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1.
Ich lehnte auf Venedigs Seufzerbrücke,Siehe geschichtliche Bemerkungen I.
An deren Enden Kerker und Palast,
Ich sah wie aus der See in seinem Glücke
Es einst sich hob mit Zauberschlage fast,
Von tausend Jahren fühlt' ich mich erfaßt:
Die Glorie lächelte aus fernen Tagen,
Als manches Land auf jenen stolzen Mast
Des Löwen sah, deß Schwinge es geschlagen,
Und groß Venedig stand von Inseln hoch getragen.
2.
Es stand wie Cybele, als frisch dem MeereSabellicus bedient sich bei Beschreibung des Anblicks von Venedig dieses Bildes, das nicht poetisch wäre wenn es nicht wahr wäre. Quo fit ut qui superne urbem contempletur, turritam telluris imaginem medio Oceano figuratam se putet inspicere.
Entstiegen einst mit goldner Thürme Kranz,
In luft'ger Weite, majestät'scher Wehre,
Der Wasser Herrscherin und auch Popanz;
Den Töchtern gab es ihre Mitgift ganz
Aus Völkerraub; aus Asiens reichen Kästen
Floß ihm in's Haar der Edelsteine Glanz,
In Purpur stand's; bei seinen hohen Festen
Saß mancher König stolz, zu sein von seinen Gästen.
3.
Verklungen sind hier Tasso's zarte LiederSiehe geschichtliche Bemerkungen II.
Und schweigend rudert nun der Gondolier,
Paläste bröckeln zum Kanale nieder,
Und an das Ohr schlägt nicht Musik mehr hier.
Dies ist dahin! doch nicht der Schönheit Zier.
Starb Reich und Kunst, Natur sollt' nicht entschweben;
Noch ist vergessen, wie Venedig schier
Die Feste einst für alle Welt gegeben,
Der Erde Schauspielhaus, Italiens Maskenleben.
4.
Uns aber mag's noch weitern Zauber tragen,
Als ihm Geschichte leiht und jenes Heer
Von mächt'gen Schatten, die da nächtlich klagen
Um den vergangnen Glanz der Stadt am Meer.
Wir haben hier manch Denkmal hoch und hehr,
Das nicht mit dem Rialto wird zerfallen:
Shylok, den Mohren und zuletzt Piër,
Sie sind der Schlußstein jener stolzen Hallen;
Ist Alles auch vorbei, sie sehen wir noch wallen.
5.
Des Geistes Kinder waren nie von Erde;
Unsterblicher Natur, erzeugen sie
In uns ein Sein von höh'rem, bess'rem Werthe,
Von fröhlicherer Glut und Harmonie,
Wie das Geschick dem Leben bietet nie
In unsrer ird'schen Knechtschaft bösem Stande.
Den Schmutz verbannt, ersetzt uns Poesie,
Sie tränkt das Herz, deß erste Blüt' verbrannte
Und füllt mit neuem Trieb die leer gewordnen Lande.
6.
Jüngling und Greis wird sie zur Zufluchtsstätte,
Ihm weil er hofft, dem weil er hoffnungsleer,
Nach jeder Seite schleudert sie Bouquette,
Zu diesem Blatt auch beugt sie mild sich her;
Doch Wirklichkeiten gibt's, die wiegen mehr
Als Poesie: in Farben und Gestalten
Weit reizender als jede Wundermähr
Und als der Muse seltenstes Entfalten,
In jener weiten Welt, die unter ihrem Walten.
7.
So Etwas sah' ich, träumt' ich – doch mag's ziehen!
Es kam wie Wahrheit und schwand hin wie Traum.
Was es auch war, ich sah es mir entfliehen;
Ich könnte Andres setzen in den Raum,
Noch gährt in mir gar manche Form von Schaum,
Die passen könnte zu des Geistes Streben,
Auch das fahr' hin – denn die Vernunft hält kaum
So tollen Wahn für ein gesundes Leben,
Und andre Stimmen nahn und andre Bilder schweben.
8.
In andern Zungen sprach ich, fremden Blicken
Ward ich nicht fremd; doch kann Veränd'rung nicht
Den Geist, der gleich sich bleibt, bestricken.
Ein Land mit Menschen find'st du ohne Licht,
Auch ohne solche kommen wol in Sicht.
Ein Land gebar mich, auf das stolz die Leute
Nicht ohne Grund; und müßte ich Verzicht
Jetzt leisten auf dies Land, das Niemand's Beute,
Und suchen in der See mir eine Heimat heute –
9.
Vielleicht ich liebt' es sehr; und müßt' ich quälen
Den Leib in einen Boden, der nicht sein,
Die Seele holt ihn dort, darf sie einst wählen
Den Zufluchtsort. Ich hoffe, daß man mein
Und meiner Verse denket im Verein
Mit meines Landes Sprache. Wenn dies Hoffen
Zu kühn, zu überschwenglich sollte sein,
Wenn Ruhm und Glück bei mir von gleichen Stoffen,
Daß rasches Wachsthum erst, dann Mehlthau sie betroffen –
10.
Wenn mich Vergessen aus dem Haus geschlossen,
Wo man die Todten ehrt – ich nähm's nicht quer!
Um bess're Häupter soll der Lorbeer sprossen,
Des Sparters Grabschrift dien' auch mir zur Ehr':
»Sparta hat bess're Söhne noch als er.«
Ich suche keine Gunst und brauche keine;
Die Dornen, die mich stachen tief und schwer,
Sind von dem Baum, den ich gepflanzt im Haine,
Ich wußte, welche Frucht aus solcher That erscheine.
11.
Die Wittwe Adria klagt um den Gatten!
Jetzt gibt's alljährlich keine Trauung mehr,
Der Bucentaur liegt da und fault im Schatten,
Der Wittwenschaft vergess'ne Zier und Wehr';
Der Löwe zwar steht noch wie einst am Meer,Siehe geschichtliche Bemerkungen III., IV., V., VI.
Jedoch als Spottbild von vergangnem Glanze,
Dort wo ein Kaiser flehte um Gewähr,
Wo Kön'ge neidisch schauten nach dem Kranze,
Den stolz Venedig trug im großen Völkertanze.
12.
Der Schwabe bat, jetzt herrscht der Lotharinger,
Ein Kaiser strampft, wo Einer einst gekniet,
Provinzen wurden Kreise, ja geringer,
Um freie Städte klirrt der Kette Glied,
Die Völker sanken aus dem Luftgebiet,
Wo sie nur kurze Zeit sich durften sonnen,
Wie die Lawine, die vom Gletscher flieht.
Ein Stündchen nur von Dandolo die Wonnen,Die Antwort der Mutter des lacedämonischen Generals Brasidas, als man ihr den Fall ihres Sohnes pries.
Dem blinden Heldengreis, als er Byzanz gewonnen!
13.
Noch auf San Marco glühn die erz'nen Rosse,
Im Sonnenlicht erglänzt ihr goldnes Haar;
Doch ging nicht in Erfüllung Doria's Glosse?
Sie sind »gezäumt!« Venedig mit! Es war!!
Dahin der Freiheit dreizehnhundert Jahr'!
Wie Meerschilf sinkt's, wo es einst aufgestiegen,
Doch besser Meer-verschlungen ganz und gar
Und frei vom Feinde in der Tiefe liegen,
Als durch Ergebung sich in schnöder Ruhe wiegen.
14.
In seiner Jugend Tyrus, neu erstanden,
Von Ruhm umstrahlt, nach seinem Sieg benannt: –
»Des Löwen Pflanzer,«Das heißt des Löwen von San Marco, der Fahne der Republik, woher das Wort Pantalon – Piantaleone, Pantaleon, Pantalon. weil's mit starken Handen
Ihn aufgepflanzt an manchem fernen Strand,
Viel Sklaven machend, selbst als frei bekannt,
Europa's Bollwerk vor dem Ottomanen,
Candia bezeugt's, dies Troja zweiter Hand!
Es zeugen's uns Lepanto's stolze Fahnen,
Was auch die Zeit verwischt, sie werden stets uns mahnen.
15.
Statu'n von Glas – zerschellt die lange Kette
Der todten Dogen, nun in Staub gekehrt!
Doch wo sie wohnten, die erhabne Stätte,
Spricht von der Pracht, die sie beschirmt, gemehrt.
Ihr Scepter Moder und in Rost ihr Schwert,
Wich fremder Macht. Es zeugen leere Hallen
Und öde Straßen, die der Feind entehrt,
Nur zu sehr von Venedig's tiefem FallenSiehe geschichtliche Bemerkungen VII.
Und daß um seinen Reiz sich Trauerwolken ballen.
16.
Als einst Athen vor Syracus erlegen
Und Tausende das Loos in Ketten schlug,
Da ward die Muse Attika's zum Segen,Plutarch erzählt diese Geschichte im Leben des Nicias.
Ihr Lied allein das Lösegeld ertrug.
Schau, wie der Hymne thränenschwerer Flug
Besiegend hemmt des Sieges stolzen Wagen,
Der Zügel fällt, das Schwert thut einen Zug
Und löst die Bande, die die Sklaven tragen,
Heißt sie dem Dichter Dank für ihre Freiheit sagen!
17.
So – hättest du nicht Bess'res anzusprechen,
Wär' ganz verwischt, Venedig, deine That –
Müßt' deine Kett' des Dichters Name brechen,
Dein Tassocultus retten deinen Staat
Und dich befrei'n. Schmachvoll in hohem Grad
Ist dein Geschick für die Nationen alle,
Für dich besonders, Meerespotentat!
England, vergiß das Meerkind nicht! Beim Falle
Venedig's – deines denk' trotz deinem Wasserwalle.
18.
Ich liebt' Venedig seit den Knabenjahren,
Es war mir eine Stadt voll Zauberdunst,
Wie Wassersäulen aus dem Meer gefahren,
So heiter, reich, so heiß von Liebesbrunst
Und Otway's, Redcliff's, Schiller's, Shakespeare's Kunst,Das gerettete Venedig; die Geheimnisse Udolpho's; der Geisterseher; der Kaufmann von Venedig; Othello.
Sie hatten mir sein Bild in's Herz gegossen
Und fand ich's gleich so jämmerlich verhunzt.
Es war mir lieb, ja lieber schmerzumflossen,
Als da's ein Schaustück war, ein Wunder uns erschlossen.
19.
Ich kann's mit der Vergangenheit beleben
Und auch die Gegenwart mag Aug' und Geist
Genug Betrachtenswerthes, Schönes geben
Und mehr vielleicht, als anfangs sie verheißt;
Ja von der schönen Zeit, die ich verreis't,
Gab mir Venedig doch die schönsten Tage
Und hat sie an mein Wesen fest geschweißt:
Es gibt Gemüther, die nicht Zeit noch Plage
Erschüttern kann, sonst wär' mein's todtkalt ohne Frage.
20.
Doch ihrem Wesen nach wächst ja die Tanne
Auf höchstem Fels, am höchsten stets empor,
Wo kaum sie wurzelt auf der schmalen Spanne,
Die sie zum Halt vor Stürmen sich erkor.
Dies Wenige nützt sie zu ihrem Flor,
Bis ihre Höhe würdig ist der Berge,
Aus deren Blöcken sie gekeimt hervor,
Und Riese wird aus kleinem schmächt'gen Zwerge,
So wächst auch unser Geist, so wachsen seine Werke.
21.
Ertragen kann man's Leben, seine Schmerzen,
Denn seine Wurzel gründet tief, und faßt
Auch in verheerten, ausgedörrten Herzen;
Stumm trägt ja das Kameel die schwerste Last,
Der Wolf stirbt schweigend, ohne Zucken fast.
Dies Beispiel ist uns nicht umsonst gegeben!
Wenn so ein wilder, plumper Erdengast
Aushält und nicht erliegt, kann ich auch streben
– Es ist ja nur ein Tag! – zu tragen dieses Leben.
22.
Jed Leiden tödtet oder wird getödtet
Selbst durch den Leidenden – dann ist's gethan!
Der Eine kehrt, von Hoffnung frisch geröthet,
Dahin zurück, von wo er nahm die Bahn
Und fängt von Neuem sein Gewebe an;
Der Andre welk und vor der Zeit gebrochen,
Sinkt mit dem Rohr, das er erfaßt im Wahn,
Da wird gekämpft, gebetet und gekrochen,
Je, wie die Pulse stark und wieder schwächer pochen.
23.
Doch wird man überschüttet stets mit Leiden,
So zeigt sich Was wie Scorpionenstich,
Kaum sichtbar, doch getränkt von Bitterkeiten;
Es braucht nicht viel, so fällt zurück auf dich,
Was gern dein Herz für immer stieß von sich:
Ein Ton, ein Lied, ein Strahl, ein Frühlingsregen,
Ein Blümchen, Lüftchen, blauer Meeresstrich
Kann uns verwunden und den Draht bewegen,
Der uns elektrisch hält und uns durchzuckt mit Schlägen.
24.
Wie? und Warum? Wir wissen's nicht, noch lassen
Die Blitze sich verfolgen bis zum Herd,
Doch fühlen wir die Schläge, sehn die Gassen
Von schwarzem Brande, wo sie eingekehrt,
Und aus Alltäglichem kaum nennenswerth,
Wenn wir nicht träumen solche grausen Dinge,
Beschwören Geister sie, die Niemand wehrt,
Die kalt, selbst todt nun nahn auf neuer Schwinge,
Die wir beklagt, geliebt, zu viel – doch zu geringe. –
25.
Doch meine Seele schweift! Ich muß sie rufen,
Damit sie hier betrachte den Verfall,
Selbst schon Ruine auf Ruinenstufen;
Wo Staaten sanken, Größe nur noch Schall,
Ein Land betrachte, das einst überall
Befahl, und noch als lieblichstes darf gelten,
Die Meisterform für diesen Erdenball,
In die man gießt die Freien und die Helden,
Die Schönen, Tapfern, ja die Herrn von allen Welten;
26.
Die Männer Rom's, die König-Demokraten! –
Italien! du jetzt und immer hold,
Weltgarten bist du, Heimat aller Saaten,
Die uns Natur und Kunst gewähren wollt',
In deinem Elend selbst ein funkelnd Gold,
In deinem Unkraut schön, in deiner Oede
Von reich'rer Frucht, als manches Land verzollt,
Ein leuchtend Wreck, Ruin' in Abendröthe
Von unbeflecktem Reiz, den Alter nur erhöhte.
27.
Der Mond erscheint, doch ist's nicht Nacht geworden,
Die Sonne noch mit ihm den Himmel theilt,
Ein Meer von Glanz entströmet seinen Pforten,
Und auf Friulis' blauen Bergen weilt
Der Himmel rein, und jede Farbe eilt,
In Eine große Iris sich zu gießen,
Dort wo der Tag in Ewigkeit sich keilt,
Und um Dianen's Silberschild zu fließen,
Der Sel'gen Insel wol, ein's von den Paradiesen.
28.
Ein Stern allein noch steht bei ihr und theilet
Mit ihr die Herrschaft in dem Himmelsraum,
Und glänzend noch ein sonnig Meer verweilet
Dort auf der rhät'schen Alpen höchstem Saum;
So streitet Tag mit Nacht, bis bald im Zaum
Natur sie hält. Die Brenta fließet leise,
Ein Purpur färbt der Welle leichten Schaum,
Wie abgesandt aus frischer Rosen Kreise
Und spiegelt glühend sich in ihres Stroms Geleise.
29.
Des Himmels Antlitz ist's, das von der Ferne
Sich liebend nieder zu dem Wasser senkt,
Und von der Sonne bis zu jenem Sterne
Es tief mit allen seinen Farben tränkt.
Jetzt wechseln sie, ein bläss'rer Schatten hängt
Den Mantel um's Gebirg. Der Tag im Scheiden
Stirbt dem Delphin gleich: jeder Athem schenkt
Ihm neue Farben, die ihn hold bekleiden,
Die schönste kommt zuletzt, dann kommt das Grau bei Beiden.
30.
Ein Grab ist in Arquà, wo hoch getragen
Von Säulen schwebt ein schöner Sarkophag.
Der Laura sang, ruht dort von seinen Plagen,
Und Mancher, der entzückt vom Lerchenschlag
Des Dichtermunds, weiht hier ihm einen Tag.
Er hob sein Land und seine Sprache wieder,
Die unterm Joche roher Feinde lag,
Zum Baum mit Laura's Namen kniet' er nieder,Siehe geschichtliche Bemerkungen VIII., IX.
Und gab ihm Lebenssaft, sich Ruhm durch seine Lieder.
31.
Sein Staub ruht in Arquà, wo er verschieden,Diese Schilderung mag Denen phantastisch oder übertrieben erscheinen, welche nie einen orientalischen oder italienischen Himmel gesehen haben; es ist aber dennoch nur ein getreues, ja nicht einmal ausreichendes Gemälde eines Augustabends (des 18.), wie ich ihn auf einem meiner vielen Ritte, an den Ufern der Brenta, bei La Mira gesehen habe.
Dem Dorf der Berge, wo dahin in's Thal
Der Jahre schwand sein letzter Tag hienieden.
Es ist ihr Stolz und auch ihr Ruhm zumal,
Daß sie sein Haus und seines Grabes Maal
Dem Fremdling, der den Ort besuchet, weisen,
Einfach sind beide, würdig. Ihre Wahl
Stimmt besser mit dem Sang des Dichtergreisen,
Als wollten sie Petrarc durch einen Tempel preisen.
32.
Der stille Ort, wo er die Ruh' gefunden,
Ist wie von der Natur für die gemacht,
Die gründlich ihre Sterblichkeit empfunden
Und was sie einst gehofft, geliebt, gedacht
In solchem Schatten längst zu Grab gebracht,
Wo in der Fern' geschäftige Städte blinken,
Die nicht mehr locken mit des Lebens Pracht
Und wo die Sonnenstrahlen, die wir trinken,
Uns als das schönste Fest an jedem Morgen winken.
33.
Da wo sich Berge, Blumen, Blatt entfalten,
Geschwätzig hell der Bach vorüberflieht,
Da kann sich uns die Stunde froh gestalten,
Und wenn hierin das Auge Trägheit sieht,
Liegt doch Moral in solchem Hirtenlied:
Denn wenn die Welt uns richtig lehrt zu leben,
So lehrt zu sterben solch ein still Gebiet;
Hier hilft kein Schmeichler, noch kann Beistand geben
Die Eitelkeit; der Mensch muß ganz allein hier streben;
34.
Mit Gott muß er, vielleicht mit Teufeln kämpfen,Man kann ebenso leicht mit Dämonen kämpfen, wie mit seinen besseren Gedanken. Satan wählte die Wüste zur Versuchung des Heilands; und unser fleckenloser John Locke zog die Gegenwart eines Kindes einer vollständigen Einsamkeit vor.
Die lähmen besserer Gedanken Kraft
Und trübe Herzen mehr noch nieder dämpfen,
Die frühe schon, weil allzu dick ihr Saft,
Stets gern geweilt, wo Furcht und Dunkel gafft',
Die sich verdammt zu einem Dasein halten,
An dem das Elend nicht nur flüchtig schafft,
Wo Sonne Blut, zum Grab die Welt gespalten,
Das Grab schon Hölle ist, und die voll Nachtgestalten! –
35.
Ferrara, deine grasbewachs'nen Straßen,
Die nicht für Einsamkeit so schön geführt,
Scheint's wie ein Fluch verödend zu durchblasen,
Ein Fluch, der deinen Fürsten nur gebührt,
Den stolzen Este's, die dich einst erkürt,
Die ihre Macht gezeigt in deinen Mauern
Und die, wie eben Laune sie gespürt,
Den Mann bald hochbeglückt, bald machten trauern,
Deß Stirn' – nach Dante zwar – ein Lorbeer durft' umschauern.
36.
Ja, Tasso ist ihr Ruhm und ihre Schande.
Horcht seinem Sang, dann schaut sein Kämmerlein!
Torquatos' Ruhm, erkauft um Narrenbande!
Hier schloß Alfonso seinen Dichter ein.
Der schuftige Despot, als er durch Pein
Den hohen Geist zu dämpfen nicht vermochte,
Da machte er mit Narren ihn gemein,
Wo ihn die Hölle in Verzweiflung kochte;
Jedoch sein Ruhm zerriß die Nacht, die hier ihn jochte.
37.
Das Herz der Zeiten hängt an diesem Namen!
Der deine faulte in Vergessenheit,
Im schlechten Staub, den dein berühmter Samen
Noch übrig ließ, wärst du nicht eingereiht
In sein Geschick, daß deiner Schlechtigkeit
Man denkt mit der Verachtung ganzer Galle.
Alfons, wie sinkt dein stolzes Herzogskleid!
Du wärst – gezeugt in einem niedren Stalle –
Zum Sklaven Deß kaum recht, den würgte deine Kralle.
38.
Du da, zu essen, quälen und zu sterben,
Wie Vieh hinfährt, nur daß du einen Trog
Von bess'rer Form und Fülle durftest erben;
Er, dem der Lorbeer um die Stirn' sich bog,
Deß Ruhm schon damals durch die Welt hinflog,
Trotz seiner Feinde, trotz der Crusca Geier,
Trotz Boileau, den krumm die Mißgunst zog,Siehe Geschichtliche Bemerkungen X.
Bei jedem Sang, der dämpfte Frankreichs Leier,
Die Zähnefletschmusik, das drähtene Geleier.
39.
Nun, Friede sei mit Tasso's armem Schatten!
Im Leben war und Tode er das Ziel,
Das gift'ge Pfeile sich erwählet hatten;
Jedoch umsonst! – er bleibt uns doch Virgil.
Millionen jährlich zeugt der Liebe Spiel,
Doch lange kann die Flut der Menschheit wallen,
Bis solch ein Geist dem Schooß der Zeit entfiel,
Und wenn Millionen sich zusammen ballen,
Es wächst doch keine Sonn' aus diesen Strahlen allen!
40.
Groß bist du wol, doch von den Landsgenossen
Vollauf erreicht, die vor dir schon geglänzt,
Die Ritterthum und Hölle uns erschlossen.
Erst ward dort die »Komödie« bekränzt,
Dann hat sie mit »Orlando« schön ergänzt
Der Barde, der des Südens Scott gewesen,
Der eine neue Schöpfung uns kredenzt,
Und, wie wir's auch im Nord-Arioste lesen,
Die Damen sang, den Krieg, Romantik, Ritterwesen.
41.
Einst riß der Blitz von Ariosto's BüsteSiehe Geschichtliche Bemerkungen XI., XII., XIII.
Den Lorbeerkranz aus kaltem Eisenguß.
Das Element bewies kein falsch Gelüste;
Den ächten Lorbeer trifft kein Donnerschuß,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XI., XII., XIII.
Ihn weihet nur des Ruhmes hehrer Kuß,
Der Büste Stirn umgab ein falscher Flimmer.
Doch, macht der Schlag dem Grübelnden Verdruß,
So wisse er: die Blitze heil'gen immer,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XI., XII., XIII.
Um jenes Haupt weht nun ein doppelt heil'ger Schimmer.
42.
Italien! ach dir wurde einst verliehen
Der Schönheit Gabe, die so oft betrügt.
All' deine Leiden sind hieraus gediehen,
Das Unglück hat die Stirne dir gepflügt,
In Flammenlettern Schmach zu Schmach gefügt.
O wüßtest wen'ger du die Lust zu wecken,
Wärst mächt'ger du, daß blutig du's gerügt,
Daß mit dem Schwert du könnt'st die Räuber schrecken,
Die schrei'n nach deinem Blut und deine Thränen lecken!
43.
Dann wärst du mehr gefürchtet, wärst hingegen
Nicht so begehrt, ein einfach friedlich Land,
Und nicht bejammert deiner Reize wegen.
Dann stürzten nicht mehr von der Alpen Wand
Bewehrte Ströme nach des Po'es Strand,
Um Blut und Wasser raubend draus zu trinken;
Dann schützte dich nicht fremder Krieger Hand,
Daß du, ob Sieg, ob Niederlagen winken,
Von Freund und Feind umstrickt, als Sklave müßtest sinken.Die Stanzen 42 und 43 sind mit Ausnahme von ein Paar Linien eine Uebersetzung des berühmten Sonetts von Filicaja: Italia, Italia, o tu cui feo la sorte etc.
44.
Als ich noch jung war, zog auch ich die Pfade,In dem bekannten Brief, den Servius Sulpicius an Cicero über den Tod seiner Tochter schrieb, wird der Weg, den ich in Griechenland oft zu Wasser und zu Land gemacht habe, so wie er damals war und noch heute ist, geschildert.
Die einst der Freund des Marcus Tullius fuhr,
Des größten Geist's von Rom, und zum Gestade
Schwamm ich dahin auf Wellen von Azur;
Da kam Megara's wohlbekannte Flur,
Aegina dann, rechts des Pyräus Stätte,
Jetzt links Corinth; ich lag bei dieser Tour
Im Vorderschiff und sah die Trümmerkette
Gerade wie einst er gesehen die Skelette.
45.
Denn Niemand hob die alten Hallen wieder:
Barbaren hausen auf dem heil'gen Grund,
Und machen uns nur theurer jene Glieder,
Die letzten Strahlen aus des Lichtes Bund,
Gesunkner Größe schwachen Rest und Fund.
Der Römer sah zu seiner Zeit die Spuren,
Die Städtegräber in Verderbens Schlund;
In seinem Buche schildert er die Touren,
Und liest uns die Moral, geschöpft aus jenen Fluren.
46.
Dies Buch liegt vor mir; aber in dem meinen
Kommt noch, was seither seinem Land geschah,
Zu den Ruinen, die er mußt' beweinen,
Und die ich ganz zerstört, verödet sah.
Was damals Schutt war, liegt noch heut' so da,
Doch ach! nun beugt auch Rom in gleicher Schande,
In gleichem Staube seine Stirne ja.
Da liegt die Riesenform, zerschellt im Sande,Poggio bricht beim Anblick des zerstörten Rom vom capitolinischen Hügel in die Worte aus: Ut nunc omni decore nudata, prostrata jacet, instar gigantei caveris corrupti atque undique exesi.
Der Rest von einer Welt, noch warm im Aschenbrande.
47.
Jedoch dein Unrecht sollte widertönen,
Italien! durch jedes andre Land!
Wie einst der Waffen, Mutter jetzt des Schönen!
Einst schirmte uns, jetzt führt uns deine Hand;
Der Kirche Born! an dem die Erde stand
Und gläubig um des Himmels Schlüssel flehte!
Europa wird bereuen deinen Brand,
Wird dich erlösen, und nach blut'ger Fehde
Die Barbarei zerstreun, die lang genug dich schmähte.
48.
Doch Arno winkt uns nach den Marmorhallen,
Wo das etrurische Athen entzückt,
Und sanfter schon die Pulse in uns wallen,
Von reicher Hügel holdem Kreis beglückt,
Wo Korn man, Trauben und Oliven pflückt,
Aus Ueberfluß erwächst ein lachend Leben.
An jenen Ufern, die der Arno schmückt,
Hat Handel sich ein Stelldichein gegeben
Und todte Wissenschaft erstand zu neuem Streben.
49.
Hier liebt die Marmorgöttin selbst und breitetSiehe Geschichtliche Bemerkungen XIV.
Der Schönheit Rosenduft umher, den wir
Mit Wonne athmen, und der in uns leitet
Ein Tröpfchen der Unsterblichkeit von ihr;
Es fällt der Schleier von dem Himmel schier,
Wir stehn im Saal und schaun in Form und Zügen,
Was einem Menschen möglich war wie wir
Und neiden, die geschaffen dies Vergnügen,
Um jenen innern Blitz, der solchen Reiz konnt' fügen.
50.
Wir schaun, und drehn uns weg, um uns zu fassen,
Geblendet, trunken von der Schönheit Licht,
Und können doch die Stätte nicht verlassen,
Wo uns die Kunst an ihren Wagen flicht.
Gefangen stehn wir, nein! wir gehen nicht!
Still, still! kein Wort! kein eitel Kunstgeschwätze,
Des Marmormarktes albernen Bericht,
Wo Narr mit Schulfuchs zankt! Wir sehn die Schätze!
Aug', Blut und Herz fällt tief in jene Paris-Netze.
51.
Erschienst dem Schäfer du in solchem Bilde?
Dem noch beglückteren Anchises? – wie?
Trafst du in deiner Gottheit reichster Milde
So des besiegten Kriegsgotts Phantasie,
Wenn er nach dir, gesunken an dein Knie,
Wie nach 'nem Stern die trunknen Blicke wandte
Und Nahrung sog aus deines Aug's Magie,Ὀφϑαλμοὺς ἐστιᾶν.
Atque oculos pascat uterque suos. Ovid. Amor. lib II.
Indeß dein Mund von Lavaküssen brannte,
Die er auf's Auge dir, auf Stirn' und Lippen sandte?
52.
Von stummer Liebe glühend und umgossen,
Und, nicht im Stand, trotz aller Göttlichkeit,
Das auszudrücken, was die Lieb' erschlossen,
Geht's Göttern selbst wie Menschen jeder Zeit;
Auch wir schaun Stunden, die der Götter Neid,
Doch fällt auf uns die Last der Erde wieder.
Gleichviel! wir schaffen solche Seligkeit;
Aus Schaun, Ersinnen werden Götterglieder,
Die dann in deiner Form zu uns sich lassen nieder.
53.
Geübtern Fingern, seinen Künstlerhänden
Und ihren Affen überlass' ich gern,
Zu zeigen, wie auf Biegungen der Lenden
Und üppig Schwellen sich verstehn die Herrn;
Sie mögen schildern ihres Pudels Kern;
Ich möchte, nicht befleckt durch diese Igel
Den Himmel sehn, wo strahlet dieser Stern,
Der schönste Traum, den je ein Zauberspiegel
Vom Himmel holt', und goß in einer Seele Tiegel. –
54.
In Santa Croce's heil'gen Hallen liegenSiehe Geschichtliche Bemerkungen XV., XVI., XVII., XVIII., XIX., XX.
Gebeine, die sie heiligen noch mehr,
Staub, der an sich unsterblich und gediegen,
Obschon hier nur Vergangnes rings umher,
Nur Theilchen von dem hohen Sternenheer,
Das in das Chaos nun zurückgesunken.
Alfieri's, Angelo's. und Andrer mehr,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XV., XVI., XVII., XVIII., XIX., XX.
Des Galilei letzte Sternenfunken
Und Macchiavelli's Staub hier bei einander prunken.Siehe Geschichtliche Bemerkungen XV., XVI., XVII., XVIII., XIX., XX.
55.
Vier Geister sind dies wie die Elemente,
Die selbst schön eine Welt hervorgebracht.
Italien! den Purpur von der Lende
Riß dir die Zeit; jedoch die höh're Macht
Hat keinem Lande so wie dir gelacht
Und Geister selbst aus Trümmern steigen lassen;
Ja strahlenreich selbst noch in deiner Nacht
Belebst, verklärst du, die zerfallnen Massen,
Heut' ist Canova dir, was einst die Götterrassen.
56.
Wo aber ruhn die drei Etrusker Dichter:
Dante, Petrarca und der Prosaist,
Der, kaum geringer als die andern Lichter,
Decameron's gewalt'ger Schöpfer ist?
Wo ist das Grab, das jener Größe mißt,
Die todt und lebend ragten aus der Menge?
Ist's möglich, daß Carrara sie vergißt?
Kein Standbild ehrt die Meister solcher Sänge?
Ist für der Söhne Staub die Mutterbrust zu enge?
57.
Undankbares Florenz! – Dante schläft ferne,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XV., XVI., XVII., XVIII., XIX., XX.
Wie Scipio am grollenden Gestad'.Siehe Geschichtliche Bemerkungen XV., XVI., XVII., XVIII., XIX., XX.
In ihren Fehden, unter bösem Sterne
Verjagte der Parteien wilder Rath
Den Heros, dem als Dichter, Mann der That,
Nun Kindes Kinder huldigen in Reue.
Auch der Petrarca's hohe Stirn' umsaht,
Der Lorbeer wuchs aus fremder Lieb' und Treue,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XV., XVI., XVII., XVIII., XIX., XX.
Du gabst ihm weder Ruhm noch selbst die letzte Streue.
58.
Boccacce vermachte seinem Vaterlande
Den Leib; und liegt er bei den Großen jetzt?
Er löste der toskan'schen Zunge Bande,
Hat ihre Sprache in Musik gesetzt.
Ward er mit einem Requiem geletzt,
In dieser Prosa, die er lyrisch machte?
Nein! und sein Grab selbst ward gestört, zerfetzt,
Hyäne Frömmelei es soweit brachte,
Daß man ihn dahin stieß, wo Niemand seiner dachte.
59.
Ja, Santa Croce'n fehlt ihr Grabgerüste;
Doch dieser Mangel schreit mit Donnerton,
Wie Cäsar's Schauspiel ohne Brutus' Büste
Laut mahnen mußt' an Roma's größten Sohn.
Ravenna trug ein besser Loos davon:
Der lang Verbannte ruht an seinem Strande,
Der große Dante! und ein gleicher Lohn
Ward in Petrarc – Arquà's geweihtem Sande,
Indeß Florenz, umsonst ersehnt, was es verbannte.
60.
Was thut es mit dem Kram von Edelsteinen,
Mit all dem Jaspis, Lapis und Agath,
Die es vergeudet auf den Todtenbeinen
Von Krämerfürsten? – Jenes Thaues Saat,
Der, wenn, der Tag den bleichen Sternen naht,
Leis' auf die Gräber sinkt der großen Todten,
Die schon ihr Name stolz als Gruft umfaht,
Wird mit mehr Ehrfurcht weggestreift vom Boden,
Als einer Fürstengruft ein Höfling je geboten.
61.
Es mag noch mehr der schönen Dinge geben
In Arno's Dom so kunstreich, königlich,
Wo in die Wette Maler, Bildner streben,
Noch mehr der Wunder – aber nicht für mich.
Weit mehr, schon aus Gewohnheit, liebe ich,
Was die Natur auf freiem Feld mir bietet,
Als Kunst in Galerie'n; wenn Bild und Stich
Mich auch erregt, bin ich nicht recht befriedet,
Weil andre Waffen mir des Geistes Glut geschmiedet.
62.
Ich schweife lieber dort bei Thrasimene
Am Seegestad', im tiefen Défilé,
Wo röm'sche Hitze sich verbrannt die Mähne;
Da fällt mir bei des Punier's Idee,
Der listig zwischen Hochgebirg' und See
Das Römerheer in seine Schlingen lockte,
Wo es getroffen der Verzweiflung Weh'.
Das Wasser fast von Römerblute stockte
Und durch die Eb'ne hin das stolze Heer zerflockte –
63.
Gleich einem Wald vom Bergwind hingeschmettert
Und so groß war der Sturm an jenem Tag,
So blind die Wuth, die Alles hingewettert
Und Blut nur sah, daß mitten im Gejag'
Die Erde bebte unter inn'rem SchlagSiehe geschichtliche Bemerkungen XXIII.
Und Keiner doch ihr ernstes Schütteln spürte,
Das Gräber aufriß für die Frucht, die lag,
Die statt des Grabtuchs einen Schild erkürte!
So grimmig war der Haß, der diese Völker schürte!
64.
Als eine Barke ihnen war die Erde,
Die rollend zu der Ewigkeit sie trug,
Da sahen sie, wie rings das Wasser gährte,
Doch spürten nicht den Stoß an Stern und Bug,
Ihr Geist war so aus aller Ordnung Fug',
Daß er nicht wahrnahm der Gebirge Dröhnen,
Den Vogel, der zur Wolke nahm den Flug,
Weil schon sein Nest zerbarst, der Heerde Stöhnen,
Die schwanke Fluren trat, – nur Schlachtruf hört' er tönen. –
65.
Ganz anders ist das heut'ge Thrasimene!
Sein See ein Silberstück, die weite Flur
Gespalten nur durch fleiß'gen Pfluges Zähne;
So dicht nunmehr die alte Baumcultur,
Wie einst die Todten an der Wurzel Spur.
Ein Bach von schmalem Bett und schwacher Fährte
Nahm von dem Blutbad blut'gen Namen nur:
Der »Sanguinetto« sagt, wo einst die Erde
Von Todten ward genetzt und roth das Wasser gährte.
66.
Doch du, Clitumnus, regst die sanften WellenKein Reisebuch unterläßt es, sich über den Tempel des Clitumnus, zwischen Foligno und Spoleto, auszusprechen; in der That ist auch keine Scenerie in Italien einer Beschreibung würdiger. In Betreff der Zerstörung dieses Tempels siehe: Historische Erläuterungen über den 4. Gesang des Childe Harold, S. 35.
Hell wie Krystall und wie lebendig schier,
Asyl der Nymphen, die an trauten Stellen
Drin schaun und kühlen ihrer Glieder Zier,
Am Ufer hin, wo grast der weiße Stier,
Der reinste Gott der reinsten aller Fluten,
In deren Anschau'n Mensch sich freut und Thier,
Nie sah der Strom Geschlagene verbluten –
Ein Spiegel nur und Bad für hold verschämte Gluten.
67.
Noch wahrt an deinem glücklichen Gestade
Ein Tempel klein, jedoch in Formen fein,
Auf eines Hügels sanfter Esplanade
Dein Angedenken. Unten fließet rein
Und still dein Lauf; oft hüpfet aus und ein
Der Flossenschütze mit den Silberschuppen,
Der wohnt und jauchzt in dem krystallnen Schrein,
Indeß zerstreute Wasserliliengruppen
Zu seicht'rem Wasser ziehn, das Märchen summt für Puppen.
68.
Den Geist des Ortes laßt nicht ohne Segen!
Er ist's, wenn du des Lüftchen's heitres Band
Um deine Stirne fühlst sich traulich legen,
Und wenn du schau'st das frische Grün am Rand,
Wenn Kühle träufelt auf des Herzens Brand
Und rein es wäscht von diesem staub'gen Leben.
Und hielte auch nur Stunden lang Bestand
Das Taufbad der Natur – er hat's gegeben!
Ihm müßt ihr dankbar sein, wenn Sorgen euch entschweben.
69.
Horch! Wasser rauschen! Von dem Felsenhange
Stürzt der Velino in den hohlen Schlund:
Ein Wasserfall! Schnell wie des Blitzes Schlange
Zuckt er hinab, erschüttert tief den Grund
Der Höllenwasser, wo sie heulen rund
Und zischen, sprühn in Qualen nicht zu enden,
Indeß der Angstschweiß ihrer Todesstund'
In Perlen tropft von schwarzen Felsenwänden,
Die wild den Schlund umstehn und rings Entsetzen senden.
70.
Zum Himmel spritzt der Gischt, dann fällt er wieder
In einem Schauer, der nicht enden will,
In einer Wolke seinen Regens nieder,
Für diesen Fleck ein ewiger April.
Schaut unten das smaragdene Gequill'!
Wie tief der Schlund! Wie tanzt in tollen Sätzen
Das Element von Fels zu Fels Quadrill,
Zerdrückt Gestein zernagt's und reißt's in Fetzen,
Bis dies in tiefster Kluft es durchläßt mit Entsetzen.
71.
Schau rückwärts nach der breiten Wassersäule,
Mehr eines Meeres jungem Gotte gleich,
Der vom Gebirge unterm Schmerzgeheule
Von Weltentbindung stürzt zum Wasserreich,
Zum Vater wird er schnell von manchem Teich,
Und von den Bächen, die durch's Thal sich winden.
Schau, schau! er kommt, wie um mit einem Streich
Hinwegzufegen, was ihn könnte binden.
Wie schön! Ein Katarakt, wie keiner mehr zu finden.Ich sah die Cascata del marmore zu Terni zwei Mal zu verschiedenen Zeiten; einmal von der Spitze des Felsen aus und dann wieder vom Thal unten. Die letztere Ansicht ist bei Weitem vorzuziehen, wenn der Reisende nur zu Einer Zeit hat. Beide Ansichten sind mehr werth als alle Wasserfälle der Schweiz zusammen: Staubbach, Reichenbach, Pisse Vache, Arpenaz. Vom Rheinfall bei Schaffhausen kann ich nicht sprechen, da ich ihn nicht gesehen habe
72.
Ja, schrecklich schön! jedoch im Morgenglanze
Sitzt eine Iris auf gar luft'gem Stand,Ueber Zeit, Ort und Eigenschaften dieser Art Regenbogen wird eine Note bei »Manfred« Näheres bringen. Der Wasserfall sieht so sehr wie eine Hölle aus, daß Addison glaubte, er sei gemeint, wo von Alecto's Sturz in die Regionen der Hölle die Rede ist. Merkwürdigerweise sind zwei der berühmtesten Wasserfälle in Europa, der des Velino und einer bei Tivoli, künstlich. Es wird dem Reisenden sehr empfohlen, den Velino aufwärts zu gehen, wenigstens bis zu dem kleinen See Pie' di Lup. Das Reatiner Gebiet war das italienische Tempe (Cicero. Epist. ad Attic. XV. lib. IV.) und der alte Naturforscher bemerkt unter anderen Schönheiten die täglichen Regenbogen am Velinus See. (Plin. Hist. Nat. lib. II. cap. LXII.) Ein Gelehrter von Ruf hat dieser Gegend allein eine Abhandlung gewidmet. (Ald. Manut. de Reatina Urbe Agroque, ap. Sallengre, Theasaur. tom. I. p. 773.
Zu beiden Seiten in dem Höllentanze,
Wie Hoffnung auf des Todtenbettes Rand,
In festen Farben ist sie ausgespannt;
Indeß die Wasser Alles rings zerreißen,
Bleibt unversehrt ihr heiter strahlend Band,
Der Liebe gleich, die trotz Geknurr und Beißen
Die Tollheit überwacht, durch nichts sich ab läßt weisen.
73.
Und wieder bin ich auf den Apenninen,
Den jungen Alpen. Hätt' ich nicht vorher
Geschaut der alten mächtigere Zinnen,
Wo Föhren starren wie des Berges Speer
Und die Lawine brüllt – ich staunte mehr;
Ich aber sah der Jungfrau Schnee sich heben,
Des bleichen Montblanc blasses Gletschermeer
So nah wie fern hoch in den Wolken schweben
Und in Chimari dann die Donnerhügel beben –
74.
Einst hießen sie Acrokeraunien's Berge –
Dann sah die Adler ich auf dem Parnaß,
Wie Berggespenster prüfen ihre Stärke,
Sie stiegen auf bis in der Wolken Naß;
Den Ida schaut' ich über Troja blaß;
Athos, Olymp, dann Aetna, Atlas machten,
Daß solche Höhn mir schienen nur ein Spaß,
Die's nicht einmal zu ew'gem Schneee brachten.
Soracte mahnt' allein, daß wir des Dichters dachten.
75.
Einsam steigt diese Höhe aus der Fläche,
Wie eine Welle, die zerbersten will,
Und aufgethürmt noch sinnt, ob sie wol breche.
Mag der, dem die Erinnerung hält still,
Citiren hier ein classisches Idyll
Und mit Latein die Hügel rings erwecken,
Mir war zu widrig dieses Eingedrill
Und meiner Jugend ein zu großer Schrecken,
Als daß Horaz zu lieb' das Zeug mir konnte schmecken.Ich möchte hiermit ausdrücken, daß wir der Sache müde werden, ehe wir ihre Schönheit begreifen, daß durch die didactische Behandlung in einem Alter, wo wir die Schönheit der Darstellung noch nicht fühlen und verstehen, die Frische abgestreift und das künftige Vergnügen zerstört wird; daß, um jene recht zu genießen, eine bessere Bekanntschaft mit dem Leben wie mit der Sprache der Römer und Griechen erforderlich ist, als wir in einem solchen Alter besitzen. Aus demselben Grunde haben wir mehrere der schönsten Stücke von Shakespeare nie recht genießen können, weil man sie uns schon im 8. Lebensjahre als Gedächtnißübung eingebläut hat. In mehreren Städten des Festlands wird die Jugend an gewöhnlicheren Schriftstellern unterrichtet und die Lectüre der Classiker für das reifere Alter aufgespart. Ich will damit dem Orte meiner Erziehung nicht zu nahe treten. Niemand kann anhänglicher an Harrow sein, als ich es stets gewesen bin. Ich brachte dort die glücklichste Zeit meines Lebens zu, und mein Lehrer, Dr. Joseph Drury, war mein bester und würdigster Freund, dessen Ermahnungen ich mich nur zu wohl, obschon zu spät erinnerte, und dessen Rath ich stets befolgte, wenn ich gut oder weise handelte.
76.
Ich mag jetzt nicht mehr der Arz'nei gedenken,
Die täglich damals mir den Kopf bedrückt,
Und lernt' ich gleich mich besser drein versenken,
So hat mir's doch den Sinn zu sehr zerstückt,
Zu gründlich meiner Jugend Plan verrückt;
Die Frische wich, eh' ich noch konnt' genießen.
Was ich gesucht und was mich wohl beglückt,
Wenn frei die Wahl, jetzt kann mir's nicht mehr sprießen,
Zuwider ist es mir, Dank den gelehrten Spießen!
77.
So leb' denn wohl, Horaz, den ich so haßte,
Doch nicht weil du, nein! nur weil ich' gefehlt,
Es war ein Fluch, daß ich dein Lied nicht faßte,
Und mich mit Satz und Regel nur gequält.
Doch malt kein Moralist uns so gewählt
Des Lebens Gang, sein Handwerk so kein Barde,
Nie hat Satire beißender geschmäht,
Sie weckt das Herz, doch ohne böse Scharte.
Dennoch fahr' wohl, Horaz! hier auf Soracte's Warte.
78.
O Rom, mein Vaterland! Stadt meiner Seele!
Die Herzenswaisen wenden sich zu dir,
Ihr kleines Elend weicht in seine Pfähle,
Schaut's dich, einsame Weltenmutter hier.
Wie ärmlich unser Lied in dem Revier;
Schaut die Cypresse! Horcht dem Schrei der Eulen,
Palast und Tempelschutt ihr Nachtquartier,
Wollt ihr ob eines Tages Uebel heulen?
So bresthaft wie ihr selbst, sind dieses Weltreichs Säulen.
79.
Der Völker Niobe! da seht die Arme
In stummem Schmerze Kinder-, Kronenleer,
Die leere Urne in dem welken Arme,
Den heil'gen Staub verstreuet rings umher!
Des Scipio Grab hat keine Asche mehr,Eine Erläuterung dieser und der 2 folgenden Stanzen findet sich in den historischen Erläuterungen etc., S. 46.
Die Grüfte selbst sind ledig ihrer Sassen,
Die Heldenleichen Raub des Ungefähr!
Du strömst, o Tiber, nur durch Trümmermassen,
Nimm lieber deine Flut und deck' die öden Gassen.
80.
Christ, Gothe, Zeit und Krieg, die Flut, das Feuer
Hat oft die Siebenhügelstadt verheert.
Sie sah erbleichen Alles was ihr theuer:
Wo des Triumphes Wagen eingekehrt,
Da stampfte des Barbarenfürsten Pferd.
Palast und Tempel stürzten nah und fern,
Ruinenchaos! Wie ist's doch erschwert,
Zu suchen hier mit forschender Laterne!
Wer sagt: Hier war's! Hier ist's – wo Nacht und keine Sterne!!
81.
Ja, doppelt Nacht, die eig'ne und der Zeiten;
Unwissenheit hat Alles tief verhüllt.
Wir fühlen nur, daß wir im Dunkel schreiten,
Gar manche Karte hat das Meer gefüllt,
Das Firmament ist uns genau enthüllt,
Doch Rom ist Wüste, voll Erinnerungen,
Wir stolpern drüber und gar Mancher brüllt
Und jauchzt: Ich hab's! ich hab's! – aus vollen Lungen,
Wenn irgendwo ein Schein aus dunklem Schutt gedrungen.
82.
Ach die erhabne Stadt! ach die dreihundertOrosius schätzt die Zahl der Triumphe auf 820. Panvinius folgt ihm hierin und diesem Gibbon und andere moderne Schriftsteller.
Triumphe Rom's und jener große Tag,
Da Brutus' scharfer Dolch ward mehr bewundert,
Als eines Cäsars kühnster Schwertesschlag!
Ach um Virgil, um Tullius ich klag',
Um Livius' Bilderbuch – doch daraus eben
Steigt Rom auf's neu, so tief's auch liegen mag.
So wird die Welt die Stirne nie mehr heben,
Als da das freie Rom auch Freiheit konnte geben.
83.
O du, der fuhr auf der Fortuna Wagen,
Triumphherr Sulla, der erst unterjocht
Des Landes Feind, eh' Rechnung du getragen
Dem Rachedurst, der heiß in dir gekocht,
Der altes Unrecht ahnden nicht gemocht,
Bis deine Adler stürzten Asien's Throne,
Vor dessen Blick Senates Herz gepocht,
Ein Römer warst du trotz Verrath und Hohne,
Denn sühnend gabst du hin, was mehr als Erdenkrone:Wenn Sulla nicht diese zwei Züge aufzuweisen hätte, so müsste man ihn als ein Ungeheuer betrachten, dessen Unthaten durch keinerlei bewundernswürdige Züge aufgewogen wären. Seine freiwillige Entsagung mag uns aber ebenso mit ihm aussöhnen, wie sie die Römer mit ihm aussöhnte; denn wenn sie ihn nicht geachtet hätten, würden sie ihn dann vernichtet haben. So aber mußten alle denken wie Eucrates, daß sein scheinbarer Ehrgeiz nur Liebe zum Ruhm und sein Stolz wahrhafte Seelengröße gewesen sei. –
84.
Ja, des Diktators Kranz! O konnt'st du ahnen,
Daß eines Tags einschrumpfen könnt' zu nichts,
Was dich so hoch erhob? daß fremde Fahnen
An Rom geübt die Stunde des Gerichts,
Am ew'gen Rom, der Stadt des Weltgewichts,
Das nur zu Siegern seine Söhn' erzogen,
Deß Schatten eine Welt beraubt des Lichts,
Das zu des Horizontes fernstem Bogen
Die Schwingen hob und dem man Allmacht angelogen.
85.
Sulla war Siegesfürst, jedoch die Krone
Der Umsturzherrschaft kommt dem Cromwell zu:
Er warf Senate weg, und aus dem Throne
Hieb er den Block mit aller Seelenruh'.
Wie viel Verbrechen kostest, Freiheit du!
Und du auch, Ruhm, nach dem so Viele trachten!
Sein Schicksal zeigt, wie die Vergeltung thu':
Am gleichen Tag gewann er einst zwei Schlachten,
An dem ihn einst der Tod auf ewig sollt' umnachten.
86.
Desselben Monats Dritter, der vor JahrenAm 3. September gewann Cromwell die Schlacht bei Dunbar, ein Jahr später die bei Worcester, welche seine Thaten krönte; und wenige Jahre später starb er an demselben Tage, den er immer für seinen glücklichsten gehalten hatte.
Ihn fast gekrönt durch seinen Doppelsieg,
Er nahm ihn sanft vom Throne der Cäsaren
Und legte ihn zu andrem Staub, der schwieg.
So lehrt' der Himmel, daß ihm Ruhm im Krieg
Und Alles was wir sonst für herrlich halten,
Was Mancher erst nach saurer Müh' erstieg,
So schön nicht dünkt als friedliches Erkalten;
Dächt' so der Mensch, wie süß würd' sich sein Loos gestalten.
87.
Du aber, finstres Steinbild, noch vorhanden
In strengster Bildung nackter Majestät,
Einst von der Mörder blut'ger Schaar umstanden,
Als Cäsar lag, an dir dahin gemäht
Und in dem Mantel, sterbend sich gedreht,
Ein Opfer an der Nemesis Altare,
Vor der kein Mensch, ja selbst kein Gott besteht, –
Sankst nicht auch du, Pompejus, auf die Bahre?
Ihr Sieger aller Welt, war't ihr nur Puppenwaare?
88.
Du, Wölfin Rom's, vom Blitz getroffne Amme,Siehe geschichtliche Bemerkungen XXIV., XXV., XXVI.
Der aus der Erzbrust der Erob'rung Gift
Selbst hier noch zischt wie eine grelle Flamme,
Wo man als Denkmal alter Kunst dich trifft,
Du Mutter jenes Geists, den nach der Schrift
Der Gründer Rom's gesaugt aus deinen Zitzen,
Versengt von Jovis scharfem Pfeilesstift
Und wüst geschwärzt von seinen grimmen Blitzen,
Hüt'st du die Jungen noch in ihren alten Sitzen?
89.
Du thust's! Doch, ach! Dahin sind deine Kinder,
Die Eisenmänner! und die kalte Welt
Schuf Städte aus dem Grab der Ueberwinder;
Man äffte nach, um was einst sie zerschellt,
Man focht darum auf manchem blut'gen Feld,
Doch konnte Keiner gleiche Macht erreichen.
Ein eitler Mann nur that's, jedoch ein Held,
Der zwar noch nicht sich zählet zu den Leichen,
Doch der sich selber schlug, ein Sklave seines Gleichen;
90.
Der Narr vermeinter Herrschaft, eine Sorte
Von Bastard-Cäsar, der mit hitz'gem Schritt
Dem Aechten nachlief, seinem Ziel und Horte,
Der doch geformt nach minder ird'schem Schnitt,Siehe geschichtliche Bemerkungen XXIV., XXV., XXVI.
Mehr leidenschaftlich, doch besonnen mit
Des Herzens Schwächen wußte zu versüßen
Durch seinen Tact und milde Art und Sitt'.
Heut' lag er wol Cleopatra zu Füßen,
Doch morgen mußt' als Herrn ihn eine Welt begrüßen.
91.
Er kam, er sah, er siegte! – Doch der Quere,
Der seinen Adler gerne fliegen ließ,
Wie Jäger Falken vor der Gallier Heere,
Die er zum Siege lange mit sich riß,
Besaß ein Herz, das stets sich taub erwies
Dem eignen Ruf, bis er sein Spiel verspielte,
Der Schwächen schwächste ihn zum Abgrund riß,
Koketter Ehrgeiz, Eitelkeit! – Er zielte –
Nach was? Wußt' er es denn, wonach er griff und schielte?
92.
Wollt' Alles oder Nichts sein, konnt' nicht warten,
Bis ihn das Grab dem Boden gleich gemacht;
Nur wenig Jahre hielt er Cäsarsfahrten
Des Cäsar's hier! – Darum des Bogens Pracht,
Den er erbaut, darum so manche Schlacht,
Die Thränen und der Erde Blut in Wogen,
Wie eine Sündflut, wo kein Noah wacht,
In dessen Arche Alles eingezogen.
Erneu're du, o Gott, doch deinen Regenbogen!
93.
Was ernten wir aus diesem dürren Leben,
Wo eng die Sinne und Vernunft so schwach,
Das Dasein kurz, die Wahrheit kaum zu heben
Und Alles durch Gewohnheit stumpf und flach?
Wo Meinung eine Allmacht, deren Dach
Sein Dunkel wirft auf alle grünen Matten,
Damit der Zufall Recht und Unrecht mach',
Die Menschen ja kein Urtheil sich gestatten,
Und Freisinn Sünde bleib', und Alles hübsch im Schatten?
94.
So mühen wir uns ab in trägen Nöthen
Und faulen hin vom Vater bis zum Sohn,
Stolz auf die Schmach, und lassen uns drin tödten;
Als unser Erbe bleibt nur Grimm und Hohn
Der nachgebornen Sklavengen'ration,
Die sich befehden um das Gold der Kette
Und lieber bluten, wie die Alten schön
Als Gladiatoren auf derselben Stätte,
Als daß der Freiheit Geist sie aufgerüttelt hätte.
95.
Nicht von dem Glauben sprech' ich – diese Frage
Sei zwischen Mensch und Schöpfer ausgemacht, –
Nein, vom bekannten Elend aller Tage,
Dem Joch, womit wir zweifach sind bedacht,
Der zugestandenen Tyrannenmacht,
Dem Ukas dieser Herrscher, die die Affen
Deß, der den Stolz zur Demuth einst gebracht,
Und aus dem Schlaf riß die gekrönten Laffen;
Genug des Ruhms für Ihn, wenn Er nur dies geschaffen!
96.
Kann ein Tyrann nur den Tyrannen schlagen?
Ersteht der Freiheit weder Sohn noch Held,
Wie in Columbia's schönen Freiheitstagen,
Als sie gewappnet aufstieg in die Welt?
Wächst solch ein Geist nur unterm Wüstenzelt,
Im Urwald und beim Sturz der Wassermasse,
Wohin Natur einst Washington gestellt
Als zartes Kind? Hat keine solche Rasse
Die Erde mehr, fehlt nur Europen diese Klasse?
97.
Frankreich trank Blut und zeugte draus Verbrechen,
Sein wilder Taumel ward verhängnißvoll;
Er mußte rings der Freiheit Sache schwächen,
Denn jene Tage mörderisch und toll,
Der schnöde Ehrgeiz, der aus ihnen quoll
Und einen Wall vor unsre Hoffnung stellte,
Und jener Prunk, der noch zuletzt draus schwoll,
Sie wurden Vorwand, daß uns Knechtschaft fällte
Und uns zum zweiten Mal – den Sünden-Fall gesellte.
98.
Doch immer noch, wenn auch zerrissen wehet
Dein Banner, Freiheit, gegen Wind und Nacht
Und deine Stimme, die gebrochen stehet,
Tönt lauter doch als selbst des Sturmes Macht;
Verloren hat der Baum der Blüten Pracht,
Die Rinde ward zerhauen von dem Beile,
Doch blieb der Saft, der Keim ruht tief im Schacht,
Im Norden selber stecken Freiheitskeile,
So bringt wol bess're Frucht der Lenz in kurzer Weile.
99.
Ein finstrer Thurm besteht aus alten Zeiten,Es ist hiermit das Grabmal der Cecilia Metella gemeint, das jetzt Capo di Bove heißt. Siehe Historische Erläuterungen S. 200.
Stark wie 'ne Burg, mit einem Quaderwall;
Vergebens mag ein Heer dawider streiten,
Der Zinne Hälfte liegt schon im Verfall,
Uralter Epheu schlingt sich überall
Ein Band der Ewigkeit; die Blätter weben
Noch immer fort in ihrem reichen Schwall.
Was war der Thurm? was schützte seine Gräben?
Was birgt sein Schlund? den Rest von einem Frauenleben.
100.
Doch wer war Sie, die Dame dieser Stätte,
Der Todtenburg? War sie wol keusch und hold,
Werth eines König's, eines Römer's Bette?
Sind starke Helden ihrem Schooß entrollt?
Erbt' eine Tochter ihrer Schönheit Gold?
Wie lebte, liebte, starb sie? Ihrem Wesen
Ward deshalb wol hier solche Ehr' gezollt,
Wo niedre Reste nicht gedurft verwesen,
Weil ungemeines Loos wir sollten hieraus lesen?
101.
War sie von Denen, die die Gatten lieben,
Von Denen, die sich Andrer Gatten weihn?
Auch einst gab's solche, so steht es geschrieben.
Durft' an Cornelia würdig sie sich reih'n?
War bei Cleopatra mehr ihr Gedeihn?
Gab sie Genuß? stritt sie mit Macht dagegen?
Lauscht' sie des Herzens süßen Schmeichelei'n?
Ließ sie sich klug durch Liebe nie bewegen
Und in Verderben ziehn, wie alle Lieben pflegen?
102.
Vielleicht sie starb noch jung, vielleicht an Leiden,
Die schwerer als ihr wuchtig Grab gedrückt,
Sie sah Gewölk mit ihrer Schönheit streiten,
Ihr dunkles Aug' von Blitzen wol durchzückt,
Sie ahnte wol das Loos, womit beglückt
Der Himmel seine Liebsten: – frühes Sterben?Ὅν οἱ ϑεοὶ φιλοῦσιν, ἀποϑνήσκει νέος·
Τὸ γὰρ ϑανεῖν οὐκ αἰσχρὸν, ἀλλ' αἰσχρῶς ϑανεῖν.
Rich. Franc. Phil. Brunck. Poetæ Gnomici, p. 231, ed. 1784
Ward sie vom Abendsonnengold geschmückt,
Den bösen Rosen, die die Schmächt'gen erben
Und die der Wange Schnee wie Laub im Herbste färben?
103.
Vielleicht sie starb schon alt und überlebte
Verwandtschaft, Kinder, Reiz – des Silbers Grau
Im langen Haar, das noch zu mahnen strebte
An jene Zeit, wo man es flocht zur Schau,
Und wo das Kleid, die holde Form der Frau
Von Rom geschaut, gepriesen ward, beneidet?
Jedoch Vermuthung schweift im Nebelthau,
Gewiß ist nur: Metella's Schatten schreitet
Um diese Gruft, die Stolz, die Liebe ihr bereitet.
104.
Weiß nicht, wie's kommt – doch steh' ich an dem Grabe,
Ist mir's, als ob ich die Bewohnerin
Vor langer Zeit gekannt, gesprochen habe;
Wie alte Lieder kommt es mir zu Sinn,
Doch ernster als sie tönten im Beginn,
Wie Donnerton, der starb in fernen Winden.
Ich könnte sitzen auf der Epheuzinn'
Bis aus dem Wreck, das ließ der Sturm dahinten,
Die heiße Phantasie Gestalten mocht' entbinden.
105.
Da baut' ich aus den weit verstreuten Planken
Ein kleines Hoffnungsboot, um noch einmal
Mich mit dem Ocean herumzuzanken
Und mit des Sturmes wildem Bacchanal,
Der hinstürmt an des Strands verlass'nem Pfahl,
Wo Alles drauf ging, was mir lieb und theuer.
Doch fänd' ich hier auch reiches Material
Für meinen Kahn, wo kehrt' ich hin mein Steuer?
Mich freut nur Eines noch: des Sturmes Ungeheuer!
106.
So mögen denn die Winde um mich heulen
Und ihr Gestöhn sei fortan mir Musik!
Die Nacht mag's mildern mit dem Schrei der Eulen,
Wie jetzt sie schrei'n im bleichen Lichtesblick
Dort aus dem Nest der wüsten Republik,
Die überm Paladin hinschmettert die Fanfare
Und glotz'gen Auges, katzengrau und dick,
Die Flügel schlägt. – An solchem Hochaltare
Was heißt da unsre Noth? – Ich schweig' mit meiner Waare.
107.
Cypressen, Epheu, Rohr und Goldlack flechten
Sich hier zusammen; Hügel heben sich,
Wo einst Gemach, Thor, Säule fiel den Mächten;
Gewölbe drohn, der Freske Glanz verblich
Im feuchten Winkel, wo im Abendstrich
Die Eule schreit. – Was war's? – Bad, Tempel, Halle?
Erklär's wer kann! – Was der Gelehrten Schlich
Herausgebracht, war: daß es Mauern – alle!
Ach diese Kaiserburg zeugt, daß der Größte falle!Der Palatin ist eine Masse Ruinen, besonders auf der Seite gegen den Circus Maximus. Der Boden ist ganz aus zerbröckeltem Backstein gebildet. Historische Erläuterungen, S. 206.
108.
Das ist der Witz der menschlichen Geschichte,Der Verfasser des Lebens des Cicero hat, indem er die Ansicht der Engländer über diesen Redner und seine römischen Zeitgenossen bespricht, folgende beredte Stelle: Bei ihrem Gespötte über die Barbarei und Elendiglichkeit unserer Insel, kann man nicht umhin, an das merkwürdige Geschick der Reiche zu denken. Wie liegt nun dieses Rom, das einst die Herrin der Welt, der Sitz von Kunst, Macht und Ruhm war, in Schmutz, Unwissenheit und Armuth versunken, Sklavin des grausamsten und verächtlichsten Tyrannen, des Aberglaubens und religiösen Betrugs, während dieses ferne Land einst der Spott und die Verachtung des feinen Römers, der glückliche Sitz der Freiheit, der Wissenschaft, des Handels geworden ist etc. Geschichte des Lebens des M. T. Cicero, sect. VI. vol. II. p. 102.
Der sich erneut in ew'gem Einerlei:
Freiheit zuerst, dann Ruhm; wenn der zu Nichte,
Reichthum, draus Laster, Schande, Barbarei;
Und der Geschichte lange Litanei
Kennt nur dies Blatt, das hier am hellsten worden,
Wo aufgehäuft die Gier der Tyrannei
Die Schätze, Lüste, Reize aller Sorten
Für Aug' und Ohr und Herz und Seele – weg mit Worten!
109.
Komm' her! bewundre, spotte, lache, weine!
Für jed' Gefühl erbietet Stoff sich dir,
Du Pendel zwischen Lachen und Gegreine!
Weltreiche faßt und Zeiten dies Revier,
Der Hügel, dessen Form verschwunden schier,
Die Spitze einst von Reichen überragte,.
Der Welt voran trug er des Ruhms Panier;
Sein Götterglanz der Sonne Strahl verjagte.
Wo ist sein goldnes Dach? Wo, der's zu bauen wagte?
110.
Nicht so beredt hat Tullius gesprochen
Wie du, o Säule mit begrabnem Fuß!
Wo haben Cäsar's Lorbeern sich verkrochen?
Sein Wohnhaus beut mir Epheu hier zum Gruß;
Weß ist der Bogen hier voll Moos und Ruß?
Des Titus? des Trajan? Nein, von den Siegen
Der Zeit nur spricht uns Säule, Porticus;
Sie warf sie hin; Apostelbilder stiegen,
Um sich an Cäsar's Statt hoch in der Luft zu wiegen.Die Säule des Trajan trägt jetzt St. Peter, die des Aurelius Antonius St. Paul. Siehe Historische Erläuterungen S. 214.
111.
Im Aether dort, in Rom's tiefblauem Himmel,
Den Sternen winkend. – Einst stand hier ein Mann,
Wol werth, zu athmen in dem Sterngewimmel,
Der letzte Derer, die die Welt im Bann,
Die röm'sche Welt, denn nach ihm kein Tyrann
Hielt fest das Reich, sie ließen es zerfahren.
Ihm klebte nicht wie Alexandern an
Der Wein, der Freunde Blut. Du wolltest wahren
Des Herrschers hohen Ruf, Trajan, Stern der Cäsaren!Trajan war sprichwörtlich der beste der römischen Kaiser; man würde leichter einen Fürsten finden, der alle entgegengesetzten, als einen, der alle die glücklichen Eigenschaften besaß, die diesem Manne zugeschrieben werden. – Als er den Thron bestieg, sagt Diòn, war er stark an Körper und kräftig an Geist, das Alter hatte keine seiner Fähigleiten geschwächt! er war gleich frei von Neid, wie von Verleumdungssucht; er ehrte die Tüchtigen und brachte sie vorwärts; er fürchtete und haßte sie daher auch nie; nie hörte er auf Zuträger, er ließ seinem Zorn nicht die Zügel schießen, unedeln Zumuthungen und ungerechten Bestrafungen war er gleich ferne; er wollte lieber als Mensch geliebt, denn als Herrscher geehrt sein, er war leutselig gegen das Volk, achtungsvoll gegen den Senat und bei beiden beliebt. Niemand flößte er Furcht ein, als den Feinden seines Landes.
112.
Wo ist der Felsen des Triumphs? die Stelle,
Wo seine Helden einst umarmte Rom?
Wo des Tarpejus' Fels, von dessen Schwelle
Einst der Verrath für seines Wahns Phantom
Gestoßen ward und stäubte zum Atom?
Dort häufte der Erob'rer seine Beute,
Und hier im Forum die Parteiwuth glomm,
Erhabne Rede dort das Volk erfreute,
Noch athmet hier die Luft, was Cicero verstreute.
113.
O Feld der Freiheit, Ehre, der Parteien!
Hier tobte stolzen Volkes Leidenschaft
Von seinem ersten freudigen Gedeihen,
Bis da kein Reich mehr reizte seine Kraft;
Doch vorher längst verrann der Freiheit Saft
Und Anarchie nahm ihre Attribute,
Empörtes Kriegsvolk brauchte Schwert und Schaft
Und gab dem zitternden Senat die Ruthe,
Erkauftes Stimmenpack erbat sich selbst die Knute.
114.
Nun zum, Tribun, den man den letzten nannte!
Von Rom's zehntausend Zwingherrn nun zu dir,
Du tilgtest von Jahrhunderten die Schande,
Petrarca's Freund, Italiens Götze schier!
Rienzi, letzter Römer!Siehe Historische Erläuterungen S. 248. Jene Zier,
Die noch der Freiheit welker Stamm konnt' bieten,
Sie schlinge sich auch um dein letzt Quartier,
Du Forums Kämpe, Häuptling der Quiriten,
Numa von heut', dem ach! so kurze Macht beschieden.
115.
Egeria du, die einst ein Geist erfunden,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XXVII.
Dem schöner deine ideale Brust
Als jede sterbliche sich schien zu runden;
Was du auch warst: ein Luftgebild der Lust,
Das sich verliebter Wahn zu schaffen wußt',
Ein irdisch Weib, das ein Genie verehrte,
Dem es zu höherm Zwecke dienen mußt';
Was immer dich der Erde einst bescheerte,
Du warst ein lieblich Bild, das seiner Sinn verklärte.
116.
Noch ist besprengt der Rasen deiner Quelle
Mit deinen Tropfen aus Elysium,
Noch spiegelt hier der zarte Gott der Stelle
Sein glattes Antlitz in dem Heiligthum;
Doch nicht mehr steht am grünen Rand herum
Ein Werk der Kunst, noch müssen deine Wellen
Gefangen ruhen im Aquarium;
Aus der zerstückten Statue sie quellen
Gar froh durch einen Wald von Farn und Immortellen.
117.
Die grünen Höhn bedecken junge Blüten,
Eidechsen rascheln äugelnd durch das Gras,
Die Sommervögel, die hier fröhlich brüten,
Begrüßen jeden, der passirt die Straß',
Vielfarb'ge Blumen ohne Zahl und Maß
Verlocken uns, zu stehn und zu betrachten.
Wie wehn sie feenhaft, Rubinen und Topas,
Und Veilchenaugen, die so lieblich schmachten,
Sie holten den Azur aus Himmels tiefsten Schachten!
118.
Hier wohntest du in dieses Zaubers Mitte,
Egeria! wie pocht' dein himmlisch Blut,
Wenn du vernahmst des Buhlen nahe Tritte;
Die Mitternacht mit ihrem Sternenhut
Verdeckte eure mystisch heiße Glut
Und was geschah, wenn er bei dir gesessen:
Gewiß war diese Höhle wundergut
Für einer Göttin Liebesnoth bemessen,
Orakel keimten hier aus Amor's Feueressen.
119.
Und wenn dein Herz in seines nun geflossen,
Ward Himmel nicht mit Erde süß vermischt?
Und Liebe, die mit Seufzen erst entsprossen,
Durch Wonne der Unsterblichkeit erfrischt?
Konntst du bewirken, daß sie nie erlischt?
Mit Himmelsreinheit irdisch Sehnen speisen?
Das Gift entziehn, ohn' daß der Reiz verwischt?
Die Sättigung, die Alles löst, verweisen?
Ja, dieses Wucherkraut ganz aus der Seele reißen?
120.
Ach oft bringt Unheil eine junge Liebe,
Oft wässert sie gar eine Wüste blos,
Und wie es dort hochschießend üpp'ge Triebe,
Doch faul im Innern, wenn auch schön und groß,
Und Blumen gibt von scharfem Duft, und Moos
Und Bäume, deren Saft von Gift geschwollen,
So auch die Frucht, die fällt in unsern Schooß,
Wenn Leidenschaft durchwühlt der Erde Schollen,
Und Himmelsfrüchte sucht, die uns nicht reifen sollen.
121.
O Liebe, du bist nicht von dieser Erde,
Ein lichter Seraph, an den Jeder glaubt,
Gebrochne Herzen zeichnen deine Fährte;
Nie ward dem Menschen, dich zu schau'n erlaubt,
Und ewig bleibt er dieses Glücks beraubt.
Dich schuf der Geist, wie er mit Phantasieen
Den Himmel selbst bevölkert hat, belaubt,
Und dem Gedanken eine Form geliehen,
Nach der gequält, gepreßt, die Seele heiß geschrieen.
122.
Die eigne Schönheit scheint am Geist zu zehren,
Er fiebert sich in einen Wahn hinein,
Wo sind die Formen, die den Bildner nähren?
Nicht in der Außenwelt, in ihm allein.
Wo mögen wol die Ideale sein,
Die wir als Knabe schau'n, als Mann erfassen?
Die unerreichten Eden's unsrer Pein,
Die Feder, Pinsel weit dahinten lassen,
Und jedes Buch durchglühn, in dem sie Wurzel fassen?
123.
Wer liebt, der ras't – den Jugendwahnsinn, dessen
Cur bitter ist, wenn Reiz um Reiz entflieht,
Der unsre Götzen hob, wenn wir ermessen,
Daß außer unsres Geistes Wahngebiet
Nicht Schönheit lebt, noch Werth der wirklich zieht.
Doch wirkt der Zauber noch, will uns entfachen:
Wir säten Wind, der Wirbel uns beschied;
Das tolle Herz, beginnt es Gold zu machen,
Sieht stets sich nah am Ziel – und Crösus, wenn am Krachen!
124.
Wir welken fort und keuchen uns zu Tode,
Der Durst bleibt ungelöscht, das Ziel verfehlt,
Wenn auch zuletzt noch in dem Abendrothe
Ein Wahnbild lockt, wie es uns einst beseelt.
Es hilft zu nichts, als daß es uns noch quält.
Ruhm, Liebe. Ehr', 's führt Alles doch zum Gleichen:
Schlimm, eitel all – doch sei drum kein's geschmählt,
Gestalten sind's aus jenen luft'gen Reichen,
Und Tod der schwarze Rauch, dem alle Flammen weichen.
125.
Kein's, Wen'ge finden, was sie möchten lieben;
Wenn auch an Zufall, zündendem Contact
Und Liebesnoth Antipathie'n zerstieben,
So kehren sie zurück nach kurzem Pact,
Vergiftet durch des Unrechts bösen Act;
Und jene Göttin ohne Geist und Gabe:
Zufälligkeit – zieht als geschäft'ge Magd
Die Uebel her mit einem Krückenstabe,
Der Hoffen macht zu Staub, wie ich's erfahren habe.
126.
Das Leben ist verfälscht in seinem Wesen;
Es stimmt nicht mit der Harmonie der Welt,
Daß wir von unsern Sünden nie genesen.
Ein Upas ist's, ein Giftbaum, der uns fällt,
Er wächst empor bis zu dem Sternenzelt
Und seine Blätter thauen Pest hernieder:
Tod, Krankheit, Knechtschaft, was das Sein vergällt,
Sichtbares Weh' und unsichtbare Hyder,
Die unsre Seele nagt von Neuem immer wieder.
127.
Doch laßt uns kühn betrachten! Ein gemeinesJedenfalls hoffe ich, sagt der Verfasser der akademischen Fragen, daß welches auch das Schicksal meiner eigenen Speculationen sein mag, die Philosophie die Wertschätzung wieder gewinnen wird, welche sie verdient. Der freie und philosophische Geist unserer Nation ist ein Gegenstand der Bewunderung der Welt gewesen. Es war dies die stolze Auszeichnung des Engländers und die Lichtquelle all seines Ruhms. Sollen wir die männlichen und würdigen Empfindungen unserer Vorfahren vergessen, um in der Sprache der Mutter oder der Amme über unsre guten alten Vorurtheile zu schwatzen? Dies ist nicht der Weg, um die Sache der Wahrheit zu vertheidigen. So hielten sie unsere Väter nicht aufrecht in den glänzenden Perioden unserer Geschichte. Das Vorurtheil mag eine kurze Zeitlang die Außenwerke hüten, während unsere Vernunft in der Citadelle schlummert; wenn aber die letztere in Lethargie versinkt, wird die erstere schnell für sich selbst eine Fahne erheben. Philosophie, Weisheit und Freiheit unterstützen einander gegenseitig. Wer nicht raisonniren will, ist ein Frömmler, wer es nicht kann, ein Narr, wer es nicht wagt, ein Sklave. Vol. I. Vorrede, S. 14, 15.
Aufgeben wär' es, wenn wir unser Recht
Zu denken ließen, unser letztes, Eines!
Ich wenigstens will halten dran nicht schlecht.
Wird's auch von Kindheit an benagt, geschwächt,
Gedrückt, gekettet und in Nacht gehalten,
Damit sich Wahrheit nicht zu sehr erfrecht,
Dem Geist zu leuchten in die dunkeln Falten,
Das Licht dringt doch hindurch und Zeit lehrt Blinde schalten.
128.
Ein Bogen an dem andern! Wie wenn alle
Trophäen hier in Eins gethürmet Rom,
All seinen Ruhm in eine Riesenhalle,
So steht des Colosseum's Weltendom!
Wie Fackeln gießt das Mondlicht seinen Strom,
Denn nur der Himmel darf so Großes hellen:
Des Forschens unerschöpftes Hippodrom –
Nur solcher Nächte lichte Azurwellen,
Wie sie Italien kennt, die von Entzücken schwellen.
129.
Wo Farbe Worte zeugt, die zu uns singen,
Und jenes wunderbare Steingestühl
Mit Glorie umwehn. Den Erden-Dingen,
Die Zeit gebeugt, ward eines Geist's Gefühl;
Und wo wir schauen dieser Zeit Gewühl
Und wo sich ihrer Sense Kraft gebrochen,
Da weht's mit Macht aus der Zerstörung Pfühl
Mit einem Zauber, wie er nie gesprochen
Aus unsrer Schlösser Pracht, die ungeprüft noch pochen.
130.
O Zeit, die du verschönerst selbst das Todte,
Ruinen schmückst, uns süßen Trost bescheerst,
Die du die Herzen labst mit Heilesbrode,
Und wo wir irren, freundlich uns belehrst,
Für Wahrheit, Liebe zeugst, und einzig nährst
Mit ächter Weisheit, weil du doch am Ende
Uns den Gewinn, wenn spät auch, nicht verwehrst –
Zeit, Rächerin, zu dir erheb' die Hände
Und Auge ich und Herz, und bitt' um eine Spende.
131.
In diesem Wreck, wo du gebaut Altäre
Und einen Tempel göttlich, öd' und wild,
Nimm neben größern meines Opfers Ehre:
Mein trostlos Leben, kurz doch schwer gedrillt.
War je mein Herz zu stolz, zu selbstgewillt,
So hör' mich nicht! Doch hab' ich gern ertragen,
Was recht, nur vorgestreckt des Stolzes Schild,
Daß mich der Haß nicht sollte niederschlagen,
Laß nicht umsonst dies Schwert in mir – auch sie soll's plagen!
132.
Und du, die stets geglichen und gehalten
Des Unrechts Wage, große Nemesis!Siehe Geschichtliche Bemerkungen XXVIII.
Hier, wo dir lang gehuldigt jene Alten,
Wo du die Furien aus der Finsterniß
Auf den Orest gehetzt mit Griff und Biß
Für jener Rache Unnatur die – nahte
Von andrer Hand sie – war gerecht gewiß,
Hier ruf ich dich empor von dunklem Pfade,
Vernimm mein Herz! wach auf! du mußt, wenn ich dich lade.
133.
Vielleicht durch meine, meiner Väter Sünden
Verdiente ich den scharfen Degenstoß,
An dem ich blute in der Seele Gründen;
War edler nur das tödtliche Geschoß,
Mein Blut möcht' fließen, doch's war mitleidslos.
So weih' ich's dir, du magst die Rache üben,
Die noch erreichbar in der Zeiten Schooß,
Die ich nicht nahm, um sie nicht zu betrüben.
Genug! ich schlafe schon, du wache hüben drüben.
134.
Und wenn ich jetzt erst breche hier mein Schweigen,
Geschieht es nicht, weil mich mein Leiden bückt;
Wer sah mich je die Stirne muthlos neigen,
Wer meinen Geist durch seinen Kampf zerstückt?
Doch diesem Blatt sei's flammend eingedrückt,
Nicht in der Luft soll dies mein Wort zerfahren,
Damit's, wenn Asche ich, der Zukunft glückt,
Die Prophezeiung rächend zu erwahren,
Und meines Fluches Last den Schuld'gen aufzusparen.
135.
Vergebung sei mein Fluch! Hab' ich nicht müssen
– Hör', Mutter Erde! Schau' mich, Himmel, an! –
Abringen mich mit meines Schicksal's Schlüssen?
Litt ich nicht so, daß man verzeih'n mir kann?
Ist nicht mein Kopf, mein Herz in schwerem Bann?
Mein Hoffen hin, mein Leben weggelogen!
Und deshalb nur ich kein Verzweiflungsmann,
Weil ich nicht ganz aus jenem Teig gezogen,
Der in den Seelen fault, die mich so schwer betrogen.
136.
Und sah ich nicht der Menschen Thun in Fülle
Vom großen Unrecht bis zum kleinen Lug?
Von der Verleumdung schäumendem Gebrülle,
Bis zu dem leisgeflüsterten Betrug?
Dem seinen Gift der Schlangen falsch und klug?
Dem Janusblick, der in beredtem Zucken
Selbst schweigend lügt, trotz seinem Wahrheitszug,
Und ohne Wort mit Seufzen, Achseljucken
Beglückten Thoren stumm gibt seinen Klatsch zu schlucken.
137.
Doch lebte ich und lebe nicht vergebens!
Verlieren kann mein Geist, mein Blut die Kraft,
Ich selbst vergehn im Drangsal meines Strebens,
Doch Etwas, woran Zeit und Qual erschlafft,
Lebt in mir, lebt selbst wenn ich hingerafft.
Nicht irdisch ist's, die Welt wird's nicht ergründen;
Wie Klang verstummter Leier, märchenhaft,
Soll's ihrem mildgewordnen Geist sich künden,
In Herzen, die jetzt Stein, der Liebe Reue zünden.
138.
Besiegelt ist's! – Nun, dunkle Macht, willkommen!
Die namenlos und doch von Allgewalt
Im Schatten kommst der Mitternacht geschwommen,
Erschütternd wol, doch nicht als Schreckgestalt.
Wo Epheu nur um todte Mauern wallt,
Da bist auch du und jenen hehren Scenen
Gibst du 'nen Sinn von solchem Tiefgehalt,
Daß wir uns gern an das Vergangne lehnen,
Verwachsend mit dem Fleck in starrem Schau'n und Sehnen.
139.
Hier summten in Erregung einst Nationen
Ihr Mitleid leis' und brüllten laut Applaus,
Wenn sich die Menschen hackten wie Melonen
Und weshalb hackten? – Nun, weil solcher Graus
Gesetz des Circus war und Augenschmaus
Des großen Volks. Und was hat's auch zu sagen,
Ob in der Schlacht, in der Arena Strauß,
Wir fallend füllen schnöder Würmer Magen,
Im Schauspiel, so wie so, wird der Acteur erschlagen.
140.
Den Gladiator seh' ich vor mir liegen,
Ihn stützt die Hand, die Mannes-Stirn ist schon
Dem Tod versöhnt, doch ohne sich zu schmiegen;
Allmählich sinkt das Haupt von seinem Thron,
Aus seiner Seite fällt in dumpfem Ton
Der letzte Tropfen seiner rothen Wunde,
Schwer, wie die ersten, wenn Gewitter drohn,
Es schwimmt vor ihm – gekommen seine Stunde!
Eh' noch der Beifallruf verhallet in der Runde.
141.
Er hört ihn noch, doch ohne drauf zu achten,
Denn seine Seele ist gar weit hinweg;Siehe Geschichtliche Bemerkungen XXIX.
Nicht Ruhm noch Leben ist jetzt mehr ihr Trachten,
Dort schwebt sie an der Donau grünem Fleck,
Bei seiner Kleinen Spielen und Geneck,
Bei seinem Weib – und er, der Vater, bluten
Zu einem römischen Vergnügungszweck!!
Ha, wie das fortras't auf des Lebens Fluten!
Wer rächt ihn? Gothen, auf! Löscht eures Zornes Gluten!Ob nun die wundervolle Figur, welche zu diesen Versen Veranlassung gab, ein Gladiator ist, wie man trotz Winckelmann's Gegenbehauptung mit Energie festgehalten hat, oder ein griechischer Herold, wie dieser große Forscher bestimmt behauptet, oder ein spartanischer oder barbarischer Schildträger, wie sein italienischer Herausgeber meint, so ist sie jedenfalls höchst wahrscheinlich eine Copie des Meisterstücks des Ctesilaus, welches einen verwundeten Sterbenden darstellte und in vollkommener Weise das noch in ihm gebliebene Leben wieder gab. Montfaucon und Maffei hielten sie für jenes Meisterstück selbst, allein dieses war von Bronce. Der Gladiator befand sich früher in der Villa Ludovisi und wurde von Clemens XII. gekauft. Der rechte Arm ist eine vollständige Restauration von Michel Angelo.
142.
Doch hier wo Menschen würgten, Thiere knurrten,
Wo summend sich ein Volk des Weges schob,
Wo sie gebrüllt und dann wie Bäche murrten,
Wenn ihrem Strom ein Hemmniß sich erhob,
Hier wo des Römers Tadel oder Lob
Tod, Leben war, wie mocht' der Würfel fallen,Siehe Geschichtliche Bemerkungen XXX.
Tönt meine Stimm' und von des Himmels Glob'
Fällt matter Schein auf jene morschen Hallen,
Den ausgestorbnen Plan, wo meine Tritte, schallen.
143.
Ruine, ja! doch Colossalruine!
Paläste, Mauern, Städte wurden draus,
Und mustert ihr die riesige Terrine,
So fragt ihr euch, wo nahm man was heraus?
Ward hier geraubt? ward nur geräumt das Haus?
Doch tretet ihr nun ganz auf seine Schwelle,
So schaut ihr den Verfall mit tiefem Graus.
Ach er erträgt nicht eines Tages Helle!
Sie zeigt zu klar, was Zeit, was Mensch geraubt der Stelle.
144.
Doch wenn der Mond den höchsten Punkt erstiegen
Und freundlich weilt, eh' er dann weiter geht,
Wenn sich die Sterne in dem Aether wiegen
Und leis' die Nachtluft durch das Wäldchen weht,
Das auf den grauen Wällen hängt und steht,
Wie Lorbeern auf des ersten Cäsar's Schopfe,Sueton erzählt, daß Julius Cäsar durch das Decret des Senats besonders erfreut war, welches ihn berechtigte, bei jeder Gelegenheit einen Lorbeerkranz zu tragen. Es war ihm nicht darum zu thun, zu zeigen, daß er der Eroberer der Welt sei, wol aber seinen Kahlkopf zu verdecken.
Wenn sanft das Licht, nicht blendend hier sich bläht,
Dann steigen Helden aus dem Zaubertopfe,
Die hier gestrebt, gekämpft – ihr steht auf ihrem Kopfe.
145.
»Rom wird so lang wie's Colosseum stehenDies wird in dem Verfall und Sturz des römischen Reichs als ein Beweis dafür angeführt, daß das Colosseum noch ganz war, als die angelsächsischen Pilger es gegen Ende des 7. oder zu Anfang des 8. Jahrhunderts sahen. Eine weitere Notiz über das Colosseum findet sich in den historischen Erläuterungen S. 263.
Und mit dem Colosseum fällt auch Rom,
Mit Rom die Welt.« Das waren die Ideen
Der Pilger unsres Landes, als ihr Strom
Zur Sachsenzeit ging nach dem alten Rom.
Noch aber stehen diese drei Gestalten
Auf ihrem Grund, noch sind sie kein Phantom,
Rom und die Kampfbahn fast noch ganz die alten,
Die Welt ein Diebsnest, ein – für was ihr sie mögt halten. –
146.
Einfach und groß, erhaben, ernst und strenge,
Schrein aller Heil'gen, Tempel jedem Gott,
Von Zeus bis Christ, frisch trotz der Zeit Gedränge,Obschon seines Kupfers beraubt, mit Ausnahme des Rings, der nothwendig war, um die obere Oeffnung zu erhalten; obschon verschiedenen Feuersbrünsten ausgesetzt, manchmal vom Tiber überschwemmt und immer dem Regen offen, ist doch kein Denkmal des Alterthums so gut erhalten wie diese Rotunde.
In Ruhe, während Bogen, Säule, Grott'
Und Alles schwankt, zernagt von Rost und Mott',
Und wir uns mühn durch Dornen hin zum Staube,
Glorreicher Tempel, bliebst du ganz und flott,
Der Zeit, der Tyrannei wardst nimmer du zum Raube,
Mein Pantheon, Rom's Stolz, der Kunst und Andacht Laube!
147.
Rest bess'rer Tage, Haus der schönen Musen,
Beraubt noch herrlich, weht in deinem Rund
Ein heil'ger Hauch, der rühret jeden Busen;
Der Künstler Kleinod! Wem dein Alter Grund,
Daß er in Rom, in diesem Tempel stund,
Dem strahlt hier eine Glorie von Oben.
Dem Gläub'gen aber wird die Gottheit kund,
Und wer sich gern an dem Genie erhoben,
Der sieht sich hier entzückt von Büsten rings umwoben.Im Pantheon wurden die Büsten großer oder wenigstens ausgezeichneter Männer aufgestellt. Die Lichtfülle, die einst von Oben auf den ganzen Kreis von Gottheiten fiel, strömt jetzt auf eine zahlreiche Versammlung von Sterblichen, von denen Einige durch ihre Landsleute vergöttert wurden.
148.
Ein Kerker naht! Was siehst du in dem Lichte,Diese und die drei nächsten Stanzen beziehen sich auf die Geschichte der römischen Tochter, die dem Reisenden durch den Schauplatz ihrer That in's Gedächtniß zurückgerufen wird. Sie wird in der Kirche St. Nicolas in Carcere gezeigt. Die Schwierigkeiten, welche einer vollständigen Glaubwürdigkeit der Sache entgegenstehen, sind in den historischen Erläuterungen S. 295 angeführt.
Dem düstern dort? – Nichts! – Sieh noch einmal hin!
Zwei Schatten kommen schwach mir zu Gesichte,
Phantome wol verwirren meinen Sinn?
Nein, nein! Jetzt seh' ich deutlich, wo ich bin.
Hier steht ein Greis, ein junges Weib daneben,
Frisch wie 'ne Mutter, wenn Ernährerin,
Da ihre Adern süßen Nektar geben.
Was soll's? Ich seh' das Kleid von ihrer Brust sie heben.
149.
Voll quillt des Lebens tiefe, reine Quelle,
Wo unsre erste süße Nahrung wir
Am Herzen nehmen aus des Herzens Zelle,
Wenn dann die Mutter durch die heiße Gier,
Den Blick, das Schrei'n des kleinen Unholds hier,
Der keine Pein und Aufschub mag ertragen,
Ein Glück verspürt, dem Mann unfaßlich schier,
Wenn aus der Wiege zarte Knospen schlagen –
Und erst die Frucht? – Wer weiß! Eva hat Kain getragen.
150.
Hier aber reicht die Jugend hohem Alter
Die Milch: der Vater ist's, dem sie vergilt,
Was sie dem Schöpfer schuldet, dem Erhalter.
Er soll nicht sterben, nein! so lang ihr quillt,
Was ihn erhält, sein brennend Dursten stillt,
So lang Natur den Nil in ihr wird wahren,
Der höher steigt, als der Egypter schwillt.
Trink, alter Mann! und lebe noch nach Jahren,
Der Himmel selbst hat nie von solchem Trank erfahren.
151.
Des Himmels Fabel von der Stern-Milchstraße,
Ist nicht wie diese Erdgeschichte rein;
Ein Sternbild ist's von schön'rer, höh'rer Phase.
Und die Natur zeigt bessern Heilgenschein
In diesem Kehrbild ihres Thun und Sein,
Als in dem Meer, wo funkeln ferne Sphären.
O heil'ge Amme, jeder Tropfen dein
Soll zu dem Herzen deines Vaters kehren,
Wie unsre Seelen einst im Urquell sich verklären.
152.
Zum Klotze nun, den Hadrian erhoben,Castell St. Angelo, Engelsburg.
Der altegypt'schen Bauten nachgeahmt
In colossaler Art, doch plump, verschroben,
Deß reiche Phantasie am Nil gekramt
Und dann den Künstler zwang, der dran erlahmt,
Für Riesen, nein! für eiteln Staub zu bauen,
Den er in diesem Blockhaus eingerahmt.
Nur lächeln kann das Auge beim Beschauen,
Welch' Ungethüm entsprang aus dem Gehirn des Pfauen!
153.
Jetzt sieh den Dom, den großen, wunderbaren,Die St. Peterskirche.
Vor dem Diana's Bau zur Zelle wird,
Christi Altar auf seiner Jünger Bahren!
Einst hab' ich mich nach Ephesus verirrt,
Sah Tempelsäulen hingestreut, verwirrt,
Hyän' und Schakal schleichen in dem Schatten;
Sah der Sophia Kuppel, glanzumflirrt,
Wo Größe sich und seine Anmuth gatten,
Und drin den Muselman still knieend auf den Matten.
154.
Doch von den alten Tempeln, neu'n Altären
Stehst einzig du und nichts vergleicht sich dir,
Am würdigsten den großen Gott zu ehren,
Seit Zion sank und seine hohe Zier.
Wenn Er verließ sein früheres Quartier,
Was konnte Ihm Erhabeneres winken?
Von allen Tempeln Ihm errichtet hier?
Macht, Glorie, Majestät und Schönheit blinken
In dieser Arche Raum, worin wir Andacht trinken.
155.
Tritt ein! Die Größe wird dich nicht erdrücken.
Warum? Sie ist doch wen'ger nicht! Allein
Dein eig'ner Geist, geschwellt durch sein Entzücken,
Ward colossal, und findet in dem Schrein
Für deine Hoffnung auf unsterblich Sein
Ein passend Haus; und wirst du einst befunden
Für werth, daß Gott du schaust in hehrstem Schein,
So sollst du wie im Heiligthum hier unten
Vor Seinem Antlitz nicht vergehn wie weggeschwunden.
156.
Du schreitest vor: es wächst mit deinem Schreiten,
Wie wenn man eine hohe Alp erklimmt,
Weil Anmuth täuscht in diesen Riesenweiten,
Die Größe wächst, harmonisch doch gestimmt,
Und wie Musik, die mit die Seele nimmt;
Wie reich der Marmor! wie die Lampen blitzen!
Welch' Bilderheer! die feine Kuppel schwimmt
Hoch in der Luft, buhlt mit der Erde Spitzen,
Die doch auf festem Grund, nicht auch in Wolken sitzen.
157.
Auf einmal nicht, nur stückweis' mußt du schauen
Das große Ganze; um es recht zu sehn;
Und wie das Meer umkränzen viele Auen,
Die lockend sich vor deinen Augen bläh'n,
So mußt von Einem du zum Andern gehn
Und die Gedanken weise erst beschränken,
Bis du gelernt das Ganze zu verstehn,
Mußt dich allmählich in die Pracht versenken,
Die nicht vermocht, dein Herz auf einen Blick zu tränken.
158.
Sie war nicht Schuld, du warst's! Die äußern Sinne
Vermögen nur zu fassen Stück für Stück;
Das tiefste Fühlen, das wir werden inne,
Läßt unsern schwachen Ausdruck weit zurück.
So ist's als ob dies Wunder uns berück'
Mit seinem Glanz, mit seinen Riesenmassen,
Als ob es unsre Kleinheit ganz erdrück',
Bis wir gelernt, uns selbst ihm anzupassen
Und im Beschau'n erstarkt, das Große dann erfassen.
159.
Dann halte an und komm' mit dir in's Klare:
Ein solcher Blick gibt nicht nur Sättigung
An Wundern dir, und Drang am Hochaltare
Dein Herz zu heben in geweihtem Schwung,
Nicht nur für Kunst erneute Huldigung
Und jene Meister, die das Werk ersonnen:
Wir stehn am Urquell der Vergöttlichung,
Und goldnen Sand zeigt uns der tiefe Bronnen:
Wir sehn, was Geistesmacht geschaffen und gesponnen.
160.
Jetzt wollen wir zum Vaticane schreiten
Und schau'n Laocoons erhabne Pein,
Des Vaters Liebe und des Menschen Leiden
Mit eines Engels Dulden im Verein.
Ach eitler Kampf! Die Schlange klemmt sich ein
Und schlingt und preßt in schrecklichem Umarmen,
Den alten Mann; das lebende Gebein
Umspannt die gift'ge Kette ohn' Erbarmen,
Häuft Qual auf Qual, und preßt den Athem aus den Armen.
161.
Nun schau' den Gott mit immer sichrem Bogen,
Des Lebens Licht, der Dichtkunst schönen Gott,
Der Sonne Leib, die Stirne strahlumzogen
Von dem Triumphe über jene Rott'.
Kaum flog sein Pfeil, wie schimmernd und wie flott!
Er trug die Rache eines Untödbaren,
In seiner Nase Stolz, Verachtung, Spott,
Macht läßt, und Hoheit dieses Aug' gewahren,
Der eine Blick muß eine Gottheit offenbaren.
162.
Doch in der feinen Form – dem Traum der Liebe,
Den eine Nymphe träumt', die sich gesehnt,
Daß ein Gewalt'ger stille ihre Triebe,
Und bis zur Tollheit ihren Traum gedehnt –
Liegt was ein Mensch an Schönheit je gewähnt
Im höchsten Taumel seiner Schöpferstunden,
Da er mit Himmelsbildern ward belehnt,
Mit Strahlen der Unsterblichkeit umwunden,
Die er in Eins gefaßt und einen Gott entbunden.
163.
Und wenn Prometheus wirklich uns von oben
Das Feuer, das wir nun erdulden, stahl,
Zahlt' er dafür mit seiner Urkraft Proben
Und übertrug des Lebens heißen Strahl
Auf dieses holde Marmorideal,
Das Menschenhand, doch Menschengeist nicht, machte.
Die Zeit hielt's heilig selbst, riß nicht einmal
Ein Löckchen ab, noch färbte sie es sachte;
Es athmet ganz die Glut, die es dereinst erdachte. –
164.
Doch wo ist er, der Pilger meiner Sänge,
Der sie durch die vergangnen Zeiten trug,
Er kommt scheint's spät und treibt es in die Länge.
Er ist nicht mehr! sein letzter Athemzug
War dies; er wandert nicht mehr, hat genug.
Er ist dahin wie seine Traumgebilde
Und war er mehr als Phantasie und Trug,
Hat er gelebt, stand Schmerz auf seinem Schilde,
Laßt's sein! Sein Schatten trübt schon jenes Nichts Gefilde,
165.
Die Schatten, Stoff und Leben in sich leiten,
Kurz Alles, was hienieden uns beirrt,
Und ihren dunkeln Schleier drüber spreiten,
Durch welchen Alles zum Phantome wird,
Die Wolke nächtend auf uns niederschwirrt,
Bis Glorie Dämm'rung ist, und kaum am Rande
Der Finsterniß ein dünner Streif noch flirrt
Und – wie sie kaum die trübste Nacht versandte,
So düstre Strahlen läßt, gefährlich dem Verstande.
166.
Sie schicken nach dem Abgrund uns, zu spähen,
Was unsrer harrt, wenn sich einst unser Sein
Zu Etwas lös't von ringerem Bestehen,
Als dieses Nichts, – zu träumen Ruhm und Schein,
Vom Staube unsern Namen zu befrei'n,
Den Namen, den wir nie mehr hören werden,
Doch Eins beglückt: wir können nie mehr sein,
Was jetzt wir sind! – Genug, daß hier auf Erden
Dies Herz, das Blut geschwitzt, erlegen den Beschwerden.
167.
Horch! aus dem Abgrund murret eine Stimme,
Ein langer, ferner, schauerlicher Ton,
Als ob ein Volk in seinem Blute schwimme,
An schwerer Wunde ächze 'ne Nation.
Durch Nacht und Sturm erschließt der Schlund sich schon:
Phantome steigen dicht, und unter ihnen
Ein fürstlich Weib, zwar ohne Königskron'
Und blaß, doch lieblich, das mit KummermienenDiese und die folgenden Stanzen beziehen sich auf den Tod der Prinzessin Charlotte von England, welche zu Venedig im Kindbette starb; der Prinz, den sie geboren, ging ihr im Tode voran.
Den Sohn umarmt, dem ach! die Brust darf nicht mehr dienen.
168.
Was ist mit dir, du Pfropfreis von Regenten?
So vieler Völker Hoffnung, bist du todt?
Könnt' nicht der Tod sich milde von dir wenden
Und Einen mähn, der wen'ger lieb und noth?
In trüber Nacht, da noch dein Auge roth
Um deinen Sohn, du Mutter einer Stunde,
Beschwichtigte auch deine Pein der Tod:
Da floh die Hoffnung, die auf jene Kunde
Durch unser Inselreich kaum erst gemacht die Runde.
169.
Des Bauern Sohn gedeiht! – Wie es vereinen,
Daß man uns dich, den Vielgeliebten, nahm?
Wer nicht um Kön'ge, sollt' um dich doch weinen.
Der Freiheit Herz, beschwert von manchem Gram,
Sollt' nur noch fühlen, daß um dich es kam.
Schon beteten für dich die Patrioten,
Sahn, wie um dich schon eine Iris schwamm! –
Auch dir hat Hymen keine Frucht geboten,
Du Gatte eines Jahrs! du Vater eines Todten!
170.
Dein Hochzeitkleid ist nun zum Sack geworden,
Staub deiner Brautnacht Saat! Da liegt geknickt
Die holde, goldgelockte Maid des Norden,
Auf die Millionen hoffnungsvoll geblickt.
Wir glaubten sie zu unsrem Heil geschickt,
Und dachten schon, wie ihr Kind treu umschlossen
Die unsrigen, wenn wir einst eingenickt;
Wir segneten die Blüte ihr entsprossen,
Ein Stern schien sie, und ist als Meteor zerflossen.
171.
Weh' uns, nicht ihr! denn ihr ist's wohl ergangen! –
Gemeinen Athems wandelbarer Rauch,
Hohlköpf'ger Rath und das Gezisch der Schlangen,
Das ja von jeher nach bekanntem Brauch
In Fürstenohren spritzte bösen Hauch,
Bis das gereizte Volk ward Cannibale,
Das Fatum, das Cäsaren auf den Bauch
Und ein Gewicht wirft in der Herrschsucht Schale,
Das sie zermalmen muß, dereinst mit einem Male.Maria Stuart starb auf dem Schaffot, Elisabeth an einem gebrochenen Herzen, Carl V. als Mönch, Ludwig XIV. bankerott an Geld und Ruhm, Cromwell vor Angst, Napoleon als Gefangener. Man könnte noch eine lange Liste ebenso berühmter und ebenso unglücklicher Regenten hinzufügen. –
172.
Das konnte dich auch einst getroffen haben!
Doch unser Herz verneint's. So schön, so jung,
Gut ohne Müh' und ohne Feind erhaben,
Kaum Braut und Mutter – und nun weg im Sprung!
Wie manches Band riß dieser schnelle Schwung!
Vom Vaterherzen bis zum Unterthanen
Pflanzt sich elektrisch die Erschütterung,
Wie Erdezuckung fort nach allen Bahnen,
Durch's Land das dich geliebt, mehr als du konntest ahnen.
173.
– Sieh! Nemi dort tief in den Waldeshügeln,Das Dorf Nemi liegt in der Nähe des Asils der Egeria im Haine von Albano, die Schatten die einst den Tempel der Diana trafen, haben diesem Haine bis heute den Beinamen »das Wäldchen« erhalten, Nemi ist nur einen Abendritt von Albano entfernt.
So ferne, daß der Wirbelwinde Heer,
Das Eichen reißt aus ihrer Wurzel Zügeln
Und über seine Grenzen jagt das Meer,
Daß in die Lüfte schießt des Schaumes Speer,
Den glatten Spiegel muß in Ruhe lassen,
Der unerschüttert schauet dort umher,
Wie tiefes, kaltes, wohlgepflegtes Hassen,
Rund um sich selbst gerollt, wie Schlangen die da passen.
174.
Und nahe schimmert aus dem Schwesterthale
Albano's Quell in manchen Arm zersetzt,
Fern strömt der Tiber in des Meeres Schale,
Das weithin die Lateiner Küste netzt;
Hier ward der ep'sche Held an's Land gesetzt,
Dem er als Stern erschien nach langen Fahrten;
Dort ruhte Tullius, wenn er abgehetzt,
Und wo die Berge grenzen diesen Garten,
Ward einst das Gut bebaut, die Lust des müden Barden.Der ganze Abhang der Berge von Albano ist von unvergleichlicher Schönheit und von dem Kloster auf dem höchsten Punkte, das den Jupiterstempel verdrängt hat, erblickt das Auge alle in dieser Stanze genannten Punkte, sowie, die Küste, von den Mündungen der Tiber bis Cap Terracina. Geschichtliche Bemerkungen XXXI.
175.
Doch ich vergaß! Mein Pilger ist am Ziele!
So mag's denn sein, und scheiden müssen wir,
Wir stehn am Schluß von unsrem Lebensspiele.
Doch noch einmal zeigt sich der See Revier,
Das Mittelmeer, eröffnet ihm und mir;
Hier von Albano läßt es sich erkennen.
Mein Jugendfreund, der Ocean, fließt hier!
Bei Calpe's Fels begann einst unser Rennen,
Um erst im schwarzen Meer uns wehmuthsvoll zu trennen. –
176.
Dort bei den Simplejaden! – Lange Jahre,
Doch viele nicht, zermalmten uns seither,
Wir litten viel, wir ließen manche Haare,
Und blieben doch Dieselben ungefähr.
Doch zogen wir umsonst nicht kreuz und quer,
Wir sind belohnt, indem wir noch uns freuen
An dieser Sonne, Erde und dem Meer,
Und diese Lust so harmlos stets erneuen,
Als lebt' kein Mensch, um Staub in unsern Wein zu streuen.
177.
O daß die Wüste meine Heimat wäre,
Ein schönes Elfchen meine Dienerin,
Daß ich entränne menschlichem Verkehre
Und ihr nur gäbe mich in Liebe hin!
Ihr Elemente, die von Anbeginn
Veredelt mich mit euren Wetterschlägen,
Schenkt mir ein Wesen so nach meinem Sinn!
'S gibt Welche wol auf manchen stillen Wegen,
Ist Wen'gen auch vergönnt, Umgang damit zu pflegen.
178.
Ha, welche Lust im unwegsamen Walde,
Welch ein Entzücken an dem öden Strand!
Gesellschaft gibt's dort auf des Meeres Halde
Und Tanzmusik in seiner Wogen Brand.
Ich werde nicht den Menschen abgewandt,
Doch mit Natur vertrauter in den Stunden,
Wo abgestreift jed' irdisch Thun und Band
Ich ganz und tief mich mit dem All verbunden
Und was unsagbar ist, und sichtbar doch, empfunden.
179.
Roll', tiefe See! du dunkelblaue, rolle!
Zehntausend Flotten pflügen spurlos dich!
Zerstörung schreibt der Mensch auf jede Scholle,
Am Strand wird machtlos dieser Wütherich.
Die Wrecks bezeichnen deiner Wogen Strich,
Hier bleibt kein Schatten von des Menschen Rasen,
Sein eigner nur, wenn er elendiglich,
Ein Regentropfen, sinkt in deine Blasen,
Grablos und ohne Klang, sarglos und ohne Phrasen.
180.
Kein Schritt von ihm verbleibt auf deinen Wegen
Und nie zur Beute wird ihm dein Gefild;
Du wirfst ihn aus. Vor jenen frechen Schlägen,
Womit er schmäht der Erde holdes Bild,
Ist dir nicht Angst. Du schleuderst ihn oft wild
Zum Himmel auf, ein Spielzeug deiner Wellen,
Und wenn er heulend seiner Götter Schild,
Den Hafen sucht, der Hoffnung sichre Zellen;
Wirfst du zur Erde ihn – dort möge er zerschellen!
181.
Die Flotten, die der Seestadt Wall zersplittern
Auf Felsen selbst, daß drob ein Volk erbebt
Und Könige in ihrer Hauptstadt zittern,
Die eichnen Drachen, die so stark gewebt,
Daß sich ihr Herr zum eiteln Wahn erhebt,
Daß er des Meeres Meister rings bedeute,
Sind Spielzeug nur, das, wenn es ausgelebt,
Wie Schnee vergeht in deiner Wellen Meute,
Wie der Armada Stolz und wie Trafalgar's Beute.
182.
Wie sehr verändert hat sich deine Küste!
Wo Tyrus, Rom, Carthago, Griechenland?
Sie waren frei, du machtest sie zur Wüste
Und manchem Zwingherrn nun gehorcht ihr Strand,
Dem Fremden, Sklaven, Wilden! Ja in Sand
Zerfielen sie und wurden öde Halde.
Dein Wellenspiel hat einzig nur Bestand,
Auf deiner Stirne zeigt sich keine Falte;
Seit dich die Schöpfung sah, o See, bliebst du die alte!
183.
Du hehrer Spiegel, wo der Gottheit Wesen
Im Sturm sich schaut, und der an jedem Ort:
– Vom West geküßt, gefegt von Aeols Besen,
Als Eis am Pol, durchglüht wo Erde dorrt, –
Erhaben, schrankenlos ist immer fort
Des Ew'gen Bild, ein Thron des Unsichtbaren!
Aus deinem Schlamme schuf des Schöpfers Wort
Der Tiefe Kinder; alle Zonen wahren
Gehorsam dir, dem Einz'gen, Großen, Wunderbaren!
184.
Ich liebte dich, o See, und mein Vergnügen
War es von je, zu ruhn an deiner Brust
Und deine Wellen emsig zu durchpflügen.
Als Knabe schon war meine höchste Lust
Dies Spiel, und wenn ich wild dich schauen mußt',
Gab süßen Schauer mir die hehre Scene,
Ich war mir fast dein Kind zu sein bewußt,
Ich traute dir, botst du mir auch die Zähne
Und legte meine Hand – wie hier – auf deine Mähne.
185.
Mein Werk ist fertig, mein Gesang am Schlusse,
Mein Thema stirbt in seinem Echo hin,
Sein Recht geschieht dem langen Traumergusse.
Die Fackel, meines Nachtlichts Zünderin,
Erlischt – was steht, steht nun einmal hierin!
Ich wollt' 's wär' besser, doch ich bin jetzt nimmer,
Was einst ich war. Es schwebt vor meinem Sinn
Nicht mehr so klar wie einst: die Glut, der Schimmer,
Die meinen Geist erhellt, sie werden schwächer immer.
186.
Lebt wohl! das Wort muß ausgesprochen werden.
Wir thun's nur zagend, doch lebt wohl, lebt wohl!
Ihr, die hierher gefolgt des Pilgers Fährten.
Wenn ein Gedank' euch blieb, der ihm entquoll,
Wenn ein Erinnern fruchtbar in euch schwoll,
So trug er doch vergebens nicht Sandalen
Und Muschelhut um sein geliebt Idol.
Lebt wohl! auf sich allein nimmt er die Qualen,
Euch möge die Moral von seinen Sängen strahlen!