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I. Die wichtigsten Kunstdenkmäler Ravenna's.

E Eng verbunden mit einer wichtigen Glanzperiode der frühen deutschen Geschichte ist das alte Ravenna. Als Residenz römischer Kaiser, besonders aber als die des mächtigen Gotenkönigs, war es berufen eine Rolle in der Weltgeschichte zu spielen, wurde doch Rom längere Zeit von der jetzt so stillen Stadt aus regiert. Die Herrschaft der Goten dauerte indes nicht lange: wenige Jahrzehnte später bemächtigten sich Justinians Scharen unter Belisars Führung der Stadt, und Kunst und Pracht des Orients fanden hier eine Heimstätte. Wichtige Zeugen sind aus jenen Zeitabschnitten erhalten geblieben, sie haben den Stürmen von bald anderthalb tausend Jahren zu trotzen vermocht. Für die Entwicklungsgeschichte der Kirchenbaukunst, insbesondere der deutschen, sind diese Denkmäler von hoher Bedeutung.

Die Kunstbestrebungen aller Völker erreichen ihren Gipfelpunkt in der Verehrung der Gottheit. Von den Römern war der Kultus im geschlossenen Raume, dem Tempel, auf die Deutschen übergegangen, in Rom stand die Wiege der christlichen Kunst. Mit der veränderten Anschauung vom Wesen Gottes ging jedoch keineswegs eine Veränderung der Formen, welche man dem zu Kultuszwecken errichteten Gebäude gab, Hand in Hand. Nur nach und nach vollzog sich diese Veränderung. Noch verhältnissmässig lange wurde die alte Bauweise beibehalten und die ersten Christen fanden keinen Anstoss an den Vorbildern ihrer heidnischen Vorfahren. Erst nach dem fünften Jahrhundert wird die Entwicklung der Formen eine selbstständige, man bemerkt ein sich Lossagen von der alten Tradition, es ist der Beginn der christlichen Kunst.

Wenn in Rom grossartigere Denkmäler der altchristlichen Kunst erhalten geblieben sind, so sind diejenigen Ravenna's dafür selbständiger entstanden. Auf dem klassischen Boden Roms war die Anlehnung an die grossen Vorbilder gegeben, in Ravenna konnte und musste sich die Kunst freier entwickeln. Während in Rom Säulen und Gesimsstücke häufig älteren Bauten entnommen waren, mussten diese in Ravenna eigens für den vorliegenden Zweck angefertigt werden.

Der Zeitraum, dem die wichtigsten Bauwerke Ravenna's angehören, ist nicht gross, kaum anderthalb Jahrhunderte. Doch dies sind die Zeiten hochbedeutsamer Wandlungen und deren Denkmäler sind grösstenteils so vorzüglich erhalten, wie sie keine andere Stadt aufzuweisen vermag. Treffend beschreibt Gregorovius (Wanderjahre in Italien) die Bedeutung und Eigenartigkeit Ravenna's unter anderen italienischen Städten: »Die Städte Italiens stellen fast durchweg die zwei grossen Epochen der Geschichte dieses Landes in ihren Denkmälern dar: das römische Altertum und das christliche Mittelalter. Nur Ravenna ist das Monument des Ueberganges aus der einen Epoche in die andere, und deshalb von unvergleichlichem Wert. Das römische Kaisertum in der Zeit seines Falles unter die Germanen, die erste Gründung des germanischen Königtums von Italien auf den Trümmern jenes Römerreichs, die sechzigjährige Herrschaft der Ostgoten, und die ihr folgende zwei Jahrhunderte umfassende Despotie der Byzantiner, alle diese Epochen haben in jener Stadt ihr Theater gehabt, und noch zahlreiche Denkmäler ihrer Geschichte in ihr zurückgelassen. Wer nach Ravenna kommt und diese Monumente so alter Zeit sieht, Grabdenkmäler des fünften und sechsten Jahrhunderts, Kirchen, strahlend von Musiven eben derselben Zeit, wird von ihnen fast ebenso ergriffen wie von den Resten Pompeji's. Und in der That Ravenna ist das Pompeji der gothischen und byzantinischen Zeit.«

Die Bauwerke jener Zeit können wir in drei Perioden einteilen:

(404-450) 1. Die Anfänge, wenn auch nicht die ersten, der christlichen Kunst.

(493-539) 2. Deren Weiterentwicklung unter der Gotenherrschaft.

(539-550) 3. Der Einfluss des oströmischen Reiches (Byzantinismus) auf die Kunst des Abendlandes.

Ravenna wurde unter Kaiser Augustus eine Stadt von hervorragender Bedeutung. Dieser legte unweit der Stadt einen Hafen an, der bald zu einer grossen Flottenstation sich erhob, war doch ihre Lage, insbesondere durch die Verbindung mit Constantinopel, eine sehr günstige. Die bei dem Hafen liegende Vorstadt erhielt den Namen Classis. In den Stürmen der Völkerwanderung wurde der junge Kaiser Honorius gezwungen, sich vor den Horden des Radagais in das unangreifbare, von Sümpfen umgebene Ravenna zu flüchten, und so wurde dieses die Residenz der letzten römischen Kaiser. Von Palästen derselben ist nichts übrig geblieben, dagegen stehen mehrere Gotteshäuser noch so unversehrt da, wie sie das junge Christentum errichtet hat. Frühzeitig schon hatte dieses durch St. Apollinaris hier Fuss gefasst, Honorius und seine Nachfolger, besonders aber seine fromme, thatkräftige Schwester Galla Placidia, errichteten zahlreiche Gotteshäuser und verhalfen der ravennatischen Kirche zu hohem Ansehen. So fällt in diese trübe Zeit staatlicher Zerrissenheit und sittlicher Verwilderung eine für die Kunstgeschichte sehr bedeutsame Epoche. Die Anlage dieser Gotteshäuser ist einfach und dem kirchlichen Bedürfniss angepasst, doch in dem Schmuck derselben, besonders in den Mosaikbildwerken, erkennt man noch die belebende Schönheit der Antike. Das Heidentum selbst war untergegangen, seine Kunst aber wurde in den Dienst der neuen Kirche gestellt, zur Verherrlichung derselben –, wenn auch nur auf kurze Zeit –, beitragend.

Der ersten Periode, der Zeit des Kaisers Honorius und seiner Schwester, gehören folgende Bauwerke an: die wenigen Reste des früheren Domes, das Baptisterium, die Kapelle des erzbischöflichen Palastes, die Basiliken S. Agata, S. Giovanni Battista, S. Giovanni Evangelista und das Mausoleum der Galla Placidia, jetzt S. Nazario e Celso genannt.

Von der früheren Basilika Ursiana, einer um 400 gegründeten, fünfschiffigen Kirche, dem jetzigen Dom, ist wenig mehr erhalten. Sie wurde im vorigen Jahrhundert in eine barocke Kuppelkirche verwandelt und nur die Krypta im ursprünglichen Zustande belassen. (Grundriss des früheren Domes nach Dehio und v. Bezold in Essenwein Handb. d. Architektur.) In der Sakristei wird der elfenbeinerne Stuhl des h. Maximian, (546-552) ein Meisterwerk altchristlicher Elfenbeinschnitzerei, aufbewahrt. Der ornamentale Teil ist den Sarkophagverzierungen, der figürliche dem der Elfenbeindyptichen jener Zeit ähnlich.

Das Baptisterium, S. Giovanni in Fonte, die Taufkapelle der Orthodoxen (die der Arianer war Sta. Maria in Cosmedin) ist wohl gleichzeitig mit der früheren Basilika Ursiana erbaut. (Abbildungen in Dehio u. v. Bezold, die kirchl. Baukunst des Abendlandes und in Essenwein Handbuch der Architektur). Es ist ein wohl erhaltener, reich ausgestatteter Centralbau mit den ältesten Mosaiken Ravenna's.

Fig. 1. Ravenna. Baptisterium. Grundriss.

Die Grundform bildet ein regelmässiges Achteck mit vier über dasselbe hervortretenden Nischen. Die Wandflächen werden durch zwei Blendarkadenreihen gegliedert, über welchen sich die flache Kuppel wölbt. Die Konstruktion dieses Kuppelgewölbes aus ineinandergesteckten Röhren, ist für den Architekten von besonderem Interesse. (Beschreibung u. Abbildung u. A. in Essenwein Handb. d. Arch.) Die Mosaiken sind, nebst denen vom Grabmal der Galla Placidia, die schönsten Ravennas und von vorzüglicher Erhaltung, sie sind weit freier und formgewandter ausgeführt als diejenigen späterer Zeit. Im Scheitel der Kuppel die Taufe Christi, mit nach antiker Auffassung als Flussgott abgebildetem Jordan, darunter die Figuren der zwölf Apostel. Eine Scheinarchitektur mit perspektivisch wirkenden Säulenstellungen folgt der oberen Blendarkadenreihe. Von sehr schöner Wirkung ist das reiche Rankenwerk auf dunkelblauem Grunde zwischen den Bogen, und ebenso wirkungsvoll heben sich Medaillons mit trefflichen Brustbildern von ihrem Goldgrund ab. (Abbildung bei Rahn, ein Besuch in Ravenna). In der Mitte des Raumes hat sich noch das grosse Taufbecken (Piscina), den Inschriften nach aus dem 5. Jahrhundert stammend, mit kanzelartigem, für den fungirenden Priester bestimmtem Einbau, erhalten. Die heilige Handlung wurde in der Regel bei einer grösseren Anzahl Erwachsener vorgenommen und geschah durch Untertauchen. –,

Von der alten erzbischöflichen Pfalz ist noch die aus dem 5. Jahrhundert stammende Kapelle, mit reichem Mosaikenschmuck erhalten. Die Grundform, ein griechisches Kreuz, wird durch ein überhöhtes Kreuzgewölbe abgeschlossen. Letzteres ist mit den Evangelistensymbolen und Engelsfiguren, welche das Monogramm Christi halten, geschmückt.

Die Basiliken Sta. Agata, dreischiffig, mit einer Vorhalle, S. Giovanni Battista, 438 durch Galla Placidia erbaut, im Innern modernisiert, S. Giovanni Evangelista, ebenfalls dreischiffig und durch Umbauten sehr entstellt, S. Francesco, mit Ausnahme der Krypta ganz modernisiert, sind Bauten aus dem 5. Jahrhundert, die noch manche bemerkenswerte Ueberreste aus ihrer Gründungszeit enthalten.

S. Nazaro e Celso, das Grabmal der Kaiserin Galla Placidia, von dieser 440 gegründet, ist zwar ein kleines, doch bedeutsames Bauwerk. Als frühester, über einem Quadrat gewölbter Kuppelbau wurde dieser vielfach als der Ausgang des Centralsystems angesehen, eine Ansicht, von der man in neuerer Zeit abgekommen ist. (Näheres hierüber bei Essenwein.)

Vier kurze, tonnengewölbte Kreuzarme schliessen sich dem quadratischen Kuppelraume an. Drei Sarkophage sind in diesen Kreuzarmen aufgestellt, im westlichen Kreuzarm ist der Zugang und zwei weitere Sarkophage stehen zu beiden Seiten desselben, während in der Mitte des Ganzen der Altar sich erhebt. Kleine Fenster werfen nur mässiges Licht in den ehrwürdigen Raum, spärlich den Hauptschmuck –, die Mosaiken –, beleuchtend. Die Wände sind bis Kämpferhöhe mit grossen, weissen Marmorplatten verkleidet, ein kleines, sich rings herumziehendes Gesims bildet den Abschluss. Die herrlichen Mosaiken sind in diesem einfachen Raume um so wirkungsvoller, sie verdienen eingehende Betrachtung.

Fig. 2. Ravenna. Grabmal der Galla Placidia. Grundriss.

Die Tonnengewölbe zeigen teppichartige Ornamente: Rosetten und Weinranken auf dunkelblauem Grunde, durch Bordüren in lebhaften aber gut gestimmten Farben eingefasst. An den Wandflächen und der Kuppel sind, ebenfalls zwischen Bordüren, figürliche Darstellungen angebracht. An der Stirnwand über dem Eingang ist Christus als guter Hirte abgebildet. Die jugendliche, in felsiger Landschaft sitzende Figur hält ein grosses Kreuz in der Hand, sie erinnert sehr an schöne antike Vorbilder, während die Christus umgebenden Lämmer ziemlich roh ausgefallen sind. Diesem Bildwerk gegenüber, hinter dem Altar und dem hohen Sarkophag ist der Triumph des christlichen Glaubens dargestellt: Christus übergibt den zwischen einem Rost hindurchschlagenden Flammen ein aufgeschlagenes Buch. Daneben steht ein (modern aussehender) Schrank, die Evangelienbücher enthaltend. Die beiden seitlichen Wände zeigen zwischen Rankenwerk Hirsche an der Quelle. An den vier Wänden unter der Kuppel sind je zwei männliche Gestalten, Apostel oder Propheten in römischer Gewandung und zwischen diesen Schalen, aus welchen Tauben trinken, den Lebensborn darstellend, zu welchem dürstend die Vögel des Himmels kommen. Die Kuppel ist als Sternhimmel mit den vier Evangelistenzeichen in den Ecken ausgeführt.

Fig. 3. Ravenna. Grabmal der Galla Placidia. Ansicht des Innern.

Der aus S. Vitale stammende Altar hat eine skulpirte Vorderplatte aus durchscheinendem Alabaster, er war auf Erhellung durch hineingestellte Kerzen berechnet. –, Der einfache hohe Sarkophag hinter dem Altar barg die Leiche der 450 gestorbenen und in thronender Stellung beigesetzten Galla Placidia. Der Sarkophag war einst mit Silberplatten verziert, deren Dübellöcher noch sichtbar sind. Der mit christlichen Sinnbildern geschmückte Marmorsarg rechts soll die Reste des Bruders der Galla Placidia, des Kaisers Honorius, enthalten, und in den übrigen sollen Constantius III, Valentinian und seine Schwester Honoria ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. –, Am Nordende der Stadt, abseits von der Strasse, liegt dieses kleine, im Aeussern schmucklose Gebäude; tiefe Ruhe herrscht an dieser Stätte, welche die einzigen Grabmäler römischer Kaiser birgt, die sich noch auf ihrer ursprünglichen Stelle befinden.

Grössere Bauwerke als die vorbeschriebenen sind zur Zeit der Gotenherrschaft entstanden. Der grosse Theodorich hatte nach fast dreijähriger Belagerung 493 die Stadt eingenommen und zu seiner Hauptstadt erhoben. Die folgende 33jährige Regierungszeit Theodorichs war eine Zeit des Friedens, die Kunst erfreute sich besonderer Pflege, und es begann eine rege Bauthätigkeit. Ein prächtiger Königspalast, mehrere grossartige Kirchen, sowie das Mausoleum des grossen Königs wurden bei dessen Lebzeiten errichtet, und der grösste Teil dieser Gebäude ist bis auf unsere Tage erhalten geblieben. Manche Ähnlichkeit mit römischen Bauten ist diesen, die teilweise dem Baumeister des Königs Aloysius zugeschrieben werden, nicht abzusprechen, wusste doch Theodorich, der in Constantinopel eine classische Bildung erhalten hatte, die grossen Werke der Römer zu schätzen.

Das heute als Palast Theodorichs bezeichnete Gebäude ist nur ein Stück der rückwärtigen Façade dieses Palastes; in den übrigen Teil ist das heutige Franziskanerkloster hineingebaut worden, so dass die ursprüngliche Anlage nicht mehr zu erkennen ist. Diese Überreste sind aber immerhin noch von Interesse, es sind mit Ausnahme der des Palastes delle Torre zu Turin (nach Essenwein) die einzigen von Profanbauten aus jener Zeit.

Der Rest des Palastes, so wie er sich heute zeigt, besteht aus einer ungefähr 12 Meter hohen Backsteinmauer, deren Seitenflügel wenig zurückspringen. Das Portal in der Mitte hat zwei Marmorpfeiler als Gewände, deren Kapitäle tragen flaches Akanthusblattwerk, eines ausserdem in der Mitte ein Kreuz. Darüber tritt im Obergeschoss, nach Art der Loggien, eine halbkreisförmige grosse Nische, mit zwei Säulen an den Seiten, gegen das Innere zurück. Die Säule des gekuppelten Rundbogenfensters in der Nischenwand hat ein eigenartig geformtes Kapitäl mit Kämpfer. (Abbildungen der Einzelheiten bei Rahn, ein Besuch in Ravenna). Die Seitenflügel zeigen je ein zugemauertes Portal, darüber Blendarkaden mit Marmorsäulen und Consolen darunter. Die Vermittlung zwischen den Kapitälen und Blendbogen übernehmen flache Kämpfer, deren Stirnseiten mit dem Kreuz oder mit Blättern verziert sind. Auf der rechten Seite ist ein grosser Porphyrsarkophag von wannenartiger Form in die Wand eingemauert, welcher aus dem Grabmal Theodorichs stammen und den Sarg des Königs umschlossen haben soll.

Fig. 4. Ravenna. Palast Theodorichs.

Die einstige Pracht des Palastes zeigt uns ein wohlerhaltenes Mosaikbild in der benachbarten Kirche S. Apollinaris nuovo. Es ist ein tempelartiger, von vier mächtigen Säulen an der Vorderseite getragener Hallenbau mit der Inschrift PALATIVM. Diesem schliessen sich zwei Seitenflügel, die in den unteren Geschossen gleichfalls Hallen bilden, an. Die offenen Hallen sind durch aufgehängte Teppiche, die Bogenöffnungen des oberen Stockwerkes durch Gitter abgeschlossen. Hinter diesem Hauptgebäude sieht man noch mehrere einzelstehende, zum Königspalast gehörende Gebäude hervorragen, und hinter diesen wird die mit Zinnen versehene Umfassungsmauer sichtbar. (Abbildungen bei Rahn, ein Besuch in Ravenna und bei Stacke, deutsche Geschichte). –, Dieses Palatium, wie es im Bilde wenigstens erhalten geblieben ist, zeigt viele Ähnlichkeit mit spätrömischen Bauten. Es muss indes schon frühzeitig in Verfall geraten sein, sonst hätte Karl der Grosse es sicher nicht seines Schmuckes entkleiden und seine Pfalz zu Aachen damit schmücken lassen.

Ein anderer kleiner Rest eines Bauwerkes aus Theodorichs Zeit steht inmitten der Stadt auf der jetzigen Piazza Vittorio Emanuele und wird als Basilika des Herkules bezeichnet. Es ist ein Portikus von acht Granitsäulen, deren Kapitäle zwischen wildem Akanthusblattwerk und Eierstab mit Voluten das Monogramm Theodorichs zeigen. Die Behandlung der Kapitäle lässt darauf schliessen, dass dieser Bau gleichzeitig mit der Basilika Apollinaris in Classe errichtet worden ist. (Abbildungen des Kapitäls u. A. bei Essenwein, Rahn und des Monogramms bei Stacke).

Weit wichtiger für die Kunstgeschichte als diese Reste von Profanbauten der Gotenherrschaft sind die Kirchen, von welchen einige in gutem Zustand erhalten geblieben sind. Insbesondere sind dies herrliche Basiliken, die sich in einigen Merkmalen, von welchen später die Rede sein wird, von den römischen jener Zeit unterscheiden.

Fig. 5. Ravenna. S. Apollinare nuovo. Kapitäl mit Kämpfer

Fig. 6. Ravenna. S. Apollinare nuovo. Teil der nördl. Mittelschiffwand

S. Apollinare nuovo, früher S. Martinus in coelo aureo genannt, wurde um 500 von Theodorich als arianische Hauptkirche erbaut und im 6. Jahrhundert noch dem katholischen Kultus übergeben. Später, (856) als die Gebeine des heil. Apollinaris hier beigesetzt wurden, erhielt sie den heutigen Namen. Die Grundform der Basilika ist die übliche (Grundriss einer solchen zeigt Fig. 18). Die Grössenverhältnisse sind nicht so bedeutend wie bei S. Apollinare in Classe, dagegen zeigen die Seitenwände ihren ursprünglichen Mosaikenschmuck in vorzüglicher Erhaltung.

Die 24 Marmorsäulen unter den Mittelschiffwänden haben korinthisierende Kapitäle, darüber die charakteristischen Kämpfer, welche auf den beiden Stirnseiten mit dem Kreuz verziert sind (Fig. 5). Die Basen der Säulen stecken ungefähr einen halben Meter in dem jetzigen Fussboden, sie haben die attische Form. Die Archivolten sind gegen das Mittelschiff zu reich profiliert, ihre Leibungsflächen sind durch Casetten belebt. Auffallend ist die bedeutende Wandstärke der Mittelschiffwände im Verhältniss zum oberen Säulendurchmesser. (Annähernd 2: 1). Über den Bogen zieht sich ein reich verziertes Gesims durch, unter diesem sind, in den Zwickelfeldern, Medaillons mit Heiligenbrustbildern angebracht. Sämmtliche Wandflächen sind mit Mosaikbildern, teilweise von hohem künstlerischem Werte, bedeckt. Zwei lange Prozessionen von weissgekleideten Heiligen, zu einer Seite Männer, zur andern Frauen, schreiten aus den Thoren Ravennas und der Hafenstadt Classis hervor, dem thronenden Christus und der Anbetung der Könige zu. (Fig. 6). Prächtiger Goldgrund hebt diese Gestalten von der Wandfläche ab. Darüber, zwischen den Fenstern, stehen unter Baldachinen männliche Heiligenfiguren, Bücher oder Rollen in den Händen tragend. Die kleinen Felder zwischen den Baldachinen sind mit lebhaft bewegten (im Gegensatz zu den grossen, aber ziemlich steifen, Prozessionsbildern) Darstellungen aus dem Leben Christi geschmückt. Dem Geiste der Zeit entsprechend ist hiebei von einer Abbildung der Kreuzigung Abstand genommen worden. Von besonderem Werte sind auch die schon erwähnten Abbildungen des alten Ravenna, Palatium und Civitas bezeichnet, sowie des befestigten Hafens Civitas Classis. Die Mosaiken der Westwand sind beinahe vollständig zu Grunde gegangen, ein Bruchstück derselben, Bildniss Justinians, wird in einer Seitenkapelle mit andern interessanten Resten aufbewahrt. Der alte Ambo (Podium für den Lector) steht, als Kanzel verwendet, zwischen den südlichen Säulenreihen des Mittelschiffes.

Die imposanteste der ravennatischen Basiliken, eine der besterhaltenen Italiens, S. Apollinare in Classe Der Name »in Classe« vom alten Hafenort Classis. wurde 534 auf der Stelle eines Apollotempels gegründet und 549 geweiht. In einer sumpfigen Ebene, vier Kilometer von der Stadt entfernt, erhebt sich die gemeindelose Kirche, nur ein kleiner Meierhof liegt in ihrer Nähe. Einfach, doch nicht uninteressant und auch nicht ganz schmucklos ist ihr Äusseres. (Fig. 7). Eine geschlossene Vorhalle ist der Westseite des Kirchenraumes quer vorgelegt. (Grundriss Fig. 18). Der Glockenturm (Campanile) stand früher nicht im Zusammenhang mit der Kirche, ein Umstand, der möglicherweise auf römische Tempelbauten, bei welchen kein Turm vorkommt, zurückzuführen ist. Der obere Teil des Turmes ist, den Formen der gekuppelten Fenster nach zu schliessen, in späterer Zeit aufgesetzt worden. Ein über dem ersten Turmstockwerk herumlaufender Fries ist aus zweifarbigen, aufrechtstehenden Steinplatten gebildet, in ähnlicher Weise wie an der fränkischen Thorhalle zu Lorsch. Überhaupt zeigt die Art des Mauerwerks neben der (römischen) Form der Backsteine an den karolingischen Bauten zu Steinbach im Odenwald und zu Seligenstadt viele Ähnlichkeit mit der Mauerwerkstechnik dieser ravennatischen Kirchen, die ohne Ausnahme aus Backsteinen errichtet sind und deren Mauerwerk ohne Verputz zu Tage tritt. Die deutsche Technik an den erwähnten Bauten hatte mit der ravennatischen ein gemeinsames Vorbild an der römischen.

Fig. 7. Ravenna. S. Apollinare in Classe. Ansicht von Nord-Ost.

In neuerer Zeit wurden vor der Vorhalle die Fundamente des Atriums freigelegt, ein solches ist in Ravenna nicht mehr vorhanden. Die geräumige dreischiffige Basilika hat im Innern 24 Säulen, deren Basen hohe Plinthen mit rautenförmigen Füllungen, die Kapitäle wildes Akanthusblattwerk mit Eierstab und Voluten zeigen. Zu dem erhöhten Chor führt eine zehnstufige Marmortreppe, in der kleinen Krypta (Confessio) war der heil. Apollinaris beigesetzt. Der Schmuck der Seitenwände, die Mosaiken, sind weniger gut erhalten als in anderen Kirchen Ravennas, nur die Apsis birgt noch den alten, auch teilweise restaurirten Schmuck. Über den Bogen im Mittelschiff sind auf Kalk gemalte Medaillon-Porträts von Bischöfen angebracht. Die Dachstühle sämtlicher Schiffe sind offen, so dass Holzwerk und Bedeckung sichtbar sind.

Fig. 8. Ravenna. S. Apollinare in Classe. Ciborium.

Der alte Altar, der einst über dem Grab des Heiligen in der Mitte des Chorraumes stand, ist jetzt im Mittelschiff aufgestellt. Sein reiches Ciborium, laut Inschrift aus der Zeit des Erzbischofs Valerius (807-812), überdeckt in einer Ecke des nördlichen Seitenschiffes einen Nebenaltar. (Fig. 8).

In einer Reihe von Sarkophagen, die entlang der Wände aufgestellt sind, ruhen die ersten Bischöfe Ravennas. Die Marmorsärge sind mit christlichen Sinnbildern und Monogrammen, Weinranken und Vögeln reich verziert und durch Aufschrift bezeichnet, sie sind als die einzigen Werke der Bildhauerkunst dieser Zeit (abgesehen von den Säulenkapitälen) besonders bemerkenswert. Neben einem dieser Sarkophage ist ein schönes antikes Säulenkapitäl, welches zum Weihwasserbecken umgewandelt wurde, aufgestellt, während eine an der Wand angebrachte Inschrifttafel von der Kirchenbusse berichtet, welche dem Deutschen Kaiser Otto III. auferlegt wurde, und der er sich hier unterzog. (Fig. 9). Andere Gedenktafeln berichten von Privilegien, welche der Kirche und dem Kloster in Classe hauptsächlich von Deutschen Kaisern, von welchen, von Karl dem Grossen bis zu den Hohenstaufen, die meisten in Ravenna weilten, verliehen wurden.

Fig. 9. Ravenna. S. Apollinare in Classe. Sarkophag und Inschrifttafel.

Obwohl gleichzeitig mit S. Vitale (s. später), also unter byzantinischer Herrschaft errichtet, ist S. Apollinaris in Classe doch noch vollständig im Charakter der übrigen früheren Basiliken gehalten, nur an dem Mosaikenschmuck ist der Einfluss von Byzanz, mit seinen schematisierenden, strengen Formen, die den kommenden Verfall dieser Kunst bezeichnen, zu erkennen.

Noch drei kleinere Kirchen dieser Periode sind der Erwähnung wert. Sto. Spirito, eine von Theodorich für die arianischen Bischöfe errichtete dreischiffige, flach gedeckte Basilika mit Vorhalle, deren Säulen denen des Ciboriums (Fig. 8) ähnlich sind. Dicht dabei S. Maria in Cosmedin, das Baptisterium der Arianer. Die Kuppel des achteckigen Baues wurde im 6. Jahrhundert, nach der Übergabe an den katholischen Kultus, mit Mosaiken, die Taufe Christi darstellend, geschmückt. Die stark beschädigten Fresken an den Wänden sind neueren Datums. S. Vittore am Nordende der Stadt gelegen, eine kleine, früher drei- jetzt einschiffige Kirche ist deshalb beachtenswert, weil sie (wenn die ganze Kirche sich nicht als mittelalterlicher Umbau erweist [nach Holtzinger, die altchristl. Architektur]) das früheste Beispiel einer Pfeilerbasilika zeigt, d. h. die Schiffe sind nicht wie bei den übrigen ravennatischen und römischen Basiliken durch Säulen sondern durch Pfeiler getrennt, wie dies bei den schon erwähnten deutschen Basiliken aus Karolingerzeit zu Steinbach und Seligenstadt der Fall ist. (Abbildungen von S. Vittore bei Hübsch, die altchristl. Kirchen).

Eine weitere Kirche des 6. Jahrhunderts S. Michele in Affricisco ist grösstenteils zerstört, nur die Apsis mit Resten altchristlicher Fresken, ein kleiner Teil des Langhauses und der Glockenturm sind erhalten. Eines der Säulenkapitäle zeigt byzantinische Form und Ähnlichkeit mit dem in Fig. 12 abgebildeten. Die schönen Mosaiken des Chores wurden nach Berlin verkauft.

Der wichtigste Centralbau dieser Periode ist das Mausoleum Theodorichs, S. Maria della Rotonda genannt, er soll der Überlieferung nach noch vor dem 526 erfolgten Tode des Königs errichtet worden sein. Durch die beträchtliche Erhöhung des Bodens, die bei allen alten ravennatischen Bauten in störender Weise sich geltend macht, sowie durch zwei, im vorigen Jahrhundert aufgeführte Freitreppen, ist der Anblick des Grabmals beeinträchtigt. Doch ist es immerhin noch ein imposantes, als Centralbau und Grabmal merkwürdiges Bauwerk, das an römische Kaisergräber erinnert.

Fig. 10. Ravenna. Grabmal Theodorichs.

Der zweigeschossige Bau ist aus grossen Quadern, die Bogenstücke manchmal mit Verzahnung errichtet. Seine Grundform ist unten zehneckig, ebenso der obere zurückspringende Teil, welcher dann über einem Gurtgesims kreisrunde Form annimmt. Die flache Kuppel mit henkelartigen Aufsätzen ist aus einem einzigen, riesigen Felsblocke, von 11 Meter Durchmesser und angeblichem Gewichte von 9400 Centnern, gebildet. Über dem Umgang des ersten Stockwerks befanden sich, rings um das Gebäude herumlaufend, gewölbte Hallen, deren Spuren noch deutlich erkennbar sind. Vielleicht war dieser Umgang das Vorbild für die im romanischen Stil besonders am Rhein häufig vorkommenden Galerien, als deren früheste die an der Godehardskapelle beim Mainzer Dom bekannt ist.

Beide Geschosse, das im Innern kreuzförmige Untergeschoss und das runde Obergeschoss, mögen durch eine Öffnung im Gewölbe verbunden gewesen sein. (Rekonstruktion bei Essenwein). Wahrscheinlich ist, dass der Sarkophag des Königs im Untergeschoss beigesetzt war und vom Obergeschoss, das als Kapellenraum und gleichzeitig als Sarkophagraum für die Angehörigen Theodorichs gedient haben mag, sichtbar war. Freilich lässt auch ein kleiner, rechteckig ausgebauter Raum im Obergeschoss die Auslegung zu, dass des Königs Sarkophag hier gestanden haben soll. –, Der Schmuck des Äussern, die verzierten Gesimse, zeigt teilweise römische Vorbilder, das Ornament des Hauptgesimses, der Mauerblenden und des Thürsturzes aber ist fremdartig, an nordische Zierformen erinnernd. Insbesondere gilt dies von dem sogen. Scheeren- oder Zangenornament, das wir an nordischen Bauteilen, Geräten und Waffen der fränkischen Periode wieder antreffen.

Fig. 11. Ravenna. Grabmal Theodorichs. Durchschnitt und Grundriss.

Nicht lange haben die Reste des grossen Königs hier ihre Ruhestätte gefunden; sie wurden aus dem Denkmal herausgeworfen und in alle Winde zerstreut, dann wurde das Grabmal des grossen Gotenkönigs und Arianers unter dem Namen S. Maria della rotonda dem katholischen Kultus übergeben. –, »Das Grabmal bezeichnet die Grenze zwischen der antik-römischen Welt und dem römisch-deutschen Mittelalter, zu welchem es hinüberführt. Es ist zugleich das Grabmal der römischen Kunst und Literatur, der Wissenschaft und Cultur überhaupt, welche Theodorich und seine Tochter noch zum letztenmal schützten und erhielten, denn hinter ihnen folgt die lange Geisteswüste und der Schutt der Barbarei.« (Gregorovius).

Ein Bauwerk, das zum Teil unter oströmischer Herrschaft in mustergiltiger Schönheit errichtet wurde und von grossem Einfluss auf die deutsche Baukunst der Karolingerzeit war, ist die Grabkirche San Vitale. Einen grösseren Bau, der unter dem Einflusse von Byzanz entstand, besitzt Italien in San Marco in Venedig –, künstlerisch vollendeter ist dieser kleinere Centralbau in Ravenna! Er wurde noch unter der Gotenherrschaft 526 durch Erzbischof Ecclesius, auf der Stelle wo S. Vitalis den Martertod fand, begonnen und 547 vollendet, acht Jahre nach der Einnahme der Stadt durch Belisar. Julius Argentarius, dessen Monogramm auf einigen Kapitälen zu sehen ist und welchem auch der Bau von S. Apollinaris in Classe zugeschrieben wird, wird nach einer früher vorhanden gewesenen Inschrift als Leiter des Baues genannt. Dass griechische Künstler und Werkleute, wie bei den meisten ravennatischen Bauten, hier hauptsächlich mitwirkten ist zweifellos.

Im Äussern anspruchslos und einfach gehalten, aber doch interessant gruppirt, wurde alle Pracht auf die Ausschmückung des Innern verwendet. Hoch über dem achteckigen Mittelraum wölbt sich die halbkugelförmige Kuppel. (Fig. 14 und 15). Ein Kranz doppelgeschossiger Halbrundnischen (Exedren) schliesst sich dem Mittelraum an, so zur Vergrösserung und Belebung desselben beitragend. Gegen Osten ist die Nische durch den Chorraum ersetzt, welcher mit halbrunder Apsis endigt. Gewölbte Umgangshallen ziehen sich, ebenfalls doppelgeschossig, um den Mittelraum herum von einer Seite des Chores bis zur andern. Sie bilden in dem oberen Geschoss eine malerisch wirkende Empore, die einzige der ravennatischen Kirchen, die in dem Chorraume mit einem Balkon endigt. –, Die Vorhalle nebst zwei Treppentürmen war in unregelmässiger Weise vor das Gebäude gesetzt, wahrscheinlich durch besondere Verhältnisse, wie die Strassenrichtung bedingt. Möglicherweise aber hat sich die Vorhalle, welche (wie in Aachen) in der Längenachse von West nach Ost gelegen haben mag, zu klein erwiesen und wurde dann in ihrer jetzigen Form vergrössert; diese ist noch im Innern der angebauten Kaserne zu erkennen.

Der Eindruck des durch Arkaden reich gegliederten und durch musivischen Schmuck überaus prächtig gestalteten Innern ist noch heute reich und phantastisch, noch viel mächtiger muss aber die Wirkung gewesen sein als die Wände des Mittelraumes in ihrem ursprünglichen Schmucke glänzten.

Die Einzelheiten dieses Baues weichen von denen der gleichzeitigen Basiliken in manchem ab. Während die Säulen des oberen Umganges das korinthisierende Kapitäl, wie solches in den Basiliken vorkommt, zeigen, sind die des unteren Umganges wesentlich anders gebildet. Es ist ein reliefartig gehaltenes Flechtwerk von Bändern und Blättern, das an Metallarbeiten jener Zeit erinnert und von den seither üblichen Kapitälformen vollständig abweicht. Die Säulenkämpfer am Chorraum (Fig. 12) sind mit Blattwerk, Tierfiguren und Kreuzen reicher verziert als die des Mittelraumes, welche mitunter das schon erwähnte Monogramm tragen. Der untere Teil der Wände ist mit verschiedenfarbigen Marmorplatten verkleidet, darüber wechseln Stuckornamente mit Mosaikbildern ab. Auch der Fussboden zeigt schöne und mannigfaltige Muster eingelegter Marmorarbeit. Störend wirkt auch hier, wie bei allen alten ravennatischen Bauten, die Erhöhung des Fussbodens, welche gegen den früheren über einen Meter beträgt, so dass die Basen der Pfeiler und Säulen (mit Ausnahme einer einzigen, welche freigelegt wurde) nicht sichtbar sind.

Der Mosaikenschmuck ist im Mittelraum durch moderne, stylwidrige Zuthaten entstellt, dagegen im Chor und Apsis noch wohl erhalten. Am Choraufgang sind zwei spätgriechische Reliefs, –, Amoretten mit Muschel und Neptunsdreizack, auf einem Throne die Fragmente eines Meerungeheuers –, eingesetzt. Der Mosaikwandschmuck des Altarraumes besteht aus Scenen des alten Testamentes und Evangelistengestalten, ferner aus zwei Ceremonienbildern, das eine Justinian mit dem Bischof Maximian und Gefolge, das andere die Kaiserin Theodora mit ihrem Hofstaat, Weihgeschenke für den Bau der Kirche darbringend. Auf der Apsiswölbung der jugendliche Christus auf der Weltkugel thronend und von Engeln umgeben, daneben die Heiligen Vitalis und Ecclesius mit dem Modell der Vitaliskirche. Reiches Ornament belebt die übrigen Flächen und hebt sich vom Goldgrund vorzüglich ab. –, Doch so technisch vollendet und überaus reich dieser Mosaikschmuck auch ist, so machen doch die früheren Werke dieser Kunst, trotz ihres Ernstes und ihrer Einfachheit, einen ergreifenderen Eindruck als diese farbenprächtigen Erzeugnisse byzantinischer Kunst.

Fig. 12. Ravenna. San Vitale. Kapitäl mit Kämpfer des unteren Umgangs (gegen den Chor).

Das Kuppelgewölbe über dem Mittelraum ist, nachdem durch Pendentifs aus der Achtecksform die eines Sechszehnecks hergestellt war, halbkugelförmig aus ineinandergesteckten Töpfen (wie beim Baptisterium) gebildet. Ein kräftiges Widerlager wurde durch die schon erwähnten Halbrundnischen geschaffen, deren Wölbungen strebepfeilerartig dem Schub der Hauptkuppel entgegenwirkten, wobei die Gewölbe des zweigeschossigen Umganges ein neues Widerlager bildeten und weiteren Schub auf die Umfassungsmauern übertrugen. Diese waren endlich an den Ecken durch Strebepfeiler verstärkt.

Der Kuppelbau wurde schon durch die Römer in hoher Vollendung und in grossen Dimensionen ausgeführt, das Pantheon und der sogenannte Tempel der Minerva Media sind u. A. bedeutende Werke dieser Art. Das Grundrisssystem des letztgenannten Baues ist dem von San Vitale in Ravenna ähnlich und wurde schon gegen das Ende des 4. Jahrhunderts an der grossartigen Kirche San Lorenzo in Mailand angewendet. Fortwährende Verbesserungen im Gewölbebau wurden durch byzantinische Baumeister erzielt, die in dieser Kunst das Höchste leisteten. Ungefähr gleichzeitig mit der Kuppel von San Vitale wurde das einzig dastehende Meisterwerk der Gewölbekonstruktion –, die Sophienkirche zu Constantinopel (532-537) –, errichtet.

Was aus späteren Zeiten in Ravenna erhalten blieb, ist von weniger grossem kunstgeschichtlichem Wert. Bald nach der Rückeroberung Italiens durch Belisar und Narses wurde die Kunst in ihrer weiteren Entwicklung gehemmt. Der Hafen verlor seine Bedeutung und versandete. Die Vorstadt Classis ist mit Ausnahme ihrer herrlichen Basilika verschwunden und heute beträgt die Entfernung von dort bis zum Meere einige Kilometer.

Dieser Stillstand der Kunst machte sich in ganz Italien fühlbar; die Architektur konnte sich noch am längsten an der altchristlichen Tradition, sowie durch Verwendung antiker Formen und Materialien festhalten und so entstand zur Zeit des romanischen Stiles manch bedeutendes Bauwerk; Malerei und Plastik aber gerieten schneller in Verfall: nach Verfluss von zwei Jahrhunderten schon können Kunstwerke und Kostbarkeiten im eigenen Lande nicht mehr beschafft werden, so dass der Orient, Byzanz hauptsächlich, die Kunstprodukte liefern muss. Verhältnissmässig spät, erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurden in Italien die bildenden Künste zu neuem Leben erweckt; die Plastik ging mit Pisano voran, ihr folgte die Malerei mit Giotto, dem Begründer der neueren italienischen Kunst. Gemälde von seiner Hand besitzt die Kirche S. Giovanni Evangelista und sollen diese auf Anregung Dante's entstanden sein. Dieser, der hier in Ravenna sein gewaltiges Epos vollendete und als Verbannter sein Leben beschloss, hat bei der Kirche S. Francesco seine Ruhestätte gefunden. Das Mausoleum mit dem Relief des Dichters wurde im Jahre 1482 nach Lombardo's Entwürfen errichtet, ein Marmorsarkophag umschliesst die Reste des Unsterblichen.

Fig. 13. Ravenna. Grabmal Dante's.


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