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Vorwort

Ich habe nie in meinem Leben etwas nur deshalb geschrieben, weil ich es für witzig hielt.« Mit diesen Worten führt sich Gilbert Keith Chesterton in seinem Buche »Orthodoxie« ein, dem ersten seiner Werke, das ins Deutsche übertragen wurde, und ich glaube, den Satz auch der Übersetzung des Buches » The Innocence of Father Brown« voranstellen zu sollen, das unter dem freigewählten Titel »Priester und Detektiv« bereits mehrere Auflagen erlebte und nun im gleichen Verlag in einer neuen zweibändigen und illustrierten Ausgabe unter den Titeln »Die verdächtigen Schritte« und »Die Sünden des Prinzen Saradin« erscheint. Denn es ist vorgekommen, daß die zwölf Detektiv-Novellen Chestertons nur als das genommen worden sind, was sie dem oberflächlichen Beurteiler sein zu wollen scheinen: verblüffende Lösungen spannender Kriminalfälle durch einen Laien, der in diesem Falle ein Priester ist, während der eigentliche Kriminalist versagt.

Nein, nur um dieses Zweckes willen würde der geistvolle Verfasser von »Orthodoxie« und »Häretiker«, der Biograph Brownings und Dickens' und der gesuchte Mitarbeiter angesehenster literarisch-kritischer Zeitschriften kaum zur Feder gegriffen haben. Es ist ihm vielmehr darum zu tun, den Stoff psychologisch zu vertiefen und zu verfeinern und mit der Waffe der Ironie und des Witzes sinnlos gewordenen Lebensformen auf den Leib zu rücken. Seine Stärke liegt auch hier wieder in den Paradoxen, und die Vorliebe dafür drückt sich schon darin aus, daß er mit dem Kriminalisten den Priester in Wettbewerb treten läßt, der indessen nicht etwa die Soutane überwirft, um einen Missetäter der verdienten Strafe zuzuführen. Ebensowenig wird aber eine jener geistlichen Gestalten vorgeführt, die in salbungsvollem Tone immer und unter allen Umständen die Lösung des Natürlichen, wenn auch vorübergehend Unerklärlichen im Religiösen, im Übernatürlichen suchen. Nein, Chesterton zeichnet wirkliche, lebendige Menschen, er dringt in die letzten Seelentiefen, und dazu dient ihm die ungewöhnliche Gegenüberstellung von Priester, Verbrecher und Kriminalist.

Und dennoch: auch der Leser, der nichts in diesem Buche suchen wollte als Spannungsreize, kommt auf seine Rechnung. Zwölf Kolumbuseier ins Kriminalistische übersetzt – so hat nicht mit Unrecht ein Kritiker dieses Buch und seine Novellen genannt. Und, fährt er fort, der harmlose, im Äußern plumpe Father Brown kommt niemals in Verlegenheit und übertrifft die findigsten Detektivs, ohne daß er die Lösung gewaltsam herbeiführt. Die zwölf Novellen seien so raffiniert in ihrer Entstehung, Entwicklung, Zuspitzung und schließlichen Lösung durch Father Brown, daß der Leser jedesmal verblüfft ist.

Somit bin ich sicher, daß das Buch, das sich in seinen ersten Auflagen bereits gut eingeführt hat, von keinem Leser enttäuscht beiseite gelegt wird, auch nicht von jenem, der sonst den Kriminalroman von sich zu schieben gewohnt ist. Dieser Umstand hat mich bestimmt, dem Buche auch in der deutschen Leserwelt Eingang zu verschaffen und seine Übertragung zu besorgen.

Füssen, im Herbst 1927.
Hedwig M. von Lama.


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