Carl Capek
Post, Polizei, Hunde und Räuberei
Carl Capek

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Die Hunde-Geschichte

Solange der Wagen meines Großvaters, des Müllers, Brot in die umliegenden Dörfer und schönes Korn zurück in die Mühle führte, kannte den Köter fast jedermann; freilich, das ist doch der Köter, würdet ihr zu hören bekommen, der am Bock neben dem alten Fritsche zu sitzen pflegt und aussieht, als ob er den ganzen Wagen lenkt; und wenn es bergauf etwas langsamer geht, fängt er zu bellen an: sofort drehen die Räder sich schneller, Fritsche knallt mit der Peitsche, und die Liese und die Lotte, nämlich die beiden Pferde meines Großvaters, greifen aus; eine Weile später rollt schon der ganze Wagen festlich ins Dorf und strömt den unverfälschten wundervollen Geruch der Gottesgabe aus. So pflegte der Köter im ganzen Pfarrsprengel herumzukutschieren.

Ja, zu seinen Zeiten gab es noch nicht diese verrückten Autos; damals fuhr man langsam, ordentlich und so, daß es zu hören war. Kein Schofför im Auto kann so prächtig mit der Peitsche knallen, wie der selige Fritsche, Gott hab ihn selig, und so den Pferden zuschnalzen, wie er es gekonnt hat, und kein kluger Köter sitzt neben dem Schofför, keiner kutschiert, bellt, jagt Angst ein, nichts. So ein Auto flitzt nur vorüber und stinkt, seht nur, wo es schon wieder ist; vor lauter Staub sieht man es nicht einmal. Ja, da kutschierte der Köter gründlicher; schon eine halbe Stunde vorher spitzten die Leute die Ohren, hoben die Nasen und sagten: Aha! Da wußten sie schon, daß das Brot auf dem Weg zu ihnen war und stellten sich in die Tür, um guten Morgen zu wünschen. Und gerade rollt der Wagen des Großvaters heran, Fritsche schnalzt mit der Zunge, der Köter bellt auf dem Bock, und auf einmal hopp, springt er der Liese auf den Rücken – das war aber auch ein Rücken, Gott segne ihn, breit wie ein Tisch, vier Leute hätten darauf essen können –; jetzt tanzt er auf dem Rücken der Liese herum, läuft vom Kummet zum Schweif, vom Schweif zum Kummet und kann sich das Maul zerreißen vor lauter Freude: Haff, haff, Jungens, wir haben's aber geschafft, ich und die Liese und die Lotte; hurra! Und die Jungens machen große Augen; jeden Tag kommt das Brot und immer festlich, weiß Gott, als ob der Kaiser selber daherkäme. Wie gesagt, so gründlich fährt man schon lange nicht mehr, wie zu des Köters Zeiten.

Und bellen konnte der Köter, wie aus der Pistole geschossen. Pratsch! nach rechts, daß die Gänse dort vor lauter Schreck davonlaufen und erst in Hirschberg am Ring haltmachen, ganz verwundert darüber, wie sie da auf einmal hinkommen; pratsch! nach links, daß alle Tauben im Dorf auffliegen und herumkreisen; so kräftig konnte der Köter, dieses verflixte Hündchen, bellen, und ein Wunder, daß ihm der Schwanz nicht davonflog, wenn er aus lauter Freude darüber, daß er wieder Unheil angestiftet, nur so mit ihm wedelte. Nun ja, er hatte ja auch Grund, stolz zu sein; so eine starke Stimme hat nicht einmal ein General, ja oft nicht einmal ein Abgeordneter.

Und doch gab es eine Zeit, wo der Köter fast gar nicht bellen konnte, obgleich er schon erwachsen war und solche Zähne hatte, daß er Großvaters Röhrenstiefel zerbiß. Da müßt ihr eben wissen, wie der Großvater zu dem Köter gekommen war, oder eigentlich der Köter zum Großvater.

Einmal ging der Großvater aus dem Wirtshaus heim, und da es schon finster und er in lustiger Stimmung war, und vielleicht auch deshalb, damit er die bösen Geister vertreibe, sang er sich eins unterwegs. Plötzlich verlor er im Finstern die richtige Melodie und blieb stehen, um sie zu suchen. Und wie er so sucht, hört er auf der Erde zu seinen Füßen ein Wimmern, Winseln und Knautschen; er bekreuzigt sich und tastet am Boden herum, was das wohl sein könnte. Da spürte er ein zottiges, warmes Knäulchen, das gerade auf seinem Handteller Platz hatte und sich weich wie Samt anfühlte; und kaum nahm er es in die Hand, hörte es zu winseln auf und begann, an seinem Finger zu lutschen, als wäre er aus Honig.

Das muß ich mir anschauen, denkt sich der Großvater und nahm es mit nach Hause in die Mühle. Die Großmutter, die arme, wartete auf den Großvater, um ihm gründlich »gute Nacht« zu sagen, aber ehe sie noch gehörig zu Worte kam, sagte der Großvater: »Da guck mal, Helene, was ich dir mitbringe.« Die Großmutter machte Licht – seht doch, das war ja ein Hündchen, du lieber Josef! ein Hundejunges, noch blind und gelb wie eine geschälte Nuß.

»Nein, so etwas«, wunderte sich der Großvater, »aber Hündchen, wem gehörst du denn eigentlich?« Das Hündchen sagte natürlich nichts; es zitterte auf dem Tisch nur wie ein Häuflein Unglück, daß sein Rattenschwänzchen hin und her tanzte, und wimmerte kläglich; und da, oh du verdammtes Kerlchen, war plötzlich eine kleine Lache unter ihm und wuchs wie das schlechte Gewissen.

»Karl, Karl«, schüttelte die Großmutter ernsthaft den Kopf, »wo hast du denn deinen Verstand gelassen? Das Hündchen muß ja draufgehen ohne Mutter.«

Darüber erschrak der Großvater. »Rasch, Helene«, sagte er, »wärme Milch und hol eine Semmel.« Die Großmutter bereitete alles vor, der Großvater tauchte das Weiche der Semmel in die Milch, wickelte es in den Zipfel seines Taschentuches ein und machte einen so guten Lutschbeutel zurecht, daß das Hündchen daran lutschte, bis sein Bäuchlein wie eine Trommel wurde.

»Karl, Karl«, schüttelte die Großmutter wieder den Kopf, »wo hast du denn deinen Verstand gelassen? Wer wird das Hündchen warmhalten, damit es nicht vor Kälte eingeht?« Aber woher denn, der Großvater – dem widersprechen! Er nahm das Hündchen und trug es stracks in den Stall; ja, dort war's warm, weil es die Liese und die Lotte vollgeatmet haben! Beide Pferde schliefen bereits, als aber der Großvater hereinkam, hoben sie die Köpfe und blickten mit ihren klugen, gutmütigen Augen nach ihm.

»Liese, Lotte«, sagte der Großvater, »daß ihr mir diesem Köterchen nichts zuleide tut. Ich geb ihn in eure Obhut.« Und damit legte er den kleinen Köter vor ihnen ins Stroh. Liese beschnupperte das merkwürdige Geschöpfchen, und als sie an ihm die guten Hände des Herrn spürte, flüsterte sie der Lotte zu: »Er gehört zu uns.«

So wuchs das Köterchen im Stall heran, genährt durch den Lutschbeutel aus dem Sacktuch, bis sich ihm die Augen öffneten und es selbst aus dem Schälchen trinken konnte. Warm war es ihm wie bei der Mutter, und bald wurde so ein kleiner Spitzbub mit einem dummen Kopf aus ihm, halt ein Hündchen; weiß nicht einmal, wo es das Hinterteil hat, auf das es sich setzen soll, setzt sich auf den eigenen Kopf und wundert sich dann noch, daß es drückt; weiß nicht, was es mit dem Schwanz anfangen soll, und da es nur bis zwei zählen kann, verwechselt es fortwährend alle vier Beine; schließlich patscht es vor lauter Verwunderung hin und streckt die Zunge heraus, die so hübsch rosig ist wie eine Schinkenschnitte. Jedes Hündchen ist so, halt wie Kinder sind. Die Liese und die Lotte könnten euch mehr erzählen; sie würden euch sagen, was das für eine Quälerei für ein altes Pferd ist, immerfort achtzugeben, daß man das närrische Hündchen nicht zertritt; ihr wißt ja, ein Huf ist kein Hausschuh, und da muß man ihn schon ganz leicht und langsam niederstellen, damit nicht irgend etwas am Boden schmerzlich zu quietschen und zu jammern beginnt. Ja, das ist eine Plagerei mit Kindern, würden euch die Liese und Lotte sagen.

Aus dem Köterchen war schon ein großer Hund geworden, munter und bissig wie alle anderen Hunde, aber etwas war nicht in Ordnung bei ihm: noch niemand hatte ihn bellen oder knurren gehört. Er quietschte und winselte nur so, aber Bellen war das keines. Da sagte sich einmal die Großmutter: Warum der Köter nicht bellt? Sie denkt nach, geht drei Tage wie ein lebender Leichnam herum, und am vierten meint sie zum Großvater: »Warum der Köter niemals bellt?« Der Großvater denkt nach, geht drei Tage herum und schüttelt den Kopf. Am vierten sagte er zum Kutscher Fritsche: »Warum unser Köter eigentlich niemals bellt?« Fritsche fing es gründlich an; er ging ins Wirtshaus und dachte dort drei Tage und drei Nächte lang nach; am vierten wollte er schon schlafen gehen, er hatte einen schweren Kopf; so rief er denn den Wirt und zog die Schustertaler für die Zeche aus der Tasche. Er rechnete und rechnete, aber der Teufel selbst mischte sich hinein, so daß er nicht und nicht zu Ende rechnen konnte. »Nun, nun, Fritsche«, meinte der Wirt, »hat dir denn deine Mutter nicht das Rechnen beigebracht?« In dem Augenblick ließ Fritsche Zeche Zeche sein, schlug sich auf die Stirn und lief zum Großvater. »Bauer«, schrie er schon in der Tür, »ich hab's. Der Köter bellt deshalb nicht, weil ihm's seine Mutter nicht beigebracht hat.«

»Meiner Treu«, sagte der Großvater, »das ist wahr; der Köter kennt keine Mutter, von der Lotte und der Liese hat er nicht bellen gelernt, einen andern Hund in der Nachbarschaft gibt es nicht, also weiß der Köter gar nicht, was Bellen ist. Weißt du was, Fritsche«, sagte er, »du mußt ihm das Bellen beibringen.«

So setzte sich halt Fritsche im Stall zu dem Köter und brachte ihm das Bellen bei. »Haff, haff«, erklärte er ihm, »gib acht, wie man das macht; zuerst vrrrrrr dahier im Hals und dann läßt du's auf einmal aus dem Maul heraus: haff, haff, vrrrrrr, vrrrrrr, haff, haff, haff, wau, wau.«

Der Köter spitzte die Ohren; das war eine Musik, die ihm gut gefiel, obgleich er nicht wußte, warum; und auf einmal bellte er selber vor lauter Freude. Es war zwar ein etwas merkwürdiges Bellen und kreischte so, wie wenn ein Messer über den Teller fährt, aber jeder Anfang ist schwer. Ihr habt auch nicht gleich das erstemal das ABC gekonnt.

Die Liese und die Lotte horchten verwundert auf, daß der alte Fritsche plötzlich bellt; schließlich zuckten sie die Schultern und verloren jegliche Achtung vor dem Fritsche. Der Köter hatte ein außerordentliches Talent zum Bellen; das Lernen fiel ihm leicht, und als er zum erstenmal mit dem Wagen ausfuhr, ging es pratsch! nach links, pratsch! nach rechts, wie aus der Pistole geschossen; Zeit seines Lebens bekam er das Bellen nicht satt und bellte den ganzen lieben Tag lang; so freute er sich darüber, daß er es ordentlich erlernt hatte.

Aber es gab noch andere Sorgen für den Köter als mit dem Fritsche fahren und kutschieren. Jeden Abend machte er einen Rundgang um die Mühle und den Hof, ob auch alles an Ort und Stelle sei, fuhr auf die Hühner los, damit sie nicht immer wie die Marktweiber gackerten und stellte sich dann vor dem Großvater auf, wedelte mit dem Schwanze und blickte klug drein, als ob er sagen wollte: »Geh nur schlafen, Karl, ich geb schon auf alles acht.«

Der Großvater lobte ihn dafür und ging gottesfürchtig schlafen. Am Tage besuchte der Großvater oft die umliegenden Dörfer und Marktflecken, um Getreide und verschiedenes anderes einzukaufen, zum Beispiel Kleesamen, Linsen oder Mohn; da lief der Köter stets mit ihm, und wenn sie abends heimgingen, fürchtete er sich nicht im geringsten und fand auch dann heim, selbst wenn sich der Großvater im Weg irrte.

Einmal also kaufte der Großvater irgendwo Samen; er kaufte, und machte einen Abstecher ins Wirtshaus. Der Köter wartete eine Weile vor dem Wirtshaus; da aber stieg ihm etwas in die Nase, ei wohl, so ein herrlicher Duft aus der Küche, daß er einfach dort nachschauen mußte. Und meiner Seel, die Hausleute aßen Bratwürste; der Köter setzte sich und wartete, ob nicht so eine wundervolle Wurstpelle unter den Tisch falle. Während er dort saß, blieb vor dem Wirtshaus der Wagen von Großvaters Nachbar stehen, wie hieß er denn nur rasch, nun sagen wir Henschel, dieser Henschel fand den Großvater in der Schenke, ein Wort gab das andere, und die beiden Nachbarn stiegen in den Wagen, damit sie halt gemeinsam nach Hause fahren. Sie fuhren ab, und der Großvater vergaß an den Köter wie an den Tod, indes der Köter es sich in der Küche vor den Bratwürsten schön machte.

Als die Hausleute mit dem Essen fertig waren, warfen sie die Pelle von den Bratwürsten der Katze auf den Ofen; der Köter leckte sich das Maul und erinnerte sich erst jetzt, wo denn der Großvater sein könnte. Er suchte, schnüffelte im ganzen Wirtshaus umher, aber der Großvater war – nirgends.

»Köter«, sagte der Wirt, »dein Herr ist dort«, und zeigte mit der Hand. Das begriff der Köter und machte sich allein auf den Heimweg; zuerst lief er die Straße entlang, aber dann sagte er sich: Da wär ich doch ein Narr; hier über den Berg schneide ich doch ein gutes Stück Weg ab. Er lief also über den Berg und durch den Wald. Es wurde Abend, es wurde Nacht; doch der Köter hatte keine Angst. Mir, dachte er, kann nichts gestohlen werden. Aber Hunger hatte er wie ein Hund.

Es war bereits Nacht, der Vollmond ging auf; und als die Bäume in einer Lichtung oder einer Schneise auseinandertraten, zeigte sich der Mond über den Baumkronen; da war es schön, so silbrig, daß dem Köter das Herz vor Entzücken klopfte. Der Wald rauschte ganz leise als ob Harfen tönten. Jetzt lief der Köter durch den Wald wie durch einen finsteren, finsteren Gang; aber plötzlich tauchte silbriges Licht vor ihm auf, und die Harfen schienen lauter zu tönen: dem Köter sträubte sich jedes Haar; er schmiegte sich an die Erde und blickte wie gebannt. Vor ihm lag eine im Mondlicht schimmernde Wiese, auf der Hundeelfen tanzten. Das waren herrliche weiße Hunde, ganz weiß, fast durchsichtig und so federleicht, daß sie nicht einmal den Tau von den Gräsern streiften; nun, Hundeelfen waren es, das erkannte der Köter gleich, weil ihnen dieser bestimmte anziehende Geruch fehlte, an dem ein Hund einen richtigen Hund erkennt.

Der Köter liegt im nassen Gras und kann sich die Augen ausschauen. Die Elfen tanzen, tollen umher, ringen miteinander oder drehen sich im Kreise hinter ihrem Schwanze her, aber alles so leicht, so luftig, daß sich nicht ein Grashalm unter ihnen bewegt. Der Köter gibt gut acht: wenn sich eine von ihnen zu kratzen oder nach einem Floh zu beißen beginnt, dann ist es eben keine Elfe, sondern ein weißer Hund. Aber keine von ihnen kratzte sich oder biß nach einem Floh; so waren es denn richtige Elfen. Als der Mond sehr hoch stand, hoben die Elfen die Köpfe und begannen zart und schön zu heulen und zu singen; nicht einmal ein Künstlerorchester würde das so schön treffen. Der Köter weinte vor Rührung und hätte mitgesungen, würde er sich nicht gefürchtet haben, alles zu verderben.

Nachdem sie zu Ende gesungen hatten, legten sie sich um eine vornehme Greisin herum, wahrscheinlich irgendeine mächtige Fee oder Zauberin. »Erzähle uns was«, baten alle Elfen.

Die alte Hundefee sann nach und sagte dann: »Ich will euch erzählen, wie die Hunde die Menschen erschufen. Als Gott der Herr die ganze Welt und alle Tiere erschuf, stellte er den Hund als den Besten und Klügsten an ihre Spitze. Alle Tiere lebten und starben und wurden wieder geboren in Glück und Zufriedenheit, nur die Hunde wurden immer trauriger. Da fragte also Gott der Herr die Hunde: ›Warum seid ihr so traurig, wenn die anderen Tiere sich freuen?‹ Und der älteste Hund antwortete: ›Weißt du, Hergott, den anderen Tieren fehlt nichts; aber wir Hunde haben ein Stückchen Verstand hier im Kopf, und mit diesem Verstand begreifen wir, daß es etwas Höheres gibt als wir, und das bist du, o Schöpfer. Zu allem können wir riechen, nur zu dir nicht, und das fehlt uns Hunden sehr. Deshalb, o Herr, lasse unsere Sehnsucht in Erfüllung gehen und erschaffe uns irgendeinen Gott, zu dem wir riechen können.‹ Da lachte Gott der Herr und sagte: ›Bringt mir Knochen, und ich erschaffe euch einen Gott, zu dem ihr riechen könnt!‹ Da liefen die Hunde auseinander, und jeder brachte einen Knochen; der von einem Löwen, dieser von einem Pferde, der andere von einem Kamel, jener von einer Katze, kurz von allen Tieren, nur keine Hundeknochen; denn ein Hund rührt weder Hundefleisch noch Hundeknochen an. Es war ein ganzer Knochenhaufen beisammen, und Gott schuf aus diesen Knochen den Menschen, auf daß die Hunde ihren Gott haben, zu dem sie riechen können. Und da der Mensch aus allen Tierknochen erschaffen wurde, nur aus Hundeknochen nicht, sind ihm die Eigenschaften aller Tiere zu eigen: er hat die Stärke des Löwen, die Arbeitsamkeit des Kamels, die Listigkeit der Katze und die Großmütigkeit des Pferdes, nur die Treue des Hundes nicht, nur die Treue des Hundes nicht!«

»Erzähle uns noch etwas«, baten die Hundeelfen von neuem.

Die alte Hundefee sann nach und begann dann: »Jetzt erzähle ich euch, wie vor langer, langer Zeit die Hunde ein Königreich und ein großes Hundeschloß auf Erden hatten. Aber die Menschen neideten den Hunden ihr Königreich auf Erden und zauberten solange, bis das Königreich samt dem Schlosse tief in die Erde versank. Wer aber am richtigen Ort graben würde, käme zur Höhle, wo der Hundeschatz verborgen liegt.«

»Was ist der Hundeschatz?«, fragten die Elfen begierig.

»Ja«, sagte die alte Fee, »da ist so ein wunderwunderschöner Saal. Die Säulen bestehen aus den herrlichsten Knochen, aber nicht abgenagten, woher denn; es ist so viel Fleisch daran wie an einer Gänsekeule. Dann gibt es dort einen gepökelten Thron aus Sülze, zu dem Stufen aus reinstem Speck führen. Und über diese Stufen ist ein Teppich aus lauter Pellen von Leberwürsten gebreitet, auf denen fingerdicke Wurstscheiben liegen.«

Das war zu viel für den Köter. Er sprang auf die Wiese und rief: »Haff, haff, wo ist dieser Schatz? Wau, wau, wo ist dieser Hundeschatz?«

Aber im selben Augenblick waren die Hundeelfen samt der alten Fee wie mit einem Schlag verschwunden. Der Köter rieb sich die Augen; nur der silbrige Anger lag vor ihm da, nicht ein Grashalm war durch den Tanz der Elfen zerzaust, nicht ein Tautropfen zur Erde gekollert. Der Mond schien ruhig über der lieblichen Wiese, und der Wald stand ringsherum wie eine tief schwarze Mauer.

Da fiel dem Köter ein, daß ihn zu Hause wenigstens in Wasser eingebrocktes Brot erwarte, und er lief nach Hause, was ihn die Beine trugen. Aber seit dieser Zeit erinnerte er sich oft, wenn er mit dem Großvater über Wiesen oder durch Wälder ging, an den in der Erde verschwundenen Hundeschatz; dann fängt er mit allen Vieren wütend ein tiefes Loch zu graben an. Und da er das wahrscheinlich auch den Hunden aus der Nachbarschaft verraten hat und die wieder anderen und die anderen wieder den nächsten, trifft man bei allen Hunden der Welt, daß sie sich manchmal im Felde draußen an das versunkene Hundekönigreich und das Schloß erinnern und ein Loch in die Erde graben und schnüffeln, schnüffeln, ob nicht in dem Erdinnern der Sülzthron mit den Speckstufen des ehemaligen Hundereiches zu finden sei.

 


 


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