Der Verborgne und die Verkappte
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Erster Aufzug.

Ländliche Gegend in der Nähe von Madrid.

Don Cesar und Mosquito treten auf, in Reisekleidern, mit Stiefeln und Sporen.

Don Cesar. Weil wir nicht uns nach Madrid
Wagen dürfen, eh die finstre
Nacht erscheint, magst du an jene
Bäume dort die Tiere binden.
Und auf diesem Blumenteppich,
Den der holde Frühling stickte,
Zwischen den anmut'gen Weihern,
Wo das Lusthaus mit so vielen
Reizen prangt, hier laß uns warten,
Bis die Dunkelheit erschienen.

(Mosquito geht ab und kommt gleich zurück.)

Mosquito. Nun, da sind sie angebunden;
Müßt' ich gleich es bill'ger finden,
Daß sie eben uns anbänden.

Don Cesar. Weshalb?

Mosquito.                   Klüger sind die Tiere.

Don Cesar. Also sind wir beide Narren?

Mosquito. Diesen Schluß find' ich ganz richtig,
Doch mit einem Unterschied.

Don Cesar. Welcher wäre das?

Mosquito.                                 Du bist es
Von Natur, ich zur Gesellschaft,
Weil ich, um mit dir zu ziehen,
Lohn bekomme.

Don Cesar.               Und was ist's,
Das als Narrheit hier erschiene?

Mosquito. Ei, potz alle tausend Wetter!
Kaum drei Monat' sind entwichen,
Seit wir aus Madrid entflohn,
Weil wir einen edeln Ritter
Und (was schlimmer ist) den Bruder
Einer von den beiden Liebsten,
Welchen du zugleich den Hof machst,
Im Gefecht zu Boden stießen,
Eifersüchtig ob der andern;
Denn wie ein Komödiendichter,
Hast du prima und seconda
Donna dir zugleich verschrieben.
Wir entfliehn nach Portugal;
Und weil ein Kurier ein Briefchen
Ueberbringt (von dessen Inhalt
Ich sogar nichts weiß), geht's wieder
Eiligst nach Madrid zurück,
Trotz der größten Hindernisse.
Und du fragst noch, welche Narrheit
Es hier gibt? Ist es nicht sicher,
Daß kein Polizeiherr dort ist,
Der nicht Feu'r und Flammen schießet,
Der nicht schwört, daß bald dein Kopf
Soll zu deinen Füßen liegen,
Und daß ich soll mit den Füßen
Ueber andrer Köpfen bimmeln?

Don Cesar. Du hast recht, ich muß gestehn,
Sicher ist mein Leben nimmer
In Madrid. Doch da mein Leben
Sich in gleicher Not befindet,
Werd' es mir in Lissabon
Durch der Trennung Qual entrissen,
Oder in Madrid durch Unglück;
Da zwei Tote mich umringen
Und die Wahl der Todesart
Mir noch frei ist: laß zufrieden
Da mich sterben, wo ich weiß,
Daß Lisardens Aug' es siehet.

Mosquito. Nein, und wollte man den röm'schen
Märtrerkatalog mir bringen,
Um mir einen Tod zu wählen
Recht nach eigenem Belieben,
War' es überflüss'ge Mühe,
Weil doch keiner mir gefiele;
Denn es ist kein noch so schöner
Tod, der mir behaglich schiene.
Sage, was für Schuld hab' ich,
Daß du hinterher mich ziehest,
Wenn es dir beliebt zu sterben?

Don Cesar. Sage du, weshalb du zitterst,
Wenn du gar nicht schuldig bist,
Noch zugegen warst beim Zwiste.

Mosquito. Wenn ein Matador in Trumpf
Alle niedern Blätter mitzieht,
Wird ein Herr als Matador
(Sage selbst, die Sach' ist sicher)
Nicht Trumpfbuben mit sich ziehn?

Don Cesar. Größre Narrheit sah ich nimmer!

Mosquito. Dies beiseite, bester Herr;
Sage mir, aus was für Grillen
Bist du so versteckt, daß ich,
Den du mit dir ziehst, nicht wisse,
Wohin du mich ziehst? Sag' an,
Was ist in Madrid dein Wille?

Don Cesar. Sagen will ich's dir, Mosquito,
Nicht sowohl, daß du es wissest,
Als um mich durch die Erzählung
Zu erquicken; denn es finden
Sorgen keinen andern Trost,
Als indem man sie berichtet;
Weiblich sind sie ja und rächen
Mit der Zunge sich am liebsten.
Jenes Wunderwerk, Lisarda –
Welcher die Natur beschieden
Reizes und Verstandes Fülle,
Um zum einz'gen Musterbilde
Aller Schönheit sie zu machen;
Denn in dieser einz'gen schließen
Friedensbund Verstand und Reiz,
Die bis dahin immer kriegten –
War, du weißt, in Amors Tempel
Längst die schönste der Göttinnen,
Und nicht Seele gab's, noch Leben,
Die nicht, stummes Opfer, fielen
Am Altare dieser Gottheit;
Wie so viele schon bewiesen,
Die, besiegt, wenn auch nicht blutig,
Längst vor ihren Augen liegen.
Ich, im grausamen Genusse
Der Triumphe sie erblickend,
Mehrte gleich die Zahl, doch nicht
Die Bedeutung ihrer Siege.
Abgöttisch ihr Bild verehrend,
Lebt' ich seit dem ersten Blicke,
Ohne durch das Opfer Schonung,
Durch die Gabe Gunst zu finden.
Unbeglückt, war ich Verehrer
Dieses schönen Zaubers, dieses
Schönen Weibes; und mein Leben,
Achtend nur auf ihren Schimmer,
War die Klytie jener Strahlen,
Kompaß jener Glanzgestirne.
Sehend nun, daß ich der Sonne
Nur vertraut' ein Wachsgefieder,
Und daß meinem edeln Fluge
Nur zum einz'gen Denkmal diente
Meiner Thränen Meer, in welchem
Jener Funken Glut sich tilgte,
Wollt' ich endlich sie vergessen.
Toller Wahn! Als ob bei diesem
Wohl es stand, sie zu vergessen,
Bei dem nicht stand, sie zu lieben.
Deshalb, um für meine Qualen
Gegengift zu finden, Liebe
Durch die Liebe schlagend, warf ich
Nun auf Celia meine Blicke;
Celia, die mit allem Recht
Wunderwerk der Schönheit hieße,
Wäre nicht Lisarda völlig
Schon in ihres Reichs Besitze.
War ich, wo ich liebt', unglücklich
Und vertauschen sich die Triebe,
So erwäge selbst, was durft' ich
Hoffen da, wo ich nicht liebte?
Liebe, wenn sie Gott dich nennen,
Wie doch einem Gott zuwider
Handelst du, der Wahrheit nicht,
Nur der Täuschung Lohn entrichtend!
Sei entweder nicht mehr Gott,
Oder nicht undankbar, Liebe!
Denn ein Gott und undankbar,
Klingt nicht, oder übel klingt es. –
Zwar von Celia zugelassen,
Blieb doch immer meine Liebe
Gegen Celia gleichsam fremd,
Und es blieb im tiefsten Innern
Meiner Seele für Lisarden
Eine Stelle, still und sicher,
Wo ich ihr Anbetung weihte;
Wie? das will ich dir berichten:
Hat ein Fürst von großer Macht
Eine Burg, wo er nicht wohnt,
Bleibt verschlossen, wohl geschont,
Stets der besten Zimmer Pracht;
Sorgsam wird der Raum bewacht.
Will ein edler Gast hinein,
Spricht der treue Burgvogt: Nein!
Diese hier, die eignen Zimmer
Meines Königs, dürfen nimmer
Eines andern Wohnung sein.
So behielt die ganze Seele,
Meiner Liebe Burg, das Beste
Für Lisarden stets im Reste,
Ob sie's nie zur Wohnung wähle.
Burgvogt ohne Falsch und Fehle
War das treue Herz; daher,
Wehrt' es Celien auch nicht sehr,
Daß sie dort als Gast verweile,
Doch in anderm Schlossesteile,
In Lisardens nimmermehr. –
Also nun, verschmäht von jener,
Wohl begünstiget von dieser
Und bei ihr die Sinne täuschend
Durch Erinnrung der Geliebtern,
War mein Leben schier parteilos:
Als inmitten dieses Zwistes
Es geschah, daß Don Alonso,
Bruder jener widerwill'gen
Schönheit, die durch meine Klagen
Immer unerreicht geblieben,
Warb um Celiens Gunst. Wer hätte
Wohl gesagt, so unbezwinglich
Sei die Macht der Eifersucht,
Daß sie oft auch da sich finde,
Wo die Liebe fehlt? So ist's!
Eifersucht ist Kränkung immer
Dessen, dem man sie erregt,
Und sie braucht nicht stets der Liebe
Kind zu sein, wird manchesmal
Bloß erzeugt vom Ehrentriebe.
Doch in beiden Abstammungen
Zeigt sich Eifersucht verschieden;
Denn, hat Liebe sie erzeugt,
Will die Seel' ihr Leiden wissen,
Doch bei Eifersucht aus Ehre
Ist ihr das Nichtwissen lieber.
Ich erfuhr's; denn ob ich oftmals
Zeichen, Handlungen erblickte
(Nur von seiner Seite), war ich
Nicht, sie zu verstehn, beflissen,
Bis zuletzt an einem schönen
Frühlingstage Celia nieder
Stieg zum Park und Don Alonso
Neben ihr den Park durchirrte.
Ich, der eben dort verweilte
Und ihn neben ihr erblickte,
Konnte, sein und ihrentwegen,
Nicht mehr heucheln ohn' Erniedern
Meiner Würd'; und mich den beiden
Nähernd, bracht' ich von der Lippe
Kaum das erste Wort, als Celia
Zu mir sprach: ›Vergnügt erblick' ich
Euch, Don Cesar, den ich wünschte;
Denn da Ihr gekommen, wird sich
Don Alonso wohl entfernen,
Wozu mein Enttäuschen nimmer
Ihn bewegen konnte.‹ – Er,
Unbedachtsam im Erwidern,
Sprach . . . ich weiß nicht, was er sprach;
Denn ein Edelmann erinnert
Sich in keinem Fall der Worte,
Die der Unmut ausstößt zwischen
Zung' und Schwert. Nicht säumend, zogen
Beide wir zugleich die Klingen.
Er, durchbohrt von einem Stoß,
Sank zu Boden. Im Gewimmel
Jener Leute, die beim Kampfe
Ueberall zusammenliefen,
Konnte Celia, unerkannt,
Leicht in ihre Wohnung fliehen,
Und ich wählte mein Asyl
In der nahgelegnen Kirche
Zur Inkarnation; dann flohen
Wir nach Portugal. Doch dieses
Alles weißt du; jetzt beginnt,
Was dir unbekannt geblieben.
Als ich weilt' in Lissabon,
Sandte Celia mir, vermittelst
Eignes Boten, einen Brief,
Der mir sagte . . . doch hier ist er.

(Er zieht einen Brief aus der Tasche und liest.)

»Wäre ich nicht überzeugt, daß Ihr überzeugt seid, wie wenig Schuld ich an Euerm Unglück habe, so würde mein Leben das zweite sein, das Ihr geraubt hättet. Mein Bruder, wisset Ihr, ist abwesend, und Ihr könnt keinen bessern Zufluchtsort finden, als mein Haus; denn da wird man Euch nicht suchen. Deshalb, um Eure Angelegenheiten in der Nähe besser zu betreiben, könnt Ihr zu mir kommen, wo Ihr so verborgen sein werdet, wie Ihr wünscht, wenn auch nicht so bewirtet, wie Ihr verdient.

Celia

Dieser Brief gab mir den Anlaß,
Eiligst nach Madrid zu ziehen.
Denn, Mosquito, sonder Zweifel
Kann kein Zufluchtsort mir sichrer
Als ein solch Privathaus sein,
Wo ich nachts in aller Stille
Ausgehn kann, um die Geschäfte
Meiner Habe zu beschicken
Und die Beilegung des Handels;
Denn für einen andern richtet
Kein Verwandter und kein Freund
Das aus, was der Herr. Inzwischen,
Um die Wahrheit zu gestehn,
Weder jenes, noch auch dieses
Treibt so sehr mich, als die Hoffnung,
Daß ich wohl Lisardens Gitter
Manchmal kann bei Nacht verehren,
Da mein Stern nun doch entschieden,
Daß ich durch des Bruders Tod
Jede Hoffnung muß verlieren,
Ihre Schönheit mein zu nennen.
Wenn sie, angebetet, immer
Grausam war, was wird sie sein,
So gekränkt? Wenn sie unziemlich
Meine Schmeichelworte fand,
Wie wird sie die Kränkung finden?
Dies nun zog mich nach Madrid;
Um von fern Lisardens Gitter
Anzubeten, will ich dort
Mich in Celiens Haus verschließen.

Mosquito. Ich war allezeit der Meinung,
Daß ein jeder Mann zum mindsten
Soll zwei Liebsten haben; denn,
Wer zugleich nach zweien zielte,
Wird gewiß doch eine treffen.
Beatriz und Ines wissen
Drum Bescheid; denn bei Lisarden
Und bei Celien sind sie wirklich,
Wenn auch mehr als Scheuermägde,
Wen'ger doch als Kämmerlinge.
Und damit, verliert sich eine,
Nicht die andre sich verliere,
Trag' ich sie in meinem Herzen
Gleich im Duplikat, wie Briefe. –
Aber welche Rolle, sprich,
Gibst du mir im Possenspiele
Vom verborgnen Kavalier?

Don Cesar. Da du ohne Schuld geblieben,
Bleibst du draußen, um mir alles,
Was sich zuträgt, zu berichten.

Mosquito. Und wenn man, um zu erfahren,
Ob ich's bin, ob nicht, inzwischen
Mich beim Kragen packt?

(Großer Lärm hinter der Szene.)

Lisarda (hinter der Szene).         Halt! Halt!

Beatriz (ebenso). Halt! Was machst du, Saufaus?

Don Cesar.                                                           Himmel!

Mosquito. Ei, da ruft man mich bei Namen.

Don Cesar (hinaussehend). Eine Kutsche, seh' ich, ist es,
Die im Graben steckt.

Mosquito.                           Und eben
Fällt sie ganz ins Wasser nieder.

Don Cesar. Frauen sind's; auf jeden Fall
Muß man ihnen Beistand bringen. (ab.)

Mosquito. Mache Gott dich, aus Erbarmen,
Edler Ritter, endlich sitzend;
Fahrend bist du gnug gewesen! –
Ha, der Walfisch, jetzt zerspringt er
Auf der einen Seit', um seine
Jonasse zur Welt zu bringen.
Ei, die erste, die herauskommt,
Ist, beim Himmel! Beatrizchen;
Sicher ist auch da ihr Fräulein. (Er versteckt sich.)

Beatriz, von Gonzalo geführt, und Otañez treten auf.

Beatriz. Weh mir, ich bin tot! Zerrissen
Ist der Schleier, voller Flecken
Ist das Kleid; am Kopfe, sicher,
Hab' ich wohl viertausend Beulen.

Gonzalo. Sackerlot!

Beatriz.                   Gonzalo, lieblich
Bist du mit uns umgegangen.

Gonzalo. Glaubt, das erste Mal ist dieses,
Daß mir dies geschieht.

Otañez.                                 Wahrhaftig,
Wer sich so zeigt im Beginnen,
Kann gewiß in Jahresfrist
Andre Kutscher unterrichten,
Wie man umwirft.

Beatriz.                       Scheint es doch,
Nach der Fertigkeit zu schließen,
Die er zeigt, er hat im Leben
Niemals andre Kunst getrieben.

Otañez. Und das Fräulein?

Gonzalo.                             Aus der Kutsche
Trug ein Herr sie, halb erblichen.

Otañez. Meinem Herrn, der sich im Garten
Aufhält, muß ich dies berichten. (ab.)

Gonzalo. Ich will nach dem Wachtturm gehn,
Ob ich da nicht Beistand finde. (ab.)

Mosquito (kommt hervor).
Beatriz!

Beatriz.         Du hier? Woher?

Mosquito. Darauf läßt sich kurz erwidern:

Ich komm' aus fernen Landen, mein Kind, um dich zu sehen;
Ich finde dich gefallen, nun will ich wieder gehen.«

Beatriz. Und dein Herr?

Mosquito.                       Dort siehst du ihn.

Beatriz. Aber wie erklärt sich dieses?

Mosquito. Was weiß ich? Doch eines mußt du,
Beatriz: die Zunge binden.

Beatriz. Rechne drauf, denn zungenlos
Bin ich.

Mosquito.     Schlechte Rechnung, sicher!
Zungenlose schwatzen mehr,
Als bezungte Schwätzerinnen.

Don Cesar trägt die ohnmächtige Lisarda in seinen Armen herein.

Don Cesar. Gleichwie Spaniens Ozean
Glänzet diese Sphär' in Wonne;
Denn hier endet heut die Sonne,
Niedersinkend, ihre Bahn.
Steige wiederum heran,
Holder Purpur! Weiche nicht,
Schimmerndes Rubinenlicht!
Ach, Lisarda, wer gedächte,
Daß mein Arm dich jetzt umflechte!
Und doch – welch ein Strafgericht!
Nur weil deine Sinne schwanden,
Ward mir dieses Glück, so hehr;
Wärst du bei dir, nimmermehr
Hättest du es zugestanden.
Wohl ein Unglück ist vorhanden
In dem Glück, das mich entzückte,
Weil zugleich mich Kummer drückte,
Daß du so bist; bleibt doch immer,
Bei des Glückes hellstem Schimmer,
Unbeglückt der Unbeglückte! –
Aller Schönheit höchster Preis!
Seit du schmachtest, sind die Fluren
Nicht mehr grün, nicht mehr azuren
Ist des Himmels prächt'ger Kreis.
Schmelze, schmelze dieses Eis
Durch den Glanz, der dir entquillt!
Sieh, um dieses bleiche Bild
Fühlt die ganze Schöpfung Qualen,
Weint der Himmel Strahl um Strahlen.
Blum' um Blume das Gefild,
Sind doch diese schönen Auen
Ohne Licht und ohne Pracht!
Bist du Sonne, mach' uns Nacht,
Aber Sterne laß uns schauen.

Lisarda (die sich erholt).
Weh mir Armen!

Don Cesar.                 Mein Vertrauen
Wird belohnt; sie kehrt zurück,
Und vollendet ist mein Glück!
Ja, es endet mein Verderben:
Denn was liegt an meinem Sterben,
Lebt der Schöpfung Meisterstück?

Lisarda. Was ist's, das mit mir geschah?

Don Cesar. Himmel! sie darf nicht mich schauen,
Denn mein Anblick schafft ihr Grauen.

(Er verhüllt das Gesicht mit dem Mantel.)

Lisarda. Gott, wie ist mir? Wer ist da?

Don Cesar. Der, o Herrin, welcher sah,
Daß die Sonne, durch Versehn,
Schien aus ihrer Bahn zu gehn,
Und den Irrtum wollte bessern;
Denn nicht darf in Bachgewässern
Solche Glutfüll' untergehn.

Lisarda. Wenn Ihr, wie Eu'r Mund es spricht,
Mich bewahrt vor Todesgrimme:
Was verstellt Ihr Eure Stimme?
Was verhüllt Ihr Eu'r Gesicht?
Euern Worten glaub' ich nicht,
Weil Ihr unklug würdet handeln;
Denn Gesicht und Ton verwandeln
Kann nicht denen ziemlich sein,
Welche Wohlthat uns verleihn,
Sondern denen, die mißhandeln.

Don Cesar. Wer um Lohn nur Dienst gewährt,
Nichts verdient er für sein Dienen;
Denn zu deutlich ist erschienen,
Daß er Euern Dank begehrt.

Lisarda. Solch ein Edelsinn bewährt
Ein Verdienst von andrer Art,
Das man staunend nur gewahrt.
Sagt, wer seid Ihr?

Don Cesar.                   Laßt mich schweigen.

Lisarda. Und soll ich mich schlecht bezeigen,
Damit edel Ihr verfahrt?
Also lasset ohne Schwanken
Euch mir sehn.

Don Cesar.             Verlangt es nicht;
Das Geheimnis ist mir Pflicht,
Wenn Ihr wünschet, mir's zu danken.

Lisarda. Zweifel ängst'gen die Gedanken. –
Warum schweigt Ihr?

Don Cesar.                       Weil . . . verzeiht!
Mich zu schauen, thät Euch leid;
Und ich zögerte beflissen,
Um nicht diese Zeit zu missen,
Da Ihr, zweifelnd, dankbar seid.

Lisarda. Mir soll's leid thun, Euch zu schauen?

Don Cesar. Wie's mich freut, vor Euch zu stehen.

Lisarda. Pein erregt mir, Euch zu sehen?

Don Cesar. Ja, wie Eu'r Verlust mir Grauen.

Lisarda. Kränken soll mich Eu'r Vertrauen?

Don Cesar. Wie das Unglück meinen Sinn.

Lisarda. Sehen muß ich immerhin,
Was es sein mag, das in Kränken,
Leid und Pein mich soll versenken.

Don Cesar. Seht denn, Fräulein, seht, ich bin . . . (Er enthüllt sich.)

Lisarda. Wahrhaft spracht Ihr, seh' ich ein,
Leid thun würde mir Eu'r Sehen;
Wahrhaft, Euer Nahestehen
Würde kränkend für mich sein;
Wahrhaft auch, es würde Pein
Mir erregen Eu'r Vertrauen.
Wohl ist auf Eu'r Wort zu bauen;
Wohl thut leid mir die Erkennung,
Und mich kränkt des Namens Nennung,
Und mich peinigt, Euch zu schauen.
Könnt Ihr solche Kühnheit hegen,
So verwegen sein, auf Gassen
Oeffentlich Euch sehn zu lassen?

Don Cesar. Wann nur war ich nicht verwegen?

Lisarda. Wie kamt Ihr hieher? Weswegen?

Don Cesar. Um den Fehler auszugleichen.
Denn beraubt' ich, im Entweichen,
Euern Bruder seines Lebens,
Kehrt' ich heim – und nicht vergebens –
Euerm Leben Schutz zu reichen.

Lisarda. So mit Schmerz hab' ich vernommen,
Ihr seid's, der ihm Schutz gegeben,
Daß ich hassen muß mein Leben,
Weil ich es von Euch bekommen.

Don Cesar. Meinem Kummer wird es frommen,
Seh' ich einst, daß Ihr den Trieben
Dieses Hasses treu geblieben.
Scheint es mir doch Tröstung fast!
Denn, die selbst ihr Leben haßt,
Weshalb sollte die mich lieben?

Beatriz (zu Lisarden). Deinen Vater seh' ich nahn,
Der bis jetzt in jenem Garten
Weilte.

Don Cesar.   Was muß ich erwarten?

Lisarda (beiseite). Was mir ziemet, sei gethan! –
(Laut.) Hegt, Don Cesar, nicht den Wahn,
Daß der Zorn ob jener Sache
Mächtiger in mir erwache,
Als der Trieb der Dankbarkeit;
Nein! zum Gegendienst bereit
Bin ich eher, als zur Rache.
Halten will ich ihn; geht fort!

Don Cesar. Ihr befehlt's – ich will es thun.

Lisarda. Meine Pflicht erfüllt' ich nun,
Schütztet Ihr mein Leben dort.
Doch bedenket dies: Hinfort
Seid Ihr nirgendwo mehr frei
Von Gefahr.

Don Cesar.         Erwägt hiebei,
Dies heißt . . .

Lisarda.                 Was?

Don Cesar.                     Zu Euch mich wenden
Soll ich.

Lisarda.         Wie? Ist, fortzusenden
Und zu rufen, einerlei?

Don Cesar. Es verirrt auf wald'gem Wege
Sich ein Wandersmann bei Nacht,
Und je mehr er mit Bedacht
Späht nach dem verlornen Stege,
Irrt er tiefer ins Gehege.
Aber das Geräusch im Wald
Hört der wache Hund alsbald
Und schlägt an auf den Gesellen;
Doch er ruft ihn durch das Bellen,
Das, ihn zu verjagen, schallt.
So, verworren und beklommen,
Weiß ich nicht, wohin ich gehe;
Und man sieht, daß ich nicht sehe,
Weil ich her zu dir gekommen.
Doch du hast Geräusch vernommen,
Und mit wachsam sprödem Groll
Rufst du, daß ich fliehen soll;
Aber ich, verirrt vom Gange,
Nahe freudig mich dem Klange,
Der zu anderm Zweck erscholl. (ab.)

Lisarda. Ha, die Kutsche!

Don Diego und Gonzalo treten auf.

Don Diego.                         Ihr macht fein
Eure Sachen, Tölpel!

Gonzalo.                           Nein!
Glaubt nicht, Herr . . .

Don Diego.                         Nicht ungebührlich
Führt Euch auf!

Beatriz.                   Das heißt figürlich,
Daß er soll kein Kutscher sein.

Don Diego. Tochter, sprich, was ist geschehen?

Lisarda. Nichts, als daß die Kutsche fiel.

Don Diego. Hat's dir weh gethan?

Lisarda.                                         Nicht viel.

Don Diego. Laß uns schnell nach Hause gehen. (Alle ab.)

 


 
(Das Theater ist, von vorn nach hinten, in zwei ungleiche Räume geschieden. Der kleinere ist Celiens Putzkabinett, der größere ein Saal; beide sind durch eine Mittelthüre verbunden. Im Hintergrunde des Saales befinden sich zwei andere Thüren; im Kabinett eine heimliche Thüre, die man nicht wahrnimmt, und eine andere, die in die Küche führt. Auf einem Tische stehen brennende Lichter.)

Don Felix, Celia und Ines treten auf.

Celia. Du bist wunderlichen Sinnes!

Don Felix. Ist er wunderlich beschaffen,
So erklärt sich's leicht; denn du,
Celia, suchst ihn so zu machen.

Celia. Wie? Hab' ich gemacht, daß du
Aus dem Felde, wo du warest,
Plötzlich eiltest nach Madrid?
Und das bloß, um hier im ganzen
Haus, wo mich dein Fernsein tötet,
Ob du gleich mich lebend fandest,
Tausend Vorkehrung zu treffen,
Um die Thüren, Fenster alle
Zu verschließen, so daß selbst
Nicht die Luken unterm Dache
Ohne Gitter sind. Weshalb
Willst du deine Schwester plagen
Durch so thörichte Besorgnis,
Durch so albernes Bewachen,
Nicht erwägend, daß, mit meinem,
Du dem eignen Rufe schadest?

Don Felix. Celia, leugnen kann ich nicht,
Albernheit vom ersten Range
Ist das Mißtraun; das ist sicher.
Aber wo die Fenster mangeln,
Nimmt es ab; denn dieser Umstand
Sichert nicht, beruhigt aber.

Celia. Angenehm ist die Entschuld'gung
Deiner Rückkehr aus Italien
Nach Madrid, so sehr auf Kosten
Deines Rufs und deines Ansehns.
Aus der Hauptstadt gingst du ab,
Schön mit Schmuck und Federn prangend;
Doch es scheint der Trommellärm
Dir nicht eben zu behagen,
Noch auch der Geruch des Pulvers,
Denn es fehlte dort an Amber.
Und nun machst du tolle Streiche,
Zur Entschuld'gung deiner . . .

Don Felix.                                         Warte,
Celia! – Und du, geh hinaus,
Ines.

Ines (beiseite). Dieses Mal entladet
Er sein Herz. (ab.)

Don Felix.             Da du Verhöhnung
Meiner Ehre dir gestattest,
Sag' ich jetzt, was zu verhehlen
Ich gedacht; obgleich es wahrlich
Wenig ziemt, Verdacht der Ehre
So ausführlich zu beschwatzen. –
In Italien war ich, Celia,
Als, mit unverständ'ger Wagnis,
Die Franzosen bei Valenza
Dort am Po . . . Allein, wie albern,
Daß mit dir ich ein Gespräch
Führen will von Krieg und Waffen!
In Italien nun empfing ich
Einen Brief von einem wackern
Freunde, der auf unsers Hauses
Ehr' und Ruf teilnehmend achtet.
Dieser schrieb, du seist im Frühling,
Da die milde Luft den ganzen
Hof pflegt in den Park zu locken,
In Verkleidung ausgegangen,
Und gefolgt sei Don Alonso.
Drauf, als du mit ihm im Parke
Angelangt (verwünschtes Schicksal!),
Greift mit bloßem Schwert ein andrer
Buhl' ihn an und tötet ihn.
Glück, daß man dich nicht erkannte!
Denn, falls dies geschah – wohl wäre
Dann dein Ruf (o harte Plage!)
Vor Gericht ohn' allen Zweifel
Auf das schrecklichste mißhandelt.
Dies' und andre Dinge, Celia,
Brachten schleunigst aus Italien
Mich zurück. Denn wozu hilft's,
Daß ich Ehr' und Ruhm erlange,
Wenn indes du sie verlierest?
Wozu hilft's, daß ich erhabne
Thaten thue, deren Glanz
Mir das größte Lob verschaffet,
Wenn indes du sie verdunkelst
Durch so ganz leichtsinn'ge Thaten?
Sagen wollt ich nicht mein Leid,
Ganz verschweigen meine Plagen.
Aber da du jetzt mich zwingst,
Von den Lippen sie zu jagen,
So bedenke, Celia, eines
Bleibt jetzt übrig zu erlangen;
Dies: was ich gefehlt durch Worte,
Zu verbessern durch mein Handeln.

Celia. Glaubtest du vielleicht, durch Drohung
Ein Geständnis zu erhaschen?
Felix, nein! Denn wo als falsch
Man den Vordersatz erkannte,
Läßt kein richt'ger Schluß sich ziehen.
Ich beim Morgenrot im Parke?
Ich von irgend wem begleitet?
Ich Veranlassung zum Schlagen?
Wer dies, wie du sagst, dir schrieb,
Log gar sehr; und ich . . .

Ines tritt auf.

Ines (zu Don Felix).                 Dein alter
Freund, Don Juan de Silva, ruft dich.

Don Felix (leise zu Celia). Celia, nichts von diesem allen
Sag' an Ines. Nicht bedarf's,
Daß von dem, was wir verhandeln,
Diener auch und Dienerinnen
Irgend eine Kund' erlangen.
Jetzt begib dich auf dein Zimmer;
Sprechen will ich hier im Saale
Mit Don Juan. (ab.)

Celia.                     O wehe!

Ines.                                     Nun,
Fräulein? Was habt Ihr so lange
Hier besprochen?

Celia.                           Ach! Don Felix,
Was hier vorging, weiß er alles.

Ines. Auch das vom Verschlage?

Celia.                                           Nein,
Dieses nur ist ihm entgangen.
Komm, sie sprechen wohl von mir;
Laß uns horchen, was sie sagen.

(Sie verbergen sich im Kabinett.)

Don Felix und Don Juan treten auf.

Don Juan. Seid, Don Felix, mir willkommen!

Don Felix. Seid willkommen mir, Don Juan!

Don Juan. Glücklich treff' ich hier Euch an.

Don Felix. Doch was macht Euch so beklommen?

Don Juan. Euch ist kund, wie lang ich schon
Für die schöne, mir verwandte
Tochter des Don Diego brannte,
Harrend der Dispensation,
Die, zum Lohn der Liebesqual,
Nach so manchem Unglückswetter,
Bald den Liebenden und Vetter
Macht zum glücklichen Gemahl.
Euch ist kund, ihr Bruder mußte
Fallen durch Don Cesars Degen,
Und zwar eines Weibes wegen,
Dessen Namen man nicht wußte.
Um zu lindern nun die Qualen,
Die sie seit dem Fall empfand,
Fuhr Lisarda heut aufs Land.
Ich, der ihrer Schönheit Strahlen
Immer muß zu folgen streben,
Ward zum Lusthaus hingeleitet,
Wohin jene fuhr, begleitet
Von dem Vater; doch als eben
Ich die Brück' herunter kam,
Kam die Kutsche mir entgegen;
Mir ist unbekannt, weswegen
Sie so schnell den Rückweg nahm.
Kaum war ich der Sonne nah,
Der ich ganz mein Leben weihte,
Als ich, deucht mir, in der Weite
Meines Vetters Mörder sah,
Der zur Stadt kam. Ihn gewahren
Wollt' ich; doch das Tageslicht
Mangelt', und ich konnt' es nicht.
Dennoch folgt' ich (denn erfahren,
Ob er's sei, wollt' ich durchaus)
Durch die Vorstadt seiner Bahn
Mit dem Diener, bis wir sahn,
Er begab sich in ein Haus.
Kommt nun mit, daß ich den Mann,
Ist er's oder nicht, entdecke;
Und daß er sich nicht verstecke,
Gehet Ihr ins Haus voran,
Weil er sich vor Euch nicht scheut.
Dieses thut mir zu Gefallen,
Weil ich Euch gesucht vor allen.
Denn die Ritterpflicht gebeut,
Einem Freunde beizustehen;
Und sollt' ich es auch nicht sein,
Jedem andern, der . . .

Don Felix.                           Nein, nein!
Sprecht nicht weiter, ich will gehen. –
(Beiseite.) Auch mich selbst betrifft die Sache;
Denn war dieses das Duell
Um die Schwester, schaff' ich schnell
Auch der eignen Ehre Rache. –
(Laut.) Will es doch die tolle Welt,
Daß man ohne Kunde, Frage
Ungesäumt sein Leben wage
Gegen jeden, dem's gefällt,
Uns zu fordern. Also macht
Nur ein Ende diesen Bitten;
Kommt, schon folg' ich Euern Schritten.

Don Juan. Wen'ger hab' ich nicht gedacht.
Kommt und seht, ob mir's gelingt,
Rein der Ehre Glanz zu machen.

Don Felix. O zu wie viel tollen Sachen
Das Gesetz der Ehr' uns zwingt! (Beide ab.)

Celia und Ines treten auf.

Celia. Ines! Gott, was mußt' ich hören!

Ines. Wozu hätte mir das Dienen
Wohl gedient, wenn nicht, um ihnen
Ihr Geheimnis abzuhören?

Celia. Beide gehn sie im Verein
(Hartes Schicksal! bittre Plagen!),
Um Don Cesar zu erschlagen.
Himmel, ach! wem fiel es ein –
Als ich Cesarn rufen wollte,
Damit er hier Wohnung nähme –
Daß mein Bruder früher käme,
Daß er selbst ihn suchen sollte,
Um Don Cesar zu erlegen
Und der eignen Rachbegier
Gnug zu thun? Denn klar ist hier,
Jener Mord war meinetwegen.

Ines. Nimm die Sache nicht zu scharf!
Halte nicht für schon geschehen,
Was, soll's wirklich vor sich gehen,
Vieler Dinge noch bedarf.
Erst muß wahr sein, daß er kam;
Dann, daß man sogleich ihn finde;
Dann, daß sie die Brust geschwinde
Ihm durchbohren. Wundersam . . .

Celia. Ach, mir bangt! denn unversöhnlich
Ist für mich des Schicksals Strenge.

(Geräusch hinter der Szene.)

Ines. Horch! Sind dieses nicht die Klänge,
Die Don Cesar sonst gewöhnlich
Hören ließ?

Celia.                   Ja.

Ines.                           Aufzugehen
Scheint uns beßrer Stern.

Celia.                                       Hinaus,
Ines! Laß ihn schnell ins Haus,
Während jene nach ihm spähen. (Ines geht.)

Celia. Sehn soll Cesar, welcher Art
Ihn mein Scharfsinn heut, als Retter,
Vor Lisardens Vater, Vetter
Und vor meinem Bruder wahrt!

Don Cesar, Mosquito und Ines treten auf.

Don Cesar. Bis ich dir mich nahte, schönste
Celia, wußt' ich gar nicht mehr,
Ob ich lebte; und deshalb,
Da dich meine Blicke sehn,
Reiche, Herrin, mir zum Kusse
Deine schönen Füße her!

Mosquito. Und mir, Ines, gib den schönen
Absatz deiner Schuhe, schnell!

Celia. Sei willkommen mir, Don Cesar,
Hier im Hause; kann ich jetzt
Gleich nicht so dich hier bewirten,
Wie ich's mir gedacht vorher,
Aus dem Grunde, weil mein Bruder
Angekommen ist.

Don Cesar.                 O weh!
Was erzählst du mir? Dein Bruder
In Madrid?

Celia.                 Am Tage selbst,
Da ich schrieb, du solltest kommen,
Hört' ich seine Wiederkehr;
Denn nicht hätt' ich dich gerufen,
Hätt' ich es gewußt vorher.

Don Cesar. War er nicht im Kriege?

Celia.                                                 Ja;
Und der Grund, daß er so schnell
Wieder kam, war dein Ereignis,
Das er hörte.

Don Cesar.           Also jetzt
Bin ich ja in deinem Hause
Mehr noch in Gefahr?

Celia.                                   Woher?

Don Cesar. Einen Augenblick zu weilen,
Geht unmöglich an.

Celia.                               Es geht!
Liebe, Klugheit und ein Weib
Können, Cesar, viel bestehn.
Einen Ort in diesem Hause
Hab' ich für dich ausersehn,
Wo du wenigstens ganz sicher
Sein wirst, wenn auch nicht bequem.

Don Cesar. Welcher Weis'?

Celia.                                     Auf diese Weise.
Dies geräum'ge Haus enthält
Zwei Quartiere, jenes untre
Und dies obre, wo ich selbst
Meine Wohnung hab'; in jenem
Wohnt anjetzt ein fremder Herr,
Der Geschäfte macht mit Rom.
Dieses mußt du wissen erst,
Wenn vielleicht der Hausherr Miete
Für das ganze Haus erhält.
Eine Treppe nun, verborgen
In des Hauses Innerm, setzt
In Verbindung beide Räume;
Doch gebraucht wird sie nicht mehr,
Weil zwei Mieter jetzt hier wohnen.
Von den beiden Seiten her
Ist die Treppe nun durch einen
Bretternen Verschlag gesperrt,
Und den Zwischenraum besetzt' ich
Mit viel altem Hausgerät
An dem Tag, da ich durch jenen
Brief dich in mein Haus bestellt
Und sodann die Nachricht hörte
Von des Bruders Wiederkehr.
Ich fand mich verwirrt, belagert
Von euch beiden, und nicht mehr
Wußt' ich, was ich mit euch mache;
Höre nun, was ich erwählt:
Schließen ließ ich die geheime
Treppe, fest, von oben her,
Und die Thür der Bretterwand
Ward vermacht. Es war nicht schwer,
Denn aus Rohr und Fäden haftet
Immer ja der Kalk sehr fest;
Auf die Art blieb in der Wand
Nicht die kleinste Spur zu sehn.
Dazu kommt: das nächste Zimmer
Dient mir als Putzkabinett;
Ferner ward die ganze Wand
Mit Tapeten wohl verhängt,
Um die Thür noch mehr zu decken.
Hier im Zimmer kannst du stets
Ruhig bleiben, wenn mein Bruder
Aus dem Hause sich entfernt;
Und ist er zu Haus, so bleibst du
Auf der Treppe.

Mosquito.                 Sankt Alex
Wirst du sein auf deiner Treppe!

Don Cesar. Welch ein Plan!

Celia.                                     Was schreckt dich denn?

Don Cesar. Tausend Schwierigkeiten, Celia.

Celia. Aber welche?

Don Cesar.               Uebergehn
Will ich viele Hindernisse;
Doch ist's möglich, sage selbst,
Daß dein Bruder nichts von jener
Treppe weiß?

Celia.                     Gewiß vielmehr;
Denn ich mietete die Wohnung
Erst, nachdem er sich entfernt,
Und so kommt's, daß er nicht jede
Heimlichkeit des Hauses kennt.

Don Cesar. Doch wie ließ er dir zu solcher
Vorkehr Zeit, da er hieher
Schon mit Argwohn kam?

Celia.                                       Ein Diener,
Der an ihm Verdruß gemerkt,
Gab mir Nachricht; als er ankam,
War dies alles schon geschehn.

Don Cesar. Celia, in der tiefsten Seele
Fühl' ich deiner Güte Wert.
Doch da eben jetzt dein Bruder
Angelangt, zu welchem Zweck
Wollen wir in so gewisse
Fährd' uns setzen? Laß mich gehn,
Glücklich, dich gesehn zu haben.
Lebe wohl!

Celia.                 Du darfst nicht gehn,
Cesar! Nein, du darfst dies Haus
Nicht verlassen, nimmermehr!
Denn gefährdet ist dein Leben.

Don Cesar. Auf was Art?

Celia.                                 So wisse denn:
In dem Gasthof, wo du wohnst,
Will man dich ermorden.

Don Cesar.                               Wer
Kann es wollen? Sprich!

Celia.                                       Don Felix;
Hier besprach er's, eben jetzt,
Mit Don Juan. (Man hört an die Hausthür klopfen.)

Celia.                     Was hör' ich? Klopft man?

Ines. Ja, und wirklich ist's mein Herr.

Celia (zu Don Cesar). Also kannst du nun nicht fort,
Mußt nun doch in den Versteck.

Ines. Diene jetzt denn der Verschlag,
Dient er uns auch nicht nachher.

Don Cesar. Nur um deines Rufes willen
Berg' ich mich; allein nachher,
Celia, wenn er schlafen ging,
Muß ich fortgehn.

Celia.                           Ines, schnell!
Während man die Hausthür öffnet,
Bringe beide zum Versteck
Und verschließe sie.

Mosquito.                         Auch ich
Werde nun mit eingesperrt?

Ines. Freilich, und nicht öffnen darfst du,
Eh das ganze Haus nicht schläft;
Und im untern Teil des Raumes
Bleibt ganz stille.

Don Cesar.                 Möge denn,
Wie das Schicksal will, mein Leben
Auf einmal zu Grunde gehn!

(Ines geht mit Don Cesar und Mosquito in das Kabinett, woselbst hinter der Tapete die heimliche Thür sich befindet, welche sie ihnen öffnet; sie selbst geht durch eine der Saalthüren ab.)

Don Felix und Don Juan treten auf.

Don Felix. Geht, Don Juan; ich bin zu Hause.

Don Juan. Ich trieb Euch hinaus vorher;
Euch allein hat man erkannt,
Und nicht mich. Nicht werd' ich gehn,
Eh Ihr völlig seid gesichert.

Celia (beiseite). Don Juan kommt mit ihm hieher;
O gewiß, sie suchen beide
Hier Don Cesar!

Don Felix.                 Sei es denn!
Holla!

Ein Diener tritt auf.

Der Diener. Herr?

Don Felix.               Die Möbeln alle,
Die in diesen Zimmern stehn,
Tragt hinunter zu dem fremden
Herrn aus Mailand. Ich indes
Will mit meiner Schwester reden.

Don Juan. Und ich will nach allem sehn.

(Don Juan und der Diener gehen ab.)

Celia (beiseite). Wollen sie das Haus umkehren?
Sicher, um nach ihm zu spähn.

Don Felix. Schwester!

Celia.                           Felix, sprich, was quält dich?

Don Felix. Ach, mich quält ein großer Schmerz!

Celia (beiseite). Ganz gewiß! sie haben Kunde,
Daß sich Cesar hier versteckt.

Don Felix. Zu mir kam Don Juan de Silva,
Der mich bat, mit ihm zu gehn,
Um ihm seinen Feind zu suchen –
(beiseite) Meinen wohl mit größerm Recht.
Als ich in den Gasthof kam,
Fragt' ich gleich des Hauses Herrn,
Wo ein Fremder sei, der heute,
Nach dem Dunkelwerden erst,
Zu ihm kam. Der Wirt versetzte,
Nur zwei Maultier' eingestellt
Hab' in seinen Stall der Fremde
Und sich gleich darauf entfernt.
Wir erwarteten ihn dort
Zwei, drei Stunden oder mehr;
Bis zuletzt ein Mann erschien,
Welcher, wie Don Juan gewähnt,
Eben der Gesuchte war,
Denn ich sah ihn nie vorher.
Beide griffen wir ihn an,
Und er wehrte sich nicht schlecht.
Doch bei dem Geklirr der Degen
Kam die Wach', um zu erspähn,
Wer es sei; und von Don Juan
Ward ein Häscher hingestreckt.
Kurz, wir widersetzten uns,
Bis ich dann vernahm, daß wer
Von den Leuten sprach: »Don Felix
De Acuña ist der Herr.«
Da man also mich erkannte,
Nahmen wir Reißaus gar schnell.
In Gefahr ist nun mein Leben,
Denn ein Totschlag ist geschehn,
Und mit Widersetzlichkeit.
Ich muß fort; allein nicht mehr,
Celia, bleibst du hier im Hause,
Daß nicht Briefe mir nachher
Solche Dinge von dir melden,
Die der Ehr' entgegenstehn.
Drum in meines Oheims Haus
Sollst du schleunigst mit mir gehn.
Seinem väterlichen Schutze
Uebergeb' ich dich nunmehr;
Denn ich will mich nicht entfernen,
Eh ich sicher dich gesehn.

Celia. Wie? Don Felix!

Don Felix.                     Nichts erwidert!

Celia. Aber sieh . . .

Don Felix.                 Es muß geschehn,
Und du hast nichts einzuwenden.

Ines tritt auf.

Ines (zu Celia). Denke nur, wie umgekehrt
Ist das ganze Haus auf einmal.
Was nur ist der Leute Zweck?

Einige Diener treten auf.

Erster Diener. Nimm dort jenen Schrank herunter.

Zweiter Diener. Nimm du die Tapeten weg.
Alle Betten sind im Hause
Auseinander schon gelegt,
Und es bleib' hier in den Wänden
Nicht ein einz'ger Nagel stehn.

(Sie tragen aus beiden Zimmern alle Möbeln fort und nehmen die Tapeten ab. Alle Wände bleiben weiß. Die heimliche Thür im Kabinett wird nicht bemerkt.)

Don Felix. Celia, komm; die Not erheischt es. –
Ines, du sollst mit ihr gehn.

Celia (beiseite). Wem mir, wem, o Himmel! konnte
Dies begegnen auf der Welt?

Ines (beiseite). Aber die dort auf der Treppe,
Ob man auch sie ausziehn läßt?

Don Juan tritt auf.

Don Juan. Niemand darf hier länger bleiben;
Geht und schließt die Thüren fest.

(Alle gehen ab. Ein Licht bleibt in einem Winkel stehn. Die Saalthüren werden von außen verschlossen.)

Don Cesar und Mosquito treten durch die heimliche Thür in das Kabinet.

Don Cesar. Mitternacht ist schon vorbei.

Mosquito. Weiß denn Ines gar nicht mehr,
Daß sie hier uns hat verborgen?

Don Cesar. Still ist alles rings umher;
Oeffne leise du die Thüre.
Schiebe dann den Vorhang weg;
Denn da die Tapete drinnen
Diese ganze Wand bedeckt,
Kann man uns nicht sehn. – Erfahren
Müssen wir den Grund des Lärms.

(Mosquito öffnet vorsichtig die Thür, welche aus dem Kabinett in den Saal führt, und greift nach der Tapete umher.)

Mosquito. Nun, wo ist denn die Tapete?

Don Cesar. Ruf nur Ines.

Mosquito.                         Ines, he!

Don Cesar. Sacht! Laß dich nicht sehn, noch hören.

Mosquito (tritt in den Saal).
Wer soll hören oder sehn?
Sind wir doch wie in der Wüste!
Ja, bei Gott! ich glaube fest,
Eingedrungen sind Panduren
In dies Haus.

Don Cesar.           Weswegen denn
Glaubst du das?

Mosquito.                 Es ist vollkommen
Ausgeplündert.

Don Cesar.               Aber, Geck,
Sage, warum glaubst du das?

Mosquito. Wahrlich, du bist es noch mehr,
Wenn du's nicht glaubst. Komm und sieh,
Ob hier etwas ist zu sehn;
Denn damit du's sehen könnest
Und nicht länger Zweifel hegst,
Ließ man, aus Unachtsamkeit,
Oder Gnad', ein Licht hier stehn.
Nicht ein Stuhl und nicht ein Tisch,
Nicht ein Schrank, nicht ein Gestell,
Nicht ein Koffer, nicht ein Schemel,
Nicht ein Vorhang, nicht ein Bett,
Nicht ein Strohsack, nicht ein Strick,
Celia nicht, noch Ines selbst
Blieb zurück.

Don Cesar (tritt in den Saal). Was kann das heißen?
Zwar ich hörte wohl den Lärm,
Doch das Klopfen nur; die Worte
Konnt' ich leider nicht verstehn.
Wunderliche Dinge müssen
Hier geschehn sein.

Mosquito.                       Mir ist's recht,
Denn wir wohnen nun geräum'ger;
Hätte Celia nur indes,
Oder Ines, für uns beide
Nur ein Brot zurückgelegt!

Don Cesar. Daß du jetzt noch scherzen magst!

Mosquito. Dies ist außer allem Scherz.

Don Cesar. Da wir sehen, was hier vorging,
Scheint das Nötigste für jetzt,
Daß wir gehen; denn ist Felix
Schon von meinem Fall belehrt,
Weiß er, daß ich Celias wegen
Don Alonso'n hab' erlegt,
Daß ich in Madrid bin – sicher
Hat er's darauf abgesehn,
Sich zu rächen.

Mosquito.                 Aber wie
Wollen wir hinausgehn? Fest
Sind die Thüren ja verschlossen.

Don Cesar. Durch die Fenster.

Mosquito.                                 Diese selbst
Sind ja überall vergittert.

Don Cesar. Durch ein Bodenloch; nur schnell,
Folge mir!

Mosquito.         Gott gebe nur,
Daß kein Halsbruch draus entsteht!

Don Cesar. Himmel, wer hat jemals noch
Einen solchen Fall erlebt?


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