anzugeben. Das könnt' ich nicht!« – »Mein Vanning!« – »Statt dessen legte ich mir selbst die Buße auf, die ich nun all' diese Jahre lang getragen. Die Eltern, den Hof, den Waffendienst floh ich, in diese Einsamkeit verzog ich mich, den Tod durch die wilden Tiere sucht' ich und das Beten zu den Heiligen um Vergebung unterbrach ich nur mit der Austilgung der Wölfe, die der armen Leute einzige Habe – die Schafherden – reißen. – Aber nun erzähle du weiter. Du hast mir berichtet von jener grausamen Überraschung, da du in der Braut des elenden Chlodovech die Geliebte erkanntest. Nun bist du Majordomus, der mächtigste Mann im Reiche! Wie kam das alles?«

Tief erseufzte Ebroin, bevor er begann. »Das kam unter bittern Schmerzen! Dem Königspaar sagte der Arzt, der mich aufhob, die Ohnmacht sei ein Rückfall in meine Gehirnkrankheit gewesen. Die wunde Seele geheilt hat mir aber kein Arzt, sondern die gute Mutter.« »Ja, sie ist gut,« sprach Vanning. »Ich habe sie ja tagelang begleitet.« – »Sie beschwichtete mich in meiner Verzweiflung über das Geschick des heißgeliebten Weibes. Sie lehrte mich, den eigenen Wunsch niederkämpfen in dem harten Dienst für das Reich, dessen Krone ja die Geliebte trägt. Die Königin hatte mich erkannt, wie sie den Schleier aufschlug: dankbar gedachte sie, wie ich sie hatte loskaufen und freilassen wollen: – ach, von dem Gefühl, das diese scheinbare Menschenliebe erweckt hatte, ahnte sie ja nichts. Und niemals darf sie's ahnen: sonst verbannt mich die Heilige – denn das ist sie: – sofort aus ihrer Nähe. Sie besuchte schon am folgenden Tage die Mutter, nachdem sie erfahren, daß ich in deren Pflege lag. Und siehe, von Stund' an, im ersten Gespräch fanden sich diese beiden Seelen, einander so ähnlich an Frömmigkeit und Herzensgüte, in innigster Freundschaft: meine Mutter ward ihre Mutter, ihre Beraterin, ihre Trösterin in gar mancher schweren Stunde. Und als die unermüdlich wohlthätige Beschenkerin der Kirchen das Kloster Chelles gegründet hatte, bestellte sie alsbald meine Mutter, ihre Freundin, zur ersten Äbtissin: sie selbst will ja ihre Tage als Nonne in jenen stillen Räumen beschließen: mit Mühe nur halt' ich sie davon ab. Ach, es ist ihr nicht zu verargen, ist ihr die Welt – diese Welt, in der sie leben muß! – verleidet. Zwar hat sie, nachdem sie drei Söhne geboren: Chlothachar, Childerich und Theuderich, von dem übeln Gemahl, der so böse wie siech war, der Tod erlöst, und es gelang mir, den sie als ihr und dem Frankenreiche treu ergeben erkannt und zum Majordomus erhoben hatte, die Großen von Neuster und Burgund zu bewegen, ihr die Regentschaft für ihren unmündigen Knaben Chlothachar, und als dieser bald starb, für den zweiten, Childerich, zu übertragen, die ich ihr nach Kräften führen helfe und erleichtere. Aber doch! Welch' Leben für eine Heilige, deren Seele mehr im Himmel schwebt als auf Erden weilt, welche Aufgabe für ein edles, argloses, vertrausames Weib, in dem bösartigen Getriebe der geistlichen und der weltlichen Großen an diesem durch und durch verfaulten Hof, – Pippin hat recht! – in diesem Wirrsal von Ränken, von jeder Art der Selbstsucht die Leiterin, Mäßigerin, Richterin bleiben zu sollen! Ja wahrlich, die geistlichen Großen – scharf seh' ich ihnen auf die geschmeidigen Finger, und sie vergelten's mit gründlichem Haß! – treiben's zuweilen noch ärger als die weltlichen. Was meinst du, was mich hierher – ins austrasische Elsaß – geführt hat? Eben hab' ich in Straßburg dem Bischof Rothar eine königliche Villa abgenommen, die er auf Grund einer gefälschten Schenkungsurkunde weiland König Childiberts an sich gerissen hatte. Und kurz vorher hab' ich den bitterbösen Bischof Sigibrand von Lyon – er steht in dringendem Verdacht des Hochverrats! – abgesetzt, ohne Konzil oder Pfalzgericht. Die Heilige wird schelten! Aber es mußte sein. Ich darf sagen: ohne diese meine feste und treue Faust hätte sie die Zügel längst aus der Hand verloren und die Geduld aus der Seele, hätte sie längst das Palatium mit der Klosterzelle vertauscht!«

»Aber,« fragte Vanning mit einem tiefen Blick in des Freundes Augen, »warum – du liebst sie ja immer noch . . .?« – »Bis ans Ende.« – »Warum legst du nicht die zarte Hand der Witwe in diese deine starke – – als ihr Gemahl?« Ebroin sprang auf. »Sie liebt mich ja nicht!« rief er, mit der Hand unter den Helm an die Stirne fahrend. »Sie ist mir dankbar, ja ergeben in treuer Freundschaft. Aber sie liebt mich nicht.« – »Nun, den Merowing hat sie doch sicher nicht geliebt.« – »Nein. Aber, aber« – und hier furchte er grimmig die Brauen und seine Augen sprühten Blitze tödlichen Hasses – »die Mutter meint . . .« Er stockte. »In zartester Andeutung habe die Heilige ihr einmal verraten, daß sie einen andern . . .! Ah, errat' ich den je, bei meinem Schwert, nicht atmen, nicht eine Stunde mehr leben soll der Mann, der in dem Herzen herrscht, um das ich mich verzehre. Ich schwöre, er soll nicht leben.« »Ebroin!« schalt der Einsiedler und zog ihm die erhobene Faust herab. »Das war ein sündiger Eid, er gilt nicht.« – »Ich werd' ihn halten: – eifriger als alle andern. Indes, ich glaube fest, die Mutter hat sich getäuscht: die Heilige kann gar nicht lieben! Jedenfalls erfüllen sie ganz andere Gedanken: mütterliche Sorgen! Hatte sie sich doch entschließen müssen, sich von ihrem zweiten Knaben, Childerich, zu trennen: die Austrasier – Pippin vor allen – hatten ihn sich zum Sonderkönig erbeten . . .« – »Ja, war der Thron zu Metz erledigt?« – »Durch ein Verbrechen! Den Erben des verstorbenen Königs Sigibert, einen zarten Knaben, Dagobert, haben ehrgeizige Männer beseitigt, ermordet oder außer Landes geschafft, vielleicht in ein Kloster, wer weiß, wohin? Seither zerreißen wilde Parteiungen das Land! Pippin erbat sich, endlich Ruhe zu schaffen, einen Merowing: ich selber riet der Widerstrebenden, ihren Sohn zu entsenden: dadurch faßt sie – und hinter ihr stehend fasse ich! – Fuß im Ostreich, das ich heranzwingen muß – so oder so. Sie brachte auch dies Opfer dem Reich, mir vertrauend und folgend. Nun, nach Chlothachars Tod hat der Knabe Childerich seinen Sitz nach Paris verlegt, Neustrien und – dem Namen nach – Austrien beherrschend: in Wahrheit aber waltet in Metz Pippin!« – »Du jedoch herrschest also, scheint es, im Palatium zu Paris. Sag' aber: du sprachst von Ränken am Hof, von ehrgeizigen Bischöfen: – da muß ich doch vor allem fragen: und Leodegar, dein Freund, der falsche Fuchs?« »Dein alter Haß!« lächelte Ebroin. »Dem haben wir unrecht gethan: – oh ich hätte ihn mit Wollust erschlagen damals auf dem Markt zu Samt-Denis! Aber er hat sich völlig gereinigt: nicht aus Leidenschaft hat er die Schöne gekauft – und dürfte ich ihn darum schelten? – Er hatte sie ja wochenlang in seiner Gewalt! Nein, um durch dieses wunderbare Geschöpf den Wüstling zu bessern: also ein frommes und ein sittliches Werk zu thun. Ihm verdankt das Reich diese engelgleiche Königin.«

Ungläubig schüttelte Vanning den zottigen Kopf: »Und was . . . was sagt er zu deinem raschen Aufstieg? Herr Majordomus, jetzt hast du den Bischof von Autun hoch überholt! Er gönnt dir's, er verzeiht dir's nie!« – »Doch! Er war der erste, der mir Glück wünschte.« – »Der Heuchler! Er konnte es nicht hindern: also war's das Klügste.« – »Und er wußte, daß wir wenigstens Ein gemeinsames Ziel haben: die Unterwerfung Austrasiens – das heißt in Wahrheit Pippins – unter den Herrscher zu Paris.« – »Dieser Herrscher bist aber du, nicht er. Und das erträgt er?« – »Ich gönne ihm weiten Spielraum, ich lasse ihn gewähren in allem, was ich nicht für schädlich halte. Er lebt mehr im Palast der Königin, als zu Autun, Er beherrscht das ganze Kirchenwesen im Reich! Freilich, zwei Dinge sind's, um die wir noch in scharfen Streit kommen können: er will die Kirche, die schon unmäßig reiche und mächtige, zur Vollherrschaft erheben, und er wird scharf bekämpfen, was ich, wie er weiß, plane: die Rettung der Kleinen aus dem Druck der Großen. Diese Kämpfe drohen: – vielleicht schon bald! Und deshalb, Vanning, treuer, tapferer Vanning, darfst du mir nicht Einsiedler bleiben in dem wilden Wasgenwald. Du hast wahrlich genug gebüßt: – für fremde, für meine Schuld. ›Die beste Buße ist das Bessermachen‹, lehrte mich die alte Mutter: damit hat sie meine Verzweiflung geheilt: damit wird sie auch dich wieder erheben zur gesunden Mannheit.« »Die beste Buße ist das Bessermachen,« wiederholte Vanning sinnend. »Ja! Der Einsiedler hat keine Tugend! Tugend ist ein Verhalten zu anderen Menschen, nicht zu Gott. Ich weiß dir ein besser Tagewerk, als Wölfe schlagen. Auch am Hofe zu Paris giebt's Wölfe und Füchse. Sage, Freund, glaubst du daß es dem Frankenreich zum Heile ist, daß ich und nicht Hektor oder Gairin herrschen am Hofe jener Heiligen?« – »Gewiß!« – »Nun, dann hilf mir dazu, daß ich herrschend bleibe. Unzählig sind meine Neider, meine Feinde, sie trachten mir nach der Ehre, nach dem Leben. Komm mit mir, Vanning, mein Bruder, hilf mir! Schütze mich, – du hast's einmal versprochen! – mein bester Schild, vor diesen Pfeilen. Willst du?«

»Ich will, mein Ebroin, ich will. Du erlösest mich aus dumpfem Wahn! Ich folge dir.« Und schluchzend warf sich der Treue an seine Brust.


III.

Großes Aufsehen erregte am Hofe zu Paris das plötzliche Wiederauftauchen Vannings, der über die Gründe seines Verschwindens und seine seitherigen Geschicke jede Auskunft verweigerte: die zahlreichen Feinde Ebroins sahen diesem ungern einen so treuen Helfer erstehen.

Daß er alsbald das wichtige Amt des Thesaurarius erhielt, verschärfte den Haß durch Neid. Vanning hatte vor dieser Auszeichnung gewarnt, aber Ebroin, in dessen von Liebe nicht befriedigter Seele mit den reifenden Jahren eine gewisse Kampflust, ja eine Freude am Haß, unheimlich überhandnahm, hatte mit grimmigem Lachen gerufen: »Mögen sie mich doch noch mehr hassen, aber auch noch mehr fürchten. Ich kann die schamlose Ausplünderung des Königsschatzes nicht mehr dulden. Wartet nur, ihr geschorenen und ungeschorenen Räuber! Ich will euch die Beute aus den Zähnen reißen! Kampf, Kampf auf Tod und Leben! Solange die Regentin mir vertraut, ist mir nicht bang um den Sieg.«

Allein gerade hier setzten die Feinde die Hebel an, den Gewaltigen – und oft recht Gewaltthätigen – zu stürzen.

Eines Morgens ließ die Regentin ihren Majordomus in ihr Schreibgemach entbieten: ganz früh: denn zur Hora schon erhob sich die fromme Frau, die erst gegen Mitternacht ihre geistlichen Übungen zu beschließen pflegte. Kürzer und minder freundlich als gewöhnlich ruhte der Blick der sanften blauen Augen auf dem Eintretenden. »Traurige, schlimme, ja blutige Kunde erhielt ich, Majordomus. Warum erfahr' ich von solchen Dingen nicht zuerst durch dich?« – »Weil Leodegars Späher und Boten eifriger und rascher sind als die meinen.« Sie ward ein wenig verwirrt: »Woher weißt du, daß er es war, der . . .?« Sie stockte. »Ist nicht eben schwer zu raten. Er hat den Zweck nicht erreicht, den er bei deiner Erhebung auf den Thron anstrebte: deine Gnade hat in weltlichen Dingen mir nicht minder Vertrauen geschenkt, als ihm in geistlichen: er aber will auch im Reich wie in der Kirche herrschen, ja durch die Kirche über das Reich. So trägt er dir eilfertig jede Nachricht zu, die mir bei dir schaden kann. Aber ich baue fest auf dich, o Königin,« schloß er mit innigem Blick.

»Du darfst es, Sohn Leutrudens, meiner Freundin. Ich weiß aus ihrem Mund: du meinst es treu mit mir. Ich weiß auch, du meinst es gut – und klug! – mit diesem Reich der Franken. Deshalb, könnte ich jemals deine Wege nicht mehr teilen: – ich ließe dir die Bahn frei und schlüge den Pfad nach dem heißersehnten Kloster ein.« – »O nur das nicht, nicht . . . fort von . . .!« So ungestüm war der Ausruf, so schmerzerfüllt, – die Königin sah erstaunt auf ihren Majordomus. Der faßte sich rasch: »Denn was wird aus dem Palatium, scheidest du? Du allein – wie ein Engel des Friedens – schreitest abwehrend wie über die Häupter von Drachen dahin, das Unheil beschwörend, zwischen mir und meinen Feinden: scheidest du, so brechen von beiden Seiten die Flammen hervor, die dieses Reich verbrennen können. Bleibe, Königin, o bleibe! Verlässest du mich, – ich stehe nicht ein für meinen Zorn und Haß, für blutige Thaten.« – »Ach, die geschehen ja auch jetzt. Jener unselige Bischof, den du – du ganz allein! – abgesetzt und in ein Kloster gesperrt hast, – er ward hingerichtet.«

»Ich weiß.« – »Auf wessen Befehl?« – »Auf den meinen.« – »Entsetzlich! Das Blut eines . . .« – »Hochverräters. Ich fing einen Brief auf, in welchem er Pippin den Austrasier auffordert, von Helvetien her in Burgund einzufallen, das schwach verteidigt sei, diese Landschaft dir zu entreißen, ihn zu befreien und wieder zum Bischof zu machen. Ich befahl, ihn zu köpfen. Ebenso seinen Bruder, den edeln Grafen Sigwalt von Lyon. Mich freut, daß es so rasch geschah.« – »O Ebroin . . .! Sollte es wahr sein, wessen sie dich zeihen? Du sollst, weil selbst nicht . . .« – »Von edler Abkunft, allen Adel hassen, ihn – und damit das Reich – verderben wollen. Glaubst du das von mir, o Königin?« Sie sah ihn nun lang und freundlich an: er erglühte unter diesem Blick. »Nein, mein Freund. Aber auch die Kirche . . .« – »Sagt Leodegar, will ich vernichten. Warum? Weil ich nicht alle Wunder glaube, die sie lehrt. Nein, Königin, ich will beide nicht verderben, die unentbehrlich sind: aber unschädlich will ich sie beide machen und beide wieder beugen unter die Krone.«

»Schädlich, die heilige Kirche?«

»Weißt du, Königin, wie sich der Grund und Boden deines ganzen Reiches verteilt? Du schüttelst das Haupt! Wie solltest du, fromme Beterin! Ich aber sage dir: von ganz Gallien gehört der Kirche ein Viertel, dem Adel ein Viertel, der Krone ein Viertel, ein Achtel liegt öde und nur ein Achtel – hör' es, du Beschützerin der Armen! – ein Achtel nur wird von dem Pflug der Kleinen befahren.« – »Ist's möglich? Aber ich glaub' es. Auch mein Vater drüben zählte ja zu diesen Kleinen, die in Not vergehn.« – »Wie furchtbar die Not, der bittere Mangel die kleinen Häuser heimsucht, – das zeige dir . . . ich habe dein keusches Ohr, du Heilige, dein mitleidig Herz bisher damit verschont: aber nun muß ich reden: die Zahl der neugeborenen Kinder nimmt erschreckend ab in deinem Reich: die darbenden Eltern lächeln nicht, sie jammern und verzweifeln und fluchen, wird ihnen Nachwuchs geboren, die Mütter töten die Kinder vor der Geburt oder sie setzen die Neugeborenen aus oder verkaufen sie wie Herdentiere in Knechtschaft . . .« »O schweig, schweig!« seufzte die Regentin, und die blassen Wangen erbleichten noch mehr. »In Knechtschaft, sagst du? Ach dies Elend kenn' ich! Welche Frevel! Unter meinem Königstab! Und das verschulden, sagst du . . .?« – »Adel und Kirche, die planmäßig – mit Vorbedacht und Ausdauer – ich hab's erlebt an meinen Eltern! – den kleinen Mann so lange bedrücken, bis er Freiheit und Eigentum ihnen dahin giebt.« – »Und giebt es keine Hilfe dawider?« – »Doch! Wenn die Frau Königin Balthildis Mut hat . . .« »Den giebt ihr Gott der Herr und die heilige Jungfrau!« rief die schöne Frau mit begeistertem Blick gen Himmel, der sie noch mehr verschönte. »Und mir vertraut . . .« »Ich vertraue dir!« – sie ergriff seine Hand, die zuckte dabei. – »Seit heute mehr denn je. Du hast mir dein warmes Herz, dein Mitleid mit dem armen Volk gezeigt.« – »Wohlan, so ermächtige mich, dem nächsten Hoftag den Gesetzvorschlag vorzulegen, den ich in dieser Urkunde aufgesetzt.« – »Es sei . . . das heißt . . . ich . . . werd' ihn prüfen. Aber wenn er hilft . . .« – »Er hilft.« – »So sieh ihn als genehmigt an.« – »Dank, hohe Frau. Aber noch eins. Die Bischöfe und der Adel, denen darin ein Opfer – das heißt Herausgabe eines kleinen Teils ihres Raubes – zugemutet wird, werden – ich seh's voraus! – Nein sagen.« – »Weh, was dann thun? Ihren Willen muß man achten!« »Nein, brechen muß man ihn,« sprach er mit dröhnender Stimme. »Brechen! Mit Gewalt. Vielmehr mit Wiederherstellung uralten Rechts, das sie den Kleinen durch List und Gewalt entwunden haben: du weißt, sie erscheinen lange nicht mehr bei den Reichstagen, wie doch ihr gutes Recht war: wissen sie doch, daß ihnen nur das Zusagen übrig bleibt zu dem, was die Großen im voraus beschlossen haben. Verstatte, daß ich zweitausend – gewaffnete – Bauern zu dem nächsten Reichstag lade: – dann wollen wir sehen, wer stärker ist: sie oder die hundert Bischöfe und Seniores.« – »Es sei! Aber – um Gott! – kein Blutvergießen!« – »Kommt nicht dazu: ich gelob' es dir. Die Herren sind klug: sie können Speere zählen! – Und nun, o fromme Frau, nachdem ich vertrauen darf, den leeren Schatz mit jener den Großen wieder zu entreißenden Beute zu füllen, nun kann ich verantworten, dir zu gewähren, was ich neulich – mit schwerem Herzen! – denn dir Nein sagen ist unsagbar schwer! . . . verweigern mußte. Du wolltest wieder zehntausend Solidi – zum Loskauf von Schuldgefangenen gewiß –, dein wackerer Thesaurarius hat sie dir geschafft! – Hier, nimm sie, Königin, und wandle wieder auf den Sklavenmarkt, wie so oft, ein lichter Engel der Erlösung.«


IV.

Voll freudigen Dankes gab sich die fromme Frau gar bald wieder dieser von ihr am eifrigsten gepflegten Art der Wohlthätigkeit hin: sie wartete nur den nahen Tag des Marktes zu Saint-Denis ab. An diesem Morgen ritt sie dorthin mit kleinem Gefolge, bestehend aus ein paar Lanzenreitern, ihren Frauen, der Äbtissin von Chelles und deren Sohn, den die Königin besonders eingeladen, sie zu begleiten: zur Belohnung, meinte sie, solle er soviel Freude der Erlösten mitanschauen. Vanning schloß sich an: »Ich muß soviel Geld zu sehr weltlichen Zwecken ausgeben,« meinte er, »daß es mir fromm Verwendetes erst wieder wert machen muß.«

Jedes Jahr hatte die Angelsächsin jenen Marktplatz vor der Basilika besucht, jedes Jahr wieder auf der Stelle vor den erzbeschlagenen Thüren gekniet, von der aus Thränen und Gebet hinweg sie Ebroin hatte führen wollen, ein andrer sie geführt hatte.

Dicht drängte sich auch heute wieder auf dem weiten Platz das Gewoge der Verkäufer, ihrer menschlichen Ware, – oft neben den brüllenden und blökenden Herdentieren – dann der übrigen Händler, der Käufer und der müßigen Besucher und der neugierigen Beschauer. Vor dem kleinen Reiterzug wichen die Leute wohl zur Seite, aber für die nun zu Fuß der Kirche zu Schreitenden war der Weg nicht gleich frei. Ebroin eilte, während sein Freund bei den Frauen blieb, voran und löste die Haufen mit Wort und Hand. Nun stieg er allein, allen weit voraus, die Stufen hinauf.

Plötzlich blieb er stehen mit einem Ausruf des Staunens. Dann sprang er rasch auf die Plattform vor der Kirche, wo ihn die Knäuel der Händler und der Unfreien den Blicken der Nachfolgenden entzogen: er sprach eifrig mit einem der Verkäufer, er beugte sich . . . und nun bahnte er sich den Weg zurück auf die erste Stufe: »Frau Königin,« rief er der langsam in ihrem langen Nonnenkleid Heranschreitenden zu, »heute soll vor jener Thüre ein zweifach Dankgebet gen Himmel schweben: – sieh', wen halte ich hier an der Hand? Frei – wie du selbst?« Er warf die gelöste Fessel klirrend zur Erde.

»Gunthildis, Schwester!«

»Schwester! Balthildis!« scholl's und die beiden, einander so ähnlich wie zwei weiße Rosen, an Einem Ast erblüht, schlossen sich in die Arme.

Die Neugefundene trug nur spärlich Gewand, es ließ die schneeigen Schultern bloß: – sie empfand es – nur ein Blick verriet es! – peinlich: da nahm sich der Majordomus den eignen, reich mit Gold gestickten Mantel ab und spreitete ihn sorglich um ihren Nacken.

»Dank, mein Erlöser, mein Beschützer!« und bewundernd ließ das Mädchen die Blicke auf dem gebräunten, schönen Männerantlitz ruhen. »Wer, . . . Schwester, wer ist das?« Einstweilen hatten die Frauen wieder die Zelter bestiegen und den Rückweg angetreten. Ebroin hob das Mädchen, – es war kleiner und jünger als die Königin – auf seinen Rappen und führte den am Zaum. Man wollte nicht am Abend nach Paris zurückkehren, sondern in der Königsvilla neben dem Kloster übernachten.

»Dies?« erwiderte die Königin mit einem dankbaren Blick »das ist mein Majordomus, mein erster und getreuester Diener.« »Der? Ebroin!« lächelte die Befreite. »›Den bösen Ebroin!‹ schelten sie ihn.« »Da hörst du's, Majordomus,« drohte Balthildis schalkhaft.

»Aber er sieht gar nicht so böse aus, mein Retter und Befreier.« »Wer nennt ihn böse?« begann Vanning. »Die Priester, die er bändigt. Und sie allein schreiben die Chroniken! Ja, wenn die Mäuse Weltgeschichte schreiben, – schwerlich heißt dann Kater Murr der Gütige.« – »Und du – du Schwester! – bist jene Königin Balthildis, die das Volk schon jetzt die Heilige nennt?« – »Welche Sünde!« Die Gepriesene errötete plötzlich sehr stark und schlug, die langen, blonden Wimpern senkend, demütig ein Kreuz. »Ich und eine Heilige!« – »Wie konnt' ich, – trotz des gleichen Namens, – in solchem Glanz die Schwester ahnen! Und es hieß ja, die Königin kam aus einem Nonnenkloster.« – »Wäre sie darin geblieben! – – Aber der Vater? Du verstummst? Du wendest dich ab: ach, ich ahne alles!«

»Sein Alter ertrug die Beschwerden der vielen Reisen mit den Händlern nicht lange. – Er blieb am Wege liegen. – Ich drückte ihm die Augen zu: – ein mitleidiger Mönch des nahen Klosters bestattete ihn in geweihter Erde.« – »Du mußt mich an die Stätte führen: – ich erbaue dort eine Basilika.« »Ah,« grollte Ebroin für sich und fragte dann: »Und nicht wahr, hohe Frau, dein Vater war so frei geboren wie der König von Wessex und der Bischof von York?« – »Jawohl! Es war nur der Druck der Zeit . . .«

»Der Priester, solltest du sagen, Königin, und der landgierigen Thane! Bei denen drüben überm Wasser ganz wie bei uns! Aber wartet, ihr, die ihr mich angeht.« Gunthildis erzählte nun, wie sie lange aus einer Hand in die andere von Sklavenhändlern gewandert sei, da sie keinen Käufer fanden, der den geforderten hohen Preis zahlen wollte. So sei sie denn nun zuletzt auf den stets stark besuchten Markt von Saint-Denis geschleppt worden. »Dank dir, Herr Majordomus! Ich will dich segnen – und loben – all' mein Leben lang. Du hast mich gleich erkannt?« – »Das war nicht eben schwer, Jungfrau, für den, der deiner heiligen Schwester Antlitz – Einmal! – sah. Komm, Freund Vanning, wir wollen die Schwestern ihrem Glück überlassen. Komm! Ich muß noch mit dir die Grundsteuer und die Hafenzölle von Marseille verrechnen!« »Heute Abend noch?« brummte der Schatzwart. »Nun, meinetwegen. Aber dann: zur Feier – deiner Entdeckung! – eine gute Kanne Rhonewein! Mundet doch besser als das Felswasser der Vogesen.«


»Du,« meinte Vanning, als er am Ende dieses Abendtrunks, in der Halle der Königsvilla, den letzten Tropfen aus dem letzten Becher schlürfte, »du, – ich weiß was.«

»So? Behalt's für dich! Ich weiß schon mehr, als mir lieb ist.« – »Ja, aber dies Eine, das zu wissen für dich recht . . . recht fördersam wäre, – das scheinst du nicht zu wissen.« – »Mag wohl sein.«

»Weißt du, – zum Beispiel, – daß Gunthildis und Balthildis einander zum Verwechseln ähnlich sind?« – »Ich werde sie niemals verwechseln.« – »So? Ist schade! Denn sieh mal: – es sieht aus wie ein Wunder . . .« – »Schweig, Lieber! Ich hab' an den Wundern schon genug, die ich bisher nicht glaube.« – »Wie ein Wunder, daß gerade du die jüngere Schwester entdecken, befreien mußtest, die weder Leodegar gehört, noch einem Gatten, noch schon zu sechs siebentel einem Kloster, sondern ganz sich selbst. Und also dem, der zugreift? Ich meine . . . sie . . . sie ließe sich gar gern greifen von . . . Hast du denn die Augen nicht gesehen, mit denen das schöne Geschöpf an dir . . .?« – »Nichts hab' ich gesehen, will ich sehen! Und – Dank für deinen guten Willen! – Aber das hast du dir doch beim schweren Wein von Avignon gar zu . . . nun, zu gemütlich ausgesonnen, wie alles in mir und mit diesen beiden Schwestern so hübsch zurechtkommen konnte! Nein, Vanning, bei der Liebe ist das nicht wie bei der Jagd: fehlst du die eine weiße Hinde, fängst du dir ihre ebenso weiße Schwester. Das ist hier ganz anders, lieber Freund! Gute Nacht!«


V

Die Königin wollte früh am andern Morgen sich mit der Äbtissin und der Schwester in ihre geliebte Klosterstiftung Chelles begeben: aber der Majordomus beschwor sie dringend, zu bleiben. »Morgen, Herrin, und in den folgenden Tagen sind wichtige Beschlüsse zu fassen, – die Anträge vorzubereiten für den schon einberufenen Reichstag: – du weißt, ein so verhängnisreicher hat noch nie getagt, seit du die Regentschaft führst. Entschlüpfe mir nicht immer in die Einsamkeit! Das Reich, die Erde bedürfen deiner viel dringender als der Himmel und die Kirche.« »Nun denn,« sprach sie, »erst – wie immer! – die Pflicht, dann die Neigung. Ich bleibe.«

Früh am andern Morgen stand Ebroin wieder vor der Königin und seiner Mutter, deren schlichte, fromme Einfalt jene gern als Schild gegen die oft gar zu schlauen und sehr weltlichen Pläne des Sohnes verwendete. Die Menge von Chartae und Pergamenta, die dieser bereits, wohl geordnet, in die weite bronzene Röhre, in der die Archive die Urkunden aufbewahrten, eingefügt hatte, bewies, daß schon ein gut Stück Arbeit hinter ihnen lag. »Nur diese letzte Unterschrift noch!« Er tauchte die Rohrfeder in die Tinte und hielt sie ihr hin. »Was ist es?« – »Eine Bestallung.« – »Gut! Gieb! Du wählst stets den rechten Mann für den rechten Platz.« – »Das wäre ein hohes Lob für den Staatsmann! Sieh, deshalb hab' ich dir den Bischof von Autun – so klug er ist: viel schlauer als ich! – noch nie zu einem Weltamt vorgeschlagen. Er würde seine Kirchen vergessen, versäumen und binnen kurzem das Amt, das er bekleidet, zum herrschenden im Staate machen, und wär's das des Stubenfegers!«

Seine Mutter, die an einem feinen Altartuch für das Kloster nähte, mußte lächeln. »Du hast ein böses Zünglein!« »Aber ein gutes Herz,« sprach Balthildis, ihn voll ansehend. Er furchte die Brauen und mied diesen Blick. »Man kann dem Herzen nicht immer folgen,« sprach er achselzuckend. »Das weiße Zeug, Frau Mutter, ist wieder viel zu anstrengend für die armen, lieben Augen. Und du, Frau Königin, dich flehe ich an . . .« – »Was willst du so hitzig?« – »Der weise Zacharias klagt über dein Aussehen.« – »Klage ich über mein Befinden?« – »Nein, lieber sterben! Ich kenne dies starke Herz!« – »Es ist vielleicht nicht so stark, wie . . . viele meinen.«

»Du schläfst zu wenig. Nicht die Staatsgeschäfte, – die unablässigen Gebete, die Büßungen –! Du büßest! Lieber Gott! Wofür? – Die Gänge zu allen Armen und Kranken, ja die Übernahme von Geschäften, die einer Königin unwürdig sind . . .« – »Keine Arbeit ist unwürdig: Arbeit ehrt, Herr Majordomus. Darum arbeitest du so viel, weil du unmäßig nach Ehre gehrst.« – »Aber es ist doch ein Unterschied! Neulich, als der erste Schnee gefallen, hast du ihn – ich sah's verhohlen! – mit den eigenen Händen – sie waren viel weißer als ihre weiße Last! – in dem Portikus der Palastkapelle zusammengetragen und entfernt.«

»Ja, ja, Frau Königin,« bestätigte die Äbtissin, »in Chelles, in . . .« »Auch dort belauern mich Ebroins Späher?« lächelte die Gescholtene. »Da hat sie wirklich schon die Rinder- und Schafställe ausgemistet, sie, die Königin von Neuster und Burgund.«

»Frau Äbtissin, ich will dich fragen: wo lag als Kind der König des Himmels und der Erden? Ist doch noch mehr als Neuster und Burgund! In einer Krippe: – in einem Stall! Also laßt mich meinen Gott auf meinen Wegen suchen: – auf deinen, Majordomus, würde ich ihn nicht finden.« – »Aber die Macht würdest du finden, die dir in diesem Reich gebührt. Und eben um dich im eigenen Palast zu stärken durch treue, kluge, wackere Diener, schlag' ich dir« – er hielt ihr die Urkunde hin – »diesen Mann zu deinem Cubicularius vor.« – »Ein wichtig Amt! Die geheimsten Schlüssel führt er. Täglich, ja stündlich hat der Cubicularius Zutritt auch in mein Schlafgemach . . .« – »Deshalb wählte ich dir einen verlässigen, getreuen, auch mir ergebenen . . .« – »Das genügt. Gieb!« – »Einen Mann, viele Jahre durch den Kriegsdienst in den Westmarken vom Hofe ferngehalten . . .« – »Gieb nur! Wie heißt er?«

»Herzog Hermengar von Provence.«

Da stieß die so sanfte, stille Königin jäh einen schrillen, gellenden, markdurchbohrenden Schrei aus, fuhr auf, als habe sie eine giftige Schlange gebissen, und warf die Feder weit von sich. »Nein! Nein! Niemals. Unmöglich.« Und sie wollte aus dem Saale fliehen.

Aber Mutter und Sohn, die sich, tief erschrocken, erhoben, vertraten ihr den Weg, und die Schwester, die der laute Aufschrei aus dem Nebengemach herbeigerufen, fing sie auf in den Armen.


VI.

Ebroin, der vielgewandte, nicht leicht zu erschütternde, fand doch geraume Zeit keine Worte: mit stummem Staunen sah er auf die bleiche Frau, deren zarte Gestalt zitterte und bebte.

»Was ist dir, liebe Schwester?« forschte Gunthildis. »Wer hat ihr was zuleide gethan?« fragte sie die Äbtissin. – »Diesmal – zum erstenmal im Leben! – mein Sohn.« – »Er?« – Das Mädchen wandte sich ihm zu mit strahlenden Blicken. »Das ist unmöglich!«

Das war wie eine Frage: aber Ebroin schwieg.

»Gewiß nicht mit Wissen und Willen,« begann die Äbtissin aufs neue. »Eher würde er sterben! Und sicher, – er wird den Vorschlag fallen lassen, wenn die Frau Königin für so heftige, haßgleiche Abneigung gegen diesen Herzog irgend einen Grund hat. »Und daneben die Gewogenheit,« sprach der Majordomus in einem festen, herben, geschäftlichen Tone, den er nie bisher gegen seine Herrin angeschlagen hatte, »diesen Grund anzugeben. Und . . . zu beweisen. Warum, o Königin, hassest du diesen Hochverdienten?«

Aber Balthildis, die sich nun von der Brust der Schwester gelöst hatte, schüttelte stumm das Haupt und machte eine ablehnende Handbewegung. »Er muß sie tief, im innersten Kern eines Weibes, getroffen haben,« dachte die alte Frau. »Was mag es sein? Sie vertraut mir sonst alles: . . . nie nannte sie seinen Namen.« »Was hat dir der fremde Mann gethan? Du konntest ja nie hassen!« fragte das junge Mädchen. Jedoch Balthildis schwieg und durchmaß in großen Schritten den Saal, offenbar einen Beschluß erwägend.

»Ich weiß gar nicht,« hob Ebroin nach langem Nachsinnen an, »wann du mit jenem wackern Helden kannst zusammengestoßen sein. Nicht, solange ich an deinem Hof lebe! Hätte man dir Schlimmes von ihm berichtet, . . .« Balthildis blieb dicht vor ihm stehen: »So wär's Verleumdung,« sprach sie ernst. – »Also du kennst seinen Wert? Und doch . . .?« »Gleichviel,« bat die Mutter beschwichtigend. »Gewiß wird – bei solchem Widerwillen – mein Sohn einen andern . . .« »Nein, Mutter,« erwiderte der scharf und streng, »das wird dein Sohn nicht thun. Herzog Hermengar ist schon von mir benachrichtigt, seine edle, schöne Gemahlin, Frau Friedrun, unter die Frauen deiner Gemächer aufgenommen . . .« Balthildis ließ sich schweigend auf den Schreibstuhl gleiten. – »Seine beiden Söhne unter die Hofknaben, Ich kann nicht einen deiner – meiner! – treuesten Anhänger – sie sind nicht zahlreich! – tödlich kränken, in einen bittern Feind verwandeln um ein nichts.« – »Ist mein Wille ein nichts?« – »Wille? Dein Wille hatte stets Gründe. Dieses Nein hat keinen Grund: es ist – vergieb, hohe Frau! – eine Laune. Nenne mir deinen Grund, beweise ihn und Hermengar reist ab . . . noch heute.« – »Und wenn nicht?« – »Wird er dein Cubicular.« – »Also du willst – ein echter Majordomus! – den Willen deiner Königin zwingen? Herrschest du im Reich der Franken oder ich?« »O nicht, nicht so hart, Schwester!« bat das Mädchen mit feuchten Augen. »Du herrschest,« sprach der Majordomus, zog das kurze weiße Elfenbeinstäbchen, das Abzeichen seines Amtes, aus dem Wehrgurt, trat an den Tisch und legte es leise darauf. »Berufe Hektor von Marseille oder Gairin zu deinem Majordomus. Herrsche glücklich, Königin.« Er wandte sich zur Thür.

»Halt! Du bist dem Reiche notwendig: – ich wahrlich nicht! Deshalb bleibst du und ich gehe. Längst, längst sehne ich mich fort aus dem Getriebe dieses Hofes, dieser hassenden, bald schleichenden, bald tobenden Männer. Das Blut Sigibrands . . .! Und nun dies! – Genug! – Ich lege die Regentschaft ab. Mein Sohn Childerich mag unter deiner Leitung herrschen. O, Äbtissin, Mutter, nimm mich auf in den Frieden deines Klosters!« Und sie eilte hinweg, gefolgt von beiden Frauen. Ebroin nahm den Stab wieder an sich. »Hm,« sprach er, ihr nachschauend, »also auch Heilige haben Launen? Ins Kloster? Diesmal scheint's unabwendbar. Still, heißes Herz! Aber, holde Thörin, erst nach meinem Sieg: – denn du mußt ihn mir erkämpfen helfen! Du bist erregt, – du wirst mir entfliehen wollen? Aber ich wache.«


In dieser Nacht saß auf der Schwelle der Thür, die in die Frauengemächer des Palastes führte, ein Mann in Eberhelm und dunklem Mantel, den Rücken gegen die Thürpfosten gelehnt. Er schlief nicht.

Vor Hahnenkraht ward er abgelöst durch zwei Speerträger.

Bald nach Sonnenaufgang ward die nach innen aufgehende Thür geöffnet: die Königin, an der Spitze ihrer Frauen und Mädchen, trat heraus; alle trugen Reisegewande. Die beiden Krieger – Speerträger Ebroins – neigten ehrerdienig die behelmten Häupter, aber sie legten ihre Lanzen quer über die Knie, die Öffnung sperrend. »Was soll das?« sprach die Königin. »Hinweg mit euch! Wer schickt euch?« – »Dein Majordomus.« – »Fort, sag' ich!« – »Wir haben zu bleiben, bis er uns abruft.« »Gefangen? Seine Gefangene! In meinem eignen Palast!« rief sie entrüstet. »Ruft mir sofort meinen Sohn, den König.« – Unmöglich, Herrin!« – »Warum?« – »Auch er ist bewacht!« »Und auf wie lange?« fragte die Äbtissin. – »Nur bis morgen. Morgen haben wir dich in den Reichstag zu geleiten.«


VII.

Leodegar hatte bald eingesehen, daß man von Autun aus nicht die Geschicke von Neuster-Burgund leiten – oder auch nur ständig überwachen – konnte, sondern nur in oder nahe dem Palatium zu Paris.

In dem Palatium selbst fand sich nicht Raum für seine weitgehenden Bedürfnisse an Behaglichkeit, ja Glanz, seines von Kunst geschmückten Lebens. So hatte er sich denn in Paris ein stattlich Absteigequartier geschaffen: – nahe dem alten Cäsarenpalast lagen die stolzen Trümmer eines Apollotempels: Julian der Abtrünnige hatte ihn während seiner kurzen Herrschaft erbaut: seit seinem Tode war er geschlossen und – ohne Pflege – verfallen.

Der kunstfreudige Prälat kaufte die Baustelle und die Ruinen und erschuf sich hier, mit dem ihn vor den Zeitgenossen auszeichnenden, feingebildeten Kunstsinn und Geschmack, ein prächtig Wohnhaus: ein Hain, einst dem unbesiegten Sonnengott geweiht, jetzt verwildert, schied das Gebäude von der Mauer des Palastgartens.

In dies sein Haus hatte Leodegar auf den Morgen vor der Eröffnung des Reichstages seine Freunde und Parteigenossen zu einer Besprechung geladen.

Vor den andern war Bischof Dedo eingetroffen von Poitiers und er sprach zunächst allein mit dem Neffen. »Höre,« hob er an, unzufrieden den feingeschnittenen Kopf schüttelnd, »wenig Ruhm hab' ich in der letzten Zeit geerntet an dir als meinem Schüler in der Staatskunst, in der Leitung der Geschäfte in Palast und Hof. Du hast uns alle miteinander, Bischöfe und Adel, die beiden verbündeten Parteien, allmählich unter ein Netz gleiten lassen, das dieser Sklavensohn zwar lange fein gesponnen und behutsam gestellt hat, – wie sagt Cato? ›Fistula dulce canit, volucrem dum decipit auceps‹. ›Lieblich flötet der Vogelfänger, dieweil er das Vögelein einfängt‹ – aber morgen, fürcht' ich, recht unfein und gewaltsam – denn er ist doch vor allem ein Gewaltmensch! – über unsern Häuptern zusammenschlagen lassen wird: – Klapp! Und die Geier des Weltadels wie wir klugen Dompfaffen werden gefangen sein. Zwar, ich muß ja einräumen: der Gedanke, den verstorbenen Merowing durch dieses weißarmige Weib zu beherrschen, war meines Lieblings würdig: – und daß du dabei dich soweit überwandest, nicht vorher an der süßen Frucht zu naschen . . .« – »Er hätte die Berührte nicht berührt.« – »Ist wirklich überraschend . . .« – »An deinem Neffen, deinem Blut, nicht wahr? Denn das hab' ich nicht gerade in deiner Lehre gelernt. ›Arcades ambo‹.«

Der trotz des Alters immer noch schöne Prälat gab ihm einen leichten Backenstreich. »Ich staune, daß du noch scherzen kannst. Unser Spiel steht schlecht. Fuimus Troës! Daß der Merowing so früh sterben, daß dieser Ebroin – vollends! – das unvernünftige Glück haben würde, durch seine halbblinde Mutter die ganz blinde, glaubens-schwärmerische Königin zu beherrschen, – so daß sie ihn zum Majordomus macht – ich fürchtete gar, zu ihrem Geliebten: aber sie hat wohl Weihwasser in den Adern statt des Blutes! Daß der ihr auch noch die Schwester wieder giebt: – das sind lauter Dinge, die nicht vorauszusehen, daher nicht zu wenden waren. Wie sagt Publius der Syrer? ›Contra felicem vix deus vires habet‹, ›wenn einer einmal 's Glück hat, kämpfen selbst Götter gegen ihn vergebens!‹ Aber, Glück oder nicht, – es bleiben dir nur die Brosamen von Einfluß, die dir der Ackerlümmel von seinem Tische wirft. Es steht schlecht mit uns, verteufelt schlecht, würde ich sagen, zierten nicht so viele Weihen meinen – wie du siehst: – leider schon ziemlich kahlen Scheitel.« – »Nun, die Weihen, Ohm, haben dir wohl die wenigsten Haare gekostet.« – »Laß die Späße! Mir ist schwül. Es steht schlimm für unser Königspiel! Ich hatte es dich doch fein gelehrt.« – »Vielleicht nicht so schlimm, wie du fürchtest. Meine Späher berichten: die weiße Königin und jener brutale Turm, deren einiges Zusammenspiel uns am schärfsten bedrohte, haben gestern einen ganz hübschen Zank gehabt miteinander.« – »Das wäre . . .!« – »Sie will ja schon lange gern aus dem Spiele scheiden. Außer mir aber, dem Bischof, . . .« – »Läufer sagen sie in Indien.« – »Der sich deinen Lehrling rühmt, ist aber urplötzlich eine neue Figur uns Schwarzen zu Hilfe ins Spiel gesprungen: – ein schwarzer Reitersmann, – der dem feindlichen Herrn Turm und dessen Reiter, – dem wackern Vanning! – den Weiterweg nach allen Seiten abschneiden wird. Und du vergissest: wir Schwarzen thun ja alles nur für unsern König . . .« »Natürlich!« lächelte der Bischof. »Leider ist aber dieser unser König – ein echter Brettspielkönig! – von gar geringem Kampfwert.« – »Das sage nicht! Gegen Ende des Spiels – und zumal, wann die weiße Königin aus dem Kampfbrett in ihre Klosterschachtel verschwunden sein wird! – dann kommt der König doch zur Geltung. Mit führerlosen Bauern – noch so vielen! – wird er – neben nur einem Helfer – leicht fertig: von hinten her rollt er sie auf!« – »Aber dieser König, . . . sein Turm, das heißt Hausmeier, hält ihn ja stets behütet.« – »Jawohl! Und gestern und heute, wie verlautet, sogar eingesperrt! Allein ich fand doch Mittel, zu verkehren mit dem Königsknaben, der seinen Bewacher und Tyrannen natürlich haßt.«

»Wie alt ist Childerich?« – »Noch nicht fünfzehn. Aber ein Merowing! Also lüstern und listig. Er fand insgeheim den Weg zu mir: – und in die Freiheit! Bei Tag wachen stets sechs Augen über ihn. Aber in der Nacht! Schmächtig ist das Bürschlein: – eine Feile – mein Geschenk – half nach: – eine Stange des Gitters am Schlafzimmer, durchfeilt, wich leicht: die fromme Mutter schläft nicht mehr bei ihm, durch ihre nächtlichen Büßungen das Söhnlein nicht zu stören, sondern im Gemach vor dem seinen: den Schlüssel seiner Thüre, die in den Garten führt, birgt sie unter dem Kopfkissen: aber während sie für sein Seelenheil betet, schlüpft mein gelehriger Schüler durch das Gitter in den buschigen Garten, dann über das niedrige Mäuerlein hierher, wo ihn allerlei Freuden erwarten, die mir die junge Seele ganz gefangen geben: starke Weine, Ovids Verse: – seine ›Kunst, zu lieben‹ – und . . . nun: anderes.« – »Ich verstehe: – Dux femina mali! Auch dieser Merowingenknabe wird also rasch nacheinander Vater werden, dann Gatte – und bald Sarkophagbewohner in Saint-Denis.« – »Ja, er welkt rasch dahin, bei solchem Unmaß, in solcher Jugend: 's ist beinah Sünde. Aber ich duld' es ja nur. Und –« »Duldest du's nicht, duldet's ein andrer und schnappt ihn dir weg, wie Ebroin seine fromme Mutter dir weggefangen hat. Also keine Gewissensthorheiten, mein Sohn. ›Exeat aula, qui vult esse pius,‹ meint Lucanus mit Recht, ›wer fromm bleiben will, der flieh' aus dem Hof.‹ – Also des jungen Königs bist du sicher?« – »Völlig. Verschwindet die Regentin, beherrscht er das Feld.« – »Das heißt: du herrschest. Brav.« »Ah, vielleicht gelingt schon heute ein Schlag gegen . . . Aber da kommen die Freunde. – Willkommen, Hektor! Was thut die schöne Aurelia?«

»Leider noch immer den Willen ihrer frommen Muhme, hochehrwürdiger Herr und Trinkgenoß, nicht den meinen.«

»Nun, ich will beten, daß sie sich bessere und nach deinem Willen thue! – Hochwillkommen, ehrwürdiger Herr Bruder von Cahors, Ihr, tapfrer Herr Agnebert von Saintes und Ihr, Herr Berachar von Le Mans. Jedoch Ihr, Herr Truchtigifel von Embrun, übertreibt mir nicht die Askese! Auch das ist Eitelkeit und daher Sünde.«

»Hört einmal,« rief der so Vermahnte, – sein ganz Gesicht ward jetzt so rot wie sonst nur seine Nase, und unwillig schlug er auf sein rundlich Bäuchlein, – »hört, sehr junger Herr Bruder von Autun, mein bischen Rhonewein und fettes Fasten sind noch lange nicht die dem lieben Gott verhaßtesten Sünden seiner Priester. Ich bin noch aus der guten alten Zeit, da uns – wie meinen Ahnherrn Truchtigisel – den mit dem Speer! – von Soissons die Sünden dick machten: Eure Laster machen Euch mager und hager und gelb und fahl, wie Figura zeigt.«

»Deine verfluchte Spitzzunge!« flüsterte der Ohm dem Neffen ins Ohr. Mußt du uns den guten Schwachkopf verärgern? Solche dicke Genossen machen die Laien vertrausam. Verscheuch' ihn nicht.« – Leodegar zuckte die Achseln: »Aber Dummheit hält auf. – Doch wo bleibt er? – Er: – unser schwarzer Reiter? Ah, da naht er! Hochwillkommen, Graf von Toulouse.« Ein echter Sohn des Südens, kohlschwarz an Haar- und Augenfarbe, tief gebräunt Stirn und Wangen, reich gekleidet und gerüstet, eilte über die Schwelle und verneigte sich leicht vor den Bischöfen. »Valerius, geliebter Freund!« Leodegar umarmte ihn, um ihm fragend ins Ohr flüstern zu können.

»Er sträubte sich lange,« entgegnete der Römer, »aber deine Dispensation überwand zuletzt sein Gewissen.« – »Triumph! Doch zeige dich nicht zu früh. Erst wenn ich den Finger hebe, – hier diesen! – scheinbar den Bischofring fester anzudrücken. Dann aber gleich! – Ihr Freunde, einen kleinen Imbiß, bevor wir das Schlachtfeld, wollte sagen: den Reichstag, betreten.«


VIII.

Der Reichstag oder der große Hoftag ward, falls er in Paris zusammentrat, in dem geräumigen Saal abgehalten, der aus dem Atrium des alten Cäsarenpalastes war geschaffen worden.

In diesen Saal strömten denn nun auch heute auf allen Straßen von Paris – ausgenommen von Norden her – die Bischöfe und die weltlichen Senioren zusammen, die den Hoftag besuchten, was ja an sich jedem freien, unbescholtenen Manne zustand: aber die kleinen Leute waren, sofern sie nicht eine besondere Bitte, eine Rechtssache oder Beschwerde herzwang, schon lange fern geblieben: aus den Gründen, die der Hausmeier der Regentin richtig angegeben hatte.

Nur vom Norden her, wo in der Ferne die Seine den Palastraum umsäumte, führten keine Straßen: hier erstreckte sich vielmehr ein sehr weites, von Mauern umhegtes, durch geschlossene Thore vom Fluß abgesperrtes Blachfeld, auf dem die Reiterei des Palastes ihre Reit- und Kampfübungen zu halten pflegte.

Mit Erstaunen vermißten die vom Innern des Palastes her den gewöhnlichen Versammlungssaal Betretenden hier den üblichen Schmuck, ferner die Bankreihen, zumal den Thron des Königs oder der Regentin. Auf ihre Fragen hatten die Palastdiener keine Antwort; nur ein besoldeter Späher Leodegars verwies diesen rasch und verstohlen auf drei große Thore, die auf jenen Waffenplatz führten: sie waren fest von außen verschlossen.

Die Mitte des Märzmondes war herangekommen: mit Wohlbedacht hatte der Hausmeier die Zeit gewählt, da früher ganz regelmäßig das »Märzfeld«, die Heerschau über das Volksheer, war gehalten worden: er wollte die Erinnerung an die stolzen Rechte wecken, die damals noch die trutzigen Freien hierbei geübt hatten.

Es war ein schöner, sonniger Frühlingstag: die Finken schlugen in den Bäumen des anstoßenden Palastgartens und von draußen, vor den Thoren der Stadt, her hörte man das Jubeln der Lerchen in den blauen Lüften.

Während sich die harrenden Geistlichen und Weltgroßen – auf die sechste Stunde des Tages waren sie geladen – ihre Fragen und Bemerkungen mitteilten, führte Ebroin in voller Waffenrüstung die Regentin von deren Gemächern her dem Saale zu; ihre Frauen folgten. »O Sohn, was hast du gewagt – gethan!« flüsterte ihm die Mutter zu. »Herr Majordomus, sie zürnte schwer, bis ich . . .« klagte Gunthildis. – »Das Notwendige that ich,« erwiderte Ebroin laut, so daß auch die Königin es hören mußte. – »Bitte sie um Verzeihung,« mahnte die Äbtissin leise. – »Nein, Frau Königin,« entgegnete er, dieser voll in die Augen schauend, »denn ich habe nur meine Pflicht gethan. Und ich verlange von dir, daß du mir das glaubest. Ja oder nein?« Er blieb stehen und zog das weiße Stäblein ein wenig aus dem Wehrgurt hervor: »Bei deinem Nein wende ich um, auf dem Fleck, und überlasse dir Reichstag, Reich und – Verantwortung.«

Da schlug sie die Augen auf, die ihm heute noch keinen Blick gegönnt hatten, richtete sie fest auf ihn und sprach: »Ja, Majordomus, ich vertraue dir.«

»Dank! – Wisse, du wirst den Verhaßten nicht sehen. Ich hab' ihn verschickt. Fern, an den Rhein.«

Hoch aufathmend schritt Balthildis rascher vor.

Als sie vor der Thüre standen, die aus dem Inneren in den gewöhnlichen Versammlungssaal führte, machte der Majordomus Halt. »Der Graf Amalgar von Orleans! Er steht rechts?« – »Ja.« – »Der Graf Willibad von Bourges! Er steht links?« – »Ja.« Beide traten vor. »Was habt ihr beide mir zu sagen?«

Da sprachen die beiden wie aus einem Munde: »Bereit steht alles, meldet Vannings Treue.« – »Das Losungswort! – Nun, Mut, Frau Königin. Getrost! Gott wird dir zur rechten Zeit mehr als tausend Helfer schicken!« – »Ich weiß,« erwiderte sie mit einem frommen Blick nach oben. »Nein,« lachte er übermütig, das schöne Antlitz hell von Siegesstolz verklärt, »nein, nicht aus den Wolken. Aus deinem treuen Frankenvolk! Ist mir lieber. Und ich werde sie dir rufen! Auf mit der Thüre!« Die beiden Flügel flogen auf und die Regentin, zur Rechten Ebroins, stand auf der Balustrade, zu welcher die marmorne Freitreppe emporführte: mit leichtem Neigen des Hauptes dankte sie der ehrfürchtigen Begrüßung der etwa hundert versammelten Männer: die stets noch strahlend schöne, nur allmählich immer schattenhafter verklärte Frau fühlte, daß gar mancher dieser huldigenden Blicke eben ihrer Weibesschöne galt und, anstatt zu sprechen, schlug sie ihren Nonnenschleier vor das Antlitz.

Da hob, ihrer Verwirrung zu Hilfe eilend, der Majordomus an: »Ehrwürdige Bischöfe, tapfere Seniores dieses Reiches! Wichtige Beschlüsse, – wichtigere als je zuvor seit Frau Brunichildens Untergang! – habt ihr heute zu fassen. So will es eure Herrin, die Regentin. Und weil dem so ist, soll heute nicht die geringe Zahl der zufällig hier Erschienenen entscheiden, wie das freilich seit geraumer Zeit so eingerissen war. Aber hundert Jahre Unrecht ist keine Stunde Recht und unverjährbar ist des Frankenvolkes Freiheit. In dieser alten Königspfalz ist schon lange zuviel dumpfe Luft und Weihrauchqualm! Auf mit den Thoren! Laßt Luft, frische Luft herein! Und Licht! Und Sonnenschein! Laßt ein die Freiheit und das Volk der Franken!« Und er schwang den kleinen Elfenbeinstab: da schmetterte hinter ihm eine Trompete hell den neustrischen Heeresgruß: zehn andere antworteten von jenseit der geschlossenen Hofthore – wie Frag' und Antwort hatte das geklungen: auf wurden weit – nach außen hin – die drei breiten Thore zugleich gerissen und mit brausenden Heilrufen, die Waffen auf die Schilde schlagend, strömten herein etwa zweitausend fränkische Heerleute, keine Reiter unter ihnen, alle wehrhaft, aber keiner glänzend, alle nur einfach gerüstet.

»Gegrüßt, du tapfere Schar der freien Franken,« rief Ebroin, die Linke der Regentin fassend und mit ihr ganz vor auf die Balustrade tretend. »In eurer Königin Namen heiße ich euch willkommen. – Bitte, entschleire dich! Rasch! Nun sprich! Nur Ein Wort!« hauchte er.

»Im Namen Gottes und der Heiligen,« sprach sie mit fester Stimme, »seid willkommen. Gedenkt, daß Gott auf euch herniederschaut: darum schützt das Recht, meidet die Gewalt und, wo ihr es auch antrefft, straft schonungslos das Unrecht.« Da begrüßten brausende Huldigungsrufe das wunderschöne Weib, das viele dieser schlichten Landleute zum erstenmal im Leben erschauten.

»Das fängt ja hübsch an,« schalt Dedo. »Der Volkstribun hat sich gesagt: ›Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo‹, ›giebt mir der Adel nicht nach, so empör' ich in Aufruhr den Pöbel‹.« »Das ist ja ein Bauerntanz, kein Reichstag,« murrte Hektor. »Es ist zu Ende,« zagte Gairin. – »Nein, Bruder, jetzt beginnt es erst, das Spiel: Schach Königin und Turm zugleich! – Lauf, Diakonus, jetzt bringe . . . Ihn.« Während dessen hatten die Königin, Ebroin und die Frauen den Saal durchschritten und das mittelste der drei Hofthore erreicht, dicht vor welchem der alte Purpurthron der Merowingen auf mehreren Stufen aufgeschlagen war. Vanning stand davor mit gezücktem Schwerte, das er nun vor Balthildis senkte. Sie nahm Platz, das Antlitz nach Süden, dem Saale zugewandt, auf den oberen Stufen daneben ihre Frauen, Ebroin und Vanning zu beiden Ecken der untersten Stufe.

Sie nickte dem begeistert zu ihr aufschauenden Majordomus zu. »Das ist die schönste Stunde, der größte Tag meines Lebens!« dachte er in freudigem Stolz, die gepanzerte Faust auf das hochpochende Herz drückend. Und er begann mit lauter, allhin vernehmlicher Stimme, die ihm bis zu Ende nicht versagte und von Siegesbewußtsein getragen schien: »Ihr alle wißt, ihr Franken, vornehm wie gering, daß dieses stolze Reich geschaffen ward von starken Königen, von jenem ersten Chlodovech an. Aber nicht diese wenigen Männer genügten, die Römer und alle andern Nachbarn zu bezwingen: jene Feldherrn bedurften eines Heeres. Das Heer, – es war das Volk der Franken. Das ganze Volk, nicht die Vornehmen, deren es damals noch nicht viele gab. Und die Bischöfe vollends: – gar manchen seh ich dort vom Schwert umgürtet –« »Wie gern stieß ich dir's in den Schlund!« grollte, sich fest darauf stützend, Agnebert, Bischof von Samtes. Er war bis vor kurzem Oberjägermeister gewesen und hatte das Bistum um seiner schönen Jagden willen um schweres Geld durch Dedo erkauft.

»Ihnen waren und sind ja die Waffen verboten. Das Volk der Franken aber . . . das waren – und sind – die kleinen Männer, die von wenig Hufen, von geringer Habe, aber von großem Mut und starker Kraft. Dies kleine Volk hat schwer gelitten in den letzten Zeiten: – das wissen alle! – Oder sagt – sagt ihr selbst – berichtigt mich, wenn ich irre. Habt ihr nicht schwer gelitten?«

»Ja! Ja! Ja! Untragbar schwer,« brüllten da die Tausende. Und manche hoben drohend die Waffen gegen die Großen, die ihnen gegenüber auf den Stufen des Palastes standen. Viele von diesen erblaßten, andere griffen ans Schwert. »Wenn er sie jetzt – in diesem Augenblick – auf uns hetzt, sind wir verloren!« sprach Dedo, übrigens ganz ruhig. »Sechs solcher Hunde stech' ich aber dabei tot!« knurrte Hektor. »Ich thät's,« sprach Leodegar. »Er thut's nicht.« – »Warum nicht?« – »Wegen des Weibes: aus Schonung für sie. Gieb acht, du wirst es sehen!«

»Und wir wissen auch,« schrie eine rauhe Stimme, all' die andern übertönend, »da oben stehen sie, die uns zertreten: die Bischöfe . . .« »Nein, die Seniores,« riefen andere. »Das sind die ärgsten. Jetzt haben wir sie: – jetzt schlagt sie tot! Rache!« Aber da schmetterten auf ein Winken Ebroins alle Trompeten draußen und drinnen zusammen: die tobenden Stimmen verstummten.

»Nichts von Rache!« sprach der Majordomus. »Recht! Nur Recht wollen wir hier schaffen: altes gutes Recht wieder aufwecken vom Schlafe, neues gutes Recht daneben stellen, so altes Unrecht tilgen, neues verhüten. Wollt ihr das, ihr Männer?« – »Ja, wir wollen's! Heil Ebroin!« – »So hört denn, was eure Königin und ich euch vorschlagen. Ich trage euch alles auf einmal vor: – ihr sollt dann ja oder nein sagen zu dem Ganzen.« »Das ist eine Thorheit,« sprach Dedo aufatmend. »Diese Verzögerung . . .« »Kann ihm den Sieg kosten, den er schon in der Faust hatte,« stimmte Leodegar bei.

»Zum ersten: der Graf darf nie mehr aus dem Gau stammen, den er als Grafschaft erhalten soll. Sonst ist er dort mächtiger als der König.« – »Nein, nein! Das soll er nicht! Das ist gut!«

»Der Elende! Alle müßten wir da weichen!« knirschte Hektor. »Zum zweiten: kein Senior darf aus der Provinz den Hof des Königs besuchen, ohne Verstattung des Majordomus.« »Warum? Das ist doch hart!« schollen einzelne Stimmen. »Er will uns ganz mundtot machen!« schalt Gairin. »Wer von seinem König nicht gekannt wird, der ist tot, schreibt Cassiodor,« citierte Dedo. »Hört ihr's, der Beifall wird schon schwächer?« frohlockte Leodegar. »Den Wert dieses Verbots verstehen die Provinzleute nicht.« – »Zum dritten: zahllose Landschenkungen an die Kirchen sind gefälscht . . .« »Lauf, Ostiarius,« befahl Leodegar leise, »jetzt lauf, was du kannst. Schleppe mit zwei Gehilfen die große Urkundenvase herbei aus meinem Schreibgemach, die neben dem Fenster. Lauf! Es gilt die heil'ge Kirche!« Der stob davon!

»In jeder Grafschaft werden die Sendboten der Königin – zwei Laien und ein Priester – die Echtheit dieser Urkunden prüfen: werden sie als falsch erfunden, wird das Gut zurückgegeben. Gefällt euch das, ihr Hufner schmaler Hufen?« Ein donnerndes Ja war die Antwort.

»Natürlich! Das taugt den Wölfen, die Lämmer zerfleischen,« zürnte Dedo. Aber Berachar, der Bischof von Le Mans, erbleichte: »Mein Vorgänger war, fürcht' ich, allzu . . . schreibgewandt. Was werden wir alles hergeben müssen!« »Weiter: Freie, die aus Not sich selbst und ihre Scholle in das Eigentum eines Mächtigen verkauft haben – also Schuldknechte vor allen!« – fügte er bei mit raschem Blick nach rückwärts zu Balthildis hinauf, »sollen wieder frei und ihres Gütleins Eigner sein und nichtig solche Gott verhaßte Geschäfte.« Brausender Jubel stimmte zu: aber ihn beglückte viel inniger Ein Blick aus den sanften blauen Augen.

»Nicht übel,« brummte der hagere Bischof Desiderius von Cahors. »Was sie aber als Gegenleistung von uns in ihren Freßwanst geschlagen haben, das wollen sie nicht wieder hergeben.« »Herr Bruder,« entgegnete der gutmütige Truchtigisel von Embrun, »thät's auch nicht, an ihrer Stelle! Gott segne es ihnen! Gönn' ihnen doch, was sie längst verdaut! Leben und leben lassen!«

»Und endlich,« hob Ebroin nochmal mit lauterer Stimme an: »Das Größte . . .«

»Noch mehr?« forschte Dedo.

»Für das Volk kann er doch mehr nicht fordern,« meinte der Neffe. »Und wenn für die Krone . . .«

»Dann ist's ein Fehler: – eine Abschwächung des Endes!«

»Unverantwortlich viel Kronland haben seit zwei Jahrhunderten die Könige an die Kirche gespendet: das Reich verarmt: wohlan, ein Drittel alles ehemaligen Kronlandes sollen die Bischöfe und Äbte der Krone zurückgeben.«

Da schrieen aber die hundert Geistlichen so laut wie vorher kaum die zweitausend Wehrmänner; oder wenn nicht so laut, doch viel greller und grimmiger: »Raub! Raub! Das ist der reine Kirchenraub! Weh! Sacrilegium!«

In den Reihen der Gemeinen blieb es ziemlich still: ja mancher sprach zum Nachbar: »Warum das?« »Mir ist ganz wohl unter Sankt Martin von Tours.« – »Und mir unter Sankt Denis.« – »Wohler als mir wäre unter dem harten Domesticus des Herrn Königs.«

Eine peinliche Stille entstand: die Begeisterung hatte den Gipfel überschritten, sie sank rasch. Schnell benutzte das Leodegar: er winkte, machte sein frömmstes Gesicht und sprach: »Ist es auch einem demutvollen Priester des Herrn verstattet, zu sprechen? Oder redet hier nur der Herr Majordomus?« – »Sprich du nur, Herr Bischof,« rief da ein frommer Burgunde aus Autun dicht unter ihm an den Stufen. »Ich kenne dich: – wir alle von Autun kennen dich: – du hast viel Geld unter die Leute gebracht.« Unterdessen hatte Leodegar besorgt hinter sich gesehen. »Ist er endlich da?« flüsterte er. »Jawohl! Wie du befahlst. Da hinten: – hinter den Diakonen geborgen,« antwortete Dedo.

»So möchte ich – mit gnädiger Verstattung also des strengen Herrn Majordomus! – fragen, bevor wir abstimmen, ob die hohe Frau Balthildis, die wir alle gleich einer Heiligen verehren . . .« – demütig senkte er das Haupt. – Ein beifällig Gemurmel ging durch die Wehrmänner: »Seht,« sprachen die Burgunden zu ihren nächststehenden, »unser Herr! Der ist gar demutvoll. Ja, so sollten alle sein!«

». . . Mit all' diesen Vorschlägen einverstanden ist. Das wäre ja von höchstem Wert für uns.« »Ich hab's ja schon gesagt,« rief Ebroin ziemlich ungeduldig. »Hast's nicht verstanden, kluger Bischof von Autun?«

»Er sollte nicht so grob sein mit unserm Herrn!« meinten ein paar Leute aus dieser Stadt.

»So bitte ich dich, Frau Königin, sprich du,« schloß der Hausmeier. »Mit allem einverstanden,« kam es recht zaglich aus dem kleinen Mund. Denn der letzte Antrag war ihr gar nicht lieb gewesen!

»Und zwar,« fuhr der Bischof sanft fort, »sprichst du so, heilige Frau, als Religiosa, die wir alle hoch preisen, oder als Regentin?« »Als Regentin, wie sich versteht!« antwortete an ihrer Statt barsch der Majordomus.

»Verzeih, gestrenger Herr. Das ist wohl ein kleiner Gedächtnisfehler. Denn – hört es, ihr freien Franken all'! – die heilige Frau, die hier vor euch steht, ist die jüngste Nonne des Klosters zu Chelles: sie hat gestern die Regentschaft niedergelegt. Und seither herrscht im Reiche Neuster und Burgund nicht mehr sie, sondern ihr Sohn, Herr Childerich. Tritt vor, Herr König!«

Und er griff zurück und faßte an der Achsel und schob vor sich hin einen schmächtigen Jüngling, der mit den vorgebeugten Schultern unter der Last eines ihm in Eile umgeworfenen Purpurteppichs an des Königsmantels Statt – zusammenzuknicken drohte. Ein lauter Ruf des Staunens flog durch die Versammlung: aber bei den Allermeisten, die den Schwächling zum erstenmal ersahn, war es kein freudig Staunen: bald hob sich ein Murren: die Blicke der Heermänner flogen vergleichend hin und her zwischen dem fahlen Knirps und der schönen Frau und der Erzgestalt des Majordomus. Der, einen Augenblick überrascht, ersah seinen Vorteil schnell.

»Jetzt, Frau Königin,« rief er ihr zu, »jetzt wahre dein Mutterrecht und meine Ehre!«

Hoheitvoll erhob sich die edle Gestalt vom Throne: alles verstummte, lautlos lauschten die Tausende, wie sie mit starker, ja mit zorniger Stimme sprach: »Wer immer diesen bethörten Knaben – gegen der Mutter Willen! – aus seinem umgitterten Gemach hierher entführt hat: – er ist im Irrtum. Trägt das Kind die Waffen seines Volks? Wer hat es für wehrfähig erklärt? Noch niemand. Hierher, zu deiner Mutter Füßen, du ungeratner Sohn! Ihr aber wißt: wohl wollte ich gestern weichen aus dem Streit des Hofs: aber dieser Mann, der treueste Held im Reich, hat mich die Pflicht gelehrt, noch auszuharren. Schaut hierher, ihr freien Franken, hier steht eure Herrscherin!«

Damit griff sie mit der Rechten an den Thron zurück, erhob den langen goldnen Königsstab und schwang den hoch in die Luft, daß er im Frühlingslichte weithin strahlte.

»Heil Balthildis, der Regentin!« – »Heil Ebroin!« – »Willst du wohl gut thun, Büblein?« – »Herunter mit dir!« – »Bitte die Mutter um Verzeihung!« – »Willst du wohl?«

So scholl's durcheinander. Und so drohend drang der Ruf in des Knaben Ohr, so dicht, so nahe, daß er erschrak und, nach einem hilfesuchenden Blick auf Leodegar, den der nicht zu sehen vorgab, mit schlaffen Knieen die Stufen herabschlich, über den Saal hinglitt und endlich den Thron der Mutter hinanstolperte, wo er zu deren Füßen niederkniete und ihre Hand küßte. Laut jubelten die Heerleute.

»Das Spiel ist aus!« sprach Dedo zu dem Neffen. »Der König hat versagt.«

»Ja, aber jetzt kommt der Bischof dran,« erwiderte der. »Wo ist die Vase?« – »Hier,« erwiderten die Ostiarii, die soeben keuchend das hohe, schwere Erzgefäß hinter ihm niedergestellt hatten. »Ihr freien Franken,« begann Leodegar aufs neue, »wechselnd ist der Weiber Wille: – ich konnte nicht ahnen, daß die fromme Frau, die gestern schon einen Fuß in das Kloster gesetzt hatte, . . .« »Also Horcher auch an jener Thür,« flüsterte Vanning grimmig dem Freunde zu. »Ihn heute wieder in die sündige Welt zurückzieht. Wiefern das gültig ist, wird ein Konzil zu untersuchen haben.« »Ungültig ist's,« riefen mehrere der Bischöfe, ermutigt durch den kühnen Sprecher. »Ich, ein Priester des Herrn, will zu euch nicht als Kriegern sprechen, nur als Christen. Ob die vielen andern Vorschläge dem Reich der Franken frommen oder nicht, – das mögen Weltlinge entscheiden. Ich beeile mich, rasch beizufügen: alles ist wahr, was der gestrenge Herr Majordomus von der Bedrückung der kleinen Freien geklagt hat.«

Da ging ein Beifallgemurmel durch die Reihen auch bisher ihm weniger willig Lauschender.

Gewandt fuhr er fort: »Nicht nur durch manche Seniores, – leider, leider! auch wohl« – er hob die Arme und blickte gen Himmel – »durch ein paar Genossen im geistlichen Amt« . . . – »Nicht du!« riefen die ihm ergebenen Burgunden, die sich allmählich dichter um ihn drängten. »Du hast die Spendehand!« »Du thust den Armen wohl . . .« »Na, und Gott vergilt's ihm heute,« schmunzelte sein Ohm Hektor zu. ›Gratis poenitet esse probum‹ meint der welterfahrene Naso, ›umsonst mag kein Mensch brav sein‹.«

»Daher will ich auch kein Wort sagen gegen alle Vorschläge des gewaltigen Mannes. Nur warnen, warnen, warnen muß ich euch – als Hirt eurer Seelen! – daß ihr die nicht um Einer Sache willen unrettbar und auf ewig stoßet in das Feuer der Hölle.« Dabei reckte sich die hagere Gestalt plötzlich zu ihrer vollen Höhe, die dunkeln und doch so feurigen Augen schossen Blitze: hoch hob er mit seiner einzigen Hand den schwarzen Mantel über dem Haupt empor: – ein Murmeln des Grauens ging durch die Menge: viele bekreuzten, zurücktretend, Stirn und Brust. »Ja, in die Hölle stoßt ihr eure Seelen, raubt ihr den Kirchen, was fromme Könige ihnen geschenkt! Schaut her: dieser eherne Kessel birgt ungezählte solcher Schenkungsurkunden. Wißt ihr, mit welchem Fluch jede, – jede! – den Kirchenräuber, der die Gabe antastet, bedroht? Seht her – ich greife heraus – aufs Ungefähr: ihr, Amtsgenossen, thut das Gleiche.«

Und ohne hinzuschauen faßte er rasch zu, hob eine der Pergamentrollen hervor, entfaltete sie und las: »König Dagobert, – dieses Knaben Großvater –, schenkt die Villa und den Wald von Toury im Gau von Orléans dem Kloster Saint-Denis, wo er begraben sein wollte und begraben liegt, und die Urkunde schließt: ›Wer aber aus irgend einem Grund oder Vorwand oder Schein des Rechts oder des Nutzens für den Staat auch nur ein Bäumlein dieses Waldes dem Heiligen entzieht, dessen Seele und aller Seelen, die ihm zustimmen oder doch nicht in den Arm fallen, sollen verflucht sein auf ewig und immerdar und sollen brennen in der siebenten Hölle zusammen mit der Seele Judas Ischariots, des Verräters des Herrn.«

Da ging ein Aufschrei des Schreckens, ein Stöhnen des Grauens durch die Menge.

Und bevor es verstummt war, begann Dedo aus einer zweiten aufgerafften Urkunde mit dröhnender Stimme zu lesen: »Und wer diese Schenkung König Chlotachars, des ersten dieses Namens, an das Kloster Glanfeuil anficht oder verletzt, den soll vor allem ächten und bannen, wer dann des Frankenreiches Scepter führen wird . . .«

Da seufzte Frau Balthildis laut.

»Christus aber soll für ihn nicht gestorben sein, der Fluch von Nathan und Abiram soll ihn schlagen und der Aussatz soll ihn treffen und ins Gebein wie Naëman den Syrer, ihn und sein ganzes Geschlecht bis zum siebenten Grad . . .«

»Grauenvoll!« – »Nein!« »Nein!« »Das soll nicht sein!« »Vergieb den bloßen Gedanken daran, o Gott!« rief da die Menge zerknirscht und erschüttert. Und Bischof Verachar von Le Mans las bei Grabesstille: »Wenn jemand die fromme Gabe des Herrn Königs Childibert an das Kloster Sankt Martins zu Tours verletzt, auch nur mit einem Worte sie bestreitet, dann soll die Erde sich klaffend aufthun und ihr feuriger Schlund wie die Rotte Korah ihn und seine Helfer und alle, die ihm nicht wehren, verschlingen bis in den untersten Pfuhl der Hülle zu ewiger Verdammnis.«

Abermaliges Entsetzen! Die Reihen der Heermänner, zunächst Ebroin und dem Throne, wichen scheu, mit lärmenden Waffen, weit von ihm hinweg. »Gieb dies eine auf und rette das andere, sonst ist alles verloren,« flüsterte ihm Vanning zu. Aber der eherne Ebroin schien auf einmal noch eherner geworden: er drückte die Rechte so fest auf den harten Hirschhorngriff des väterlichen Schwertes, daß ihn die Finger grimmig schmerzten: »Nein,« knirschte er, »nicht zurück! Keinen Schritt! Alles oder nichts! Sie sollen! Sie müssen!« – »Du rasest.« – »Mag sein. Aber ich siege.«

Abermals begann Leodegar: »Geliebte Brüder. Höret mich . . .« »Nein,« schrie Ebroin außer sich. »Hört ihn nicht!« Und er hob den Stab. »Blast, Hörner und Trompeten, den Heerruf der Franken!«

Aber alles blieb still!

Auch die Hornbläser hatten sich aus seiner der Hölle verfallenen Nähe gedrückt: sie sahen nicht mehr auf ihn oder wollten nicht sehen noch hören!

Triumphierend bemerkte es Leodegar, und lauter fuhr er fort: »Hört ihr's? Die freveln Klänge schweigen, die den Klageruf der Kirche ersticken sollten. So hat denn der Herr mein Hoffen gerechtfertigt und mein Gebet erhört: noch ist in den Seelen seines frommen Volkes – des zweiten Volkes, das er sich vor allen auserwählt hat! – nicht erloschen die Furcht vor seinen Geboten, die Scheu, die Rechte der heiligen Kirche zu verletzen: noch kann die Gier nach irdischem Gut, der Vorteil des Staates, dieses vergänglichen Übels, das, durch die Sünde und den Teufel entstanden, zugleich mit dem Teufel untergehen wird am jüngsten Tage, nicht in euren Gewissen zurückdrängen die Furcht vor der gerechten Strafe, die dem Kirchenräuber gedroht ist in heiligen Schriften und frommen Pergamenten. Wohl euch, ihr Frommen, daß ihr die Versuchung sieghaft überwunden habt! Wie aber, wäret ihr erlegen, wie geartet wäre der Mann gewesen, dessen Führung ihr gefolgt wäret zu kurzem Besitz und zu ewiger Pein? Kennst du denn wirklich diesen Mann, bethörtes, glanzgeblendet Volk der Franken?«

Bei den letzten Worten trat er hart an die Brüstung der Treppe vor dem Palast, auf der er gesprochen, bis ganz vor: und über die Helme und Speere hin ließ er so feindlich drohende Blicke auf Ebroin fliegen, daß dieser selbst stutzte, die Frauen hinter ihm erschrocken gespannt sich vorbeugten und Vanning ihm zurief: »Was jetzt? Was hat er nun noch ausgeheckt?«

»Gewiß,« fuhr der langjährige Seelenbeobachter und Seelenleiter fort, geübt, seine Rede der etwa wechselnden Stimmung seiner Hörer augenblicklich anzupassen, »gewiß der Herr Majordomus, – stammt er auch nicht, wie sonst eure Führer pflegten, von edeln Ahnen – ist ein tapfrer Mann! – Sein Schwert ist rasch: – nur allzu rasch manchmal! – sein Entschluß ist kühn: – nur allzu schrankenlos kühn zuweilen! – und gewiß will er das Wohl dieses Reichs – so wie er dies Wohl – weltlich genug! – versteht. Aber neben diesen Tugenden – heidnischen: die heidnische Tugend aber ist nur ein glänzend Laster, lehrt ein heiliger Lehrer – schlummern die Triebe ruchlosen Verbrechens.«

Entrüstet hob da die Königin das schöne Haupt und ihre Schwester blickte gar zornig aus den blauen Augen. Auch durch manche Haufen der Heermänner ging ein mißbilligend Grollen.

Sofort erkannte der Redner die Gefahr noch längerer, verzögernder Vorbereitung seines Angriffes: er ging daher gleich zur Entscheidung vor: »Ihr zweifelt, wackre Männer? Es macht euch Ehre, daß ihr an eurem Führer stetig haltet. Aber der Zweifel ist ausgeschlossen: ich mach' es kurz, wie ihr es liebt: wie Speeresstoß und Schwertesschlag: dieser Ebroin dort, der höchste Mann in eurem Reich in Krieg und Frieden, der dort am Thron einer Heiligen in deren Glanz sich sonnt: – er ist ein Räuber, ein Totschläger, ein Mörder!«

Da erbrauste, plötzlich entfesselt, ungeheurer Aufruhr: ein Speer flog aus der Mitte der Schar gegen den kühnen Ankläger: Hektor sah's und fing ihn mit der Rechten, aber andere Heerleute stürmten mit geballten Fäusten, mit gezückten Waffen gegen die Stufen hin, auf deren oberster der Ankläger stand, furchtlos, dem drohenden Tode trotzend, die scharfen Züge jetzt von edlem Mut verklärt.

»Schützt den Bruder!« rief Gairin, den Speer fällend. »Hierher, Hektor, Pfalzgraf Aigulf, Graf Fortunatus, Bischof Agnebert! Fällt die Speere, reiht die Schilde dicht. Ihr Edeln, schützt den Edeling, den Bischof!«

Und so geschah's.

Der Haufe, der gegen die Stufen empordrang, stieß auf eine eherne Kette, die man nur unter vielem Blutvergießen hätte durchdringen können: die Führerlosen stockten, stauten sich: – schon fluthete die Welle zurück, die Stufen hinab.

Die Königin war von ihrem Thron aufgesprungen: sie beugte sich vor: »Sprich, mein Freund! Zertritt diese Lügen.« Jedoch sie sah mit Entsetzen in ein regungslos versteinertes Gesicht, in starre, weit geöffnete Augen: »Äbtissin,« rief sie, erschrocken sich wendend, »was ist deinem Sohn?« Aber Frau Leutrud lag regungslos in Gunthildens Armen. »Vanning,« – fragte endlich der Beschuldigte. »Wem . . .?« Er ergriff einen Speer, der am Throne lehnte, und hielt sich daran aufrecht. »Nur jenem Priester.« – »Unseliger! Und alles . . . alles?« – »Nicht . . . lang nicht alles!«

»Seht ihr's?« fuhr der Ankläger in vollem Siegesgefühle fort, »seht ihr ihn wanken, jenen ehernen Mann? Das ist die Macht der Wahrheit, das ist das unwiderstehliche Gewissen! Wäre er unschuldig, wahrlich, – ihr kennt seinen raschen Zorn! – schon hätte mich, den Verleumder, in nie fehlendem Wurf die Lanze durchsaust, an der nun der Bebende sich mühsam hält. ›Beweise!‹ rufen da drei wackere Männer, Gewiß! Wer solche Klage beweislos brächte, wäre ehrlos auf immerdar. Aber – vor der Beweisführung – nur noch ein Wort. Mancher tüchtige, schlichte Mann denkt jetzt in seinem Sinn: ›wie soll das, wie solcher Widerspruch möglich sein? Der Hausmeier ist ein Held, der größte heut' im Volk! Wie kann es geschehen, daß er zugleich ein Verbrecher ward?‹ Wohlan: das konnte geschehen, weil Gott ihn verlassen hat, wie er – zuvor – seinen Herrgott verließ!«

Ein Murmeln des Grauens, der Scheu, aber wohl auch des Zweifels ging durch die Reihen.

»Ihr glaubt es nicht? Ja, es ist auch gräßlich zu glauben. Aber, es ist wahr! Ihr alle sollt es hören. Sprich, Ebroin, Ebromuths Sohn, ich, ein Priester des Herrn, frage dich hier vor allem Volk, – vor deinem Volk! – sage, glaubst du, daß der Herr Christus, Gottes Sohn und Eins mit Gottvater, dich erlöset hat durch seinen Tod, auferstanden ist von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzet zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, und daß er von dannen wiederkehren wird in den Wolken, zu richten die Lebendigen und die Todten? Glaubst du das, so sprich hier laut vor allen: ›Ja, ja, ich glaube.‹«

Er hielt inne: Totenstille lagerte plötzlich auf der vor kurzem noch so lauten Stätte: tausend Augen waren starr, gespannt, auf den einen Mann gerichtet: die Königin, ihre Schwester beugten sich angstvoll ganz vor zu ihm: – aber die Mutter verhüllte, laut jammernd, das weiße Haupt in ihrem Schleier.

Und er, dem all dies hochgespannte Forschen, Harren galt? Er lehnte regungslos, ohne einen Laut, an dem krampfhaft festgehaltenen Speer: scharf blitzten die grauen Augen über die ganze Menge hin und herbe Verachtung der Gefahr, wie des Befragers, schürzte ihm die trotzigen Lippen: aber diese Lippen, – sie blieben stumm.

»Hört ihr's? Seht ihr's?« frohlockte der Bischof. »Er muß verstummen! Er weiß, ein Wort kann ihn retten: – aber Gott der Herr schnürt ihm die Kehle zu: – er kann es nicht sprechen, das Wort der Lüge.«

Da brach das Grauen der Entrüstung, des Abscheus in einem dumpfen donnerähnlichen Gemurre los: alle, alle, die noch in der Nähe des Angeschuldigten ausgehalten hatten, verzogen sich nunmehr scheu, leise, aber hastig, von ihm wie von einem Verpesteten; nur Vanning blieb, das Haupt von Schuldgefühl gebeugt, mit gesenkten Augen an der anderen Seite des Thrones stehen.

Stöhnend, die weißen Hände ringend, sank die Königin an die Lehne ihres Thrones zurück.

Leodegar aber fuhr fort: »Den Beweis seiner Gottlosigkeit, seiner Gottesleugnung hat sein Verstummen erbracht. Den Gottesleugner darf man jedes Verbrechens zeihen. Aber ich verklage ihn nicht nur, – ich überführe ihn! Welchen Beweis ich bringe? Wiederum sein eigen Wort. Gichtigen Mund. Und blickenden Schein. Vor Jahren war's – manche werden's gedenken: – denn lauten Lärm machte damals die grause That – da ward in einer Herbstnacht, im Wald von Epinay, auf des Königs offener Heerstraße, im Marktfrieden von Saint-Denis, der reiche alte Römer Apronius von Soissons überfallen durch vermummte Wegelagerer: – so berichteten die überlebenden Begleiter: ermordet ward der Alte, der Geldsack von dem Maultier hinweg geraubt, ein tapfrer Franke, der, in königlichem Auftrag, sichres Geleit gewähren sollte, erschlagen. Gedenkt dessen niemand mehr von euch?«

»Ich! Ich! Ich!« riefen Gairin, Hektor, Dedo und viele der Bischöfe und Edeln: aber auch gar manche unter den Heerleuten.

»Wohlan, der eine der beiden Verbrecher war – da der Schatzmeister, Graf Vanning dort: – am Thron der Königin wagt der Blutschuldige zu stehn! – Zum Schatzmeister hat ihn sein Freund gemacht, mit Recht, denn Vanning hat in jener Mordnacht im Walde gezeigt, er versteht sich auf den Golderwerb! Vanning also war der eine der beiden Schächer: – er wird nicht leugnen, fragt ihr ihn. Denn, bei Gott, er hat noch ein Stück von Gewissen. Daher ekelte ihn auch nach geschehener That des Raubes: er warf den schweren Goldsack reuig von der Seinebrücke in den Strom: daraus ward er aufgefischt vor zwei Nächten: da seht! Hier liegt der Beweis vor euch! Hierher legt ihn, Diakone, auf die zweite Stufe! In all' der Zeit konnten die Wasser die schwere Beute der Räuber nicht entführen: – Gott befahl den Fluten, den Beweis liegen zu lassen, wo er lag, bis zur Stunde des Gerichts, Seht, wie der festverschlossene Schlauch von Schlamm, von Schilf, von Muscheln überzogen, starrt! Seht, wie da der Schatzmeister auf die Knie gestürzt ist bei dem Anblick! Nun, diese Zerknirschung spricht laut genug. Ich brauche ihn nicht zu fragen! Aber euch frage ich, euch, Bischöfe, Edle, freie Franken: – den einen Thäter kennen wir, wer war der andre?«

»Ebroin! Ebroin! Ebroin!« riefen da alle, und all' die tausend Hände, Speere, Schwerter deuteten, all' die empörten Blicke dieser tausend Augen zielten auf den Einen Mann.

Der aber hatte sich nun in sich zusammengeschlossen. Während Vanning auf den Knieen lag, das Haupt in beide Hände gestützt, stand er hoch aufrecht, wie aus Erz gegossen, ohne Zittern, fest und gerad', wie der Speer in seiner Hand.

»Hilf, heilige Jungfrau, hilf ihm, Herr, mein Gott!« betete die Königin laut, »wenn er schuldlos ist!« »Du mußt ihm helfen, Gott,« rief ihre Schwester, »denn er muß schuldlos sein!« Aber seine Mutter lag gebrochen über ihren Stuhl hingebeugt, ohne ein Wort, ohne Gebet, ohne Thräne.

»Ich frage dich, Majordomus von Neuster und Burgund, Graf Ebroin, bist du dieser Thaten unschuldig oder schuldig?« rief der Ankläger über die Köpfe der brausenden Menge hin. »Schuldig,« antwortete der laut und fest. »Allein schuldig. Ich bin der Anstifter! Und ich allein habe den Römer erstochen.« »Hört ihr's?« frohlockte Leodegar. »Nun gedenket daran, ihr freien Männer, wie bei Eröffnung dieser Verhandlung die weise und fromme Frau Königin euch gemahnt hat: schützt das Recht, meidet die Gewalt und, wo immer ihr es antrefft, straft – schonungslos – das Unrecht.«

Aber in das aufs neue entfesselte Toben des Unwillens mischten sich doch jetzt auch schon wieder Rufe der Anerkennung für solchen Freimut.

Und die gelindere Stimmung nahm nun rasch zu, – Raub und offenes Blutvergießen bei Raub machten ja nicht ehrlos wie Diebstahl und Mord – als Ebroin fortfuhr: »Wisset aber, diese Kunde erfuhr der Bischof durch einen schweren Kirchenfrevel: – durch Verletzung des Beichtgeheimnisses. Denn Vanning – steh auf, sag' ich, laß ab zu jammern! – hat die That nur Einem offenbart, seinem Beichtiger. Und der also hat . . .« »Die verfluchten Priester,« scholl da ein vereinzelter Ruf aus dem Haufen. »Die Falschen! Die Treulosen!« wiederholten schon mehrere. Leodegar erkannte die Gefahr: er rief: »Laßt ab von frevler Schmähung der Gesalbten des Herrn. Erst bischöfliche Dispensation, ja Befehlung hat den Widerstrebenden vermocht, den Namen des einen Sünders zu nennen. Den des andern verschwieg er.«

»Weil er ihn nicht wußte,« trotzte Ebroin verächtlich.

»Er war nicht schwer zu raten,« lachte der Bischof.

Einstweilen aber hatte die Königin einen Entschluß in der Seele gereift: die Äbtissin ihrem hoffnungslosen Schmerz überlassend, flüsterte sie der Schwester ein Wort zu: »Gewiß,« rief diese freudig, errötend, »gewiß! Das thu! Es muß ja etwas Edles sein.«

»Hört mich, ihr Männer,« sprach Balthildis. »Fern sei es mir, einzugreifen in das Gericht über so schwere Schuld. Aber das Gericht – mit dem Geständnis beider ist es ja fast zu Ende! – nur um die Strafe und um unser Werturteil über die Männer handelt es sich noch. Da aber wiegt doch am allerschwersten, mein' ich, der Zweck, um dessen willen der Raub, der Totschlag geschah. Sprich, mein Majordomus, – denn nimmer will ich glauben, nachdem ich jahrelang deine Uneigennützigkeit erprobt und wie du Gold und Goldeswert nur für die Krone schätzest, für dich selbst verschmähst – nun und nimmer werd' ich glauben, – und spräche so dein eigner Mund! – daß du lediglich für dich, um reich zu werden, des Römers Geld geraubt. Sprich, sprich offen – laut vor allen hier – was war dein Zweck?«

»Jawohl!« – »Jawohl!« – »Der Grund!« – »Der Zweck!« »Was trieb dich an?« fragten viele hundert Stimmen.

»Jetzt sind wir gerettet,« rief Vanning, an ihn heranspringend. »Sag's! Sag's rasch! Und unsre Ehre ist gerettet. Das ganze Volk betet sie ja an. Sage rasch alles!« – »Unsinniger! Du hast doch das – das! – dem Priester nicht auch gebeichtet?« – »Nein!« – »Nun? Dann ist alles gut.« – »Sag's. Sag's gleich! Oder ich sag's!« »Ich ersteche dich beim ersten Wort.« Er zückte krampfhaft den Speer. »Sollen diese geilen, schmutzigen Hunde von Priestern und diese Wüstlinge von Seniores, sollen diese das keusche Geheimnis meines Herzens entdecken? Sollen sie die Heilige besudeln mit ihrem geifernden Argwohn? Ich höre schon ihr höhnisches ›Aha! Deshalb? Die Liebe ward und wird erwidert‹. Und fragt mich der Schurke von Autun, ob ich's nur aus Menschlichkeit gewollt: – soll ich dann das ›Ja‹ lügen? Niemals! Schweig' oder du bist des Todes.« »Das ist Wahnsinn,« seufzte Vanning und trat von ihm hinweg.

»Nun, Majordomus?« fragte die Regentin. »Mich befremdet dein Zögern. Sprich, sag' offen: – ich befehl's: nenne deinen Grund und Zweck des Raubes!« Da wandte ihr der furchtbar Ringende das Antlitz zu und mit dem tiefsten Weh erwiderte er: »Nein! Ich hatte keinen andern Zweck,« Aufs neue brauste jetzt die Entrüstung los: desto furchtbarer, desto schärfer, je ärger die Enttäuschung aller derer war, die besser von ihm gedacht.

»Unmöglich!« schrie die Königin mit einem Jammerlaut wie ein verwundet Tier des Waldes. Und sie warf sich auf seine Mutter, rüttelte sie an beiden Schultern auf und rief ihr ins Ohr: »Unmöglich! Kennst du den Zweck? Ich bitte dich, – verkünd' ihn mir!« Zwei Worte flüsterte die Greisin: – da riß die Königin die Augen und den Mund weit auf. Und ohnmächtig, lautlos – sie fand keinen Ton mehr – stürzte sie zu Boden.


IX

Ebroin aber rief nun in die gegen ihn herantobende Menge: »Halt! Noch einen Augenblick: – bevor ihr uns richtet, verurteilt. Ihr Franken, die ihr keine Priester seid, wie nennt ihr die That dessen, der einem Mann das Geheimnis abdringt, das dessen tiefster Treue auf die Seele gebunden war: – also bei den Christen das Gebeichtete. He, du Alter, du in deinen weißen Haaren: ich kenn' dich nicht: aber dein Auge blickt treu: wie nennst du solche That?«

»Neidingsthat, Ebroin! Und zehnmal schurkischer als ein blutbeträufter Wegraub.«

»Wohl denn: diese Neidingsthat, wer hat sie begangen? Der Bischof von Autun? Das wär' mir leid. Denn einen Krüppel kann ich nicht kampflich grüßen und erschlagen, eh' ich, mit Recht verurteilt, sterbe.« »Jetzt, Neffe, sieh dich vor,« flüsterte Dedo. »Der Turm da rast noch um sich, eh' er fällt. Wer deckt dich, Bischof?« – »Der schwarze Reiter. Nun wird's höchste Zeit. Ist er endlich da? Ja? Jetzt hilf, Valerius!« Er winkte.

Da trat aus der hintersten Reihe der Seniores, in der er sich bisher geborgen, jener schwarzhaarige, schwarzäugige Römer hervor, den reichster Schmuck an Gewand und Brünne auszeichnete. »Ich hab's gethan,« rief er, bis zur äußersten Linie der Treppenbrüstung vortretend. »Ich, Valerius Lupicinus, der Patricius von Toulouse.« »Was? Wer? Wie?« schrie Ebroin und den Speer fallen lassend, stand er, mit drei mächtigen Sätzen vom Thron hinweg in der Mitte des Saales. »Du? – Du warst doch früher Vicegraf von Poitiers?«

»Vor Jahren. – Ich rühme mich, daß ich jüngst jenen Beichtpriester – zufällig! – auffand und ihm abrang, was dich und deinen Mordgesellen heute zerschmettert.« »Wie wir darauf kamen?« fiel Leodegar ein. »Höchst einfach! Vannings plötzliches Verschwinden forderte zum Nachspüren auf. Der letzte, der ihn – an jenem Tage noch – gesehen, war dieser edle Römer gewesen: er gab – damals schon! – an, ihn getroffen zu haben in der Basilika des Apostels Johannes, als Valerius von der Beichte kam, während jener, ganz verstört, den Priester zur Beichte zu suchen schien. Diesen Priester wieder aufzufinden war uns aber all' die Zeit her nicht gelungen, bis Valerius ihn vor ein paar Tagen zufällig auf der Straße traf. Das übrige besorgte bischöfliche Dispensation, ja Gebietung.«

Ebroin schlug jetzt eine seltsame Lache auf, so daß die Nächsten entsetzt von ihm zurücksprangen: sie meinten, all' die Erregung habe ihm den Verstand genommen.

Er hob das Gesicht so steil gen Himmel, daß ihm der Eberhelm rückwärts vom Haupte fiel und auf die Erde rollte: »Hei,« schrie er, »heut', am Tag seines ungerechtesten Gerichts, möchte ich beinahe anfangen, an einen gerechten Gott im Himmel zu glauben, da er heute dich mir schickt, Herr Patricius von Toulouse.« »Er raset, geh!« mahnte den Dedo: denn der furchtbare Ausdruck des jetzt ganz Nahestehenden ward ihm sehr unheimlich. »Nein, bleib! Nur noch kurz! Höre, antworte, lüge so wenig wie ich soeben gelogen. Bist du's, der vor . . . vielen . . . Jahren – vor Poitiers zur Jagd ritt: – mit fünfzig Gäulen und Hunden und Knechten: – zur Hetzjagd,: – auf Hirsche – hoch zu Roß. Und da trat ein freier Mann, – vor seinem selbstgepflügten Kornfeld – dir entgegen, das Schwert in der Scheide, und verwehrte dir, seine müheschwere Saat niederzustampfen durch Hirsch, Hund, Roß und Knecht. Du aber, was sagtest du?«

»Verfluchter Ackerknecht,« sagte ich, »weiche oder verrecke.«

»Jawohl, so sagtest du. Und der Mann wich nicht fingerbreit von seinem Recht und seiner Scholle: und du? – Du stießest ihn nieder mit dem Speere. War es so?« – »So war's.« – »Du dachtest, niemand hab's gesehen als deine Knechte. Aber im Graben, versteckt, hinter seiner Herde, lag der alte Hirt: der sah's schaudernd mit an. Wohlan, der Mann, Herr Patricius von Toulouse, war mein Vater.« – »Ich weiß es. Und ich wußte es damals.« »Und ich . . .« hier stockte ihm die Stimme – »und ich suchte dich, suchte dich all' diese Jahre.« – »Ich versteckte mich nicht! Ich bin erst kürzlich wieder im Reiche.« – »Und nun find' ich dich. Heute! An diesem Tage, der da richten soll, wie es scheint, über alle alten Frevel. Und obwohl du ein Schurke bist, ein elender Neiding, ein Mörder, so fordr' ich dich doch hier vor mein Schwert, vor dies, meines Vaters Schwert, ich, meines Vaters Sohn.«

»Und ich,« antwortete der Patricius, »ich lache dich aus. Ich bin ein Römer, ein Valerius. Meine Ahnen haben vom Tiber aus die Welt regiert, als die deinen noch Kühe stahlen im Erlenbusch der Waal. Ich mit dir kämpfen! Ei, könnte ich mit Einem Speerstoß wie jenen Alten die Vettel, deine Mutter dort, und dich und all' deinesgleichen, du Ackergaul, aus der Welt stoßen: – ich stieße nochmal.«

»So stirb!« schrie Ebroin außer sich, sprang vor und stieß ihm das rasch gezückte Schwert in die Gurgel, daß es im Nacken herausdrang.

Ein furchtbarer Schrei aus mehr als tausend Kehlen: »Mord! Mord im offnen Ding! Im Königspalast! Mord! Mord! Mord!«

Nun kam's zu kurzem Kampf.

Mit den Bischöfen und Seniores wären Ebroin und die Seinen wohl fertig geworden. Deren ersten Ansturm wehrten sie ab. Aber die Bauern, die kleinen Leute, die der Hausmeier selbst herbeigerufen! Sie gaben den Ausschlag.

Nachdem der Anlauf der etwa achtzig Seniores, der sich zuallererst über die Stufen herab von vorn auf die Verurteilten warf, abgeschlagen war, stürzten sich, bevor die Sieger sich retten konnten, vom Rücken und von beiden Seiten her, die gewaffneten Bauern – Ebroin selbst hatte ihnen eingeschärft, ihre besten Waffen mitzubringen! – mit solcher Wucht auf die kleine Schar, die dem Gottesleugner und Totschläger zur Seite blieb, daß jeder Widerstand sofort erdrückt war.

Gar schnell waren Ebroin, Vanning, die beiden Grafen von Orleans und Bourges und die wenigen, die ihnen sonst beistehen wollten, – nicht ein halbes Hundert! – überwältigt, entwaffnet, gebunden. Nun wurden Ebroin und Vanning in die Kerker des Palastes, die unterirdischen Gewölbe, die in der römischen Zeit der Wasserleitung und Heizung gedient, gebracht, während man die noch immer ohnmächtige Königin in ihre Frauengemächer trug.


X.

Auf dem vor kurzem noch so lärmenden Waffen- und Dingplatz trat nun alsbald Stille ein. Aber nicht auf lange: die Sieger beeilten sich, das Eisen der den Gestürzten feindlichen Stimmung zu schmieden, solange es noch so glutheiß war. »Fervet opus,« schmunzelte der Bischof von Poitiers.

Der auch des weltlichen Rechts, zumal des Strafrechts und des Strafverfahrens, besonders kundige Leodegar übernahm sofort die Leitung der nun einzuschlagenden Schritte: ohne amtliche Stellung, nur je nach Bedarf und Befragung in dem Verfahren bald den Ankläger, bald den Richter beratend, fördernd, antreibend.

Es ward Anklage erhoben wider beide Freunde wegen Wegelagerung, Raub, Bruch des Straßen- und Marktfriedens sowie des königlichen Geleits und wegen Totschlags: die Anklage auf Mord ließ man fallen auf Rat Leodegars: »Das andere langt schon,« meinte er, »für den wackern Vanning.« Gegen den Majordomus ward außerdem geklagt nicht nur wegen Totschlags im offnen Ding, Bruch des Ding- und Palastfriedens, auch wegen Untreue, ›infidelitas‹: das will sagen Hochverrat gegen die Königin-Regentin.

Die staunte freilich, als sie das vernahm!

Aber gerade diesen Gedanken hatte Leodegar glänzend durchgeführt: »Solche Thaten, wie sie der kühne Majordomus versucht, werden benannt nach dem Erfolg.« »Jawohl!« bekräftigte Dedo. »Wie sagt Juvenal? ›Ille crucem sceleris pretium tulit, hic diadema‹. ›Für dieselbe That erhält der eine den Galgen, der andre die Krone‹.«

Sein Neffe aber fuhr fort: »Der Verwegene wollte mit Gewalt Bischöfe und Adel unter den Willen der plötzlich hereinbrechenden Heerleute zwingen: gelang es, war's eine glorreiche Rettung des Staates. Da es scheiterte, war's ein Verbrechen, ein Versuch, das Recht unter Gewalt zu beugen. Die Zustimmung der bethörten, willenlosen Königin ist Schein: gerade gegen ihr Königsrecht hat er gefrevelt. Auf infidelitas steht der Tod und Einziehung der Güter; Vanning, den Gehilfen, trifft auch hierfür die gleiche Schuld und Strafe.«

Das waren die Gedankengänge, auf denen der überlegene, dialektisch geschulte Scharfsinn des Theologen und des im Rechte viel bewanderten Kirchenfürsten die andern ihm zu folgen geistig zwang: die meisten folgten ihm nur allzugern.

Das Pfalzgericht trat nach einer Stunde in dem alten – kleinen – Versammlungssaal zusammen; den Vorsitz übernahm, dem Gesetze gemäß, da die Regentin sich nicht vom Lager erheben konnte und der Majordomus selbst der Angeklagte war, der Pfalzgraf Aigulf. Die Anklage erhob, von Leodegar genau unterwiesen, der Seniskalk Gairin.

Das Pfalzgericht bestand aus fünfzehn Bischöfen und zehn weltlichen Großen: sofort stellte der Richter die Umfrage und einstimmig fanden die Urteiler Urteil nach dem Antrag des Anklägers.

»Ich wünsche dir Glück, Herr Neffe,« sprach Dedo, als das Ding gelöst war. »Das war ein ganzer, voller Sieg.« »Und fast ohne Verlust. Denn es ist nicht schade um den schwarzen Reiter, der dabei fiel.« – »Warum nicht?« Leodegar zuckte die Achseln. »Er war schwer leitbar, fing an, selbständig zu werden. Jetzt wird ihm keiner mehr widersprechen, was er nicht vertrug. Und er mir nicht mehr, was ich nicht liebe.« – »Versäume nur nicht, den Sieg auszunützen. Beider Tod? Hm?« »Ja,« zweifelte der Neffe, »das hängt nicht von mir ab. Sie wird beide begnadigen.« – »Dann komm rasch zuvor! Sie liegen – gefesselt! – im Kerker. Sie könnten ja leicht bei der Überwältigung tief – tödlich! – verwundet worden sein.« »Arger Versucher!« schalt der Neffe lächelnd. »Dieser Gedanke, meinst du, er kam mir nicht, wie der Starke endlich gebändigt, – wie ein Bär hatte er gerungen! – auf das Antlitz niedergeworfen, vor mir lag? Kein Auge hätte es gesehen, wenn ihn diese kleine Klinge . . .« er zog einen ebenso zierlichen und kostbaren, wie gefährlich geschliffenen Dolch, der an einer Feder völlig in eine Ebenholzröhre zurückzuschieben war, aus dem Futter seines Ärmels. »Aber nein! Er mag – ungefährlich gemacht – leben: – irgendwo – eingesperrt – nur uns verfügbar.« – »Verfügbar – gegen wen?« Leodegar sah sich um: oben, auf der Treppenbrüstung, stand eine Gruppe von Seniores.

Leise flüsterte er, mit dem Kopfe dorthin nickend: »Gegen die da!« – »Unsere Helfer?« – »Den Weltadel. Nicht immer folgt er mir gefügig. Sie wollen mehr an Macht, an Land als ihnen zukommt oder doch wir entbehren mögen: gegen die ist ein unvergleichlich Rüstzeug – Ebroin. Droh' ich mit dem, thun sie mir alles. Mit einem toten Majordomus aber kann ich nicht drohen.« – »Höre, Neffe, du hast mich überholt in der Staatskunst. Bitte, nimm nun fortab du mich in deine Schule.«

»Ich lerne noch täglich! Und heute hab' ich viel, viel gelernt. Hei, wie freut es mich, daß gerade seine eigenen Standesgenossen, daß die kleinen Leute ihn verlassen haben, die er gegen uns hierher aufgeboten hatte. Wir wenigen allein hätten ihn und seine Freunde nicht bewältigt. Das konnten nur die zwei Tausend, die er selbst herbei entbot. Das ist der Spaß dabei! Ja, wer sich auf das Volk verläßt . . .«

»Der ist verlassen. Ei, musterhaft hast du die frommen Seelen heute hin- und hergelenkt: – wie ein Reiter wohlgeschulte Rosse.« »Ja,« lachte Leodegar, »sie fürchten – zum Glück für uns! – doch die Hölle mehr als sie das Frankenreich lieben. Und gerade die, für die er alles that, sie zu befreien, sie haben ihm heut' die starken Arme auf den Rücken gebunden. Es giebt, scheint's, Ohm, nichts, was undankbarer ist, als ein Volk.« – »Doch, Neffe!« – »Was?« – »Ein König.« – »Nun aber haben wir noch die Entscheidung der Königin abzuwarten. Gieb acht, in mehr als einem Punkt wird sie entscheiden.«


XI.

Während dieser schlummerlosen Nacht rangen die drei Freundinnen mit bitteren Schmerzen, mit schweren Entschlüssen.

Die hohe Aufregung, das Verzweifelte der eigenen Lage und der Geschicke Ebroins hatte in der ersten Stunde, in der die Königin zu sich gekommen und von den späteren, blutigen Geschehnissen unterrichtet war, in rascher Wallung, in einem Ansturm niedergerissen all' jene Schranken des scheuen Schweigens, die bisher unter ihnen mit der Herzenskeuschheit junger Frauen, mit der weisen und zarten Zurückhaltung einer alten, leides- und lebenserfahrenen Mutter waren eingehalten worden.

Ungleich näher als der Schwester, der in diesen langen, wichtigen Jahren reifender Seelengestaltung von ihr getrennten, stand Frau Balthildis der Äbtissin, der sie all' diese Zeit als ihrer nächsten Vertrauten ihre himmlischen und irdischen Sorgen, all' ihre Geheimnisse – mit Ausnahme des Geheimsten – ans treue Herz, an die gleich fromme Seele gelegt hatte.

So war es denn auch Frau Leutrud allein, welche die Regentin zunächst an ihr Lager berief zur Ausschüttung, dann zur Klärung der Gedanken, und zur Reifung der Beschlüsse. »O Mutter,« klagte sie, »hättest du mir doch auf meine verzweiflungsvolle Frage nur die eine Antwort gegeben! Nur die: ›um dich loszukaufen, zu befreien‹. Jubelnd hätt' ich diesen edeln Zweck laut verkündet und seine Sache . . .« – »Wäre nicht besser, deine Ehre aber, dem Name verloren gewesen.« – »Ist das Gewissen rein, was liegt dann an weltlicher Ehre, am irdischen Namen?« – »Einer Königin! O Balthildis! Nicht einer von den Tausenden – ach, ich ja selber nicht! – würde geglaubt haben, ein Jüngling, wie er war, wolle ein Geschöpf, ein Weib wie du warst – und bist! – freikaufen lediglich aus christlichem Erbarmen.«

»Ich – ich hätte es geglaubt.«

»Ja, du: die Heilige! Sofort hätte der Geifer der Verleumdung dich und ihn und euer Zusammenstehen all' diese Jahre her besudelt, ohne Möglichkeit der Abwehr. Wer hätte euch geglaubt? Ich fühlte, ich wußte, daß Ebroin solche Reden am allermeisten scheute: – er hätte es nicht überlebt, diese seine Liebe – das große, unendlich traurige, aber auch unendlich teuere und heilige Geschick seines Lebens! – und dich in den Kot gezogen zu sehen. Jedoch nicht aus Berechnung, – dadurch dich zum Schweigen zu zwingen! – wahrlich, nicht solcher Überlegung war ich fähig in jener Stunde!. – Hab' ich dir gleich das Ganze zugeraunt: ›weil er dich, die Heißgeliebte, loskaufen wollte‹. – Ach nein! – Das Herz riß mich dahin, das arme, zuckende Herz, das all' diese Jahre her des geliebten Sohnes großes Schicksal, schweres Geheimnis tragen, schweigend mit tragen mußte in deiner Nähe, während du allen Himmelsglanz deiner herrlichen Seele vor mir ausstrahltest und ich mir nach jedem Gespräch mit dir schmerzlich sagte: ›welche Perle, welch' Heiligtum liegt hier verborgen und kein Mensch, kein Mannesauge soll sich je dieses Anblicks, dieses Glanzes freuen. Das hat Gott der Herr sich selbst und mir, seiner unwürdigen Magd, vorbehalten‹.«

»Jetzt aber weißt du, fromme Mutter,« klagte Balthildis und sie drückte die Hand vor die Augen, »jetzt endlich hab' ich dir gebeichtet, welch' schwarzer Fleck deine ›Perle‹ entstellt, welche Todsünde deine ›Heilige‹ mit sich umherträgt im unreinen Herzen seit . . . seit all' den Jahren.« – »Du übertreibst, meine arme Tochter. Du hast ja diesen Hermengar . . .« »O schweige, schweige! Bitte, nenne den Namen nicht!« Rote Glut schoß in die wachsbleichen, blutleeren Wangen. »Ja, es ist wahr. Ich habe ihn . . . seit jenem ersten Begegnen im Walde . . . nie mehr gesehn. Oder doch einmal nur, ganz von weitem, – wo er mich nicht sah: – später davon! Gesprochen nur jenes Eine Mal. Ach, es hat genügt – fürs Leben.« »Beinah' unfaßlich,« sprach die Alte kopfschüttelnd und das weiße Haar mit beiden Händen unter den Schleier streichend. – »Unfaßlich? Dein Ebroin rief einmal – mit einem Blick, den ich ach! jetzt verstehe – ›Die Liebe,‹ (o, daß ich das sündhafte Wort ausspreche!) ›die Liebe schlägt ein und zündet wie der Blitz. Ich hab's erlebt, Frau Königin‹, sprach er.« »Ach ja, er hatte es erlebt!« seufzte die Mutter. »Und bedenke! Sechzehn Winter zahlte ich: in tiefster Not lag ich des Leibes und der Seele, wochenlang von den Meinen getrennt, ohne Hoffnung, sie jemals wiederzusehen, von den rohen, nur an Gold denkenden Händlern und ihren gierigen, schmierigen Händen bald betastet, bald umhergestoßen wie ein Warenballen, vor Hunger, zumal aber vor Durst dem Verschmachten nahe, mit den wunden, blutenden Füßen zusammengesunken unter jener Tanne: – oft hab' ich sie seither besucht und das Zeichen Christi darein geschnitten und es unter Thränen geküßt! – nur noch das Eine wünschend: ›sterben, nicht mehr erwachen, nicht mehr zurück unter diese grausamen Menschen‹ – voll verzweifelt: – und da, in dieser höchsten Not, neigt sich zu mir von hohem Roß herab ein Männerantlitz: – ah so wunder-, wunder-, wunderschön! O weh! vergieb, vergieb, vergieb, mein blutiger Heiland! Ich will's ja nie mehr denken, nie mehr das Bild mir zaubern vor die geschlossenen Augen! O ich büße ja. Du siehst!« Und damit drückte sie den Stachelgürtel fester an, den sie um die schmalen Hüften trug. »Und eine Stimme, so stark und doch so wohllautreich wie des Hifthorns hellfreudiger Ruf, schlägt weckend, grüßend, tröstend an mein Ohr. Und er selbst, der Hohe, in der Pracht seines Waffenschmucks, hebt mich, als wär' ich ein Rohr, mit dem linken Arm allein empor, legt mich höher, bequemer und flößt mir den Labetrank ein, mit den schönen goldbraunen Augen, – ah, wehe mir! Maria, vergieb, ich will sie nie mehr vor mich hinträumen! – mit den Blicken liebevoll verfolgend, wie jeder Tropfe mich erquickt und stärkt. Und mit den gütevollsten Worten sorgt er für mich, soweit er irgend kann: – ohne ihn wär' ich wie ein wundes Reh verendet dort unter der Tanne von Saint-Denis.« – »So haben denn ihm zu danken die unzähligen Armen, die später die Königin Balthildis aufgerichtet hat aus der Verzweiflung, wie damals er die Magd Balthildis. Sieh, meine Tochter, das muß dir doch wohl thun im innersten Gemüt. Er ist der Thäter deiner guten Thaten.« Da brach die Heilige in strömende Thränen aus: – aber es waren erquickende Thränen zarter Rührung – sie faßte mit beiden Händen das weiße Haupt der Alten und küßte es: »Danke! Du weißt zu trösten!« – »Ja, denn ich weiß auch, was Frauenliebe ist. Mein Ebromuth! Erschlagen! Bis jetzt hatte mir's der treue Sohn verschwiegen.« »Ja, er ist treu,« sprach die Regentin, »ich weiß es jetzt erst ganz, wie treu. Aber ach, auch mein thöricht Herz ist so treu geartet: – treu in Sünde. Denn Sünde, Sünde, Sünde war und ist das höchste Weihtum meiner Seele, diese Liebe zu . . .« »Ei, lieb Töchterlein, das . . . das wird doch wohl so schlimm nicht sein. Mein Ebromuth: – ich mußte mir in diesen ratlosen Stunden stets vergegenwärtigen, was Er uns raten würde. Er ist freilich gar arg viel weltlich gesonnen gewesen: – so etwa wie sein Sohn. Er würde . . .« sie stockte. »Nun, was würde er raten?« »Wohl gemerkt: nicht ich rate das – darf es raten, die Äbtissin. Aber mein lieber Mann« – hier glänzte die warme Liebe hell und verjüngend über das Gesicht der Greisin hin – »der würde sagen . . .« – »Nun was?« »›Das ist all' recht weichlich Weiberwesen‹, würd' er schelten. ›Und ist krank. Die Frau Königin ist Witwe. Mein tapferer Sohn ist unvermählt, er ist nicht schuldlos, aber schuldig geworden nur um der Frau Königin willen. Er liegt im Kerker, dem Tode geweiht: böse Menschen lauern auf sein Blut. Wohlan, die Frau Königin hole ihn hervor aus seinem Gewölbe – sie hat ja die Schlüssel! – und reiche ihm die Hand am Altar und so ist allen geholfen.‹ So spricht Ebromuth, nicht ich,« schloß sie mit einem lieblichen Lächeln harmloser Verschmitztheit.

Aber ernst abwehrend schüttelte die Königin das Haupt: »Und zu der Sünde der ersten liebelosen Ehe fügte ich die zweite? All' die Jahre her war ich des Merowing Gemahlin, trug mit Schaudern seine Küsse, gebar ihm Kinder, und all' die Weile . . . O Gott, o heilige Jungfrau, welche Schmach! All' die Weile trug ich das Bild des fremden Mannes, des Braunlockigen, im heißen Herzen, des Mannes, der eines andern Weibes Gemahl, Vater ihrer Kinder war. O Jesus, Jesus, und all' ihr Heiligen!« Und sie krallte die Nägel der durchscheinenden Finger in die Decke des Bettes. »Verstehst du jetzt,« fuhr sie dann fort, »die Gewissensqual, die all' diese Jahre eure falsche, unkeusche, eine heimliche Sünde wie eine verborgene Schlange am Busen nährende ›Heilige‹ verzehrte? Ich eine Heilige! Während ich mich Tag und Nacht sehnte, daß doch nur einmal noch im Leben wieder Er mir den Becher reiche, der Wind Seine Locke an meine Wange schmiege! O, ich betete am Altar hingegossen: ›führe uns nicht in Versuchung‹, und dabei sehnte ich mich: ›ach käm' er jetzt um die Ecke des Altars geschritten‹.«

»Aber du hast ihn ja gemieden, nie ihn herbeigerufen.«

»Das fehlte noch am äußersten der Schuld! Einmal stand ich im Rundbogen des Mittelfensters hier im Palast: neben meinem, nun neben . . . dem Merowing. Trompeten schmetterten von fern: ein Reiterzug kam langsam heran: viel Volkes strömte ihm entgegen. Da sprach der König: ›das ist Herzog Hermengar; er kommt zurück als Sieger über die Westgoten. Da springt er vom Gaul: – er umarmt die schöne Frau, die beiden Söhne, die sich ihm entgegenwerfen. Schau!‹ Ich wandte mich ab. ›Schau hin!‹ mahnte er. ›Ich will's. Du sollst ihn kennen. Schau!‹ Ich sah hin: sah ihn an ihrer Brust. O Jesus, Jesus Maria! Wie gern wär' ich vom Fenster herabgesprungen. Seitdem trag' ich den Stachelgürtel, seitdem hab' ich an Fasten, an Büßen, an niedrigster Mägdearbeit . . .« – »Ja leider, leider.« – »Das Äußerste auf mich genommen, meine Gedanken zu ersticken. Und doch! mein Leben war all' die Jahre Ehebruch. Denn sein war meine Seele und mein geheimes Sehnen.« – »Unselige! Beruhige dich. Laß uns abbrechen!« – »Und dein Gatte riete mir, in neuer Ehe neue Schuld zu üben? Deines Sohnes Ring sollte ich an der Hand, die Fessel des andern aber an der Seele tragen? Wieder dem einen den Leib geben, dem andern das Sehnen? Und meine arme junge Schwester, das süße Ding, die sollte, die geheime Liebe im Herzen . . . – denn das hast du doch längst gesehen?« Seufzend bejahte die Mutter. »Neben dem Manne hingehn, der ihrer Schwester Gemahl? Auch dieses reine Kind in Schuld, in geheime, sündige Gedanken verstrickt? Nein, Mutter! Besser mit scharfem Schnitt die giftige Wunde ausgeschnitten. Meine arme Schwester: – was wird ihr Los?« »Das deine: – das Kloster,« – hauchte da eine liebliche Stimme und Gunthildis trat aus dem langwallenden, dunkelroten Vorhang, der den Eingang in das Schlafgemach verhüllte. »Ich vernahm – ohne es zu wollen, ich sprach euch an, ihr hörtet nicht! – euer Gespräch: ach, es hat mir das ganze Weh des Frauentums enthüllt! Schwester im Blut: – auch deine Schwester im Schmerz laß mich sein.«

Und sie glitt an dem Bette nieder und drückte das schmale blonde Köpfchen auf die gefalteten Hände der Heiligen.


Am andern Morgen ward dem überraschten Palatium verkündet: »Die Regentin hat die beiden Verurteilten dahin begnadigt, daß ihnen die Todesstrafe erlassen ist: sie werden in zwei verschiedenen Klöstern – Ebroin in Luxeuil, Vanning in Rebais – ihre Tage beschließen. Als Nachfolger Ebroins im Majordomat ist bestellt Herzog Hermengar. Das ist der Königin letzte Regierungsthat: fortab wird der junge Childerich, der heute noch die Schwertleite empfängt, unter Hermengars Leitung herrschen. Die Königin und ihre Schwester sind als Nonnen in das Kloster Chelles getreten: die Äbtissin hat sie bereits dorthin gebracht.«



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