Edward Bulwer
Paul Clifford. Drittes Bändchen
Edward Bulwer

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Fünfzehntes Kapitel.

Das Glük eines Erbadels – der ehrenvolle Beruf eines Anwalts.

Gemeinpläze.

Da ist ein Fest, bei welchem Ritter,
Damen und wem Geschlecht
und Reichthum einen Namen
Verlieh, erscheint.
Er ist's! wie kam er her? was macht er da?

Lara.

Es gibt zwei gar anmuthige Lagen im weiblichen Leben; die eine: die erste Blüthe und Frische der Schönheit verbunden mit einem großen Erbe, die zweite: jugendlicher Wittwenstand mit einem ansehnlichen Witthum. Luciens guter Stern ließ sie wenigstens das erstgenannte Glük genießen. Sobald sie nur erst recht in das Gewühl der fröhlichen Welt eingeführt war, wurde sie der allgemeiner Huldigung. Ein gedrängter Haufe umgab sie überall wohin sie ging; man sprach, träumte von Nichts, trank und wettete auf Nichts als Lucie Brandon. Selbst ihre Natürlichkeit und gänzliche Unbekanntschaft mit den Künsten des feinen Lebens erhoben noch den Glanz ihres Rufs. Wie es nun auch zu erklären sein mag – junge Leute vom zarten Geschlecht sind selten unmanierlich, selbst in ihren Sonderbarkeiten, und die Unerfahrenheit hat oft eine ganz eigene Anmuth. Ihr Oheim, ihr beständiger Begleiter, der selbst keine geringe Anziehungskraft besaß, beobachtete ihre Erfolge mit einer triumfierenden Zufriedenheit, die er jedoch vor Niemand als seinem Bruder und vor Lucie selbst sich anmerken ließ. Mit der gelassenen Kälte seines Wesens würde alles eher vereinbar geschienen haben, als Stolz auf die Berühmtheit, die durch eine weibliche Schönheit gewonnen ward, oder Freude über irgend eine Gunstbezeugung, die in der Laune des Tons und der Mode ihre Quelle hatte. Was den guten alten Squire betrifft, so hätte man weit eher ihn als seinen Bruder für den breßhaften Curgast nehmen können. Er wurde kaum irgendwo gesehen: denn obgleich er überall hin ging, gehörte er einmal zu den Leuten, die, wenn sie in ein Zimmer treten, sich augenbliklich in einer Eke niederlassen. Wer ihn nun in seinem Winkel ausfindig machte, hob die Hände empor und rief: »Guter Gott! Sie hier! Wir haben Sie seit einem Menschenalter nicht gesehen!« Dann und wann, wenn in einer dunkeln Zimmervertiefung ein Spieltisch aufgestellt war, arbeitete sich der würdige Gentleman mit einer unansehnlichen Partie Whist ab; häufiger jedoch saß er mit ineinandergelegten Händen und offnem Munde da, berechnete die Zahl der Kerzen im Saal oder dachte sich aus: »Wann doch die verdammte Musik zu Ende sein würde.«

Lord Mauleverer, ein so feiner und höflicher Mann er war und so sehr sein Hauptzwek der sein mußte, sich bei dem Vater seiner gewünschten Braut in Gunst zu sezen, hatte doch einen Abscheu gegen die Langeweile, der alle andern Gefühle seiner Seele überwog. Er konnte es also nicht über sich gewinnen, sich der trübseligen Pflicht zu unterziehen, einen Zuhörer von des Squires verschlungnen, lang ausgezognen Reden abzugeben. Er schlüpfte immer an dem Size des guten Mannes, anscheinend in ausnehmender Eile, vorbei mit einem: »Ah, mein lieber Sir, wie geht es Ihnen? Wie freut es mich, Sie zu sehen! und Ihre unvergleichliche Tochter? O, da ist sie! Entschuldigen Sie mich, werther Sir – Sie sehen welcher Magnet mich zieht! au plaisir

Lucie zwar, die Niemand, (als gelegentlich sich selbst) vergaß, suchte ihren Vater, so oft es ihr möglich war, in seiner Zurükgezogenheit auf, aber man bewarb sich so unabläßig um sie, daß sobald sie einen Tänzer verloren hatte, sie sogleich von einem zweiten angegangen und aufgezogen wurde. Der Squire ertrug jedoch seine Verlassenheit mit erträglicher Harmlosigkeit, und erklärte immer: »er unterhalte sich ganz gut; obgleich Bälle und Concerte nothwendigerweise einigermaßen langweilig für einen Mann sein müssen, der von einem hübschen, alten Orte wie das Herrenhaus von Warlock, herkomme und natürlich haben die jungen Damen nicht an denselben Dingen Geschmak, (denn für sie möge das Geigen und Kichern bis zwei Uhr Morgens ein ganz gutes Mittel sein, die Zeit umzubringen) wie ihre Väter

Was Luciens Namen noch um ein Beträchtliches gefeierter machte, war die sichtbare Aufmerksamkeit und Bewunderung eines in Rang und Ton so hoch stehenden Mannes wie Lord Mauleverer. Dieser Mann, der noch viel Jugendliches in seinem Geist und in seiner Laune hatte, und seinem Wesen nach eher gleichgültig als vornehm war, beobachtete in seinem Verkehr mit der schwärmenden Gesellschaft in Bath wenige oder gar keine Standesrüksichten. Es war ihm gleichgültig, wohin er ging, wenn er nur im Gefolge der jungen Schönheit war; und der ekelste Edelmann am englischen Hofe war an dem Badeort in Cirkeln zweiten und dritten Rangs zu sehen, als Begleiter, als schmachtender Ritter und oft als Gegenstand des Spottes der Tochter eines unbekannten und beinah bedeutungslosen Landedelmanns. Troz der Ehre eines so ausgezeichneten Liebhabers und troz all der Neuheit ihrer Lage, war doch der gesunde Kopf Luciens bis jezt nicht im Mindesten verrükt worden; und was ihr Herz anlangt – so rührte der einzige Eindruk den es je in sich aufgenommen, von jenem wandernden Gast beim Dorfgeistlichen her, den sie seitdem nicht wieder gesehen hatte, aber der noch ihrer Einbildungskraft vorschwebte, nicht allein mit den Reizen ausgestatet, die er als ein ausgezeichnet schöner Mann wirklich besaß, sondern auch mit solchen, auf die er nie ein Recht konnte geltend machen, die aber für ihre Gemüthsruhe nur um so gefährlicher waren, als sie nur in der Fantasie des Mädchens und nicht in seinen Verdiensten gegründet waren.

Sie hatten jezt einige Zeit in Bath zugebracht und Brandons kurze Erholungsfrist war beinah abgelaufen, als ein öffentlicher Ball von ungewöhnlicher und mannigfaltiger Pracht angekündigt wurde. Er sollte nicht nur durch die Anwesenheit aller Familien in der Umgegend, sondern auch durch Personen aus der königlichen Familie verherrlicht werden; und es ist ja eine anerkannte Thatsache, daß die Leute weit besser tanzen und sich ihr Essen weit besser schmeken lassen, wenn ein Verwandter des Königs zugegen ist.

»Ueber diesen Ball muß ich noch bleiben, Lucie,« sagte Brandon, der, nachdem er den Tag mit Lord Mauleverer zugebracht, in ungewöhnlich fröhlicher Stimmung nach Hause kam. »Ich muß noch über diesen Einen Ball bleiben und Zeuge von Deinem vollständigen Triumf sein, obgleich es dringend nothwendig ist, daß ich Euch dann gleich am folgenden Morgen verlasse.«

»So bald!« rief Lucie aus.

»So bald!« wiederholte der Oheim mit einem Lächeln, »wie gut bist Du, so mit einem alten siechen Mann zu sprechen, dessen Gesellschaft Dich zum Sterben muß gelangweilt haben; nein! keine artige Betheurungen des Gegentheils! Aber der Hauptzwek meines Besuchs an diesem Ort ist erreicht; ich habe Dich gesehen, ich war Zeuge Deines Auftritts in der großen Welt mit, ich darf es wohl sagen, mehr als väterlichem Jubel, und ich kehre zu meinen troknen Geschäften mit dem befriedigenden Gedanken zurük, unser alter und verwelkter Stammbaum habe wieder eine Blüthe getrieben, die seiner frischesten Tage nicht unwerth ist.«

»Oheim!« sagte Lucie im Tone des Vorwurfs und erhob den Zeigefinger mit einem schalkhaften Lächeln, wozu sich ein Erröthen gesellte, in dem die weibliche Eitelkeit, ihr selbst unbewußt, sich aussprach.

»Und was soll dieß heißen, Lucie?« fragte Brandon.

»Weil – weil – ach, nichts mehr davon! Sie sind für den Beruf erzogen worden, in dem, wie sie selbst sagen, die Leute Unwahrheit reden für Andre, bis sie für sich selbst alle Wahrheit verlieren. Aber lassen Sie uns von Ihnen sprechen, nicht von mir; ist Ihnen wirklich so wohl, daß Sie uns verlassen dürfen?«

So einfach und sogar kalt die Worte in Luciens Frage auf dem Papier erscheinen mögen: in ihrem Munde nahmen sie einen so zärtlichen, freundlich besorgten Ton an, daß Brandon, der keinen Freund, kein Weib, keine Kinder, kurz Niemand in seinem Hause hatte, bei dem Theilnahme für seine Gesundheit und sein Wohlsein etwas Natürliches gewesen wäre, und der daher an die Sprache der Zärtlichkeit durchaus nicht gewöhnt war, sich plözlich gerührt und ergriffen fühlte.

»Nun wahrlich, Lucie,« sagte er mit minder erkünsteltem Ton als worin er gewöhnlich sprach, »ich würde gerne noch Deiner Sorgfalt genießen und in Deiner Gesellschaft meine Schwächen und Leiden vergessen, aber ich kann nicht; die Fluth der Ereignisse, wie die der Natur, richtet sich nicht nach unsrem Vergnügen.«

»Aber wir können doch selbst unsre Zeit uns ersehen, um unter Segel zu gehen,« sagte Lucie.

»Ja, das kommt dabei heraus, wenn man in Bildern spricht,« sagte Brandon hierauf lächelnd, »wer damit anfängt, kommt immer am schlechtesten weg. Mit klaren Worten, liebe Lucie, ich kann nicht mehr Zeit auf meine Unpäßlichkeit verwenden. Ein Advokat kann während der Gerichtssizung nicht den Müssiggänger spielen ohne – –«

»Ein paar Guineen zu verlieren,« unterbrach ihn Lucie.

»Mehr als das – seine Praxis und seinen Namen!«

»Lieber noch dieß als die Gesundheit und Gemüthsruhe.«

»Ha! nicht doch – Nein!« sagte Brandon rasch und beinah zornig. »Wir lassen es uns die Frische und das Mark unsers Lebens kosten, um eine recht glänzende Knechtschaft zu gewinnen, und wenn sie errungen ist, dürfen wir nicht meinen, eine dunkle Unabhängigkeit wäre doch besser gewesen. Wenn wir je diesen Gedanken in uns aufkommen lassen: welche Thoren, welche verschwenderische Thoren sind wir dann gewesen! Nein,« fuhr Brandon nach einer augenbliklichen Pause in milderem und heitrerem Ton fort, der jedoch für die eiserne Hartnäkigkeit des Mannes nicht minder charakteristisch war, »nachdem ich die Genüsse der Jugend und die behagliche Muße des Mannesalters hingegeben habe, damit der Geist, der alles überwältigende Geist im Alter endlich sich eine Bahn breche zum Lob und Beifall der Menschen, wäre ich wahrlich ein elender Weichling, wenn ich, so lange noch diese streitenden Elemente meines Körpers zusammenhalten, oder so lang ich noch die Macht besize, über diese Glieder zu gebieten, zugäbe, daß dieser schwächliche Körper die Mühe und Arbeit der bessern und edlern Hälfte meines Wesens vereitle und was zum Dienen und Gehorchen bestimmt ist, herrsche.«

Lucie wußte nicht, als sie ihrem sonderbaren Verwandten halb mit Furcht, halb mit Verwunderung zuhörte, daß gerade während er sprach, sein Uebel aufs Fürchterlichste an ihm nagte, ohne ihm doch nur das geringste äußere Zeichen des Schmerzens auspressen zu können. Aber es bedurfte auch ihre Theilnahme und Zärtlichkeit für diesen Mann keines weitern Zuwachses, der vielleicht eben in Folge davon, daß für gewöhnlich das Gepräge des Weltmanns und ein kaltes Gemüth sich in ihm aussprachen, immer einen unauslöschlichen Eindruk auf alle diejenigen machte, welche je unter dieser Gemüthsruhe tiefere, obwohl vielleicht schlimmere Gefühle, hatten hervorbrechen sehen.

»Wirst Du zu dem Rout der Lady – – gehen?« fragte Brandon, der mit Leichtigkeit auf gewöhnliche Gegenstände überzugehen wußte, »Lord Mauleverer trug mir auf, Dich zu fragen.

»Das hängt von Ihnen und meinem Vater ab,« sagte Lucie.

»Wenn von mir, dann antworte ich ja!« sagte Brandon. »Ich höre Mauleverer gerne zu, besonders bei Leuten, die ihn nicht verstehen; durch die Gemeinpläze seines Gesprächs zieht sich ein seiner, künstlicher Spott durch, der die armen Narren verwundet, wie das unsichtbare Schwert in der Fabel, das Köpfe abschnitt, ohne deren Eigenthümern eine andre Empfindung, als ein angenehmes, schmeichelndes Kizeln zu verursachen. Wie unendlich ist er in Benehmen und Anstand Allen überlegen, die man hier trifft; macht er keinen angenehmen Eindruk auf Dich?«

»Ja – nein – ich kann das eigentlich nicht sagen,« versezte Lucie.

»Ist dieß die Verwirrung der Zärtlichkeit?« dachte Brandon.

»Mit Einem Wort,« fuhr Lucie fort. »Lord Mauleverer ist ein Mann, den ich für angenehm halte ohne zu fesseln, und für unterhaltend ohne hinzureißen. Offenbar hat er einen gebildeten Geist und ein anmuthiges Benehmen, und bei alledem ist er die uninteressanteste Person, die ich je sah.«

»Die Frauen haben selten so von ihm geurtheilt,« sagte Brandon. –

»Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie anders urtheilen sollten.« Ein gewisser mit Verachtung verwandter Ausdruk spielte über Brandons harte Züge. Es war ein bemerkenswerther Zug an ihm, daß er, während doch sein eifriges Bestreben dahin ging, Lucien eine vortheilhafte Meinung von Lord Mauleverer einzuflößen, doch nie ganz eine gewisse Zufriedenheit bei irgend einem Scherz auf Kosten des Grafen, ober bei einem Urtheil, das seine Liebenswürdigkeit gegenüber von dem andern Geschlecht in Zweifel zog, zu verbergen im Stande war; aber sobald diese Zufriedenheit in ihm zum Bewußtsein kam, wurde sie auch augenbliklich wieder durch den Verdruß bekämpft, welchen er darüber empfand, daß Lucie seinen Wunsch, sie mit dem Hofmann zu vermählen, gar nicht zu theilen schien. Es schien in dieser Beziehung in seiner Seele ein Kampf obzuwalten, zwischen dem Interesse einerseits, und persönlicher Abneigung oder Verachtung andrerseits.

»Du beurtheilst die Weiber falsch!« sagte Brandon. »Frauen kennen sich einander nie. Von allen Menschen ist Mauleverer am meisten gemacht sie zu gewinnen und die Erfahrung rechtfertigt meine Behauptung. Der stolzeste Ruhm, den ich mir für ein Weib denken kann, wäre: die gänzliche Eroberung Lord Mauleverers; aber es ist unmöglich. Er kann galant sein, aber nie wird er sich zu Füßen legen. Er verachtet die ganze weibliche Welt und das mit Recht und ungestraft. Genug von ihm. Sing' mir liebe Lucie.«

Die Zeit des Balls rükte heran und Lucie, ein reizendes Mädchen, das aber nichts vom Engel an sich hatte, war wohl in so weit Freundin von der Fröhlichkeit, vom Tanz und von der Bewunderung, daß sie ihr Herz vor Erwartung der Dinge, die kommen sollten, pochen fühlte.

Endlich erschien der Tag. Brandon speiste allein mit Mauleverer und hatte die Verabredung getroffen, daß er mit dem Grafen seinen Bruder und seine Nichte auf dem Ball finden wolle. Mauleverer, ein Feind des Prunks, ausgenommen bei großen Gelegenheiten, wo aber dann Niemand es ihm an Geschmak zuvorthat, ließ seine Diener nie bei Tisch aufwarten, wenn er allein oder mit einem vertrauteren Freunde speiste. Die Dienerschaft war außerhalb des Zimmers und wurde mittelst einer Gloke, die neben dem Wirth lag, wenn man ihrer bedurfte, berufen. So war die Unterhaltung ganz ungezwungen.

»Ich bin ganz überzeugt, Brandon,« sagte Lord Mauleverer, »daß, wenn Sie nur auch etwas besser leben wollten, es mit Ihrem Nervenleiden bald besser werden würde. Es ist nichts als Mangel an Blut, glauben Sie mir! Noch ein Wenig, von den Finnen? nicht? oh zum Kukuk mit Ihrer Enthaltsamkeit; es ist verdammt unfreundschaftlich, so wenig zu essen. Da wir von Finnen und Freunden sprechen – der Himmel verhüte, daß ich je wieder mit einem pedantischen Epikuräer mich einlasse, zumal wenn er Wortspiele macht.«

»Nun was hat denn ein Pedant mit Finnen zu schaffen?«

»Ich will es Ihnen sagen (ah, dieser Madera!) ich brachte den Lord Dareville, der den Feinschmeker spielen will, auf den Gedanken, welch herrliches Ding es um ein Gericht von lauter Finnen (Steinbutten-Finnen) sein müßte. »Herrlich!« rief er entzükt aus, »Speisen Sie morgen bei mir.« Gerne! sagte ich. Am folgenden Tag, nachdem ich den ganzen Morgen einer anmuthigen Träumerei über die Art und Weise nachgehängt war, wie Dareville's Koch, der nicht ohne Geist ist, die große Aufgabe lösen werde, kam ich pünktlich meinem Versprechen nach. Werden Sie es glauben? Als der Dekel abgenommen war, hatte der frevelhafte Hund von einem Amfitryen Cicero de Finibus in die Schüssel gelegt. »Hier ist ein Werk von lauter Fines!« sagte er.

»Gräßlicher Scherz!« rief Brandon feierlich.

»Nicht wahr? Wenn je die Gastronomen ein Inquisitionsgericht niedersezen, so werden sie hoffentlich all die gottlosen Bösewichte braten, welche das göttliche Geheimnis leichtfertig behandeln. Ein Wortspiel machen mit der Kochkunst! es ist zu arg: Apropos bei Dareville – er soll auch in die Verwaltung kommen!« »Sie sezen mich in Erstaunen!« sagte Brandon, »davon hab' ich nie etwas gehört; ich kenne ihn nicht. Er hat sehr wenig Einfluß, hat er Talente?«

»Ja, ein sehr großes, obwohl nur erworbenes!«

»Worin besteht es?«

»Eine schöne Frau!«

»Mein Lord!« rief Brandon überrascht und halb von seinem Siz sich erhebend, aus.

Mauleverer sah rasch auf und erröthete heftig als er den Ausdruk auf dem Angesicht seines Tischgenossen sah; es herrschte einige Augenblike Stillschweigen.

»Sagen Sie mir,« sagte Brandon gleichgültig, indem er sich etwas Gemüße vorlegte, denn er rührte selten Fleischspeisen an und man konnte sich keinen ergözlicheren Contrast denken, als den zwischen dem ernstlichen Epikuräismus Mauleverers und der sorglosen Verachtung gegen die erhabne Kunst, welche sein Gast an den Tag legte, »Sagen Sie mir, der Sie nothwendig Alles wissen müssen, ob das Cabinet jezt in der That ganz besezt ist, ob Sie das Hosenband bekommen, und ich – (man merke den Unterschied) – die Richterstelle?«

»Nun so wird es, glaub' ich, eingerichtet werden, das heißt, wenn Sie darein willigen, die Schurken aufzuhängen, statt mit den Narren zu leben.«

»Man kann beides verbinden!« erwiederte Brandon, »aber ich glaube überhaupt, es verhält sich umgekehrt. Denn wir leben mit den Schurken und nur die Narren sind wir im Stande zu hängen. Sie fragen mich ob ich die Richterstelle annehme? Ich würde es nicht thun – nein, ich würde mir lieber die Hand abhauen – (der Advokat sprach mit großer Bitterkeit,) als meine gegenwärtige Laufbahn, troz allen Hindernissen, die sich mir in den Weg stellen, aufgeben: wenn ich dächte, dieser hinfällige Körper werde mir auch nur noch zwei Jahre lang erlauben, sie zu verfolgen.«

»Sie erschreken mich!« sagte Mauleverer, ein wenig ergriffen, aber demungeachtet mit gewohntem unfehlbarem, seinem Takt den Cayenne-Pfeffer auf die Gurken streuend, »sie erschreken mich; aber Sie, sind doch beträchtlich, besser als früher?«

»Nicht daß ich,« fuhr Brandon, mehr mit sich selbst als mit seinem Freunde sprechend, fort: »Nicht daß ich außer Stand wäre die Qualen zu überwältigen und die verzagten Nerven zu bemeistern; aber ich fühle, wie ich durch die beständige Anstrengung meiner noch übrigen Kräfte schwächer und schwächer werde, und ich werde sterben, eh' ich meine Pläne zur Hälfte erreicht habe, wenn ich nicht die Arbeiten verlasse, die mich im wahren Sinne des Worts in Stüke reißen.«

»Aber,« sagte Lord Mauleverer, der trägste Mensch unter der Sonne, »die Richterstelle ist keine so bequeme Sinekure!«

»Nein!« aber in diesem Amt ist doch der Geist weniger in Anspruch genommen, als in meiner jezigen Stellung;« und hier hielt Brandon inne, eh' er fortfuhr: »Aufrichtig gesprochen, Mauleverer, glauben Sie nicht, man wollte mich hintergehen? meinen Sie nicht die Absicht sei, mich zu diesem politischen Tode zu verdammen, ohne auf den Schild am Sarge zu schreiben: resurgam

»Sie dürfen nicht!« sagte Mauleverer, sein viertes Glas Madera hinunterstürzend.

»Gut ich bin über den Wechsel in meinem Lebensplan entschieden,« sagte der Advokat mit einem leichten Seufzer.

»Und ich über den Wechsel in meinen Ansichten,« stimmte der Graf mit ein. »Ich will Ihnen sagen, womit die Ansichten zu vergleichen sind.«

»Womit?« fragte Brandon zerstreut.

»Mit Bäumen,« antwortete Mauleverer wizig, »wenn sie, so lange sie stehen, nuzbar sind, so bricht man kein Reis davon ab, aber wenn sie die Höhe erreicht haben, die gut bezahlt wird, oder wenn sie eine schöne Aussicht verdeken, so haut man sie um und schaft sie auf jede mögliche Weise fort. Und jezt zum zweiten Gang!«

»Ich wäre begierig,« sagte der Graf, als unsre ehrenhaften Staatsmänner wieder allein waren, »zu wissen, ob es je einen Minister gab, der sich nur drei Steknadeln um das Volk bekümmerte – um seine Partei bekümmert sich Mancher, aber um das Land!«

»Es sind lauter Possen!« sezte der Advokat mit mehr Nachdruk als Anmuth hinzu.

»Recht! es sind lauter Possen, wie Sie es treffend ausdrüken. König, Verfassung und Kirche für immer! das heißt verdolmetschet: erstens König, oder Einfluß der Krone, Richterstellen und Hosenbandorden; fürs zweite die Verfassung – oder Advokatengebühren, Stellen für den Staatsmann, Geseze für die Reichen und Jagdgeseze gegen die Armen; drittens die Kirche, oder Pfründen für die jüngern Söhne und den Hungertod für ihre Pfarrverweser!«

»Ha, ha!« sagte Brandon mit sardonischem Lächeln, »wir kennen die menschliche Natur!«

»Und wie man mit ihr umspringen muß,« sezte der Höfling hinzu. »Auf die Gesundheit Ihrer Nichte, und möge es nicht lang anstehen, bis Sie sie als die Braut Ihres Freundes begrüßen!«

»Braut et cetera,« sagte Brandon mit einem höhnischen Lächeln worin sich sein geheimer Triumf aussprach. »Aber, hören Sie mich an, lieber Lord, feien Sie Ihrer Sache nicht zu gewiß! es ist ein eignes Mädchen und besizt mehr Unabhängigkeit als sonst die Weiber. Sie wird bei ihrem Urtheil über Sie Rang und Stand in keinen Anschlag bringen; sie wird nur den Mann ins Auge fassen, und verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen, der Sie das Geschlecht so gut kennen, einen Plan an die Hand zu geben wage, nach welchem zu verfahren nicht unräthlich sein dürfte: beugen Sie der Einbildung von ihrer Seite vor. Sie seien ganz und gar der ihrige; erweken Sie ihre Eifersucht, reizen Sie ihren Stolz, bringen Sie ihr die Meinung bei, Sie seien unüberwindlich und wenn sie nicht allen Weibern unähnlich ist, so muß sie wünschen, Sie zu erobern.«

Der Graf lächelte. »Ich muß Mein Heil versuchen,« sagte er mit zuversichtlichem Tone.

»Der verwitterte Get!« brummte Branden zwischen den Zähnen: »jezt wird seine Thorheit Alles vereiteln.«

»Und dieß erinnert mich,« fuhr Mauleverer fort, »daß die Zeit schwindet und das Diner noch nicht vorüber ist; lassen Sie uns nichts übereilen, aber verhalten wir uns stille, um dessen besser zu genießen – diese Trüffeln in Champagner – kosten Sie sie, einen Todten müßten sie wieder ins Leben rufen!«

Der Advokat lächelte und ließ den guten Willen gelten, obwohl er die Lekerei unberührt ließ; und Mauleverer, dessen Seele auf seinem Teller war, bemerkte die herzlose Zurükweisung nicht.

Inzwischen hatte die junge Schönheit bereits den Schauplaz der Lust betreten und saß neben dem Squire am obern Ende des halbgefüllten Ballsaals.

Eine muntere Dame nach der Mode der damaligen Zeit und von dem Halbrang, dem die Aristokratie von Bath angehörte, eine der sonderbaren Personen, wie sie uns in den trefflichen Novellen der Miß Burney unter der Classe der feinen Damen begegnen, gesellte sich als dritte Person zu unsrer Erbin und ihrem Vater und bezeichnete ihnen die verschiednen Leute, welche in die Zimmer traten, mit Namen. Sie war noch im besten Strom der Klatscherei, als ein ungewöhnliches Aufsehen in der Nähe der Thür sich kund gab; drei Fremde von ausgezeichneter Gesichtsbildung, in bunter Kleidung und mit einem Wesen, das, obgleich bei Jedem wieder verschieden, bei allen durch eine Art prunkender Zuversicht hervorstach, traten ein. Einer war ungewöhnlich groß und hatte einen außerordentlich stattlichen Haarwuchs; der zweite hatte ein harmloseres und anspruchloseres Aussehen; demungeachtet hatte sein Antliz einen hochmüthigen obwohl nicht widerwärtigen Ausdruk; der dritte war ziemlich viel jünger als seine Begleiter, auffallend schön von Wuchs und Gesicht, war auch in einem bessern Geschmak gekleidet und besaß ein Benehmen, das obwohl nicht minder kek, doch nicht ebenso durch Unverschämtheit und derbes Auftreten sich bemerklich machte.

»Wer mag das sein?« sagte Luciens Freundin in verwunderndem Tone, »ich habe sie noch nie gesehen – es müssen angesehene Leute sein – sie haben alle das Wesen von Männern von Stand! Gott! wie ungeschikt, daß ich sie nicht kennen soll!«

Während die gute Dame, die wie alle gute Damen dieses Schlags, meinte, Leute von Stand haben ein besondres Wesen an sich, sich also beklagte, daß sie die neuen Ankömmlinge nicht kenne, ging bereits ein allgemeines Geflüster, denselben Gegenstand betreffend, durch den ganzen Saal: »Wer sind sie?« und die Antwort war immer: »Kann es nicht sagen – sah sie noch nie.«

Unsre Fremden schienen mit dem sichtbaren und raschen Eindruk den sie gemacht, keineswegs unzufrieden. Sie standen in dem am meisten in die Augen fallenden Theile des Saals und unterhielten mit einander ein leises Gespräch häufig von Gelächter unterbrochen, lauter Zeichen, wie wir kaum zu bemerken brauchen, von außerordentlich feiner Lebensart. Die schöne Gestalt des jüngsten Fremden und die einfache, wie es schien, ungesuchte Anmuth seiner Haltung waren indeß der Bewunderung, die sie erregten, nicht unwerth, und selbst sein Lachen, so unfein es in der That war, enthüllte eine so glänzende Reihe Zähne und war von so strahlenden Augen begleitet, daß, ehe zehn Minuten vergingen, kaum eine junge Dame unter neununddreissig im Saale sich befanden, die nicht geneigt gewesen wäre, sich in ihn zu verlieben.

Anscheinend gleichgültig gegen die verschiednen ihr Ohr erreichenden Bemerkungen, schlenderten unsre Fremden, nachdem sie von ihrer Stellung aus zur Genüge die Schönheiten des Balls gemustert, Arm in Arm durch die Gemächer. Nachdem sie den Tanzsaal und die Spielzimmer durchwandert, gingen sie durch die Thüre, welche zum Eingang führte und betrachteten mit andern Herumlungerern, die neuen Ankömmlinge wie sie die Treppe herauf kamen. Hier erneuerten die zwei jungen Fremden wieder ihre flüsternde Unterhaltung, während der größte, unbekümmert an die Wand gelehnt, einige Augenblike damit beschäftigt war, die Hand durchs Haar zu streichen. Mit diesem Geschäfte fertig, sah unser Ehrenmann seine Aufmerksamkeit von dem eigenthümlichen Zustand seiner Manschetten in Anspruch genommen; nachdem er ein paar Augenblike einen ärgerlichen Riß an der rechten Manschette beobachtet, murmelte er einige unverständliche Worte, welche lauteten wie: der Hahn der verwünschten Pistole! und schob dann den verunstalteten Putz mit einer ausnehmend flinken Bewegung der Finger seiner linken Hand hinauf; in der nächsten Minute brauchte der Fremde, von einer neuen Sorge belästigt, seine Fingerspizen dazu, eine außerordentlich glänzende Brustnadel an seinem Hemde zu befestigen und zurechtzurüken, dessen grobes Gewebe sonderbar gegen die Pracht des Zierrathes und die Feinheit der einen Krause abstach, die unser neuer Hyperion unter seinem zimmtfarbigen Rokärmel hervorhängen ließ. Nachdem diese kleinen Verrichtungen an seiner eignen Person beendigt waren, und er eine glänzende Tabaksdose aus seiner Seitentasche hervorgeholt, dreimal darauf gepocht und sie um zwei Prisen ihres kizelnden Schazes erleichtert hatte, wandte jezt der Fremde mit dem wachsamen Auge der Freundschaft, einen forschenden Blik auf den Anzug seiner Freunde. Hier schien alles der strengsten Prüfung Troz bieten zu können, nur freilich, daß, wie der vornehm-aussehende Fremde eben seine Handschuhe herausgezogen hatte, das Futter seiner Roktasche, das zum Ueberfluß noch ziemlich schmuzig war, nicht wieder, wie sich gebührte, nach innen zurükgekehrt war. Der große Fremde sah diesen kleinen Uebelstand, fuhr dienstfertig mit drei Fingern rasch und leicht in die Tasche seines Freundes und bewältigte glüklich die Schamlosigkeit des vorwizigen Futters. Sobald der hochmüthige Fremde die Berührung fühlte, drehte er sich rasch um und flüsterte gegen seinen gefälligen Gefährten: »Was, Ned, unter Freunden! Pfui doch! bezwinge, die Natur in Dir nur wenigstens Eine Nacht!«

Ehe der mit den wallenden Haaren Zeit zur Antwort fand, trat der Zeremonienmeister, der in den lezten drei Minuten die Fremden durch sein Augenglas beobachtet, mit einer gewandten Verbeugung vor und der schöne Gentleman, der das höhere Ansehen und den Vortritt vor seinen Begleitern behauptete, war der Erste, der die Höflichkeit erwiederte. Er that dieß mit so viel Anstand, und einem so gefälligen Gesichtsausdruk, daß der Richter der Büklinge auf einmal ganz eingenommen ward und mit einer zweiten noch ehrerbietigern Begrüßung, ihn mit sich und seinem Amte bekannt machte.

»Sie würden vielleicht gerne tanzen, meine Herrn,« fragte er mit einem Blik auf Alle, aber seine Worte waren an den gerichtet, der den günstigen Eindruk auf ihn gemacht hatte.

»Sie sind sehr gütig,« versezte der einnehmende Fremde, »ich für meinen Theil werde Ihnen für die Ausübung Ihrer Macht zu meinen Gunsten sehr verpflichtet sein; erlauben Sie mir, mit Ihnen in den Tanzsaal zurükzukehren, wo ich ihnen dann die Gegenstände meiner besondern Bewunderung auszeichnen werde.«

»Der Zeremonien-Meister verbeugte sich wie zuvor und schlenderte mit seinem neuen Bekannten, gefolgt von dessen zwei Begleitern, in den Ballsaal.

»Sind Sie schon lange in Bath, Sir?« fragte der Ball-Monarch.

»Nein, in der That, wir kamen erst diesen Abend an.«

»Von London?«

»Nein! wir machten einen kleinen Streifzug durch das Land.«

»Ah, sehr angenehm bei diesem heitern Wetter!«

»Ja, besonders an den Abenden.«

»Oh – ein romantischer Schwärmer!« dachte der Ball-Mann und versezte laut: »O ja die Nächte sind angenehm und der Mond ist uns besonders günstig.«

»Nicht immer,« sagte der Fremde.

»Wahr, wahr – die vorlezte Nacht war finster; aber sonst schien der Mond sehr hell.«

Der Fremde war schon im Begriff zu antworten, aber er unterdrükte die Antwort und neigte nur zustimmend das Haupt.

»Ich bin neugierig, wer sie sein mögen,« dachte der Ceremonien-Meister. »Bitte, Sir,« sagte er leise, »ist dieser Herr, der große Herr, irgendwie mit Lord – – verwandt? Ich kann nicht umhin zu glauben, ich entdeke eine Familienähnlichkeit an ihm.« »Nicht entfernt mit seiner Lordschaft verwandt,« antwortete der Fremde, »aber es ist aus einer Familie, die in der Welt Lärmen gemacht hat, obgleich er, wie mein andrer Freund nur ein Gemeiner ist,« und auf dieß Wort legte er besondern Nachdruk.

»Nichts kann achtungswerther sein, Sir, als ein Gemeiner von guter Familie,« versezte der höfliche Herr *** mit einer Verbeugung.

»Ich stimme Ihnen bei, Sir,« erwiederte der Fremde auch mit einem Bükling. »Aber, o Himmel!« der Fremde fuhr auf. Denn in diesem Augenblik entdekte er zum erstenmal im fernen Ende des Saals das jugendlich leuchtende Antliz von Lucie Brandon. »Seh' ich recht, oder ist dieß nicht Miß Lucie Brandon?«

»Es ist wirklich diese liebenswürdige junge Dame,« sagte Herr – –. »Ich wünsche Ihnen Glük dazu, daß Sie diese bewunderte Schönheit kennen. Ich denke, da Sie sich dieser Bekanntschaft zu erfreuen haben, ist die Förmlichkeit des Vorstellens überflüssig?«

»Mag sein!« sagte der Fremde ziemlich kurz und unhöflich. »Doch nein! vielleicht ist es doch besser, Sie stellen mich vor.«

»Mit welchem Namen werde ich die Ehre haben, Sir?« fragte der Namenkenner bescheiden.

»Clifford!« antwortete der Fremde, »Kapitän Clifford!« Auf dieß lenkte der Ober-Ceremonien-Meister seine Schritte durch den jezt dichtgedrängten Saal und näherte sich Lucien, um Herrn Cliffords Verlangen zu erfüllen. Dieser Gentleman jedoch blieb, eh' er dem Schuzgeist des Ortes auf dem Fuß nachfolgte, stehen und sagte zu seinen Freunden in gleichgültigem Ton, doch nicht ohne gebietenden Nachdruk: »Hört Ihr Herrn, thut mir den Gefallen und seid so still und artig, als Euch möglich ist, und drängt Euch nicht zu mir, wie Ihr zu thun pflegt, so oft Ihr keine Gelegenheit erseht, mir diese Ehre nur mit dem geringsten Anstrich von Schiklichkeit anzuthun.« Mit diesen Worten, ohne eine Antwort abzuwarten, eilte Clifford dem Ceremonien Meister nach.

»Unser Freund wird gewaltig befehlshaberisch!« sagte der lange Ned, den unsre Leser bereits in dem großen Fremden erkannt haben.

»So ist es immer mit den hochstrebenden Geistern,« sagte der moralisirende Augustus Tomlinson, »ich denke wir gehen in das Spielzimmer und machen einen Robber

»Ein guter Gedanke,« sagte Ned gähnend – was er in Gesellschaft zu thun sehr geneigt war, »und ich wünsche denen, welche unsre RobberIm Englischen Wortspiel von Rubber die Spielpartie, mit Robber Räuber. versuchen, nichts Schlimmeres, als daß sie von ihnen fein säuberlich ausgezogen werden möchten.« Nach diesem Wiz marschirte der Colossus der Landstraßen, mit einem Blik in den Spiegel, sich brüstend und Arm in Arm mit seinem Begleiter, in das Spielzimmer.

Während dieser kurzen Besprechung hatte die Erneuerung der Bekanntschaft zwischen Clifford (dem Fremden vom Pfarrhaus und Befreier Herrn Sloppertons) und Lucie Brandon Statt gehabt und die Hand der Erbin war schon gemäß der Sitte jener Zeit, für die zwei folgenden Tänze ihm zugesagt.

Ungefähr zwanzig Minuten nachdem diese Vorstellung Statt gehabt, traten Lord Mauleverer und William Brandon in den Saal und das Geflüster, das beim Eintritt des bekannten Pairs und des ausgezeichneten Anwalts entstanden war, hatte sich kaum gelegt, als die königliche Person, deren Gegenwart die festliche Scene (wie die Zeitungen einen großen, mit übel aussehenden Leuten angefüllten Saal nennen,) verherrlichen sollte, ankam. Die widerwärtigsten wie die einnehmendsten Personen in Europa sind in der königlichen Familie Englands zu finden. Seine jezt regierende Majestät, zum Beispiel, repräsentirt die eine Classe und die andre – was sagt man wohl zu seiner königlichen Hoheit, dem Herzog von – –; einem Mann, von dem man ohne Schmeichelei sagen darf: er verbinde das Aeußere eines Hunnen mit der Seele eines Vandalen. Die hohe, in Bath anwesende Person gehörte mehr der angenehmen Classe der königlichen Familie an, und in Folge gewisser politischer Verwicklungen wünschte sie vornehmlich zu jener Zeit, sich so populär als möglich zu machen. Nachdem die Hoheit bei den alten Lady's herumgegangen und sie, wie das Hofjournal bei alten Damen noch bis auf diesen Tag thut, versichert hatte: sie seien Morgensterne und schwanengleiche Schönheiten, spürte sie Brandon auf und winkte ihm sogleich mit einer vertraulichen Geberde. Der ruhige, aber finster aussehende Advokat näherte sich der königlichen Hoheit mit dem ihn auszeichnenden Wesen, das in nicht ungefälliger Mischung, eine Art Steifheit, die bei der Menge für natürliche Unabhängigkeit galt, mit demüthiger Schmiegsamkeit verband, die man insgemein als das Zeichen eines im Grunde wohlwollenden Gemüths ansah. Wirklich war in Brandons Benehmen etwas, das den Großen nie misfiel, und sie fanden nur um so mehr Geschmak an ihm, weil er, obgleich er nicht für müssige politische Streitfragen war, wo bloße um ein Haarbreit abweichende Verschiedenheit in der Betrachtungsweise Statt findet, wie z. B. die Korngeseze, die katholische Frage, Aenderungen in der Kirche oder Parlamentsreform, doch stets, ausgenommen mit Lord Mauleverer, so wie ein Mann von Ehre sprach; daß seine Höflichkeit wie Neigung für die Personen, und seine Nachgiebigkeit gegen die Machthaber wie ein Opfer seiner persönlichen Ansichten erschien, wodurch er seinen Freunden sich gefällig erzeigen wollte.

»Ich bin wirklich sehr erfreut,« sagte die fürstliche Person, »Herrn Brandon in so viel besserem Aussehen zu finden. Nie war die Krone seiner Dienste mehr benöthigt und wenn das Gerücht wahr spricht, so sollen sie bald für einen andern Geschäftskreis als der bisherige Beruf in Anspruch genommen werden?«

Brandon verbeugte sich und erwiederte:

»Euer königlichen Hoheit zu dienen, sie werden immer dem Willen eines Königs zu Gebote stehen, von dem ich so viel Huld erfahren, für welchen Posten auch seine Majestät sie passend finden möge.«

»Es ist also wahr!« sagte die königliche Hoheit mit Bedeutung; »Ich wünsche Ihnen Glük! das ruhige Ehrenamt der Gerichtsbank muß Ihnen nach einer so geschäftvollen, unruhigen Laufbahn als ein großer Wechsel erscheinen?«

»Ich fürchte, es Anfangs so zu empfinden, Euer königliche Hoheit!« antwortete Brandon, »denn ich liebe auch die Beschwerden meines Berufs und in diesem Augenblik, wo ich in lebhafter Praxis stehe, mehr als je – aber (indem er sich auf einmal bezwang,) die Wünsche seiner Majestät und meine Genugthuung, mit ihnen übereinzustimmen, sind mehr als hinreichend um ein augenblikliches Bedauern zu beseitigen, das ich sonst wohl dürfte empfunden haben beim Abschied von Beschäftigungen, die mir zur andern Natur geworden sind.«

»Es ist möglich,« versezte die königliche Hoheit, »daß seine Majestät den bedenklichen Gesundheitszustand in Betracht zog, den zu meinem und des ganzen Publikums Bedauern, die öffentlichen Blätter einer der ausgezeichnetsten Zierden der Gerichtsschranken beigelegt haben.«

»Euer königlichen Hoheit zu dienen,« antwortete Brandon kalt und mit einem Lächeln, in welchem das durchdringendste Auge wohl nicht die Maske des eben an seinen Nerven nagenden Höllenschmerzes erkannt hätte, »es liegt im Interesse meiner Nebenbuhler die kleine Unpäßlichkeit einer schwachen Constitution zu übertreiben. Ich danke dem Himmel, daß ich jezt ganz hergestellt bin, und zu keiner Zeit meines Lebens fühlte ich mich tüchtiger – soweit weine natürlichen und geistigen Mängel überhaupt mir erlauben – die Pflichten eines auch mühevollen Berufs zu erfüllen. Ja, wie das Thier sich an die Mühle gewöhnt, so habe ich mich ganz in mein Geschäft hineingelebt – und selbst die kurze Erholung, die ich mir jezt gegönnt habe, scheint mir eher verdrüßlich als erfreulich.«

»Es freut mich, Sie so reden zu hören;« antwortete die königliche Hoheit mit Wärme – »und ich hoffe, wir werden noch viele Jahre und« fügte er in leiserem Tone hinzu, »in höheren, mit dem Mittelpunkt des Staates unmittelbarer zusammenhängenden Aemtern, von Ihren Talenten Nuzen ziehen. Die Zeiten sind von der Art daß manche Gelegenheiten vorkommen, welche jeden treuen Anhänger der Verfassung verpflichten, geringere Geschäfte dem Einen großen, dem Landeswohl geltenden zu lieb, aufzugeben, das uns Alle, den Höchsten wie den Niedrigsten angeht; und –« hier wurde die fürstliche Stimme noch gedämpfter, »ich finde eine Genugthuung darin, daß ich Sie versichern darf: die Stelle eines Oberrichters wird von seiner Majestät noch nicht als eine zureichende Entschädigung für Ihre Großmuth angesehen, womit Sie Ihre dermaligen glänzenden Aussichten der schwierigen Lage der Regierung zum Opfer bringen.«

Brandons stolzes Herz schwoll, und in diesem Augenblik hätte er wohl selbst die Qualen der Hölle kaum gefühlt.

Während so der hochstrebende Planmacher auf's Angenehmste unterhalten war, schlüpfte Mauleverer mit der Alle, Alte und Junge bezaubernden Anmuth durch das Getümmel, richtete an alle seine Bekannte ein munteres oder zärtliches Wort und drängte sich durch die Tänzer, in deren Mitte er Luciens ansichtig geworden war. »Ich möchte wissen,« sagte er, »mit Wem sie tanzt. Ich hoffe es ist der lächerliche Kerl, Mossop, der lustige Geschichten über sich selbst erzählt; oder der hübsche Schaafskopf, Belmont, der seine eignen Beine beschaut, statt sich die Miene zu geben, als habe er nur für seine Tänzerin Augen. Ha! hätte Tarquinius die Weiber so gut gekannt, wie ich: er würde keine Ursache gehabt haben, mit Lukrezia so plump zu verfahren. Es ist tausendmal Schade, daß die Erfahrung bei den Weibern, wie in der Welt, Einem erst kommt, wenn sie Einem nicht mehr viel Nuzen gewähren kann!«

Unter diesen moralischen Betrachtungen erreichte Mauleverer die Tänzer und sah Lucie mit niedergesenktem Auge und offenbar erglühenden Wangen einem jungen Mann zuhören, in dem Mauleverer auf den ersten Blik einen der hübschesten Bursche erkannte, die er je gesehen. Das Gesicht des Fremden war, troz seiner ausnehmend dunkeln Färbung, vermöge der großen Regelmäßigkeit der Züge, einigermaßen weichlich; aber auf der andern Seite verrieth sein obwohl schlanker und anmuthiger Wuchs einem geübten Auge leicht eine außerordentliche Muskel- und Sehnenkraft; und selbst der Anschein von Weichlichkeit in seinem Gesicht war von einem so männlichen und freien Wesen begleitet und so ganz ohne alle Gekerei oder Einbildung, daß der günstige Eindruk seiner Erscheinung dadurch nicht im mindesten geschwächt wurde. Ein bittrer, giftiger Stich drang Mauleverer in den Theil seines Leibes, den der Graf, in Ermanglung eines andern Namens, sein Herz zu nennen beliebte. »Wie verflucht vergnügt sie aussieht,« murmelte er. Beim Himmel! dieser verstohlene Blik unter dem linken Augenlied, ebenso schnell wieder gesenkt als er sich gehoben! und Er – ha! wie fest er die kleine Hand hält. Ich meine ich sehe ihn sie tätscheln! und dann des Hunds ernsten, eifrigen Blik – und sie lauter Blut und Glut, obgleich sie nicht wagt aufzusehen und seinem Blik zu begegnen, den sie durch innre Anschauung empfindet! O die spröde, bescheidne, verschämte Heuchlerin! Wie stumm sie ist! Mit mir kann sie genug plaudern! Ich gäbe mein versprochnes Hosenband drum, wenn sie nur mit ihm spräche! Sprechen, sprechen, – lachen, – plaudern – nur lächeln in Gottes Namen, so will ich glüklich sein! Aber dieses verschämte, erröthende Schweigen – es ist unerträglich! Dank dem Himmel! der Tanz ist zu Ende; noch einmal dem Himmel sei Dank! Ich habe keine solche Qualen mehr ausgestanden, seit ich das leztemal das Alpdrüken hatte nach dem Essen bei ihrem Vater!«

Mit einem Angesicht voll Lächeln, aber mit einer Haltung in der weit mehr Würde lag, als er gewöhnlich annahm, schritt jezt Mauleverer auf Lucie zu, die sich auf ihres Tänzers Arm lehnte. Der Graf, ein Mann von großem Takt, wo seine unermeßliche Eigenliebe ihm keinen Streich spielte, wußte wohl wie er den Liebhaber zu spielen hatte, ohne sich der lächerlichen Thorheit schuldig zu machen, als ein abgeschmakter Frauenknecht zu erscheinen. Er suchte mehr lebendig als empfindsam sich zu geben und den Bewerber unter der Maske des Wizes zu versteken.«

Nachdem er also mit leichter Galanterie seine ersten Complimente angebracht, ging er in ein so lebhaftes Gespräch ein, durchflochten mit so vielen naiven, aber handgreiflich treffenden Bemerkungen über die Charaktere der Anwesenden, daß er sich vielleicht nie in einem glänzenderen Lichte gezeigt hatte. Endlich, als die Musik eben wieder anheben wollte, sagte Mauleverer mit einem gleichgültigen Blik auf Luciens Tänzer: »Will mir Miß Brandon jezt die angenehme Dienstleistung erlauben, sie zu ihrem Vater zu begleiten?«

»Ich glaube,« antwortete Lucie, und ihre Stimme wurde auf Einmal schüchtern, »daß ich nach den hiesigen Ballgesezen an diesen Herrn für noch einen Tanz versagt bin.«

Clifford antwortete mit zuversichtlichem und unbefangenem Tone bejahend.

Als er sprach, beehrte ihn Mauleverer mit einer genaueren Betrachtung als er ihm bisher gewidmet hatte; und mochte nun wirklich in seinem Blik ein Ausdruk von Verachtung oder herabsehendem Hochmuth liegen, oder nicht – er reichte hin die Nöthe des Zorns auf Cliffords Wangen zu jagen. Er erwiederte den Blik mit Nachdruk und sagte zu Lucie: »Ich glaube, Miß Brandon, der Tanz beginnt jezt,« und Lucie, dem Winke folgend überließ den aristokratischen Mauleverer seinen eignen Gedanken.

In diesem Augenblik kam unter Verbeugungen der Ceremonienmeister herbei, halb bange, eine so große Person wie Mauleverer anzureden, aber mit der Absicht, durch die Tiefe seiner Büklinge die Größe seiner Ehrfurcht an den Tag zu legen.

»Ah, mein lieber Herr – –!« sagte der Graf, beide Hände dem Lykurg des Ballsaals entgegenstrekend, »Wie geht es Ihnen? Bitte, können Sie mir Aufschluß geben, wer dieser junge – Mann ist, der eben jezt mit Lucie Brandon tanzt?«

»Das ist – warten Sie – Oh das ist Capitän Clifford, mein Lord, ein sehr artiger Mann, mein Lord. Hat ihn Eure Lordschaft noch nie gesehen?«

»Nie! wer ist er? Etwa ein Ihrer Obhut besonders Empfohlener?« sagte der Graf lächelnd.

»Nein, fürwahr!« sagte der Ceremonienmeister mit einem einfältigen Lächeln geschmeichelter Eitelkeit. »Ich weiß kaum wer er ist; der Capitän zeigte sich diese Nacht zum erstenmal hier. Er kam mit zwei andern Herren; ah, da sind sie;« und hiermit wies er des Grafen forschende Aufmerksamkeit auf die zierlichen Gestalten der Herren Augustus Tomlinson und Ned Pepper, die eben aus den Spielzimmern hervortauchten. Der strazende Gang des leztern Ehrenmanns hatte eine so eigenthümliche Wichtigkeit, daß Mauleverer, so verdrüßlich er war, kaum das Lachen halten konnte. Der Ceremonienmeister bemerkte des Grafen Miene und äußerte: »Dieser vornehm aussehende Gentleman scheine geneigt zu sein, sich etwas breit zu machen.«

»Nach des Herrn Aussehen zu urtheilen,« sagte der Graf troken, (die Wahrheit zu sagen, so trug Neds Antliz wirklich die Spuren seiner Neigung zur Flasche,) sollte ich meinen, er sei mehr gewohnt sich voll zu machen.«

»Ha,« erwiederte der arbiter elegantiarum, der Mauleverers Bemerkung überhört hatte, weil sie sehr leise gesprochen worden war, »ha, sie sind recht gut herausstaffirt!«

»Herausstaffirt,« – wiederholte Mauleverer, »ja wie Hutstaffiere!«

Jezt meinte der lange Ned, der vermöge seines Gewerbes am Spieltisch erträgliche Geschäfte gemacht hatte, er habe sich das Recht erworben mit sich selbst in den Sälen Staat zu machen und den Damm zu zeigen, welche stattliche Person sich aus einem Pepper machen lasse.

Der lange Abenteurer lehnte sich mit der linken Hand auf Tomlinsons Arm, bediente sich seines Rechts sich selbst mit seinem mächtigen Chapeaubras gewaltig zu fächeln und marschirte so gemächlich herum, warf jezt das eine Bein nachlässig von sich und jezt das andre, und beäugelte die Damen mit einer Art von irländischem Blik, nemlich mit einem Mittelding von Zwinkeln und Anglozen.

Von Cliffords Gegenwart befreit, der seinen Genossen einigermaßen Zügel anlegte, erregte Ned durch sein Betragen ein so auffallendes Aufsehen, daß, wo er vorüberging, ein allgemeines Flüstern ihm folgte.

»Wer mag es sein?« sagte die Wittwe Matemore; es ist ein närrischer Bursch, aber welch ein Haarwuchs!«

»Ich für meinen Theil,« antwortete Fräulein Sneerall, »ich halte ihn für einen verkappten Leineweber, denn ich hörte ihn mit seinem Begleiter von Schnaps und Flachs reden.«

»Gut, gut,« dachte Mauleverer, »die Freundschaft erfordert es, daß ich Brandon aufsuche und ihm einen Wink gebe, in welche Gesellschaft seine Nichte gerathen zu sein scheint.« Und mit diesem Gedanken schlüpfte er in die Eke, wo der Rechtsanwalt mit einem grauköpfigen alten Politiker die Angelegenheiten Europa's überlegte.

Inzwischen war der zweite Tanz zu Ende gegangen und Clifford führte Lucie an ihren Siz, Beide bezaubert von einander. Plözlich fühlte er sich von hinten berührt, und als er sich unmuthig umdrehte, denn solche Berührungen waren ihm nicht unbekannt, sah er das kalte Gesicht des langen Ned, einen Finger pfiffig an die Nase gelegt.

»Was gibt's?« sagte Clifford mit übereinander gebissnen Zähnen, »hab' ich Dir nicht gesagt, Du sollest Dich mit Deiner plumpen Masse so fern als möglich von mir halten?«

»Oho,« grunzte Ned, »ist das mein Dank, so kann ich meine Freundschaft für mich behalten; aber wißt, mein Junge, daß der Advokat Brandon hier ist und eben in diesem Augenblik durch das Gewimmel seine Blike laufen läßt, um dieses Weibes, mit dem Du verkehrst, ansichtig zu werden.«

»Ha!« antwortete Clifford in raschem, heftigem Tone, »fort, denn! ich will sogleich außerhalb des Saals zu Euch stoßen.«

Jezt wandte sich Clifford zu seiner Tänzerin, verbeugte sich sehr tief, in der That um sein Angesicht dem scharfen Auge zu entziehen, das er schon einmal im Gerichtssaal des Richters Burnflat gesehen, und sagte: »Ich hoffe, Fräulein, ich werde die Ehre haben, Sie wieder zu sehen – Sind Sie, wenn ich mir die Frage erlauben darf, in Gesellschaft Ihres gefeierten Oheims hier? oder –«

»Mit meinem Vater,« antwortete Lucie, den Saz ergänzend, welchen Clifford nicht geendigt hatte, »aber mein Oheim ist bei uns gewesen; doch fürchte ich, er verläßt uns morgen.« Cliffords Augen funkelten. Er antwortete nicht, aber mit einer neuen Verbeugung trat er in das Gedränge zurük und verschwand. Manchmal schauten in dieser Nacht die glanzvollsten Augen in Sommersetshire mit verlangender Neugier in den Sälen nach unserm Helden umher, aber er war nicht mehr zu sehen.

Auf den Treppen traf Clifford seine Cameraden, nahm beide beim Arm und erreichte ohne ein bemerkenswerthes Abenteuer die Thüre; nur daß der moralisirende Augustus Tomlinson, der den gemäßigten Whigs die Ehre anthat, ihrer Fahne zu folgen, einige Augenblike durch das Gedränge aufgehalten, einen großen Stok mit goldnem Knopf aufnahm, und ihn zwischen den Fingern wägend sagte: »Ach bei unsern Beiständen treffen wir oft auch so schwere Knöpfe, nur von einem ganz andern Metall!« Sobald das Gedränge es gestattete, entfernte sich Augustus mit seinen Gefährten und in der Abwesenheit des Geistes welche Filosofen eigenthümlich ist, nahm er unwillkürlich den goldgekrönten Gegenstand seiner Gedanken mit fort, als ein derber Lakai auf ihn zutrat und sagte: »Sir, meinen Stok!«

»Stok Bursche!« sagte Tomlinson. »Ach, ich bin so abwesend! da ist Dein Stok; denkt nur Ned, ich nahm dem Mann da seinen Stok mit, ha! ha!« »Abwesend wahrhaftig!« brummte ein schlauer Sänftenträger, indem er die sich entfernenden Gestalten der drei Männer beobachtete, »Meiner Seele, der Stok war es, der abwesend zu werden Gefahr lief.«


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