Anton Tschechow
Erzählungen
Anton Tschechow

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Der teure Hund

Der Leutnant Dubow, ein nicht mehr junger Offizier von der Linie, und der Einjährige Knaps saßen und tranken.

»Ein prachtvoller Hund!« sagte Dubow, dem Einjährigen seinen Hund Milka zeigend. »Ein wunderbarer Hund! Sehen Sie blos die Schnauze! Was ist die allein schon wert! Ein Kenner würde für die Schnauze allein zweihundert Rubel geben! Sie zweifeln daran? Na, dann verstehen Sie eben nichts davon . . .«

»Ich verstehe schon, aber . . .«

»Es ist doch ein Setter, ein englischer Vollblutsetter! Sein Anstand ist großartig, und die Witterung . . . die Schnauze! Mein Gott, was für eine Witterung! Wissen Sie, wieviel ich für Milka zahlte, als sie noch ein Welf war? Hundert Rubel! Ein wunderbarer Hund! Milka! Kanaille! Du–ummchen, Milka! Komm her, komm her, mein Hundchen, mein liebes . . .«

Dubow zog Milka an sich und küßte den Hund zwischen die Ohren. In seine Augen traten Thränen.

»An niemandem gebe ich Dich weg . . . Du mein schönes Tier, Du Kerl. Du liebst mich doch, Milka? Liebst Du mich? . . Na, pack Dich!« rief der Leutnant plötzlich. »Kriechst mit den schmutzigen Pfoten gerade auf die Uniform! Ja, Knaps, hundertundfünfzig Rubel habe ich für den Welf gezahlt! Muß also was an ihm gewesen sein! Eines thut mir nur leid: ich habe keine Zeit zum Jagen! Der Hund verkommt ohne Arbeit, vergräbt sein Talent . . . Darum will ich ihn auch verkaufen. Kaufen Sie ihn, Knaps! Ihr ganzes Leben lang werden Sie mir dankbar sein! Nun, wenn Sie nicht viel Geld haben, gut, ich lasse ihn Ihnen für die Hälfte . . . Nehmen Sie ihn für fünfzig! Nutzen Sie mich aus!«

»Nein, mein Bester . . .« seufzte Knaps. »Wenn Ihre Milka ein Männchen wäre, so hätte ich sie vielleicht noch gekauft, aber so . . .«

»Milka soll kein Männchen sein?« staunte der Leutnant. »Knaps, was fehlt Ihnen? Milka – kein Männchen! Haha! Was ist er denn Ihrer Ansicht nach? Eine Hündin? Haha . . . 'n netter Knabe, kann nicht einmal einen männlichen Hund von einer Hündin unterscheiden!«

»Sie sprechen mit mir, als wäre ich blind oder ein Kind . . .« sagte Knaps beleidigt. »Natürlich ist es eine Hündin!«

»Na hören Sie, da werden Sie vielleicht noch sagen, daß ich eine Dame sei! Ach, Knaps, Knaps! Und sind noch von der Technischen Hochschule! Nein, mein Lieber, das ist ein richtiges Vollblutmännchen, so ein Männchen, wie es kein zweites giebt! Und Sie kommen mir da mit einer Hündin! Haha . . .«

»Verzeihen Sie, Michail Iwanowitsch, aber Sie . . . Sie halten mich wohl für einen Narren . . . Das ist sogar beleidigend . . .«

»Nun gut, ist nicht nötig, hol Sie der Teufel . . . Kaufen Sie nicht . . . Ihnen kann man es nicht klar machen! Sie werden bald sagen, daß dies hier keine Rute, sondern ein Bein ist . . . Ist nicht nötig. Ich wollte Ihnen nur eine Gefälligkeit erweisen. – Wachramejew, Kognak!«

Der Bursche brachte noch Kognak. Die Freunde gossen sich ein Gläschen ein und verfielen in Gedanken. Eine halbe Stunde verging schweigend.

»Und wenn es auch ein Weibchen wäre . . .« brach der Leutnant das Schweigen, die Flasche finster anstarrend. »Komisch! Um so besser für Sie. Würde Ihnen Welfe bringen, und jedes Junge bedeutet so viel wie fünfundzwanzig Rubel . . . Ein jeder würde Ihnen die Welfe gerne abkaufen. Ich weiß nicht, warum Ihnen die Männchen so gefallen. Die Hündinnen sind tausendmal besser. Das weibliche Geschlecht ist auch treuer und anhänglicher . . . Nun, da Sie sich einmal vor dem weiblichen Geschlecht so fürchten, gut, so nehmen Sie den Hund für fünfundzwanzig.«

»Nein, Verehrtester . . . Nicht einen Kopeken gebe ich. Erstens brauche ich den Hund nicht und zweitens habe ich kein Geld.«

Der Bursche brachte eine Pfanne Rührei. Die Freunde machten sich daran und verzehrten schweigend das Gericht.

»Sie sind ein guter, braver Junge, Knaps . . .« sagte der Leutnant, sich den Mund wischend. »Ich möchte Sie so nicht fortlassen, hol's der Teufel! Wissen Sie was? Nehmen Sie den Hund umsonst.«

»Aber, mein Bester, wohin soll ich ihn denn thun?« sagte Knaps mit einem Seufzer. »Und wer wird ihn denn bei mir pflegen?«

»Gut, ist nicht nötig, nicht nötig . . . Hol Sie der Teufel! Wenn Sie es nicht wollen, dann lassen Sie es . . . Wohin wollen Sie denn? Bleiben Sie doch sitzen!«

Knaps reckte sich, stand auf und griff nach der Mütze.

»Es ist schon Zeit. Adieu . . .« sagte er gähnend.

»Warten Sie dann, ich will Sie begleiten.«

Dubow und Knaps zogen sich an und gingen hinaus. Die ersten hundert Schritte gingen sie ohne zu sprechen.

»Kennen Sie nicht jemand, an den ich den Hund weggeben könnte? Haben Sie nicht irgend so einen Bekannten? Der Hund ist, Sie sahen es ja, ein guter Racehund, aber . . . ich kann ihn durchaus nicht brauchen!«

»Ich weiß nicht, mein Bester . . . Was habe ich denn hier für Bekannte?«

Bis zu Knaps Wohnung sprachen die Freunde kein Wort mehr. Erst nachdem Knaps dem Leutnant die Hand gedrückt und seine Thür geöffnet hatte, räusperte Dubow sich und fragte mit einem sonderbaren Zögern:

»Wissen Sie nicht, nehmen die hiesigen Abdecker auch Hunde an, oder nicht?«

»Wahrscheinlich wohl . . . Genau kann ich es Ihnen nicht sagen.«

»Werd' ihn morgen mit Wachramejew hinschicken . . . Hol' ihn der Teufel, mögen sie ihm das Fell über die Ohren ziehen . . . Ein abscheulicher Hund! Ein widerwärtiges Tier! Nicht nur, daß er die Zimmer verunreinigt, nein, gestern hat er noch in der Küche das ganze Fleisch aufgefressen, so'n Luder . . . Und wenn es noch eine gute Race wäre, aber so – weiß der Teufel was, eine Kreuzung von Straßenköter und Sau. Gute Nacht!«

»Adieu!« sagte Knaps.

Die Thür schlug zu und der Leutnant blieb allein.

 


 


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