Pedro Calderón de la Barca
Drei Vergeltungen in Einer
Pedro Calderón de la Barca

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Aufzug.

Vorsaal im Hause des Don Lope.

Von der einen Seite Don Lope, der Vater, Blanca und Beatriz, von der andern Don Lope, der Sohn, und Vicente, in Reisekleidern.

Don Lope, Sohn. Einmal und viel tausendmal
Sei, Señor, der Tag gesegnet,
Da in Demut meine Liebe
Deinen Füßen darf sich nähern! (Er kniet.)

Don Lope, Vater. Auf doch, Lope, auf vom Boden!
Sei willkommen uns so herzlich,
Wie du deinen Eltern lange
Warst ersehnt.

Don Lope, Sohn.   Eh du die Hände
Mir zum Kusse reichest, darf ich
Nicht vom Boden mich erheben.

Don Lope, Vater. Nimm; und bessern mag dich Gott,
Wie ich's wünsche. – Nun komm näher,
Küsse deiner Mutter Hand.

Don Lope, Sohn. Mit Beschämung und mit Beben
Tret' ich, Herrin, vor die Augen,
Die so viel mitleid'ge Thränen
Um mich weinten.

Blanca.                         Nicht nur, Lope,
Kostest du mich jene Thränen;
Nein, auch diese. Doch entspringen
Beid' aus sehr verschiedner Quelle;
Denn die frühern weinte Gram,
Freude weinet diese Zähren.
Sei mir tausendmal willkommen!

Vicente (zum Alten). Wird nun auch Verlaub gegeben
Einem Einsiedler des Teufels,
Der da zwischen Felsen lebte
Und in seinem Dienste längst
Buße that mit größter Strenge,
Daß er nahen dürf', um deine
Hand zu küssen?

Don Lope, Vater.     Ei, der Edle!
Seid Ihr auch gekommen?

Vicente.                                   Bin ich
Dieses Schnappsacks Satteldecke,
Dieser Satteldecke Sattel,
Endlich dieses Sattels Schlepptier:
War's da nicht notwendig, Herr,
Daß wir zwei zusammenkämen?

Don Lope, Vater. In so trefflicher Gesellschaft
Kann die Besserung nicht fehlen.

Vicente. Seht doch! hältst du sie für übel?
Nein, zum Henker! sie ist trefflich.

Don Lope, Vater. Fluchet nicht!

Vicente.                                       Nur Ueberbleibsel,
Die mir aus dem bösen Leben
Angeklebt sind. – Ihr, Señora,
Gönnet, daß ich mich erkecke,
Nicht zu küssen Eure Hand,
Doch den hochbeglückten Teppich,
Den Ihr tretet.

Blanca.                 Steh nur auf,
Denn ich muß mit Dank erkennen,
Daß du meinem Sohn so treulich
Anhängst und in keiner Fährde
Von ihm weichst.

Vicente.                       Ein Diener bin ich,
Adquisitus ad perpetuam
Rei memoriam
.

Beatriz.                     Ist mein Herr
Endlich da? (Zu Blanca.) Du mußt vergeben,
Daß ich selbst in deinem Beisein
Ihn umarmen muß, auf Ehre!

Don Lope, Sohn. Gott behüt' Euch, Beatriz!

Don Lope, Vater. Alle freun sich, dich zu sehen,
Doch vor allen andern ich.
Jetzt ist nötig, daß ich gehe,
Um Don Mendo'n Dank zu sagen,
Der so eifrig und gefällig
Mitgewirkt zu deiner Gunst.
Beatriz, geh, um zu sehen,
Was er macht; und du, mein Sohn,
Acht' indes auf meine Rede.

Vicente (zu Don Lope, Sohn). Eine gute Predigt, mein' ich,
Wird es setzen.

Don Lope, Sohn.     Still, ergeben!
Denn du weißt, wir sind gekommen,
Abgeschmacktes zu vernehmen.

Don Lope, Vater. Unsern übeln Zustand, Lope,
Siehst du wohl. Die Güter sämtlich
(Und das ist noch das Geringste)
Sind zerrüttet und verpfändet.
Jene Dam', Estefania,
Die uns so viel Not erregte,
Ist im Kloster, und ich mußte
Mitgift ihr und Jahrgeld geben.
Gott weiß, daß, um dies zu können
Und zufrieden sie zu stellen,
Mir beinah nichts übrig blieb,
Als von Thür zu Thür zu betteln.
Doch, mein Sohn, du siehest nun
Durch das edelmüt'ge Streben
Des Don Mendo dich begnadigt,
Und damit scheint sich zu enden
Alles, was wir ausgestanden.
Was ich nun von dir erflehe
Mit den Thränen in den Augen,
Mit den Seufzern auf dem Herzen,
Und selbst knieend, wenn mein graues
Haar mir dieses zugestände,
Ist, mein Sohn, daß du in etwas
Mögst fortan dein Leben bessern.
Stellen wir die fast verlorne
Meinung her; und jetzt erhelle,
Daß Mühseligkeiten den,
Der Verstand besitzt, belehren.
Lope, laß uns Freunde sein,
Und kein Wettstreit mehr bestehe
Unter uns in Lieb' und Haß.
Laß in stiller Ruh uns leben,
Friedlich; und was er vermag,
Thu' auf seiner Seit' ein jeder.
Von der meinen will ich Liebe,
Zärtlichkeit und Sorgfalt geben.
Gib du von der deinen, Lope,
Nur Gehorsam mir dagegen;
Darum bittet dich dein Vater.
Und zuletzt, mein Sohn, bedenke,
Daß nicht stets ein Mittler da ist;
Und wohl könnt' es sein, es käme
Eine Zeit, da diese Liebe,
Diese Gunst, von dir verschmähet,
Umgewandelt einst in Rache,
Selbst gefährdeten dein Leben.

Vicente (beiseite). Nun bedürft' es nur des Gratias,
Dann des Gloria, und die Predigt
Wäre ganz vollkommen.

Don Lope, Sohn.                   Herr,
Ich gelobe, du sollst sehen
Von heut an so wahre Beßrung
Meiner Sitten, daß du gerne
Meinem überstandnen Schicksal
Danken wirst für ihr Erkenntnis.

Don Mendo und Beatriz treten auf.

Don Mendo. Und ich komme her als Bürge
Für solch billiges Versprechen.

Don Lope, Vater. Herr . . .

Don Mendo.                       Da ich vernahm, du wolltest
Mich besuchen, wär's ein Fehler,
Käm' ich nicht geschwind zuvor
Diesem freundlichen Bestreben.

Don Lope, Vater. Nicht nur gebt Ihr Gunstbeweise,
Sondern wißt auch so zu geben,
Daß noch mehr, als das Geschenk,
Achtbar ist die Art des Schenkens.

Don Lope, Sohn. Gib mir deine Hand, Señor;
Und gefall' es Gott, du stehest
So fest in des Königs Gnade,
Daß der Neid, des Hofes frecher
Basilisk, nie deines Namens
Kund' empfang', und nur ihn kenne
Freud'ger Beifall, der auf Tafeln
Reinen Goldes ihn verew'ge!

Don Mendo. Komm in meinen Arm, Don Lope,
Und sei nicht für das erkenntlich,
Was ich noch nicht that für dich.
Denn mein Herz hat nicht vergessen,
Daß es Ehr' und Sein dir schuldigt;
Und so ein Erlaß ist schwerlich
Ein genügend Pfand, den Vorschuß
Zweier Schulden zu ersetzen.

Blanca. Wolle Gott, Herr, daß der Himmel . . .

Don Mendo. Blanca, nein, laßt Eure Rede
Nicht mich loben; nur durch Schweigen
Sprecht zu mir.

Blanca.                     Noch höher schätzen
Muß ich diese Gunst, als alles
Andre; denn auf diesem Wege
Löst Ihr mich von einer Scheu,
Die mich unaufhörlich quälte. (ab.)

Don Mendo. Lebet wohl; ich muß zu Seiner
Majestät mich jetzt begeben.

Don Lope, Vater. Und auf mich harrt ein Geschäft.

Don Lope, Sohn. Könnt' ich teilen doch mich selber,
Um euch beide zu bedienen!
Doch da nötig ist, zu wählen,
Wird mein Vater mir erlauben,
(zu Don Mendo) Daß ich Euch Begleitung gebe.

Don Lope. Vater. Ganz gewiß, und wohl mit Neid,
Solche kluge Wahl zu sehen. (ab.)

Don Mendo. Und ich nehm' es an, Don Lope;
Nicht zwar, weil sie dieses wäre,
Sondern weil Ihr, mich geleitend,
Sicher mich entschuld'gen werdet,
Daß ich länger bei Euch bleibe.
Denn so sehr ist meine Seele
Stolz und fröhlich und zufrieden,
Euch erblickend, daß sie gerne
Möcht' auch keinen Augenblick
Eurer Gegenwart entbehren. (Beide ab.)

Vicente. Höre, Beatriz!

Beatriz.                         Was willst du?

Vicente. Da die Herrschaft sich entfernte,
Sprich, verdient' ich nicht – und wenn's auch
Nur als Neugekommner wäre –
So ein abgelegtes Küßchen?

Beatriz. Und selbst eins frisch von der Elle
Weggeholt. (Er umarmt sie.)

Vicente.             Ach, Beatriz,
Wie viel litt ich deinetwegen!

Beatriz. Guter Scherz! wenn meine Liebe
Sich zweitausend Monden sehnte,
Dich zu schaun, und du zu keinem
Absprung dich hieher bequemtest.

Vicente. Nicht? Und kamen wir, mein Herr
Und ich selbst, vor wenig Nächten
Nicht hieher und gingen grade,
Als ob wir zu Hause wären,
In die Wohnung des Don Mendo,
Wo wir Violanten eben
Beim Geschäft des Ausziehns trafen,
Wo es hieß: »Halt ein!« »O hemme!«
»Schatten!« »Täuschung!« samt gehör'gem
Kram von Ohnmachten und Krämpfen?

Beatriz. Schweige! schweig! Erzähle nicht
Solch ein fabelhaft Begebnis.

Vicente. Wollt's mein Himmel, Beatriz!
Denn so wäre ja mein Herr nicht
Von der Art, daß er nicht fabel,
Sondern babelhaft sich meldet.
Denn er läßt zu keiner Stunde
Weder schlafen mich, noch essen,
Immer von nichts anderm schwatzend,
Als, ob ihre Reize hehrer,
Schöner, trefflicher mit Wickeln
Oder ohne Wickeln wären.

Beatriz. So demnach stehn unsre Sachen?

Vicente. Nun? Weshalb kann dich dies eben
Kümmern?

Beatriz.             Ei, ist eine Liebschaft
Hier im Werk, mußt du notwendig
Ja sein Lauf-sieh-sag'-ihr sein;
Und beim Kommen und beim Gehen
Wird Elvira, die dem Fräulein
Als Vertraute dient, erklärlich
Ihre Rechte nicht verlieren.

Vicente. Beatriz, ach! sähst du eben
Die Elvira so wie ich:
Wenig Eifersucht erregten
Ihre Reize dir.

Beatriz.                   Wie so?

Vicente. Weil sie in dem Menschenfelle
Lernas Hyder ist. Sie hatte,
Da es spät war und sie schwerlich
Noch Besuch erwarten konnte,
Abgelegt die Lockenflechten.

Beatriz. Wie? Was? Abgelegt?

Vicente.                                     Von Grund aus.

Beatriz. Sie ist kahl?

Vicente.                     Wie meine Hände.
Außerdem auch hatte sie
Nicht, wie sich's gehört, vollzählig
In dem Futteral des Mundes
Das notwend'ge Kaugeräte.

Beatriz. Wie? Dies Mädchen, noch so jung,
Falsche Zähne?

Vicente.                   Falsche Zähne!
Andrer Dinge zu geschweigen;
Denn von Frauen schlecht zu sprechen,
Ziemt nicht Leuten meiner Art.
Meine Zunge soll kein Mädchen
Um die letzte Hoffnung bringen. –
Doch da kommt mein Herr, der eben
Den Don Mendo an die Kutsche
Convoyirt.

Beatriz.           Leb wohl, Vicente. –
Ei, wer hätte dem Gesichtchen
Angesehn so arge Mängel?
O gewiß muß man die Nacht
Prüfstein aller Schönheit nennen! (ab.)

Don Lope, der Sohn, tritt auf.

Don Lope. Sprich, Vicente, sahst du nicht
Gier an einem dieser Fenster
Violanten?

Vicente.           Nein, Señor.
Und wenn ich sie sähe, denk' ich,
Daß ich nicht sie kennen würde.

Don Lope. Antwort, wie sie deiner wert ist!

Vicente. Herr, an das, was mich nicht angeht,
Denk' ich weiter nicht; das wäre
Ein Gedächtnis eigner Art.

Don Lope. Kann es sein, daß du vergessen,
Wie du ihre Locken sahest,
Die, bei Auflösung der Flechten,
Liehen goldne Flut den Lüften,
Widerspiel von andern Wellen?
Dort sind's Perlen, welche hin
Ueber Sand von Gold sich drängen;
Und hier, bei des Haars Entkräuseln,
Ist der Locken Ueberschwemmen
Auf dem reinen Schnee des Halses
Von so ganz verschiednem Wesen,
Daß hier über Perlenufer
Sich ergießen goldne Bäche.
Des gedenkst du nicht?

Vicente.                               Nein, Herr;
Denk' es nicht und mag's nicht denken,
Weil ich nicht dran denken will,
Daß ich dort – um wahr zu reden –
Ihr zur Seite sah Elviren,
Nicht wetteifernd, übertreffend
Ihre Schönheit.

Don Lope.               Welch ein Narr!

Vicente. Wär's das erstemal gewesen,
Daß die Zofe besser ist,
Als die Herrin?

Don Lope.               Könnt' ich endlich
Nur an irgend einem Ort
Violanten sehn!

Vicente.                   Bedenke,
Herr, daß wir mit großer Not
Kaum entwischten einer Fährde.
Stecken wir uns nicht in andre,
Gleiche, Violantens wegen.

Don Lope. Meinem Vater nahm ich's übel,
Daß er wagte, mich zu schelten;
Denke nun, wie ich's von dir
Werd' ertragen. Ich begehre,
Daß um meine Neigung niemand
Sich bekümmre. – Doch wer nähert
Hier sich?

Vicente.           Don Guillen de Azagra.

Don Guillen tritt auf.

Don Lope. Und kein Botenlohn begehrtest
Du von mir? In Zaragoza
Don Guillen?

Don Guillen.         Und meinem Herzen
Wär's unmöglich schier, Don Lope,
Länger sich von Euch zu trennen.
Kaum erfuhr ich Euer Hiersein,
Als ich mit der größten Schnelle
Euch zu suchen ging; zwar nicht,
Um Glückwünschung Euch zu geben,
Sondern nur, um sie von Euch
Zu empfahn.

Don Lope.           Mit vollem Rechte,
Don Guillen, macht unsre Freundschaft
Anspruch auf solch zart Benehmen.
Und um in der gleichen Münze
Dieser Schuld mich zu entled'gen,
Wünsch' ich, daß Ihr kommt zum Glücke.

Don Guillen. Könnte das auch dem begegnen,
Der so bitterm Kummer nachgeht?
Dem der Schmerz nur ist lebendig
Und die Hoffnung tot?

Don Lope.                           Wie so?

Don Guillen. Ihr erinnert Euch, ich denke,
Daß zum Krieg ich vor drei Jahren
Nach Neapel ging.

Don Lope.                     Zum bessern
Zeichen, Freund, erinnr' ich mich,
Daß wir Abschied dort auf jenem
Platze del Aseo nahmen,
Mit so großem Leid und Schmerze,
Als ob wir schon damals ahnten,
Welch ein trauriges Verhängnis,
Don Guillen, in Euerm Fernsein
Mir bevorstand zu erleben.

Don Guillen. Ich vernahm's; und weiß der Himmel,
Ob's mich quält', es zu vernehmen.
Doch vom meinen laßt mich sagen,
Da das Eure nun sich endet.
Denn Ihr sollt, so wie ich hoffe,
Meines mir erleichtern helfen.

Don Lope. Ich bin Eu'r, und meine Freundschaft
Ist Euch jederzeit gewärtig.

Don Guillen. Nun, ich ging nach Napel, wo
Unser König mit der Heere
Macht zu rächen denkt den Tod,
Den, unmenschlich und verwegen,
Der von Napel gab dem großen
Konradin, dem Kaiserenkel;
Denn er ließ auf öffentlichem
Blutgerüst den Kopf ihm nehmen.
Doch gehört dies nicht zur Sache;
Andres hab' ich zu erzählen.
Als ich in Neapel einzog,
Schien in einem schönen Mädchen
Mir die Sonn' ein einz'ger Strahl,
Schien der Himmel eine Sphäre,
Eine Thräne nur Aurora,
Eine Blume nur das Lenzfeld.
Dieses hoch getriebne Lob
Werdet Ihr als wahr erkennen,
Wenn Ihr wißt, es war die Schöne,
Die in Napel mir begegnet . . .

Vicente (anmeldend). Doña Violante, Herr.

Don Lope. Wie? Was sagst du? Weh dir, wehe!

Vicente. Weshalb? Sag' ich mehr, als daß
Sie aus ihrer Wohnung eben
Kommt hieher und, da sie Leute
Hier erblickt, sich wieder wendet?

Don Lope. Habt die Güte, Don Guillen,
Euch ein wenig zu entfernen.
Hindern wir am Durchgang nicht
Diese Dame.

Don Guillen.       Meinetwegen!
Mir auch wär's nicht lieb, daß diese
Jetzt mit Euch mich sähe sprechen. (ab.)

Don Lope. Ha, bei Gott! mir bangte, sie
Sei die Dame dort gewesen.

Vicente. Aber konnt' ich das erraten?
Sprich nun mit ihr, eh sie weggeht.

Violante und Elvira treten auf.

Don Lope. Wie? So schnell zurückgegangen?
Herrin, es ist Grausamkeit,
Soll ein Augenblick der Zeit
Eines Tages Raum umfangen.
Wenn Ihr, kaum im Morgenprangen
– Sonne, die mein Herz durchfacht! –
Schon auf Umkehr seid bedacht,
Schafft ein Chaos Ihr, Señora,
Aus dem Lichte der Aurora
Und dem düstern Graun der Nacht.
Kehrt nicht um, geht ruhig weiter!
Nicht verdrieß' Euch, mich zu schauen;
Keine Sorg' erweck' Euch Grauen,
Kein Verdacht sei Eur Begleiter.
Schönste, seht, es taget heiter!
Nicht, umhüllt von nächt'gen Schwingen,
Komm' ich, feindlich einzudringen;
Nein, mein Dasein Euch zu geben,
Ganz für Euern Dienst zu leben
Und Euch zwiefach Dank zu bringen.

Violante. Solche Furcht mir angethan
Habt Ihr, daß ich stets noch zage
Und nicht weiß, obwohl bei Tage,
Seid Ihr Wahrheit, seid Ihr Wahn.
Doch, Don Lope, von dem Plan,
Blanca zu besuchen, wandte
Nicht mich, daß ich Euch erkannte;
Sondern daß ich eben da
Einen andern Schatten sah,
Den selbst nicht der Tag verbannte.

Don Lope. Wißt, ein Freund, mir lieb und wert,
Sprach mit mir an diesem Ort,
Und Euch sehend ging er fort,
Daß Ihr nicht gehindert wärt.
Denn das Herz, das Euch verehrt,
Brauchte wider Eur Verschmähn
Dies Entfernen; was geschehn,
Damit ich Euch spräche.

Violante (leise zu Elvira).       Ha!
War es Don Guillen nicht?

Elvira.                                         Ja.

Violante. Also spricht er von Guillen!

Don Lope. Und geht Ihr in mein Quartier,
Gönnt mir die Gelegenheit,
Die Ihr selber mir verleiht:
Laßt begleiten Euch von mir.

Violante. Spart die Mühe, bleibet hier!

Don Lope. Soll ich so das Leben meiden?

Violante. Also nicht zu unterscheiden
Sind Gelegenheit und Leben?

Don Lope. Nein; denn, einmal aufgegeben,
Kehrt uns wieder keins von beiden.

Violante. Nützt denn, die Ihr habt. Wohlan!
Ich vernehm' Euch. Was zu sagen
Wünscht Ihr?

Don Lope.           Was aus vor'gen Tagen
Euch Erinnrung sagen kann.

Violante. Macht Ihr Euch zum Mittelsmann?

Don Lope. Erster wag' ich nicht zu sein,
Drum als Mittler tret' ich ein;
Denn die schüchterne Verehrung
Kommt so besser zur Erklärung.

Violante. Ist es so, dann sag' ich: Nein,
Nicht werd' Euch Gehör geschenkt!
Denn ich will, Ihr sollet schauen,
Wie das kecke Selbstvertrauen
Der Erinnrung dort mich kränkt.
Ihr betrügt Euch, falls Ihr denkt,
Daß es mir Vergnügen mache,
Wenn Ihr wagt, mir jene flache
Keckheit dort zu wiederholen.
Sagt ihr das – und Gott befohlen!

Don Lope. Hört!

Violante.             Nichts mehr von dieser Sache! (ab.)

Don Lope. Wohl verstand sie, daß ich eben
Ihr mich zu erklären dachte;
Und, so klug wie reizend, machte
Ihre Strenge mein Bestreben
Sich zum Weg, um kund zu geben,
Hoffen dürf' ich weiter nicht.
Doch Verstellung sei mir Pflicht! –
(Zu Vicente.) Käme Don Guillen einstweilen,
Bitt' ihn, kurze Zeit zu weilen. (ab.)

Vicente. Nun, Elvirchen?

Elvira.                               Nun, Herr Wicht?

Vicente. Grau's Eu'r Gnaden nicht, in Ehren
Mein Gesicht bei Tag zu schauen.

Elvira. Ist's bei Tage doch zum Grauen,
Wie bei Nacht!

Vicente.                   Nur ein Begehren
Mußt du, Herzchen, mir gewähren.

Elvira. Was für ein Begehren? Sprich!

Vicente. Den Verstand verlier um mich;
Denn ich bitte bei gewissen
Damen nie um Leckerbissen.

Elvira. O das thät' ich sicherlich,
Wüßt' ich nicht, mit welchen Schwüren
Herr Vicente sich vordem
Beatrizen weihte.

Vicente.                       Wem?

Elvira. Beatrizen. Alles spüren
Wir, die lauschen an den Thüren.

Vicente. Beatrizen? O wer die
Gründlich kennt, glaubt so was nie.

Elvira. Weshalb?

Vicente.               Weil's für Ungeheuer
Scythiens, Afrikas kein treuer
Vorbild gibt, als eben sie.
Sieh nur all den äußern Schimmer,
Blendend ist er fürs Gesicht;
Doch, wenn man sie nahe spricht,
Glaub' es, riecht ihr Atem schlimmer
Als die Pest, und doch kommt immer
Noch das Schlimmste hinterdrein.
Nun, ich will verschwiegen sein,
Frauen wasch' ich nicht mit Lauge;
Doch von Glas hat sie ein Auge
Und von Holz das eine Bein.

Elvira. Lügner, nein, du machst mir Wind.

Vicente. Sieh nur zu, recht aufmerksam:
Auf der Rechten ist sie lahm,
Auf der Linken ist sie blind.

Don Guillen tritt auf.

Don Guillen (für sich). Sehen muß ich doch geschwind,
Ging schon Violante fort?
Blieb Don Lope? Ach, kein Ort,
Der dem Kummer Rast verspräche!

Don Lope, der Sohn, tritt auf.

Don Lope (für sich). Mit der Mutter im Gespräche
Ließ ich Violanten dort;
Und nun such' ich Don Guillen
Wieder auf.

Elvira (zu Vicente). Die beiden Herrn!

Vicente. Künftig mehr!

Elvira.                           Von Herzen gern. –
Wer die Beatriz gesehn,
Wen nicht überraschten, wen,
Himmel! solche Neuigkeiten? (ab.)

Don Lope (zu Don Guillen). Violanten zu begleiten,
Hielt mich auf; o zürnet nicht!

Don Guillen. Die Entschuld'gung hat Gewicht.

Don Lope. Lasset weiter nun uns schreiten.

Don Guillen. Wobei blieben wir?

Don Lope.                                     Dabei,
Don Guillen, daß Ihr in Napel,
Nach bewirktem Waffenstillstand,
Sahet eine schöne Dame.

Don Guillen. Ich vergaß vorhin, Don Lope,
Einen Umstand Euch zu sagen,
Den ich jetzt Euch sagen muß.

Don Lope. Welchen?

Don Guillen.             Hört: Als Abgesandter
War zu Rom um jene Zeit,
Da der Stillstand unsrer Waffen
Unterhandelt ward, Don Mendo,
Dem der König aufgetragen
(Weil sein greises Haar in solchen
Dingen viel Erfahrung hatte;
Denn in Frankreich und in Rom
Dient' er mehr als zwanzig Jahre),
Sich nach Napel zu begeben
Zur Verhandlung des Vertrages.
Und so sagt' ich Euch zugleich,
Denk' ich, wer sie war, die Dame.
Denn Euch sagen, daß Don Mendo
In der angeführten Sache
Kam nach Napel; daß ich dort
Eine Wunderschönheit sahe;
Daß ich kam nach Zaragoza,
Mehr gelockt vom Hoffnungswahne,
Als von meiner Dienstbewerbung;
Und daß ich Euch nötig habe
(Denn sie wohnt in Euerm Hause)
Zur Erleichtrung meiner Qualen:
Gibt wohl zu verstehn, es sei
Violante die erhabne
Gottheit, deren heil'gem Dienste
Auf dem reinen Weihaltare
Kleines Opfer ist die Seele,
Wenn das Leben niedre Gabe.

Vicente (beiseite). Das sind herrliche Geschichten!
Was gilt's? Eh wir gehn vom Platze,
Setzt es ein'ge Rippenstöße.

Don Lope (beiseite). Wer sah solch verworrnen Handel?
Doch Verstellung, Eifersucht!
Und ist bitter gleich die Schale,
Leeren wir auf einen Zug
Alles Gift, das noch uns mangelt! –
(Laut.) Sprächet Ihr von minder würd'gem
Gegenstand, als Violante,
Würd' es schwer sein, Don Guillen,
Solchen Lobspruch zu erwahren.
Sagt, auf welchem Punkt Ihr steht
Mit dem Fräulein, daß ich baldigst
Thue, was zu thun mir obliegt.

Don Guillen. Ach! zwei kleine Wörter sagen
Leicht, auf welchem Punkt ich stehe.

Don Lope. Welche?

Don Guillen.           Lieben und Verschmachten.
Ja, ich lieb' und lieb' unglücklich.

Vicente (beiseite). Das ist übel; doch Courage!

Don Guillen. Da sie ging nach Zaragoza,
Folgt' ich eiligst ihrem Pfade;
Und mit Eurer Hilfe hoff' ich
Mich gefällig ihr zu machen.
Denn da sie bei Euch, Don Lope,
Ihre Wohnung aufgeschlagen,
Kann ich manchmal, Euch besuchend,
Wohl sie sehn, ein Wort ihr sagen,
Ja, Euch bitten, daß Ihr selbst
Mit ihr sprecht von meinen Qualen.
Nutzen wir den Augenblick,
Lope! und kehrt Violante
Vom Besuch zurück, bemüht Euch
Um Gelegenheit, ihr baldigst
Einen Brief von mir zu geben.
Denn daß sie mich hier gewahre,
Eh sie weiß von meinem Hiersein,
Scheint mir deshalb nicht geraten,
Weil die Ueberraschung leicht
Rächend meinen Eifer strafte.
Schreiben will ich diesen Brief,
Wo Gelegenheit sich antrifft,
Weil ich jetzt in Eure Wohnung
Nicht hineinzugehen wage.
Gleich komm' ich zurück, Don Lope;
Wartet hier, bis ich ihn brachte. (ab.)

Vicente. Herr, leb wohl!

Don Lope.                       Wo willst du hin?

Vicente. Wo ich hin will? Auf den Waldberg,
Dein zu harren; denn ich weiß,
Dahin kommst du bald.

Don Lope.                           Noch warte.
Ja, sie ist mir wert, und er
Kränkt mich tief durch sein Verlangen.
Aber, daß auch ich sie liebe,
Bringt Verwirrung in mein Handeln
Und gebietet mir, zu schonen,
Was ich für Beleid'gung achte.
Etwas dulden wir einmal!
Und, Vicente, laß uns trachten,
Daß wir klüglich, ohne rauhen
Friedensbruch, der schlimmen Sache
Uns entziehn mit guter Art.

Vicente. Löblich ist's, daß du dermalen
Der Vernunft dich willst befleiß'gen.
Ich weiß Rat.

Don Lope.             Sag' an!

Vicente.                               Verlassen
Mußt du sie, weil du im Anfang
Deiner Liebe bist.

Don Lope.                   O wahrlich,
Hätt' ich dazu das Vermögen,
Thät' ich's gleich. Doch nun wär' alle
Müh' umsonst; ich kann es nicht.

Vicente. Was denn thun?

Don Lope.                       Wer weiß? – Doch warte,
Denn sie tritt aus meiner Wohnung.

Vicente. Kurzer Zuspruch!

Don Lope.                           Nein, ein langer;
Denn mir sind in dieser kurzen
Zeit Jahrhunderte vergangen.

Violante tritt auf.

Violante. Wie, Señor Don Lope? Noch
Seid Ihr hier?

Don Lope.             Nicht leicht verlassen
Kann ein Ding in dieser Welt
Seinen Mittelpunkt. Die Wasser
Suchen immerfort das Meer,
Wo's auch seine Wellen schlage;
Immer flieht der Stein zur Erde,
Welcher Hand er auch entfalle;
Immer sucht der Wind den Wind,
Von woher er eben blase;
Und die Flamme steigt zur Sphäre,
Welcher Stoff sie auch entfache.
So such' ich, als flücht'ger Bach,
Stets den Meergrund meiner Plagen;
Als geworfner Stein die Erde,
Heimat meiner schweren Lasten;
Als bewegt Atom die Lüfte,
Wohnsitz meines Hoffnungwahnes;
Und als Blitz such' ich das Feuer,
Sphäre meiner heißen Qualen;
Daß ich so, entbrannt, bewegt,
Irrend, fallend, immer trachte,
Als Bach, Stein, Atom und Blitz,
Nach Meer, Erde, Luft und Flamme.

Violante. Zwar ist diese Weisheitslehre
So sehr klar, so leicht zu fassen,
Daß ich wohl den Satz begreife,
Doch den Grund nicht dieses Satzes.

Don Lope. Ist er doch nicht eben schwierig;
Denn der ganze Schluß will sagen,
Daß, wo Ihr seid, meine Seele
Ihren Mittelpunkt erlange.

Violante. Diese Höflichkeit, Don Lope,
Paßt nicht zur vorhergegangnen.

Don Lope. Weshalb nicht?

Violante.                             Ihr wechselt ja
Mit der Roll' in dieser Farce;
Denn erst spieltet Ihr die dritte,
Jetzt die erste.

Don Lope.             Gnüge schafft es,
Daß Ihr jenen Ton vermißt,
Den ich brauchte. Laut nun sage
Meine Rede, der Enttäuschung
Düstre Wolkenhülle spaltend,
Was sie erst nur angedeutet.
Wissend, daß es Euch gefalle,
Will ich jetzt den Zufall nützen.
Don Guillen demnach . . .

Don Guillen erscheint im Hintergrunde.

Don Guillen.                           Da kam ich
Eben recht; er spricht von mir.

Don Lope. Kam hieher selbst aus Italien,
Eurer Liebe Sonnenblume,
Folgend stets den hellen Strahlen
Einer Sonne, die ihn umschafft
Zur vernünft'gen Menschenpflanze.
Mir gebot er, Euch's zu melden
Und die Gunst ihm zu erlangen,
Daß Ihr ihn vernehmt.

Don Guillen (im Hintergrunde). Welch treuer,
Zarter Freund! – Verderben falle
Auf den Mann da, der hieher kommt
Und der Antwort Violantens
Mich beraubt! (ab.)

Violante.               Nicht wohl, Don Lope,
Kann der zweite Ton von aller
Schuld des ersten Euch befrein.
Und da beide nun so klare
Kränkung sind, könnt' ich den einen
Wohl verzeihn, doch beide gar nicht.

Don Lope. Sagt denn, welche Schuld mir bleibt,
Daß ich die Entschuld'gung wage.
Denn, Señora, meine Wünsche
Sind ein Rätsel, so geartet,
Daß ich's nicht zu lösen weiß.

Violante. So werd' ich's zu lösen wagen.
Sagt demnach dem Don Guillen,
Daß er nicht sich meinethalben
Mag bemühen – denn er weiß,
Wie ich stets sein Liebestrachten
Abwies – und daß er dem Winde
Seine Hoffnung überlasse.

Don Lope. Und was sag' ich mir zur Antwort?

Violante. Sagt Euch, daß Ihr nichts erfahren.
Ist die Schuld hier gleich und gleich
Auch der Richter in der Sache,
Und er sagt: dies sollt Ihr jenem
Sagen – nun, so liegt am Tage . . .

Don Lope. Was?

Violante.           Daß er für Euch sein Urteil
Jenem widersprechend fasse.
Denn wär's eines und dasselbe,
Hätt' er schwerlich wohl gespalten
Seinen Richterspruch; mit einem
Könnt' er beide ja entlassen.

Don Lope. Wahrlich, ja! Die Seele schwebte,
Bis Ihr Euch erklärt, in Bangen.

Don Guillen kommt zurück.

Don Guillen (im Hintergrunde). Fort ist jener Mann; nun lausch' ich
Ihrer Antwort.

Violante.                 Was ich sagte,
Ist genug für jetzt, Don Lope;
Sollt' ich nicht noch dieses sagen,
Daß, obwohl ich eine Zeitlang
Demant war und Erz und Statue,
Welche Meißel, Feil' und Stahl
Hemmen, abmühn und ermatten,
Alles nachgibt doch am Ende;
Schleifen lassen sich Demanten,
Schmelzen läßt sich sprödes Erz
Und der Marmor sich behandeln.

Don Guillen (wie vorhin). Himmel, tausend Dank! Leutsel'ger,
Menschlicher gibt Violante,
Da er von mir spricht, ihm Antwort.

Don Lope. Tausendmal, für solche Gnade,
Küss' ich deine weißen Hände.

Don Guillen (wie vorhin). Welch ein treuer Freund! Kaum fassen
Kann er sich, als wär' er selbst
Der Beglückte.

Don Lope.               Ohne Maßen
Wäre jetzt mein Glück, Señora,
Wenn mit irgend einem Pfande,
Zeugnis solchen Glücks, Ihr Bürgschaft
Eurer Gunst mir wolltet schaffen.

Violante (gibt ihm eine Blume).
Nehmt, Don Lope, diese Blume,
Um als Zeugnis sie zu tragen
Meiner Hoffnung; denn sie selbst
Trägt ja meiner Hoffnung Farbe.

Don Lope. Ewig leben wird ihr Glanz,
Ohne daß, ihn anzutasten,
Wagen soll des Nordes Wüten,
Noch des Südwinds freches Rasen.
Glücklich, wer sie mit sich nimmt! (Violante ab.)

Don Guillen (hervortretend). Glücklicher, wer sie erwartet!
Denn sie ist es, die sie sendet,
Und Ihr seid's, der sie behandelt.
Doch bevor Ihr sie mir gebt,
Laßt mich Euch zu Füßen fallen . . .

Vicente (beiseite). Ei, wie kommt er so behende!

Don Guillen. Denn ich bin zu zweienmalen
Euch zur Huldigung verpflichtet.
Einmal, Lope, für so zarte
Freundschaft; und sodann, um so
Den Smaragd hier zu empfangen,
Den mit mindrer Ehrbezeigung
Nicht ich zu berühren wage. (Er kniet.)

Don Lope. Stehet auf, Freund Don Guillen!
Denn entzückt Euch so die Farbe
Dieser grünen Blume – wißt,
Daß sich Blumen leicht verwandeln.

Don Guillen. Wie? Was saget Ihr?

Vicente (beiseite).                           Was gilt's?
Von der Blume heißt's im Sange,
Daß ins Grün der Eifersucht
Sie der Hoffnung Grün verwandelt.

Don Lope. Wißt: obwohl in meiner Hand
Und obwohl von Violanten,
Ist sie nicht für Euch.

Don Guillen.                     Und hört' ich
Nicht Euch selbst von meiner Flamme
Mit ihr reden?

Don Lope.               Ja.

Don Guillen.                 Und trieb
Gleich ein Diener, der sich nahte,
Mich hinweg, vernahm ich nicht,
Himmel! daß sie selbst, entsagend
Ihrem spröden Stolz, als Zeugnis,
Daß sich Marmor läßt behandeln,
Daß Gebirge sich verändern,
Daß man schleifen kann Demanten,
Diese Blume gab?
Don Lope.                   Das erste
Mal ist dies, da seinen Schaden
Der nicht hört, der horcht.

Don Guillen.                             Wie das?

Don Lope. Weil, wenn Ihr von aufgefangnen
Worten hörtet, was Euch gut ist,
Was Euch übel ist, Euch mangelt.
Violantens Antwort lautet,
Daß Eu'r Werben ihr zur Last fällt.

Don Guillen. Aber, wenn von mir das Fräulein
Mit Euch sprach, für wen bekannte
Sie sich minder hart?

Don Lope.                         Für mich.

Vicente (beiseite). Da stürzt Pferd und Last zusammen!

Don Guillen. Für Euch?

Don Lope.                       Ja.

Don Guillen.                         Bedenkt, Don Lope:
Da Euch dieses Wort entgangen,
Zwingt Ihr meine Freundschaft fast,
Zu bezweifeln, was Ihr saget.

Don Lope. Wer, was ich gesagt, bezweifelt,
Wird sehn, was er wagt.

Don Guillen.                         Der Marter
Sei genug, womit Ihr wollt
Daß ich solches Glück bezahle!
Gebt die Blume mir.

Don Lope.                       Mein ist sie,
Und drum will ich sie behalten.

Don Guillen. Wes sie sei: nicht Euer ist sie,
Und drum will ich sie empfangen.

Don Lope. Sagt doch, wie soll das geschehn?

Don Guillen. So, daß wir Eu'r Haus verlassen
Und Ihr mit sie nehmt dahin,
Wo ich, falsche Freundschaft strafend,
Rache meiner Eifersucht
Schaffen will mit blut'gem Stahle. (ab.)

Don Lope. Nur voran! Ich folg' Euch schon. (Er will gehn.)

Violante und Blanca treten auf, von verschiedenen Seiten.

Violante. Was ist dies, Don Lope?

Don Lope.                                       Gar nichts.

Vicente (beiseite). O vom Schlagen sind wir weit!

Blanca. In dem Zimmer dort vernahm ich
Deine Stimme.

Violante.                 Ich in jenem.

Blanca. Wohin?

Don Lope.         Was weiß ich's? O laß mich!

Violante. Warte!

Don Lope.           Gleich zurück, Señora,
Komm' ich, dein Gebot empfangend.

Blanca. Lope, wie? So bald schon willst du
Dich in neue Händel wagen?

Vicente (beiseite). O vom Schlagen sind wir weit!

Violante. Was, Don Lope, war der Antrieb
Dieses Streits? Ich bin des Todes!

Don Lope. Euer Argwohn täuscht euch alle;
Was für Händel hab' ich denn?

Blanca. Kannst du nicht im Frieden lassen
Dieses Haus nur eine Stunde?

Don Lope. Aber sprich (o wilde Marter!),
Welchen Krieg erreg' ich dir?

Violante. Welcher Zweck denn?

Blanca.                                         Welches Absehn?

Vicente (beiseite). O vom Schlagen sind wir weit!

Don Lope, der Vater, tritt auf.

Don Lope, Vater. Was ist dieses? Du, im argen
Wortgehader hier mit Blanca
Streitend und mit Violanten?
Was denn gab es?

Blanca.                         Lope, Herr . . .
(beiseite) (Himmel, eine List mir schaffe,
Um dem Vater zu verbergen,
Daß er schon sich Händel machte!)
(laut) Hatte hier mit dem Vicente
Einen Zwist; er wollt' ihn strafen;
Und wir beiden, uns ins Mittel
Legend . . .

Vicente (beiseite). Endlich fällt noch alles
Mir zur Last!

Blanca.                 Verwehrten Lopen,
Ihn zu schlagen.

Don Lope, Vater.     Wie gewaltig
Rauh ist, Lope, dein Gemüt!

Don Lope, Sohn. Nichts, Señor, ist vorgegangen.

Vicente. Rechnung fordert er von einem
Lumpenheller, der ihm mangelt;
Und darüber . . .

Don Lope, Vater.     Gut schon, gut;
Geht nur, geht ins Teufels Namen!

Vicente. Für dich gibt es keine Gründe. (ab.)

Don Lope, Vater (zum Sohne). Und Ihr könnt, in Violantens
Gegenwart, um so Geringes
Nicht Euch mäß'gen?

Don Lope, Sohn.             Worte mangeln,
Der Beschuld'gung zu entgegnen;
Und so sei, mich zu entlasten,
Schweigen mir genug. – (Beiseite.) O wüßt' ich,
Wo mich Don Guillen erwartet! (ab.)

Blanca. Lasset ihn nicht gehn, Señor!

Don Lope, Vater. Besser, daß er uns verlasse
Und davon geh'. – (Zu Violante.) Ihr, Señora,
Seht ihm nach; denn so geartet
Ist sein Zorn, daß er nicht mich,
Noch sonst irgend jemand achtet.

Violante. Er ist längst bei mir entschuldigt –
(Beiseite.) Denn die Schuld hab' ich zu tragen,
Ich allein.

Blanca (beiseite). Ich Unglücksel'ge!
Eben das, wodurch ich dachte,
Ihn am Fortgehn zu verhindern,
Hat die Thür ihm freigelassen.
Was nur soll ich thun?

Violante (beiseite).             Mir bangt,
Daß ein Unglück draus erwachse.

(Degengeklirr hinter der Szene.)

Don Guillen (hinter der Szene). Auf die Art, Verräter, findet
Falsche Freundschaft ihre Strafe!

Don Lope, Sohn (ebenso). Eifersucht ist kein Verrat.

Don Lope, Vater. Was ist dieses?

Elvira und Beatriz treten auf.

Elvira.                                             Auf der Gasse
Gibt es Schlägerei.

Beatriz.                         Mein Herr
Ist's, der ficht. Du kannst noch warten?
Eile, Herr, es ist dein Sohn.

Don Lope, Vater. Blanca, schon erstaunt' ich wahrlich,
Daß ein Tag in Ruh verginge.
Liebe soll mir Flügel schaffen;
Mischt' ich gleich mich jederzeit
Ungern nur in seine Sachen. (Alle ab.)

 


 
Platz vor Don Lopes Hause, dem königlichen Schlosse gegenüber.

Don Lope, der Sohn, und Don Guillen, im Zweikampf begriffen. Zwei Kavaliere suchen sie zu trennen. Leute umher. Don Lope, der Vater, und Vicente kommen aus dem Hause.

Don Lope, Vater. Halt da, Lope! Don Guillen!

Erster Kavalier. Eben kamen wir herzu;
Seht, wir bringen sie zur Ruh.

Don Guillen. Falscher Freund!

Don Lope, Sohn.                       Falsch nenn' ich den . . .

Don Lope, Vater. Wilder! Siehst du, daß ich kam,
Und willst doch die Wut nicht zähmen?

Don Lope, Sohn. Weil du Ehre willst mir nehmen,
Die ich nicht von dir bekam.

Don Lope, Vater. Wollte Gott, du hättest deren
Nur so viel, wie ich dir gab! –
Aber schlägt mein Sohn mir ab,
Hier mein graues Haupt zu ehren,
So thut Ihr es, Don Guillen;
Denn Ihr werdet, seh' ich schon,
Mehr mich achten, als mein Sohn.

Don Guillen. Und Ihr habt nicht falsch gesehn.
Achtend diese grauen Haare
Und die Degen dieser beiden
Kavaliere, will ich scheiden
Aus dem Zweikampf und bewahre
Mir das Recht, für meine Sache
Bald geheimern Ort zu wählen.

Don Lope, Sohn. Das heißt nur die Furcht verhehlen,
Die ich deiner Feigheit mache.

Don Guillen. Furcht? Ich? (Sie fangen wieder an zu fechten.)

Don Lope, Vater.             Rasender, halt ein!
Da du siehst, wie auf mein Kommen
Er sich achtungsvoll benommen,
Achtest du mich für so klein?
Ha, bei Gott, verwegner Sohn!
Bald schreckt meine Kraft dich ab.

(Er droht ihm mit dem Stocke.)

Don Lope, Sohn. Halt und sieh dich vor! Den Stab
Hebe nicht, mich zu bedrohn;
Sonst, bei Gott! will ich nicht ruhn,
Bis ich dich gezüchtigt habe.

Don Lope, Vater. Lehrt dich, undankbarer Knabe,
Nicht dein Feind, was du zu thun?

Don Lope, Sohn. Nein; denn ob dich dieser achte,
Feigen Sinns, kann ich nicht sagen,
Tugend sei's; es ist nur Zagen.

Don Guillen. Ha, wer sagte, wer nur dachte,
Daß ich fürchte . . .

Don Lope, Vater.         Wer das sagt,
Lüget; das sag' ich sofort,
Sagt Ihr's nicht.

Don Lope, Sohn.     Hast du dies Wort
Auszusprechen hier gewagt,
Und für ihn, so kommt vor allen
Hier Genugthuung mir zu.
Nimm denn, Greis!

(Er gibt ihm einen Backenstreich; der Alte fällt zu Boden.)

Vicente.                         Was thatest du?

Don Lope, Vater. Mag auf dich der Himmel fallen!
Zeugen soll er mir mit Fug,
Denn sein ist zuerst die Sache.

Alle (außer dem Alten und Vicente).
Alle schaffen wir dir Rache;
Sterbe, wer den Vater schlug!

(Sie stürmen auf Don Lope ein und gehen mit ihm kämpfend ab.)

Vicente. Mir nur liegt von diesen allen
Nichts an Of- noch Defension. –
Herr, steh auf. (Er hilft dem Alten aufstehen.)

Don Lope, Vater.   Mißratner Sohn,
Mag auf dich der Himmel fallen!
Diese Schwerter, welche nun
Meine Schmach zu rächen streben,
Seien Blitze, die dein Leben
Treffen! Und sie werden's thun;
Denn, ein Werkzeug würd'ger Rache,
Durch dein Sterben, durch mein Weinen,
Wird der Stahl als Blitz erscheinen,
Wann er rächet Gottes Sache.
Jene freche Hand, die diesen
Schnee gewagt hat zu beleid'gen,
Will sie noch die Schmach verteid'gen,
Die dem Himmel du erwiesen?
Und er, schauend alle Schrecken
Deines Frevels, meiner Qualen,
Er verhüllt nicht seine Strahlen?
Er zerreißt nicht seine Decken
Und verstört, ein Graun der Welt,
Nicht die Luft, die deiner pflegt,
Nicht die Erde, die dich trägt,
Und das Licht, das dich erhellt?

Vicente. Herr, nimm deinen Hut einmal;
Dir den Mantel umzulegen
Helf' ich; nimm den Stab.

Don Lope, Vater.                   Weswegen?
Ist er doch nur Holz, nicht Stahl!
Aber ja, du magst ihn geben;
Denn es ziemt dem Stab allein,
Rächer eines Schlags zu sein.
Und wenn er im Kampf soeben
Schonend einem Vater war,
So ziemt mir es, daß ich schone,
Eher noch bei einem Sohne,
Jenem wilden. – Reich' ihn dar,
Daß ich mit dem Stab mich räche. –
Doch weh mir! Vergeblich Ringen!
Will ich mit der Hand ihn schwingen,
Wankt der Fuß. Unsel'ge Schwäche!
Schicksal, das mich hart beschwert!
Kann der Stab zur Rache nützen,
Wenn er selbst, der, mich zu stützen,
Dienen soll, mich jetzt belehrt,
Daß ich ihn zu brauchen habe
Nur als Klopfer, an die Erde
Pochend, daß geöffnet werde
Mir die Thür zu meinem Grabe.

(Das Volk versammelt sich umher.)

Vicente. Mäß'ge dich! Bedenke doch,
Alle Leute stehn und gaffen
Rings dich an.

Don Lope, Vater.   Was kann's mir schaffen?
Was verlieren kann ich noch?
Mögen sie mich schaun und wissen,
Wie ich schändlich bin entehrt;
Denn, dem ich das Sein gewährt,
Der hat mir die Ehr' entrissen. –
Menschen, seht mich, unverteidigt,
Tief, wie keiner je, gebeugt;
Denn, mich tilgt, den ich gezeugt.
Und von meinem Blut beleidigt,
Heisch' ich Rach' an meinem Blut.
Nicht vom Himmel nur, der Sache
Höchstem Richter, heisch' ich Rache
Für des Sohnes Frevelmut:
Zu euch allen, zum Gericht
Unsers Königs will ich schreien
Und dem Schmerze Lust verleihen.

(Er nähert sich dem Palaste.)

Vicente. Herr, bedenk', es schickt sich nicht,
So, umringt vom Volkgewimmel,
Durch des Schlosses Thor zu schreiten.

Don Lope, Vater. O durchmäß' ich so den weiten
Raum bis an das Thor der Himmel! –
Fürst von Aragon, Don Pedro,
Christlicher Monarch und Held,
Den der weise Mann rechtpflegend,
Der unweise grausam nennt!

Der König, Don Mendo und Gefolge kommen aus dem Palast.

König. Wer hier ruft mich?

Don Lope, Vater.               Ein Unsel'ger,
Der zu Euern Füßen, Herr,
Um Gerechtigkeit Euch anfleht.

König. Wohl, ich kenn' Euch, Lope; denn,
Meine Milde brauchend, hab' ich
Euerm Sohn Verzeihn geschenkt.
Doch da er begnadigt ist,
Was begehrt Ihr noch?

Don Lope.                           Daß er's
Nicht sei, fleh' ich, um als treuer
Unterthan vor Euch zu stehn;
Denn die Stimme, die um Milde
Euch gefleht, fleht auch um Recht.
Mein Sohn, wenn er ist mein Sohn.
(O vergib mir dieses Schmähn,
Blanca, neben deren Tugend
Rein nicht ist das Strahlenhell
Jener Sonne, die, sie schauend,
Nicht mehr leuchtet, nicht mehr glänzt)
Fehlt' an Gott, an Euch und mir,
Seinem Gotte, Vater, Herrn.
Trotz dem vierten der Gebote,
Das auf jene folgt zuerst,
Welche Gottes Dienst betreffen,
Legt' er, weil ich ihn geschmält,
Seine Hand an mein Gesicht.
Und da mir die Kraft entsteht,
Mich zu rächen, klag' ich peinlich
Hier ihn an um solch Vergehn.
Einst ja fand ich bei Euch Milde,
Da um Mild' ich Euch gefleht:
Drum, da ich um Recht nun flehe,
Herr, verweigert nicht mir Recht;
Sonst muß ich von Euch zum Himmel,
Als dem höchsten Richter, gehn.
Sieh, o Himmel, wiß, o Erde,
Hört, ihr Menschen rings umher,
Daß ein Sohn, der grausam handelt,
Grausam macht den Vater selbst.

(Ab mit Vicente; das Volk entfernt sich.)

König. Mendo!

Don Mendo.     Herr?

König.                         Zum Oberrichter
Meines Reichs seid Ihr bestellt;
Also Euch trifft diese Sache.
Meine Macht und Würde stehn
Zur Verfügung Euch; drum fanget
Jenen Mann, und eh's geschehn,
Kommt nicht wieder mir vor Augen.

Don Mendo. Augenblicklich eil' ich, Herr,
So viel Sorgfalt anzuwenden,
Wie nur irgend möglich steht.

König. Wißt, daß mehr daran mir liege,
Als Ihr denkt.

Don Mendo.         Weswegen, Herr?

König. Weil mir dieser Fall vor andern
Viel Gedanken aufgeregt;
Denn ich seh', in allen Zeiten
War kein König auf der Welt,
Dem man jemals solche Klage
Vorgebracht. (Ab mit Gefolge.)

Don Mendo. Was thu' ich jetzt?
Schreckliches Gedankenbild,
Was begehrst du? Bleibe fern!
Denn ich gebe dir mein Wort,
Forschen will ich, bis erhellt,
Daß nicht Dieser Sohn von Jenem,
Der nicht Vater ist von dem.

Dritter Aufzug.

Waldgebirg.

Don Mendo tritt auf, mit bewaffneten Dienern.

Erster Diener. Diese Felsenschlucht, Señor,
Wo der Ebro wildern Stromes
Seine Fluten wälzt, die Bäche
Jener Berge mit sich rollend,
Ist es, wo er durchzuschlüpfen
Sich bemüht.

Don Mendo.         Ihr alle folgt ihm,
Fels vor Fels und Stamm vor Stamm
Diesen ganzen Raum durchforschend. (Die Diener ab.)
Wer sah jemals auf der Welt
So von Drangsal sich umschlossen,
Wie jetzt ich? Nachsuchen muß ich,
Weh mir! was ich lieber wollte
Nicht auffinden: eine That,
Nur der Eifersucht entsprossen.
Einerseits befiehlt der König,
Strengen oder milden Wollens,
Nicht vor Augen ihm zu treten,
Ehe (wilde Qual!) Don Lope
Sei gefangen. Andrerseits
Ist die Pflichtschuld, die mir obliegt,
Die Zuneigung, die ich hege,
Mächt'ge Hemmung meines Forschens.
Fang' ich ihn, so zürnt mein Herz;
Thu' ich's nicht – vielleicht verloren
Geht mir dann des Königs Gnade.
Wie nur, Himmel! wie nur soll ich,
Zwischen Dienerpflicht und Liebe,
Beiden auf einmal gehorchen?

Don Lope, der Sohn, tritt auf, mit blutigem Gesicht, im Gefecht mit den Dienern.

Don Lope. Ja, ich seh', es ist unmöglich,
Mit dem Leben zu entkommen;
Doch zu wenig seid ihr alle
Für den Kaufpreis, den ich fordre.

Don Mendo. Schonet sein! Lebendig haben
Muß ich ihn. – (Beiseite.) O daß ich Lope'n
Könnte fahn, damit hernach
Mir ein Mittel würd' ersonnen,
Um sein Leben zu erretten! –
Halt, Don Lope!

Don Lope.                 Eh'r am Tone
Kenn' ich dich, als am Gesicht;
Denn der Zweifelnde, Verworrne,
Findet dreifach sich geblendet
Vom Gestäube, Blut und Zorne.
Und ich weiß nicht, war's ein Ruf,
Oder war's ein lauter Donner;
Denn ich blieb bei seinem Halle
Regungslos, betäubt, beklommen.
Was verlangst du? Was verlangst du?
Denn du, du allein, vermochtest
Mehr des Grauens, mehr der Furcht
Mir zu schaffen mit dem Tone
Deiner Stimme nur, Don Mendo,
Als mit ihrer Wehr die Rotte.

Don Mendo. Ich verlange deinen Degen,
Und daß du, mit minderm Stolze,
Dich gefangen gebst.

Don Lope.                         Ich?

Don Mendo.                             Ja.

Don Lope. Nicht so leicht ist, was du forderst.

Don Mendo. Ich verspreche dir . . .

Don Lope.                                         Ich glaub' es,
Herr, doch kann ich nicht gehorchen;
Denn mir ziemt nicht, mit der Furcht
Zu vertragen.

Don Mendo.         Wilder! Toller!
Was denn willst du?

Don Lope.                       Tötend sterben –
Doch umsonst, daß ich es wollte;
Denn, Herr, gegen dich allein
Kann ich keinen Mut erproben.
Zittern muß ich deinem Blicke,
Schaudern muß ich deinem Tone;
Thränen wollen mich ertränken,
Seufzer wollen mich erdrosseln.
Erd' und Himmel, wann ich wage
Mit dem Schwert dich zu bedrohen,
Fühl' ich schwanken, seh' ich dunkeln.

Don Mendo. Solches Graun ist das Gefolge
Der Gerechtigkeit, die Gott
Furchtbar macht' und schreckendrohend
Dem Verbrecher.

Don Lope.                   Das ist's nicht;
Denn obwohl ich unverhohlen
Mich erkenne für Verbrecher,
Könnt' ich, gleich dem wunden, tollen
Hunde, hier die Deinen alle
Noch zerfleischen. Du nur konntest
Scheu und Furcht in mir erregen.
Deshalb muß ich dir gehorchen. (Er kniet.)
Dieses Schwert, den Flammenblitz,
Von der Spitze bis zum Knopfe
Blutig oft in meiner Hand,
Leg' ich hier besiegt zu Boden,
Während meine Lippen (weh mir!)
Küsse deinen Füßen zollen.

Don Mendo. Steh auf, Lope; denn der Himmel
Weiß gar wohl, daß ich in solchem
Schicksaldrange – du Verbrecher,
Und ich Richter! – gern, mit Wonne,
Mein Los mit dem deinen tauschte;
Denn mehr Glück würd' ich erproben,
Deine Todsgefahr erleidend,
Als erleidend meine Folter.
Doch nicht fürchte, weil ich hier
Gegen dich verfuhr mit voller
Richterstreng'; ich mußt' es thun,
Weil der König mir im Zorne
Dies gebot.

Don Lope.         Was weiß der König
Schon von mir?

Don Mendo.             Dein Vater, Lope,
Fleht' ihn wider dich um Recht.

Don Lope. Laß mein Schwert mich wieder fordern.

Don Mendo (es aufhebend). Nimmermehr! In meiner Hand
Ist es schon.

Don Lope.           O grauenvoller
Himmel! Da in ihr ich's sehe,
Zittr' ich, beb' ich bis zum Tode,
Wie einst, jenes Messer sehend.
Welche Furcht macht mich erschrocken?
Welche Zagheit macht mich beben?
Weiß ich doch, daß, wenn gedoppelt
Mich mein Vater Lügen strafte,
Ich die That auch wiederholte!

Don Mendo. Holla!

Erster Diener.         Herr?

Don Mendo.                       Mit einem Mantel
Decket das Gesicht Don Lopen,
Und auf diese Weise führet
Ins Gefängnis ihn. – Du dorten,
Komm beiseite!

Zweiter Diener.       Was befiehlst du?

Don Mendo. Daß das Aufsehn bei dem Volke
Minder sei, führ' ihn in meine
Eigne Wohnung durch die Pforte,
Die aufs Feld geht, ohne daß
Er das Wo und Wie erforsche.
Heilen laß ihn dort, indes
Ich den König vom Erfolge
Unterrichte. – (Für sich.) Welche Qual,
Welch ein Toben, Aengsten, Grollen
Drangt sich, um mit Herrschgewalt
Mein Gemüt zu unterjochen? (Alle ab.)

 


 
Zimmer im königlichen Schlosse.

Der König tritt auf.

König. Mich bedrückt der Sorge Last,
Ob Don Mendo wohl verrichtet
Das, wozu ich ihn verpflichtet;
Eh er kommt, hab' ich nicht Rast. –
Mit so unerhörtem, neuen
Frevel konnt' ein Sohn, verwegen,
Hand an seinen Vater legen,
Ohne meine Macht zu scheuen?
Doch gerechter Strenge Proben
Schauen soll heut Aragon,
Wann ich strafe diesen Sohn,
Seine Wut, sein stolzes Toben.
Das wird meiner Herrschaft frommen;
Schaun, bei Gott! soll man forthin,
Ob ich noch Don Pedro bin. –
Doch da seh' ich Mendo kommen.

Don Mendo tritt auf.

Don Mendo. Herr, mög' Eure Majestät
Mir die Hand zum Kuß gewähren!

König (ihn umarmend).
Mit Umarmung muß ich ehren
Den, der als ein Atlas steht
Meines Reichs, mit dem ich endlich
Teilen kann die schwere Plage
Dieser Bürde.

Don Mendo.           Herr, Euch sage
Mein Gehorsam, wie erkenntlich
Für die Gunst, die ich empfangen,
Ich Euch meinen Dank entrichte.

König. Da Ihr meinem Angesichte
Nahet, zweifl' ich nicht, gefangen
Ist Don Lope.

Don Mendo.         Sichre Haft
Gab ich ihm in meinem Hause,
Wo kein Mensch naht seiner Klause.

König. Nie hat Eures Eifers Kraft
Größern Dienst noch mir verliehn;
Denn ich will den Ruhm des wahren
Rechtbeschützers mir bewahren,
Und bekräft'gen will ich ihn
Bei dem furchtbarsten Verbrechen,
Das je sahn des Himmels Lichter.

Don Mendo. Niemals darf der höchste Richter
Lassen sein Gemüt bestechen
Durch des Vorgangs erste Kunde;
Denn soviel ich weiß bisher,
War die That wohl nicht so schwer,
Wie sie scheint in Klägers Munde.

König. Ist hier nicht ein Sohn vorhanden,
Der des Vaters Haupt geschlagen?
Nicht ein Vater, der mit Klagen
Wider seinen Sohn gestanden?
Mendo, was kann schwerer sein?

Don Mendo. Wahr ist alles dies vollkommen;
Doch du hast noch nicht vernommen,
Was Entschuld'gung kann verleihn
Seiner That.

König.                 Ich wäre froh,
Mendo, könnt' er mir beweisen,
Daß in meiner Herrschaft Kreisen
Keine Schuld, so neu, so roh,
So entsetzlich, so verrucht,
Sei begangen.

Don Mendo.           Dir wird klar,
Daß sie's ist anscheinlich zwar,
Doch nicht, gründlich untersucht.
Wisse denn: Don Lope, Herr,
War im Kampf mit Don Guillen,
Weshalb, konnt' ich nicht erspähn;
Doch gefangen ist auch er.
Da sein Vater nun gekommen,
Wollte Don Guillen soeben
Eine Lüge schuld ihm geben
Und war schon, von Zorn entglommen,
Im Begriff, das Wort zu sprechen,
Als, damit nicht er es wagte,
Es der Vater selber sagte.
Doch der Sohn, um sich zu rächen,
Beider Stimmen Ton vermengend,
Blind, verstört, führt' also gleich
Nach dem Gegner einen Streich,
Der vom Vater, ein sich drängend
Zwischen beid', empfangen ward;
Und so kommt es klar ans Licht:
Nach dem Vater schlug er nicht.
Doch Don Lope, der so hart
Sich vom Sohne sah mißhandelt,
Fiel, dem ersten Zorn zum Raube,
Dir zu Fuß; allein ich glaube,
Er hat längst in Reu verwandelt
Seinen Zorn und wird beklagen,
Daß er solche Rach' erstrebt.
Er ist alt und abgelebt;
Und wohl zeiget sein Betragen,
Es war Greises-Irrgeschwätz,
Was er, Herr, vor deinem Thron
Klagte gegen seinen Sohn.
Und will nun ein alt Gesetz,
Welches die Natur verteidigt:
Väter, Söhne soll man nicht
Hören vor dem Peingericht,
Wenn einander sie beleidigt;
So würd' ich nun alles hier
Niederschlagen, was geschah.

König. Und gerecht scheint dies Euch?

Don Mendo.                                           Ja.

König. Aber nicht, Don Mendo, mir.
Hingestellt sei das Vergehen,
Die Beschuldigung dazu;
Doch die Klage lass' ich zu,
Und die Schuld will ich erspähen:
Ob die Möglichkeit sich weise,
Daß, bei näherem Erwägen,
Nicht ein Sohn war so verwegen,
Nicht ein Vater so unweise.
Und Ihr, während dieser Dinge,
Nehmt den Vater auch in Wacht;
Denn ich will, daß er die Nacht
Nicht in seinem Haus verbringe. (ab.)

Don Mendo. Ich will's thun! – Gott mag mir gnaden!
Welch verworrner, wilder Schmerz
Quält mein tief bewegtes Herz?
Ich befürchte großen Schaden. (ab.)

 


 
Violantens Zimmer.

Violante und Elvira treten auf.

Elvira. Was erzeugt dir solches Leid?

Violante. Furchtsamkeit.

Elvira. Was ist's, das dich fürchten macht?

Violante. Ein Verdacht.

Elvira. Was setzt deinem Mut Beschränkung?

Violante. Harte Kränkung.
Denn so will's des Himmels Lenkung,
Daß, in meinem tiefen Schmerz,
Brechen sollen mir das Herz
Furchtsamkeit, Verdacht und Kränkung.

Elvira. Was ist's, das dein Glück bedroht?

Violante. Bittre Not.

Elvira. Was gibt's, das in Not dich triebe?

Violante. Meine Liebe.

Elvira. Sprich, was ängstet jetzt dich schon?

Violante. Unglücksdrohn.
Und da Mitleid ganz entflohn,
Weiß ich keinen Trost zu finden,
Weil sich gegen mich verbinden
Not und Lieb' und Unglücksdrohn.

Elvira. Was hält dir die Freude fern?

Violante. Ach! mein Stern.

Elvira. Dämpf' ihn eignen Glanzes Wonne!

Violante. Ist mein Stern doch selbst die Sonne!

Elvira. Sie verfinsternd, sprich ihr Hohn.

Violante. Ach! abnehmend ist mein Mon.
Drum ist Hoffnung ganz entflohn
Meiner Brust; ich bin verloren,
Denn zu meinem Sturz verschworen
Seh' ich Stern und Sonn' und Mon.

Elvira. Welches Unheil, das dir droht?

Violante. Naher Tod.

Elvira. Was bringt Tod vor deinen Blick?

Violante. Mein Geschick.

Elvira. Mache dich frei von Beschränkung!

Violante. Himmelslenkung
Wehrt es mir; so harter Kränkung
Muß ich rettungslos erliegen;
Denn wer könnte je besiegen
Tod, Geschick und Himmelslenkung? –
Laß dein Fragen, laß dein Spüren!
Denn Elvira, da ich sah
(Sind schon wieder Thränen da?)
In die Haft Don Lope führen,
Tötet mich dein ängstlich Fragen,
Was mir solche Schmerzen schafft?
Ach! bei ihm, in seiner Haft,
Sind (um nochmals es zu sagen)
Furchtsamkeit, Verdacht und Kränkung,
Not und Lieb' und Unglücksdrohn,
Stern sogar und Sonn' und Mon,
Tod, Geschick und Himmelslenkung.

Elvira. In die Wohnung meines Herrn,
Durch des Hauses Hinterthüren
Sah ich den Gefangnen führen.

Violante. O Elvira, wie so gern
Weihte meine Zärtlichkeit
Einen großen Dienst dem Armen!

Elvira. Welchen größern, als so warmen
Anteil schenken seinem Leid?

Violante. Größern noch; denn ihn in Ketten
Sehend, rings von Qual umgeben,
Muß verlieren ich das Leben,
Oder ihm das Leben retten.
So will's meiner Liebe Glut!
Gib den Schlüssel mir einmal,
Den du hast.

Elvira.                 Den Kapital
Hat mein Herr in eigner Hut;
Doch den andern nimm.

(Sie gibt Violanten den Schlüssel.)

Violante.                               Gib her,
Daß ich Rat und Trost ihm sage;
Seit ich um sein Unglück zage,
Fürcht' ich für mich selbst nicht mehr.
Warte du vor dem Gefängnis
Und zeig' augenblicklich an,
Wenn sich jemand sollte nahn. (Beide ab.)

 


 
Gefängnis.

Don Lope, der Sohn.

Don Lope. O unseliges Verhängnis!
Welch ein Kerker schauerlich,
Wohin man den Blinden sandte?
Welchen Preis, o Violante,
Kostet deine Schönheit mich!
Doch es schmerzt mich nur um dich,
Daß sich meiner Tage Schluß
Jetzt schon nahet; kein Verdruß,
Meinem Leben zu entsagen,
Quält mich; dies nur macht mich zagen,
Daß ich dir entsagen muß.

Man schließt die Thür auf; Violante tritt ein.

Violante (beiseite). Blut bedeckt sein Angesicht;
Hat er Wunden auch bekommen? –
Ha, Don Lope!

Don Lope.               Wer ist kommen,
Der hier meinen Namen spricht?
Der den Unglücksel'gen nicht
Seufzen, rufen läßt vergebens?

Violante. Die, im Drang mitleid'gen Strebens,
Solchen Schritt sich muß gestatten.

Don Lope. Meines Tods lebend'ger Schatten,
Totes Abbild meines Lebens!
Körper meiner Denkgewalt,
Seele meiner Phantasie!
Luftgebild, dem die Magie
Meiner Liebe gab Gestalt!
Stimme, meinem Ton enthallt –
Martre so mich nicht im Grimme,
Daß in leere Luft verschwimme
Körper, Seel' und Stimme!

Violante.                                     Nein!
Wie auch, sollt' ich Täuschung sein,
Hätt' ich Körper, Seel' und Stimme?

Don Lope. Es ist wahr; doch ich gestehe,
Schwankend auf des Zweifels Wogen
Glaubt' ich mich vom Traum betrogen;
Und noch zweifl' ich, was ich sehe.

Violante. Deiner Neigung mich verpflichtend,
Deinen Leiden Mitleid schenkend,
Dankbar deiner Liebe denkend,
Teilhaft deiner Schuld mich richtend,
Komm' ich, jeden Zwang vernichtend,
Dir zu sagen: diese Nacht
Wird die Thür dir aufgemacht;
Dann entfliehe du und rette
So dein Leben. – Wer nun hätte,
Selbst tot, Leben schon gebracht?

Don Lope. Seltne Tugend ward dem Saft
Jener Pflanze zugeteilt,
Die, wo Wunden sind, sie heilt
Und, wo keine sind, sie schafft.
Violante, diese Kraft
Wiederholt in dir sich eben:
Du, die mir den Tod gegeben,
Rettest mich; und so ist klar,
Du gibst Tod, wo Leben war,
Und wo Tod war, gibst du Leben.

Violante. Auch zwei Kräuter sind gefunden,
Die man als ein Wunder nennt,
Weil sie Gift sind, wenn getrennt,
Und Heilmittel, wenn verbunden.
Ihre Wirkung zu erkunden,
Blicke nur auf dich und mich:
Ohne mich stirbst du, und ich
Ohne dich. Vereine dauernd
Uns die Liebe, daß nicht, trauernd,
Jedes sterb' allein für sich! –
Ich nun, die Bericht bekommen,
Wie der König sich ergrimmt
Gegen dich, bin fest bestimmt,
Alles . . . Wird nicht Lärm vernommen?

Elvira tritt auf.

Elvira. Schnell! Dein Vater ist gekommen.

Violante. Leb wohl!

Don Lope.                 Kommst du bald? Ich flehe!

Violante. Ja, dich zu befreien.

Don Lope.                                 Wehe!
Deshalb fragt' ich nicht – o nein! –
Daß du solltest mich befrein;
Nur, daß ich dich wieder sähe.

(Violante und Elvira ab.)

 


 
Vorsaal.

Violante und Elvira treten auf.

Violante. Schließ, Elvira, diese Thür
Und entfliehen laß uns beide;
Daß in seinem Wohnbezirk
Nicht mein Vater uns ereile.

Elvira. So zu eilen, ist nicht nötig;
Denn, soviel ich unterscheide,
Trat mein Herr in Blancas Wohnung
Eher ein, als in die eigne.

Violante. Dennoch fühl' ich mich nicht sicher,
Ich will gehn und Nachricht einziehn,
Was im Hause des Don Lope
Etwa Neues sich ereignet;
Denn wie das Verbrechen mutig,
Ist die Ueberraschung feige. (ab.)

Elvira. Ich schließ' ab; dann will ich spähen,
Was es gibt.

(Sie schließen die Thür ab, durch welche sie eingetreten.)

Vicente tritt auf.

Vicente (für sich).   Hol' dich der Geier,
Du Faustschlag, du Backenstreich,
Du Maulschelle, du Ohrfeige,
Du Kinnstoß, du Nasenstüber,
Du Bartraufer, du Zahnreißer!
Wäre wohl mehr Lärm entstanden,
Hätt' auf eigne Hand gebeiert
Dort die Glocke von Velilla?

Elvira. Ei, Vicente, so in Eifer?

Vicente. Eifern muß ich wohl, Elvira;
Denn fürwahr, Zorn hab' ich reichlich.

Elvira. Und auf wen?

Vicente.                     Ach, es ist nichts!
Auf die ganze Welt, auf meine
Herrn, den jungen wie den alten.

Elvira. Weshalb?

Vicente.               Erstlich, weil sie leider
Meine Herren sind; und dann,
Weil sie so verrückt sind beide,
Daß der gibt, wo man's nicht fordert,
Und der nicht gibt und nicht schweiget;
Da doch eben, wer nicht gibt,
Nicht den Mund hat aufzureißen,
Und wer gibt, was es auch sein mag,
Nur allein darf laut sich zeigen.
Zorn hab' ich auf meine Herrin,
Weil sie seit dem Backenstreiche,
Auch wenn sie kein Salve betet,
Nichts als seufzen thut und weinen.
Zorn auf deinen Herrn, Don Mendo,
Der seit heut mit solchem Eifer
Sich ergeben der Betrachtung
Jenes hochehrwürd'gen Leidens
Der Gefangennehmung, daß er
Andachtvoll, in kurzer Weile,
Meinen Herrn fing und Guillen
Und nun, um noch mehr zu leisten,
Auch den Alten fängt. – Zorn hab' ich
Auf den König.

Elvira.                     Bist voll Weines?

Vicente. Wollt's der Himmel!

Elvira.                                     Auf den König?

Vicente. Ja. Hab' ich der Backenstreiche
Doch zweitausend wohl bekommen,
Und er quälte sich um keinen;
Und der eine, den ein andrer
Mitnahm, setzt ihn so in Eifer,
Daß er wirklich aus den Augen,
Sagt man, Basilisken speiet. –
Und zuletzt nun hab' ich Zorn
Auch auf dich.

Elvira.                     Nur dieses einz'ge
Sage mir: weshalb auf mich?

Vicente. Weil du, zwar mit allen deinen
Funfzig Sinnen mich anbetend,
Nie ein Ständchen mir geleiert,
Nie mir einen Brief geschrieben,
Nie mir nur die Hand gestreichelt.

Elvira. Sagt' ich nicht, daß Beatriz
Alles dieses mir verleidet?

Vicente. Und sagt' ich dir nicht, es sollte
Ihrenthalb kein Haar dir greisen?

Elvira. Ach, Vicente, wär' es Wahrheit,
Könnt' ich dir ein Küßchen reichen.

Vicente. Gib es mir, mit der Bedingung,
Gleich es wieder einzustreichen,
Wenn du wahrnimmst, es sei Lüge.

Elvira. Sei es! Denn auf andre Weise
Thät' es meine Vorsicht nimmer. (Er umarmt sie.)

Beatriz tritt auf.

Beatriz. Gottlob! Find' ich euch so einig?

Vicente. Beatriz!

Elvira.                 Was liegt dran?

Vicente.                                         Was?
Sehen wirst du's um ein Kleines.

Beatriz. Seid nur ruhig, meine Herrschaft;
Braucht mir kein Gesicht zu schneiden,
Noch, weil ihr beim Mausen seid,
Wie Mauskatzen wegzuschleichen.
Hab' ich's doch gesehn; was thut's?
Hier mag's wie im Sprichwort heißen:
Zieh ein andrer diesen Schuh an,
Denn ich brauch' ihn nun nicht weiter.

Elvira. Neue Schuhe trag' ich nur
Und will nicht um alte feilschen;
Mindstens nicht in Euerm Laden,
Wo von Holz sind Fuß und Leisten.

Vicente. Nun geht's los!

Beatriz.                         Was will das sagen?
Bin ich etwa, zufallsweise,
Tochter des Korsaren Holzfuß?

Elvira. Ein'germaßen!

Vicente.                       Das war beißend!

Beatriz. Diese Hände, die Ihr seht,
Sollten Euch das Schmähn verleiden,
Wüßt ich nicht, daß Ihr's nicht fühlt,
Wenn sie Eu'r Tuppeh zerreißen.

Vicente. Das war deutlich!

Elvira.                                 Ist denn etwa
Dieses Haar hier nicht mein eignes,
So wie Euer linkes Auge,
Das von Glas ist?

Beatriz.                       Was?

Vicente.                               Nicht weiter!
Sprechen wir davon nicht mehr!

Elvira. Warum nicht? Die Zähne weisen
Darf ich ihr auf alle Fälle.

Beatriz. Ja, das könnt Ihr ohne Zweifel;
Denn obwohl nicht mehr ein Kind,
Wechselt Ihr sie noch bisweilen.

Elvira. Sind hier meine Zähne falsch?

Beatriz. Sind Glasaugen hier die meinen?

Elvira. Sind dies etwa fremde Haare?

Beatriz. Und sind hölzern diese Beine?

Vicente. Halt da, zeige sie nur nicht!
Sieh doch, wo wir sind und bleiben.

Elvira. Dieser Schurke . . .

Beatriz.                               Dieser Schelm . . .

Elvira. Dieser Bube . . .

Beatriz.                           Dieser Schleicher . . .

Elvira. Hat die Schuld.

Beatriz.                         So hab' er denn
Auch den Lohn! (Sie schlagen ihn.)

Vicente.                     Ihr Damen, leiser!

Elvira. Still, man kommt!

Beatriz.                             So unterbrechen
Wir das Strafgeschäft einstweilen.

Vicente. Also denkt ihr's fortzusetzen?

Elvira. Und wie steht es mit uns beiden?

Beatriz. Lieb und hold.

Elvira.                           Mit Gott!

Beatriz.                                         Mit Gott! (Beide ab.)

Vicente. Mit dem Teufel, sollt' es heißen,
Der euch hol', ihr falschen Hexen!
Welche Sündflut derber Streiche
Ist auf mich hereingeplatzt!
Und von allem diesen Leiden
Ist das schlimmste dies: der König
Kümmert drum sich keinen Dreier. (ab.)

 


 
Blancas Zimmer. Nacht.

Der König tritt auf, vermummt; Blanca folgt ihm.

Blanca. Himmel! wer ist dieser da,
Der, da schon der Tag verglommen,
Bis hieher sich eindrängt? Ha!
Weshalb, Mensch, bist du gekommen?
Bringst du noch mehr Unheil? Ja,
Wirst du sagen, unbedingt;
Denn das Haus des Kummervollen,
Dem sich jeder Trost entringt,
Kann nur der betreten wollen,
Der noch mehr des Unheils bringt. –
Er will sein Gesicht nicht zeigen
Und antwortet nur durch Schweigen.
Beatriz, schnell, Licht herein! –
Schier zu Eis wird mein Gebein.
    (Beatriz bringt Lichter.)
Welcher Plan, Mensch, ist dir eigen?
Graun erregt mir deine Nähe.

König. Bleib allein, so wirst du's fassen.

Blanca (zu Beatriz). Ich bin furchtlos; geh nur, gehe! (Beatriz ab.).
Vor mir schau' ich so viel Wehe,
Wie ich hinter mir gelassen. –
Und noch nicht enthüllst du dich?

König. Erst verschlossen sei die Thüre. (Er schließ ab.)

Blanca. Gab es Angst, die dieser glich?
Holla!

König.       Schweige!

Blanca.                       Weh! ich spüre
Todesfrost. – Wer bist du?

König (sich enthüllend).               Ich.

Blanca. Himmel, steh mir bei! Was seh' ich?

König. Kennt Ihr mich?

Blanca.                         Mein König, wohl;
Denn aus jeglicher Verhüllung
Bricht der Sonne Glanz hervor.
Ihr, in meinem Haus, um diese
Zeit, in dieser Kleidung, so
Mich besuchend? Was befehlt Ihr?
Alles steht Euch zu Gebot.
Reißt aus diesem neuen Wirrsal,
Reißet mich heraus, um Gott!
Laßt mich wissen, Herr, ob dieser
Zuspruch Straf' ist oder Lohn.

König. Er ist weder Lohn noch Strafe,
Blanca, sondern Pflichtgebot
Meines Amts; denn Königtum
Ist doch auch ein Amt.

Blanca.                               Señor,
Welche Pflicht legt gegen mich
Königtum Euch auf?

König.                             Zuvor
Sammelt Farbe, sammelt Atem
Und Eu'r banges Herz erholt,
Blanca; denn Ihr seid, im Innern
Eurer selbst seid Ihr mir not. –
Euer Sohn hat Euern Gatten
Tief gekränkt an offnem Ort;
Euer Gatte hat, und gleichfalls
Offenkundig, Euern Sohn
Angeklagt vor meinem Richtstuhl;
Und der Fehltritt, wiederholt
Von den beiden, bringet Argwohn,
Blanca, gegen Euch hervor.
Ihr habt recht, bestürzt zu werden,
Recht, im vollsten Sinn des Worts;
Denn es ist so ungewöhnlich
Dies Verhör, daß nimmer noch
Einen gleichen Fall die Sonne
Aufschrieb mit der Strahlen Gold.
Wissen muß ich, ob es wirklich
Konnte wahr sein, daß der Groll
So hoch zwischen Sohn und Vater,
Zwischen Vater stieg und Sohn,
Daß der kränkt und der verklagt;
Und da mir Ergründung not,
Um den Fall wohl zu erkennen,
Ruf' ich Euch als Zeugin vor.
Sprecht zu mir, Euch fest verlassend
Auf die Treue meines Worts,
Daß auch nicht der kleinste Zweifel
Jemals soll Verletzung drohn
Euerm Ruf und Eurer Ehre.
Wir sind hier allein am Ort,
Und kein Mittelding sei zwischen
Eurer Stimm' und meinem Ohr.
Oder sonst – beim Himmel! Blanca,
Kommt es so weit, daß . . .

Blanca.                                       Señor,
Haltet ein! So schnell nicht schreitet
Von Gelindigkeit zum Zorn,
Von Barmherzigkeit zur Strenge
Und von Freundlichkeit zum Groll.
Denn obwohl ich in dem Kerker
Meiner Brust bis jetzt verschloß
Ein hochwichtiges Geheimnis,
Nie geahnt und nie erforscht;
Und obwohl ich fest mir vornahm,
Es zu hüten: doch, Señor,
Da ich den Verdacht gewahre,
Den Ihr anzeigt, fehlt' ich hoch,
Wenn ich's länger noch verhehlte.
Denn so edel ist mein Stolz,
So gehört mir meine Würde,
Mein Ruf meinem Gatten so,
Daß ich nicht darf wachsen lassen
Jenen Irrwahn, der mir droht.
Und deshalb bin ich verpflichtet,
Aufzuhellen dies Phantom
Euch, Señor, der Welt, dem Himmel.
Hört mich aufmerksam!

König.                                   Fahrt fort!

Blanca. Arm und dürftig war mein Vater
Und von solchem Adel doch,
Daß selbst, minder rein, die Sonne
Ihren Glanz mit seinem wog.
Sehend nun, er könne nimmer
Messen nach dem gleichen Zoll
Adel und Vermögen, dacht' er,
Mich in zarten Jahren schon
Zu vermählen; einz'ge Mitgift
Waren sie dem Schwiegersohn,
Damit seine Jahr' ergänzten,
Was gebrach an Lieb' und Gold.
Kurz, wir waren sehr verschieden
Alters, als der Bund sich schloß,
Ich im Mai und er im Jänner,
Ich die Blüt' und er der Frost.
Doch weiß Gott, ich liebt' ihn mehr
Als das Leben selbst, obwohl
Durch Gleichgültigkeit und Kaltsinn
Er nicht warb um solchen Lohn;
Denn da er gestimmt im alten,
Ich gestimmt im neuen Ton,
Hatten wir verschiedne Neigung,
Aber gleiches Pflichtgebot.
Da mir schien, daß eine Klammer
Unsrer Liebe wohl ein Sohn
Könnte sein (denn Kinder binden
Ungleichart'ge Neigung oft),
Wünscht' ich den so leidenschaftlich,
Daß zur Strafe Gott beschloß,
Keinen mir zu geben; denn,
Da er kennt das beste Wohl,
Will Vernunft, daß man um alles
Und um nichts soll flehn zu Gott.
Doch hier umgewandt die Blätter!
Uebergehen wir, Señor,
Häusliche Verdrießlichkeiten,
Mein und Lopes traurig Los,
Und vernehmt: Mein Vater hatte
Eine jüngre Tochter noch,
Die ich, um bei meines Gatten
Rauher Sinnesart mir Trost
Und Erquickung zu verschaffen,
Ein'ge Lindrung meiner Not,
Zu mir nahm in meine Wohnung.
Zur Geliebten nun erkor
Sie ein Ritter; und verdiente
Meine Demut ein'gen Lohn,
Sei es der, ihn nicht zu nennen;
Denn zur reinen Wahrheit kommt
Hierauf nichts an, und der Name
Könnt' erregen Euern Groll. –
Doch, was sag' ich? Was bedenk' ich?
Nein, zu meiner Ehre Hort
Darf ich nicht des kleinsten Zweifels
Uebrig lassen ein Atom.
Wißt: Don Mendo de Torrellas
War der Mann, der, ohn' Erfolg
Seine Glut für meine Schwester
Sehend, andern Weg erkor.
Und so bracht' ein Hausgenosse
Ihn zur Nachtzeit vom Balkon
In ihr Zimmer, wo er sicher
Sich zu ihrem Gatten schwor
Unter Anrufung des Himmels.
Sie nun glaubte seinem Wort,
Und er, der als Räuber einstieg,
Ging als Eigentümer fort.
Nachmals ward er einer andern
Gatte; denn kein Mann ist wohl,
Der nicht frevlerisch den Nutzen
Setzte vor der Pflicht Gebot.
Wen'ge Tage nach dem Vorfall
Schickt' Eu'r Vater, Herr, sofort
Als Gesandten ihn nach Frankreich;
Und so mied er Aragon,
Ohne (wie noch jetzt) zu wissen,
Was nun Ihr erfahren sollt.
Ich nun, sehend meiner Schwester
Kränklichkeit und immerfort
Sie gequält von Nervenspannung,
Wollt' erforschen ihre Not;
Und mit Bitten, und mit Schmeicheln
Und mit Thränen, welche doch
Als Beschwörungen der Liebe
Gehen selbst dem Blute vor,
Zwang ich sie, mir das zu sagen,
Was ich Euch, und dieses noch,
Daß sie, ihres Fehlers Zeugen,
Bergen müss' in ihrem Schoß
Eine Natter, welche doppelt
Nahrung aus dem Herzen sog.
Sie war meine Schwester; Mitleid
Zeigt' ich ihr, nicht Groll, Señor;
Denn vergeblich ist, zu tadeln,
Was geschehn, und hart ist's wohl,
Wenn, wer Trost und Hilfe suchte,
Zorn und Vorwurf finden soll.
Weh uns, guter Himmel! sagt' ich
Tausendmal; wo sah man schon,
Daß aus einem einz'gen Grunde
Zweien Wesen Leid entsproß?
Denn dasselbe, was für mich
Glück wär' und der reichste Lohn,
Wird zum Unglück nun für dich.
Und mit schnellem Geist erwog
Und bedacht' ich mir dies alles,
Bis sich meine List entschloß,
Ihre Plag' und meine Plage
Zum Geheimnis und zum Trost
Für uns beide zu benutzen;
Und so tauschten wir das Los:
Sie, die Schwangerschaft verhehlend,
Ich, verkündend sie sofort.
So kam des Gebärens Tag;
Wer sah seltnern Fall zuvor,
Da die eine Schmerz verhehlte
Und die andre Schmerzen log?
Laura, andre Krankheit nennend,
Fand in der Geburt den Tod,
Weil sie anders ihrer Pflichtschuld
Nicht genugzuthun vermocht.
Eine Wehfrau nahm allein
Teil an unserm Fehl, den sonst
Niemand hat bis heut erfahren,
Noch erfahren würd' hinfort;
Denn im Busen eingekerkert
Lag er unter sicherm Schloß,
Wenn nicht Ihr es bracht durch Martern,
Die Ihr meiner Ehre droht. –
Dies ist meine Schuld; zu Euern
Füßen knie' ich demutsvoll:
Werft die ganze Last des Zornes
Nur auf mich allein; denn wohl
Bin ich schuldig dieses Frevels.
Aber für den Trug, Señor,
Nehmt in Gegenrechnung, fleh' ich,
Liebe für den Gatten doch,
Liebe doch für meine Schwester;
Denket, daß, in solcher Not,
Ich die Treu' erhielt dem einen
Und der andern Ehre hob.
Endlich nun, wenn Ihr, Don Pedro,
Großer Fürst von Aragon,
Den man nennt des Rechtes Pfleger,
So an mir Euch zeigen wollt:
Sehet, hier zu Euern Füßen
Liegt mein Leben, demutsvoll.
Nicht um Gnade will ich flehen,
Nur um diesen einz'gen Lohn:
Laßt den Ruf bei meinem Tode
Kund es thun mit lautem Ton,
Daß ich täuschte meinen Gatten
Und die Welt; nur nicht jedoch,
Daß ich meiner Würd' entwich,
Daß ich ließ von meinem Stolz,
Daß ich dunkelte mein Blut,
Daß ich minderte mein Lob,
Daß ich fleckte meinen Ruhm,
Noch vergaß mein Ehrenwohl.
Denn bei Frauen meiner Art
Kann ein Fehler, wenn auch groß,
Allenfalls bestehn in Täuschung,
Aber in nichts anderm sonst.

König (für sich). O wie freut mich die Erfüllung
Meiner Ahnung, da ich schloß,
Jener Kläger sei nicht Vater,
Jener Frevler sei nicht Sohn!
Bin ich gleich in diesem Falle
Noch nicht der Verwirrung los;
Denn es bleibt mir stets dieselbe
Und dazu zwei andre noch.
Lope kränkte seinen Vater,
Nach der Meinung alles Volks;
Und nicht ziemt mir, das Geheimnis
Zu enthüllen, denn mein Wort
Bürgt Verschwiegenheit. – Don Mendo
Hinterging mit frechem Hohn
Lauras, der Verstorbnen, Ehre;
Und auch Blanca hier betrog
Ihren Gatten: drei Verbrechen,
Offen und geheimnisvoll.
Folglich, weiß ich gleich, daß jener
Nicht der Sohn ist, muß ich doch –
Lopes, Blancas, Mendos wegen
Und auch meinetwegen schon –
Oeffentlichen Missethaten
Geben öffentlichen Lohn
Und verborgnen Lohn verborgnen. –
Lebt wohl, Blanca!

Blanca.                           Schütz' Euch Gott
So viel Jahre . . .

(Man klopft an die Thür.)

König.                         Pocht man?

Blanca.                                           Ja.

König. Oeffnet denn die Thür sofort
Und sagt keinem, daß ich hier bin,
Noch auch, wer ich bin. (Er verbirgt sich.)

Blanca (öffnet).                       Wer klopft?

Don Mendo tritt herein.

Don Mendo. Ich bin's, Blanca.

Blanca.                                     Was verlangt Ihr?
Himmel, welche neue Not!

Don Mendo. Nur, um Euch zu sagen, komm' ich,
Daß Euch nichts erschrecken soll,
Was Ihr auch erblickt. In meinen
Händen liegt der Sach' Erfolg;
Und wer wagte wohl, zu sagen,
Was nicht mir beliebt?

König (hervortretend).           Ich wohl.

Don Mendo (bestürzt).
Wie? Ihr selber, Herr . . .

König.                                       Schon gut.
Gebt mir jenen Schlüssel doch
Zu dem Kerker, wo Don Lope
Sitzt gefangen.

Don Mendo (reicht ihm den Schlüssel). Hier, Señor.
Aber wisset . . .

König.                       Ich weiß alles.
Blanca, Ihr begebt Euch fort;
Ihr, Don Mendo, bleibet da.
Sehn soll mich die Welt, bei Gott!
Diese Nacht als Rechtbeschützer. (ab.)

Don Mendo. Blanca, was ist dies?

Blanca.                                           Der Lohn
Deines Frevels und des meinen,
Den uns wog des Himmels Zorn. –
Nach dem König! Fleh' um Gnade!
Ach! er weiß, daß nicht mein Sohn
Lope, daß er dein und Lauras
Sohn ist.

Don Mendo.   Nun, so helf' uns Gott!
Leben soll er, ob ich sterbe!

Blanca. Ich vergehe!

Don Mendo.             Fort nun, fort! (Beide ab.)

 


 
Saal vor dem Gefängnisse, mit einer Mittelthür und zwei Seitenthüren.

Violante und Elvira treten auf.

Elvira. Sieh doch nur . . .

Violante.                           Es muß nun sein.

Elvira. Ueberleg' . . .

Violante.                   Ich bin entschieden.

Elvira. Denke doch . . .

Violante.                       Laß mich zufrieden!

Elvira. Herrin, siehst du denn nicht ein,
Daß man glauben muß, dein Vater
Sei es, der ihn ließ entfliehn?

Violante. Wirft man auch die Schuld auf ihn,
Was denn thut's? Nicht zum Berater
Rief ich dich, drum schweige doch.
Oeffne jene Thür, geschwind!

Elvira. Ich will's thun, vor Schrecken blind. (Sie nähert sich der Mittelthür.)
Leute drinnen!

Violante.                 Warte noch,
Und eh wir das Mittel wählen,
Aufzuschließen, laß uns hier
Horchen, spähn; sonst könnten wir
Unsern Endzweck leicht verfehlen,
Wenn wohl durch die andre Thüre
Jemand ins Gefängnis trat
Und man so den Zweck der That,
Ohne daß sie glückt, erführe.
Leg' ans Schlüsselloch dein Ohr
Und gib acht.

Elvira (horchend).   Auf diese Weise
Hör' ich nichts; sie sprechen leise.
Ohne Worte dringt hervor,
Schwirrend, nur des Tones Flug.

Violante. Fort da! Ich will sehn, ob mein
Ohr etwas vernehme. (Sie horcht.) Nein!
Doch der Lärm ist stark genug,
Um die Oeffnung nicht zu wagen,
Viele Leute sind's.

Elvira.                           Auch ich
Hörte so.

Don Mendo tritt auf.

Don Mendo.   Weh über mich!

Violante. Herr, was fehlt dir?

Don Mendo.                           Kann ich's sagen?
Doch, ich kann's; verzeihe mir!
Wahrlich, meiner Plagen Last,
Bei wem fände sie wohl Rast,
Fände sie nicht Rast bei dir?
Wie viel Leiden uns bedrohn!
Lope – weh, ich bin verloren! –
Ist von Blanca nicht geboren,
Ist dein Bruder und mein Sohn.

Violante. Welch ein Wort! Es starrt mein Blut!

Don Mendo. Und ich komm', im festen Streben,
Aufzuopfern Ehr' und Leben,
Fürstengunst und Rang und Gut,
Daß ihm Freiheit werd' errungen.

Violante. Mir auch, eh ich dies gewußt,
Ward vom Rettungstrieb die Brust
Bei des Armen Not durchdrungen. –
Still ist in dem Zimmer hier
Das Geräusch, das man gemacht.
Ich will öffnen. (Sie nähert sich der Mittelthür.)

Don Mendo.             Mit Bedacht!

Don Lope, Sohn (drinnen). Ich Unseliger! Weh mir!

Don Mendo. Grausen weckt mit Recht dir Armen
Dieses klägliche Gewimmer.

Violante. Mich verstört's! Ich kann das Zimmer
Nicht mehr öffnen.

Don Lope (wie vorhin).   Gott, Erbarmen!

Don Mendo. Gib den Schlüssel mir; obwohl
Dieser Schrei mich ganz entmutigt,
Will ich öffnen.

Violante (Gibt ihm den Schlüssel). Nimm ihn; Tod
Hat mein Leben schon bezwungen.

(Man pocht an beide Seitenthüren.)

Don Mendo. Horch! Vor dieser Thür und jener
Wird zugleich gepocht, gerufen.

Violante. Wer mag's sein? O hilf uns, Himmel!.

Don Mendo. Oeffnen will ich diese; hurtig!
Oeffne jene Thür.

Beide schließen auf. Durch Don Mendos Thür treten ein Don Lope, der Vater, und Vicente; durch Violantens Thür Blanca und Beatriz.

Don Lope, Vater.         Der König
Heißt mich, Euch, Don Mendo, suchen,
Um von Euch hier zu empfangen
Kunde des gerechten Spruches,
Der mir soll genugthun.

Blanca.                                 Ich,
Violante, komm' und suche
Trost bei Euch für diese Qualen,
Die voreilend mich verwunden.

Vicente. Und ich, mich in alles mengend,
Folge nur dem andern Zuge.

Don Mendo. Der Monarch, Don Lope, gab
Mir von keinem Urteil Kunde.

Violante. Schlecht wird die Euch trösten können,
Blanca, die selbst Tröstung suchet.

Don Mendo. Doch vielleicht verbirgt des Königs
Urteil sich in jener Stube,
Wo gefangen sitzt Don Lope.

Er schließt die Mittelthür auf. Das Hinterzimmer ist erleuchtet; man erblickt Don Lope, den Sohn, erdrosselt auf einem Stuhle, in seiner Hand ein Rapier.

Don Mendo. Was erblick' ich?

Blanca.                                     Grauses Unbild!

Violante. Welch ein Jammer!

Vicente.                                 Welch ein Greuel!

Beatriz. Welche Marter!

Elvira.                             Welches Unrecht!

Don Lope, Vater. Aller Haß und aller Groll
Löst sich auf in Gram und Kummer.

Don Mendo. Ist die Schrift in seiner Hand,
Lope, Zeugnis jenes Spruches,
Den ich Euch mitteilen soll:
Leset selbst; denn mich umdunkelt
Solches Grauen, daß ich muß,
Wie ein Bild von Eis, verstummen. –
(Beiseite.) O mein Sohn! die längst verschobne
Straf' ist dies für mein Verschulden.
Doch es berge diese Stimme
Sich in Innern meines Busens!

Blanca (beiseite). Ha! zur schweren Strafe wird
Mir das Werkzeug meines Truges.
Wehe mir! Doch diese Qual
Muß die Seele schweigend dulden.

Don Lope, Vater (nimmt das Rapier ans der Hand des Toten und liest).
»Wer dem, der ihm Vater war,
Kränkung zufügt, Schmach und Unbill,
Sterb'; und sterben soll ihn sehn,
Wer ein reines Blut verunehrt;
Und beweinen seinen Tod
Auch, wer sich bedient des Truges;
Drei Vergeltungen in einer
So verbindend für drei Schulden.«

Alle. Und um alle fernern Mängel
Mögt den Dichter ihr entschuld'gen!


 << zurück