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Schluß

Ein heißer Sommertag brach über Glückstadt an. Früher noch als gewöhnlich regte sich an diesem Tage das Leben in der Kolonie, das heute nicht der Arbeit, sondern einem besonderen Feste galt: der Einweihung der Kirche!

So war Felicias Traum zur Wirklichkeit geworden: dort auf dem Hügel erhob sich eine schmucklose Holzkirche, von deren Turm das goldene Kreuz im Sonnenlichte weithin schimmerte. Am Fuße des Hügels stand das Pfarrhaus und ein Schulhaus, das Raum genug für die weißen und die schwarzen Kinder bot.

Herrn Wendlers Freund, der in Indien erkrankte Pastor Ernst, war mit Freuden dem Rufe in die Savannen gefolgt und kürzlich in Begleitung seiner Schwester Elise angelangt. Die Geschwister waren voller Freude von der kleinen Gemeinde empfangen und in ihr Haus geführt worden, das von Mr. Tompson bis auf Kleinigkeiten vollständig eingerichtet war. Keller und Speisekammer zu füllen, hatten sämtliche Kolonisten übernommen; so konnte Fräulein Elise, eine Dame Mitte der Dreißiger, sofort anfangen zu wirtschaften. Sie war im deutschen Vaterlande barmherzige Schwester gewesen, hatte aber auf Bitten ihres Bruders ihr Amt niedergelegt, um ihn in die neue Heimat zu begleiten und ihn gesund zu pflegen.

Eine große Neigung zur Musik hatte sie veranlaßt, in ihren Mußestunden Unterricht im Orgelspiel zu nehmen; dies kam ihr nun sehr zustatten, denn ihr Bruder wünschte nichts Geringeres, als daß sie in Glückstadt den Organisten ersetzen sollte.

Pastor Ernst, ein Mann von dreiunddreißig Jahren, groß, schlank und brünett, mit sanften, freundlichen Zügen und einem ungemein liebenswürdigen Wesen, hatte sich schnell das vertrauen und die Neigung seiner Gemeinde erworben, ebenso seine Schwester, die ihrem Bruder im Äußeren glich und voll in seinen Interessen aufging.

An diesem sonnenhellen Sommermorgen nun sollte die Kirche eingeweiht, der Prediger eingeführt und die erste Amtshandlung vollzogen werden. Begreiflicherweise waren sämtliche Glieder der kleinen Gemeinde in großer Aufregung. Der Gottesdienst sollte zu ziemlich früher Stunde beginnen, damit die Mittagsglut der Feier keinen Abbruch täte.

Die ganze Gemeinde versammelte sich vor dem Pfarrhause, wo die fremden Gäste, die aus St. Louis gekommen waren, weilten. Fast lautlose Stille lag über der Versammlung, gespannt blickten alle nach der Tür. Jetzt ward diese geöffnet. Sofort traten sämtliche kleine Mädchen aus der Kolonie, in weißen Kleidern, Kränze im Haar, an und gingen langsam, Blumen streuend, voran. Ihnen folgten zwei Prediger aus St. Louis, Pastor Ernst in ihrer Mitte. Darauf kamen die jungen Mädchen in hellen, duftigen Kleidern mit Blumen geschmückt, hinter ihnen das Brautpaar, Grace schön und lieblich an der Seite ihres, trotz seiner weißen Haare, stattlichen Verlobten. Dem Brautpaar schlossen sich die fremden Gäste und die Kolonisten, diesen die Neger an. In feierlichem Schweigen schritt die Gemeinde den Hügel hinan, unter den Klängen der Kirchenglocke, die ihre Stimme zum erstenmal im Dienste Gottes in den Savannen ertönen ließ.

Es war ein weihevoller Augenblick, manchem traten Tränen in die Augen, und Felicia dankte Gott aus bewegtem Herzen, daß sie diesen Augenblick, nach dem sie sich so unbeschreiblich gesehnt hatte, schon jetzt erleben durfte. Kein Gedanke von Neid kam ihr beim Anblick der schönen Braut, der das Leben seine Pforten ja jetzt zu reicher Lebensfreude öffnen wollte, demütig neigte sie das dunkle Haupt und dankte Gott für das viele Gute, das er ihr bisher beschieden hatte. Sie sehnte sich nicht hinaus in die glanzvolle Welt, in die Grace eintreten wollte, sie wurzelte mit all ihrem Denken und Fühlen in ihrer stillen Heimat, und sie gelobte sich, daselbst auch ferner für Gottes Ehre und zum Wohl und Segen der Ihren und ihrer Mitmenschen zu arbeiten und zu wirken.

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