Jacob Burckhardt
Reisebilder aus dem Süden
Jacob Burckhardt

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Elegie I

Aus »Weihnachtsgabe zum Besten der Wasserbeschädigten in der Schweiz«. 1839

 

            Nichts ist schöner, fürwahr, als jetzt in trauter Umarmung
Hier im warmen Gemach sich zu ergehn im Geschwätz,
Wenn aufwirbelnd der Schnee und niederfallend zugleich, sich
Mengt in grauem Gemisch, deckend die Dächer umher;
Wenn, vom Fenster vergnüglich zu sehn, im Garten die Katze
Drückt in den schwellenden Schnee leise die Pfoten hinein,
Ob ein Vögelein noch, ein verspätetes wohl sie erhasche;
Denn Nachlese des Jahres hält nun das pfiffige Tier.
Wohl geziemt auch uns, Nachlese zu halten, und wahrlich,
Besser behagt sie mir oft selbst als das prangende Mahl;
Denn nicht faßt es der Mensch, so viel des Guten auf einmal 185
Froh zu genießen und doch jedes zu würdigen recht.
Drum hat gütig ein Gott des Sommers lustigen Monden,
Wie dem Tage die Nacht, heimlichen Winter gesellt,
Daß mit fröhlichem Ernst der Mensch hinschau' in die Zukunft,
Und mit freudigem Dank auf das Vergangne zurück,
Daß er wiederum liebe des heiligen Herdes Penaten,
Wenn in Winter und Sturm schützend das Haus ihn empfängt.
Sei uns festlich gegrüßt, du heimliche Stunde der Dämmrung!
Komm vom Schranke herab, Lampe, du heiliges Licht!
Wahrlich, du leuchtest am schönsten uns vor, wenn selig wir nochmals
Wandeln in lieblichem Traum durchs labyrintische Jahr. –
Aber wie hoch am Fenster der Schnee sich türmet! wie mag's jetzt
Wohl in den Bergen stehn? Freunde, entsinnt ihr euch noch,
Wie wir, es sind vier Monate kaum, erstiegen den Gotthard,
Und mit ewigem Schnee kühlten den lechzenden Mund?
Grau war er wohl, mit Erde vermischt; jetzt fänden wir bessern
Draußen im Garten, und doch mundete jener mir gut; 186
Denn Italien liegt an des Berges jenseitigem Abhang –
O wie rufet das Wort laut an das bebende Herz!
Dürft' ich! . . . Nicht die Lawinen und nicht die entsetzliche Brücke
Würden mich schrecken, es ruft jenes allmächtige Wort;
Flüchtige Ruh' nur gönnten wir uns im ärmlichen Dorfe
Jenes verödeten Tals, eilten dann weiter im Schnee,
Sahn dann glänzen im Schein des Monds den schaurigen Fieudo,
Hörten fernes Geläut leise die Wüste durchziehn;
Dann um die Mitte der Nacht in der kleinen Kapelle des Klosters
Sprächen ein leises Gebet wir vor dem ewigen Licht,
Stiegen hinunter darauf ins verheißende Land, und im Festschritt
Messend den heiligen Weg, zögen von Stadt wir zu Stadt. –
Fern winkt Rom; schon steigt aus dem nebligen Duft der Campagna
Auf ein riesiger Bau über die Stadt und die Welt.
Ja, dort werden wir wohnen, von stillen Gärten umgeben,
Dort in laulicher Nacht denken an Gott und das Glück;
Draußen indes liebkost mit dem Platanos flüsternd die Pinie,
Und bald steiget hinauf vom Kapitole der Mond . . . 187
Aber was gibt's? die Lampe beginnt dämonisch zu rauchen!
Quälet dich Eifersucht, nordisches Lämpchen? o sprich!
Ja, dich schmerzet, gesteh's, das Lob des italischen Vollmonds;
Ach, auch mich, deinen Herrn, schmerzt und beglückt es zugleich!

 


 


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