Der standhafte Prinz
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Dritter Akt.

Saal im Palast.

Muley und der König treten auf.

Muley (für sich). Weil ich Don Fernando nicht
Vor des Königs vielen Wachen
Beistehn kann, sei mein Gewicht
Aufgewandt in seinen Sachen,
Wie es echten Freundes Pflicht. –
(Laut.) Da zu Land und Wasser dich,
Herr, mein Eifer hat bedienet,
Wenn bei solchem Kummer ich
Platz in deiner Huld verdienet,
Hör' mich aufmerksam.

König.                                   So sprich.

Muley. Don Fernando –

König.                             Sag' nichts mehr.

Muley. Wie? Du hörst mich nicht vorher?

König. Weil, wie du Fernando sagest,
Du mich zu beleid'gen wagest.

Muley. Wie?

König.           Indem du, dein Begehr
Zu erfüllen, mir benommen,
Da du mich für ihn genommen.

Muley. Bin ich als sein Wächter nicht,
Herr, dir schuldig den Bericht?

König. Sprich, doch wird es ihm nicht frommen.

Muley. Don Fernando, der das Toben
Des Geschicks in gleicher Stärke
Schon so lange muß erproben,
Zu des Unglücks Wunderwerke
In dem Mund der Welt erhoben;
Da er, Herr, die strenge Acht,
Besser sprach' ich wohl, die Macht
Deiner Krone auf sich lud,
So hat endlich nun sein Mut
In solch Elend ihn gebracht,
Daß an einem Ort er schmachtet,
Der so schnöd' ist und verachtet,
Daß dein Ohr es würd' erniedern,
Arm und krank, gelähmt an Gliedern,
Und nach milden Gaben trachtet.
Denn, da dein Befehl gemessen,
Daß er sollt' im Kerker schlafen,
Daß man ihn zur Arbeit pressen
Sollt' im Stall mit andern Sklaven
Und ihm niemand gab' zu essen:
Solcher Lebensart bequemt,
Die man schwachen Kräften bot,
Ward sein Körper ganz gelähmt
Und so durch die Macht der Not
Feu'r und Majestät gezähmt.
Wie auch an dem dumpfen Orte
Ihm die kalte Nacht verronnen,
Bleibt er standhaft treu dem Worte;
Und wenn rein das Licht der Sonnen
Aufgeht aus des Tages Pforte,
Dann auf dürft'ger Matte raffen
Ihn die Sklaven auf und schaffen
Ihn an einen Ort, es ist –
Sag' ich's nur! – ein Haufe Mist;
Denn so ekel ist beschaffen
Sein Geruch, daß niemand ihn
Kann bei seinem Hause leiden,
So daß alle vor ihm fliehn,
Ihn nicht hören, noch bescheiden
Und dem Mitleid sich entziehn.
Nur ein treuer Ritter blieb
Und ein Diener, ihm zulieb,
Die den aller Hilf' Entblößten
In so seltnen Nöten trösten;
Mit ihm teilen sie, vom Trieb
Gleicher Redlichkeit gedrungen,
Ihre Kost, die sie kaum nährt,
Die so schleunig wird verzehrt,
Daß die Kehle sie verschlungen,
Eh der Mund es noch erfährt.
Und auch diese zücht'gen noch
Deine Leute für die Pflichten,
Die sie treu dem Herrn entrichten;
Aber wie das strengste Joch
Grausam droht, sie zuzurichten,
Kann doch nichts sie von ihm scheiden;
Wenn der eine muß von beiden
Nahrung aufzusuchen gehn,
Bleibt der andre bei ihm stehn,
Ihn zu trösten in den Leiden.
Laß ein Ziel der Härte stecken,
Herr, und bei den grimm'gen Plagen,
Die den Prinzen niederstrecken,
Fühle Graun, wo nicht Beklagen,
Wo Erbarmen nicht, doch Schrecken.

König. Schon gut, Muley.

Phönix tritt auf.

Phönix.                             Herr, wofern
Meine Demut allzeit gern
Sich nach deinem Wink betragen,
Laß mich eine Bitte wagen
An die Gnade meines Herrn.

König. Was wohl würde dir versagt?

Phönix. Der Infant Fernando –

König.                                       Gut!
Du hast schon genug gesagt.

Phönix. Macht erstarren aller Blut,
Die ihn sehn so schwer geplagt.
Könnt' ich es von dir erwerben, –

König. Nein, halt inne, Phönix! halt!
Sucht er selbst nicht sein Verderben?
Thut Fernando'n wer Gewalt,
Daß er müßte schmählich sterben?
Wenn, weil grausam er und hart
Beim gegebnen Wort verharrt,
Er so harte Strafe duldet,
Wie hätt' ich an ihm verschuldet,
Was von ihm beschlossen ward?
Steht es nicht bei ihm, zu wenden
Dieses Elend und zu leben?
Steht es denn in seinen Händen,
Mag er Ceuta übergeben,
Und all seine Qual wird enden.

Selim tritt auf.

Selim. Herr, es warten zwei Gesandte
Auf Gehör: von Tarudante
Ist der eine von den zwein,
Portugals Alfonso sandte
Her den andern.

Phönix (für sich).       Welche Pein!
Sicher schickt, um mich zu werben,
Tarudante.

Muley (für sich). Himmel! sterben
Läßt mich Freundschaft, Eifersucht;
Meine Hoffnung ohne Frucht:
Alles muß ein Tag verderben.

König. Laß sie ein; wir wollen, Phönix,
Uns auf diese Polster setzen.

(Er und die Prinzessin setzen sich.)

Alfonso und Tarudante kommen von verschiedenen Seiten.

Tarudante. Hocherhabner Herr von Fez, –

Alfonso. Herr von Fez, so groß und mächtig, –

Tarudante. Dessen Name –

Alfonso.                               Des Gedeihen –

Tarudante. Niemals sterbe.

Alfonso.                               Allzeit lebe.

Tarudante. Und du, dieser Sonn' Aurora –

Alfonso. Aufgang dieses Occidentes –

Tarudante. Mögst zum Trotz den Jahren blühen.

Alfonso. Mögst zum Trotz den Zeiten herrschen.

Tarudante. Um zu haben –

Alfonso.                               Zu genießen –

Tarudante. Herrlichkeiten.

Alfonso.                               Lorbeerkränze.

Tarudante. Große Siege.

Alfonso.                             Hohe Glorien.

Tarudante. Wen'ge Uebel.

Alfonso.                               Viele Segen.

Tarudante. Wie? indes ich rede, Christ,
Kannst du wagen, hier zu reden?

Alfonso. Weil da, wo ich mich befinde,
Niemand anders eher redet.

Tarudante. Mir, weil ich Alarbe bin
Von Geschlecht, gebührt die erste
Stelle, denn wo Eingeborne
Sind, zieht man nicht vor die Fremden.

Alfonso. Wo man weiß von feiner Sitte,
Thut's man wohl, denn alle geben,
Wie wir sehn an allen Orten,
Stets dem Gast die beste Stelle.

Tarudante. Wäre dieser Grund auch gültig,
Könnt' er mich nicht widerlegen;
Denn dem Gast allein gebührt,
Keinem sonst, die erste Stelle.

König. Nun genug! und mögen beide
Sich auf meinen Polstern setzen.
Rede denn der Portugiese,
Als Bekenner fremder Lehre
Mehr geehrt.

Tarudante.           Ich bin ergrimmt.

Alfonso. Wohl denn, kurz sei meine Rede.
Don Alfonso, Portugals
Großer König, der mit ehrnen
Zungen, trotz dem Neid und Tode,
Von dem Ruhme sei verherrlicht,
Sendet Gruß dir und ersucht dich,
Da Fernando, wenn sein Leben
Ceutas Feste sollte kosten,
Seine Freiheit nicht begehret,
Daß du jetzo seinen Preis
Wollst auf solche Summen schätzen,
Wie sie nur der Geiz verlangen,
Nur die Großmut kann verschmähen.
Und daß er in Gold und Silber
So viel geben will an Werte
Als zwei Städte; dieses bittet
Er auf freundschaftlichem Wege:
Doch, wenn du ihn nicht auslieferst,
Ihn auf freien Fuß zu stellen
Mit den Waffen dann, gelobt er.
Zu dem Ende baut er Städte
Auf des Meeres leichten Schultern
Schon von tausend streitbarn Segeln.
Und er schwört, mit Schwert und Feuer
Ihm die Freiheit zu erkämpfen,
Die Gefilde dieses Landes
Dergestalt mit Blut beschwemmend,
Daß die aufgegangne Sonne
Finde deren grünen Teppich
Als Smaragden, als Rubinen
Ihn verlass' im Untergehen.

Tarudante. Kommt es mir als Abgesandten
Schon nicht zu, Bescheid zu geben,
Insofern es meinem König
Zukommt, darf ich, Christ, wohl reden.
Dieser Schimpf ward ja der seine
Schon, da er als Sohn ergeben
Meinem Herrn hier ist; und so
Kannst du seinethalben melden
Don Alfonso'n: daß er komme,
Damit er in schnellerm Wechsel
Als von nachts bis zur Aurora
Seh' in heißen Purpurwellen
Tödlich ringen dies Gefilde,
Also, daß der Himmel denke,
Niemals hab' er andre Blumen
Hier erschaffen, als nur Nelken.

Alfonso. Wärst du meinesgleichen, Mohr,
Könnt' es sein, daß dieser Kämpfe
Ausgang man von zweien tapfern
Jünglingen entschieden sähe.
Doch heiß deinen König kommen,
Wenn er Ruhm wünscht zu erwerben,
Daß der meine kommt, verbürg' ich.

Tarudante. Sprichst du doch, als ob du's wärest;
Und ist das, wird Tarudante
Wissen Antwort auch zu geben.

Alfonso. Wohl, im Felde wart' ich deiner.

Tarudante. Warten lassen werd' ich wenig,
Denn ich bin ein Blitz.

Alfonso.                               Ich Sturm.

Tarudante. Ich Vulkan, der Flammen sendet.

Alfonso. Hydra ich, die Flammen sprühet.

Tarudante. Ich bin Wut.

Alfonso.                           Ich bin Verderben.

Tarudante. Schreckt es dich nicht, mich zu hören?

Alfonso. Tötet's dich nicht, mich zu sehen?

König. Herren, woll' eur beider Hoheit –
Obwohl Heftigkeit des Aergers
Wegziehn kann der Sonne Vorhang,
Welcher sie verlarvt und dämpfet –
Einsehn, daß in meinem Lande
Niemand Feld gibt zu Gefechten
Außer mir, und ich verweigr' es,
Daß mir Muße bleib', euch besser
Zu bedienen.

Alfonso.               Nicht empfang' ich
Da Bewirtungen und Ehren,
Wo man mir Beschwerden gibet.
Ich kam bloß Fernandos wegen,
So verkleidet trieb nach Fez
Mich der Eifer, ihn zu sehen.
Eh ich deiner Hauptstadt nahte,
Hört' ich, daß du dich befändest
Hier auf diesem heitern Lustschloß,
Und so kam ich, dich zu sprechen,
Zur Beschleunigung der Hoffnung,
Die mich herzog; da so schlecht es
Mir gelingt, so hält die Antwort
Bloß mich auf: dies, Herr, erwäge.

König. Wohl! die Antwort, Don Alfonso,
Will ich kurz und bündig geben:
Wenn du Ceuta nicht zurückgibst,
Fürchte nicht, ihn mitzunehmen.

Alfonso. Da ich seinetwegen kam
Und ihn retten muß, erklär' ich
Dir den Krieg, sieh dich zu rüsten.
Treffen woll'n wir uns im Felde,
Wer du sein magst, Abgesandter!
Afrika soll heute beben. (ab.)

Tarudante. Weil mich nicht hat fördern können,
Schöne Phönix, das Bestreben,
Euch als Sklav zu dienen, dieses,
Mich zu Füßen Euch zu sehen,
Mög' es mindstens: reicht die Hand
Dem, der darbringt eine Seele.

Phönix. Woll' Eur Hoheit, hoher Herr,
Die Bewerbungen und Ehren,
Weil sie weiß, was sie sich schuldig,
Da, wo man sie schätzt, nicht mehren.

Muley (beiseite). Was erwartet, wer dies siehet,
Ohne sich den Tod zu geben?

König. Da Eur Hoheit hergekommen
Selbst nach Fez so unversehens,
So verzeihe sie die Kargheit
Der Bewirtung.

Tarudante.               Die Geschäfte
Lassen mich nur kurze Frist
Die Abwesenheit verlängern,
Und weil doch mein Abgesandter
Mit der Vollmacht war gesendet,
Meine Braut hier abzuholen
In Gemäßheit des Versprechens,
Werde, weil ich selbst gekommen,
Nicht mein Eifer im Bewerben
Unwert nahen Glücks geachtet.

König. Herr, du siegst in all und jedem:
Und so, um dir's zu erwidern,
Wie auch, weil zu solchen Kämpfen
Wir uns rüsten, ist es billig,
Daß du überhoben werdest
Dieser Sorgen; und so mußt
Du zurück dann schleunig kehren,
Eh der Paß wird abgeschnitten
Von den angedrohten Heeren
Portugals.

Tarudante.       Mich soll's nicht kümmern,
Denn mit Mannschaft wohl versehen
Komm' ich und zahlreichen Scharen,
So daß eher diese Felder
Städt' als Wüsteneien scheinen,
Und, um dein Soldat zu werden,
Kehr' ich bald zurück mit ihnen.

König. Schnell die Reise zu bestellen,
Rat' ich also; nur nach Fez
Mußt du, Phönix, erst dich wenden,
Meine Hauptstadt zu erfreun.
Muley!

Muley.         Hoher Herr?

König.                               Sei fertig,
Daß du mit dem Kriegesvolke
Könnst in Phönix' Diensten gehen,
Bis sie vor Gefahr geborgen
Und du beim Gemahl sie lässest. (ab.)

Muley (beiseite). Dies nur fehlte mir nach allem,
Damit, während ich abwesend
Sein muß, auch mein Beistand mangle
Dem Fernando und ihm ferner
Nicht die kleinste Hoffnung bleibe. (Alle ab.)

 


 
Straße in Fez.

Don Juan, Brito und andre Christensklaven bringen den Fernando und setzen ihn auf eine Matte.

Fernando. Legt mich an die Stelle hier,
Wo ich besser mich kann laben
An des Himmels lichter Zier.
O du süßer Herr der Gaben,
Wie viel danken muß ich dir!
Als mit mir in gleicher Plage
Hiob lag, flucht' er dem Tage;
Doch er that's, weil er verloren
In der Sünde war geboren,
Da ich Lob dem Tage sage,
Weil uns Gott an ihm verleihn
Will der Gnaden Ueberfluß.
Jeder schöne Morgenschein,
Jeder Strahl der Sonne muß
Eine Feuerzunge sein,
Die ihn lobzupreisen diene.

Brito. Liegt Ihr, Herr, so jetzo recht?

Fernando. Besser, Freund, als ich verdiene.
O, wie dankt dir, Herr, dein Knecht
Alles ihm so mild Verliehne!
Da sie aus dem Kerker hier
Kaum mich holen, gibst du mir
Eine Sonn', um zu erwarmen:
Herr, wie bist du voll Erbarmen!

Erster Christensklav. Gott weiß, gerne blieben wir,
Ein'gen Trost Euch zu erteilen,
Doch die Arbeit heißt uns eilen.

Fernando. Kinder, geht mit Gott!

Zweiter Christensklav.               Welch Leiden!

Dritter Christensklav. Welcher bittre Schmerz! (Sie gehen ab.)

Fernando.                                                             Ihr beiden
Wollet doch bei mir verweilen?

Brito. Zum Begleiter hast du mich.

Don Juan. Dich verlassen muß auch ich.

Fernando. Was beginn' ich, fehlst du mir?

Don Juan. Herr, ich bin gleich wieder hier,
Was zu essen bloß für dich
Will ich suchen auszuspähn.
Denn seit Muley mußte gehn
Weg von Fez, fehlt uns auf Erden
Aller Trost in den Beschwerden:
Trotz dem allen, muß ich sehn
Dir's zu schaffen. Ich will zwar
Mit Unmöglichkeiten ringen:
Jedermann scheut die Gefahr,
Den Befehl nicht zu vollbringen,
Welcher Wasser dir sogar
Weigern heißt; sie wollen mir
Nichts verkaufen, weil sie sehn,
Daß ich Beistand leiste dir:
So weit muß die Härte gehn
Des Geschicks, doch kommen hier
Eben Leute.

Fernando.           Könnt' ich doch
Rührend meine Stimm' erheben,
Daß mir jemand möchte geben,
Um in Leiden länger noch
Einen Augenblick zu leben! (Don Juan ab.)

Der König, Tarudante, Phönix und Selim kommen mit Gefolge.

Selim. Herr, in dieser Straße hier
Kannst du es nicht mehr umgehen,
Daß dich der Infant muß sehen.

König (zu Tarudante). Dich begleitend, wollt' ich dir
Meine Größe lassen sehen.

Tarudante. Stets verleihst du Ehre mir.

Fernando. Schenkt doch eine kleine Gabe
Und bedenkt den kranken Armen.
Seht, ich bin ein Mensch und habe
Nichts, das meinen Hunger labe;
Habt doch Mitleid und Erbarmen,
Menschen! es erbarmt ja sich
Wohl ein Tier am andern Tier.

Brito. Betteln lehren will ich dich,
Das ist nicht die Weise hier.

Fernando. Wie muß ich denn sagen?

Brito.                                                 Sprich:
Mohren, laßt euch doch erflehen,
Einem Armen beizustehen,
Daß er kann den Hunger stillen,
Um des heil'gen großen Zehen
Des Propheten Mahom willen.

König. Noch in so elendem Stande
Treu dem Worte sich beweist er,
Mir zum Spotte, mir zur Schande.
He, Infant! he, Ordensmeister!

Brito. Hör', der König ruft, dich heißt er
Kommen.

Fernando.       Mich? Nein, Brito! kein
Ordensmeister, noch Infant
Bin ich, dessen Leich' allein;
Und zur Erde schon gebannt,
Ist der Name nicht mehr mein.

König. Bist du keins von beiden noch,
Mag Fernando Antwort geben.

Fernando. Jetzt, muß ich mich schon erheben
Von der Erde, will ich doch
Hin zu deinen Füßen streben.

König. Standhaft stets mir zum Verdruß
Bleibst du: dein Gehorchen hier,
Ist es Demut? ist's Entschluß?

Fernando. Wie der Sklav verehren muß
Seinen Herrn, soll's zeigen dir.
Und da ich dein Sklave bin,
Vor dein Antlitz hergerufen
Diesmal, muß ich zu dir reden:
Herr und König, hör' mich ruhig.
König nannt' ich dich: obwohl du
Es in fremder Lehre wurdest,
So erhaben ist der Kön'ge
Göttlichkeit, so ungezwungen,
Daß sie milden Sinn erzeuget;
Darum mit dem edlen Blute
Muß bei dir die Mild' und Weisheit
Auch notwendig stehn im Bunde.
Selbst beim Vieh und wilden Tieren
Steht auf solcher würd'gen Stufe
Dieser Name, daß das Recht
Der Natur ihm heißet huld'gen
Mit Gehorsam: wie wir lesen,
Daß der Löw', in ungebundnen
Staaten des Gewildes König,
Der, wann er die Stirne runzelt,
Sie mit straub'gem Haarwuchs krönet,
Milde sei und nie verschlungen
Hab' als Raub den Unterwürf'gen.
In dem salz'gen Schaum der Fluten
Malen dem Delphin, der König
Unter Fischen ist, die Schuppen,
Die er silbern trägt und golden,
Auf die dunkelblauen Schultern
Kronen, und man sah wohl schon
Aus der wüsten Wut des Sturmes
Ihn ans Land die Menschen retten,
Daß sie nicht im Meer versunken.
Dann der hochgewalt'ge Adler,
Dem die Federn sich zum Busche
In des Windes Sphären kräuseln,
Aller Vögel, die mit Gruße
Sich der Sonne freun, Monarch,
Mild und edel, will nicht dulden,
Daß der Mensch, zum Trunk geladen,
Unter reinem Silber schlurfe
Seinen Tod, so den Kristallen
Einer Natter gift'ge Zunge
Beigemischt, und rührt mit Schnabel
Sie und Fitt'chen trüb' und dunkel.
Unter Pflanzen selbst und Steinen
Sehn wir abgedruckt die Spuren
Solcher Herrschaft: die Granate,
Die, zur Königin berufen
Unter Früchten, sich zur Krone
Ihrer Schale Spitzen rundet,
Läßt, vergiftet, die Rubinen
Welken, die an ihr gefunkelt,
Und verwandelt in Topasen
Ihre Farbe, matt verdumpfet.
Der Demant, vor dessen Antlitz
Der Magnet selbst seines Zuges
Sich entäußert, um gehorsam
Ihm als König so zu huld'gen,
Ist so edel, daß er nicht
Seines Herrn Verrat kann dulden,
Und die Härt', an der vergeblich
Sich gespitzte Griffel stumpfen,
Muß dann in sich selbst zerfallen,
Aufgelöst in feines Pulver.
Ist nun unter Tieren, Fischen,
Vögeln, Pflanzen, Steinen kundig
Solche Königs-Majestät
Des Erbarmens: billig muß es
Auch bei Menschen gelten, Herr;
Nicht die fremde Lehr' entschuldigt
Dich dabei, in jeder Lehre
Ist die Grausamkeit verrufen.
Keineswegs will ich dich rühren
Mit dem Jammer meines Druckes,
Daß du mir das Leben gebest,
Welches nicht die Stimme suchet.
Denn ich weiß wohl, ich muß sterben
An der Krankheit, die, verdunkelnd
Meine Sinne, durch die Glieder
Matt und frostig mir gedrungen;
Ich weiß wohl, daß ich zum Tode
Wund bin, weil kein Wort die Zunge
Vorbringt, dessen Atem nicht
Wär' ein scharfer Dolch dem Busen;
Endlich, daß ich sterblich bin
Und daß sicher keine Stunde:
Weshalb auch bei gleichem Stoffe
Gleiche Formen und Figuren
So dem Sarge wie der Wiege
Die Vernunft zu geben wußte.
Als natürliche Gebärde
Pflegt der Mensch, der etwas suchet
Zu empfangen, seine Hände
Zu erheben, so verbunden;
Will er's wieder von sich werfen,
Dann auf gleiche Weise thut er,
Denn der Last sie zu entled'gen,
Wendet er sie bloß nach unten.
So die Welt bei der Geburt,
Zum Beweis, daß sie uns suche,
Will uns in der Wieg' empfangen
Und thut sie zu unserm Schutze
Auf, gewandt nach oben; aber
Wenn mit Grimm sie oder Trutze
Weg von sich uns werfen will,
Wendet sie bloß die verbundnen
Händ', und eben jenes Werkzeug
Tauscht die Form zu dem Behufe:
Denn, was Wiege war nach oben,
Wird zum Sarg, gewandt nach unten.
Unserm Tod so nah demnach
Leben wir, so eng verbunden
Haben wir, wenn wir geboren,
Wie die Wiege, so die Grube.
Was erwartet, wer dies höret?
Wer dies weiß, was kann er suchen?
Nicht das Leben wird es sein,
Das ist klar aus gutem Grunde;
Wohl der Tod, um diesen bitt' ich,
Daß der Himmel meinem Wunsche
So willfahren mag, zu sterben
Für den Glauben; und vermutest
Du vielleicht, dies sei Verzweiflung,
Weil ich lebe mir zur Buße:
So ist's doch nur Trieb, mein Leben
In des Glaubens rechtem Schutze
Hinzugeben, Gott zum Opfer
Bietend Leib und Seel' im Bunde.
Und so, bitt' ich schon den Tod,
Muß mich jener Trieb entschuld'gen,
Und wenn nicht bei dir die Milde
Siegen kann, die Härte suche
Dich zu nöt'gen. Bist du Löwe?
Wohl, so brüll' in grimm'gem Mute
Und zerstücke den, der dich
Höhnt, beleidigt und dir trutzet.
Bist du Adler? Laß den Schnabel
Und die Klauen den verwunden,
Der dein Nest wagt zu zerstören.
Bist du Delphin? So gib Kunde,
Daß Orkane nahn, dem Schiffer,
Der das Meer der Welt durchfurchet.
Bist du königlicher Baum?
Zeig' der Heftigkeit des Sturmes,
Der Gerichte Gottes übet,
Alle Zweig' entblößt vom Schmucke.
Bist du Diamant? So werde
Gift'ge Wut, zerstiebt in Pulver,
Und erschöpfe dich; denn ich,
Ob ich noch mehr Qualen dulde,
Ob ich noch mehr Härte sehe,
Ob ich noch mehr klag' im Drucke,
Ob ich noch mehr Not erlebe,
Ob ich fühle noch mehr Bußen,
Ob ich noch mehr Hunger leide,
Ob den Leib schon diese Lumpen
Nicht bedecken und ich Wohnung
Hier nur find' im alten Wuste:
Doch im Glauben fest verharr' ich,
Weil er Sonn' ist, die mir funkelt,
Weil er Licht ist, das mich leitet,
Lorbeer, der mir dient zum Ruhme.
Nicht die Kirche sollst du, mich
Magst du führen im Triumphe:
Gott wird meine Sache schützen,
Da ich seiner stritt zum Schutze.

König. Ist's möglich? in solchen Plagen
Kannst du prahlen und dich trösten,
Die doch dein? Kannst mich verklagen,
Dem sie, fremd, kein Leid einflößten,
Da du nicht nach dir willst fragen?
Weil gebracht ums Leben dich
Deine eigne Hand, nicht ich,
Hoff' Erbarmen nicht von mir:
Habe Mitleid du mit dir,
Dann, Fernando, rührst du mich. (ab.)

Fernando. Eure Majestät denn stehe,
Herr, mir bei!

Tarudante.           Welch kläglich Wehe! (ab.)

Fernando. Wenn die Göttlichkeit der Milde
Seel' ist in der Schönheit Bilde,
Zeigt es, Herrin! sie erflehe
Mir den König.

Phönix.                     Grause Not!

Fernando. Seht Ihr mich nicht an?

Phönix.                                           O Tod!

Fernando. Ihr thut wohl, denn Eure Augen
Dürfen Ungemach nicht saugen.

Phönix. Welch Entsetzen, das mir droht!

Fernando. Wenn Ihr gleich Euch von mir kehrt
Und hinweg zu eilen trachtet,
Dennoch, Herrin, seid belehrt:
Ob Ihr noch so schön Euch achtet,
Ihr seid mehr als ich nicht wert
Und vielleicht ich mehr als Ihr.

Phönix. Graun erregt ein Laut von dir,
Und dein Atem schlägt mir Wunden.
Laß mich, Mensch! was willst du mir?
Alles Weh hab' ich empfunden. (ab.)

Don Juan kommt mit einem Brot.

Don Juan. Dir zu bringen dieses Brot,
Da die Mohren nach mir setzten
Und mit Schlägen mich verletzten,
Kaum entkam ich, hart bedroht.

Fernando. Adams Erbteil ist die Not.

Don Juan. Nimm!

Fernando.             Ich kann's nicht mehr empfahn,
Treuer Freund, denn schon heran
Naht mein Tod.

Don Juan.                 In so viel Schmerzen
Leih' der Himmel Trost dem Herzen!

Fernando. Doch wann muß der Tod nicht nahn,
Da wir Menschen sterblich sind?
So muß in den ird'schen Schranken
Jeder an sich selbst erkranken,
Bis er seinen Tod gewinnt.
Mensch, nicht sorglos sei und blind,
Denk' daran in dieser Frist,
Daß ein ew'ges Leben ist;
Warte nicht, daß kund dir's thu'
Andre Krankheit noch, da du
Deine größte Krankheit bist.
Immer gehn des Menschen Tritte
Auf der harten Erd' umher,
Und nicht einen wandelt er,
Daß er nicht sein Grab beschritte.
Hart Gesetz und strenge Sitte
Führt ihn auf des Lebens Bahnen;
Jeder Schritt (furchtbares Mahnen!)
Ist zum Vorwärtsgehn, wo dann
Gott selbst nicht mehr machen kann
Diesen Schritt zum ungethanen.
Aber, Freund', es naht mein Scheiden:
Tragt mich fort in euren Armen.

Don Juan. Weil ich lebe, dich umarmen
Sollen sie.

Fernando.         Nach dem Verscheiden,
Bitt' ich, wollet mich entkleiden,
Edler Don Juan; versteckt
Irgendwo im Kerker steckt,
Wenn Ihr sucht, mein Ordenskleid,
Das ich trug so lange Zeit,
Darin senkt mich unbedeckt
Ein, wofern mich noch empfangen
Läßt ein Grab der grimmig wilde
König, nun geneigt zur Milde,
Und bezeichnet's; mein Verlangen
Hofft, sterb' ich schon hier gefangen:
Losgekauft genieß' ich dort
Einst noch des Altares Hort;
Denn da ich, mein Gott, im Leben
So viel Kirchen dir gegeben,
Gibt wohl eine mir dein Wort.

(Sie führen ihn in ihren Armen ab.)

 


 
Seeküste.

Don Alfonso und Soldaten mit Musketen treten auf.

Alfonso. Laßt nun das unbeständ'ge
Blauliche Feld verwahren dies unbänd'ge
Schiffsbollwerk, welches zu des Himmels Grausen
Das Meer läßt auf beschneiten Schultern hausen;
Und hier an den Gestaden
Laßt sich des Meeres schwangre Berg' entladen
Der Mannschaft, daß sich voller Feuerschlünde
Jedweder Kiel als griech'scher Bau verkünde.

Don Enrique tritt auf.

Enrique. Herr, du hast nicht gewollt, daß an dem Strande
Von Fez zuvörderst unsre Mannschaft lande,
Und wähltest diesen Posten,
Um auszuschiffen: viel wird es dich kosten;
Denn schon von einer Seite
Rückt der zahlreiche Mars heran zum Streite,
Des Heer die Winde stolzer will beflügeln
Und die Gebirge schwellt mit neuen Hügeln.
Es führt solch groß Geschwader Tarudante,
Von Fez sein Weib, die glückliche Infante,
Heim nach Marokko bringend:
Doch Echos Zunge ruf' es, lauter ringend.

Alfonso. Enrique, dazu kam ich,
Ihn zu erwarten hier am Paß; auch nahm ich
Dies nicht aus Zufall vor, es ist geschehen
Mit Absicht, und der Grund läßt sich verstehen.
Wär' ich nach Fez zur Ausschiffung gegangen,
So hätte beider Volk mich dort empfangen –
Da sie geteilt sich finden,
Kann ich mit mindrer Macht sie überwinden;
Und, eh sie noch sich rüsten,
Schlagt Waffenlärm.

Enrique.                           Bedenke, Herr, und merke!
Zur Unzeit ist der Krieg.

Alfonso.                                 Des Zornes Stärke
Will keinen Rat mehr hören,
Kein Augenblick darf diese Rache stören:
Mag denn, von mir erhoben,
Durch Afrika des Todes Geißel toben.

Enrique. Sieh, wie die Nacht, erfüllet
Mit reinen Schatten, tiefer schon verhüllet
In Finsternis des Sonnenwagens Funkeln.

Alfonso. So fechten wir im Dunkeln,
Denn diesen mut'gen Glauben,
Der mich beseelt, kann Zeit und Macht nicht rauben.
Wenn bei dem Märtertum, das du erlittest,
Fernando, du für Gottes Sache strittest,
So muß der Sieg gelingen,
Mir wird er Ruhm, mir wird er Ehre bringen.

Enrique. Dein kühner Stolz will hin zum Wahn dich raffen.

Fernando (hinter der Szene).
Zum Angriff, Held Alfonso! Waffen! Waffen! (Zinken.)

Alfonso. Hörst du verworrne Stimmen,
Die rasch und traurig mit den Winden schwimmen?

Enrique. Ich hör', und unter diesen
Scholl's wie Trompeten, die zum Angriff bliesen.

Alfonso. Wohlauf, Enrique! mutig denn gestürmet!
Uns schirmt gewiß der Himmel.

Fernando (hinter der Szene).               Ja, er schirmet.

(Er tritt auf, im Ordensmantel, mit einer Fackel.)

Den Himmel hat verpachtet
Dein Glaub' und Eifer, fromm auf ihn gerichtet.
Er will die Sache führen
Und mich aus meiner Sklaverei entführen:
Denn mir (seltnes Exempel!)
Gibt Gott für so viel Tempel einen Tempel.
Mit dieser Fackel Bränden,
Am Orient entglommen, in den Händen,
Will ich stets leuchtend schreiten
Vor deinem stolzen Heer und so dich leiten,
Daß du heut nach Verlangen,
Großer Alfonso, mögst Trophä'n erlangen.
Gen Fez! Du sollst mich jetzo dort nicht krönen,
Mein Untergehn in Morgenrot verschönen. (ab.)

Enrique. Alfonso, noch bezweifl' ich, was ich sehe.

Alfonso. Ich nicht, ich glaub' und gehe,
Und ist es Gottes Glorie,
So ruf nicht Waffen mehr, nein, ruf Viktorie! (Alle ab.)

 


 
Vor den Mauern von Fez.

Der König und Selim treten auf, oben auf der Mauer stehen Don Juan und ein Christensklav neben einem Sarge mit der Leiche des Infanten.

Don Juan. Freu dich nun, Barbar! das beste
Leben raubtest du tyrannisch.

König. Sprich, wer bist du?

Don Juan.                             Ich? ein Mensch,
Der, ob sie mich schon erschlagen,
Von Fernando nie wird weichen;
Und, ob ich vor Jammer rase,
Will ich doch, ein treuer Hund,
Ihn begleiten bis zum Grabe.

König. Christen, seht ein Denkmal hier,
Das den kommenden Zeitaltern
Die Gerechtigkeit verkünde,
Die ich übe; denn für Thaten
Wider königliche Häupter
Heißt nicht Grausamkeit die Rache.
Komm' Alfonso jetzt, er komme
Trotzig aus den Sklavenbanden
Ihn zu lösen! Sind mir schon
Große Hoffnungen entgangen,
Daß Ceuta das mein'ge würde:
Damit sie dem Trotz'gen fallen
Aus des Freiheit, so erfreut's mich
Ihn zu sehn in engen Schranken.
Auch im Tode nicht entgeh' er
Meines Grimms denkwürd'gen Strafen,
Und so soll er dastehn, jedem,
Der vorübergeht, zur Schande.

Don Juan. Bald wird deine Strafe kommen,
Denn auf Feldern und Gestaden
Kann ich schon erspähn von hier
Meine christlichen Standarten.

König. Laß uns auf die Mauer steigen,
Was er meldet, zu erfahren.

(Der König und Selim ab.)

Don Juan. Die Panier' am Boden schleifend
Und gedämpft die Trommeln schlagend,
Lunten ausgelöscht und Lichter:
Das sind traur'ge Zeichen alle.

Gedämpfte Trommeln. Don Fernando kommt voran mit einer brennenden Fackel, hinter ihm Don Alfonso, Don Enrique und ihre Truppen, welche Tarudante, Phönix und Muley gefangen führen.

Fernando. In der Nacht geheimem Grauen
Führt' ich dich auf unbekannten
Pfaden her, da an der Sonne
Graue Wolken schon verdampfen.
Siegreich bist du, Held Alfonso,
Mit mir her nach Fez gewandelt:
Dieses ist die Mau'r von Fez,
Hier um meine Lösung handle. (ab.)

Alfonso. He dort oben! Sagt dem König,
Daß ich ihn zu sehn verlange.

Der König und Selim erscheinen auf der Mauer.

König. Was begehrst du, tapfrer Jüngling?

Alfonso. Daß du losgebst den Infanten
Ordensmeister Don Fernando,
Und ich gebe Tarudante
Dir zum Lösegeld und Phönix,
Welche vor dir stehn gefangen.
Wähle nun: es sterbe Phönix,
Oder gib ihn mir zu handen.

König. Was nur soll ich thun, Freund Selim,
In Verwirrung so befangen?
Der Infant starb, meine Tochter
Ist in seinen Händen: falsche
Unbeständigkeit des Glückes,
Das mich stürzt in diese Lage.

Phönix. Herr, was ist dies? Da du stehest
Dies mein Haupt in solchem Drange,
In Gefahren so mein Leben,
Meine Ehr' in solchem Kampfe,
Zweifelst du noch um die Antwort?
Kann zu zögern dir gestatten
Nur Minuten, Augenblicke
Die Begier, mich frei zu machen?
Steht in deiner Hand mein Leben:
Und du duldest (harte Plage!),
Daß die mein'ge (bittrer Schmerz!)
Fesseln ungerechte Bande?
Hängt mein Leben an dem Laute
Deiner Stimme (strenge Marter!):
Und du leidest, daß die mein'ge
Stürmisch in die Lüfte walle?
Meine Brust vor deinen Augen
Siehst du bloß dem krummen Stahle:
Und du duldest, daß die mein'gen
Heiße Thränen fließen lassen?
Als ein König warst du Raubtier,
Als ein Vater wurdst du Natter,
Als ein Richter bist du Henker:
Nicht mehr König, Richter, Vater.

König. Phönix, meine Antwort zögert
Darum nicht, daß sie versage
Dir das Leben, da der Himmel
Läßt des mein'gen Ende nahen.
Und da jetzo unvermeidlich
Eins muß enden wie das andre:
Wiß, Alfonso, um die Stunde
Grad', als Phönix gestern abend
Auszog, ging zusammen unter
– In zwei Meeren sich begrabend,
Hier des Todes, da des Schaumes –
Mit der Sonne der Infante.
Diese schmalen Bretter dienen,
Seinen Leichnam einzufassen.
Gib den Tod der schönen Phönix,
Nimm mein Blut für deins zur Rache.

Phönix. Weh mir! alle meine Hoffnung
Muß unwiederbringlich fallen.

König. Jetzo bleibt mir nichts, mein Leben
Augenblicke zu erhalten.

Enrique. Helf' mir Gott! was muß ich hören?
Allzuspät, o Himmel, nahte,
Allzuspät ihm seine Freiheit!

Alfonso. Sag' das nicht, denn wenn mir sagten
Dunkle Reden des Fernando,
Lösen sollt' ich seine Bande,
Sagt' er es für seinen Leichnam,
Auf daß dieser möge haben
Einen Tempel für so viele;
Und um ihn sei unterhandelt.
Herr von Fez, daß du nicht denkest,
Daß Fernando, tot, zu achten
Minder sei als diese Schönheit,
Für ihn, wie er liegt im Sarge,
Tausch' ich dir sie: sende denn
Mir den Schnee für die Kristallen,
Für den Mai den Januar,
Rosen für die Diamanten,
Endlich einen leid'gen Toten
Für ein Bild, das göttlich pranget.

König. Wie? was sagst du, Held Alfonso?

Alfonso. Daß du ihn herunter lassest.

Phönix. Preis bin ich für einen Toten,
Nach des Himmels Wink geschah es.

König. An der Mauer laßt den Sarg
Nieder, gebt ihn ihm zu handen,
Und ich will zu seinen Füßen
Selber hin zur Uebergabe. (ab.)

(Der Sarg wird an Stricken längs der Mauer heruntergelassen.)

Alfonso. Heil'ger Prinz und Märtyrer,
Laß dich meine Arm' empfangen!

Enrique. Ich verehre hier dich, Bruder.

Der König, Don Juan und andre Christensklaven treten unten auf.

Don Juan. Laß mich, Held Alfonso, fassen
Deine Hand.

Alfonso.               Don Juan, mein Freund,
Rechenschaft gibst vom Infanten
Du mir treulich.

Don Juan.                 Bis zum Tode
Sein Gefährt', bis ich ihn sahe
Frei nun, tot und lebend blieb ich
Bei ihm, seht ihn da im Sarge.

Alfonso. Gebt mir, Oheim, Eure Rechte,
Ob ich thöricht gleich und albern,
Euch aus der Gefahr zu retten,
Hoher Herr, so spät anlangte:
In dem Tode, was die größte,
Zeigt die Freundschaft sich vor allem.
Einen hocherhabnen Tempel
Will zu würd'gem Ehrenmale
Eurem sel'gen Leib' ich weihen. –
Phönix dir und Tarudante
Uebergebend, bitt' ich, König,
Gib sie Muley'n zum Gemahle,
Um der Freundschaft, die er pflog,
Wie ich weiß, mit dem Infanten.
Jetzt, Gefangne, kommt und sehet.
Hier liegt eur Infant, so traget
Auf den Schultern ihn zur Flotte.

König. Ihn begleiten sollen alle.

Alfonso. Bei der lieblichen Trompeten
Und gedämpften Trommeln Klange
Zieh das Heer zu der Bestattung
Feier und solch Ende habe,
Demutsvoll Verzeihung bittend,
Für so manchen großen Mangel,
Der standhafte Prinz im Glauben,
Don Fernando Lusitaniens.


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