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Zweite Verhandlung. Der Anklage erster Teil.

Der Prätor in der Hauptstadt

I. (1) Hoher Gerichtshof!

Es ist wohl einem jeden von euch bekannt, daß in diesen letzten Tagen durch die verschiedensten Schichten unserer hauptstädtischen Bevölkerung das Gerede ging, Gaius Verres würde in seiner zweiten Gerichtsverhandlung gar nicht antworten, ja er würde überhaupt nicht zum Termin erscheinen. Dieses Gerücht hatte sich nicht nur deshalb verbreitet, weil der Angeklagte sich den Fall wohl überlegt und danach allerdings sein Nichterscheinen beschlossen hatte; sondern die Hauptursache war: man konnte sich keinen Menschen so dreist, so unverschämt, so toll vorstellen, daß er mit einer solchen Last von abscheulichen, durch zahlreiche Zeugen erwiesenen Verbrechen wagen würde, den Richtern ins Antlitz zu blicken oder sein eigenes Antlitz dem Volke Roms zu zeigen. (2) Aber nein; Verres ist derselbe, der er immer war: verworfen genug um alles zu riskieren und alles anzuhören. Er findet sich ein; er will antworten; er läßt sich verteidigen. Er führt sich nicht einmal soviel zu Gemüte, daß er unter diesen Umständen, wo er vor aller Augen der schimpflichsten Vergehen überführt ist, durch Schweigen und Verschwinden wenigstens den Eindruck erwecken möchte, einen schamhaften Abschluß für all seine Schamlosigkeiten gesucht zu haben. Ich nehme das hin, meine Herren, und beklage durchaus nicht, daß wir beiderseits unseren Lohn einheimsen sollen, ich für meine Arbeit und ihr für eure Rechtschaffenheit. Die folgenden Worte enthalten deutlich die Rechtfertigung Ciceros vor seinen Lesern für die Ausarbeitung von Reden, die er nie gehalten hat. Der bloße momentane Erfolg stand in keinem Verhältnis zu der aufgewendeten Arbeit und Spannung. Denn hätte der Mensch da gethan, was er zuerst beschlossen, d. h. also wär' er jetzt hier nicht erschienen, so würde in bedeutend geringerem Umfang, als mir lieb ist, bekannt werden, was für eine gewaltige Arbeit ich auf die Vorbereitung und Durchführung dieser Anklage verwendet habe; und was euch betrifft, meine Herren, so wäre euer Ruhm in solchem Falle ganz verschwindend gering. (3) Denn nicht das ist es, was Rom von euch erwartet, nicht damit würde die Nation zufrieden sein, daß ein Mensch verurteilt wird, der freiwillig dem Gerichte ferne bleibt, und daß ihr eure Kraft an einem solchen zeigt, den niemand zu verteidigen wagt. Im Gegenteil, er soll nur auftreten, soll nur antworten, soll sich nur mit allem Eifer von den mächtigsten Leuten verteidigen lassen; mag nur ein Streit entbrennen zwischen meiner Sorgfalt und all ihrer Gier, zwischen eurer Charakterfestigkeit und Verres' Geld, zwischen der Ausdauer unserer Zeugen und den aufspielerischen Drohungen seiner Anwälte. Erst dann wird unser Sieg über die Gegner und ihre Mittel vollständig sein, wenn sie sich in einen offenen, regelrechten Kampf eingelassen haben. (4) Wäre der Angeklagte abwesend verurteilt worden, man würde sagen, er hätte weniger in seinem Interesse gehandelt als vielmehr euch um euren Ruhm betrogen. II. Denn unter den heutigen Verhältnissen kann man sich kein wichtigeres Moment für das Gedeihen unseres Staates denken, als daß die römische Nation erkenne, daß, wenn der Ankläger nur in gewissenhafter Weise bei der Verwerfung der Richter verfährt, sehr wohl eine Verteidigung der Bündner, der Gesetze, überhaupt des Staates vor einem senatorischen Gerichtshofe möglich ist; und anderseits kann dem allgemeinen Wohlstande kein schlimmeres Unglück widerfahren, als wenn die öffentliche Meinung Roms diesem Stande die Wahrheitsliebe, Unbestechlichkeit, Zuverlässigkeit, kurz das Gewissen abspricht. (5) In diesem Sinne glaub' ich einen wichtigen, schwerkranken und schon beinahe aufgegebenen Teil des Staatskörpers in eigene Behandlung genommen zu haben und dabei mindestens ebenso sehr eurem Ruf und eurer moralischen Stellung wie der meinigen zu dienen. Ich unternahm es, den üblen Leumund der Gerichtshöfe zu beseitigen, ihrer Unbeliebtheit den Boden zu entziehen; so würde, nach Entscheidung dieses Prozesses im Sinne des römischen Volkswillens, die Wiederherstellung des richterlichen Ansehens wenigstens teilweise meinen Bemühungen zugute gehalten werden; schließlich müßte, wie auch das Urteil ausfiele, den ewigen Streitigkeiten um die Gerichte jetzt doch ein Ende gemacht werden. (6) In der That bringt dieser Prozeß einen Fall zur Entscheidung, der für jene Mission ohne Zweifel wie geschaffen ist. Der Angeklagte ist ein besonders gefährlicher Übelthäter: wird er verurteilt, so werden die Leute aufhören zu behaupten, bei diesen Gerichten komm' es hauptsächlich aufs Geld an; wird er aber freigesprochen, so werden wir aufhören, der Übertragung der Gerichtshöfe an den anderen Stand unseren Widerstand entgegenzusetzen. – Indessen, an eine Freisprechung des Verres denkt niemand mehr, auch er selbst nicht; seine Hoffnungen und Roms Besorgnisse über diese Möglichkeit sind vorbei. Mancher wundert sich wohl über seine Unverschämtheit, daß er zu erscheinen wagt, daß er antworten will: ich kenne die ihm eigentümliche tolle Dreistigkeit und finde daher auch dieses sein Benehmen keineswegs zu verwundern. So oft hat er gegen Götter und Menschen ruchlos gesündigt; da Hetzen ihn die rächenden Furien, sie schlagen seinen Geist mit Blindheit und jagen ihn in die Irre. III. (7) In jäher Hast jagen ihn die Rachegeister der römischen Bürger, die er mit dem Beile hinrichten oder im Gefängnis ermorden oder, taub gegen ihre stehenden Anrufungen der Freiheit und des bürgerlichen Rechtes, ans Kreuz schlagen ließ. Ihn verfolgen die Götter unserer Väter um ihn aufs Schafott zu treiben; denn er that was kein anderer je ersann: er ließ die Söhne aus den Armen ihrer Eltern fortreißen und zum Tode führen, um sich dann von den Eltern das Recht, ihre Kinder zu begraben, abkaufen zu lassen. Und alle die religiösen Gefühle, die er mit Füßen getreten, der Gottesdienst in Tempeln und Kapellen, den er entweiht, die Bilder der Unsterblichen, die er aus ihren Heiligtümern gezerrt und die nun, von ihm verborgen und verschleppt, in öder Finsternis daliegen – sie alle gönnen seinem Hirn keine Ruhe und treiben ihn zum Wahnsinn. (8) So stellt sich dieser Mensch offenbar nicht zur Verurteilung allein; unmöglich kann der Urheber solcher Frevelthaten mit der gewöhnlichen Strafe der Habgier zufrieden sein; vielmehr verlangt seine ungeheuerliche, entsetzliche Natur nach einer ganz besonderen, unerhörten Strafe. Auch handelt es sich nicht bloß darum, daß nach seiner Verurteilung den Ausgeplünderten ihr Eigentum zurückerstattet wird; sondern den Kultus der unsterblichen Götter müssen wir reinigen, die Folter der römischen Bürger, das Blut vieler unschuldiger Leute durch seine Vernichtung sühnen. (9) Es ist ja nicht ein Dieb, sondern ein schonungsloser Räuber, nicht ein Ehebrecher, sondern ein gewaltsamer Zerstörer der Keuschheit, nicht ein Messerheld, sondern ein unsäglich grausamer Henker unserer Mitbürger und Freunde, den wir hier eurem Richterspruch überliefern: so behaupt' ich, er ist seit Menschengedenken der einzige Angeklagte, für den die Verurteilung geradezu ersprießlich wäre.

IV. Denn das weiß ein jeder: wenn Verres – gegen Götter- und Menschenwillen! – freigesprochen würde, so gäb' es doch kein Mittel, ihn den Händen des erbitterten Römervolkes zu entreißen. In der That wird berichtet, daß man an Verres Lynchjustiz üben wollte, und daß die Regierung einschreiten mußte – wie am 2. Oktober 1891, wo französische Pilger im Pantheon zu Rom das Grab Viktor Emanuels besudelten. Sollte der antike Bericht erfunden sein, so zeigt er immerhin, was möglich war und wie hoch man in der Kaiserzeit gerade die »Verrinen« schätzte. Auch das übersieht jedermann ohne Schwierigkeit, daß wir dann noch sehr zufrieden sein können, wenn das Volk sich mit diesem einen Opfer seiner gerechten Wut zufrieden giebt und nicht vielmehr die einfache Konsequenz zieht: »der Mensch mit all seinen Tempelräubereien, seiner Bestechlichkeit und Liebedienerei gegenüber den Piraten, seinen Metzeleien und Kreuzigungen unschuldiger Bürger hat sich gegen uns durchaus nicht schlimmer vergangen als die Geschworenen, die ihn all jener Frevel überführt sahen und ihn trotz ihres Eides freisprachen!« – (10) Nein, meine Herren, es giebt bei diesem Menschen schlechterdings keine Möglichkeit, ein solch himmelschreiendes Unrecht zu begehen; der Angeklagte ist nicht dazu angethan, der Moment auch nicht, die maßgebenden Persönlichkeiten auch nicht, und – wenn ich, ohne den Eindruck der Arroganz hervorzurufen, noch eines hinzufügen darf – auch der Kläger ist nicht der Mann danach, sich ein derartig böses, verkommenes und seiner Verbrechen überführtes Subjekt durch List wegschaffen oder durch Gewalt entreißen zu lassen. Man bedenke doch, aus welch erlesenen Mitgliedern dieses Richterkollegium besteht; und diese Leute sollte ich nicht zu der Erkenntnis bringen, daß Verres sich in ungesetzlicher Weise Geld angeeignet hat? Diese Männer sollten es riskieren, einer ganzen Reihe von Senatoren, von römischen Rittern, von Gemeindebehörden, von hochachtbaren Privatleuten aus einer der wertvollsten Provinzen, endlich von Urkunden jeder Art öffentlich den Glauben zu versagen? – (11) Gut, nehmen wir an, sie riskieren es. Dann werden wir (falls es überhaupt gelingt, den Angeklagten lebendig vom Platze zu schaffen) sofort einen anderen Gerichtshof ausfindig machen, dem wir die Beweise dafür beibringen, daß Verres als Quästor die dem Konsul Gnaeus Carbo anvertrauten Staatsgelder unterschlagen hat; wir werden es ihnen klar machen, wie er unter erlogenen Titeln – ihr habt es ja in der ersten Verhandlung erfahren – den städtischen Finanzbeamten ebenfalls bedeutende Summen entwendete. Da wird man ihm denn auch die Unverschämtheit vorhalten, mit der er unter allerlei Vorwänden den Hauptstock der an die Regierung abzuführenden Getreidelieferungen zu seinem persönlichen Vorteile nach Belieben verkürzte. Da werden andere auftreten und schärfste Strafe für jenen Raub am Staatseigentum verlangen, den Verres beging, indem er die Siegesdenkmale des Marcus Marcellus und Scipio Africanus, in Wahrheit gefeierte Siegesdenkmale des römischen Volkes, unseren Freunden und Alliierten entriß, um sie mit frecher Stirn von den Stätten der Andacht wegzuschleppen.

V. (12) Sollt' er aber selbst aus dieser Sturmflut von Klagen wieder emportauchen: dann mag er an die Führer feindlicher Banden denken, die er gegen ein Geldgeschenk aus der Gefangenschaft entließ, oder an die Strohmänner, die er an ihrer Stelle bei sich zu Haus in Gewahrsam hielt: mag er nur zusehen, wie er sich verantworten soll. Dann mag er sich auch überlegen, wie er es anstellen soll, um, ganz abgesehen von meiner Klage, gegen sein eigenes Geständnis wieder aufzukommen. Denn er muß sich erinnern, wie er in der ersten Verhandlung, eingeschüchtert durch das Gebrüll der erbitterten Volksmenge, selber eingestand: er hätte den gefangenen Piratenhäuptlingen die schuldige Todesstrafe erlassen, und schon damals hätt' er deswegen den Vorwurf der Bestechlichkeit befürchtet. Ja er soll nur bekennen, was doch nicht abzuleugnen ist, daß er nach seiner Rückkehr in die Reichshauptstadt, also als Privatmann, die Seeräuberhauptleute in seiner Wohnung beherbergte und gegen jeden Angriff beschützte – bis ich diesem Treiben Einhalt gebot. Wenn er in einem Prozesse wegen Schädigung der Reichshoheit seine Berechtigung zu einem solchen Verhalten nachweist, so will ich gerne zugeben, er habe seine Pflicht gethan. Aber angenommen selbst, er redet sich wiederum heraus: dann dring ich weiter vor, bis auf jenen Punkt, wohin mich schon lange niemand anders beruft als – das Volk. (13) Die Entscheidung über Bürgerrecht und Bürgerfreiheit nimmt das Volk für sich in Anspruch; und darin hat das Volk recht. Mag der Angeklagte mit seinen Gewaltmitteln die senatorischen Richterkollegien zerschmettern, mag er alle Untersuchungen durchbrechen, möget ihr den Vogel aus dem Käfige fortflattern lassen: glaubet mir, bei unserem Volke fängt er sich in engeren Schlingen, aus denen er nimmermehr entkommt. Unser Volk wird den römischen Rittern Glauben schenken, die zuerst vor euch als Zeugen vernommen wurden und vermeldeten, wie sie mit eigenen Augen die auf Verres' Befehl vollzogene Kreuzigung eines durch ehrenhafte Personen legitimierten römischen Vollbürgers mit ansehen mußten. (14) Alle fünfunddreißig Stadtbezirke werden einer so gewichtigen Persönlichkeit wie Marcus Annius Glauben schenken, der als Augenzeuge berichtete, wie ein Bürger Roms den Tod durchs Beil erlitt. Volles Gehör wird unser Volk dem verehrlichen Ritter Lucius Flavius leihen, der als Zeuge erzählte, wie sein Freund, der Großkaufmann Herennius aus Afrika, trotz des Einspruches von über hundert in Syrakus ansässigen römischen Bürgern, die ihn unter Thränen verteidigten, ebenfalls dem Henkerbeile des Verres zum Opfer fiel. Da wird der durch alle günstigen Eigenschaften glänzend empfohlene Zeuge Lucius Suetius mit seiner Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit durchdringen: er hat es bekanntlich auf seinen Eid genommen, daß zahlreiche Bürger Roms auf Verres' Befehl in den Steinbrüchen von Syrakus auf entsetzlich grausame Weise abgeschlachtet wurden. – Wenn ich diesen Prozeß zum Heile der Nation führe, wenn ich meine Klage dort oben von jener Tribüne herab, von der man zum Volke spricht, vortrage, dann wird, dessen bin ich sicher, keine Gewalt der Erde diesen Menschen da vor dem Gerichte des Volkes retten, und anderseits meine Ädilenthätigkeit dem Volke keine höhere und willkommenere Gabe bieten können. Der Hinweis auf die Ädilenthätigkeit soll das Volk natürlich durch die Erwartung glänzender Festspiele ködern.

VI. (15) So mögen denn alle möglichen Menschen vor dem Gerichtshof alle möglichen Versuche anstellen: niemand kann in diesem Prozesse mehr etwas Verderbliches durchsetzen, ohne daß daraus Gefahren für euch entstünden. Wie ich mich verhalte, das hat ja einerseits die Vergangenheit gezeigt, anderseits steht es für die Zukunft unerschütterlich fest. Ich diene dem Staatswohl; meinen Eifer hierbei zeigte schon die Thatsache, daß ich damals nach langer Pause auf die alte Rechtsgepflogenheit zurückgriff und im Namen der mir speciell nahestehenden Bundesgenossen unseres Volkes den Namen dieses Verbrechers auf die Anklageliste setzte. Dieser Schritt ward von einer Anzahl der erlesensten Männer Roms (auch mehrere von euch waren darunter) nicht nur gutgeheißen, sondern sie gingen so weit, dem ehemaligen Kabinettschef des Verres, der mit ihm zerfallen war und nun einen gerechten Angriff gegen ihn ausführen wollte, nicht nur die Genehmigung zur Anklage, sondern sogar die nächstdem erbetene Erlaubnis zur Mitunterschrift meiner Anklage zu versagen. (16) Sodann reist' ich zum Zweck ausgiebiger Materialsammlung nach Sicilien. Dabei erwies ich mich im hohen Grade rührig (das zeigt meine schnelle Rückkehr) und aufmerksam (das zeigt die große Menge der Belastungszeugen und -Schriftstücke), zugleich aber zurückhaltend und taktvoll: denn obwohl ich als Mitglied des römischen Senates zu römischen Bündnern kann, obwohl ich selbst früher in eben dieser Provinz als Staatsbeamter gelebt und nun als Vertreter ihres Gesamtinteresses aufzutreten hatte, so zog ich es doch vor, lieber bei meinen persönlichen Freunden privatim abzusteigen als die offizielle Gastfreundschaft meiner Schutzbefohlenen anzunehmen. Daß Cicero nicht in Hotels Unterkunft suchte, verstand sich von selbst; die Sitte ausgedehnter Gastfreundschaft selbst gegen ganz Unbekannte, die nur einen Empfehlungsbrief mitbringen, ist noch heute in vielen Teilen Griechenlands, den italienischen Mittelmeerinseln und sonst im Süden verbreitet. Kein Mensch hatte irgend welche Umstände oder Kosten durch meine Anwesenheit; weder Einzelnen noch Behörden fiel ich zur Last. Bei meinen Forschungen bedient' ich mich der Macht, die mir das Gesetz verlieh, und nicht etwa derjenigen, die mir der Diensteifer der von Verres gequälten Sicilianer hätte verleihen können. – (17) Ich kehrte nach Rom zurück; Verres und seine Freunde, lauter höchst gewandte echte Großstädter, hatten allerlei Gerüchte ausgesprengt, um die Zeugen einzuschüchtern, z. B. daß man mich durch eine Bestechung im großen Stile vermocht hätte, die Klage zurückzuziehen. Solchem Geschwätze traute natürlich kein Mensch; die Zeugen aus Sicilien, die mich in ihrer Heimat als Verwaltungsbeamten kennen gelernt hatten, waren hergekommen, und außerdem gab es hier unter den Römern Leute allerersten Ranges, denen wir alle genau so bekannt sind wie sie der Stadt: dennoch fürchtete ich irgendwo einigen Zweifel an meiner tadellosen Rechtlichkeit voraussetzen zu müssen, bis es zu der Verwerfung der Richter kam. VII. Ich wußte, bei diesem Akte war es wohl zuweilen vorgekommen, daß man den Verdacht des heimlichen Einverständnisses nicht vermeiden konnte, wenn man auch bei der Anklage selbst die emsigste Thätigkeit entfaltete. (18) Ich verfuhr bei der Verwerfung in einer Weise, daß zugestandenermaßen seit dem Bestehen unserer jetzigen Staatsverfassung kein Richterkollegium von ähnlich imponierender Würde zusammengetreten ist. Diesen Ruhm behauptet freilich mein Gegner mit mir teilen zu dürfen; aber er verwarf den Publius Galba und beließ den Marcus Lucretius, und als ihn sein Anwalt über die Gründe der Verwerfung seiner Freunde Sextus Peducaeus, Quintus Confidius und Quintus Junius befragte, da erwidert' er, die seien ihm beim Rechtsprechen erfahrungsgemäß gar zu selbständig und überzeugungstreu. – (19) Auch dieser Akt war erledigt: nun hofft' ich meine Last mit euch gemeinsam zu tragen. Ich setzte voraus, daß Bekannte und Unbekannte über meine Redlichkeit und Aufmerksamkeit im klaren wären. In dieser Annahme täuscht' ich mich nicht. Denn am Tage der Wahlen, wo Verres mit unabsehbaren Geldspenden gegen mich wühlte, gab Rom seine Gesinnung zu erkennen und zeigte, daß Verres' Schätze beim Volke so wenig gegen meine Beförderung auszurichten vermochten, wie bei mir selbst gegen mein Gewissen. – Endlich erschien der Tag, wo ihr, meine Herren, zum erstenmal zusammen kamet um über Verres zu Gericht zu sitzen. Wer hätte da soviel Feindschaft gegen den Senatorenstand, soviel revolutionäre Gesinnungen in Bezug auf Gerichtshöfe und Richter im Busen getragen, daß ihn der Anblick dieser Versammlung nicht tief ergriffen hätte? (20) Eure Würde trug mir die Früchte meiner Mühen ein: was ich erreichte, war nicht mehr und nicht weniger als folgendes. Ich begann zu sprechen, und binnen einer Stunde hatt' ich dem Angeklagten trotz all seiner gemeinen Frechheit, seines Reichtums und seiner Verschwendung jede Aussicht auf Bestechung des Gerichtshofes abgeschnitten. Noch am ersten Gerichtstage führte ich genug Zeugen vor, um das Volk zu der Einsicht zu bringen, eine Freisprechung des Verres würde das Gleichgewicht des Staates erschüttern; der zweite Tag benahm seinen Freunden und Sachwaltern nicht nur jede Hoffnung auf Sieg, sondern auch jede Lust zu weiterer Verteidigung; der dritte Tag schlug den Menschen derart zu Boden, daß er eine Krankheit vorschützte und sich überlegte, nicht etwa was er antworten, sondern wie er's einrichten sollte um nicht zu antworten; endlich an den übrigen Tagen ward er durch die Klage sowie durch Zeugen aus der Provinz und der Hauptstadt dermaßen zerschmettert, daß man den neuen Termin, nach der Pause für die Festspiele, gar nicht mehr als Tag des Urteils, sondern nur als Tag seiner Verdammnis bezeichnet. – VIII. (21) Was mich also anbetrifft, meine Herren, so hab ich bereits den Sieg errungen; denn worum es mir zu thun war, das ist nicht der Triumph über Verres, sondern die Gesinnung unseres Volkes. Meine Aufgabe war: erstens, mit einem ordentlichen Motiv die Anklage zu unternehmen, – und welches Motiv wäre triftiger, als die Berufung seitens dieser trefflichen Provinz zur Wahrung ihrer Interessen? – zweitens, für unseren Staat zu sorgen, – und wie hätt' ich ehrenvoller für ihn eintreten können als indem ich zur Zeit der bösesten Unbeliebtheit der Gerichtshöfe einen Angeklagten herbeischuf, durch dessen Verurteilung der ganze Stand sich aufs herrlichste mit dem Volke aussöhnen kann? – endlich drittens, den schlüssigen Beweis zu erbringen, daß der Kerl ein Verbrecher ist: und wo giebt's im ganzen Volke noch einen Menschen, der daran zweifelte, daß die Frevel, die Raub- und Schandthaten aller früheren Delinquenten zusammengenommen kaum mit einem kleinen Teil von Verres' Leistungen den Vergleich aushalten? – (22) Ihr, meine Herren, möget jetzt thun, was euer Ruf, eure Stellung und das Gemeinwohl verlangt: in eure Hand ist die Sorge für Rom gegeben. Ihr stehet zu erhaben da, als daß ihr einen Fehltritt begehen könntet, dessen verderbliche Folgen der Staat nicht sofort in verhängnisvollster Weise verspüren müßte. Denn das Volk kann nicht hoffen, daß sich im Senat andre urteilsfähige Leute finden, wenn ihr euch nicht urteilsfähig zeiget. So muß es an dem ganzen Stande verzweifeln, und daraus ergiebt sich die weitere unabweisbare Notwendigkeit, daß es nach einer anderen Art von Geschworenen und nach einer neuen Organisation der Gerichte verlangen muß. Diese Aussicht erscheint euch vielleicht gleichgültig, weil ihr die Richterthätigkeit als eine schwere störende Last empfindet; aber bedenket wohl, daß es einen Unterschied ausmacht, ob ihr diese Last selber abschüttelt oder ob das Volk in eure vielbeteuerte Ehrlichkeit Zweifel setzt und euch deshalb die Erlaubnis zum Rechtsprechen entzieht. Zugleich vergesset auch die Gefahr dieser Umwälzung nicht: wie sollen wir den Richtern gegenübertreten, die das Volk aus Haß gegen euch zu Richtern über euch bestellt hat! (23) Aber ich will euch noch ein Resultat meiner Beobachtungen mitteilen. Ihr müßt nämlich wissen, es giebt Leute, die von einem solchen Haß gegen unseren Stand beseelt sind, daß sie bereits offen erklären, sie kennen zwar den Verres in seiner ganzen Nichtswürdigkeit, aber sie wünschen dennoch seine Freisprechung, einzig und allein damit der Senat kompromittiert und ihm die Gerichte mit Schimpf und Schande entzogen werden. Ich denke, damit ist's genug. Wenn ich über diesen Punkt, meine Herren, so viele Worte verloren habe, so zwang mich dazu nicht etwa eine Besorgnis meinerseits in betreff eurer Aufrichtigkeit, sondern die eben charakterisierte, verschiedentlich bemerkbare Hoffnung; ein Moment, das den Verres mit einem Male vom Thor unserer Stadt wieder vor den Gerichtshof schleppte und daher bei manchem den Verdacht erweckte, er habe nicht ohne Ursache seinen Plan so plötzlich geändert.

VIIII. (24) Zur Sache. Ich muß Vorkehrungen treffen, damit Hortensius nicht etwa ein neues Beschwerdesystem einführt und sagt: »Der Angeklagte wird ja einfach unterdrückt, wenn der Kläger gar nichts von ihm erzählt; nichts ist so gefährlich für das Geschick der Unschuldigen, als wenn ihre Gegner stillschweigen!« Ja, er könnte möglicherweise meiner Rednergabe – freilich in einem mir keineswegs willkommenen Sinne – ein Lob erteilen durch Bemerkungen des Inhalts: »Hättest du ausführlich geredet, so hättest du deinem Angriffsobjekt die Situation erleichtert; nun hast du ihn bloß durch dein Nichtreden zu Grunde gerichtet.« – Um alledem vorzubeugen, will ich ihm denn den Gefallen thun und ein zusammenhängendes Plaidoyer loslassen, nicht als ob ein solches noch nötig wäre, sondern um die Probe anzustellen, was ihm denn schlimmer bekommt, mein damaliges Schweigen oder mein heutiges Reden. (25) Du wirst vielleicht aufpassen, daß ich mir keine einzige Stunde von der gesetzlichen Dauer abziehe; wenn ich nicht von der vollen Zeit, die mir Kraft des Gesetzes zur Verfügung steht, Gebrauch mache, so wirst du dich beschweren, wirst pathetisch Götter und Menschen anrufen, um zu beteuern, Verres werde überlistet, denn sein Ankläger wolle ja nicht so lange reden wie er dürfe. Also was nur das Gesetz in meinem Interesse zur Verfügung stellt, davon sollt ich nicht nach meinem Belieben mehr oder weniger Gebrauch machen können? Denn in meinem Interesse ist mir die Zeit für die Anklagerede überlassen, auf daß ich in Ruhe meine Klagepunkte vortragen und motivieren könne. Wenn ich diese Zeit nicht voll ausnutze, so thu' ich dir damit keinen Schaden, sondern ich ziehe von meinem eigenen Recht und Vorteil etwas ab. – »Man muß doch den ganzen Sachverhalt erfahren,« meint er. Allerdings, denn sonst kann kein Angeklagter verurteilt werden, selbst der schlimmste Verbrecher nicht. So hast du dich also geärgert, weil ich etwas gethan habe, was nicht direkt auf die Verurteilung des Verres hinzielt? Denn wenn der Sachverhalt klargelegt ist, so giebt es wohl in vielen Fällen eine Freisprechung; ist er es aber nicht, so giebt es unter keinen Umständen eine Verurteilung. – (26) Ich nehme, heißt es weiter, dem Angeklagten die Zuflucht zu einem zweiten Termine, den das Gesetz bekanntlich gestattet. Allerdings, das Gesetz enthält nun einmal diesen höchst unpraktischen Paragraphen, daß ein schon entschiedener Prozeß noch einmal geführt werden darf. Aber dieser Paragraph kommt mir mehr zu statten als dir, jedenfalls dir nicht mehr als mir. Denn wenn es nur bequem ist, zweimal zu reden, so ist der Vorteil natürlich für beide der gleiche; wenn es aber darauf ankommt, daß der zweite Redner, also der Verteidiger, widerlegt werde, so besteht der Paragraph, daß eine zweite Klage erhoben werden darf, zum Vorteile des Klägers. Indessen, es war ja wohl Glaucia, Gaius Servilius Glaucia , nach Mommsen »ein gemeiner Gesell niedrigster Herkunft und unverschämtester Straßenberedsamkeit,« brachte als Prätor im Jahre 100, unterstützt durch Marius und Saturninus, eine Reihe revolutionärer Gesetze durch; noch in demselben Jahre ward er auf Anstiften der Senatspartei erschlagen. der zum erstenmal die Anberaumung eines solchen zweiten Termines beantragte; bis dahin ward entweder beim ersten Termin das endgültige Urteil gefällt oder die Sache als unentschieden »bis auf weiteres« vertagt. Der Unterschied zwischen den beiden Arten der Vertagung bestand darin, daß nach Glaucias Gesetze (dessen hierher gehöriger Paragraph in die für den gegenwärtigen Prozeß gültigen Gesetze Sullas aufgenommen war) die vertagte Angelegenheit am drittnächsten Gerichtstage wieder vorgenommen werden mußte, während nach dem Gesetze des Acilius die Sache ins Unbestimmte verschoben ward, so daß eine Wiederaufnahme des Gegenstandes unwahrscheinlich, ja so gut wie ausgeschlossen war. Welches Gesetz findest du wohl nachsichtiger? doch ohne Zweifel das alte, unter dem eine sofortige Freisprechung oder auch eine viel spätere Verurteilung möglich war. Ich möchte dir einmal probeweise das alte Gesetz des Acilius Dieser Acilius Glabrio ist der Vater des Präsidenten, vor dem sich der gegenwärtige Prozeß abspielt; auf sein Erpressungsgesetz hatte Cicero vor Beginn des Zeugenverhörs in sehr wirksamer Weise durch Anrufung des römischen Familienstolzes hingewiesen (S. 77). wieder herstellen, nach dem Viele verurteilt wurden auf einmalige Anklage, einmalige Verteidigung und einmaliges Zeugenverhör, und zwar ohne daß auch nur entfernt so schwere und offenkundige Delikte vorlagen wie hier in unserem Fall. Stelle dir vor, du hättest deinen Prozeß nicht unter dem jetzigen, unglaublich strengen, sondern unter dem alten, unvergleichlich milderen Gesetze zu führen. Ich erhebe die Klage, du erwiderst mit der Verteidigung; ich führe die Zeugen vor und lasse die Richter zur Beratung abtreten: unter dem Eindrucke dieser Zeugenaussagen würden sie, trotz der gesetzlichen Erlaubnis der unbestimmten Vertagung, es für eine Schande halten, nicht sofort das Verdikt zu fällen. – Dieser Einwand wäre also nicht stichhaltig, selbst wenn seine Voraussetzungen hier zuträfen.

X. (27)Indessen, Auch die hier folgende Widerlegung eines zweiten Einwandes beruht immer auf der Voraussetzung, daß Cicero auf eine zusammenhängende Anklagerede, wie sie jetzt tatsächlich folgen soll, verzichtet hätte und nun von seinen Gegnern beschuldigt würde, durch diesen Verzicht dem Angeklagten in unpassender Weise geschadet, also einen Kampf mit ungleichen Waffen herbeigeführt zu haben. der Sachverhalt soll bekannt gegeben werden. Ja, ist er denn nicht bekannt genug? Lieber Hortensius, bei unseren Reden haben wir gar häufig eine Erfahrung gemacht, die wir nur allzugerne verleugnen. Wer hört uns denn so sehr aufmerksam zu, wenigstens bei dieser Art von Prozessen, wo die Erzählungen sich darum drehen, da der eine dem anderen etwas geraubt oder gestohlen hat! Richtet sich da nicht die ganze Erwartung der Richter einzig auf Urkunden und Zeugen? Ich sagte im ersten Termin, ich würde beweisen, daß Gaius Verres sich vierzig Millionen Sesterzen widerrechtlich angeeignet hat. Nun denn, ich hätte die Sache wohl klarer gestellt, wenn ich sie folgendermaßen erzählt hätte: »In Alaisa lebte ein Mann Namens Dion; dessen Sohn machte in der Verwaltungsperiode des Gaius Sacerdos eine sehr bedeutende Erbschaft von einem seiner Verwandten. Alles ging ohne irgendwelche Schwierigkeiten und Streitigkeiten ab. Da kam Verres in die Provinz; kaum hat er ihren Boden betreten, so schickt er gleich von Messana aus einen Brief ab, ladet den Dion vor, sorgt aus eigener Tasche für die nötigen Verleumder, die erklären sollten, die fragliche Erbschaft wäre dem Tempelschatze der Aphrodite auf dem Berg Eryx bestimmt gewesen, und fügt hinzu, er selbst behalte sich das Urteil in dieser Angelegenheit vor.« Diese Probe einer Erzählung, wie man sie nicht machen soll, ist absichtlich in einem etwas plumpen Tone gehalten. Cicero läßt hier in feiner Weise merken, wie nah ihm für die folgende Darstellung die Gefahr der Monotonie lag; und in der That ist es erstaunlich, wie er die Erzählung so vieler gleichartiger Vorkommnisse mannigfach zu gestalten, zu beleben und, was für den Redner wie heutzutage für den Musiker die Hauptsache ist, zu steigern wußte. Er stellt hiermit eine rhetorische Anforderung an sich und macht den Leser gespannt auf die Art, wie er sie erfüllen wird. Darin liegt viel Stolz; er durfte sich in dieser Weise auf die Probe stellen, weil er sich seiner Kunst sicher wußte. (28) Ich könnte dann der Reihe nach die ganzen Vorgänge herzählen und zum Schlusse der Wahrheit gemäß berichten, daß Dion eine Million Sesterzen bezahlte um seine (durchaus unanfechtbare) Unschuld bestätigt zu erhalten, und daß ihm Verres außerdem seine Stutenherden wegtreiben, auch seinen ganzen Besitz an Silbergerät und Teppichen wegnehmen ließ. Aber ob ich nun so einen Vorgang erzähle oder ob du ihn leugnest, auf unsere Reden kommt dabei nicht sehr viel an. Welches ist also der Moment, wo der Richter seine Ohren spitzt und seine Gedanken zusammen nimmt? Offenbar der, wo Dion selbst vortritt und zugleich die anderen Leute, die damals in Sicilien mit ihm geschäftlich verkehrten; wo es sich herausstellt, daß er sich gerade in den Tagen seines Prozesses Geld auf Zinsen lieh, seine ausständigen Posten einkassierte und seinen Grundbesitz verkaufte; wo die Korrespondenz des Dion mit den anständigen Leuten vorgelegt wird, die ihm in seiner Not mit Geld aushalfen und die nun erklären, sie hätten damals gleich gehört, er brauchte das Geld um es dem Verres zu geben; wo endlich die bestbeleumdeten Freunde und Sachwalter Dions dieses Gerücht von sich aus bestätigen: (29)  da, mein ich, in solchen Augenblicken würdet ihr zuhören, wie ihr auch tatsächlich zugehört habt; hierin und nur hierin würdet ihr die wirkliche Darlegung des Tatbestandes erkennen. Ich habe denn auch im ersten Termin alles in der Art vorgebracht, daß niemand von euch auch nur für einen einzigen unter den zahlreichen Klagepunkten eine fortlaufende Anklagerede vermißte. Ich behaupte, kein Zeuge hat etwas ausgesagt, das jemandem von euch unklar blieb oder der zusammenhängenden Darstellung durch die Kunst eines Redners bedurft hätte. XI. Denn wie ihr euch wohl erinnert, richtet' ich das Verfahren so ein, daß ich innerhalb des Zeugenverhörs alle Klagepunkte darlegte und auseinandersetzte; war die ganze Sache klargestellt, erst dann befragt' ich den jeweiligen Zeugen. Folglich seid nicht nur ihr, die ihr das Urteil fällen sollt, mit den Klagepunkten vertraut, sondern auch das Volk hat den genannten Thatbestand, hat alle Motive meines Vorgehens erfahren.

Dabei sprech' ich immer noch so, als hätt' ich dieses Vorgehen aus eigenem Antriebe gewählt, während mich in Wahrheit die Intriguen meiner Gegner dazu zwangen. (30) Ja, ihr seid daran schuld! Ihr schobet nämlich einen anderen Ankläger vor, der, nachdem ich mir eine Frist von nur hundertzehn Tagen für meine Untersuchungsreisen in Sicilien ausgebeten hatte, sich eine solche von hundertacht Tagen für Achaia ausbitten sollte. Drei wertvolle, für den Verfolg der Klage besonders geeignete Monate nahmet ihr mir weg, und dann glaubtet ihr, den ganzen Rest dieses Jahres würd' ich euch schenken, so daß nach Ablauf der mir zur Verfügung stehenden, durch die Anklagerede voll ausgefüllten Zeit die beiden Perioden der Festspiele dazwischen kämen und du mir erst vierzig Tage später zu antworten brauchtest; dann sollte die Zeit so hingeschleppt werden, daß wir vom Präsidenten Manius Glabrio und einem großen Teil der jetzt hier anwesenden Geschworenen vielmehr zu einem neuen Gerichtshofe mit durchweg verändertem Personale kämen. (31) Hätt' ich das nicht gemerkt, wär' ich nicht von allen Seiten, Bekannten und Unbekannten, darauf aufmerksam gemacht worden, daß man mit Aufgebot der äußersten Mittel daran arbeitete, den Prozeß bis ins neue Jahr zu verschleppen: ich glaube, es wäre doch nicht anders gekommen. Denn ich hätte mir gesagt: »wollt' ich die mir zugemessene Zeit auf eine Rede verwenden, ich würde ja das Material nicht bewältigen, die Sprache reicht nicht aus, Kraft und Stimme müssen mir versagen; und den Menschen, den beim ersten Termine niemand zu verteidigen wagt, zweimal anzuklagen, das trau' ich mir nicht zu.« – Ich habe mein Verfahren sowohl den Richtern wie dem Volke plausibel gemacht; kein Mensch hielt bei den schamlosen Umtrieben meiner Gegner ein anderes System des Widerstandes für möglich. Wie thöricht hätt' ich sonst auch sein müssen! Die Herren, die den Verres loskaufen wollten, brauchten bei ihren Vorschlägen immer die Formel, »wenn der Termin nach Neujahr anberaumt wird;« also gerade auf den Termin, den sie sich für ihr Manöver wünschten, hätt' ich hereinfallen sollen, wo ich es vermeiden konnte! Man traut mir wirklich eine starke Dosis Dummheit zu. – (32) Jetzt hingegen ist der Moment für den Vortrag gekommen; die nötige Zeit dafür ist mir überlassen, und auf sie muß ich Rücksicht nehmen, da ich den ganzen Sachverhalt auseinanderzusetzen gewillt bin.

XII. Den ersten, unsagbar scheußlichen Abschnitt im Leben des Angeklagten will ich hier übergehen. Nichts soll er von mir über die schmutzigen Vorgänge seines Knaben- und Jünglingsalters zu hören bekommen; wie er es hinbrachte, das wißt ihr ja aus eigener Erinnerung, oder ihr könnt es an dem Menschen seinesgleichen ersehen, den er euch vorgeführt hat. Gemeint ist der mehrfach charakterisierte Sohn des Verres, der nach altem Rezepte mitgebracht worden war, um durch seine Jugend das Mitleid der Richter für den Angeklagten rege zu machen. – Dieses Mittel hatte oft die glänzendsten Resultate erzielt, nicht bloß bei politischen Verbrechern, sondern auch bei gewöhnlichen Geldschwindlern vom Schlage des Verres; wer indes die Innigkeit beobachtet hat, mit der im Süden noch heute die Väter ihre Kinder pflegen und warten, und wer an das Elend denkt, das gewöhnlich der Familie eines Verbannten harrte, der wird das Mittel und seine Wirkungen nicht mehr so seltsam finden. In unseren römischen Geschichtsbüchern ist freilich von der Innigkeit des Familiensinnes, die selbst an den Griechen gebührend hervorzuheben unsere Historiker meist vergessen, keine Rede; aber während uns die Griechen jenen Zug ihres Wesens in zahllosen Äußerungen ihrer Litteratur und bildenden Kunst mitteilen, sind die Römer an den gemeinhin verbreiteten irrigen Vorstellungen selber schuld: nie sprechen sie von ihrem Herzen. Nach ihrer Litteratur müßte man annehmen, sie konnten nichts anderes als Kriege führen und Gesetze geben; ihre bildende Kunst ist ausschließlich repräsentativ. Die griechische Litteratur und Kunst, natürlich gewachsen und organisch entwickelt, zeigt uns das Hellenenvolk wie es war; die römische, künstlich von Fremden gezüchtet, zeigt diejenige Seite des Latinervolkes, welche ein bestimmter Stand der Nachwelt gerne zeigen wollte. Jene giebt ein Sein, dieses einen Schein; und aus diesem Scheine beruht mit unserer Erziehung fast die gesamte moderne Civilisation – nämlich mit Ausnahme jener germanischen Elemente, welche, spärlich aber gesund und in immer steigender Zahl und Kraft, allmählich ein Lebensgebiet nach dem anderen erobern. Ich will alles übergehen, was ich zu schmutzig finde, um es auszusprechen; nicht bloß was sich für sein Ohr, sondern auch was sich für meine Zunge schickt, werd' ich mir wohl überlegen. Ich bitt' euch, macht meinem Schamgefühl diese Konzession: gestattet mir, wenigstens über ein gewisses Kapitel seiner Schamlosigkeit zu schweigen. (33) Die ganze Periode seines Lebens bis zu dem Augenblicke seines Eintrittes in den Staatsdienst mag ihm meinetwegen ungestraft hingehen; er mag sich beruhigen, ich plaudere nichts aus von seinen wüsten nächtlichen Orgien, von seinem Verkehr mit Kupplern, Zuhältern, Spielern und Schlemmern, von dem Ruin, den er über die Existenz seines Vaters wie über seine eigene Jugend brachte. Kein Wort mehr von der alten Schande; mag er diesen Profit einstecken, mag sein weiteres Leben mir gestatten auf diese ansehnliche Masse von Belastungsmaterial zu verzichten. – (34) Aber du tratest in den Staatsdienst und wurdest – es sind jetzt gerade dreizehn Jahre her – Quästor des Konsuls Gnaeus Papirius Carbo. Was du seit jenem Tage bis zu diesem Augenblicke gethan, das bring' ich vor den Gerichtshof; es wird sich zeigen, daß du keine Stunde hingehen ließest ohne Frevel und Missethat, ohne Grausamkeit und Raub. – Diese Jahre verbracht' er zunächst als Quästor beim Konsul, dann als Legat in Kleinasien, später als Prätor in Rom und endlich als Statthalter in Sicilien. Demgemäß wird sich meine Anklage in vier entsprechende Hauptabschnitte zergliedern.

XIII. Der Quästor erhält nach Senatsbeschluß eine Provinz; über die Auswahl entscheidet das Los. Dir fiel die Konsularprovinz zu; du hattest also den Konsul Gnaeus Carbo zu begleiten und mit ihm seine Provinz zu verwalten. Damals war unser Gemeinwesen von inneren Wirren zerrissen; Es war die Zeit der für Rom so furchtbaren Kämpfe zwischen Marius und Sulla; der hier genannte Carbo gehörte zu Marius' überzeugten Anhängern. ich will mich nicht weiter darüber äußern, wie du dich in ihnen hättest verhalten müssen; nur soviel sag' ich, daß es unter jenen Umständen deine Pflicht war festzustellen, welcher Partei du dich anzuschließen gedachtest. – Carbo empfand es unangenehm, daß ihm als Quästor ein Mensch beigegeben wurde, der sich nur durch Schwelgerei und Trägheit hervorthat; dennoch ließ er ihm vorzügliche Behandlung angedeihen und zog ihn zu allen Amtsgeschäften heran. Um gleich auf die Hauptsache zu kommen: die Kriegskasse ward ihm anvertraut, und nun reiste der Quästor nach der Provinz ab. In Gallien diesseits der Alpen Ein großer Teil von Oberitalien war noch damals von jenen keltischen Völkerschaften bewohnt, die dem römischen Reiche seit Jahrhunderten zu schaffen machten; mit den widerspenstigsten dieser Gallier, den Bewohnern des Landes um Genua, hat erst Augustus endgültig aufgeräumt. Aus der Vermischung lateinischer und keltischer Elemente erklärt sich zum Teile (noch mehr allerdings durch die germanische Einwanderung des Mittelalters) die ausfallende Charakterverschiedenheit zwischen den modernen Bewohnern des nördlichen und des übrigen Italien. , wo der Konsul mit dem Heere stand, erwartete man ihn bereits mit der Kasse; und nun beachtet, wie der Mensch seine Amtsverwaltung und seine Thätigkeit im Dienste des Staates eröffnete: sobald sich ihm die erste günstige Gelegenheit bot, unterschlug dieser Quästor die Staatsgelder und wurde flüchtig vor Konsul, Armee, Los Daß das Los in diesem Zusammenhange erwähnt wird, darf nicht befremden; da man in der durch das Los herbeigeführten Entscheidung den göttlichen Willen sah, so galt es als etwas Heiliges und seine Verletzung für schlimmer als ein bloß materielles Verbrechen. Gegenüber Caecilius hat Cicero von diesem frommen Glauben eifrig Gebrauch gemacht, da Caecilius durchs Los als Quästor in die von Verres regierte Provinz beordert gewesen war; Auguren pflegten sich zwar schon damals anzulächeln, aber eingestehen durfte man sich nichts, und beim »Volke« machte ein Appell an die Frömmigkeit jederzeit den erwarteten Effekt. und Provinz. – (35) Ich sehe, was ich hier angestiftet habe: Verres richtet sich auf; er hofft, gegen diesen Vorwurf könnte ihm ein linderndes Lüftchen zuwehen von der schützenden Gesinnung derjenigen, die den Carbo haßten und selbst jetzt nach seinem Tode den Namen nicht hören mögen; er redet sich ein, solche Leute würden ihm die Desertion und den Verrat an seinem Konsul hoch anrechnen. Als ob er das aus Diensteifer für die Adelspartei oder sonstwie aus politischen Gründen gethan hätte! In Wahrheit hat er ganz einfach den Konsul, das Heer und die Provinz bestohlen und dann wegen seines schamlosen Diebstahles das Weite gesucht. Es wäre denn doch gar zu naiv, wollte man die Sache als unklar darstellen, als läge sie womöglich so, daß Verres aus unüberwindlicher Abneigung gegen die Emporkömmlinge von einfacher Herkunft nun zu der Adelspartei, also seinen Standesgenossen, übergegangen wäre und am Geld ihm gar nichts läge! (36) Lasset uns denn nachsehen, in welcher Weise er seinen Rechenschaftsbericht ablegte; da wird er gleich selber anzeigen, warum er den Gnaeus Carbo verließ, da wird er sein eigenes Urteil sprechen. XIIII. Zunächst beachtet die Kürze. Da heißt es in seinem Berichte:

»Ich empfing in bar zwei Millionen, zweihundertundfünfunddreißigtausendundvierhundertsiebzehn Sesterzen. Ich zahlte an Sold, Getreidelieferungen, Gehältern für die Beamten und Kosten für das Gefolge: eine Million, sechsmalhundertfünfunddreißigtausendvierhundertsiebzehn Sesterzen. Den Rest im Betrage von sechsmalhunderttausend Sesterzen ließ ich in Ariminum.«

Das nennt man Rechenschaft ablegen! Hab' ich jemals in dieser Weise Rechenschaft abgelegt, oder du, Hortensius, oder irgend ein Mensch auf der Welt? was soll das heißen, was ist das für eine unverschämte Dreistigkeit? wo hat man je ein solches Exemplar von einem Rechenschaftsbericht gesehen? Und was den Restbestand von sechsmalhunderttausend Sesterzen anbetrifft, die er nicht einmal unter falschem Titel irgendwem anrechnen konnte und daher in Ariminum gelassen zu haben vorgiebt, so hat diese Summe weder Carbo angerührt noch hat Sulla sie gesehen noch ist sie der Regierung abgeliefert worden. Er hat sich Ariminum ausgesucht, weil dieses Städtchen zur Zeit seiner Rechenschaftsablage zerstört und geplündert war; Es wurde bald hergestellt und durch Augustus mit glänzenden Bauten ausgestattet, von denen man im heutigen Rimini noch einige kümmerliche Reste sieht. er hatte aber keine Ahnung davon, was er jetzt gleich zu schmecken bekommen soll, daß eine ganze Menge Leute jene Katastrophe von Ariminum überlebten und nun als unsere Zeugen zur Verfügung stehen. – (37) Bitte weiter aus dem Rechenschaftsberichte vorzulesen. Die Verlesung der eingeschobenen Dokumente geschieht durch einen Subalternen, d. h. einen routinierten Gerichtsdiener, dem der Redner im voraus das Material überwiesen und derart geordnet hat, daß er an jeder gewünschten Stelle sofort mit dem authentischen Wortlaut einsetzen kann.

»Nachdem Publius Lentulus und Lucius Triarius Berüchtigte Werkzeuge Sullas und der Adelspartei, die in der hier erwähnten Stellung eine Art finanzieller Allmacht besaßen. zu Reichskassenverwaltern ernannt waren, kam die Angelegenheit der Rechnungsablage« 

Weiter!

»nach Senatsbeschluß –«

Also nur um unter solchen Verhältnissen seine Rechenschaft ablegen zu können, ward er plötzlich zu einem Anhänger Sullas, und nicht um der Adelspartei im Kampf um ihre gebietende Stellung beizustehen.

Wärest du damals durchgegangen ohne etwas mitzunehmen, so wäre doch diese nichtswürdige Flucht als ein frevelhafter Verrat an deinem Konsul zu beurteilen. – »Aber Gnaeus Carbo war ein schlechter Bürger, ein böser Konsul, ein Revolutionär!« – Mag er es für andere gewesen sein, wann ward er es denn für dich? offenbar doch erst dann, als er dir die Kasse, die Proviantlieferungen, die Verwaltung und die Armee überlassen hatte. Denn hättest du vorher an seiner Gesinnung Anstoß genommen, so hättest du dich aufgeführt wie im nächsten Jahre Marcus Piso. Der war dem Konsul Lucius Scipio beigegeben worden, aber weder rührt' er die Gelder an noch reist' er zur Armee ab; er hatte seine politische Überzeugung, und die führt' er durch, ohne sich an seinem Rufe oder der Ehre seines Hauses oder an dem erhabenen Bande des Loses zu versündigen. XV. (38) Denn wenn wir erst anfangen all' diese Dinge zu trüben und zu vermischen, dann wird unser Leben eitel Bosheit, Haß und Hinterlist; weh' uns, wenn das Los nicht mehr heilig ist, wenn gemeinsames Glück und Leid die Menschen nicht mehr eng aneinander schmiedet, wenn Sitte und Anstand unserer Vorfahren uns nicht mehr imponieren. Der Feind seines Nächsten ist ein Feind der Menschheit. Kein Vernünftiger traut je einem Verräter, Sulla selbst, der doch die Ankunft des Verres hätte freudig begrüßen müssen, wollte den Menschen nicht in seiner Nähe noch bei seinem Heere haben; er schickt' ihn nach Benevent, wo er seine sichersten Parteigänger wußte und wo Verres dem Verlaufe der Geschichte nicht schaden konnte. Später teilt' er ihm reichliche Geschenke aus, überließ ihm verschiedene Güter von Geächteten im Gebiete von Benevent zur Plünderung, kurz, er belohnte ihn, wie man einen Verräter, nicht einen Freund belohnt. (39) Jetzt giebt es wohl noch Menschen, die den Carbo auch übers Grab hinaus hassen, aber sie mögen bedenken, nicht was sie ihm bei seinen Lebzeiten gegönnt, sondern was sie selbst in ähnlicher Situation zu befürchten hätten. Es ist nicht anders: diese Gefahr, dieses Verhängnis bedroht all' und jeden. Keine Nachstellung ist so böse wie die, welche sich hinter heuchlerischer Dienstbeflissenheit oder enger Zusammengehörigkeit versteckt. Denn einem offenen Gegner kannst du mit einiger Vorsicht leicht ausweichen; aber das innere, versteckte, im geheimen wühlende Übel tritt nicht nur hervor, sondern bezwingt dich auch, ehe du es nur beobachten und bekämpfen kannst. (40) Sehen wir's nicht an diesem Falle? du warst als Quästor zur Armee geschickt, warst mit der Sorge nicht allein für die Kasse, sondern auch für den Konsul betraut, wurdest von ihm zu allen Geschäften und Plänen herangezogen, wurdest persönlich von ihm nach unserer Ahnen Sitte wie ein eigener Sohn gehalten: da mit einem Male verschwindest du, desertierst, läufst zu den Feinden hinüber. Weh' über diesen Frevel! über dieses Ungeheuer, das man in die fernsten Winkel der Erde verjagen sollte! Denn eine Natur, die einer solchen Unthat fähig ist, kann sich ja mit dem einen Verbrechen nicht begnügen; es ist unausbleiblich, daß sie immer etwas Neues derart ersinnt, daß sie sich stets in niedrigen Ränken ergeht.

(41) So hat sich denn Verres später, wo er bei Gnaeus Dolabella nach dem gewaltsamen Tode des Gaius Malléolus Quästorendienste that (und diese Verbindung ist vielleicht noch enger als die mit Carbo, weil die Stimme des Willens vielleicht noch mehr gelten muß als die des Loses), gegen Dolabella nicht anders benommen als vorher gegen Carbo. Er verstand es nämlich, auf diesen die Vorwürfe abzuwälzen, die auf ihn selber zutrafen, und übergab seine ganzen Angelegenheiten dessen Feinden und Anklägern; er selbst belastete den Mann, dem er als Legat und stellvertretender Quästor hatte zur Seite stehen sollen, durch das hämischste, boshafteste Zeugnis. So war der Mann durch Verres' schnöden Verrat und gottlosen Meineid ins Elend gestürzt; die allgemeine Erbitterung traf ihn zum großen Teile wegen jener Schändlichkeiten, die in Wahrheit Verres verübt hatte.

XVI. (42) Was wollt ihr mit diesem Menschen anfangen? Für welche Hoffnung könntet ihr denn so eine perfide, gemeinschädliche Bestie noch erhalten? ihn, der bei Gnaeus Carbo das Band des Loses, bei Dolabella das Band der Neigung geschändet, und sie dann beide nicht nur im Stiche gelassen, sondern verraten und bekämpft hat! Ich bitt' euch, meine Herren, erwäget den Fall nicht nach der Kürze meiner Darstellung, sondern nach der Schwere des Verbrechens an sich; ich nämlich muß notwendig eilen, um euch alles, was ich mir vorgenommen habe, auseinandersetzen zu können. (43) Seine Quästur mit samt den Freveln seiner ersten Amtsführung ist euch zur Kenntnis gebracht; so vernehmet nun das weitere. Dabei will ich die Räubereien und Ächtungen der Periode Sullas übergehen: ich will nicht, daß er aus dem allgemeinen Unglück jener Zeit eine persönliche Verteidigung für sich ableite; nein, auf seine ureigenen bestimmten Verbrechen hin will ich ihn verklagen. So scheid' ich denn die ganze Sulla-Epoche aus der Anklage aus und bitt' euch, auf seine vortreffliche Führung des Legaten-Amtes aufzumerken.

XVII. (44) Gnaeus Dolabella erhielt die Provinz Kilikien, und nun – nein es ist nicht zu glauben, welche Scenen Verres aufführte, um sich als Hilfsbeamter einzuführen. Dies bedeutete für Dolabella den Anfang der Katastrophe. Denn vom Augenblicke seiner Abfahrt an benahm sich Verres auf der ganzen Reise derart, als ob nicht ein Vertreter des römischen Volkes, sondern eine verheerende Elementarmacht von Ort zu Ort zöge. Ich will alle Kleinigkeiten auslassen, wie sie ja vielleicht auch bei anderen Personen und Gelegenheiten zuweilen vorkommen mögen; ich führe nur die speciellen Leistungen des Verres auf, die bei jedem anderen Angeklagten unglaublich erscheinen würden. Er war kaum nach Achaia gelangt, da stellt er an den Stadtrat von Sikyon Sikyon war einst eine der blühendsten Städte des Peloponnes gewesen, Heimat des Lysippos, des größten Bildhauers in Alexanders des Großen Zeit. einfach eine Geldforderung. Vielleicht läßt man dies als speciellen Vorwurf gegen Verres nicht gelten, weil andere sich ebenso benommen haben. Gut; aber da der Mann nicht zahlte, ward er bestraft. Das ist vielleicht ebenfalls nicht ganz unerhört, so abscheulich es auch sein mag. (45) Gut; aber nun beachtet einmal die Art der Strafe; und ihr werdet nicht wissen, welcher Menschensorte ihr dieses Exemplar zuweisen sollet. Er ließ den Menschen in einen engen Raum einsperren und ringsherum aus grünem, feuchtem Holz ein Feuer anzünden; so wurde der vornehme Mann, der Vertreter einer uns stets ergebenen Regierung, durch den Qualm halb zu Tode gemartert und in diesem Zustande verlassen. – Wie sich Verres dann weiter an Achaias Kunstschätzen (Bildern, Statuen u. dgl.) vergriff, davon will ich jetzt noch nicht reden; ich spare mir dieses Gebiet seiner Raubgier für einen eigenen Abschnitt meiner Darstellung auf. In Athen wurde, wie ihr ja gehört habt, eine gewaltige Masse Goldes aus dem Tempel der Athena weggeschleppt; davon ist im Prozesse des Dolabella Nachdem Dolabella in den Jahren 80–79 Kilikien verwaltet hatte, ward er 78 von Marcus Aemilius Scaurus wegen Erpressungen angeklagt und verurteilt. gesprochen worden. Und nicht die Thatsache allein hat man erwähnt, sondern es ward auch der genaue Wert festgestellt. Dieser Streich verdankte dem Gaius Verres nicht etwa Unterstützung, sondern überhaupt seine Entstehung.

(46) Er kam nach Delos. Dort drang er nachts in den altberühmten Apollontempel ein, suchte sich die schönsten, wertvollsten Statuen aus, ließ sie wegschleppen und sogleich in sein Transportschiff bringen. Mit Recht bemerkt ein neuerer Kommentator, daß der Ausdruck »sein Transportschiff« etwas besonders Gehässiges enthält, als ob Verres sich gleich bei seiner Abreise ein besonderes Schiff für den Transport der Schätze, die er zu stehlen gedachte, mitgenommen hätte. Am nächsten Tage gewahrten die Bewohner von Delos mit Entsetzen, welch ein Raub in ihrem Heiligtume vollführt worden war; pflegen sie doch gerade dort des Gottesdienstes mit ganz besonderer Andacht, denn sie glauben, dort sei Apollon geboren. Dennoch wagten sie nicht, etwas laut werden zu lassen, aus Furcht, die Sache könnte etwa mit Dolabella selbst zu thun haben. XVIII. Da traf es sich zufällig, daß furchtbare Stürme losbrachen; Dolabella mußte nicht nur, sehr wider seinen Willen, die Abfahrt aufschieben, sondern er konnte auch kaum in der Stadt selbst bleiben, so gewaltige Wassermassen spülte die tobende Brandung gegen das Ufer. Das Frachtschiff des Räubers wird durch den Wogenprall losgerissen, von der Flut auf- und niedergepeitscht, endlich gegen das Ufer geschleudert; es erleidet Havarien, und – Verres wird als Pirat erkannt: sein Schiff zeigte sich reich beladen mit Statuen aus dem Apollontempel. Dolabella ließ sie in den Tempel zurückliefern. Bald darauf legte sich der Sturm und Dolabella reiste von Delos ab.

(47) Ich denke, wenn auch die Stimme der Menschlichkeit und des Gewissens sich nie in dir erhoben hat, jetzt, wo es dir an den Hals geht, werden dir deine Verbrechen einmal zum Bewußtsein kommen. Kann denn für dich noch ein Gedanke an Rettung bestehen, wenn du dir in den Sinn rufst, wie entsetzlich du gegen die unsterblichen Götter gewütet hast? Also am Apollon von Delos hast du es gewagt dich zu versündigen? an jenen hehren, seit uralter Zeit verehrten Tempel hast du deine gottlosen Räuberhände gelegt? – Wenn du als Knabe nicht soweit in den schönen Künsten und Wissenschaften unterrichtet worden bist, um ein wenig zu studieren, was uns die litterarische Überlieferung lehrt: konntest du nicht wenigstens später bei deinen Reisen an Ort und Stelle in dich aufnehmen, was die Menschen und die Bücher uns erzählen? (48)  Latona irrte fliehend weit in der Welt umher; sie trug die Kinder in ihrem Schoß und es nahte der Tag, da sie gebären sollte. Da gelangte sie nach der Insel Delos und gebar das Zwillingspaar Apollon und Artemis: seitdem steht die Insel im besonderen Schutze dieser beiden Götter. So erzählen sich die Menschen, und die Gewalt dieses Glaubens über die Gemüter ist und war zu allen Zeiten so groß, daß selbst die Perser, die gegen ganz Griechenland zu Felde zogen und Götter und Menschen bekriegend mit einer Flotte von tausend Schiffen bei Delos landeten, es nicht wagten, irgend etwas durch ihre Berührung zu entweihen. Und dies Heiligtum hast du dich erfrecht zu bestehlen? giebt es wirklich eine so ungeheure Raubgier, die fähig ist jene Religion zu vergewaltigen? Und wenn du damals nicht so dachtest, sagst du dir nicht wenigstens jetzt, daß es keine noch so schwere Strafe auf der Welt giebt, die du nicht durch deine Frevel schon lange verwirkt hättest?!

XVIIII. (49) Als Verres dann nach Kleinasien kam, ging es los mit einem ausgelassenen Leben voller Feste für seine Ankunft, Diners, Soupers, Pferde, Geschenke ... doch halt' ich mich, wenn sich's um einen Verres handelt, bei diesen alltäglichen Dingen nicht auf: wichtiger ist, daß er in Chios wunderschöne Statuen gewaltsam weggeschleppt hat, ebenso in Erythrai und Halikarnassos. In Ténedos erpreßt' er Geld; aber was mehr bedeutet: Tenes selbst, den von den Bewohnern dieser Insel hochverehrten Gott, den mythischen Gründer ihrer Hauptstadt, nach dessen Namen sie Tenedos heißt, dieses Gottes Bild, eine Statue von wunderschöner Arbeit, ließ er zum tiefsten Schmerze der Bürgerschaft von dannen führen. (50) Und nun erst die Plünderung des altberühmten Tempels der Hera in Samos, wie entsetzlich war sie für die Samier, wie bitter für den ganzen hellenischen Orient, welches Aufsehen erregte sie allenthalben! Jeder einzelne von euch hat davon gehört. Später gingen Gesandte wegen dieses Vorfalles aus Samos zum Prätor Gaius Nero nach dem Kontinent; sie erhielten die Antwort, derartige Beschwerden über einen vom römischen Volk erwählten Verwaltungsbeamten gehörten nicht vor den Provinzialstatthalter, sondern nach Rom. Was hat Verres nicht dort für Schätze an Bildern und Statuen geraubt! ich selbst konnt' es erst kürzlich in seinem eigenen Hause konstatieren, als ich hingegangen war, um alles versiegeln zu lassen. (51) Sage, Verres, wo sind diese Kunstwerke jetzt? ich meine jene Statuen, die wir neulich bei dir vor allen Säulen, ferner in den freien Räumen zwischen den Säulen, sogar im Gebüsch unter freiem Himmel stehen sahen. Wo sind sie hin? so lange du deinen Prozeß vor einem anderen Präsidenten und vor Richtern, die an die Stelle der gegenwärtigen treten sollten, zu führen hofftest, solange standen jene Statuen in deinem Hause; seitdem du aber gemerkt hast, daß ich lieber von meinen Zeugen als von meiner Redezeit Gebrauch mache, hast du dafür gesorgt, daß keine mehr bei dir zu finden ist, bis auf zwei, die gerad' aus Samos entführt sind und mitten in deinem Empfangszimmer stehen. Konntest du dir nicht denken, daß ich die Leute deines intimen Umganges zum Zeugnis über diesen Fall heranziehen würde, um Personen, die stets in deinem Hause verkehrten, zu befragen, ob sie nicht wüßten, was denn aus den jetzt verschwundenen Statuen geworden wäre? XX. (52) Was sollten sich denn solche Leute für einen Begriff von dir machen, wenn sie sahen, daß du nicht mehr gegen deinen Ankläger, sondern gegen den Untersuchungsrichter und Gerichtsvollzieher kämpftest? Ihr habt ja in der ersten Verhandlung den Zeugen Charidēmos von Chios über diesen Punkt vernommen und erinnert euch gewiß seiner Aussage: er hatte als Korvettenkapitän den Verres auf Dolabellas Geheiß bei der Abreise vom asiatischen Festlande zu begleiten, kam mit ihm nach Samos und erlebt' es, wie die gleichnamige Hauptstadt dieser Insel nebst dem Heratempel ausgeplündert wurde. Später ward er in seiner Heimat Chios von den Samiern gerichtlich belangt und wies in seiner Selbstverteidigung den wahren Sachverhalt nach: er wurde denn auch freigesprochen, weil er erwiesen hatte, daß die seitens der Vertreter von Samos erhobene Klage nicht ihn, sondern vielmehr den Verres traf.

(53) Aspendos ist bekanntlich eine altberühmte, an schönen Kunstwerken reiche Stadt in Pamphylien. Dort hast du, Verres, nicht etwa das eine oder andere gestohlen, sondern ich behaupte geradezu, du hast kein einziges Kunstwerk dort übrig gelassen, du ließest alles aus den Tempeln und von den öffentlichen Plätzen in Gegenwart des Volkes auf Lastwagen schaffen und hinausfahren. Auch den berühmten Harfenspieler von Aspendos, von dem ihr oft gehört habt – ist es doch bei den Griechen sprichwörtlich, dieser Harfner »trage alle Melodien in seiner Seele« – auch den hat er weggeschleppt und in einem versteckten Zimmer seines Hauses aufgestellt, gleich als wollt' er den Künstler durch sein Kunststück überbieten. – (54) In Perga steht ein ganz besonders berühmter Tempel der Artemis; auch ihn plündert' er aus bis aufs letzte, und von der Statue der Göttin selbst riß er alle goldenen Bestandteile ab, um sie für sich zu behalten. Hat man je von solch toller Dreistigkeit gehört? Hättest du alle diese Städte, die doch von unseren Alliierten bewohnt sind und dich als offiziellen Vertreter unseres Volkes empfingen, vielmehr im Kriege bezwungen und wärest als Eroberer an der Spitze eines Heeres einmarschiert, so hättest du doch, will ich meinen, die eroberten Schätze und Kunstwerke nicht in dein Privathaus oder in die Villen deiner Freunde, sondern nach Rom transportiert, wo sie allen gehören, nicht einem einzelnen. Der Gedanke, im eroberten Lande die Kunstwerke zu respektieren, lag, wie man sieht, auch dem humansten Römer durchaus fern. Dieser Gedanke ist preußisch; für den Römer existierte nur das napoleonische Prinzip, den Besiegten nicht bloß zu schwächen, sondern auch nach Kräften auszuplündern. Daß man solche Räubereien im Altertume viel schwerer empfand als heute, geht, abgesehen von den Berichten über ihre schreckliche Wirkung auf die Gemüter, schon daraus hervor, daß die Kunstwerke, die z. B. dem Papst oder der Republik Venedig durch Napoleon geraubt und durch die Verbündeten 1815 wieder geschenkt wurden, für ihre Besitzer nur den Wert einträglicher und allenfalls amüsanter Luxusgegenstände hatten (wie die griechischen für Römer und Perser), während den Hellenen ihre Götterbilder und damit ihre Götter selbst, also ihre letzte Lebenskraft geraubt wurde. Wenn Griechen sich gegenseitig befehdeten – und an diesen endlosen Fehden ging Hellas bekanntlich zu Grunde, nicht durch auswärtige Feinde –, so schonte der Sieger stets die religiösen Weihobjekte des Besiegten; nur der Barbar versündigte sich am Heiligtum. Bei der tiefen Frömmigkeit der Griechen, die all ihr Thun und Sein beherrschte, ist dies moralische Moment von der allergrößten Bedeutung; die systematischen Plünderungen – im kaiserlichen Rom standen an 60 000 griechische Originalstatuen, von denen keine hundert erhalten sind – mußten den letzten Hauch von hellenischer Lebenskraft ertöten und aus dem Reste der Bevölkerung jene blutlosen Schemen machen, die wir unter dem Gesamttitel »Byzantiner« zusammenfassen und die in Kunst, Literatur, Politik und Wissenschaft ein bleiches, gespensterhaftes Dasein führten.

XXI. (55) Man denke z. B. an Marcus Marcellus, den Eroberer der üppigen Stadt Syrakus! oder an Lucius Scipio, der den Krieg in Asien führte und den mächtigen König Antiochos bezwang! oder an Flamininus, der den König Philippos besiegte und Makedonien unterwarf! oder an Aemilius Paullus, der den König Perseus schlug und gefangen nahm! oder auch an Lucius Mummius, Daß selbst dieser Barbar von dem klugen Advokaten als ein Muster citiert wird, das erscheint den modernen Lesern vielleicht gar zu arg; aber so viele Statuen auch durch Mummius' Soldaten zerschlagen wurden (man thäte gut, den ganz unzutreffenden Ausdruck »Vandalismus« durch »Romanismus« zu ersetzen, da kein germanischer Stamm in eroberten Städten je mit auch nur annähernd so wüster Roheit gehaust hat wie die Römer) – für sich scheint der witzige General nichts behalten zu haben. der das prachtvolle, unendlich reiche Korinth einnahm und die zahlreichen Städte Achaias und Boiotiens der Herrschaft des römischen Volkes dienstbar machte! Alle diese Männer setzten den Stolz ihres Hauses in ihren Ruhm und ihre Kraft; von Bildern oder Statuen war bei ihnen nichts zu finden, dagegen sehen wir heute noch unsere ganze Stadt, alle Göttertempel, ja die verschiedensten Orte Italiens geschmückt durch ihre Gaben, durch die Denkmäler ihrer Thaten. (56) Fast muß ich befürchten, daß man solches Benehmen heute veraltet findet und als überwundenen Standpunkt bespöttelt; damals war der Sinn für Gerechtigkeit so allgemein, daß der Ruhm vollendeter Ehrlichkeit und Vornehmheit nicht allein den hervorragenden Persönlichkeiten, sondern der ganzen Zeit gebührt. Indessen hier sitzt unter deinen Richtern ein Mann, der auf solche Thaten zurückblicken kann wie Publius Servilius; Servilius Isauricus ist der Besieger der zähen Bergvölkerschaften im kleinasiatischen Taurusgebirge. Olympos lag auf einem gleichnamigen, hohen Berge in weitblickender, vorzüglich geschützter Position. sein eminenter militärischer Geist hat die Stadt Olympos erobert, die sich seit langer Zeit einer hohen Blüte erfreute. Ich nenne absichtlich ein solches Beispiel kriegerischer Tüchtigkeit aus der neuesten Zeit; Servilius nahm als Kommandeur unserer Armee die feindliche Stadt Olympos, nachdem du in jenen selben Landen als Hilfsbeamter des Statthalters friedliche Städte befreundeter Völkerschaften hattest plündern und aussaugen lassen. (57) Was du aus den Stätten der Andacht als gemeiner Räuber entwendetest, das kann man jetzt nur bei dir oder deinen Freunden zu sehen bekommen; was Publius Servilius als siegreicher Heerführer in der eroberten Feindesstadt nach Kriegesbrauch und Feldherrnrecht mit Beschlag belegte, das brachte er dem römischen Volke dar: er führte jene Kunstwerke in seinem Triumphzuge mit auf und ließ sie in das Inventar des Staatsbesitzes eintragen. Höret zu, was in den Staatsakten steht und machet euch danach ein Bild von dem Charakter des verehrten Mannes. Bitte vorzulesen.

[Vorlesung aus dem Amtsberichte des Publius Servilius.]

Siehst du, nicht nur die Zahl der mitgebrachten Kunstwerke wird genannt, sondern jedes einzelne wird nach Gegenstand, Haltung und Größe genau beschrieben. Es muß wohl etwas Angenehmeres sein um die Freude an Heldenkraft und Sieg als um dieses gemeine Behagen an Wollust und Habgier. Servilius hat über die Kriegsbeute des römischen Volkes sehr viel sorgfältigere Rechnung geführt als du über die Resultate deines Diebstahls.

XXII. (58) Du wirst mir einwenden, auch deine Bilder und Statuen hätten den Marktplatz der Hauptstadt geschmückt und wären so dem Volke zu gute gekommen. Bei Festspielen gaben zu der Zeit, wo steinerne Theater noch nicht erbaut oder doch nicht in der späteren monumentalen Weise geziert waren, die Privaten ihren Besitz an Kunstwerken zum vorübergehenden Schmucke des Marktes her; zuweilen machte ein wohlmeinender gewissenhafter Beamter zu gleichem Zweck eine Bilderanleihe bei den griechischen Provinzstädten. Ja, ich denke noch daran; ich genoß mit dem Volke zusammen den Anblick des Marktes und seiner Hallen, wie sie in einem scheinbar prächtigen, in Wahrheit für den denkenden Menschen gar jammervollen Schmucke prangten; denn was dort leuchtete und strahlte, das hattest du gestohlen, das war der Besitz unserer Provinzen, das Eigentum unserer besten politischen Freunde. – Ja, meine Herren, es gab einen Moment wo Verres schon lebhaft hoffen durfte, sich von allen seinen Sünden reinwaschen zu können; er sah nämlich, daß die Leute, die so gerne Herren des Gerichts heißen wollten, in Wahrheit Sklaven ihrer Genußsucht waren. (59) Die auswärtigen Nationen aber, unsere Alliierten, hatten damals alle Hoffnung auf Wiedereintritt in den Besitz ihres Eigentumes aufgegeben, weil zufällig damals eine Menge Gesandtschaften aus Griechenland und der Levante in Rom waren, die die Götterbilder aus ihren heimischen Tempeln hier auf dem Markte wiederfanden oder auch sonst in der Stadt allenthalben ihre Kunstwerke sahen, die sie unter Thränen begrüßten und anbeteten. Alle diese Leute haben wir damals wiederholt in der Weise sich äußern hören, es brauchte wahrlich niemand mehr über den gänzlichen Untergang der Bundesgenossen Roms im unklaren zu bleiben, wenn man auf diesem selben Markte der Hauptstadt, wo sonst jeder Beleidiger eines Bündners angeklagt und verurteilt wurde, jetzt die gewaltsam geraubten Denkmäler der Bundesstädte öffentlich ausgestellt sehen könnte.

(60) Daß Verres eine unglaubliche Menge von griechischen Statuen und Bildern wirklich besitzt, wird er wohl selbst nicht in Abrede stellen; dagegen wird er vermutlich wieder eine andere beliebte Ausflucht ergreifen, nämlich vorschützen, er habe jene Gegenstände, die er in Wahrheit durch Raub und Diebstahl an sich gebracht, gelegentlich gekauft. Natürlich, das römische Volk schickt ja auf Staatskosten einen Verwaltungsbeamten mit dem Titel eines Legaten nach Griechenland, Kleinasien und Pamphylien, damit er dort als Kunsthändler Geschäfte mache! – XXIII. Nun verfüg' ich über sämtliche Rechnungsbücher des Verres und seines Vaters, ich habe sie mit größter Genauigkeit geordnet und geprüft; die des Vaters reichen bis zu seinem Tode, die des Angeklagten so weit, wie er sie nach eigenem Geständnis überhaupt geführt hat. Ihr werdet nämlich bei dem Herrn ein ganz neues System gewahren. Es soll ja Leute geben, die über ihre Einnahmen und Ausgaben überhaupt kein Buch führen; Dies galt für schimpflich, da fast jeder Römer zunächst Kaufmann war. Der schon früher erwähnte Redner Antonius war ein Feind der Schreibereien, vollendete selbst seine Gerichtsreden ohne Manuskript und stand deshalb im Rufe, auch seine Ausgaben und Einnahmen nicht aufzunotieren. so erzählt man sich's z. B. von Marcus Antonius, übrigens mit Unrecht, denn gerade der führte sie mit großer Gewissenhaftigkeit. Indessen, es mag vorkommen, schön ist es jedenfalls nicht. Andere giebt es, die ursprünglich keine Bücher führten, sondern erst im Laufe der Zeit dazu gekommen sind; auch das mag zuweilen geschehen und sich irgendwie erklären. Aber dies, was der Angeklagte behauptet, ist ebenso unerhört wie lächerlich; er gab nämlich auf unsere Frage nach seinen Rechnungsbüchern den Bescheid, daß er nur bis zum Konsulatsjahre des Marcus Terentius und Gaius Cassius Das heißt bis zum Jahre 73, mithin bis zur Abreise nach Sicilien. welche geführt hätte, nachher nicht mehr. (61) Was das zu bedeuten hat, werden wir bei einer anderen Gelegenheit untersuchen; augenblicklich geht's mich noch nichts an, denn für die Zeit, mit der wir uns jetzt beschäftigen, hab' ich noch deine, sowie deines Vaters Bücher. Daß du nun eine Menge wunderschöner Statuen und Bilder hergebracht hast, kannst du nicht leugnen; ja, möchtest du es nur leugnen! Zeige mir in deinen oder deines Vaters Büchern einen einzigen Posten für den Kauf eines Kunstwerkes, und du hast gewonnen. Selbst für jene beiden prachtvollen Statuen, die jetzt in deinem Oberlichtsaal figurieren, nachdem sie viele Jahre lang vor dem Portal des Heratempels in Samos gestanden, selbst für sie kannst du den Kauf nicht nachweisen – es sind die beiden, die jetzt einsam, von den übrigen verlassen, in deinem Hause stehen und den gerichtlichen Taxator erwarten.

XXIIII. (62) Aber, so hör' ich einwenden, vielleicht ließ er sich nur auf diesem Gebiete von zügelloser, ungebändigter Gier beherrschen, vielleicht hielten sich sonst seine Leidenschaften irgendwie innerhalb anständiger Grenzen. – Ach nein! ihr habt keinen Begriff, wie viele Familien von bestem Ruf er auf jener schandbefleckten Legationsreise vergewaltigt hat. Könnt' er denn auch nur seinen Fuß in eine Stadt setzen, ohne gleich seine Ankunft durch Unzucht und Schande zu verewigen? Ich will hier alles übergehen, was sich etwa noch ableugnen ließe; ich will selbst Fälle verschweigen, die durch die triftigsten Beweise sichergestellt sind; nur einen Fall lasset mich erzählen, der mir gewissermaßen den Übergang nach Sicilien bahnt – also nach dem Lande, in dessen Auftrag ich hier spreche.

(63) Am Hellespont liegt eine Stadt mit Namen Lampsakos, eine der berühmtesten in ganz Kleinasien; ihre Einwohner haben sich nicht nur jederzeit außerordentlich artig gegen alle Römer benommen, sondern sich auch durch ruhiges, friedsames Benehmen ausgezeichnet; ja man darf sagen, daß sie allen anderen Völkern ein Beispiel geben könnten, so sehr ziehen sie das ruhige, echt hellenische Geistesleben allen Gewaltsamkeiten und Aufregungen vor. Nun fügt' es sich, daß Verres sich von Dolabella zu König Nikomedes von Bithynien und zu König Sadala von Thrakien schicken ließ und auf dieser Reise (die er sich natürlich im Dienste seiner persönlichen Gewinnsucht und nicht etwa im Staatsinteresse ausgebeten hatte) auch Lampsakos berührte. Es war ein schweres Verhängnis für die Stadt; fast war' es ihr Untergang geworden. Man führt den Verres zu einem gewissen Iánitor, der ihn gastfrei aufnimmt, und ebenso werden seine Reisebegleiter in Privatquartieren untergebracht. Da thut Verres, was seine Gewohnheit und seine tierischen Triebe ihn überall zu thun heißen: er giebt seinen Reisebegleitern, einer Bande von nichtsnutzigen Gesellen, den Auftrag sich umzusehen, ob es vielleicht ein Mädchen oder eine Frau gäbe, um derentwillen es sich verlohnte, ein wenig länger in Lampsakos zu bleiben. XXV. (64) Nun gehörte zu jener Bande ein gewisser Rubrius, das rechte Faktotum für die Lüste seines Herrn; wo er hinkam, pflegt' er mit wunderbarer Schlauheit solche Gelegenheiten aufzuspüren. Er macht sich auf und bringt bald folgende Auskunft: unter den ersten Männern von Lampsakos befinde sich ein gewisser Philodamos, vornehm, hochgestellt, reich und beliebt; der habe eine Tochter, die nicht verheiratet sei und deshalb bei ihrem Vater wohne; das Mädchen sei ausnehmend schön, aber – stehe in dem Rufe strengster Keuschheit und Unzugänglichkeit. Sowie Verres das hört, gerät er in Brunft; zwar hatt' er noch nichts gesehen und die Sache auch nur von jemandem gehört, der selber nichts gesehen hatte, aber es genügte, um ihn aufzuregen: sofort erklärt er ins Haus des Philodamos übersiedeln zu wollen. Sein Gastfreund, der nichts Böses ahnte, bekam einen Schreck, fürchtete, den Fremden nicht recht befriedigt zu haben und gab sich nun erst recht alle Mühe, ihn bei sich zurückzuhalten. So konnte Verres keinen Vorwand finden um Ianitors Haus zu verlassen und suchte sich daher einen anderen Weg zur Unzucht zu bahnen. Er erklärte, sein geliebter, süßer Rubrius, sein Freund und Helfershelfer in allen Unternehmungen dieser Art, sei nicht üppig genug aufgenommen worden; daraufhin giebt er den Befehl, man solle ihn bei Philodamos einquartieren. (65) Als Philodamos hiervon hörte, ahnt' er zwar noch nicht, welchen Anschlag man gegen ihn und seine Familie bereits im Schilde führte, aber er machte doch einen Versuch der Remonstration. Er läßt sich bei Verres anmelden, wird empfangen und setzt ihm auseinander: was man ihm zumute, sei nicht seines Amtes; wenn an ihn die Pflicht der Gastfreundschaft herantrete, so pfleg' er Konsuln und Prätoren, nicht aber Leute aus dem Gefolge eines Legaten bei sich aufzunehmen. Vergebens. Verres kannte nur das Gebot seiner Lüsternheit und kümmerte sich nicht um die gerechtesten Ansprüche und Vorstellungen; er ordnet an, daß man den Rubrius unter allen Umständen bei Philodamos einrichte, mag dieser wollen oder nicht; nötigenfalls solle man Gewalt brauchen. XXVI. Da Philodamos auf keine Weise zu seinem Rechte kommen konnte, so wollt' er wenigstens seiner Gewohnheit und dem vornehmen Tone seines Hauses treu bleiben. Der Mann, der notorisch alle unsere Landsleute stets mit der größten Zuvorkommenheit und Freigebigkeit aufgenommen hatte, wollte nicht den Eindruck hervorrufen, als hätt' er auch nur jenen Rubrius ungern bei sich gesehen. So läßt er denn mit ausgesuchter Pracht, seinem Reichtum und seiner Stellung entsprechend, ein Festmahl herrichten; er fordert den Rubrius auf, alle Leute, die ihm irgend paßten, einzuladen; ihm selbst möcht' er, wenn es ihm beliebte, ein Plätzchen übrig lassen; seinen eigenen Sohn, einen stattlichen Jüngling, schickt er für den Abend zu seinen Verwandten. Die Griechen ließen den heranwachsenden Sohn so wenig wie die Frauen am Gelage der Männer teilnehmen; die Ursache war ein Taktgefühl, das bei modernen »Kulturvölkern« nicht vorhanden ist und von wenigen auch nur verstanden wird. (66) Rubrius lädt das Gefolge des Verres ein; Verres benachrichtigt sie alle, worum es sich handelt. Man findet sich beizeiten ein, man geht zu Tisch. Man wird munter und schlägt vor, nach griechischer Weise zu zechen; Das heißt einen fröhlichen Kneipverkehr zu eröffnen, bei dem unter anderem große Becher wie beim deutschen Willekumm von Mund zu Munde cirkulierten, Gesundheiten ausgebracht, Spiele gespielt, Gedichte vorgetragen und improvisiert wurden etc. etc. Häufig wurden Jongleure und Gymnastiker beiderlei Geschlechts engagiert, deren Künste allein schon die Anwesenheit weiblicher oder unerwachsener Familienmitglieder ausschlossen. es geschieht, der Hausherr eröffnet das Gelage, man setzt es mit größeren Bechern fort, die Gespräche werden immer lebendiger, die Fröhlichkeit allgemein. Endlich kommt der Augenblick, wo Rubrius die Sache für reif hält; er ruft:

»Sage mal, Philodamos, warum läßt du denn deine Tochter nicht zu uns rufen?«

Philodamos war starr. Das unflätige Wort hatte den ernsten, bejahrten Mann in seinem Vaterstolze gekränkt. Aber Rubrius läßt nicht nach, wird dringender und dringender. Um endlich etwas zu erwidern, sagt der Hausherr, das sei nicht griechische Sitte, daß an einem Gelage der Männer die Frauen teilnehmen. Da ruft ein anderer von der anderen Seite:

»Aber solche Zustände sind ja unerträglich; gleich lasse man die Dame holen!«

Zugleich beauftragt Rubrius seine Sklaven, die Hausthür zu verschließen und selber alle Ausgänge zu bewachen. (67) Nun wird es dem Gastgeber klar, daß alles nur darauf abgesehen war, seiner Tochter Gewalt anzuthun; sofort ruft er nach seinen Sklaven und giebt ihnen Befehl, ja nicht auf ihn selbst zu achten, sondern nur seine Tochter zu schützen; auch sollte einer hinauslaufen, um dem Sohne die Gefahr der Familie zu melden. Im ganzen Hause tobt der Lärm; ein Mann vom Range und Charakter des Philodamos sieht in seinem Hause eine Schlägerei zwischen den Sklaven des Rubrius' und seinen eigenen entstehen; jeder rührt sich, jeder hilft sich, so gut er kann; endlich wird Philodamos von Rubrius eigener Hand mit kochendem Wasser übergossen. Inzwischen empfängt der Sohn die Botschaft; atemlos stürzt er nach Hause, um dem Vater das Leben, der Schwester die Ehre zu retten: auch verbreitet sich die Kunde von dem Vorfall in der Stadt, und wer es hört, eilt zu Hilfe, schon aus Sympathie für den würdigen Mann und aus Entsetzen über die empörende Unbill. Es war spät in der Nacht, und da geschah es nun, daß ein Amtsdiener des Verres mit Namen Cornelius, der mit seinen Sklaven von Rubrius gewissermaßen als Schutztruppe für die Entführung des Mädchens aufgestellt war, im Getümmel erschlagen wurde. Auch einige Sklaven wurden verletzt, Rubrius selbst erhielt eine Wunde. Da sah Verres, was für einen Aufruhr er durch seine bloße Lüsternheit entfacht hatte und sah sich nun nach einer Möglichkeit um, ins Freie zu entkommen. XXVII. (68) Am nächsten Tage wird gleich frühmorgens eine Bürgerversammlung einberufen; man berät, was am besten zu thun sei; die einflußreichsten Persönlichkeiten halten in verschiedenem Sinne Ansprachen an das Volk. Das Resultat war: alle stimmten darin überein und gaben der Überzeugung Ausdruck, daß nichts zu befürchten wäre; wenn die Einwohner von Lampsakos sich gegen den schändlichen Streich des Verres zur Wehre setzten, so könnte die römische Reichsregierung, Senat und Volk, unmöglich die Gemeinde Lampsakos dafür bestrafen; sollten wirklich die Vertreter des römischen Volkes bei befreundeten Nationen des Auslandes in einer Weise auftreten dürfen, gegen deren zügellose Roheit kein Vater mehr das Recht hätte, die Ehre seiner Kinder ungestraft zu verteidigen, so wär' es doch besser, das äußerste über sich ergehen zu lassen als unter einem solchen Schreckensregimente noch länger zu existieren.

(69) Diese Ansicht ward allgemein geteilt, und nachdem man ihr in dem frischen Schmerz über das Unglück verschiedentlich Ausdruck gegeben, brach man auf zu dem Hause, wo Verres sich befand. Noch fand man alles verschlossen und verriegelt; man ergreift Steine und Eisengerät, versucht die Thür zu sprengen, schichtet schließlich Holz und Reisig rings um das Haus und beginnt Feuer anzulegen. Da kommen einige Römer eilig herbeigelaufen; es sind Bürger unseres Reiches, die sich in Lampsakos als Kaufleute niedergelassen haben. Sie machen den Lampsakenern eindringliche Vorstellungen; sie warnen und bitten, doch mehr Gewicht auf die Würde der römischen Reichsvertretung als auf das unwürdige Benehmen eines einzelnen Vertreters zu legen; es sei ja klar, daß man es diesmal mit einem schmutzigen Schurken zu thun habe, allein, da er doch sein Beginnen nicht durchgesetzt hätte und vermutlich auch nie wieder Lampsakos berühren würde, so würd' es ihnen auch selbst besser bekommen, wenn sie den Verbrecher ohne Strafe ließen, als wenn sie den römischen Legaten bestraften.

(70) Unwillkürlich denkt man an den Fall des berüchtigten Hadrianus in Utica; aber Verres war nicht nur der ungleich bösartigere Verbrecher, sondern er hatte auch mehr Glück. Denn jener war zur Strafe für seine den eigenen Landsleuten unerträgliche Habgier in seinem Hause zu Utica lebendig verbrannt worden, und zwar offenbar mit Recht, denn alles freute sich über den Vorfall und keinerlei Buße ward über die Beteiligten verhängt; dagegen sollte Verres bei unseren Bündnern zwar ebenfalls verbrannt werden, doch entrann er der Flamme und jeder Gefahr, ja, er konnte bis jetzt den Verlauf der Dinge gar nicht motivieren, warum er denn überhaupt in solche Gefahr geriet und wie er zu solchem Vorkommnis Anlaß geben konnte! Er hat ja gar keine Ausflucht, er kann nicht sagen: »Ich wollte einen Aufruhr dämpfen« oder »ich hatte eine Getreidekontribution ausgeschrieben« oder »ich mußte Steuern eintreiben« oder überhaupt »ich hatte das Staatsinteresse wahrzunehmen und mußte dabei energisch auftreten, mußte mit Drohungen und Strafen vorgehen.« Selbst wenn er sich auf so etwas berufen könnte, so wär' es dennoch unverzeihlich, mit so barbarischer Roheit gegen die Bündner loszuwirtschaften, daß für ihn selbst eine Lebensgefahr daraus erwachsen mußte. XXVIII. (71) Nun aber wagt er selbst die Ursache jenes Tumultes weder wahrheitsgetreu zu erzählen noch mit Lügen zu verfälschen; dagegen hat ein höchst bescheidener Mann desselben Beamtenkreises, Publius Tettius, damals im Gefolge des Gaius Nero, erklärt, den ganzen Hergang in Lampsakos festgestellt zu haben; außerdem bestätigt ein wahrlich unverdächtiger Zeuge, Gaius Varro, damals aktiver Offizier in der Provinz Kleinasien, daß Philodamos ihm den Vorgang in der gleichen Weise schilderte. Könnt ihr da noch bezweifeln, daß die Glücksgöttin diesen Menschen nicht aus der Gefahr erretten, sondern vielmehr für euren Urteilsspruch aufsparen wollte? Denn auf jene letzte Zuflucht, die Hortensius im ersten Termin gegenüber dem Zeugnisse des Tettius ergriff, wird er wohl diesmal verzichten (und er zeigte ja damals deutlich genug, daß er, wenn er nur etwas vorbringen kann, gewiß nicht schweigt; folglich können und müssen wir aus seinem Schweigen gegenüber den anderen Zeugen mit absoluter Sicherheit folgern, daß er eben nichts vorzubringen hatte). Damals also hieß es: »Philodamos und sein Sohn sind ja von Nero verurteilt worden.« (72) Allerdings; doch verhielt es sich damit einfach so (ich erspare euch eine lange Erzählung): Nero und das von ihm einberufene Gericht erklärten, daß der Amtsdiener Cornelius erwiesenermaßen totgeschlagen worden sei, und daß die gewaltsame Tötung eines Menschen unter keinen Umständen, auch nicht im Falle der Selbsthilfe gegen fremde Unbill, gestattet werden dürfe. Daraus ergiebt sich, nicht daß Nero dich deines Verbrechens entlastet, sondern daß er die beiden Griechen wegen Mordes verurteilt hat.

Aber nun hört einmal zu, meine Herren, was das für eine Art von Verurteilung war, und habet endlich einmal Erbarmen mit den Bündnern; zeiget ihnen, daß euer Wort ein Schutz ist, auf den sie bauen können. XXVIIII. Im ganzen Lande fand man den Tod jenes Cornelius gerecht; war doch der »Amtsdiener« nichts anderes als das niedrige Werkzeug für Verres' schändliche Gier. Diese öffentliche Meinung ließ den Verres befürchten, Philodamos könne vor Neros Gericht freigesprochen werden; so wandt' er sich mit flehentlichen Bitten an Dolabella, er möchte doch seine Provinz verlassen und zu Nero reisen; »ich selbst,« schrieb er, »bin verloren, wenn Philodamos am Leben bleibt und die Möglichkeit erhält, nach Rom zu reisen.« (73) Dolabella läßt sich bereden; er thut, was ihm von vielen Seiten mit Recht zum Vorwurfe gemacht wird, verläßt die Provinz, das Heer, den Krieg und reist dieses Schurken halber in die Provinz Kleinasien, die ihn gar nichts anging. Sobald er mit Nero zusammen kam, schlug er ihm vor, den Fall Philodamos einer gerichtlichen Untersuchung zu unterwerfen. Er selbst war gekommen um am Rate teilzunehmen und als erster seine Stimme abzugeben; außerdem hatt' er seine Corpskommandeure und Stabsoffiziere mitgebracht, die Nero sämtlich in den Rat berief; ferner saß im Rat als gerechtester Richter – Verres selbst, endlich noch einige italienische Kaufleute, die bei verschiedenen Griechen Geld ausstehen hatten und denen bei der Eintreibung ihrer Darlehen die Gunst gerade der nichtswürdigsten Legaten am meisten zu statten kommt. (74) Einen Verteidiger konnte der Unglückliche nirgends finden, denn die Italiener suchten sich alle mit Dolabella gut zu stellen und die Griechen mußten die Schwere seines Herrscherarms empfinden. Als Ankläger wird ein römischer Bürger aufgestellt, einer von jenen Gläubigern der Einwohner von Lampsakos; mit diesem wurde verabredet, wenn er spräche wie Verres ihm befahl, so könnt' er mit Hilfe der Amtsdiener die Zahlungen vom Volke gewaltsam eintreiben. Das alles wurde mit dem größten Aufgebot an Mitteln und Kräften geführt; viele Menschen mußten in die Klage einstimmen, kein Verteidiger trat auf, im Rate focht Dolabella an der Spitze seiner Offiziere, Verres sprach von seiner Existenz, die auf dem Spiele stünde, derselbe Mensch belastete als Zeuge, saß als Richter im Rat und stellte den Ankläger auf; zu alledem wußte man, ein Mann war erschlagen worden: und dennoch war die Nachwirkung von Verres' Frevel so stark, der Abscheu gegen seinen Charakter so verbreitet, daß über den Philodamos das »Unentschieden« ausgesprochen wurde. XXX. (75) So mußte das Urteil vertagt, ein zweiter Termin anberaumt werden. Da könnt' ich nun erzählen, wie Dolabella seine Erfindungsgabe spielen ließ, wie Verres überall herumlief und den Leuten etwas vorweinte, wie endlich der sonst tadellos rechtschaffene Nero sich doch in manchen Fällen gar zu lenksam und unselbständig erwies. Er konnte in jener Situation gar nichts anfangen, es sei denn, daß er dem allgemeinen Wunsche gemäß sich entschlossen hätte, den Fall ohne Verres und ohne Dolabella zu erledigen. Was er ohne diese beiden irgend gethan hätte, es mußte allgemeinen Beifall finden; das Urteil hingegen, das er nun tatsächlich fällte, ward von aller Welt als das Resultat nicht von Neros Nachdenken, sondern von Dolabellas Drängen und Zerren erkannt. Mit einer Mehrheit von ganz wenigen Stimmen wird das »Schuldig« über Philodamos und seinen Sohn ausgesprochen. Dolabella ist zugegen, er läßt nicht nach und besteht darauf, daß die Hinrichtung möglichst bald vollzogen werde, damit möglichst wenige Menschen von Verres' Gemeinheit etwas zu hören bekämen.

(76) Auf dem Marktplatze von Laodikeia spielt sich die grausige Scene ab, ein Tag der Trauer und des Entsetzens für die ganze Provinz. Von der einen Seite wird der bejahrte Vater zum Schafott geführt, weil er die Ehre seiner Tochter verteidigt, und von der anderen Seite der Sohn, weil er dem Vater in der Stunde der Todesgefahr beigestanden hatte. Sie weinten; aber nicht über den Abschied vom Leben, sondern der Vater über des Sohnes, der Sohn über des Vaters Geschick. Nero selbst war verzweifelt; er konnte sich der Thränen nicht enthalten. Das ganze Land war zerschmettert, durch die Stadt Lampsakos ging nur ein einziger Schrei des Jammers, als die Häupter der beiden vornehmen schuldlosen Menschen unter dem Beile des Henkers fielen. Die Freunde unseres Staates und Volkes mußten sterben wegen der ausgesuchten Nichtswürdigkeit eines Ungeheuers von Menschen Soviel Rührung Cicero durch diese Scene auch erzeugen wollte, er hätte noch erheblich mehr erreichen können; er hält sich aber absichtlich zurück, um sich den Effekt der Justizmorde in der Schlußrede nicht vorweg zu nehmen. .

(77) Wehe dir, Dolabella! Jetzt giebt es für dich kein Erbarmen mehr, auch nicht für deine Kinder, die du in trostlosem Elend gelassen. Dir war Verres soviel wert, daß du für seine Wollust das Blut der Unschuldigen vergießen mußtest? dazu hast du Heer und Feind verlassen, um mit grausamer Gewaltthat diesen Schuft aus einer Gefahr zu befreien? – Wenn er dir einen Quästor vertrat, hattest du deshalb an seine ewige Freundschaft zu glauben? wußtest du nicht, wie er den Gnaeus Carbo, dem er als wirklicher Quästor zur Seite stehen sollte, nicht nur im Stiche ließ, sondern bestahl, isolierte, heimtückisch angriff und verriet? Freilich, später hast auch du seine Perfidie zu schmecken bekommen, als der Elende gegen dich in schärfster Weise Zeugnis ablegte, als er in der städtischen Kassenangelegenheit nicht eher Rechenschaft liefern zu wollen erklärte, als bis du verurteilt wärest.

XXXI. (78) Wie weit willst du es treiben, Verres! soll denn keine Provinz unseres Reiches, kein Land der Welt mehr ausreichen, um deine zügellose Wirtschaft zu ertragen? Sobald du etwas nur siehst oder hörst oder begehrst oder planst, und nicht alles gleich auf den ersten Wink zu deiner Verfügung steht, um deine niedrige Gier zu stillen, so wird eine Horde Menschen losgelassen; Häuser werden gestürmt, friedliche Gemeinden und selbst befreundete Städte zu gewaltsamem Aufruhr gehetzt, wenn die Leute sich und ihre Kinder vor der tierischen Roheit des römischen Legaten schützen wollen! Denn ich frage dich, ob es wahr ist, daß man dich in Lampsakos umzingelte; daß die Menge begann, an das Haus, in dem du abgestiegen warst, Feuer zu legen; daß die Einwohner von Lampsakos den Vertreter der römischen Regierung lebendig verbrennen wollten. Leugnen kannst du es nicht; ich halte dein eigenes, vor Nero ausgesagtes Zeugnis in Händen, außerdem deinen Brief an denselben Nero. (79) Bitte diese Stelle aus dem Gerichtsprotokoll zu verlesen.

[Vorlesung aus dem Zeugnisse des Verres gegen Artemidōros. »Bald darauf wurde gegen das Haus« u. s. w.]

Ja, wollte denn die Gemeinde Lampsakos gegen Rom einen Feldzug unternehmen? wollte sie vom Reich abfallen und unserem Namen untreu werden? Denn soweit meine Erfahrung und Kenntnis reicht, steht es doch fest, daß, wo ein Vertreter der römischen Regierung in seinem Quartier umzingelt, oder gar mit Feuer und Schwert und Menschenaufgebot angegriffen, ja auch nur in irgend einem Sinne verletzt wird, daß dort eine Kriegserklärung an die betreffende Nation die unausbleibliche Folge ist. (80) Was war also vorgefallen, daß die ganze Bürgerschaft von Lampsakos in der von dir beschriebenen Weise direkt aus der Volksversammlung nach deinem Hause stürzte? weder in deinem Brief an Nero noch in deinem gerichtlichen Zeugnis erwähnst du irgend einen Anlaß zu solchen Scenen; du erzählst, man habe dich in deinem Quartier belagert, Feuer angebracht, rings um das Haus Reisig aufgeschüttet, deinen Amtsdiener erschlagen, dir die Möglichkeit ins Freie zu entkommen abgeschnitten: von den Ursachen all dieser Schrecknisse sagst du kein Wort. Hätte etwa jener Rubrius seine schimpflichen Handlungen aus eigenem Antriebe begangen, und nicht vielmehr auf deinen Antrieb und im Dienste deiner Gier, so hätten sich die Leute über das unrechtmäßige Vorgehen deines Begleiters bei dir beklagt, anstatt dich thätlich anzugreifen. Wenn also der Anlaß zu jenem Aufruhr von meinen Zeugen klar berichtet, von Verres aber verschwiegen wird, ist da nicht der von mir erzählte Sachverhalt durch Verres' andauerndes Stillschweigen ebenso bestätigt wie durch die Worte meiner Zeugen? Gesetzlich hätte die Frage erst nach Verres' Abreise aus der Provinz verhandelt werden dürfen, und zwar nur in Rom.

XXXII. (81) Für einen solchen Menschen, dessen grenzenlose Bosheit den Opfern seiner Verbrechen nicht einmal die gesetzliche Zeit zur Erwartung der Sühne oder zur Linderung des unsäglichen Schmerzes läßt, dürfet ihr, meine Herren, keine Schonung mehr kennen. Man bedenke doch nur! – Dein Haus wurde umzingelt. – Von wem? – Von den Lampsakenern. – Das sind wohl Barbaren oder irgendwie Verräter unserer Nation? – Im Gegenteil, die ruhigsten, gesittetsten Menschen, still von Natur, friedliebend aus Grundsatz und Gewohnheit, überdies mit Rom im Bundesvertrage, uns diensteifrig ergeben, in freiwilliger Abhängigkeit von unserer Gnade; wahrlich, bei denen ist es für jedermann klar: wenn ihnen nicht ein so ganz ungeheurer, empörender Schimpf angethan wurde, daß sie lieber sterben als ihn ertragen wollten – sie hätten es nie dahin kommen lassen, daß die Erbitterung über deine Gemeinheit mehr über sie vermochte als der Respekt vor deiner Position. (82) Ich bitt' euch bei allen Göttern, zwinget die Bündner und Ausländer nicht zu diesem Aushilfsmittel, nach dem sie notwendigerweise greifen müssen, wenn ihr nicht rächend einschreitet! Kein Mittel der Welt hätte je die Wut der Lampsakener gegen diesen Menschen beschwichtigt, wenn sie nicht auf seine Bestrafung in Rom gerechnet hätten. Sie hatten eine Beschimpfung erlebt, für die ihnen kein Gesetz die Möglichkeit genügender Sühne bot; dennoch verzichteten sie auf eigenmächtige Rache, bezwangen ihren Schmerz und überantworteten ihre Leiden unseren Gesetzen und Gerichten. Du hast die trefflichen Bürger von Lampsakos durch deine Verbrechen zu Tätlichkeiten wider dich gezwungen; du hast die armen, unglücklichen Menschen dahin gebracht, daß sie verzweifelnd an unserem Recht und Gesetz zu Aufruhr und Waffengewalt greifen mußten; du hast dich in den Städten unserer Bundesgenossen nicht wie ein Abgesandter des römischen Volkes, sondern wie ein Tyrann voller Wollust und Grausamkeit aufgeführt; du hast im Auslande den Ruf unseres Reiches und unseres Namens durch dein räuberisches, zuchtloses Auftreten geschändet und bist nur mit Mühe den Händen unserer Freunde, die dich mit Feuer und Schwert bedrohten, entgangen: und du hoffst hier eine Zufluchtstätte zu finden? Du irrst dich gewaltig; hier sollst du dein Fangnetz und nicht deine Ruhe finden; dazu hat man dich an jenem Tage mit dem Leben davon kommen lassen.

XXXIII. (83) Du wirst dich jetzt auf die Verurteilung des Philodamos und seines Sohnes berufen und sagen, durch dieses Urteil habe der Gerichtshof festgestellt, daß du in Lampsakos mit Unrecht angegriffen wurdest. Aber wie, wenn ich den zwingenden Nachweis führe – und zwar mit dem Zeugnis eines nichtswürdigen aber für diesen Fall dennoch verwendbaren Menschen, kurz mit deinem eigenen Zeugnisse – daß du die Schuld und Anstiftung zu jenem Angriffe gegen deine Person auf andere abzuwälzen suchtest, und daß die von dir vorgeschobenen Personen gar nicht bestraft wurden. Der von Nero geleitete Prozeß hilft dir zu gar nichts mehr. Bitte seinen Brief an Nero vorzulesen.

[Vorlesung von Verres' Brief an Nero: »Themistágoras und Théssalos« u. s. w.]

Also Themistagoras und Thessalos, so schreibst du, haben das Volk aufgehetzt. Welches Volk denn? Doch nur das Volk, das dein Haus umzingelte und dich bei lebendigem Leibe verbrennen wollte. Wo trittst du nun gegen diese Leute auf, wo klagst du sie an, wo verteidigst du Recht und Würde des römischen Beamten? Etwa im Prozeß Philodamos? Das wollen wir gleich sehen: (84) man schlage das Zeugnis des Verres in diesem Prozesse nach um zu konstatieren, was er damals eidlich erklärt hat. Da heißt es:

»Auf die Frage des Klägers erklärte der Zeuge Gaius Verres, er beabsichtige vorläufig keine Genugthuung zu verlangen, sondern sich die nötigen Schritte für ein andermal vorzubehalten.«

Was hilft dir also Neros Gericht und Philodamos' Verurteilung? Du warst als Beamter mit Thätlichkeiten bedroht, und, wie es in deinem Brief an Nero heißt, die römische Nation nebst ihrer ganzen Beamtenwelt war in unerhörter Weise beschimpft worden: und doch läßt du die Sache ruhig hingehen, erklärst sogar ausdrücklich, dir die nötigen Schritte für ein andermal vorbehalten zu wollen. Wann kam denn dieses »andere Mal?« Wann bist du denn gegen die Übelthäter vorgegangen? Warum ließest du die Amtswürde schmälern, warum verrietest du so feige die Sache des römischen Volkes, warum ließest du eine dem Staat und dir gleichermaßen widerfahrene Beschimpfung hingehen? Deine Pflicht war es doch, dem Senate Meldung zu erstatten, über den »unerhörten Schimpf« Beschwerde zu führen, die Aufwiegler des Volkes mittels Konsularreskriptes vorladen zu lassen! (85) Vor kurzem berichtete Marcus Aurelius Scaurus als Quästor aus Ephesos, er wäre mit Gewalt verhindert worden, aus dem Artemistempel einen seiner Sklaven wegzuholen, der sich in dieses Asyl geflüchtet hatte; daraufhin stellt er den Antrag, man möge den Perikles von Ephesos als den Anstifter dieser Ungehörigkeit zur Rechenschaft ziehen, und sofort wurde der vornehme Mann nach Rom citiert. Wiederum sieht man an einem von Cicero als musterhaft citierten Falle, daß selbst das ordnungsmäßige Benehmen der römischen Behörden ungerecht und hart genug war, um dem Griechentum völlig den Garaus zu machen. Solcher Fälle werden noch viele begegnen; doch bedenke man immer, daß die weitaus große Mehrzahl der römischen Beamten sich eben nicht ordnungsgemäß, sondern eher in der Manier des Verres aufführte. Bei dir lag der Fall viel schlimmer: hättest du dem Senate gemeldet, wie du als Legat in Lampsakos behandelt wurdest, wie man deine Begleiter verwundete, deinen Amtsdiener erschlug, dich selber einschloß und beinahe das Haus in Brand gesteckt hätte, daß ferner dies alles auf Anstiften und unter Führung des Themistagoras und Thessalos geschah – du hättest eine gewaltige Erregung hervorgerufen, jeder Mann hätte sich in dir mit getroffen gefühlt, hätte an die Zukunft gedacht und deine persönliche Lage als eine Staatsgefahr behandelt! Denn der Name des römischen Legaten muß so hoch dastehen, daß er nicht nur vor den Gerichten der Bündner, sondern selbst vor den Waffen der Feinde völlige Sicherheit gewährt. –

XXXIIII. (86) Was Verres in Lampsakos gesündigt, ist furchtbar; aber in seiner Art fast nicht minder schlimm ist das Verbrechen, von dem ihr jetzt hören sollt. In Milet stellt' er die Forderung an die Stadt, sie sollt' ihm ein Schiff zur sichereren Fahrt nach Myndos mitgeben. Sofort wird ihm ein ausgezeichneter Kreuzer aus der milesischen Flotte mit voller Ausrüstung und Bemannung überwiesen, unter dessen Schutz er denn nach Myndos reiste. Was er bei der Gelegenheit an kostbaren Stoffen in Milet zusammenstahl, wie er seine Ankunft prunkvoll feiern ließ, wie er den Stadtrat von Milet schädigte und beschimpfte, darüber ließe sich viel erzählen; aber so gewaltig es wirken, so schwer ihn diese Wahrheiten belasten würden, ich schweige jetzt davon und behalte dieses Material vollständig dem Zeugenverhöre vor. Nur was absolut nicht zu verschweigen und doch wieder nicht seiner Bedeutung gemäß darzustellen ist, sollt ihr jetzt gleich erfahren. (87) In Myndos angekommen, befahl er den Matrosen und Soldaten des milesischen Kriegsschiffes, zu Fuße nach Milet zurückzukehren; den prachtvollen Kreuzer, eines der zehn milesischen Eliteschiffe, verkaufte er an zwei in Myndos ansässige Römer Namens Lucius Magius und Lucius Fannius. Es sind dies dieselben Leute, die der Senat kürzlich für Hochverräter erklärt hat; auf jenem Fahrzeuge sind sie zu allen Feinden unseres Reiches gesegelt, vom Kap der Artemis in Spanien bis nach Sinōpe am Schwarzen Meere. Die Überreste der Mariuspartei lebten in Spanien wieder auf, und bereiteten unter des genialen Sertorius Führung dem römischen Reiche große Schwierigkeiten. Da gleichzeitig König Mithradates von Pontos (dem Land an der asiatischen Küste des Schwarzen Meeres) gegen Rom Krieg führte, so setzten sich die beiden Reichsfeinde in Korrespondenz, und die im Texte genannten Hochverräter vermittelten den Verkehr.

Aber nun bitt' ich euch – wie toll treibt's dieser Mensch mit seiner Habsucht! es übersteigt allen Glauben. Also ein Schiff der römischen Reichsflotte, das dir die Stadt Milet zu deiner Begleitung gestellt hatte, wagtest du zu verkaufen! Wenn dich schon das Verbrechen selbst und das Urteil der Leute nicht stutzig machte: fiel es dir denn gar nicht ein, daß die edlen Bürger von Milet stets die Mitwisser deines nichtswürdigen Diebstahles sein würden? (88) Oder glaubtest du, weil Dolabella damals den Kapitän des gestohlenen Kriegsschiffes für seinen amtlichen Bericht an die Milesier auf deine Bitte hin zu bestrafen versuchte und den streng gesetzlich zu Protokoll genommenen Bericht aus den Stadtakten ausmerzen ließ – glaubtest du deswegen dieser Klage entronnen zu sein? XXXV. In solchen Vermutungen hast du dich gewaltig geirrt, und zwar recht häufig. Du dachtest immer – besonders zahlreich sind die Fälle in Sicilien – für deine künftige Verteidigung genügend vorgesorgt zu haben, wenn du die Aufnahme irgend eines Berichtes in die amtlichen Akten verbotest oder, falls die Aufnahme bereits erfolgt war, ihn wieder vernichten ließest. Wie weit du damit an deinem Ziele vorbeischossest, das mußtest du zwar schon beim ersten Termin aus den vielen sicilianischen Fällen erfahren, indessen kannst du es auch aus dem vorliegenden Beispiele lernen. Die Provinzialen gehorchen natürlich aufs Wort, solange der befehlende Vertreter Roms zugegen ist; sowie er aber das Land verläßt, schreiben sie nicht nur alles auf, was ihnen damals verboten war, sondern fügen den Grund hinzu, warum es ihnen verboten wurde. (89) Diese Akten existieren in Milet, und sie werden existieren, solange Milet besteht. Zehn Schiffe hatte die Stadt Milet auf Befehl des Lucius Murena aus den Zolleinnahmen für das römische Reich bauen lassen, wie ja auch die übrigen levantinischen Gemeinden je nach ihren Verhältnissen zur Reichsflotte beisteuerten. Nun trugen sie den Verlust eines dieser zehn Schiffe in ihre städtischen Akten ein; und was sie dabei als Ursache des Verlustes aufnotierten, war nicht etwa ein plötzlicher Überfall durch barbarische Flibustierhaufen, sondern die Räuberei eines römischen Verwaltungsbeamten, nicht die Unbill des Wetters, sondern das verheerende Unwetter, das sich in Gestalt des Verres über die Bundesstaaten entlud.

(90) Jetzt weilen die ersten Männer von Milet als Gesandte ihrer Stadt in Rom; sie haben zwar auf den Februar des künftigen Jahres und auf den Amtsantritt der designierten Konsuln zu warten, allein sie werden die in Rede stehende Schuld erstens auf Befragen nicht verleugnen und dann überhaupt bei der Vorladung nicht verschweigen können: ihr Gewissen sowohl wie die Furcht vor den Gesetzen ihrer Heimat wird sie zwingen, über den Verbleib jenes Schnellseglers Auskunft zu erteilen, und so werden sie zeigen, daß auf ihrer Flotte, deren Bestimmung der Kampf gegen die Piraten war, Gaius Verres sich selbst als Erzpiraten bewährt hat. –

XXXVI. Als Dolabellas Quästor Gaius Malleolus getötet worden war, sah Verres den Moment gekommen, wo ihm zwei Erbschaften zufielen: einmal aus der Amtsthätigkeit des Quästors – denn Dolabella berief ihn sofort als stellvertretenden Quästor an Malleolus' Stelle – und dann aus einer Vormundschaft; er war nämlich als Vormund für Malleolus' unmündigen Sohn eingesetzt worden und unternahm daher sogleich einen Feldzug gegen dessen Vermögen. (91) Malleolus war mit solch pomphafter Ausrüstung in seine Provinz gereist, daß er rein nichts zu Hause zurückließ; dann hatt' er allenthalben im Ausland große Geldgeschäfte unternommen, Kapitalien auf Zinsen ausgeliehen, auch eine Unmasse feinen Silbergerätes mit sich geführt (in diesem Punkte krankhafter Habgier war er nämlich Verres' würdiger Kamerad): in seinem Nachlasse fand man schwere Mengen Silber und ein reiches Personal an Kunsthandwerkern, Lustknaben und sonstigen Sklaven. Verres nahm von dem Silberzeug in Beschlag was ihm gefiel, kommandierte die Sklaven, soviel er ihrer brauchen konnte, in sein Haus, ließ die Vorräte an Wein und anderen im Orient leicht zu beschaffenden Dingen aus Malleolus' Hinterlassenschaft mit auf den Weg nehmen, alles übrige verkaufen und das Geld einziehen. (92) Der Erlös belief sich notorisch auf zwei und eine halbe Million Sesterzen; aber keine Spur davon gelangte an die Witwe oder den Sohn oder dessen Rechtsbeistand: Verres kehrte nach Rom zurück, behielt die Künstler und Sklaven des Mündels in seinem Hause, die gelehrten und amüsanten Gesellschafter in seiner beständigen Umgebung und erklärte sie für sein Eigentum, das er rechtlich durch Kauf erworben hätte. Wiederholt stellten Mutter und Großmutter des Knaben die Forderung an Verres, wenn er das Geld nicht herausgeben und eine Abrechnung nicht vorlegen wollte, so sollt' er wenigstens sagen, wieviel Geld er sich von Malleolus angeeignet hätte; auf anhaltendes Drängen erklärt er endlich einmal: »eine Million Sesterzen.« Darauf radierte er die unterste Zeile auf der letzten Seite des Rechnungsbuches aus (was schon unerlaubt ist) und schrieb auf der ausradierten Stelle sechsmalhunderttausend Sesterzen dem Sklaven Chrysogonos zur Last und dem Mündel Malleolus gut. Wie es kam, daß aus der Million eine 600 000 wurde, daß die Zahl 600 000 genau ebenso stimmte wie damals der Rest von 600 000 Sesterzen aus der Kriegskasse des Konsuls Gnaeus Carbo; wieso sie dem Sklaven Chrysogonos angerechnet wurden, warum dieser Posten ganz am Ende und auf einer ausradierten Stelle steht – darüber werdet ihr euch selber eine Vorstellung bilden.

(93) Dabei wurden von den eingetragenen 600 000 Sesterzen 50 000 nicht ausbezahlt; das höhere Personal wurde teils erst nach der Versetzung des Verres in den Anklagezustand abgeliefert, teils wird es noch heute seinem rechtmäßigen Besitzer vorenthalten, ebenso das ganze Unterpersonal und das übrige Mobiliarvermögen. XXXVII. So sieht die herrliche Vormundschaft des Verres aus. Das ist der Mann, dem man seine Kinder anvertrauen kann, oder das Andenken eines verstorbenen Kameraden oder die Achtung vor dem Urteil der Lebenden! Ganz Kleinasien stand dir zur Verfügung, daß du es nach Herzenslust aussaugen konntest, ganz Pamphylien stand dir für deine Raubzüge offen, aber du hast dich mit diesen fetten Pfründen nicht begnügt, du mußtest noch die Pflicht des Vormundes verletzen und dich an dem unmündigen Sohne deines Kameraden vergreifen! Jetzt sind es nicht Sicilianer, die dich zu Falle bringen, nicht »Bauern«, wie du die Leute zu nennen liebst, die durch deine Amtsbefehle und Erlasse zur grenzenlosen Erbitterung gegen dich getrieben wurden; nein, Malleolus wird von mir vorgeführt mit seiner Mutter und Großmutter, die unter Thränen das jämmerliche Geschick des von dir aus seinem väterlichen Erbe verstoßenen Knaben berichten. (94) Worauf wartest du noch? etwa daß Gaius Malleolus selbst von den Toten auferstehe und von dir einfordere, was du dem Kameraden, dem Mündel, dem Knaben schuldetest? Denk an ihn, du Geizhals, du schmutziger Geselle, stelle dir vor, er schaute uns zu: gieb dem Sohne deines Kameraden wieder, was du ihm gestohlen – oder wenigstens so viel, wie du eingestanden hast! Warum zwingst du den armen Knaben, zum erstenmal seine Stimme hier auf dem Markte zu Jammer und Klage zu erheben? warum zwingst du die Witwe und ihre bejahrte Mutter, ja schließlich die ganze Familie deines toten Genossen zum Zeugnisse wider dich? warum zwingst du die edlen zurückhaltenden Damen, gegen ihre Neigung und Gewohnheit in einer Zusammenkunft von vielen Männern zu erscheinen? – Bitte die sämtlichen hierher gehörigen Zeugnisse vorzulesen.

[Verlesung des Zeugnisses der Mutter und Großmutter des jungen Malleolus.] –

XXXVIII. (95) Wie Verres dann als stellvertretender Quästor die Gemeinde Milyas peinigte, wie er Lykien, Pamphylien, Pisidien und ganz Phrygien durch Getreidelieferungen und Taxationen mit Hilfe seines später in Sicilien so ausgiebig verwendeten, damals aber frisch erfundenen Systems zu Grunde richtete, das brauch' ich nicht mit Worten zu beschreiben; nur so viel müßt ihr gleich erfahren: er legte den Gemeinden die verschiedensten Lieferungen an Natural- und Manufakturerzeugnissen auf, als da sind Getreide, Leder, Haarteppiche, Säcke u. a. m. Dann erklärt er die Objekte nicht annehmen zu wollen, sondern ihren Wert in barem Gelde verlangen zu müssen; und allein die auf diese Weise von ihm eingetriebenen Posten beliefen sich nach Ausweis der Akten im Prozeß Dolabella auf drei Millionen Sesterzen. Zu all' diesem Unfug hatt' er zwar die Autorisation Dolabellas, indessen war es doch ausschließlich sein Werk. (96) Mit einem dieser Posten will ich mich für diesmal begnügen; ich könnte ihrer viele anführen. Bitte vorzulesen.

[Vorlesung aus den Akten über den Schadenersatz seitens des Prätors Gnaeus Dolabella für eingezogene Lieferungsgelder: »Da er die Gemeinde von Milyas« u. s. w.]

Daß du diese Lieferungen anbefohlen und abgeschätzt, daß du dir das Geld hast auszahlen lassen, das erklär' ich mit aller Bestimmtheit; und ich bringe die Beweise dafür, daß du mit derselben rohen Gewaltthätigkeit überall hohe Summen erpreßtest: wie eine mörderische Epidemie oder wie ein verheerendes Unwetter rastest du durch alle Teile der Provinz. (97) Als daher Marcus Scaurus die Klage wegen unredlicher Amtsführung gegen Dolabella erhob, da hielt er vor allem den Verres in seiner Gewalt. Der Kläger, ein noch junger Mann, hatte bei den Voruntersuchungen die zahllosen Betrügereien des Verres entdeckt und verfuhr nun mit einer Schlauheit, die dem Erfahrensten Ehre gemacht hätte: er zeigte dem Verres einen ganzen Stoß von Nachweisen über seine Verbrechen; davon übertrug er, soviel ihm beliebte, auf Dolabella; Verres mußte dafür als Zeuge auftreten und sagte wirklich alles aus, womit er dem Ankläger zu dienen glaubte. – Hätte ich Zeugen dieser Sorte, d. h. Leute die an Verres' Räubereien mit beteiligt waren, hier verwenden wollen, ich hätte über eine ganze Masse verfügt; die Menschen versprachen mir, nur um sich die Gefahr des Prozesses und die Gemeinsamkeit mit dem Räuber vom Halse zu schaffen, sie wollten alles übernehmen, was ich ihnen zumuten würde. (98) Von dieser Ergebenheit hab' ich jedoch keinen Gebrauch gemacht; alle ohne Ausnahme wies ich zurück; in meinem Lager ist nicht nur für Verräter, sondern auch für Überläufer kein Platz. Vielleicht erwirbt man sich einen bedeutenderen Ruf als Ankläger, wenn man die genannten Mittelchen in Anwendung bringt; das ist wohl möglich; indessen an meiner Person möcht' ich eben vor allen Dingen den Verteidiger, nicht den Kläger anerkannt wissen. – Verres wagte es nicht, seine Kasseninventare an die Oberrechnungskammer abzuliefern, ehe Dolabella verurteilt war; er setzte beim Senat eine Vertagung des dafür angesetzten Termines durch, weil seine Bücher angeblich von Dolabellas Anklägern versiegelt waren und es ihm daher unmöglich gewesen wäre sie vollständig zu kopieren. Er ist der einzige Mensch, der niemals Kassenberichte an die Oberrechnungskammer abliefert. XXXVIIII. Ihr habt ja selbst die Proben seiner Rechnungsablage vernommen: erst über seine Quästur: sie bestand in drei Zeilen; dann über seine Legation: sie kam erst nach erfolgter Verurteilung und Vertreibung desjenigen Mannes, der sie hätte anfechten können; endlich die über seine Prätur, die er nach Senatsreglement sogleich hätte leisten müssen – die hat er bis auf den heutigen Tag noch nicht vorgelegt.

(99) Er behauptete dazu das Erscheinen seines Quästors im Senat abwarten zu müssen; als ob nicht ganz ebenso gut der Prätor ohne den Quästor Rechnung ablegen könnte wie der Quästor ohne den Prätor: letztes war ja z. B. bei dir der Fall, Hortensius, und ist überhaupt ganz allgemein üblich. Er berief sich aber dafür auf den Präcedenzfall des Dolabella; der wartete auch erst seinen Quästor ab, eben den Verres. Der Senat ließ sich mehr durch die Vorbedeutung als durch die Gründe imponieren und sagte »ja«. Nun sind aber die Quästoren schon längst erschienen; wo bleibt deine Rechnungsablage? – Was den gegenwärtig in Rede stehenden Fall betrifft, so gehören diesem Auswurfe von einer Legats- und Quästorenamtsführung so manche Posten an, die notwendig dem Dolabella angerechnet wurden. Hier steht es ja in der gerichtlich aufgestellten »Liste des von dem ehemaligen Prätor und stellvertretenden Prätor Dolabella zu leistenden Kostenersatzes«: (100) Dolabella notiert als von Verres empfangen weniger als Verres für Zahlung an Dolabella: Differenz fünfhundertundfünfunddreißigtausend Sesterzen; dann steht bei Dolabella eine größere Summe an Verres gezahlt als sie in Verres' Büchern zu finden ist: Differenz zweihundertundzweiunddreißigtausend Sesterzen; ferner für taxierte Getreidelieferungen ergiebt sich eine Differenz von einer Million und achtmalhunderttausend Sesterzen: alles steht in deinen Büchern, du sittenreiner Mensch, ganz anders. Daher sind jene überschüssigen Summen geflossen, die wir ohne jede Führung doch schließlich in irgend einem Winkelchen aufspüren; daher die zahlreichen Posten bei der Firma Quintus und Gnaeus Curtius Postumus, von denen bei dir keine Spur in den Büchern zu finden; daher die vier Millionen, die, wie ich durch Zeugen nachweisen werde, in Athen an Publius Tadius gezahlt wurden; daher der offene Kauf des Prätorenamtes – oder ist es am Ende gar zweifelhaft, wie dieser Mensch Prätor wurde? (101) Er war ja der Mann danach! Er hatte ja soviel Eifer entfaltet oder dem Staate Dienste geleistet oder den hervorragenden Ruf der Ordnungsliebe erworben oder wenigstens, wozu gewiß nicht viel gehört, ruhige Ausdauer bewiesen – er, der vor seiner Quästur nur mit Buhler- und Kupplergesindel verkehrte, der dann seine Quästur in der euch bekannten Weise verwaltete, der sich in Rom nach Ablauf jener schandbaren Quästur kaum drei Tage lang aufhielt, dann in den Provinzen keinen Augenblick in Vergessenheit geriet, sondern unablässig in aller Munde lebte, als Ausbund des Verbrechens nämlich: er gelangte, nach Rom zurückgekehrt, natürlich umsonst in den Besitz der Prätorenwürde!! Um einer Anklage vorzubeugen, ließ er die Zahlungen auf Umwegen leisten. Wem das Geld ausbezahlt wurde, das ist für mich, und ich denke auch für die Sache, ganz gleichgültig; daß es für Wahlzwecke ausgegeben wurde, stand damals unter dem frischen Eindrucke der Vorgänge bald allgemein fest. (102) Thörichter Mensch! Du wolltest deine Verrechnungen so einrichten, daß du dem Vorwurf überschüssiger, d. h. in ihrer Herkunft unmotivierter Geldbestände entgingest; nun dachtest du allem Verdacht auszuweichen, wenn du die an gewisse Personen geleisteten Zahlungen nicht aufschriebest, also in deinen Büchern den Posten gar nicht ansetztest. Wie dumm ist das! denn die beiden Curtius haben doch auch ein Rechnungsbuch, und bei ihnen stehen alle jene Zahlungen als empfangen. Was half dir also die Unterdrückung der Posten? glaubtest du dich vor Gericht bloß auf deine eigenen Rechnungsbücher berufen zu können?

XXXX. (103) Indessen wir wollen allmählich zu seiner herrlichen Verwaltung der Prätur übergehen, zu jenen Klagepunkten, die den meisten Anwesenden bekannter sind als mir, der ich doch mit bestimmter Vorbereitung zum Plaidoyer gekommen bin; ich bezweifle keinen Augenblick, daß ich hierbei dem Vorwurfe der Flüchtigkeit, d. h. der Unvollständigkeit, beim besten Willen nicht entgehen kann. Denn viele werden sagen: »er hat ja gar nicht von dem und dem Skandale gesprochen, den ich selbst miterlebt habe« oder »er hat ja die Fälle mit mir und meinem Freunde, wo ich die Verbrechen aus nächster Nähe mit ansehen mußte, gar nicht erwähnt« oder ähnlich. Alle Leute, die Verres' Verbrechen kennen, mit anderen Worten die gesamte Einwohnerschaft Roms, bitt' ich aufs dringendste um Entschuldigung; ich versichere, daß es nicht aus Flüchtigkeit geschieht, wenn ich sehr vieles auslasse, sondern einiges will ich ausschließlich dem Zeugenverhör aufbehalten wissen, und vieles muß ich notwendig übergehen, weil die Zeit nicht ausreichen, die Rede sich ins Unendliche verlängern würde. Ich muß aber anderseits, wenn auch ungern, eingestehen: da Verres keine Minute verstreichen ließ, ohne ein Verbrechen zu begehen, so war der Versuch, von allen, wirklich allen seinen Sünden Kenntnis zu nehmen, mir schließlich unausführbar. So möget ihr denn eure Ansprüche bis zu einem gewissen Grad einschränken; ihr sollt von den Klagepunkten, die seine Prätur betreffen, und zwar auf den beiden Hauptgebieten der Rechtspflege und der Sorge für die öffentlichen Bauten nur die wichtigsten zu hören bekommen. Sie passen so recht für einen Angeklagten, dem man Kleinigkeiten oder Mittelmäßigkeiten gar nicht mehr vorwerfen darf. (104) Denn nachdem er glücklich zum Prätor gewählt worden war, erhob er sich zur feierlichen Handlung vom Lager der Chelīdon Sie brauchte nicht näher charakterisiert zu werden, selbst wenn sie nicht mehr stadtbekannt war; an sich bedeutet zwar »Chelidon« im Griechischen nichts als »Schwalbe«, aber in Rom wußte jedermann, welche Sorte von Damen solche Namen zu tragen pflegte. Turgenjew sagt im analogen Falle »Kolibri«. und erhielt durchs Los den Verwaltungsbezirk Rom; das geschah wahrlich mehr im Sinne des Verres und der Chelidon als im Sinne Roms. Wie er seine Amtstätigkeit daselbst gleich mit einem Erlaß in betreff der Rechtspflege eröffnete, das sollt ihr jetzt erfahren.

XXXXI. Als noch Gaius Sacerdos Prätor war, starb ein gewisser Publius Annius Asellus. Dieser hatte eine einzige Tochter, und da er nicht eingeschätzt worden war, so that er, was natürlich ist und durch kein Gesetz verhindert wird: er setzte seine Tochter zur Erbin seines Vermögens ein. Die Tochter hatte ihr Erbe anzutreten. Alles stand auf ihrer Seite: die Gerechtigkeit des Gesetzes, der Wille des Vaters, die Erlasse der früheren Prätoren und speziell die zu Recht bestehenden Bräuche jener Zeit, in der das Ableben des Asellus erfolgt war. (105) Da wurde Verres zum Prätor gewählt; und ihm kam bald ein Gedanke – vielleicht auf fremde Anregung oder direkten Wink, vielleicht aber kam er mit seinem feinen Spürtalent für solche Dinge ganz ohne Führer und Ratgeber von selbst auf diese Niederträchtigkeit; übrigens kann mir das gleichgültig sein, uns geht hier nur sein tolldreistes Vorgehen an. Er läßt sich also einen Verwandten des Verstorbenen, Namens Lucius Annius kommen, der nach der Tochter eingesetzt war (daß etwa umgekehrt Annius sich zuerst an ihn gewandt hätte, lass' ich mir nicht einreden) und sagt ihm, er könne ihm mittels Prätorenediktes die ganze Erbschaft zufließen lassen; er setzt ihm das Nähere auseinander, kurz, zeigt ihm, was sich thun ließe. Annius fand die Sache gut, Verres die Gelegenheit, ein Geschäft zu machen, ebenfalls. An Dreistigkeit läßt er's ja für gewöhnlich nicht fehlen, aber diesmal legte er die Sache doch erst der Witwe des Erblassers vor: er hätte lieber Geld dafür genommen, daß er ein unerhörtes Edikt nicht erließ, als daß er dieses wirklich schamlose, unmenschliche Edikt zwischen den Verstorbenen und die Ausführung seines letzten Willens stellte. (106) Hätten die Vormünder des Mädchens auf dessen Namen hin dem Prätor Geld gegeben, namentlich recht fette Summen, so wäre wohl alles glatt abgelaufen; aber sie konnten doch nicht recht sehen, wie sie mit ihm verrechnen sollten, waren übrigens auch nicht sicher ihn ohne eigene Gefahr zu bestechen; überdies trauten sie ihm eine solche Schändlichkeit nicht zu. Kurz, man schlug es ihnen zwar häufig vor, aber sie ließen sich nicht darauf ein.

So erließ denn Verres sein Edikt zu Gunsten des Menschen, dem er die Erbschaft schenken wollte; von der Gerechtigkeit dieses Erlasses, der das Waisenkind um sein väterliches Vermögen brachte, möget ihr euch einen Begriff machen. Da heißt es:

»In Anbetracht, daß ich das Gesetz des Voconius« u. s. w. [Vorlesung aus Verres' Edikt.]

Wer hätte je von Verres einen Angriff gegen die Frauen erwartet? hat er vielleicht deswegen etwas gegen die Frauen gethan, weil es nicht den Eindruck erwecken sollte, als wäre der ganze Erlaß von einer Laune der Chelidon diktiert? – Er behauptet der menschlichen Habgier steuern zu wollen. Wer war wohl dazu am meisten berechtigt? wer war denn in unserer oder überhaupt in irgend welcher Generation soweit von aller Habgier entfernt? – Bitte, noch etwas weiter in der Vorlesung dieses köstlichen Erlasses; mich amüsiert der Mensch mit seiner Würde und seiner Rechtskenntnis; ja, ja, er versteht zu imponieren.

»Wer nach der Einschätzung durch die Censoren Aulus Postumius und Quintus Fulvius jemals – – einsetzt oder eingesetzt hat.«

(107) »Einsetzt oder eingesetzt hat,« hat man je von solch einem Regierungserlasse gehört? Wer hat je gerichtliche Bestimmungen gegen einen Vorgang erlassen, für den man weder vor Erlaß des Ediktes Vorkehrungen treffen noch nachher verantwortlich gemacht werden kann? – XXXXII. Das Recht, die Gesetze und alle maßgebenden Personen, die man in diesem Falle befragte, erklärten, daß Publius Annius ein Testament gemacht hatte, das gegen keinen Grundsatz der Pflicht, des Anstandes oder der Rücksicht verstieß. Aber hätte er auch selbst dagegen verstoßen, so hätte doch nach seinem Tode kein neuer Rechtssatz gegen seinen letzten Willen erlassen werden dürfen. Offenbar reizte dich die Voconiusbill. Du wärest in Voconius' Spuren gewandelt! Sein Gesetz brachte kein Mädchen und keine Frau um ihre Erbschaft, sondern bestimmte für die Zukunft, daß, wer nach der Zeit jener Censoren abgeschätzt wäre, keine Mädchen und Frauen mehr zu Erben einsetzen sollte. (108) In der Voconiusbill steht nichts von »einsetzt oder eingesetzt hat,« und überhaupt kein Gesetz hat rückwirkende Kraft, außer bei gemeinen Verbrechen von solcher Scheußlichkeit, daß auch ohne die Existenz bestimmter Gesetze ihre Unterdrückung eine Notwendigkeit ist. Ja, selbst innerhalb dieser Kategorie sehen wir vielfach, daß den Gesetzen eine rückwirkende Kraft nicht verliehen ist; die Corneliusbill, betreffend die Testamente, das Münzgesetz und verschiedene andere bezeigen, daß man dem Volke nicht neue Rechtssätze beschert, sondern nur die Untersuchung über gewisse, stets als Verbrechen aufgefaßte Handlungen von einer bestimmten Zeit an vor das Volk bringt. (109) Aber das sind alles Kriminalfälle; wer im Civilrecht eine Neuerung einführt, läßt doch natürlicherweise alles Vergangene vergangen sein! Zeige sie mir doch her, die Gesetze des Atinius, des Furius, des Fusius, ja auch gerade das des Voconius, überhaupt alle Paragraphen des Civilrechtes: überall wirst du die Bestimmung finden, daß der fragliche Rechtssatz »von nun an« für die Nation zur Anwendung gebracht werden soll. Wer einem Prätorenerlaß schon sehr viel Ehre erweisen will, der sagt: »ein Prätorenerlaß ist ein Gesetz mit Gültigkeit für ein Jahr;« und du willst für deinen Erlaß größere Macht beanspruchen als für ein Gesetz. Der erste Januar bedeutet für die Gültigkeit eines Prätorenerlasses das Ende; folglich beginnt die Gültigkeit eines solchen Erlasses doch wohl ebenfalls am ersten Januar! Wohin sollten wir denn sonst auch kommen? Nächstes Jahr haben wir einen neuen Prätor, und in sein Amtsjahr darf ein jetzt gültiger Erlaß nicht hinüberwirken; voriges Jahr hatten wir einen anderen Prätor, und in dessen Amtsjahr darf er es? – (110) Hättest du übrigens dein Edikt wirklich um des Rechtes und nicht vielmehr um eines einzelnen Menschen willen erlassen, du hättest es mit mehr Vorsicht aufgesetzt. XXXXIII. Du schreibst:

»Wer – – eine Person weiblichen Geschlechtes zum Erben einsetzt oder eingesetzt hat –«

Wie, wenn er nun jemand mehr vermacht hat als an den oder die rechtmäßigen Erben gelangt? Das ist nach der Voconiusbill jedem, der nicht abgeschätzt wurde, erlaubt; warum sorgst du also nicht für diesen Fall, der mit den anderen eng zusammen gehört? Weil du deine Worte nicht für das allgemeine, sondern für einen ganz bestimmten vereinzelten Fall gewählt hast, woraus man mit Leichtigkeit ersehen kann, daß dich nicht juridische, sondern finanzielle Absichten bestimmten. Hättest du es nun für die Zukunft erlassen, so wär' es zwar immerhin bösartig, aber in seinen Folgen doch nicht gar zu niederträchtig; man könnt' es tadeln, aber es würde vor Gericht nicht wirken, denn niemand würd' es darauf ankommen lassen. Dagegen jetzt, wie du es eingerichtet hast, merkt jeder, daß dein Erlaß nicht für das Volk geschrieben wurde, sondern für die Nebenerben des Publius Annius. (111) So hat sich denn auch trotz der vielen Worte und der bezahlten Vorrede, mit der du deinen Erlaß ausschmücktest, später kein einziger Prätor gefunden, der ihn erneuert hätte. Und nicht nur dies, sondern es hat kein Mensch auch nur befürchtet, daß der Erlaß erneuert werden könnte. Denn nach Ablauf deiner Amtsdauer ist der Fall häufig vorgekommen; erst kürzlich hat eine wohlhabende Frau Namens Annaea in Übereinstimmung mit ihren zahlreichen Verwandten auf Grund der Thatsache, daß sie nicht abgeschätzt war, ihre Tochter, testamentarisch zur Haupterbin eingesetzt. – Schon dies ist ein schweres Zeugnis der öffentlichen Meinung über Verres' ganz außerordentliche Unehrlichkeit, daß kein Mensch die Erneuerung eines von ihm eingeführten Erlasses auch nur für möglich hielt; es findet sich eben sonst kein solcher Mensch, du bist der einzige, der, nicht zufrieden die Testamente der Lebenden hindernd zu beeinflussen, selbst die der Toten zerreißen und vernichten muß. (112) Du selbst hast aus dem Erlasse für Sicilien die betreffende Bestimmung gestrichen; du wolltest, wenn etwa so ein Fall vorkäme, schleunigst nach den »Bestimmungen für die Reichshauptstadt« entscheiden. Das Verteidigungsmittel, das du dir für später offen hieltest, verfängt schon deshalb nicht, weil du deine eigene Autorität durch deinen Provinzialerlaß bekämpftest.

XXXXIIII. Wie bös und unwürdig Verres in diesem Falle gehandelt hat, das empfind' ich so recht, der ich selbst eine zärtlich geliebte Tochter habe; und ich bin fest überzeugt, daß jeder von euch, der sich in gleicher Lage befindet, dies Gefühl mit mir teilen wird. Wo hätte uns die Natur etwas so liebes, so herzinnig erfreuendes beschert wie unsere Töchter? sind sie nicht mehr als irgend etwas in dieser Welt all unserer hingebendsten Fürsorge wert? (113) Und du, unbarmherziger Mensch, warum hast du dich so schwer an dem toten Publius Annius versündigt? warum hast du seinen Manen diesen brennenden Schmerz angethan, die Kinder um die Habe ihres Vaters zu bringen? ihnen einen Besitz zu entreißen, der ihnen nach des Vaters Willen wie nach Recht und Gesetz zukam, und diesen Besitz irgend einem beliebigen andern zu schenken? Wir teilen bei unseren Lebzeiten unsere Güter an bestimmte Personen aus, und wenn wir tot sind, soll ihnen ein Prätor alles wegnehmen dürfen?; – Er sagt:

»Ich will ihnen weder die Erhebung eines Anspruches noch den Besitz gestatten.«

So willst du also dem Waisenkinde die Toga mit dem Purpurstreif entreißen, willst ihm den Schmuck vom Leibe zerren, den ihm das Glück und die freie Geburt verlieh? Da sollen wir uns noch wundern, wenn in Lampsakos die Leute gegen den Menschen die Waffen ergriffen, oder wenn er beim Abschied von seiner Provinz sich heimlich wie ein Flüchtling aus Syrakus davon machte! Würden wir fremdes Leid ebenso schwer empfinden, wie die eigene Kränkung, wahrlich, von Verres wäre keine Spur auf dem Markte zurückgeblieben. (114) Ein Vater will seine Tochter beschenken, und du verhinderst ihn; die Gesetze gestatten es, aber du stellst dich dazwischen! Ein Mensch verfügt über sein Vermögen in streng rechtlicher Weise; was kann man ihm da vorwerfen? hoffentlich nichts. Dennoch dies zugegeben: verhindere ihn, wenn du kannst, wenn man dich anhört, wenn man sich alles von dir gefallen läßt. Du willst den Toten ihren letzten Willen, den Lebendigen ihren Besitz, der ganzen Menschheit ihr Recht rauben? Die Nation hätte dich längst mit eigner Hand bestraft, wenn sie dich nicht für die gegenwärtige Gerichtsverhandlung aufgespart hätte.

Solange ein Prätorenrecht besteht, ist immer folgender Rechtssatz zur Anwendung gekommen: Wenn bei einer Erbschaftsstreitigkeit kein geschriebenes Testament vorgelegt wird, so wird zu Gunsten der nächstberechtigten Erben je nach dem Grad ihrer Berechtigung über den Nachlaß verfügt, als ob der Erblasser ohne Testament verstorben wäre. Warum dieser Grundsatz so höchst gerecht ist, ließe sich leicht darlegen; aber die Sache ist uns ja so geläufig, daß es genügt darauf hinzuweisen, daß früher alle danach Recht gesprochen haben – diese Bestimmung ist eben seit alten Zeiten in Gebrauch und aufs beste überliefert. XXXXV. (115) Aber so alt die Sache ist, Verres mußte etwas Neues befehlen; hört euch das an, und dann gebet ihm die jungen Leute, die Civilrecht studieren wollen, in die Lehre. Sein Geist ist ebenso bewundernswert wie seine Klugheit. Ein gewisser Minucius starb, bevor Verres zum Prätor gewählt wurde; ein Testament fand sich nicht, folglich gehörte die Erbschaft rechtlich der Familie Minucius. Hätte Verres den Gesetzesparagraphen angewendet, den alle Prätoren vor und nach ihm befolgten, so wäre der Nachlaß an die Familie Minucius überwiesen worden; käme jemand und sagte: »wenn der verstorbene ein Testament gemacht hätte, so hätte er mich zum Erben eingesetzt« – in diesem Falle sollte er auf dem Wege der Civilklage gegen die Erbschaft vorgehen oder je nach Umständen eine Gerichtswette vorschlagen und so seine Ansprüche geltend machen. Ich denke, das ist klar; seit der Ahnen Zeit bis auf unsre Tage ist dieser Rechtssatz immer befolgt worden. Nun sehet, wie ihn Verres verbesserte. (116) Er setzt einen Erlaß auf, aus dessen Wortlaut jedermann ersehen kann, daß er um eines einzigen Menschen willen geschrieben wurde, es fehlte nur noch, daß der Name des Betreffenden genannt wurde; der ganze Fall wird hererzählt, aber Recht und Herkommen, Billigkeit und Gesetzesparagraphen werden mit Füßen getreten.

[Vorlesung aus dem Erlasse für die Hauptstadt: Wenn über eine Erbschaft Meinungsverschiedenheiten entstehen – – wenn der Besitzer eine Gerichtswette nicht vorschlägt –]

Woher weiß nun der Prätor, wer der rechtmäßige Besitzer ist? Muß dies nicht zu allererst untersucht werden? – Vortrefflich: also, weil jemand der Besitzer ist, vertreibst du ihn nicht aus dem Besitz; wenn er aber nicht der Besitzer wäre, dann würde er den Nachlaß nicht erhalten? Für diesen Fall triffst du nämlich gar keine Anordnung, du sorgst überhaupt nur für den einzigen Fall, für den du bezahlt worden warst. (117) Es ist ja lächerlich:

»Wenn über eine Erbschaft Meinungsverschiedenheiten entstehen und mir ein geschriebenes Testament mit nicht weniger als der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl von Siegeln vorgelegt wird, so werde ich über den Nachlaß nach dem Wortlaute des Testamentes verfügen.«

So ist es herkömmlich; nun muß es weiter gehn: »Wenn aber kein geschriebenes Testament vorgelegt wird« – Und was sagt dazu Verres? Er würde den Nachlaß demjenigen geben, der sich für den Erben erklärt. Was kommt also darauf an, ob ein Testament vorgelegt wird oder nicht! Bringt einer das Testament an und es hat ein Siegel weniger als das Gesetz vorschreibt, so giebst du dem Menschen seinen Besitz nicht; und wenn er überhaupt kein Testament anbringt, so willst du ihm den Nachlaß geben? – Hier brauch' ich nicht erst zu sagen, daß so ein Erlaß nicht zum zweitenmal vorgekommen ist; es wäre wohl ein großes Wunder, wenn kein Prätor mit Verres Ähnlichkeit haben wollte. Er selbst hat diesen Satz in seiner Verordnung für die Provinz Sicilien nicht (er hatte nämlich seinen Sündenlohn bereits eingestrichen), gerade wie er in dem vorher behandelten »Erlasse für Sicilien, betreffend die Überweisung von Erbschaften« dieselbe Anordnung traf wie alle Prätoren für Rom – außer ihm.

[Vorlesung aus der »Verordnung für Sicilien«: »Wenn über eine Erbschaft Meinungsverschiedenheiten entstehen« u. s. w.]

XXXXVI. (118) Nun bitt' ich euch um alles in der Welt: was soll man von diesem Menschen sagen! Zum zweitenmal richt' ich, wie vorher bei dem Fall Annius wegen der Erbschaften von Frauen, so jetzt wegen der Überweisung von Nachlassen, die Frage an dich: warum hast du jene Paragraphen nicht in die Verordnung für die Provinz mit hinübergenommen? Hieltest du die Bewohner der Provinz eher einer vernünftigen Justiz für würdig als uns, oder ist für Rom etwas anderes recht und billig als für Sicilien? Keineswegs darf man sich hier darauf berufen, daß für die Provinzen viele Verordnungen anders getroffen werden müssen als für Rom; wenigstens gilt dies nicht von Nachlaßüberweisungen und Frauenerbschaften. Das ergiebt sich schon daraus, daß auf beiden Gebieten nicht nur die übrigen Prätoren, sondern du selbst buchstäblich genau mit denselben Worten den Erlaß formuliertest wie es in Rom zu geschehen pflegt. Was du in Rom gegen bare Bezahlung zu deiner größten Schande verordnetest, das und nur das hast du, um nicht umsonst deinen Ruf bei den Provinzialen zu ruinieren, in Sicilien aus dem Erlasse gestrichen.

(119) Die Verordnung zu gunsten der Leute, die von dieser Rechtsprechung ihren materiellen Profit erwarteten, setzte Verres in der Zeit auf, wo er schon zum Prätor gewählt war, sein Amt aber noch nicht angetreten hatte. Sobald er jedoch im Amte saß, setzt' er andere Mienen auf: gar häufig verfügt' er ohne alle Scheu gegen seinen eigenen Erlaß. Lucius Piso hat viele Aktenbündel mit der Beschreibung solcher Fälle ausgefüllt, wo er einschreiten mußte, weil Verres eine Entscheidung getroffen, die seinem eigenen Erlasse widersprach; ich hoffe, ihr habt es nicht vergessen, welche Menschenmenge und welcher Stand sich damals, als Verres Prätor war, regelmäßig bei Piso einzufinden pflegte. Hätte Verres nicht den Piso als Kollegen neben sich gehabt, er wäre auf dem Markte gesteinigt worden. So erschienen seine Verbrechen in etwas milderem Lichte, weil Pisos gerechte und kluge Art dem Publikum eine jederzeit offene Zufluchtsstätte bot, zu der man sich ohne Mühe, ohne Schwierigkeiten, ohne kosten, ja auch ohne Rechtsanwalt retten konnte. (120) Habet doch die Güte, meine Herren, und rufet euch nur einmal jene Scenen schamloser Willkür ins Gedächtnis zurück, wie seine Verfügungen jeden Augenblick anders lauteten, wie man um sie schacherte und feilschte, wie es leer war bei allen sonst zu Rate gezogenen Kennern des Civilrechtes, dagegen gepfropft voll im Hause – der Chelidon: von diesem Frauenzimmer ging man zu Verres, flüsterte ihm allerlei ins Ohr, und siehe! bald rief er die Leute, deren Rechtshandel er bereits geschlichtet hatte, zurück und änderte seinen Entscheid, bald trug er jemand mit größter Unverfrorenheit genau das Gegenteil davon als Entscheid vor, was er kurz zuvor einem anderen verkündet hatte. (121) Da kamen jene Fälle vor, wo Menschen in ihrem Schmerze sogar humoristisch wurden: ihr habt ja oft den Witz gehört, man dürfe sich nicht wundern, wenn das »Eberrecht« so bestialisch sei; andere waren noch frostiger, aber in ihrer Wut kamen sie einem komisch vor, wenn sie den Priester Der Leser wird sich des braven Prätors Gaius Sacerdos erinnern; »sacerdos« heißt »der Priester«, und der Priester hatte die Opferhandlungen zu vollziehen oder zu leiten. verwünschten, der so einen scheußlichen Eber am Leben gelassen. Ich würde dies alles nicht erwähnen (es ist nämlich nicht gerade sehr witzig, und übrigens gehören Witze wahrlich nicht an diesen ernsten Ort), wenn ich euch nicht die Thatsache in Erinnerung bringen wollte, daß Verres' Nichtswürdigkeit stadtbekannt und beim niederen Volke sprichwörtlich geworden war.

XXXXVII. (122) Wie hat er sich nicht an unserem Stadtvolke versündigt! Man weiß nicht, soll man erst von seinem Hochmut oder von seiner Grausamkeit sprechen? Die Grausamkeit ist denn doch das furchtbarere Laster. Da seht die Leute: sollten sie vergessen haben, wie er auf das Volk in den Straßen mit Ruten loshauen ließ? Den Fall hat nachher ein Volkstribun in einer Versammlung zur Sprache gebracht, wobei er einen auf Verres' Befehl Gepeitschten der Versammlung vorzeigen ließ; über die näheren Umstände bring' ich euch später das Beweismaterial. (123) Vollends sein frevelhafter Übermut ist allbekannt. Stets pflegt' er die Bedürftigen zu bedrücken, zu kränken, in ihren Rechten zu schädigen. Ein gewisser Publius Trebonius hatte mehrere brave, ehrliche Leute zu Erben eingesetzt, darunter einen seiner Freigelassenen. Nun hatt' er einen Bruder Namens Aulus Trebonius, der einst von Sulla in die Acht erklärt worden war. Um diesem die Existenz zu garantieren, bestimmt' er, seine Erben sollten sich eidlich verpflichten, jeder von seinem Erbteil nicht weniger als die Hälfte an jenen Aulus Trebonius gelangen zu lassen. Der Freigelassene leistet den Eid; die übrigen Erben gehen zu Verres und setzen ihm auseinander, daß sie nicht verpflichtet sind, durch Eidschwur jene Zahlung zu übernehmen: denn sie würden ja damit gegen das Gesetz Sullas verstoßen, welches die Unterstützung eines Geächteten verbietet. Sie setzen ihren Willen durch: Verres erläßt ihnen den Eid und gestattet ihnen den Nachlaß anzutreten. – Hierüber verlier' ich weiter kein Wort; es wäre ja unbillig zu verlangen, daß einem geächteten, notleidenden Menschen etwas vom Vermögen seines verstorbenen Bruders abgegeben würde! Aber der Freigelassene faßte die Sache anders auf: er glaubte ein schweres Verbrechen zu begehen, wenn er den Eid, den ihm der letzte Wille seines früheren Herrn abverlangte, nicht leistete. (124) Die Folge war, daß Verres ihm die Erlaubnis, seine Erbschaft anzutreten, verweigerte: er sollte seinem Schützer, der nun geächtet Wie schon gelegentlich des Aphroditetempels auf dem Eryx bemerkt war, stand vielfach der Sklave auch nach erfolgter Freilassung in einem gewissen, wenigstens moralischen Abhängigkeitsverhältnisse von seinem Herrn und Schützer; und dies Schutzverhältnis übertrug sich vom einzelnen Besitzer auf dessen ganze Familie, da der Römer mit seiner Familie Eins ist und daher der Freigelassene der ganzen Familie seine Existenz und sein Glück zu verdanken glaubt. war, keine Unterstützung zukommen lassen und zugleich für seinen Gehorsam gegen den letzten Willen seines Herrn büßen. – Also du giebst dem Erben, der den verlangten Eid nicht leistete, seinen Anteil am Nachlaß; meinetwegen, das darf der Prätor. Aber dem anderen Erben, der den Eid leistete, nimmst du sein Erbteil: das ist unerhört! Wie kommst du dazu? – »Ja,« wird es heißen, »er unterstützt einen Geächteten, dagegen giebt es ein Gesetz, darauf steht Strafe.« – Was geht das den Prätor an? In der That hatte sich der städtische Prätor hier nicht einzumischen; eine bezügliche Klage hätte vor einen besonderen Gerichtshof gehört. was wirfst du dem Mann überhaupt vor, seine Mildthätigkeit gegen den in Not und Elend geratenen Schützer, oder seine Treue gegen den Willen des verstorbenen Herrn, dem er sein höchstes Lebensglück verdankte? – Man höre die eigenen Worte des edlen Herrn, die er vom Throne seiner Prätur herab verkündete: »Ein so reicher römischer Ritter darf unmöglich von einem Menschen niederer Herkunft beerbt werden.« Ach, wie bescheiden ist der Stand, wenn er jenen Moment überleben durfte!

(125) Unzählig sind die Entscheidungen des Verres, die ich gar nicht vorzutragen brauche, weil ihre eigene unerhörte Unbilligkeit am besten bezeugt, daß sie durch Bestechung hervorgerufen wurden; aber um euch aus einem Fall einen Begriff von den übrigen zu machen, was ihr ja in der ersten Verhandlung gelernt habt, möget ihr euch jetzt folgendes anhören.

XXXXVIII. In Rom lebte ein Mann, Namens Gaius Sulpicius Olympos. Aus dem Namen ersieht man, daß es ein Grieche Namens Olympos war, den ein Gaius Sulpicius freigelassen hatte. Dieser starb, als Gaius Sacerdos Prätor war, vielleicht noch bevor Verres seine Bewerbung um die Prätur begann. Sein Testament bezeichnete den Marcus Octavius Ligur als Erben. Ligur meldet sich; ohne alle Umstände läßt ihn der Prätor Sacerdos seine Erbschaft antreten. Später gelangte Verres zum Amte, und nun erschien eine Tochter desjenigen Sulpicius, der den Olympos freigelassen hatte, berief sich auf Verres' Erlaß – der zu Sacerdos' Zeiten nicht existiert hatte! – und erhob Anspruch auf den sechsten Teil des Nachlasses. Ligur befand sich gerade auf Reisen; sein Bruder Lucius trat für ihn ein, Freunde und Verwandte wurden vorgeladen. Verres erklärte: »Wenn man nicht ein Abkommen mit der Tochter trifft, so werde ich ihr den Nachlaß zusprechen.« Ligurs Anwalt war kein geringerer als Lucius Gellius; der wies darauf hin, daß Verres' Verordnungen schlechterdings nicht für solche Erbschaften gelten dürften, die vor seinem Amtsantritte fällig geworden; hätte eine derartige Verordnung schon damals zu Recht bestanden, so hätte Ligur möglicherweise seine Erbschaft gar nicht angetreten. Die Forderung war billig, die Personen unanfechtbar, der Beweis zwingend; aber Geld vermag mehr als alle persönlichen und sachlichen Gründe. (126) Ligur kehrte nach Rom zurück; er war überzeugt, wenn er mit Verres direkt verhandelte, so würde seine gerechte Sache und seine gewichtige Persönlichkeit den Menschen schon zur Vernunft bringen. Er sucht ihn privatim auf, macht ihm den Fall klar, weist darauf hin, wie lang' es schon her war, daß ihm die Erbschaft zufiel; er bringt, was ja für einen talentvollen Menschen bei absolut gerechter Sache nicht schwer ist, eine Menge Gründe vor, die jeden überzeugen mußten; endlich bittet er ihn noch, ihm nicht öffentlich diesen Schimpf anzuthun, sondern wenigstens seinen persönlichen Ruf soweit zu schonen. Da fängt der Mensch an, dem Ligur vorzuwerfen, daß er auf eine Erbschaftsangelegenheit, die ihn direkt ja eigentlich gar nichts angehe, soviel Sorge und Aufmerksamkeit verwende; er müsse sich doch auch einmal auf seinen Standpunkt stellen: er selber brauche so viel, für sich und für die Meute, die seine ständige Umgebung bildete. Ich kann das alles nicht deutlicher beschreiben als Ligur selbst es im Zeugenverhör vor euren eigenen Ohren gethan hat. (127) Nun, Verres! soll man solchen Zeugen keinen Glauben schenken oder gehört das alles nicht zur Sache? Sollen wir Männern wie Marcus Octavius und Lucius Ligur den Glauben versagen? wem sollen wir denn da noch glauben und wer uns? Wo kann denn noch ein Vorgang durch Zeugenverhör klargestellt werden, wenn nicht dieser? Oder waren etwa ihre Aussagen unbedeutender Art? Freilich, nichts ist unbedeutender, als daß der hauptstädtische Prätor kraft seines Amtes die Rechtsbestimmung erläßt: »Jede Person, der eine Erbschaft zufällt, hat als Miterben den Prätor zu betrachten.« Man stelle sich doch vor, in welcher Weise erst niedriger gestellte Personen von ihm schikaniert wurden: Leute von gewöhnlichem Schlage, ohne besonderen Rang und Ansehn, oder unbeholfene Kleinstädter mit ihren halbbäurischen Manieren, oder die Freigelassenen, die er niemals als Freie anerkennen wollte, sondern immer schon in der Anrede an ihre frühere Unfreiheit zu erinnern pflegte: mit welcher Stirn muß er all diesen Leuten entgegengetreten sein, wenn er sich nicht entblödete einem Manne von solch bedeutendem Rang, Ansehn, Namen, Geist, Charakter und Besitz wie Marcus Octavius Ligur für einen Urteilsspruch Geld abzuverlangen?!

XXXXVIIII. Wie er sich bei der Sorge für die öffentlichen Bauten benommen hat – ja, was soll ich davon sagen? Andere haben darüber gesprochen, die alles miterlebt haben; andere werden noch darüber sprechen; klar und bekannt sind die Dinge, die man teils vorgetragen hat, teils noch vortragen wird. (128) Da sprach der Ritter Gnaeus Fannius, ein leiblicher Bruder des Quintus Titinius Die Verschiedenheit des Familiennamens erklärt sich aus Adoption; da der Römer sich stets vor allem als Mitglied einer Familie fühlte, so nahm der Adoptierte den Vor- und Familiennamen des Adoptivvaters an und behielt nur im Zunamen eine Erinnerung an seine Herkunft. , der hier als dein Richter vor dir sitzt: er erklärte, dir Geld gegeben zu haben. Bitte die Aussage des Zeugen Gnaeus Fannius vorzulesen.

[Es geschieht.]

Glaubt es nicht, meine Herren; hört ihr's? glaubt's dem Fannius nicht; hörst du's, Titinius? glaube deinem Bruder Fannius kein Wort! denn es ist ja nicht zu glauben, was er sagt; er bezichtigt ja den Gaius Verres der widerrechtlichen Selbstbereicherung, ein Vorwurf, der offenbar auf jeden Menschen eher zutrifft als auf ihn! – Ferner sprach Quintus Tadius, ein intimer Freund von Verres' Vater, auch von mütterlicher Seite her mit ihm verwandt; er zeigte Schriftstücke vor, die bewiesen, daß er dem Verres Geld gegeben. Bitte vorzulesen.

[Vorlesung von Ouintus Tadius' Zeugnis, sowie der zugehörigen Posten aus seinem Rechnungsbuche.]

So dürfen wir denn wohl dem Zeugen Tadius und seinen Schriftstücken auch nicht mehr glauben? Wem sollen wir denn vor Gericht noch folgen? Das heißt denn doch ganz einfach allen Sünden und Missethaten Thür und Thor öffnen, wenn man ehrlichen Zeugen und unantastbaren Akten nicht mehr traut! (129) Denn was soll ich von dem Gerede auf allen Gassen sagen, von der Klage des Volkes über Verres' unverschämten Diebstahl oder vielmehr über seine ganz unerhörte, beispiellose Räuberei? Er erfrechte sich, im Tempel des Kastor Am Forum stand seit alten Zeiten, nach Livius seit dem Jahre 483, der Tempel der Dioskuren, volkstümlich Kastortempel genannt, eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der republikanischen Stadt. Nachdem er durch Brände, die ja im antiken Rom so häufig waren wie im modernen Konstantinopel, und durch andere Unfälle mehrfach gelitten hatte, erhielt er durch Kaiser Tiberius seine abschließende monumentale Form in einer Gestalt, die dem aufs höchste gesteigerten Kunstsinne der prachtliebenden römischen Aristokratie und ihrer tonangebenden griechischen Gesellschafter entsprach. Jetzt stehen noch drei herrliche korinthische Säulen mit einem kleinen Stücke des Architraves, gerade genug, um uns erkennen zu lassen, welch wunderbares Bauwerk hier von den Römern des Mittelalters zertrümmert worden ist. , dem imposanten, weltberühmten Bau, den unser Volk bei seinen Versammlungen stets vor sich erblickt, in den so häufig der Senat zur Sitzung einberufen wird, wo sich täglich vor gewaltiger Menschenmenge die wichtigsten Fragen entscheiden – an einem solchen Platze hat er es gewagt, ein unvergängliches Denkzeichen seiner Frechheit zurückzulassen, zum Gespötte der Menschen für alle Zeit.

L. (130) Die Sorge für die Instandhaltung des Kastortempels war noch von den Konsuln Lucius Sulla und Quintus Metellus Dies geschah im Jahre 80. dem Publius Junius kontraktlich anvertraut worden. Arbeiten dieser Art wurden nicht von der Regierung selber ausgeführt, sondern, wie die später ausführlich besprochenen Korn- und sonstigen Lieferungen, einem Unternehmer verpachtet, der an die Regierung eine bestimmte Summe zahlte und dafür freie Hand bekam, also selber beschließen konnte, in welcher Weise er die Lieferung herstellte. Der Pächter hatte auf diese Weise das Interesse, für möglichst gute Arbeit, d. h. bei Kornlieferungen für möglichst reiche Einkünfte zu sorgen, weil so das Geschäft für ihn lohnender wurde; und die Regierung hatte neben der Entlastung von den Sorgen der Ausführung noch den Vorteil, sich unter den in der Regel recht zahlreichen Bewerbern den geeignetsten aussuchen zu können. Die Auswahl geschah wie bei einer Auktion; man bot auf den Auftrag wie auf ein Versteigerungsobjekt, und der Meistbietende erhielt den Zuschlag. Durch Erlegung des Kaufpreises gewann er dann den Auftrag wie ein anderes Kaufobjekt; es blieb sein Eigentum und wurde als solches betrachtet, demgemäß auch erblich. Starb also der Pächter, bevor er seinen Auftrag erfüllt hatte, so ging dieser wie ein anderes Besitzstück an seinen Erben über, so im vorliegenden Fall an den unmündigen Sohn des Junius. Dieser starb und hinterließ einen kleinen, unmündigen Sohn. Nun vergaben die Konsuln Lucius Octavius und Gaius Aurelius, fünf Jahre nach Abschluß des vorigen Kontraktes, die Erhaltung der Tempel wiederum an bestimmte Unternehmer Und zwar an Junius' Geschäftsteilhaber Habonius, von dem gleich die Rede sein wird. Offenbar suchte man eine bestimmte Arbeit möglichst bei der Firma zu belassen, die sie von Anfang an übernommen hatte. ; da sie die innerhalb der festgesetzten Frist zu leistenden Arbeiten nicht überall persönlich kontrollieren konnten, ebensowenig durch die Prätoren Gaius Sacerdos und Marcus Caesius, denen sonst diese Aufgabe anvertraut war, so erließ der Senat einen besonderen Befehl: wo über die Arbeiten für die Instandhaltung der öffentlichen Bauten keine hinreichende Prüfung vorgenommen und kein definitiver Bescheid an die Regierung eingeliefert worden war, da sollten die Prätoren Gaius Verres und Publius Coelius dafür sorgen. Von diesem Auftrage machte nun Verres in seiner Weise Gebrauch. Wie er seine Amtsbefugnisse gegen Privatleute verwertete, darüber haben euch ja die Zeugen Fannius und Tadius belehrt; man sollte meinen, es hätte genügt; aber nun übertrug er seine Räubergewohnheiten erst ins öffentliche Leben, und da wollt' er denn ein leuchtendes Beispiel seiner Gaunereien aufstellen, von dem man nicht bloß zuweilen hören, sondern täglich den vollen Anblick gewinnen sollte.

(131) Er forschte nach, wem die Arbeiten am Kastortempel anvertraut worden waren. Junius selbst, das wußt' er, war schon tot, jetzt wollt' er wissen, wer sein Nachfolger geworden. Da hört er, es gebe einen unmündigen Sohn des Junius. Waisenknaben und Waisenmädchen, so hatte er stets vor aller Welt geäußert, bedeuteten die sicherste Beute für den Prätor; natürlich sah er jetzt ein Geschäft, wie er sich's nur wünschen konnte, in seine Tasche fließen. Ein Bauwerk von solch' imposanter Größe, von solch' bedeutender Arbeit! es befand sich zwar in fertigem, völlig tadellosem Zustande, allein irgend etwas gedacht' er doch ausfindig zu machen, wo er die Hebel seiner Intriguen ansetzen könnte. (132) Die Kontrolle über den Kastortempel war einem gewissen Lucius Habonius überwiesen worden; ihm mußte der Tempel präsentiert, gewissermaßen abgeliefert werden. Nun war dieser Habonius zufällig durch das Testament des verstorbenen Junius als Vormund für das Waisenkind eingesetzt worden. Mit ihm war bereits verabredet worden, in welcher Weise die »Ablieferung« ohne beiderseitigen Verlust stattfinden sollte. Da läßt Verres den Habonius zu sich kommen; er fragt ihn, ob es etwa einen Punkt gäbe, wo sein Mündel nicht alles richtig präsentiert hätte und man daher eine Forderung an den Knaben stellen könnte. Der Mann antwortet der Wahrheit gemäß, die Aufgabe sei für den Knaben leicht, denn alles wäre in Ordnung, die Statuen und Weihgeschenke vollzählig, der Tempel selbst in jeder Hinsicht tadellos; da begann Verres sich zu ärgern; es war doch unmöglich, daß er, wo es sich um einen so mächtigen Gegenstand handelte, ohne fette Beute abziehen sollte, noch dazu von einem Waisenkinde.

LI. (133) Er begiebt sich selbst in den Kastortempel und betrachtet das Gotteshaus: er sieht die Decke wunderschön kassettiert, überhaupt alles in prächtigster Ordnung, den ganzen Bau renoviert. Er gerät in Verlegenheit, er denkt nach was zu thun, es fällt ihm nichts ein. Da sagt ihm einer von jenen Gesellen, die er nach seiner Aussage dem Ligur gegenüber stets in stattlicher Anzahl um sich hatte: »Höre, Verres, hier findest du nichts zu schikanieren, höchstens wenn du etwa die Säulen streng lotrecht nach dem Richtblei verlangen willst.« Verres, der keine Ahnung von irgend etwas hat, fragt ihn, was das bedeute »streng lotrecht nach dem Richtblei«. Man antwortet ihm, es gäbe in der Regel keine Säule, die mathematisch genau senkrecht aufgestellt werden Der entwickelte griechische Feinsinn schloß die absolute Vierschrötigkeit und daher die schnurgerade vertikale und horizontale Linie aus der Architektur aus. So kann man sich noch heute davon überzeugen, daß bei dem höchsten Meisterwerk antiker Kunst, dem Parthenon zu Athen, die Achsen der Säulen und Wände nicht schnurgerade auf der Grundfläche standen, sondern die Säulen sich paarweise in unmerklicher, aber für das innere Gefühl um so wirksamerer Weise einander zuneigten; die kleinen Differenzen zu fixieren blieb natürlich dem Taktgefühl des Künstlers überlassen. Als man in Athen eine der umgestürzten Säulen des Parthenon wieder aufrichten wollte, mußte man die bittere Erfahrung machen, daß wir es den Zeitgenossen des Perikles beim besten Willen nicht gleichthun können. Wollte aber der Besteller einer sonst untadelhaften Arbeit streiten und schikanieren, so braucht' er sich nur an jene kleinen Differenzen zu halten, eben weil sie der Individualität (diesem ganz unrömischen Begriff!) überlassen waren und somit vom »Gesetz« abwichen. könne. »Ja wahrhaftig,« sagt er, »so wollen wir's anfangen; verlangen wir die Säulen streng nach dem Richtblei.« (134) Habonius kannte das Gesetz, dessen Vorschrift nur eine bestimmte Anzahl von Säulen nennt, dagegen vom Richtblei keine Spur erwähnt; erhielt sich keineswegs für verpflichtet, die »Ablieferung« anders zu verlangen als in strikter Übereinstimmung mit dem Wortlaute der Vorschrift, und so erklärt er dem Verres einfach, das ginge nicht, das wäre nicht seine Aufgabe, das dürft' er sogar nicht verlangen. Verres antwortet ihm, er solle sich doch beruhigen; zugleich deutet er ihm etwas an von Aussicht auf Teilnahme am Gewinn; er macht ihm Hoffnung, und der beschränkte, keineswegs hartnäckige Mensch läßt sich herumkriegen. Er versichert, er werde die Säulen in jener Weise verlangen. – (135) So war das Waisenkind ins Unglück gestürzt. Der unerhörte Fall wird sofort dem Gaius Mustius, dem kürzlich verstorbenen Stiefvater des Knaben, gemeldet; ferner seinem Oheim Marcus Junius und seinem Vormunde, dem braven Publius Titius. Diese drei begeben sich zu Marcus Marcellus, einem der höchstgestellten, bedeutendsten Männer Roms, der ebenfalls des Kindes Vormund war, und erzählen ihm den Vorfall. Sogleich geht Marcellus zu Verres und bittet ihn inständig unter Einsetzung seiner persönlichen Würde und seiner vollen Beredsamkeit, er solle doch nicht das schmähliche Unrecht begehen, den unmündigen Knaben Junius aus seinem väterlichen Besitze zu verstoßen. Aber Verres hatte sich zu sehr seiner Hoffnung hingegeben, er hatte in Gedanken die Beute bereits verschlungen. Keine Redegewalt, keine Rücksicht auf Recht und Billigkeit oder auf Marcellus' persönliche Bedeutung konnte ihn umstimmen und so blieb er dabei, er würde seine Forderung in der angegebenen Weise stellen. – (136) Da die Leute einsahen, daß jede Verhandlung mit dem Prätor erfolglos, jeder Weg zu ihm schwer und so gut wie versperrt war, daß bei ihm Recht und Anstand und Mitleid, Worte der Verwandten und Bestrebungen der Freunde, kurz, daß alles ohne Wirkung blieb, so kamen sie zu dem Resultat, es wäre am besten, dasjenige zu thun, was jedem in den Sinn kommen mußte, nämlich Hilfe bei der Chelidon zu suchen, die ja während Verres' Prätur nicht nur im Civilrecht und allen Privatstreitigkeiten einzelner Bürger über Rom gebot, sondern auch das Gebiet der öffentlichen Bauangelegenheiten unumschränkt beherrschte.

LII. (137) Bei der Chelidon also fand sich der Ritter und Generalpächter Gaius Mustius ein, dieser Mensch von strengster Ehrbarkeit, mit ihm der Oheim des Knaben, Marcus Junius, ein Mann von wahrhaft patriarchalischen Sitten, und sein Vormund Publius Titius, der in seinem Stande geradezu verehrt wird wegen der Noblesse seines Charakters und seiner Lebensführung. Wahrlich, deine Prätur hat Gram und Kummer über viele Menschen gebracht! Um jetzt einmal alles übrige nicht zu rechnen: wie tief schmerzlich müssen solche Männer die Schande empfunden haben, das Haus einer Kokotte zu betreten! Nie und unter keiner Bedingung hätten sie sich so schmählich erniedrigt, wenn sie sich nicht durch ihre heilige Pflicht dazu gezwungen gefühlt hätten. – Also, wie gesagt, sie kommen zur Chelidon. Das Haus war voller Menschen, Lärm und Geschrei; man verlangte nach Rechtssätzen, Verfügungen, Urteilssprüchen, die noch nie dagewesen waren. Da tönt es durcheinander: »Mir soll er den Nachlaß geben« – »mir soll er die Erbschaft nicht wegnehmen« – »mich soll er nicht abweisen« – »mir soll er das Vermögen zusprechen.« Da zählte man Geldsummen auf, da standen andre mit Dokumenten und versiegelten sie; es war ein Gewimmel nicht wie in einem Hurenhause, sondern wie am Gerichtstermin beim Prätor. (138) Sobald die drei Männer, die ich nannte, vorgelassen werden, treten sie herein. Gaius Mustius ergreift das Wort, schildert den Sachverhalt, bittet um Hilfe, verspricht Geld. Die Dame antwortet den Sitten ihres Standes gemäß mit vieler Liebenswürdigkeit; gerne, sagt sie, wolle sie die Angelegenheit in die Hand nehmen und sich mit dem Prätor aufs genaueste besprechen; man verabredet eine zweite Zusammenkunft. Die Herren gehen ab und kommen am nächsten Tage wieder. Sie erhalten den Bescheid, da sei nichts zu machen, Verres bleibe unerbittlich; gar zu gewaltig, so sagt er, sei die Summe, die er aus jenem Objekt zu gewinnen hoffe.

LIII. Ich muß befürchten, daß jemand, der zufällig unserem ersten Termine nicht beiwohnte, diese ob ihrer beispiellosen Schändlichkeit ganz unglaublichen Vorgänge für Erfindungen von mir halten wird. Ihr, meine Herren, die ihr richten sollt, ihr habt euch von der Wahrheit bereits überzeugt. (139) Der Vormund des jungen Junius, Publius Titius, hat das alles erzählt und auf seinen Zeugeneid genommen; ebenso der Vormund und Oheim Marcus Junius; nicht anders würde der Ritter Mustius verfahren sein, wenn er am Leben geblieben wäre. Immerhin hatte sich Mustius, als die Sache frisch war, sofort vor Zeugen geäußert. Ich selbst hatt' es aus seinem Munde vernommen, das wußte Lucius Domitius, denn ihm war es wohlbekannt, wie nah er mit mir verkehrte (Mustius hatte einmal einen Prozeß fast um sein ganzes Vermögen zu führen, ich war sein einziger Anwalt und er gewann den Prozeß); während also Domitius wußte, daß ich wußte, wie Mustius sich mit ihm stets über alles aussprach, so verschwieg er doch den Namen der Chelidon, so lang' er irgend konnte: immer wüßt' er eine ausweichende Antwort zu geben. So groß war das Schamgefühl bei diesem edlen Jüngling, dieser wahren Perle unserer Jugend, daß er trotz all meines Drängens geraume Zeit hindurch alles andere eher erwidern als den Namen Chelidon über seine Lippen bringen wollte; solange als möglich sprach er z. B. von Verres' Verwandten, bis er endlich, als es gar nicht anders ging, widerwillig den Namen Chelidon aussprach. – (140) Schämst du dich nicht, Verres, dein Prätorenamt nach dem Wink eines Frauenzimmers geführt zu haben, deren bloßen Namen auszusprechen Lucius Domitius als eine Selbsterniedrigung empfand? –

LIIII. Da die Herren bei der Chelidon abgewiesen waren, faßten sie den einzigen Entschluß, der ihnen noch übrigblieb, nämlich das Geschäft selber zu besorgen. Sie verhandeln mit dem Vormund Habonius und vereinbaren statt der kaum vierzigtausend Sesterzen, auf die es als Kaufpreis für die Arbeit ankam, nicht weniger als zweimalhunderttausend. Habonius macht dem Verres Anzeige und meint, die Summe scheine ihm groß und das Ganze unverschämt genug. Verres, der erheblich mehr erwartet hatte, nimmt den Habonius übel auf und fährt ihn an: so ein Handel könne ihm nicht genügen, es ginge nicht – kurz, er versichert ihm, daß er die Sache von neuem in Pacht geben werde. (141) Von alle dem wußten die Vormünder nichts; was sie mit Habonius abgemacht hatten, hielten sie für völlig sicher, so daß sie weiter kein Unglück für ihr Mündel befürchteten. Aber Verres läßt keinen Aufschub zu; er beginnt sofort die Verdingung, freilich an einem dafür nichts weniger als bestimmten oder auch nur zulässigen Tage, nämlich mitten während der römischen Spiele; der Markt prangte schon im Festesschmuck. Inzwischen meldet Habonius den Vormündern den Beschluß des Verres. Sofort machen sie sich auf und stürzen zum Verdingungstermin; noch kommen sie zurecht; Marcus Junius, der Oheim, erhebt die Hand um selbst zu bieten – da wechselt Verres die Farbe, sein Gesicht ist nicht wieder zu erkennen, das Wort bleibt ihm in der Kehle stecken, sein Verstand steht einen Augenblick still. Dann fängt er an über die Situation nachzudenken; er sagt sich: »wenn der Auftrag wiederum für den Knaben erstanden wird, wenn es dem von mir selbst vorgeschobenen Käufer entgeht, so bleibt ja für mich keine Beute übrig.« Folglich kommt er auf einen Einfall; welchen wohl? geistreich war er gewiß nicht, auch nicht von der Art, daß man sagen möchte »nichtswürdig, aber schlau«; nie dürft ihr von dem Menschen einen raffinierten oder verschmitzten Witz erwarten, sondern bei ihm ist alles durchsichtig und mit Händen zu greifen, seine Schamlosigkeit, seine Tollheit und Dreistigkeit. (142) »Wenn die Arbeit von neuem für den Knaben erstanden wird,« so denkt er, »dann gleitet mir die Beute aus den Händen. Folglich? Was giebt's da für ein Mittel? man muß dem Knaben die Erlaubnis zum Wiederkauf entziehen.« – Wo bleibt da der beim Verkauf von Grund- und Vermögensstücken jeder Art feststehende Brauch aller Konsuln, Censoren, Prätoren und Quästoren, daß die meiste Anwartschaft demjenigen gebührt, der das Objekt besaß und das Risiko übernahm? Verres schließt einzig und allein denjenigen aus, der, ich möchte fast sagen, einzig und allein hätte die Erlaubnis erhalten dürfen. Überlegt es euch doch! Darf irgend ein Mensch gegen meinen Willen Anspruch auf mein Geld erheben oder die Hände danach ausstrecken? Eine Arbeit wird in Pacht gegeben, ich habe sie mit meinem Gelde herzustellen; du verdingest sie mir und hast nach ihrer Vollendung dein Gutachten abzugeben; dem Volk ist meinerseits mit Bürgen und Pfändern Garantie geleistet; und wenn du nun diese Garantie nicht genügend findest, – du, ich meine dich, den Prätor! – so kannst du jeden beliebigen Menschen in meinen Häusern und Gütern installieren und mir jeden Versuch zur Verteidigung meines Besitzes abschneiden. LV. (143) Es verlohnt der Mühe, das Gesetz selber kennen zu lernen; ihr werdet gleich merken, daß es denselben Verfasser hat wie jene Verordnung wegen der Erbschaften. Bitte vorzulesen.

[Gesetz, die öffentlichen Bauten betreffend. »Nachdem der noch unmündige Junius – –«]

Weiter, nur weiter, aber bitte, etwas deutlicher.

[ »Der Prätor Gaius Verres hat den Zusatz gemacht.«]

So, also die Gesetze der Censoren werden hier korrigiert! So, wie es zuweilen bei alten Gesetzen vorkam, daß es hieß: »Die Censoren Gnaeus Domitius und Lucius Metellus haben den Zusatz gemacht« oder »Die Censoren Lucius Cassius und Gnaeus Servilius haben den Zusatz gemacht« – in dieser Art will sich Verres auch versuchen. Der Hauptwitz an dieser und ähnlichen Stellen ist der Fluch der Lächerlichkeit, den der Redner auf Verres herabbeschwört, indem er ihn mit jenen ganz besonders berühmten Mustern altrömischer Gerechtigkeit und Sittenstrenge in Parallele stellt. Nun, was hat er denn hinzugefügt? Bitte weiter vorzulesen.

[ Wer seit der Zeit der Censoren Lucius Marcius und Marcus Perperna – – –, der soll keinen Teilhaber zulassen, auch keinen Anteil abgeben noch wiederkaufen.«]

Warum denn? etwa damit die Arbeit nicht fehlerhaft ausfalle? – Aber dafür kam es ja auf die Genehmigung durch dein Gutachten an. Oder damit es ihr nicht an einer gewissen Üppigkeit fehle? – Aber dafür war ja dem Volke mittels der Bürgen und Pfänder Garantie geleistet und es wäre auf Wunsch in noch weiterem Umfange geschehen. (144) Hier ist der Hauptpunkt: wenn dich die Sache an sich und die Niedrigkeit deines Verbrechens gar nicht irre machten, wenn das Unglück des Waisenkindes und die Thränen seiner Familie dich kalt ließen, wenn das Risiko des Decimus Brutus, dessen Grundstücke als Unterlage dienten, wenn endlich eine Persönlichkeit wie der Vormund Marcus Marcellus keine Bedeutung für dich besaßen – hast du denn nicht wenigstens bemerkt, daß du später ein Verbrechen dieser Art weder würdest ableugnen können (denn alles wurde aufgeschrieben und gebucht) noch bei seinem Eingeständnis irgend etwas zu deiner Entschuldigung vorzubringen vermöchtest? Die Arbeit wird für 560 000 Sesterzen zugeschlagen, während die Vormünder laut versicherten, sie zur Befriedigung dieses doch wahrlich gegen sie parteiischen Menschen für 40 000 leisten zu wollen. (145) In der That, was war denn auch Großes zu arbeiten? Nur, was ihr alle gesehen habt; jene Säulen, die ihr da drüben in ihrem neuen, weißen Überzuge sehet, mußten mittels einer Maschine – deren Herbeischaffung war das einzige, was Kosten verursachte – niedergelegt und dann aus denselben Trommeln wieder aufgerichtet werden. Diese Arbeit hast du für 560 000 Sesterzen in Pacht gegeben. Dabei behaupt' ich noch, daß unter diesen Säulen sich verschiedene befinden, die dein Käufer nicht hat anrühren lassen, und andere, denen nur die weiße Hülle abgenommen und nachher eine neue übergezogen wurde. Wahrlich hätt' ich gedacht, daß ein paar Säulenmäntel soviel Geld kosten, ich hätte mich niemals um das Ädilenamt beworben.

LVI. (146) Damit es nun den Anschein erwecken sollte, als handelte sich's wirklich um ein Amtsgeschäft und nicht um die Beraubung eines Waisenkindes, ließ Verres in seinem Gesetze vermerken:

»Wenn man um der Arbeit willen etwas abgerissen hat, soll man es ersetzen lassen.«

Was sollt' er denn losreißen lassen, wenn jeder Stein wieder an seinen Platz gesetzt wurde? – Weiter heißt es:

»Der Wiederkäufer soll für vorgekommene Schäden demjenigen Ersatz leisten, der die Arbeit von dem Vorkäufer empfing.«

Es ist der reine Hohn, Habonius soll sich selber Schadenersatz leisten! – Weiter:

»Das Geld soll sofort bar ausbezahlt werden.«

Aus welchen Mitteln? offenbar aus dem Vermögen desjenigen, der sich bereit erklärte für 40 000 Scherzen das zu leisten, was du für 560 000 verdangest; und weiter aus dem Vermögen des Waisenkindes, das in seinem zarten Alter und seiner Einsamkeit auch abgesehen vom Vormund den Schutz des Prätors hätte genießen müssen. Nun schützten ihn seine Vormünder, aber du raubtest nicht nur sein väterliches Vermögen, sondern auch den Besitz der Vormünder. – Weiter:

»Diese Arbeit soll er an jeder fraglichen Stelle mit dem gehörigen Materiale tadellos leisten.«

Was heißt das »mit dem gehörigen Materiale«? (147) Eine Säulentrommel mußte ausgeschlagen und mittels der Maschine an Ort gesetzt werden; denn von anders woher wurde zu jener Arbeit kein Stein, überhaupt kein Material irgendwelcher Art herbeigeschafft. Bei der ganzen Geschichte gab es gerade soviel Kosten, wie man für den Lohn einer kleinen Anzahl von Bauhandwerkern und für die Aufstellung der Maschine brauchte. Was glaubt ihr wohl? macht es weniger Arbeit, eine einzige Säule ganz von Grund aus, ohne Verfügung über einen einzigen schon gebrauchten Stein zum erstenmal zu errichten, oder jene vier fertigen Säulen wieder an ihren Platz zu stellen? Niemand bezweifelt, daß die Errichtung einer neuen die weitaus größere Arbeit ist. Nun will ich euch nachweisen, daß bei Privatbauten Säulen von nicht geringerer Größe als die in Rede stehenden nach langem, beschwerlichem Transport an ihren Standort im Oberlichtsaal gelangten Im Inneren eines geschlossenen Raumes war die Errichtung von Säulen natürlich sehr viel schwieriger als in einer Vorhalle. Beim Kastortempel kamen nur Säulen vor der Front in Betracht, da man sie, wie Cicero eben bemerkte, vom Markt aus sehen konnte. und doch nicht mehr als 20 000 Sesterzen pro Stück kosteten. (148) Aber es ist ja thöricht, über ein unverschämtes Manöver von solcher Durchsichtigkeit noch mit vielen Worten herumzustreiten, zumal Verres mit seinem ganzen Gesetze der öffentlichen Meinung und den Grundsätzen aller Gesellschaftsklassen offen Hohn spricht; fügt er doch am Schlusse die Worte hinzu:

»Den Überschuß an schon gebrauchten Steinen soll er für sich behalten« – als ob bei jener Arbeit von solchem Überschuß die Rede sein könnte und nicht vielmehr die ganze Arbeit mit losgehauenen, schon gebrauchten Steinen hergestellt würde. – Bleibt noch ein letzter Einwand zu erledigen: wenn der Wiederkauf für den Knaben nicht gestattet wurde, so war es vielleicht nicht notwendig, daß das Geschäft dem Verres selber zufiel; es hätte sich ja ein beliebiger Mann aus dem Volke dazu melden können! – Nein, das ist nicht wahr; alle anderen sind ebenso offenbar ausgeschlossen wie der Knabe. Denn als Termin für die Fertigstellung der Arbeit setzt' er den ersten Dezember an, den Kontrakt schloß er aber am dreizehnten September; der knappe Zeitraum schließt jede Bewerbung aus. LVII. (149) Was geschieht also? Was thut denn Habonius, um diesen Termin inne zu halten? Habonius wird von keinem Menschen belästigt, weder am ersten Dezember noch am fünften noch am dreizehnten; endlich, geraume Zeit vor Fertigstellung der Arbeit reist Verres in seine Provinz. Als dann die Anklage erhoben war, behauptet' er zuerst, die Entgegennahme dieser Arbeit nicht quittieren zu können; als aber Habonius auf seinem Scheine bestand und auf die Akten hinwies, da schob Verres die Schuld auf mich, weil ich das betreffende Aktenstück bereits versiegelt hätte. Habonius wendet sich an mich und unterstützt seine Bitte durch Freunde; gerne thu' ich ihm den Gefallen. Jetzt wußte Verres nicht, was er anfangen sollte; er dachte, wenn er den Empfang nicht aufgeschrieben, könnt' er sich irgendwie verteidigen; anderseits erkannt' er, daß Habonius die ganze Sache offenbaren würde. Dabei – was konnte denn offenbarer sein als die Dinge, wie sie jetzt schon liegen? Um einen Zeugen weniger gegen sich zu haben, schrieb er die Entgegennahme der Arbeit dem Habonius erst vier Jahre nach Ablauf des von ihm selbst festgesetzten Termines gut. (150) Die Umstände hätt' er nicht gemacht, wenn sich ein beliebiger Mann aus dem Volk als Käufer gemeldet hätte; doch hatte er alle anderen Käufer durch den nahen Termin auszuschließen gewußt, und man wollte sich nicht einem Menschen blindlings anvertrauen, der sich um seine Beute betrogen glaubte. Daß wir uns nun nicht den Kopf darüber zerbrechen, wo das Geld denn hingekommen sein mag, dafür hat er selbst durch seine Fingerzeige gesorgt. Erstens: als Decimus Brutus aus seiner eigenen Tasche die 560 000 Sesterzen zahlte, was dem Angeklagten schon unerträglich vorkam, ging es nicht ohne heftigen Streit ab; die Arbeit war schon zugeschlagen, die Garantie übernommen, da erließ er von den 560 000 Sesterzen dem Decimus Brutus 110 000. Dies hätt' er wahrlich nicht thun können, wenn das Geschäft nicht ihn direkt angegangen wäre. Zweitens bekam Cornificius eine Barsumme ausgezahlt, und daß der sein Sekretär war, kann er nicht bestreiten. Drittens bezeugen die Rechnungsbücher des Habonius aufs schlagendste, daß das Geld in Verres' Tasche floß. Bitte die Posten aus Habonius' Büchern zu verlesen.

[Es geschieht.]

LVIII. (151) An dieser Stelle hat sich schon in unserer ersten Verhandlung Quintus Hortensius darüber beklagt, daß der kleine unmündige Junius in der purpurbesetzten Knabentoga vor euren Augen erschien und neben seinem Oheim stand, der für ihn Zeugnis ablegte; Hortensius warf mir mit großer Emphase vor, es sei eine demagogische und gehässige Effekthascherei, den Knaben vor die Schranken des Gerichtes zu führen. Aber ich bitte dich, Hortensius, was ist denn an der Vorführung des Knaben demagogisch oder gehässig? Ja, wär' es der Sohn eines Gracchus oder Saturninus oder sonst so eines populären Märtyrers, da könnt' ich vielleicht durch seinen bloßen Namen und die Erinnerung an seinen Vater die Gemüter der unerfahrenen Menge in Aufregung versetzen. Aber so war es der Sohn des Publius Junius, eines Mannes aus dem einfachsten römischen Mittelstand; als der Vater zum Sterben kam, glaubt' er ihn sicher im Schutze der Vormünder und Verwandten, der Staatsgesetze, der Gerechtigkeit unserer Behörden und namentlich eurer Schwurgerichte.

(152) Dieser Knabe wird nun durch Verres' schändliche, niederträchtige Räubereien aus seinem Hause gestoßen und um all sein väterliches Vermögen gebracht; da findet er sich hier vor Gericht ein, um, wo nichts anderes, immerhin dies Schauspiel zu erleben, daß er den Menschen, durch dessen Schuld er viele Jahre lang in Fetzen gegangen war, nun in einem noch etwas erbärmlicheren Aufzuge sehe. Die Angeklagten im alten Rom trugen vor Gericht den Aufzug tiefer Trauer: dunkle, schlechte Kleider, ungekämmte Haare, lange Nägel, kurz alle erdenklichen Zeichen der Verwahrlosung. Wenn du, Hortensius, an ihm also etwas findest, was so stark auf das Volk wirken soll, so ist es nicht sein Lebensalter, sondern seine gerechte Sache, nicht seine Kleidung, sondern sein unseliges Geschick; was dich ärgerte, war nicht, daß er mit dem Purpurstreifen an der Toga, sondern daß er ohne die goldene Kapsel Eine kleine Kapsel, die als Amulett galt, trugen alle Knaben in Rom an einem Bändchen um den Hals; bei den Kindern jeder einigermaßen wohlsituierten Familie waren diese Kapseln von Gold. erschienen war. Denn niemand konnte an einer Kleidung Anstoß nehmen, die ihm durch Landessitte und durch das Recht der freien Geburt verliehen war; aber daß ihm der Schmuck, den ihm der Vater für die ganze Dauer seines Knabenalters erteilt, daß ihm das leuchtende Zeichen seines Glückes durch diesen Spitzbuben da entrissen ist, das machte allerdings auf alle einen gar herben, erschütternden Eindruck. (153) Da flossen Thränen ringsum; aber das Volk weinte nicht mehr als wir, als du, Quintus Hortensius, als diese Männer hier, die das Urteil sprechen sollen; denn gemeinsam ist uns allen die Lage, gemeinsam die Gefahr, und gemeinsam sind die Schutzwaffen, mit denen diese Unehrlichkeit wie ein verheerender Brand erstickt werden muß. Wir haben unmündige Kinder; keiner von uns weiß, wie lange ihm das Dasein auf dieser Erde beschieden ist; solange wir am Leben sind, müssen wir mit aller Umsicht dafür Sorge tragen, daß im Fall unseres Todes den armen verlassenen Kleinen ein möglichst fester, sicherer Schutz zu teil wird. Denn wer kann unsere Kinder, wenn sie den Vater verloren haben, vor der Willkür gewissenloser Beamter schützen? Etwa die Mutter? Ja, wahrhaftig, einen großen Schutz hatte die kleine Annia an ihrer Mutter, und diese Mutter war eine der angesehensten Frauen Roms; wie sie flehte, wie sie Götter und Menschen beschwor, da hat Verres wohl den Plan aufgegeben, das unmündige Mädchen um ihr väterliches Vermögen zu betrügen? Oder der Vormund? Gewiß, der wird es sehr leicht haben; man sehe sich nur den Prätor Verres an, der einen Mann wie Marcus Marcellus vor den Kopf stieß, als er in der Sache seines Mündels das ganze Gewicht seiner Persönlichkeit und seiner Rede einsetzte!

LVIIII. (154) Fragen wir denn noch, was der Herr da im fernen Phrygien, in Pamphyliens entlegenen Winkeln gethan, wie er sich im Freibeuterkriege selbst als Freibeuter gezeigt hat, wenn wir ihn hier auf dem Markte von Rom als schändlichen Räuber ertappen? Sind wir im unklaren darüber, was er mit Feindesbeute angefangen, wenn er sich aus der Kriegsbeute des Dalmatenbesiegers Lucius Metellus eine Gaunerbeute zurechtmachte, indem er sich für einen Überzug auf vier Säulen mehr bezahlen ließ, als Metellus für die erste Errichtung aller Säulen zusammen? Wollen wir abwarten, was die Zeugen aus Sicilien erzählen? – Wer hat je den Tempel dort drüben angeschaut, ohne sogleich deiner verbrecherischen Habgier Zeuge zu werden? wer ist je von der Statue des Vertumnus nach dem Großen Rennplatz gegangen, ohne bei jedem einzelnen Schritte ein Denkzeichen deiner Unterschlagungen zu empfangen? Es ist eine Straße für Wagen und festliche Aufzüge; du aber hast sie in einer Weise herrichten lassen, daß du sie selber nicht zu betreten wagst. Die Pflasterung dieser hochwichtigen Straße, die vom Forum ausging und auch zu religiösen Prozessionen diente, war wiederum eine Lieferung für den Staat, die Verres als Prätor an Stelle der Censoren zu verdingen hatte; da er diese Gelegenheit wieder benutzte um sich zu bereichern, fiel die Arbeit elend aus. Diesmal war also nicht der Unternehmer, sondern der Staat betrogen. Dir soll man zutrauen, daß du, von Italien durch eine Meerenge getrennt, »Italien« als geographischer Begriff steht für die Alten im Gegensatze zu Sicilien; die Griechen der Insel bezeichneten so das gegenüberliegende Festland, lange bevor sie dessen Ausdehnung kannten, also die von Brettiern bewohnte Halbinsel, das heutige Kalabrien. Erst allmählich dehnte sich, immer unter dem Einflusse griechischer Litteraten, der Name auf die ganze Apenninenhalbinsel aus, doch blieb er noch lange auf die Halbinsel im engeren Sinn, also mit Ausschluß sämtlicher Mittelmeerinseln, beschränkt. die Provinzialen glimpflich behandeltest, nachdem du zum Zeugen deiner Diebereien diesen Kastortempel gemacht? steht er doch unserem Volke täglich vor Augen – den Richtern auch in dem Momente, wo sie dir das Urteil sprechen! Cicero hat denn auch nicht vergessen, ganz am Schlusse seiner Anklage die Richter noch einmal auf den restaurierten Tempel und die schlecht gepflasterte Straße hinzuweisen.

LX. (155) Auch das Richteramt hat er als Prätor ausgeübt; auch dies darf nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Von seinem Richterstuhl aus ist über Quintus Opimius eine Geldstrafe verhängt worden; der Mann wurde vor Gericht geladen, angeblich weil er als Volkstribun einmal gegen die Anwendung eines von Sulla herrührenden Gesetzes eingeschritten war, in Wahrheit jedoch, weil er während seines Tribunates gegen die Absichten irgend eines adligen Herren gesprochen hatte. Wenn ich über diesen Prozeß alles erzählen wollte, müßt' ich hier viele Personen citieren und verletzen; das hab' ich aber nicht nötig; ich sage euch nur soviel, daß es durch Verres' Hilfe einer kleinen Anzahl von – sehr gelinde ausgedrückt – anmaßenden Menschen gelang, den Ouintus Opimius im Handumdrehen aus seinem gesamten Besitze zu verjagen.

(156) Dieser Mensch will sich mir noch darüber beschweren, daß wir die erste Verhandlung seines eigenen Prozesses in nur neun Tagen zu Ende führten, nachdem bei ihm selbst ein Mitglied des römischen Senates, eben Ouintus Opimius, binnen dreier Stunden sein ganzes Vermögen, ja sozusagen seine Existenz verloren hat! Im Senat ist seither sehr oft von jenem empörenden Prozesse die Rede gewesen; man dachte daran, diese ganze Sorte von Geldstrafen und Prozessen einfach abzuschaffen. Nun ward aber der Besitz des Ouintus Opimius gerichtlich versteigert; wie Verres die Gelegenheit wahrnahm, um sich zu bereichern, wie gesetzwidrig er dabei hauste, wie ungeniert er das alles beging – es wäre zu weitläufig, dies im einzelnen darzustellen. Nur soviel sag' ich euch: wenn ich euch nicht mit den Geschäftsbüchern der zuverlässigsten Leute die Beweise liefere, so möget ihr den ganzen Fall für eine tendenziöse Erfindung meinerseits halten. (157) Nun saget euch selbst: wer sich das Unglück eines römischen Senators zu Nutze macht, indem er als Prätor und Gerichtspräsident bei dessen Prozesse die Gelegenheit wahrnimmt sich auf seine Kosten zu bereichern und ihm sein Letztes zu nehmen – soll der noch Aussicht haben, irgend ein Unglück von seinem eigenen Haupte durch Bitten abzuwenden?

LXI. Über die Nachlosung der Richter Die auf Vorschlag des Beklagten wie des Klägers zurückgewiesenen Richter wurden durch andere ersetzt, über deren Auswahl das Los entschied. im Juniusprozesse sag' ich gar nichts. Wozu denn auch? sollt' ich es wagen, gegen die Dokumente zu sprechen, die du vorlegtest? Das wäre wohl recht schwer; mich schreckt ja nicht nur deine Autorität und die Würde jener Richter, sondern auch der goldene Siegelring deines Sekretärs. Was es mit diesem Ringe für eine Bewandtnis hat, berichtet Cicero im 80. Kapitel der Kornrede ausführlicher. Ich will keine Dinge behaupten, die schwer zu beweisen sind; ich will nur wiederholen, was du nachweislich zu vielen maßgebenden Personen äußertest, nämlich, du dürftest für den Vorweis einer gefälschten Urkunde Verzeihung beanspruchen; die Erbitterung, die gegen Gaius Junius aufflammte, hätte dich ja selber damals vernichten müssen, wenn du nicht besondere Vorkehrungsmaßregeln getroffen hättest. – (158) In dieser Weise lernte der Mensch für sich und seine Rettung zu sorgen, daß er immer in öffentliche und Privaturkunden etwas eintrug was nicht geschehen war oder etwas ausmerzte, was geschehen war; stets hatt' er etwas herumzukorrigieren, auszustreichen, anzuschwärzen; er muß eben die Konsequenzen seines Benehmens ziehen, denn er weiß sehr wohl, daß ihm für seine Missethaten keine Möglichkeit einer Verteidigung ohne neue Missethaten übrigbleibt. – Eine Nachlosung von Richtern jener Art hoffte der thörichte Mensch auch für seinen eigenen Prozeß mit Hilfe seines Freundes, des Untersuchungsrichters Quintus Curtius zu bewerkstelligen; hätte ich nicht, unterstützt von der Volkesmacht und dem allgemeinen Wutgeschrei, energischen Widerstand geleistet, so wären aus dieser Richterklasse, die mir gerad' im allerreichsten Maße zur Verfügung stehen mußte, die von Verres beliebten Persönlichkeiten ohne Umstände durch Nachlosung ins Richterkollegium berufen worden.

[Der Schluß dieser Rede ist nicht erhalten.]


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