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Dritte Ordnung. Die Kolibris ( Stridores)

»Unter allen belebten Wesen ist der Kolibri das schönste der Gestalt, das Prächtigste der Färbung nach. Edelsteine und Metalle, denen unsere Kunst ihren Glanz gibt, lassen sich mit diesen Kleinodien der Natur nicht vergleichen. Ihr Meisterstück ist dieser kleine Vogel. Ihn hat sie mit allen Gaben überschüttet, die den übrigen Vögeln nur vereinzelt beschieden worden sind. Leichtigkeit, Schnelle, Gewandtheit, Anmut und reicher Schmuck; alles ist diesem ihrem kleinen Lieblinge zuteil geworden. Der Smaragd, der Rubin, der Topas schimmern auf seinem Gewande, das er nie mit dem Staub der Erde beschmutzt; denn sein ganzes ätherisches Leben hindurch berührt er kaum auf Augenblicke den Boden. Er ist stets in der Luft, von Blume zu Blume gaukelnd, deren Frische und deren Glanz ihm eigen ist und deren Nektar er trinkt.

Der Kolibri bewohnt nur die Himmelsstriche, wo Blumen immerdar sich erneuern; denn diejenigen Arten seiner Familie, die während des Sommers bis in die gemäßigten Gürtel kommen, bleiben daselbst nur kurze Zeit. Sie scheinen der Sonne zu folgen, mit ihr vor- und rückwärts zu gehen und auf Zephirflügeln im Gefolge eines ewigen Frühlings zu wandeln.«

So schildert Buffon in seiner malerischen Weise; aber auch alle nach ihm folgenden Naturforscher, und selbst die ernstesten unter ihnen, stimmen in Bewunderung dieser Prachtvögel ein. »Wen gäbe es wohl«, fragt Audubon, »der nicht bewundernd stillstehen sollte, wenn er eines dieser lieblichen kleinen Geschöpfe erblickt, wenn es schwirrend durch die Luft schießt, sich in ihr wie durch Zauber festhält oder von Blume zu Blume gleitet, glänzend, als wäre es selbst nur ein Stück Regenbogen, das so lieblich ist wie das Licht selber?« – »Der Kolibri«, meint Waterton, »ist der wahre Paradiesvogel. Man sehe ihn durch die Luft schießen, mit der Schnelligkeit des Gedankens. Jetzt ist er eine Armeslänge vor deinem Gesicht, im Nu ist er verschwunden, und einen Augenblick später gaukelt er wieder um Blumen und Blüten. Jetzt gleicht er einem Rubin, jetzt einem Topas, bald darauf einem Esmerald und bald wiederum funkelndem Golde.« – »Es gibt keine schöner gefärbte, zierlicher gebaute und zahlreichere Vogelfamilie auf der Erde«, sagt Burmeister, »als diese in jeder Hinsicht merkwürdigste und eigentümlichste unter den amerikanischen Vogelgestalten. Man muß die wundervollen Geschöpfe lebend in ihrem Vaterlande gesehen haben, um den ganzen Liebreiz ihrer Natur vollständig bewundern zu können.« In der Bewunderung der Kolibris stimmen alle Forscher überein.

Die Kolibris erinnern in dieser oder in jener Hinsicht an andere Vögel; aber sie erinnern auch nur an sie, vergleichen, zusammenstellen lassen sie sich nicht mit andern. Erwägt man jede Eigentümlichkeit, berücksichtigt man die Summe ihrer Merkmale, so wird man sie schwerlich andern Vögeln ähnlich finden können. Ihr Gesamtgepräge ist ein durchaus selbständiges, und ihre Lebensweise, eine bessere Erläuterung der Gestalt, als wir sie mit Worten zu geben vermögen, hat mit der keines andern Vogels Ähnlichkeit. Die Schwirrvögel, wie ich sie nennen will, sind, falls man so sagen darf, die Vertreter der Kerbtiere in ihrer Klasse; die Art und Weise ihrer Bewegung, ihres Nahrungserwerbes, ihr Wesen, hat mit gewissen Kerbtieren, zumal mit Schmetterlingen, unverkennbare Ähnlichkeit. Vögel sind die Kolibris, wenn sie sitzen, Kerbtiere in Vogelgestalt, wenn sie sich bewegen. Man hat sie mit den Seglern zusammengestellt; sie haben mit diesen nur im Flügelbau Ähnlichkeit; man hat sie zu den Dünnschnäblern und insbesondere zu den Honigsaugern gebracht; sie unterscheiden sich in jeder Hinsicht von diesen. Ebensogut könnte man sie als nahe Verwandte der Spechte betrachten; denn der Bau ihrer Zunge stimmt im wesentlichen mit dem der Spechtzunge überein. Aber sie selbst sind ebensowenig Spechte als Segler oder Dünnschnäbler. Wo sie auch untergebracht werden mögen, überall stehen sie vereinzelt da, und deshalb glaube ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich für sie eine eigene Ordnung bilde.

Die Größe der Schwirrvögel schwankt in weiten Grenzen; denn einige kommen kleinen Bienenfressern an Leibesumfang gleich, andere sind kaum größer als eine Hummel. Der Leib ist in den meisten Fällen gestreckt oder scheint es wenigstens zu sein, weil der Schwanz oft bedeutende Länge hat; bei denjenigen Arten aber, die nur einen stummelhaften Schwanz besitzen, fällt es sofort in die Augen, daß der Leibesbau ein sehr gedrungener, kräftiger genannt werden muß. Der Schnabel ist pfriemenförmig gebaut, dünn, schlank, fein zugespitzt, gerade oder sanft gebogen, bald viel länger, bald nur ebensolang wie der Kopf, mitunter fast von der Länge des Rumpfes, selten noch länger, sein Überzug eine feine, lederartige Hornscheide, die Spitze meist gerade, der Rand einfach, mitunter jene etwas hakig und dieser am vorderen Ende sein sägenartig gekerbt. Nach innen sind die Schnabelhälften tief ausgehöhlt; der Oberschnabel umfaßt den unteren und bildet mit ihm ein Rohr, worin die Zunge liegt. Nach hinten hebt sich die Firste als stumpfe Kante aus der Schnabelfläche hervor und zeigt neben sich eine seichte Furche, die zwar als Nasengrube anzusehen ist, aber die Nasenlöcher nicht enthält; denn diese, seine, langgezogene Längsspalten, liegen nicht in ihr, sondern viel weiter nach außen, unmittelbar neben dem Schnabelrand. Der enge, schmale, von nackter Haut ausgefüllte Kinnwinkel reicht mehr oder weniger in den Unterschnabel hinab, bei kurzen Schnäbeln ziemlich bis zur Mitte. Auffallend klein und zierlich gebaut sind die Füße. Der Lauf hat mitunter noch Befiederung, die indessen mehr anliegt als absteht. Die Zehen sind bald völlig getrennt, bald am Grund etwas verwachsen und mit kurzen Tafelschildern gedeckt, die Krallen ungemein scharf, spitzig und beinahe ebenso lang, in einzelnen Fällen fast länger als die Zehen selbst. Die Flügel sind lang, meist schmal und etwas sichelförmig gebogen. Die erste Schwinge ist immer die längste, hat auch gewöhnlich einen stärkeren Schaft als die übrigen und fällt insbesondere noch dadurch auf, daß die untere Schafthälfte sich, bei manchen Arten wenigstens, ungewöhnlich ausbreitet. Man zählt neun oder regelmäßiger zehn Federn an der Hand, aber nur sechs am Armteile des Flügels. Von den letzteren sind die vier vorderen gleich lang, die zweithintersten stufig abgekürzt; doch erreichen jene vier nicht ganz die Länge der letzten Handschwingen. Der Schwanz besteht immer aus zehn Federn; sie sind aber außerordentlich verschiedenartig gebildet. Sehr viele Arten haben einen Gabelschwanz; die äußersten Federn verlängern sich jedoch mehr oder weniger über die mittleren, bei einzelnen so, daß sie das Sechs- und Mehrfache von deren Länge erreichen, bei anderen nur wenig. Ihre Fahnen sind bei den einen der ganzen Länge nach ziemlich gleich oder gegen das Ende hin bis zu einem kaum bemerklichen Saume verkümmert, an deren Spitze aber wiederum zu einer rundlichen Scheibe verbreitert, so daß der Schwanz dadurch ein Anhängsel erhält, wie es ähnlich z. B. der Flaggendrongo zeigt, bei den andern dagegen ungemein schmal, und die ganzen Federn erscheinen gleichsam nur als Schäfte, an denen beiderseits ein Säumchen zu sehen ist. Nicht selten kommt es vor, daß die Steuerfedern geradezu verkümmern, das heißt zu Gebilden geworden sind, die man eher Stacheln als Federn nennen möchte. Ebenso bemerkt man, daß der Schwanz gegabelt, aber nach außen hin doch abgerundet ist, so daß die Enden der Steuerfedern ausgebreitet eine Bogenlinie darstellen. Bei andern endlich ist der Schwanz einfach abgerundet; die Mittelfedern sind dann entschieden die längsten. Das Gefieder ist ziemlich derb und im Verhältnis zur Größe des Vogels reichlich, besitzt fast gar keine dunigen Bestandteile und bekleidet den Leib durchaus nicht gleichmäßig, sondern verlängert sich an sehr verschiedenen Stellen desselben. So tragen einzelne Kolibris längere oder kürzere Kopfhauben, andere verlängerte Brustkragen oder bartähnliche Federbüschel usw. Rund um das Auge bleibt ein ziemlich breiter Ring nackt. Die Augenlidränder sind mit kleinen schuppenartigen Federn anstatt der Wimpern besetzt. Das Kleid unterscheidet sich je nach Geschlecht und Alter mehr oder weniger, und zwar nicht bloß hinsichtlich seiner Färbung, sondern auch bezüglich der Schmuckfedern.

Gegenwärtig kennen wir das Leben der verschiedenen Schwirrvögel noch viel zu wenig, als daß wir imstande wären, die Unterschiede, die sich im Betragen dieser und jener Art unzweifelhaft bekunden werden, hervorzuheben. Jede Beschreibung, die bisher entworfen wurde, gibt mehr oder weniger ein Lebensbild der Gesamtheit.

 

Einer übersichtlichen Einteilung der Kolibris stellen sich verschiedene Schwierigkeiten entgegen. Nicht allein die außerordentliche Anzahl der Arten und deren ungenügende Kenntnis, insbesondere soweit es sich um Bestimmung der Geschlechts- und Altersverschiedenheiten handelt, sondern auch die Kleinheit der Vögel erschwert Gliederung der Gesamtheit und zweckdienliche Zusammenfassung der verwandten Arten. Die Geschlechtsunterschiede sind so erheblich, daß einzelne Forscher Männchen und Weibchen einer und derselben Art verschiedenen Sippen, ja selbst Unterfamilien zugewiesen haben. Kein Wunder daher, wenn wir noch heutigestags in den Lehrbüchern und tierkundlichen Schriften überhaupt sehr verschiedenen Ansichten über die Würdigung der einzelnen Gruppen begegnen. Als erste behandle ich die Unterfamilie der Gnomen ( Polytminae). Die hierher zu zählenden Arten sind ziemlich groß und gedrungen gebaut. Der Schnabel ist mittellang, kräftig, schwach oder sehr stark gebogen, der Mundrand beider Kiefern vor der Spitze kerbig gezähnelt, der Fuß kurzzehig und langkrallig, der Flügel breit, mäßig gekrümmt, der Schwanz breit, wenig länger als die ruhenden Flügel und, weil die beiden äußersten Federn jeder Seite verkürzt sind, abgerundet. Das Gefieder prangt nicht in besonders lebhaften Farben; die Oberseite pflegt grünlich oder bronzefarbig zu sein, die untere ist gewöhnlich bräunlich und häufig längs gefleckt, die seitlichen Schwanzfedern sind licht an der Spitze. Die Geschlechter unterscheiden sich wenig.

Der Adlerschnabel ( Eutoxeres aquila) und seine Verwandten kennzeichnen sich hauptsächlich durch den sichelförmig gebogenen, kräftigen Schnabel und den mehr keilförmigen Schwanz. Die genannte Art ist auf der Oberseite glänzend graugrün, unterseits bräunlichschwarz, an der Kehle mit dunkel graugelben, an der Brust mit weißlichen Längsflecken gezeichnet; das Kopfgefieder und eine kleine Holle sind bräunlichschwarz, die Kopf- und Bürzelfedern bräunlich gesäumt? die Schwingen purpurbraun, die letzten Armschwingen an der Spitze weiß gefleckt, die Steuerfedern glänzend dunkelgrün, gegen die Spitze hin schwärzlich, an ihr selbst weiß. Diese Endzeichnung wird breiter nach den Seiten zu. Der Oberschnabel ist schwarz, der Unterschnabel bis gegen die Spitze hin gelblich. Das Vaterland ist Kolumbien.

 

Zu den Einsiedlerkolibris ( Phaëthorninae ) gehören die Sonnenkolibris ( Phaëthornis), die eine der artenreichsten Sippen dieser Unterfamilie bilden. Sie kennzeichnen sich durch ihren schwachen, sanft gebogenen und ungekerbten, großen und langen Schnabel, durch die zierlichen und kleinen Füße, deren Lauf leicht befiedert ist, und die mit sehr großen Krallen bewehrten Zehen sowie durch den langen, keilförmigen Schwanz, dessen Mittelfedern die übrigen gewöhnlich weit überragen.

Der Einsiedler ( Phaëthornis superciliosus ) gehört zu den größeren Kolibris; seine Länge beträgt achtzehn, die Fittichlänge sechs, die Schwanzlänge sieben Zentimeter. Das Gefieder ist auf der Oberseite matt metallischgrün, auf der unteren rötlichgrau; die Federn des Rückens sind rotgelb gerandet, die der Unterseite einfarbig; über und unter dem Auge verläuft ein blaßrostgelber Streifen. Der Oberschnabel ist schwarz, der Unterschnabel bis zur Mitte blaßgelb; die Füße sind fleischfarben. Das Weibchen unterscheidet sich durch die Kürze des Schwanzes und durch düstere Färbung. Dadurch beträgt seine Länge fünf Zentimeter weniger als die des Männchens. Das Vaterland ist Nordbrasilien und Guayana; beliebte Aufenthaltsorte sind offene, mit Gebüsch abwechselnde Gegenden.

 

Zu der Unterfamilie der Waldnymphen ( Lampornithinae), verhältnismäßig großen Kolibris, gehört der Mango ( Lampornis mango), einer der verbreiterten und häufigsten Arten der Ordnung. Die Sippe der Schimmerkolibris ( Lampornis), die er vertritt, kennzeichnet sich durch ziemlich langen, deutlich gebogenen, breiten, in seiner ganzen Länge flachen Schnabel und kurzen, abgerundeten Schwanz. Das Gefieder ist der Hauptsache nach erzgrün mit kupferigem Schimmer, ein breiter Streifen, der sich vom Kinn an über die Leibesmitte bis auf die unteren Schwanzdecken zieht, schwarz, seitlich vom Mundwinkel an bis zum Flügelbuge von einem tief saphirblauen Längsstreifen begrenzt, die Steißgegend weiß. Die schwarzbraunen Schwingen zeigen schwachen Erzschimmer. Die beiden mittelsten Schwanzfedern sind grün, die seitlichen purpurkupferrot mit blauschwarz schimmerndem Außen- und Endrande. Der Schnabel ist schwarz, in der Jugend braun, der Fuß ebenfalls schwarz. Das Weibchen ist auf der Oberseite lichter als das Männchen, auf der Unterseite weiß mit schwarzen Längsstreifen. Die Länge beträgt 10,5, die Breite 20, die Fittichlänge 7, die Schwanzlänge 4 Zentimeter. Der Mango ist fast überall in Brasilien zu Hause, kommt aber auch in Paraguay, in Guayana und auf den Antillen vor, wurde sogar schon in Florida erlegt.

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Der Schnabel der Bergnymphen (Oreotrochilus), die die bekannteste Sippe der Unterfamilie der Säbelflügler (Campylopterniae) bilden, ist höchstens mittellang, stark und hoch, ohne seine Randkerben neben der Spitze, der Schwanz kurz und fast gerade abgeschnitten, nur an den seitlichen Steuerfedern abgerundet, das Gefieder schimmernd, auf der Oberseite meist blau oder grün, auf der Unterseite lichter, durch ein in den lebhaftesten Metallfarben prangendes Kehlfeld besonders geschmückt. Beide Geschlechter unterscheiden sich in der Regel merklich durch ihre Färbung. Eine der prachtvollsten Arten dieser Gruppe ist der Chimborazovogel ( Oreotrochilus chimborazo). Seine Länge beträgt 12,5, die Schwanzlänge 6 Zentimeter. Der Vogel trägt seinen Namen mit Recht; denn er ist bis jetzt nur am Chimborazo, und zwar in einer Höhe von vier- bis fünftausend Meter über dem Meere gefunden worden. Verwandte Arten bewohnen andere Bergesgipfel der Anden.

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Die Edelsteinvögel (Topaza) haben hinsichtlich des Flügelbaues noch Ähnlichkeit mit den Bergnymphen, obwohl ihre Vorderschwingen nicht so verbreitert sind. Der Topaskolibri ( Topaza pella), kann an Pracht der Färbung mit allen andern Kolibris wetteifern. Der Scheitel und ein Band, das die Kehle umgibt, sind sammetschwarz; der Rumpf ist kupferrot, in Granatrot übergehend und goldig glänzend, die Kehle golden, in gewissem Lichte smaragdgrün, in anderem topasgelbglänzend; die Schwanzdeckfedern sind grün, die Schwingen rotbraun, die inneren rostfarben, die mittleren Schwanzfedern grün, die hierauf folgenden, acht Zentimeter über die andern verlängerten, kastanienbraun, die äußeren rotbraun. Die Länge beträgt wegen der überragenden Schwanzfedern mehr als zwanzig Zentimeter. Der Topaskolibri scheint auf Guayana beschränkt zu sein. Er bewohnt die Ufer der Flüsse, namentlich die dichtbeschatteten. Eine zweite sehr ähnliche Art lebt am oberen Amazonenstrom.

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Die Blumennymphen (Heliotrichinae) sind meist stark gebaute, ziemlich große Schwirrvögel, die sich durch ihren kräftigen Leib und ihren, den ruhenden Flügeln an Länge gleichkommenden Schwanz der vorher beschriebenen Gruppe anschließen. Auch der Schnabel ist kräftig, seine Spitze aber ungekerbt. In der Färbung unterscheiden sich beide Geschlechter mehr oder minder.

Rückengefieder und Kehlseiten des Blumenküssers ( Heliothrix aurita), Vertreter einer gleichnamigen Sippe (Heliothrix), sind lebhaft erzgrün, die Schwingen grauschwarz, violett schillernd; die Unterseite ist reinweiß wie die drei äußersten Schwanzfedern jeder Seite, während die mittleren Schwanzsteuerfedern stahlblau schimmern. Unter dem Auge beginnt ein sammetschwarzer Streifen, der sich weiter hinten mehr ausbreitet und schließlich in einem stahlblauen Saume verliert. Die Länge des Männchens beträgt 16, die des Weibchens 11, der Schwanz von jenem mißt 6,5, von diesem 2,8 Zentimeter. Nach Prinz von Wied ist der Blumenküsser in Brasilien ziemlich selten, nach Burmeister bewohnt er das Waldgebiet der Ostküste bis Rio de Janeiro hinab. In Guayana wird er durch eine sehr ähnliche Art vertreten; die übrigen Verwandten bewohnen den Westen Südamerikas.

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Die letzte Unterfamilie, die wir in Betracht ziehen wollen, umfaßt die Feenkolibris ( Trochilinae), gewissermaßen die Urbilder der ganzen Ordnung. Ein außerordentlicher Formenreichtum kennzeichnet die zu dieser Gruppe gehörigen Arten.

Der Kolibri ohne weitere Nebenbezeichnung ( Trochilus colubris) gehört dieser Gruppe an und vertritt eine besondere, der Familie gleichnamige Sippe ( Trochilus), deren Merkmale in dem glatten, mehr als kopflangen Schnabel, dem tief ausgeschnittenen, an der äußersten Feder aber etwas verkürzten Schwanze, schmalen Seitenflügeln und kurzen, schwachen, schlankläufigen Füßen zu suchen sind. Das Gefieder der Oberseite ist dunkelbronzegrün, das des Kinnes und der Kehle bis auf die Halsseiten hoch kupferig feuerrot, unter gewissem Licht leicht ins Grüne schimmernd, das der Unterseite schmutzig weiß, der Leibesseiten erzgrün, der Schwingen und äußeren Schwanzfedern dunkelbraun mit schwachem Metallschimmer. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß bräunlich.

Der Kolibri bewohnt die östlichen Vereinigten Staaten von Nordamerika, vom siebenundfünfzigsten Breitengrad bis zum äußersten Süden und von der Atlantischen Küste bis zu der des Stillen Meeres, besucht aber auf seinem Winterzug auch Mittelamerika und die westindischen Eilande.

 

Überaus reizende Tiere sind die Prachtelfen ( Lophornis). Das Halsgefieder der Männchen ist besonders entwickelt, indem sich ein prächtiger Kragen bildet, der aus mehr oder weniger schmalen, langen, wundervoll gezeichneten Federn besteht und entweder angelegt oder abstehend getragen wird, das Gefieder des Scheitels gewöhnlich ebenfalls verlängert. Der Schnabel ist ungefähr kopflang und sein pfriemenförmig, vor der Spitze etwas verdickt. Die Flügel sind klein und schmal, kürzer als der Schwanz, der sich durch breite, ziemlich gleich lange Federn auszeichnet.

Welche von den verschiedenen Arten dieser Gruppe die schönste, ist schwer zu sagen; sie wetteifern alle an Pracht. Ich will die Schmuckelfe ( Lophornis ornata) zur Beschreibung wählen. Das Rumpfgefieder ist bronzegrün, das verlängerte des Scheitels bräunlichrot, ein schmales Band, das quer über den Unterrücken verläuft, weiß, das Gesichtsfeld grün, herrlich schillernd. Die Kragenfedern, die sich stufig verlängern, sind licht rotbraun, an der Spitze schimmernd grün gefleckt. Die Schwingen haben dunkel purpurbraune, die Schwanzfedern dunkel braunrote Färbung. Der Schnabel ist fleischrot, braun an der Spitze. Beim Weibchen sind alle Farben blasser, und der Kragen, die Haube sowie der schimmernde Fleck um den Schnabel fehlen gänzlich.

 

Die Schweifelfen ( Heliactinus) unterscheiden sich von den vorigen hauptsächlich durch den verlängerten Schwanz. Der Schnabel ist länger als der Kopf, vor der seinen Spitze ein wenig nach oben und unten verdickt, der Fuß klein, kurzzehig und mit ziemlich großen und starken Krallen bewehrt. Das Kopfgefieder des Männchens ist ebenfalls verlängert und bildet über jedem Auge einen Lappen; der Flügel ist lang und schmal, der Schwanz keilförmig, und zwar sind die einzelnen Federn stark stufig abgesetzt und alle schmal und scharf zugespitzt.

Die Schweifelfe ( Heliactinus cornutus) ist erzgrün, wenig glänzend, der Oberkopf stahlblau; der Federkragen geht von außen durch Violett in Grün, Gelb, Orange und Rot über; die Kehle, der Vorderhals und die Wangen sind tief sammetschwarz, die Oberbrust, die Bauchmitte, der Steiß und die seitlichen Steuerfedern weiß, die Schwingen grau. Dem Weibchen fehlt der Kopf- und Halsschmuck; die Kehle ist rostgelb, die äußersten Schwanzfedern sind ungefähr in der Mitte schwarz gebändert. Der Schnabel ist kurz, fast gerade, die kleinen Füße sind dicht beflaumt, die Schwanzlänge 5 bis 6 Zentimeter. Nach Burmeister gehört dieser prachtvolle Kolibri zu den häufigsten Arten der offenen Campos des Innern von Minas Geraës.

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Bei den Flaggensylphen ( Steganurus) sind die beiden äußersten sehr verlängerten Schwanzfedern gegen die Spitze hin fahnenlos, an ihr aber mit sehr breiten Fahnen besetzt. Der Schnabel ist kurz, fast gerade, die kleinen Füße sind dicht beflaumt.

Die Flaggensylphe ( Steganurus underwoodi) ist aus der Oberseite, auf dem Bauch, auf den Seiten und auf den unteren Schwanzdeckfedern erzgrün, auf der Kehle und Oberbrust tief smaragdgoldgrün; die Schwingen sind purpurbraun, die Steuerfedern braun, die Flaggen der äußersten Federn sind schwarz mit grünlichem Schiller. Die Länge beträgt 15, die Fittichlänge 4,5, die Schwanzlänge 9 Zentimeter. Das Weibchen ist auf der Oberseite erzgrün, auf der Unterseite weiß, grünlich gefleckt. Die Unterschwanzdeckfedern sind bräunlich, die ziemlich gleich langen Schwanzfedern sind an der Spitze weiß gefleckt. Der schöne Vogel verbreitet sich über den Norden Südamerikas, von Brasilien an bis Venezuela, und bewohnt hier ebensowohl die Küsten- wie die Hochgebirge bis zu zweitausend Meter unbedingter Höhe empor.

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Die Schleppensylphen ( Sparganura) unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre Schwanzbildung. Die Steuerfedern sind nach außen hin gleichmäßig gesteigert, die äußersten über fünfmal so lang als die mittleren, ihre Fahnen von der Wurzel bis zur Spitze ziemlich gleich breit.

Der Sapphokolibri ( Sparganura sappho) ist auf der Oberseite scharlachrot, auf dem Kopf und der Unterseite metallischgrün, an der Kehle lichter und glänzend, am Unterbauch lichtbräunlich. Die Schwingen sind purpurbraun, die Schwanzfedern braun, an der Wurzel glänzend und feurig orangerot bis gegen die Spitze hin, an dieser tief schwarzbraun. Das Weibchen ist oben grün, unten grau gefleckt. Sein Schwanz ist kürzer, und die Federn sind nur lichtrot. Das Vaterland ist Bolivia.

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Zu den Riesengnomen ( Hypermetra), die sich durch einen besonders langen Schnabel auszeichnen, gehört der Riesenkolibri ( Hypermetra gigas), ein Vogel, der unserm Mauersegler an Größe ungefähr gleichkommt. Die Oberseite ist blaßbraun mit grünem Schimmer, die Unterseite rötlichbraun, der Bürzel graugelblich. Ein großer Teil des südlichen Westamerika ist die Heimat dieses auffallenden Kolibri. Im äußersten Süden ist er Zugvogel, der regelmäßig erscheint und regelmäßig wieder wegzieht. Man hat ihn in Höhen von vier- bis fünftausend Meter über dem Meere gefunden.

siehe Bildunterschrift

Kolibris (Trochilidae)
1. Schweifelfe (Heliactinus cornutas)
2. Schwertschnabel (Docimastes ensifer)
3. Blumenküsser (Heliothrix aurita)
4. und 5. Flaggensylphe (Steganurus underwoodi)

Der Schwertschnabel ( Docimastes ensifer) besitzt den größten Schnabel unter allen Kolibris und kann deshalb mit keinem andern verwechselt werden. Dieser Schnabel ist ebenso lang wie der Rumpf, leicht auswärts gebogen, vor der Spitze etwas verdickt, der Flügel verhältnismäßig kurz und breit, der Schwanz mittellang und deutlich gegabelt. Das Gefieder der Oberseite ist erzgrün, das des Kopfes kupferfarbig, das der Unterseite, der Kehlgegend und der Brustmitte bronzegrün, das der Seiten schimmernd hellgrün. Ein kleiner weißer Fleck steht hinter dem Auge. Die Schwingen sind purpurbraun, die Steuerfedern dunkelbraun mit Erzglanz. Der Schnabel ist schwarzbraun, der Fuß gelblichbraun. Die Länge beträgt zweiundzwanzig Zentimeter, wovon freilich zehn Zentimeter auf den Schnabel kommen. Die Heimat sind die Gebirge von Quito und Venezuela. In den letzteren fand ihn Göring noch in Höhen zwischen zwei- und dreitausend Meter über dem Meere, dunkle Unterbestände der Waldungen belebend.

Die Helmkolibris ( Oxypogon) kennzeichnen sich durch sehr kurzen Schnabel, einen Helmbusch, breitere Flügel, gerade abgeschnittenen Schwanz und glanzloses Gefieder. Eine zu Ehren Lindens benannte Art, das Paramosböckchen ( Oxypogonlindeni) ist auf der Ober- und Unterseite ziemlich gleichmäßig matt bräunlicherzgrün, schwach metallisch glänzend, der Kopf, bis auf die mittleren weißen Federn der Haube, schwarz, unter der Haube grünlich. Die bartartig verlängerten Federn der Kehle sind weiß, am Ende durch schwarze Tüpfelpunkte gezeichnet, die Schwingen braun, mit rötlich veilchenfarbenem Schimmer, die Unterseite der weißgeschäfteten stahlglänzenden Steuerfedern ist bräunlich veilchenfarben. Dem etwas kleineren Weibchen fehlen Haube und Bart. Die Länge beträgt vierzehn, die Fittichlänge acht, die Schwanzlänge sieben Zentimeter.

Linden fand diesen auffallenden Vogel zuerst in der Sierra Nevada de Morida in Kolumbien, und zwar in einer Höhe von viertausend Meter über dem Meere. Hier haust der zierliche Vogel, angesichts des gewaltigen, mehr als viereinhalbtausend Meter über das Meer aufsteigenden Gipfels ›la Concha‹, in Höhen von drei- bis viertausend Meter über dem Seespiegel und trägt ungemein viel dazu bei, das einsame Gebirge zu beleben.

Die Kolibris gehören ausschließlich Amerika an und sind mehr als alle übrigen gefiederten Rückgratstiere für diesen Erdteil bezeichnend. Sie finden sich hier, soweit die Erde fähig ist, Blumen oder Blüten zu erzeugen, von Sitka bis zum Kap Horn. Der nordamerikanische Kolibri ist auf Labrador beobachtet worden; eine Art, die ihn im Westen vertritt, kommt sehr regelmäßig noch am Columbiaflusse vor; ebenso ist man diesen anscheinend so schwächlichen Vögeln im Feuerlande begegnet. Und nicht bloß nach der Breite verteilen sie sich, sondern sie erheben sich auch zu den gewaltigen Bergen der Andenkette; sie schweben noch unmittelbar unter der Schneegrenze in einem Höhengürtel, der zwischen vier- und fünftausend Meter über dem Meere liegt; sie besuchen die Krater der noch tätigen wie der erloschenen Vulkane, zu denen sich kaum ein anderes höheres Wirbeltier verirrt. Man hat sie in solchen Höhen brütend gefunden, während Schnee und Hagel den vom Forschungsdrange emporgetriebenen Menschen umtobten, der meinte, in jenen Höhen neben dem Kondor das einzige lebende Wesen zu sein.

Im allgemeinen darf behauptet werden, daß jede Gegend, ja jede Örtlichkeit ihre eigenen Arten besitzt. Die Bergnymphen, die in den angegebenen Höhen sich umhertreiben, verlassen diese nicht, steigen höchstens bis zur unteren Grenze des Gürtels herab, wenn rauhes Wetter sie dazu nötigt, und die, die die heißen, glühenden Täler bewohnen, in denen sich kaum ein Luftstrom regt, erheben sich wiederum nicht zu jenen Höhen. Aber nicht bloß einzelne Berge und Täler, sondern auch Wälder und Steppen, ja noch viel beschränktere Örtlichkeiten beherbergen besondere Arten von Kolibris. Mehr als alle übrigen Vögel sind diese Kleinodien der Klasse wenigstens der Mehrzahl nach an bestimmte Blumen oder Blüten gebunden; sie stehen im innigsten Zusammenhang mit der Pflanzenwelt. Blüten, die diesen Beute gewähren, werden von jenen niemals besucht, und Blumen, die einzelne ernähren, scheinen für andere nicht vorhanden zu sein. Der an das Ende unserer Aufzählung hervorragender Arten gestellte Helmkolibri erscheint, brieflicher Mitteilung Görings zufolge, auf den Paramos der Sierra Nevada, sobald die vom Volk treffend »Riesenmönche« genannten, für die Gegend bezeichnenden Alpenpflanzen ihre gelben Blüten entfalten, und verschwindet wieder, wenn dieselben sich geschlossen haben; andere kommen und gehen in gleicher Weise, so wie ihre Blumen erblühen und verwelken. Schon der sehr verschiedene Bau des Schnabels läßt schließen, daß gewisse Arten nur bestimmte Blüten durchsuchen und unfähig sind, andere auszubeuten. Einzelne Arten mögen allerdings nicht besonders wählerisch sein; vom nordamerikanischen Kolibri z. B. behauptet Wilson, daß die Hälfte der Flora seiner Heimat ihm zollen müsse; andere aber beschränken sich nicht bloß auf gewisse Bäume, sondern sogar auf eine gewisse Wipfelhöhe derselben. Diese untersuchen eifrig die Blüten der oberen Zweige, jene tiefer stehende, die einen das Gelaube, die andern den saftschwitzenden Stamm, um sich ihr tägliches Brot zu erwerben. Vom Zwergkolibri sagt Gosse, daß er fast nur die Blüten der niederen Pflanzen hart über dem Boden ausbeutet; die Sonnenvögel sieht man, laut Bates, bloß ausnahmsweise auf Blumen oder Blüten, die in den von ihnen bewohnten schattigen Wäldern eine Seltenheit sind; sie lesen vielmehr ihre Kerbtiernahrung von den Blättern ab, indem sie mit unvergleichlicher Gewandtheit sich in dem Gelaube bewegen und jedes einzelne Blatt von oben und unten besichtigen. So nimmt es uns auch nicht Wunder, wenn wir bemerken, daß viele Inseln ihre besonderen Kolibris beherbergen, so z. B. auf Juan Fernandez zwei Arten vorkommen, die auf den benachbarten Eilanden nicht gefunden werden, daß der Zwergkolibri von Jamaika nicht bis nach Kuba sich verfliegt. An Fähigkeit, größere Reisen zu machen, fehlt es den Schwirrvögeln nicht; dies beweisen viele Arten zur Genüge; auch findet das Gegenteil von dem eben Gesagten insofern statt, als einzelne Arten über den halben Erdteil sich verbreiten.

Mit dieser Anhänglichkeit der Kolibris steht im Einklang, daß die Gleicherländer Amerikas besonders reich an ihnen sind. Von den dreihundertundneunzig Arten, die Wallace annimmt, finden sich zweihundertundsiebzig in den Gleicherländern Südamerikas, hundert (zum Teil dieselben) in den Wendekreisländern Nordamerikas, fünfzehn im gemäßigten Gürtel der Südhälfte, zwölf in dem der Nordhälfte und fünfzehn auf den Antillen. Doch würde man irren, wenn man glauben wollte, daß die Waldungen der Tiefe, in denen das Pflanzenleben die höchste Entwicklung erreicht, die eigentlichen Paradiese für die Schwirrvögel wären. Die wunderbar prächtigen Blumen jener Waldungen werden selbstverständlich nicht verschmäht, im Gegenteil, wenigstens zeitweilig, von ihnen umschwärmt und durchsucht; aber nicht die Menge der Blüten ist es, die ihren Artenreichtum bedingt, sondern die Mannigfaltigkeit derselben. Nach dem Stand unserer derzeitigen Forschungen dürfen wir annehmen, daß die Gebirgsgegenden Süd- und Mittelamerikas die größte Artenzahl von Kolibris beherbergen und den Gestaltenreichtum dieser Ordnung am augenfälligsten offenbaren.

Ein bevorzugtes Land scheint Mexiko zu sein; es ist die Heimat von mehr als einem Fünfte! aller Schwirrvögel, die bis jetzt bekannt geworden sind, und es läßt sich voraussagen, daß zu denen, die man hier fand, noch sehr viele bisher unbekannte kommen werden, wenn das weite und noch wenig untersuchte Reich besser durchforscht werden wird. Mexiko vereinigt freilich alle Bedingungen für eine solche Mannigfaltigkeit; es ist das wechselreichste Land Mittelamerikas, besitzt alle Gürtel der Höhe und damit gleichzeitig die verschiedenen Jahreszeiten oder wenigstens die Wärmegrade derselben. Der Beobachter, der dieses wunderbare Stück Erde betritt, sieht sich überall umschwebt von den schimmernden Gestalten. Er findet sie in der heißen Tiefe wie in der eisigen Höhe, da, wo das Wasser seine belebende Kraft äußert und die ganze Fülle der Gleicherländer erzeugt, dort, wo die sonnenverbrannte Ebene nur den Kaktus ernährt, und von hier aus bis zu den steinigen Halden der Feuerberge empor. »Sie tragen«, wie Gould sich ausdrückt, »ihren unnachahmlichen Schmuck selbst in die Spalten der vulkanischen Trümmer; sie beleben die Gegenden, in die sich kein menschlicher Fuß verirrt; sie flüstern dem stumpfen Ohr der kalten Einöde ihre zarten Töne zu.« Ihre beliebtesten Aufenthaltsorte bleiben aber unter allen Umständen die blumigen Wiesen und das blühende Gestrüpp der Steppenlandschaften, in Blüte stehende Gebüsche und Gärten. Hier sieht man sie dicht über dem Boden dahinjagen, von einer Blume zur andern gaukeln und oft in innigster Gemeinschaft mit den Honig trinkenden Bienen und den Nektar saugenden Schmetterlingen ihrer Jagd obliegen.

Noch konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, inwieweit auch diejenigen Kolibris, die nicht wandern, als Standvögel anzusehen sind. Man darf voraussetzen, daß keine einzige Art jahraus jahrein in derselben Örtlichkeit verweilt, vielmehr, der Jahres- oder wenigstens der Blütenzeit entsprechend, bald hierhin, bald dorthin sich wendet, möglicherweise mit Ausschluß der Nistzeit beständig herumstreicht. Alle Beobachter, die längere Zeit an ein und demselben Ort lebten, stimmen darin überein, daß sich gewisse Arten nur zu bestimmten Jahreszeiten zeigen. So versichert Bullock, daß viele der in Mexiko lebenden Kolibris sich bloß im Vorsommer sehen lassen. Einzelne erschienen im Mai und Juni massenhaft in dem Pflanzengarten der Hauptstadt, und es war dann leicht, viele von ihnen zu erhalten, während man dieselben Arten zu andern Zeiten des Jahres nicht bemerkte. Dasselbe beobachtete Reeves bei Rio de Janeiro, dasselbe Bates während seiner elfjährigen Forschungen am Amazonenstrome; dasselbe erfuhren alle übrigen Forscher, die diesen merkwürdigen Geschöpfen längere Zeit, das heißt Monate oder Jahre nacheinander, ihre Aufmerksamkeit widmen konnten. Wahrscheinlich streichen alle Arten mehr oder weniger weit im Lande umher. Die, die die Höhen bewohnen, werden zeitweilig gezwungen sein, in tiefere Gegenden hinabzusteigen, und die, die da leben, wo ewiger Frühling herrscht oder doch fortwährendes Erneuern der Pflanzenwelt stattfindet, wo es das ganze Jahr hindurch Blüten und Blumen gibt, diese glücklichen werden wenigstens der Blüten halber von einem Ort zum andern sich begeben müssen. Es ist bekannt, daß die Kolibris gewisse Bäume massenhaft besuchen, solange sie in Blüte stehen, sonst aber sich wenig um dieselben bekümmern; man hat auch beobachtet, daß sie, wenn ein Baum gerade zu blühen begonnen, sich oft ungewöhnlich zahlreich einstellen, ganz, wie es die honigsuchenden Kerbtiere tun. Sie fliegen dann plötzlich von allen Seiten herbei, ohne daß man weiß, woher sie kommen, und sie besuchen den Baum tagtäglich, solange er blüht. Diese Ortsveränderungen sind aber mit den eigentlichen Wanderungen nicht zu vergleichen. Einen regelmäßigen Zug haben diejenigen Arten, die in dem nördlichen oder südlichen gemäßigten Gürtel heimisch sind. Sie erscheinen fast mit derselben Regelmäßigkeit wie bei uns die Schwalben, verweilen im Lande, brüten und treten mit Einbruch der kalten Jahreszeit wiederum eine Reise nach wärmeren Gegenden an. Audubon meint, daß die Wanderung des Nachts geschehe, kann aber selbstverständlich Bestimmtes hierüber nicht angeben. Ich sage selbstverständlich; denn die Beobachtung der Schwirrvögel ist keineswegs leicht. Andere Zugvögel kann man mit dem Gesichte und dem Gehöre verfolgen, bei den Kolibris versagen die Sinne uns ihre Dienste. Auch das schärfste Auge verliert den fliegenden Schwirrvogel oder ist nicht mehr fähig, ihn wahrzunehmen, und ebensowenig kann das Ohr Aufschluß geben über die Richtung und Entfernung, in der er sich bewegt. Der Kolibri überrascht stets; denn er macht immer den Eindruck eines zauberhaften Erscheinens. Er ist Plötzlich da, ohne daß man eigentlich recht weiß, woher er gekommen, und verschwindet ebenso plötzlich wieder. Wenn man in Nordamerika erst einen gesehen hat, bemerkt man sie bald überall. Ein Beobachter, der über ihr Erscheinen einen anziehenden Bericht gegeben hat, sagt, daß er eines Morgens mit der Nachricht geweckt worden wäre: »Die Kolibris sind da«, sie zuerst an einem gerade in Blüte stehenden Tulpenbaum beobachtet, bald darauf überall wahrgenommen und in großer Anzahl zusammen gesehen habe. Er fand aber, daß die Anzahl rasch abnahm. »Nach mehreren Tagen«, bemerkt er, »erschien kaum noch einer dann und wann. Auch hörten wir bald nachher in der Stadt nur noch hier und da von einem einzelnen, versprengten Vögelchen. Daraus schien mir hervorzugehen, daß die Wanderung der Kolibris und ihr Einbruch in die Städte und Gärten zuerst in Menge und in einem großen Heere geschieht. Sie kommen wie die Flut, mit einer stark aufgeschwollenen Welle. Diese Flut zieht von Süden her durchs Land, läßt überall einige Ansiedler zurück und flutet, sich allmählich verlierend, nach Norden weiter. Es mag indes auch sein, daß jene von uns beobachtete Magnolie auch nur deswegen anfänglich so zahlreich besucht war, weil sie wegen ihrer besonders günstigen Stellung ungewöhnlich frühzeitig blühte, und vielleicht verteilten sich die Tiere infolge der mit jedem Tage in allen Winkeln und Verstecken der Gegend sich mehrenden und sich öffnenden Blüten.«

Wenn man das Leben dieser Vögel begreifen will, muß man vor allen Dingen ihren Flug kennenzulernen suchen. Er bestimmt sozusagen das ganze Leben; er stellt den Kolibri erst als das dar, was er ist. Kein anderer Vogel fliegt wie er, und deshalb gerade können auch die Schwirrvögel mit andern nicht verglichen werden. »Bevor ich sie nicht gesehen«, sagt Saussure, »hatte ich mir niemals eine Vorstellung machen können, daß ein Vogel mit solcher Schnelligkeit seine Flügel zu bewegen vermag, wie die Kolibris es tun. Sie lustwandeln in der Luft, bald blitzschnell dahinschießend, bald wiederum auf einer und derselben Stelle sich erhaltend. Ihr Flug ist zweifach verschieden: das pfeilschnelle Dahinschießen in gerader Richtung unterscheidet sich in jeder Beziehung von dem Schweben auf einer und derselben Stelle. Es ist klar, daß letztere Bewegung die größte Kraftanstrengung erfordert; denn der Kolibri muß, um sich im Gleichgewicht zu erhalten, mit gleicher Kraft die Flügel nach oben wie nach unten schlagen. Diese Bewegung ist so schnell, daß man von den Flügeln zuletzt nichts mehr wahrnimmt.« Aber auch ihr ganzes Betragen und Wesen ist hastig, wie Saussure sagt, fieberisch. »Sie leben in erhöhter, kräftigerer Weise als irgendein anderes Wesen unseres Erdballes. Vom Morgen bis zum Abend durcheilen sie die Lüfte beim Suchen nach honiggefüllten Blumen. Man sieht sie ankommen, wie der Blitz sich senkrecht vor einer Blume aufstellen, ohne jegliche Stütze sich stillhalten, den Schwanz fächerförmig breiten und währenddem ihre Zunge wiederholt in das Innere der Kelche tauchen. Niemals lassen sie sich auf einer Blüte nieder, und es gewinnt den Anschein, als wären sie stets bedrängt, immer so eilig, daß ihnen hierzu die Zeit gebräche. Sie schießen herbei, halten jählings an, setzen sich höchstens einige Sekunden lang auf einem kleinen Zweige nieder und fliegen wiederum davon, mit solcher Schnelligkeit, daß man ihr Abfliegen kaum bemerkt.« In gleichem Sinne sprechen sich alle übrigen Beobachter aus. »Wie wundervoll«, sagt Gould, »muß die Anlage sein, die die zitternde Bewegung eines Kolibris hervorbringt und sie so lange erhält! Wenn er sich vor irgendeinem Gegenstande ins Gleichgewicht setzt, so geschieht dies so rasch, daß es dem Auge unmöglich ist, jedem Flügelschlage zu folgen, und ein nebliger Halbkreis von Undeutlichkeit auf jeder Seite des Körpers ist alles, was sich wahrnehmen läßt.« Noch ausführlicher schildert Newton ihr Erscheinen und Verschwinden. »Ersteres«, sagt er, »weicht so gänzlich ab von dem gewohnten, daß derjenige, der das Atlantische Weltmeer nicht gekreuzt hat, nimmermehr imstande ist, sich ein klares Bild hiervon vorzustellen. Selbst die Vergleichung mit der schwärmenden Sphinx kann nur zu ungunsten der Kolibris ausfallen. Man steht bewundernd vor einer Blume: da erscheint zwischen ihr und dem Auge plötzlich ein kleiner dunkler Gegenstand, ein Ding, das aussieht, als ob es zwischen vier übers Kreuz gelegten Drähten aufgehängt wäre. Einen Augenblick lang sieht man ihn vor der Blume; einen Augenblick später, und er befestigt sich; man gewahrt den Raum zwischen jedem Paare der Drähte eingenommen von einem grauen Nebel; noch einen Augenblick, und, einen Strahl saphirnen oder smaragdenen Lichtes werfend, schießt er hinweg, so schnell, daß das Auge ihm nicht zu folgen vermag, das Wort unausgesprochen, der keimende Gedanke ungedacht bleibt. Es war ein kühner oder ein unwissender Mann, der zuerst versuchte, Kolibris fliegend abzubilden. Denn kein Stift, kein Pinsel kann den Vogel so wiedergeben. Man steht nur, daß der Leib senkrecht gehalten wird und daß jeder der sich schwirrend bewegenden Flügel einen Halbkreis bildet.« Mit diesen Worten stimmen dem Sinne nach alle genaueren Beobachter überein. Doch wissen wir jetzt bereits schon, daß das Auftreten des Fluges und das Schwirren vor den Blüten nicht bei allen Arten genau in derselben Weise geschieht. So unterscheidet sich ein auf Kuba lebender Kolibri, laut Gundlach, durch seinen Flug nicht unerheblich von andern Verwandten. Um die Blume zu untersuchen, fliegt er bis dicht vor sie hin, schwebt hier mit schwirrender Flügelbewegung einen Augenblick auf einer und derselben Stelle, schiebt die Zunge in den Kelch, zieht sie hierauf mit einem jähen Rucke zurück, bleibt einen fernern Augenblick schweben und nähert sich mit einem Rucke wiederum einer anderen Blüte. Der Flug erscheint hierdurch stoßweise und ungleichmäßig, und dies wird noch vermehrt durch beständiges Bewegen des ziemlich langen Schwanzes, den der Vogel bald schließt, bald ausbreitet. Der nordamerikanische Kolibri dagegen stiegt stets gleichmäßig dahin. Solange der Schwirrvogel sich auf ein und derselben Stelle erhält, vernimmt man kein Geräusch des Flügelschlags; sowie er sich aber in schnellere Bewegung setzt, bringt er einen eigentümlich scharfen, summenden Ton hervor, der der Gesamtheit geradezu den Namen ›Summvögel‹ verschafft hat. Dieser Laut ist verschieden, je nach den verschiedenen Arten, bei den größeren im allgemeinen dumpfer als bei den kleineren, bei einzelnen so ausgesprochen, daß man sie mit aller Sicherheit an ihrem Gesumme erkennen kann. Es ist noch keineswegs hinreichend aufgeklärt, durch welche Art der Bewegung dieses Geräusch hervorgebracht wird, da man die Bewegungen nicht zu unterscheiden vermag. Man kann höchstens annehmen, daß der Vogel, wenn er größere Räume durchmißt, seine Schwingen noch schneller und heftiger bewegt, als während er sich auf einer Stelle hält; denn solange dies geschieht, verursacht er eben kein Geräusch.

über die Richtung des Fluges, über die Linien, die er beschreibt, kommt man nicht ins klare. Die Schnelligkeit der Bewegung ist so bedeutend und der sich bewegende Körper so klein, daß die Beobachtung zur Unmöglichkeit wird. Audubon versichert, daß der nordamerikanische Schwirrvogel in langen Wellenlinien die Luft durchschneide, auf gewisse Strecken unter einem Winkel von vierzig Graden sich erhebe und dann in einer Bogenlinie wieder herabsenke; aber er fügt dem hinzu, daß es unmöglich wäre, dem fliegenden Vogel auf mehr als fünfzig oder sechzig Meter zu folgen, selbst wenn man das Auge mit einem guten Glase bewaffnet habe. Gould sagt, daß der Schwirrvogel jede Art der Flügelbewegung mit der größten Sicherheit ausführen könne, daß er häufig senkrecht in die Höhe steigt, rückwärts fliegt, sich im Kreise dreht oder, sozusagen, von Stelle zu Stelle oder von einem Teile des Baumes zu einem andern hinwegtanzt, bald aufwärts, bald abwärts steigend, daß er sich über die höchsten Bäume erhebt und dann wie ein Meteor plötzlich dahinschießt. Oft weilt er summend und ruhig unter kleinen Blumen am Boden; jetzt schwebt er einen Augenblick über einem winzigen Grase, im nächsten sieht man ihn in einer Entfernung von mehr als vierzig Schritten: er ist dahin geflogen mit der Schnelligkeit des Gedankens.

Unwillkürlich kommt man immer wieder darauf zurück, den Schwirrvogel als einen gefiederten Schmetterling anzusehen. Dies ist nicht bildlich, sondern buchstäblich zu verstehen. »Bei meinem ersten Schritt in die Steppen Jamaikas«, erzählt Saussure, »sah ich ein schimmernd grünes Kerbtier eiligen Fluges vor einem Busche ankommen und wiederholt von einem Zweige zum andern gleiten. Ich war im höchsten Grade überrascht von der außerordentlichen Gewandtheit, mit der das Tierchen meinem Netze entging, und als ich es endlich erlangt hatte, noch weit mehr, anstatt eines Kerbtieres einen Vogel gefangen zu haben. In Tat und Wahrheit, nicht allein die Gestalt, sondern auch die Haltung, die Bewegungen, die Lebensweise der Kerbtiere sind die der Kolibris.« So wie Saussure ist es auch andern ergangen. Und merkwürdig genug; auch die Kolibris selbst scheinen in den betreffenden Schmetterlingsverwandten mindestens Beeinträchtiger ihres Gewerbes zu erblicken. Nach Saussures Beobachtungen liefern sie den Schwärmern förmliche Kämpfe, verfolgen sie von Blume zu Blume, von Zweig zu Zweig und stoßen so lange auf sie los, bis sie dieselben vertreiben. Häufig zerstoßen sie ihnen die Flügel. Diese Angriffe geschehen offenbar aus Eifersucht, vielleicht aus Futterneid, sind aber im höchsten Grade bezeichnend für die Verfolger wie für die Verfolgten. Gewissenhafte Beobachter meinen, daß auch die Sinne und geistigen Fähigkeiten der Schwärmer und Schwirrvögel auf ungefähr gleicher Höhe stehen dürften, haben sich aber unzweifelhaft durch den harmlosen Ausdruck des Kolibriauges und die Zutraulichkeit des Vogels zu falschen Schlüssen verleiten lassen. Die unerreichbare Gewandtheit und Schnelligkeit der Bewegungen verleiht dem Schwirrvogel eine Sicherheit und Furchtlosigkeit, die auf das höchste überrascht.

Gewisse Reisende haben von dem prachtvollen Farbenspiele gesprochen, das bei den fliegenden Kolibris bemerkbar werden soll; ihre Angaben sind jedoch nur bedingungsweise richtig. Von der ganzen Farbenpracht, die diese lebendigen Edelsteine zeigen, bemerkt man, wenn sie fliegen, gewöhnlich nichts; sie wird erst offenbar, wenn sie ruhen, sei es, indem sie sich schwirrend vor einer Blüte halten, ohne einen andern Teil des Leibes außer den Flügeln zu bewegen, sei es, indem sie sich ausruhend auf einem Zweige niederlassen. Diese Art der Bewegung meint wohl auch Schomburgk. »Das Auge«, sagt er, »das einen Augenblick vorher die Blüte noch still bewundert hatte, sah im nächsten Augenblick einen Topaskolibri darüber schweben, ohne sich Rechenschaft geben zu können, wie er dahin gekommen, bis dieser ebenso gedankenschnell an einer andern Stelle zitternd und flimmernd über dem Blütenschmuck hing. Wandte ich das trunkene Auge einer andern Richtung, einem andern Baume zu, so fand ich dasselbe täuschende und entzückende Spiel: hier begegnete ich dem lieblichen Rubin, dort dem glühenden Goldtropfen, oder dem tausendfach widerstrahlenden Saphir, bis sich endlich alle diese fliegenden, flimmernden Funken zum reizendsten Kranze vereinigten, plötzlich aber, wieder geschieden, das frühere neckende Spiel begannen.« Doch gibt es einzelne, deren Farbenpracht, auch wenn sie fliegen, leuchtet und schimmert. »Der Saphokolibri«, schreibt mir Göring, »gleicht, wenn das Sonnenlicht auf ihn fällt, einem Feuerfunken und überrascht auch den, der schon viele Arten seines Geschlechts beobachtet hat. Als der erste dieser lebenden Funken vor mir hin und wider flog, fesselte er mich so, daß ich das Gewehr auf ihn zu richten vergaß.«

Hat die Schwirrvögel längerer Flug ermüdet, so suchen sie im Gezweige eine geeignete Stelle zur Ruhe. Sie bevorzugen hierzu dünne abgestorbene Zweiglein oder wenigstens solche, die auf einige Zentimeter blätterlos sind, kehren immer und immer wieder zu solchen zurück, besuchen auch mehrere ähnliche Ausruhezweige mit solcher Regelmäßigkeit, daß man, wie Gundlach hervorhebt, um sie mit voller Sicherheit sehen und beobachten zu können, nur in der Nähe einer solchen Stelle geraume Zeit sich aufzuhalten braucht. Die kurze Ruhe pflegen sie zur Ordnung ihres Gefieders oder zur Reinigung ihres Schnabels zu benutzen, ruhen also jetzt noch nicht aus, zucken wenigstens fortwährend mit Flügeln und Schwanz. Sobald ihr Gefieder wieder zurechtgelegt ist, fliegen sie weiter, um von neuem in gewohnter Weise über die Blumen dahinzugaukeln. Aus dem Boden sind sie ebenso fremd wie die Segler: sie wissen sich hier nicht zu behelfen; denn sie sind unfähig zu gehen.

Einer althergebrachten Meinung zufolge soll kein Schwirrvogel singen können. Im allgemeinen scheint dies richtig zu sein; es liegt aber jetzt schon eine Reihe von Beobachtungen vor, die das Gegenteil besagen. Prinz von Wied bezeichnet ihre Stimme als einen »nur höchst unbedeutenden, kleinen Laut« und erwähnt an einer andern Stelle, daß ein Kolibri seine »laute, kurz lockende Stimme« hören ließ; Burmeister dagegen sagt: »Die Schwirrvögel sind keineswegs stumm; denn wenn sie sich irgendwo auf einem dürren Zweige niederlassen und da einige Zeit Ruhe pflegen, so lassen sie von Zeit zu Zeit ihre feine, schwache, zwitschernde Stimme hören. Ich habe sie öfters vernommen und den über mir im Schatten des Laubes sitzenden Vogel beobachtet, wie er abwechselnd mit dem zarten Lockton seine feine Spaltzunge drei Zentimeter weit aus dem Schnabel auf Augenblicke hervorschnellte.« Einstweilen geht es uns noch wie jedem Forscher, der nur kurze Zeit in Amerika verlebt hat. »Bei meiner ersten Ankunft in Guatemala«, sagt Salvin, »schienen mir die verschiedenen Arten von Kolibris in ihren Sitten und Gewohnheiten, in ihrer Stimme und in ihrem Summen vollständig übereinzustimmen; spätere Erfahrungen aber und beständige Aufmerksamkeit belehrten mich, daß jede Art ihr Eigentümliches hat, und so war ich schon nach kurzer Zeit imstande, die Arten an ihrem Schimmer oder, wenn ich sie nicht sah, mit ziemlicher Sicherheit an dem Summen oder an ihrem Geschrei zu erkennen. Es ist allerdings schwer, diese Unterschiede mit Worten auszudrücken, aber sie sind doch merkbar.«

Die Sinne der Kolibris scheinen ziemlich gleichmäßig und hoch entwickelt zu sein. Alle Beobachtungen lassen mit Bestimmtheit schließen, daß das Gesicht ausnehmend scharf sein muß. Man erkennt dies an ihren Bewegungen im Fluge und muß es annehmen, wenn man sieht, wie sie kleine, unserm Auge vollständig unsichtbare Kerbtiere im Fluge fangen. Ebenso dürfen wir überzeugt sein, daß ihr Gehör dem anderer Vögel nicht nachsteht, wenn auch hierüber bestimmte Beobachtungen nicht vorliegen. Der Tastsinn ist gewiß hoch entwickelt; denn wäre dies nicht der Fall, so würde es ihnen unmöglich sein, den Hauptteil ihrer Nahrung aus der Tiefe der Blumen hervorzuziehen. Die Zunge übernimmt hier fast genau dieselbe Arbeit wie die der Spechte: sie prüft die andern Sinnen unzugänglichen Schlupfwinkel. Ihr feines Gefühl erkundet die Beute und leitet das Werkzeug selbst beim Aufnehmen derselben. Geschmack beweisen die Kolibris durch ihre Vorliebe für Süßigkeiten. Über den Geruch läßt sich kaum ein Urteil fällen; doch dürfen wir wohl annehmen, daß dieser Sinn nicht verkümmert ist.

Der wohlgebildete, gewölbte Schädel läßt im voraus den Schluß zu, daß auch die rein geistigen Fähigkeiten der Schwirrvögel auf einer ziemlich hohen Stufe der Entwicklung stehen. Leichter als bei andern Klassenverwandten kann bei ihnen die Beobachtung täuschen, und deshalb sind die Urteile der Forscher sehr verschieden. Solange die Kolibris sich frei bewegen, lernt man sie nur unvollständig kennen. Ihre Unruhe und Rastlosigkeit, die Schnelligkeit ihrer Bewegung, ihre Kleinheit und ihre große Anzahl erschweren dem Beobachter, ihnen zu folgen: so viel aber lernt er doch erkennen, daß sie sehr wohl zu unterscheiden wissen zwischen Freunden und Feinden, zwischen Nützlichem und Schädlichem, daß ihnen gewährter Schutz sie zutraulich und Verfolgung sie scheu und vorsichtig macht. Weitaus in den meisten Fällen bekunden sie eine Vertrauensseligkeit, die ihnen verderblich wird; dies aber ist einfach Folge ihrer außerordentlichen Gewandtheit und der Sicherheit in jeder ihrer Bewegungen. Sie tragen, um mich so auszudrücken, das Bewußtsein in sich, jeder Gefahr noch rechtzeitig entrinnen zu können. Solange es sich darum handelt, vor ihren natürlichen Feinden sich zu bergen, wird sie dies Bewußtsein schwerlich täuschen. Dem Menschen gegenüber freilich ist allzu großes Vertrauen oft übel angewandt, und deshalb fallen die Schwirrvögel ihm so häufig und so leicht zum Opfer.

Bevor wir zur Betrachtung des Wesens und Betragens oder der Lebensweise übergehen, wird es notwendig sein, erst über die Nahrung ins reine zu kommen; denn sie bestimmt, wie bereits wiederholt angedeutet, das Leben wesentlich mit. Bekanntlich herrschen hinsichtlich der Nahrung der Schwirrvögel irrige Ansichten. Die alte Meinung war, daß sie sich von dem Blumenhonig nähren, oder wenigstens, daß Blumenhonig die Hauptmenge ihrer Nahrung bilde. Badier jedoch berichtete bereits im Jahre 1778, daß ihm sehr erklärlich sei, warum alle Kolibris, die man mit Zuckerwasser und Sirup zu ernähren gesucht habe, nach kurzer Zeit gestorben seien, da sie Blumennektar höchstens zufällig mit verschlucken, in Wirklichkeit aber ganz kleine Käferchen verzehren, und zwar diejenigen, die sich auf dem Boden der Blumenkelche aufhalten und von dem Honig nähren. Er untersuchte verschiedene Kolibris und fand bei allen Käfer- und Spinnenreste im Magen. Zwei gefangene fütterte er etwa sechs Wochen lang mit Sirup und Zwieback; aber sie wurden immer schwächer, starben, und bei der Zergliederung fand sich in ihren zerriebenen Därmen kristallisierter Zucker. Ausführliches veröffentlichte Wilson im Jahre 1810. »Man hat bis jetzt die Ansicht gehegt«, sagt er, »daß der Kolibri sich von dem Honig der Pflanzen nähre, und ein oder zwei neuere Beobachter nur haben bemerkt, daß sie Bruchstücke von Kerbtieren in dem Magen des Vogels gefunden hätten, Bruchstücke, von denen man glaubte, daß sie durch Zufall dahin gekommen seien. Der Mangel an Gelegenheit, den die Europäer haben, um diesen Gegenstand durch Beobachtung oder Zergliederung zu erledigen, ist Ursache geworden, jene Ansicht zu verallgemeinern. Ich meinesteils kann entschieden über diese Angelegenheit sprechen. Ich habe den Kolibri an schönen Sommerabenden zeitweilig halbe Stunden lang auf jene kleinen, schwirrenden Kerbtiere, nach Art der Fliegenfänger, aber mit einer Gewandtheit, die deren Flugbewegungen bei weitem übertrafen, jagen sehen. Ich habe von Zeit zu Zeit eine große Anzahl dieser Vögel zergliedert, den Inhalt des Magens mit Vergrößerungsgläsern untersucht und in drei von vier Fällen gefunden, daß er aus zertrümmerten Bruchstücken von Kerbtieren bestand. Oft wurden ganze, aber sehr kleine Käfer noch unversehrt wahrgenommen. Beobachtungen meiner Freunde stimmen mit diesem Ergebnis vollständig überein. Man weiß sehr wohl, daß die Kolibris hauptsächlich jene glockenförmigen Blumen lieben; sie aber gerade sind der Aufenthaltsort von kleinen Kerbtieren.« Bullock stimmt (1825) durchaus mit Wilson überein. »Es ist sehr möglich«, sagt er, »daß die ganze Gesellschaft Kerbtiere frißt; daß es viele tun, weiß ich gewiß. Ich habe sie in Verfolgung ihrer kleinen Beute mit Aufmerksamkeit beobachtet und sehr häufig gesehen, daß sie Fliegen und andere Kerbtiere im Fluge aufnahmen, und bei der Zergliederung diese in ihrem Magen gefunden. In einem Hause zu Jalapa, dessen Hof ein Garten war, habe ich oft mit Vergnügen den Kolibris zugesehen, wie sie ihre Jagd zwischen den unzähligen Spinnengeweben betreiben. Sie begaben sich mit Vorsicht in das Gewirr von Netzen und Fäden, um die gefangenen Fliegen wegzunehmen; aber weil die größeren Spinnen ihre Beute nicht gutmütig hergeben wollten, waren die Eindringlinge oft zum Rückzuge gezwungen. Die behenden, kleinen Vögel pflegten, wenn sie kamen, den Hof erst ein- oder zweimal zu umfliegen, als ob sie ihren Jagdhund kennenlernen wollten; dann begannen sie ihren Angriff, indem sie mit Vorsicht unter das Netz der hinterlistigen Spinne flogen und nun plötzlich auf die kleinen, eingewickelten Fliegen losschossen.« Uns Deutsche belehrte der Prinz von Wied zuerst über die Nahrung der Kolibris. »Ohne die eben genannten Nachrichten über die Kerbtiernahrung unserer kleinen Vögel damals noch zu kennen, sprach ich mich über diesen Gegenstand in der Beschreibung meiner brasilianischen Reise (1821) und bald darauf in der ›Isis‹ (1822) aus. Ich bin vollkommen hiervon überzeugt; denn selbst die Magen der kleinsten dieser Vögel fanden wir mit Kerbtierresten vollgestopft, dagegen nie mit Pflanzenhonig angefüllt. Die Nahrung besteht, meiner Überzeugung zufolge, in kleinen Käferchen, Spinnen, andern Kerbtieren und dergleichen, und die Zunge ist keine durchbrochene, zum Saugen geeignete Röhre. Ihre beiden häutigen Spitzen sind vollkommen geeignet, wenn sie in den Grund der Blumenröhre gebracht werden, die daselbst befindlichen höchst kleinen Kerbtiere zu fühlen, zu ergreifen und bis in den Schnabel zurückzuziehen.« Ungefähr gleichzeitig mit dieser Angabe des Prinzen (1831) erschien Audubons ausgezeichnetes Werk. In ihm heißt es: »Die Nahrung der Kolibris besteht vorzugsweise aus Kerbtieren, hauptsächlich aus Käfern. Diese, zusammen mit kleinen Fliegen, werden gewöhnlich in ihrem Magen gefunden. Sie lesen die ersteren von den Blumen ab und fangen die letzteren im Fluge. Der Schwirrvogel könnte als ausgezeichneter Fliegenfänger angesehen werden. Nektar oder Honig, der von den verschiedenen Pflanzen aufgesogen wird, ist gewiß ungenügend, ihn zu erhalten; er dient vielleicht mehr, um den Durst zu stillen. Von vielen dieser Vögel, die in der Gefangenschaft gehalten und mit Honig oder Zucker ernährt wurden, habe ich erfahren, daß sie selten mehrere Monate am Leben blieben, und wenn sie dann untersucht wurden, fand man sie im höchsten Grade abgemagert; andere hingegen, denen zweimal täglich frische Blumen aus den Wäldern oder aus den Gärten gebracht und deren Gefängnis nur mit Gazenetzen, durch die kleine Kerbtiere eindringen konnten, verschlossen waren, lebten zwölf Monate und wurden dann noch freigelassen.« Unter den neueren Beobachtern haben Gosse und Burmeister denselben Gegenstand ausführlicher beleuchtet.

Heimat und Örtlichkeit, die Verschiedenheit der Blumen, die Nahrung gewähren, und andere Verhältnisse üben also einen sehr großen Einfluß aus auf die Lebensweise der verschiedenen Schwirrvögel; aber auch das Wesen der verschiedenen Arten unterscheidet sich nicht unerheblich. Fast alle Kolibris sind echte Tagvögel. Sie lieben die Wärme und suchen den Schatten nicht, leiden dagegen sehr unter der Kälte. Einzelne Reisende haben freilich das Gegenteil hiervon behauptet; aber Saussure versichert, sie, in Mexiko wenigstens, niemals in den dunklen, schattigen, ausgedehnten Waldungen, wohl aber, auch um die Mittagszeit, in voller Sonne auf freien oder nur dünn mit Büschen und Blumen bestandenen Strecken umherschwärmen gesehen zu haben. Wenn die grüne Leuchteragave in voller Blüte steht, sind die Zweige des mächtigen Schosses, der hoch über dem Boden die leuchtenden Blüten trägt, auch in den heißesten Mittagsstunden umschwärmt von ihnen, und wenn der Mais blüht, kann man zu gewissen Tagesstunden das ganze Feld von ihnen erfüllt sehen oder aber das Summen und Schwirren ihrer Flügelschläge, beziehentlich ihr schwaches Zirpen, allerorten vernehmen. Demungeachtet gibt es mehrere, die als Dämmerungsvögel bezeichnet werden dürfen und nur in den Früh- oder Abendstunden ihre Jagd betreiben, während des heißen Mittags aber im tiefen Schatten der Bäume der Ruhe pflegen. So berichtet Waterton und nach ihm Schomburgk von dem Topaskolibri, daß er bloß während der kühleren Tageszeit tätig sei, die Sonnenstrahlen aber ängstlich meide, und so erzählt der Prinz von einem andern, daß er ihn hauptsächlich des Morgens gesehen habe, sein Gefieder trocknend. Der Zwergkolibri Jamaikas umschwirrt wie eine Hummel die niederen Pflanzen dicht über dem Boden und erhebt sich bloß ausnahmsweise in bedeutende Höhen, während der Riesenkolibri sich sehr oft in diesen umhertreibt. Ein blühender Baum lockt sehr verschiedene Arten herbei, und wenn man unter einem solchen verweilt, kann man im Laufe einer Stunde den größten Teil derjenigen, die eine Gegend bewohnen, erscheinen und verschwinden sehen. Einige Reisende, und unter ihnen Spix und Martins, haben von Schwärmen von Kolibris gesprochen, andere behaupten, daß die Vögel nur einzeln erscheinen. »Ich muß«, sagt der Prinz, »aus eigener Erfahrung erwidern, daß beide die Wahrheit sagen; denn öfters haben wir sehr viele Kolibris ein und derselben Art an einem mit Blüten bedeckten Baum innerhalb weniger Minuten erlegt, obgleich sie sonst gewöhnlich vereinzelt fliegen.« Stedmann erzählt, daß er um gewisse Bäume oft so viele Kolibris zugleich habe schwärmen sehen, daß ein Gesumme entstanden sei wie von einem Wespenschwarme. Dasselbe hat mir Röhl, der frühere hamburgische Konsul in Caracas, erzählt, der länger als zwanzig Jahre in Venezuela gelebt hat.

Abgesehen von der Brutzeit, während der die Kolibris jedes Wesen angreifen, das sich dem Neste nähert, beweisen sie sich dem Menschen gegenüber in hohem Grad zutraulich. Sie sind durchaus nicht scheu, lassen sich in größter Nähe betrachten, fliegen ohne Bedenken dicht vor dem Auge des Beobachters hin und her und verweilen, solange dieser sich ruhig verhält, ohne jegliche Besorgnis. Gosse sagt, daß sie sehr neugierig sind und zu einem Gegenstande, der ihnen ausfällt, herbeikommen, Gundlach, daß sie einen Blütenstrauß, den man in der Hand hält, untersuchen; Audubon und nach ihm Burmeister erwähnen, daß sie häufig in das Innere der Zimmer fliegen, angelockt durch Blumensträuße, die hier aufgestellt wurden; Salvin berichtet, daß das Männchen eines Pärchens, das eben ein Nest bauen wollte, ihm Baumwolle sozusagen unter den Händen wegnahm; der Prinz beobachtete, daß sie im Innern eines Zimmers, zu dem man sie ungestört gelangen ließ, ihr Nest erbauten.

Zur Zeit ist es noch nicht entschieden, ob die Paare während des ganzen Jahres zusammenhalten oder ob sie sich nur gegen die Nistzeit hin vereinigen. Diese ist je nach der Gegend sehr verschieden. Bei denjenigen Arten, die wandern, fällt sie mit dem Frühlinge zusammen, bei den mittelamerikanischen Arten steht sie im Einklänge mit der Blütezeit. Einzelne Arten scheinen sich übrigens gar nicht an eine bestimmte Zeit zu binden: Gosse versichert ausdrücklich, in jedem Monate des Jahres frische Nester des Kappenkolibris gefunden zu haben. »Soweit als meine Erfahrung reicht«, sagt er, »brüten die meisten im Juni, während Hill den Januar als die eigentliche Brutzeit annimmt.« Wahrscheinlich nisten die meisten Arten zweimal im Jahre.

Die Liebe erregt auch die Kolibris. Sie zeigen sich gegen die Paarzeit hin noch einmal so lebendig und noch einmal so kampflustig als sonst. »Nichts«, sagt Bullock, »kann die Wildheit erreichen, die sie bekunden, wenn ein anderes Männchen derselben Art während der Brütezeit sich dem Standorte eines Paares nähert. Unter dem Einflusse der Eifersucht werden sie gerade wütend und kämpfen jetzt miteinander, bis einer der Gegner entseelt zu Boden fällt. Ich habe einen derartigen Kampf mit angesehen, und zwar während eines schweren Regens, dessen Tropfen meiner Ansicht nach genügen mußten, die wütenden Kämpfer zu Boden zu schlagen.« Eine anmutige Schilderung gibt Audubon. »Ich wünschte«, sagte er, »daß ich auch andere des Vergnügens teilhaftig machen könnte, das ich empfunden habe bei der Beobachtung einzelner Pärchen dieser lieblichen Geschöpfe, während sie sich gegenseitig ihre Liebe erklären: wie das Männchen sein Gefieder und seine Kehle sträubt, wie es auf den Schwingen dahintanzt und um sein Weibchen sich bewegt, wie rasch es sich zu den Blumen herabsenkt und mit beladenem Schnabel wieder zurückkehrt, um diesen der Gattin zu reichen, wie beseligt es zu sein scheint, wenn sie seine Zärtlichkeiten erwidert, wie es mit seinen kleinen Schwingen sie fächelt, als ob sie eine Blume wäre, und wie es sie mit Kerbtieren atzt, die es ihr zu Gefallen gesucht hat, wie diese Aufmerksamkeit ihrerseits mit Genugtuung empfangen, und wie kurz darauf die wonnevolle Vereinigung besiegelt wird, und dann, wie der Mut und die Sorgfalt des Männchens sich verdoppelt, wie es selbst den Kampf mit dem Tyrannen aufnimmt, wie es den Blauvogel und die Purpurschwalbe bis zu ihren Nistkästen verfolgt und hierauf mit summenden Flügelspitzen freudig zurückkehrt an die Seite der Gattin: doch diese Proben der Zärtlichkeit, Treue und des Mutes, die das Männchen vor den Augen der Gattin an den Tag legt, die Sorgfalt, die es ihr beweist, während es auf dem Neste sitzt, kann man wohl sehen, nicht aber beschreiben!«

Alle Kolibris bauen ähnliche Nester, und alle Arten legen nur zwei weißliche, längliche, im Verhältnis sehr große Eier. »Die Übereinstimmung dieser kleinen, zierlichen Nester«, sagt Burmeister, »ist so groß, daß ich eine ausführliche Beschreibung derselben für überflüssig erachten muß, obgleich das jeder einzelnen Art wegen der zu ihnen verwendeten Stoffe gewisse Unterschiede besitzt. Diese werden aber füglich nur als örtliche angesehen werden können, da sie zunächst wohl von den besonderen, hier oder dort gerade vorhandenen Baustoffen herrühren möchten.

Im allgemeinen gilt von diesen Nestern: daß ihre Grundlage ein weicher, baumwollähnlicher Stoff ist, aber gerade keine echte Baumwolle, und daß mit demselben andere feste Pflanzenteile, namentlich Baumflechten, trockene, zartere Pflanzenstoffe und die braunen Schuppen der Farnkrautwedel verwebt sind. Solche Lagen kommen mitunter an einem und demselben Neste zugleich vor, bei anderen dagegen nur diese oder jene. Die Flechten sind sehr verschieden; nur scheint eben jede Art von Kolibris eine besondere Art derselben und keine andere bei ihrem Baue zu verwenden. Das merkwürdigste Nest in dieser Beziehung ist wohl das eines Sonnenkolibris ( Phaëtornis Eurynome), der zum Einflechten in seinem lediglich aus zarten Moosstengeln mit den Blättern ohne alle Baumwolle gebildeten und nach unten hin in eine lange Spitze ausgezogenen Bau die Rotflechte Brasiliens verwendet. Das Nest erhält dadurch nicht bloß ein sehr schönes Ansehen, sondern unter der Brutwärme des Vogels entwickelt sich aus der Flechte auch der ihr eigentümliche Farbstoff und färbt die Eier lebhaft karminrot, was dem Kenner eine sehr sonderbare Überraschung verursacht. Es bleibt nämlich merkwürdig zu sehen, wie gleichmäßig und schön dieser Farbstoff über die Eier sich verbreitet. Weder ein Wölkchen noch ein dunkler Fleck läßt sich bemerken, und doch liegt die Flechte nicht als gleichmäßige Auskleidung auf der Oberfläche der Nestmulde; sie steckt vielmehr ebenso wie bei den andern Arten bloß mitten in dem Moosgewebe und liegt wagerecht in demselben, so daß die eine Seite der Fläche frei bleibt, indem sie einen schuppenförmigen Lappen, die Außenfläche des Nestes, bedeckt.«

Aus Salvins Angabe geht hervor, daß wenigstens bei einigen Arten das Männchen am Baue des Nestes sich beteiligt; denn ein Kolibri, der ihm Baumwolle vor seinen Augen wegnahm, war, wie er sagt, ein Männchen. Im allgemeinen aber scheint das Weibchen doch den größten Teil der Arbeit verrichten zu müssen. Auch, hierüber belehrt uns Gosse nach eigener Erfahrung. Er erzählt, daß er beim Nester- und Eiersuchen plötzlich das Geschwirr eines Kolibris vernahm und aufschauend ein Weibchen gewahrte, das eine Menge von Pflanzenwolle im Schnabel trug. »Erschreckt durch meinen Anblick, zog es sich nach einem wenige Schritte von mir entfernten Zweige zurück. Ich ließ mich sofort zwischen den Felsblöcken nieder und blieb vollkommen ruhig. Nach wenigen Augenblicken kam es wieder, und nachdem es eine kurze Weile hinter einem von den Blöcken verschwunden war, erhob es sich von neuem und flog auf. Ich untersuchte den Ort und fand zu meiner Freude ein neues, noch unvollendetes Nest, das ich von meinem Platze aus sehen konnte. Nun wartete ich bewegungslos auf die Rückkehr des Vogels. Ich hatte nicht lange zu harren. Ein lautes ›Wirr‹, und das Weibchen war da und hing in der Luft vor seinem Nest. Es erspähte mich, kam augenblicklich herbei und schwebte meinem Gesichte gegenüber in einer Entfernung von kaum einem halben Meter. Ich verhielt mich still. Es setzte sich auf den Zweig, ordnete sein Gefieder, reinigte den Schnabel von den Baumwollfasern, erhob sich endlich und flog gegen einen Felsen an, der dick mit zartem, trockenem Moos überkleidet war. Hier erhielt es sich schwebend, wie vor einer Blume, und begann nun Moos zu rupfen, bis es ein ziemliches Bündel davon im Schnabel hatte. Damit flog es zum Nest zurück und, nachdem es sich in dasselbe gesetzt, bemühte es sich, den neuen Stoff unterzubringen, indem es das Ganze mit dem Schnabel preßte, ordnete und verwob, während es gleichzeitig die Mulde durch Drücken mit der Brust und Herumdrehen rundete. Meine Gegenwart schien kein Hindernis mehr zu sein, obgleich ich nur wenige Meter entfernt war. Schließlich erhob sich das Vögelchen, und ich verließ den Platz ebenfalls. Am achten April besuchte ich den Ort wieder und fand, daß das Nest vollendet war und zwei Eier enthielt. Am ersten Mai sandte ich meinen Diener aus mit dem Auftrage, das Nest und die brütende Alte mir zu bringen. Er fand das Weibchen auf den noch nicht ausgeschlüpften Eiern sitzend, fing es ohne Mühe und brachte es mir nebst dem Neste. Ich setzte Nest und Alte in einen Käfig. Die Alte aber war mürrisch, verließ das Nest augenblicklich und saß traurig auf einer Sitzstange. Am nächsten Morgen war sie tot.«

Audubon sagt, daß zehn Tage notwendig seien, um die Eier zu zeitigen, und daß die Jungen in einer Woche groß wüchsen, aber von ihren Eltern noch ungefähr eine zweite Woche gefüttert würden. Diese Angabe scheint nicht ganz richtig zu sein. Wir wissen von andern Schriftstellern, daß die beim Ausschlüpfen nackt und blind zur Welt kommenden Jungen ungemein schwach sind und »kaum ihren kleinen Schnabel öffnen können, um das Futter von ihren Eltern anzunehmen.« Im Verlaufe der nächsten Tage erhalten sie einen graulichen Flaum, später das Gefieder der Oberseite. Laut Burmeister entschlüpfen sie nach sechzehntägiger Bebrütung dem Ei, öffnen nach vierzehn Tagen die Augen, sind nach vier Wochen flügge, bleiben bis dahin aber im Neste. Dieses wird von der Mutter größer gebaut, wenn sie allmählich größer werden. Salvin teilt uns eigene Erfahrungen mit. »Dem Weibchen«, sagte er, »dürfte ausschließlich die Sorge obliegen, die Jungen großzuziehen; ich habe wenigstens niemals ein Männchen nahe dem Neste, ja nicht einmal in dem Garten gesehen. Als das Weibchen saß, gestattete es mir, dicht zu ihm heranzutreten, ja selbst den vom Winde hin- und herbewegten Zweig festzuhalten. Doch war dies nur dann der Fall, wenn die Sonne schien, während ich mich bei düsterem Himmel oder bei Regenwetter höchstens auf fünf Meter nähern durfte. Wenn ich es aufgescheucht hatte, blieb ich oft in der Nähe sitzen, um seine Rückkehr abzuwarten. Dabei bemerkte ich, daß es jedesmal beim Zurückkommen ein kleines Stückchen Flechte mitbrachte, das es, nachdem es sich bequem in das Nest gesetzt hatte, der Außenseite desselben einwob. Dies geschah in einer so vertrauensvollen und furchtlosen Weise, daß es schien, als ob es glauben machen wollte, es sei bloß, um diese Flechte zu suchen, nicht aber aus Furcht vor dem Menschen weggeflogen. Die eben ausgekrochenen Jungen waren kleine, schwarze, formlose Dinger mit langen Hälsen und nur einem Ansatze von Schnabel. Sie wuchsen aber rasch heran und füllten bald das Nest vollständig aus. Niemals sah ich die Alte in der Brutstellung in dem Neste sitzen, nachdem die Jungen ausgekrochen waren; diese schienen der Sonne und dem Regen rücksichtslos preisgegeben zu sein. Beim Atzen stand das Weibchen auf einer Ecke des Nestes mit hoch aufgerichtetem Leibe. Das erste von den Jungen flog am fünfzehnten Oktober aus, fiel aber schon zwischen den nächsten Blumen nieder. Ich brachte es ins Nest zurück; doch verließ es dasselbe sofort wiederum und diesmal mit besserem Erfolge. Am Abend desselben Tages sah ich, wie die Alte ihm Futter brachte, später bemerkte ich, wie es einem zweiten Baume zuflog, und nunmehr sah ich es nicht mehr. Das zweite Junge verließ das Nest zwei Tage später.«

Über das Gefangenleben der Kolibris liegen verschiedene Beobachtungen vor. »Ich besaß«, so berichtet Bullock, »zu einer Zeit gegen siebzig gefangene Kolibris, und mit einiger Aufmerksamkeit und Sorgfalt hielt ich sie wochenlang am Leben. Hätte ich meine ganze Zeit ihnen widmen können, ich würde sie höchstwahrscheinlich nach Europa übergebracht haben. Die Behauptungen, daß sie wild und unzähmbar seien, daß sie sich in der Gefangenschaft selbst umbrächten usw., sind falsch. Kein Vogel fügt sich leichter in seinen neuen Zustand. Sehr richtig ist, daß sie selten umherfliegen; aber niemals stürzen sie sich gegen den Käfig oder das Glas der Fenster. Sie verweilen vielmehr schwebend in der Luft, auf einem Raume, der zur Bewegung ihrer Schwingen kaum genügt; sie verweilen in dieser Stellung, anscheinend bewegungslos, Stunden nacheinander. In jeden Käfig stellte ich ein kleines Gefäß, zur Hälfte mit dickem Zuckerwasser gefüllt, und in dieses setzte ich Blüten, die nun von den kleinen Gefangenen fortwährend durchsucht wurden. Obgleich die Kolibris, solange sie frei sind, in höchstem Grade zanksüchtig sind, beobachtete ich an den gefangenen doch nicht die geringste Lust zum Streiten. Ich sah im Gegenteil, daß sich die kleineren den größeren gegenüber unverzeihliche Freiheiten herausnahmen, so z. B., daß sich einer auf den Schnabel des anderen setzte und in dieser Stellung mehrere Minuten verweilte, ohne daß der letztere die Absicht zeigte, ihn zu vertreiben.«

»Als ich England verließ« sagt Gosse, »nahm ich mir vor, die glänzenden Geschöpfe, wenn möglich, lebend nach Europa zu bringen, und nachdem ich einige Erfahrungen über den Kappenkolibri gesammelt hatte, schien es mir, daß er sich zu Versuchen besonders eignen müsse. Meine Erwartungen wurden vereitelt; aber die Bemühungen, die ich mir gab, haben mich mit seinen Sitten und Gewohnheiten sehr bekannt gemacht. Viele dieser Vögel sind von mir und meinen Dienern mit Hilfe eines gewöhnlichen Schmetterlingsnetzes gefangen worden; denn die von einigen Schriftstellern gepriesenen Fallen eignen sich meiner Ansicht nach mehr für die Studierstube als für den Wald. Oft fanden wir, daß die Neugier dieser kleinen Vögel ihre Furcht überwog. Wenn wir ein Netz zum Fange zurechtmachten, flogen sie oft nicht von der Stelle, sondern kamen im Gegenteil näher herbei und streckten ihren Hals aus, um das Werkzeug zu betrachten, so daß es uns leicht wurde, sie wegzufangen. Nicht selten kehrte einer, nach dem wir vergeblich gehascht hatten, zurück und erhielt sich gerade über unseren Köpfen schwebend und uns mit einer unerschütterlichen Zutraulichkeit ins Gesicht sehend. Aber es war sehr schwierig, diese so leicht zu fangenden Vögel bis nach Hause zu bringen; gewöhnlich waren sie, auch wenn sie nicht im geringsten verletzt waren, verendet, ehe wir unsere Wohnung erreichten, und diejenigen, die in anscheinender Gesundheit hier ankamen, starben regelmäßig schon am nächsten Tage. Anfangs brachte ich die frisch gefangenen baldmöglichst in Käfige; sie aber gingen, obgleich sie sich hier nicht beschädigten, regelmäßig zugrunde. Plötzlich fielen sie auf den Boden des Gebauers herab und lagen hier bewegungslos mit geschlossenen Augen. Nahm man sie in die Hand, so schien es, als ob sie noch auf einige Augenblicke zum Leben zurückkehrten; sie drehten das schöne Haupt hinterwärts oder schüttelten es, wie unter großen Schmerzen, breiteten die Flügel aus, öffneten die Augen, sträubten das Gefieder der Brust und starben regelmäßig ohne jedes krampfhafte Zucken. Dies war das Schicksal meiner ersten Versuche.

Im Herbste fing ich zwei junge Männchen und brachte sie nicht in einen Käfig, sondern in meinen Arbeitsraum, dessen Türen und Fenster ich versichert hatte. Sie waren lebhaft, aber nicht scheu, zeigten sich spiellustig und mir gegenüber zutraulich, setzten sich z. B. ohne jegliche Zurückhaltung zeitweilig auf einen meiner Finger. Blumen, die ich herbeigebracht hatte, wurden augenblicklich von ihnen besucht; aber ich sah auch sofort, daß sie einzelne mit Aufmerksamkeit betrachteten, andere hingegen vernachlässigten. Deshalb holte ich die ersteren in größerer Menge herbei, und als ich mit einem Strauße von ihnen in das Zimmer trat, hatte ich die Freude, zu sehen, daß sie die Blumen durchsuchten, während ich sie noch in meiner Hand hielt. Die liebenswürdigen Geschöpfe schwirrten jetzt kaum zwei Zentimeter vor meinem Gesichte herum und untersuchten alle Blumen auf das genaueste. Als ich auch diese Blumen in einem Gefäße untergebracht hatte, besuchten sie bald den einen, bald den andern Strauß, und dazwischen unterhielten sie sich durch Spielereien im Zimmer oder setzten sich auf verschiedenen Gegenständen nieder. Obwohl sie sich gelegentlich den Fenstern näherten, flatterten sie doch nie an denselben. Wenn sie flogen, hörte ich oft das Schnappen ihres Schnabels: sie hatten dann unzweifelhaft ein kleines Kerbtier gefangen. Nach einiger Zeit fiel einer von ihnen plötzlich in einem Winkel zu Boden und starb. Der andere behielt seine Lebendigkeit bei. Da ich fürchtete, daß die Blumen geleert sein möchten, füllte ich ein kleines Glas mit Zuckersaft an, verschloß es durch einen Kork und steckte durch diesen eine Gänsespule, auf die ich eine große, unten abgeschnittene Blüte setzte. Der Vogel kam augenblicklich herbeigeschwirrt, hing sich an den Rand der Flasche und steckte seinen Schnabel in die Röhre. Es war augenscheinlich, daß ihm die Labung behagte; denn er leckte geraume Zeit, und als er aufgeflogen war, fand ich die Spule leer. Sehr bald kam er auch zu der nicht durch Blumen verzierten Spule, und noch im Verlaufe des Tages kannte er seine neue Nahrungsquelle genau. Gegen Sonnenuntergang suchte er sich eine Leine zum Schlafen aus; am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang war er aber schon wieder munter, hatte auch seinen Siruptopf bereits geleert. Einige Stunden später flog er durch eine Tür, die ich unvorsichtigerweise offen gelassen hatte, und entkam zu meinem nicht geringen Ärger.

Drei Männchen, die im April gefangen worden waren, machten sich augenblicklich vertraut mit ihrem neuen Wohnraume. Der eine von ihnen fand auch sofort ein Glas mit Zuckersaft auf und saugte wiederholt. Einer starb, die anderen wurden so zahm, daß der eine, noch ehe der Tag vorübergegangen war, mir ins Gesicht geflogen kam, sich auf meine Lippen oder mein Kinn setzte, seinen Schnabel mir in den Mund steckte und meinen Speichel leckte. Er wurde so kühn und wiederholte seine Besuche so oft, daß er schließlich geradezu belästigte; denn er war so eigensinnig, daß er seine vorschnellbare Zunge in alle Teile meines Mundes steckte, so zwischen Kinnlade und Wange, unter die Zunge usw. Wenn ich ihn belohnen wollte, nahm ich ein wenig Sirup in den Mund und lud ihn durch einen schwachen Laut, den er sehr bald verstehen lernte, zu mir ein. Frische Blumen schienen ihm nicht besonders zuzusagen, und auch, als ich die Blüten der Moringa, die von ihm im Freileben sonst beständig aufgesucht werden, ins Zimmer brachte, bemerkte ich, daß er sie nach einer kurzen Prüfung vernachlässigte. Jeder einzelne erwählte sich seinen besonderen Platz auf den Leinen, die quer durch das Zimmer gezogen waren, und kehrte stets wieder zu demselben zurück. Ebenso suchte sich jeder noch einen oder zwei Plätze zur zeitweiligen Ruhe aus und benutzte sie regelmäßig, ohne den Nachbar zu verdrängen. Selbst wenn er gewaltsam vertrieben wurde, kehrte er immer wieder zu dem einmal erwählten Sitzorte zurück, dem in der Freiheit gewohnten durchaus entsprechend. Deshalb konnten wir auch, wenn wir einen dieser beliebten Sitzplätze im Walde erkundet hatten, mit Bestimmtheit darauf rechnen, den betreffenden Inhaber innerhalb weniger Minuten vermittels Vogelleim zu fangen.

Der kühnste meiner Pfleglinge war sehr kampflustig und griff gelegentlich seinen friedlicheren Gefährten an, der stets zurückwich. Nach solchem Falle setzte sich jener und stieß ein vergnügtes ›Skrip‹ aus. Nach einem oder zwei Tagen aber bekam der verfolgte das Spiel satt und wurde nun seinerseits zum Tyrannen, indem er zunächst den Gefährten vom Sirupglase vertrieb. Zwanzigmal nacheinander suchte der durstige Vogel sich diesem Glase zu nähern; aber sobald er vor demselben schwebte und seine Zunge ausstreckte, stürzte sich der andere mit unvergleichlicher Schnelligkeit auf ihn herab und jagte ihn von hinnen. Er durfte zu jeder anderen Stelle des Raumes fliegen, sobald er sich aber dem Gefäße näherte, gab er das Zeichen zum Kampfe. Der Neider hingegen nahm sich nach Belieben seinen Trunk. Mit dem Zurückkehren seines Mutes hatte er auch seine Stimme wieder erlangt, und nunmehr schrien beide laut und schrill ihr ›Skrip‹ fast ohne Unterbrechung.

Nachdem die Gefangenen einmal in dem Zimmer eingewöhnt waren, zeigten sie eine Lebhaftigkeit ohnegleichen. Sie nahmen die verschiedensten Stellungen an, drehten sich auch im Sitzen hin und her, so daß ihr reiches Gefieder bei der verschiedenen Beleuchtung wundervoll flimmerte. Hier- und dahin flogen sie, schwenkten und bewegten sich auf das anmutigste in der Luft, und dies alles geschah so rasch und jählings, daß das Auge ihren Bewegungen oft nicht folgen konnte. Jetzt war das glänzende Geschöpf in der einen Ecke, unmittelbar darauf hörte man das Schwirren der unsichtbaren Schwingen in einer anderen hinter uns oder nahm es selbst, vor dem Gesichte schwebend, wahr, ohne daß man wußte, wie es hierher gekommen sein konnte.

Von dieser Zeit an bis zu Ende des Mai erhielt ich ungefähr fünfundzwanzig Kolibris mehr, fast nur Männchen. Einige von ihnen waren mit dem Netz, andere mit dem Vogelleim gefangen worden; aber nicht wenige von ihnen starben, obgleich sie sofort nach dem Fange in einen Korb gesteckt worden waren. Dieses plötzliche Verenden konnte ich mir nie vollständig erklären. Die Gefangenen beschädigten sich nicht an den Seiten des Korbes, obgleich sie sich hier oft aufhingen, es schien mir vielmehr, als ob es das Entsetzen über ihre Gefangenschaft wäre, das so großen Einfluß auf sie ausübte. Viele von denen, die noch lebend in das Haus kamen, lagen schon im Sterben, und von denen, die glücklich in den Raum gebracht wurden, starben die meisten in den ersten vierundzwanzig Stunden, gewöhnlich weil sie die Leinen, aus denen ihre bereits eingewohnten Gefährten saßen, nicht beachteten, sondern gegen die Wände flogen. Hier erhielten sie sich flatternd lange Zeit; dann sanken sie langsam niederwärts, die Schwingen bewegend, entschieden kraftlos, bis sie auf etwas auffielen. Wenn dies der Boden war, erhoben sie sich wieder, aber nur, um von neuem gegen die Wände zu fliegen. Oft geschah es, daß sie hinter den verschiedenen Kästen und Büchsen niederfielen, die im Zimmer standen; dann hatten sie nicht mehr Raum genug, um sich zu erheben, und starben unbeachtet. Dies war das Geschick von vielen, so daß von fünfundzwanzig sich nur sieben eingewöhnten. Diese waren freilich bald ganz zu Hause.

Ich muß hier bemerken, daß ihr Wesen sehr verschieden war. Einige zeigten sich mürrisch, verdrießlich und trotzig, andere sehr furchtsam, wieder andere liebenswürdig, fromm, zahm und zutraulich, vom ersten Augenblick an.

Mein gewöhnlicher Plan, um sie an den Raum und an das Zuckergefäß zu gewöhnen, war sehr einfach. Wenn das Körbchen, in dem man die Neulinge mir brachte, geöffnet wurde, flogen sie aus und gewöhnlich gegen die Decke, seltener gegen die Fenster. Nach einem Weilchen schwebten sie in der angegebenen Weise an den Wänden, ab und zu diese mit der Spitze ihres Schnabels oder mit der Brust berührend. Bei scharfer Beobachtung konnte man wahrnehmen, wenn sie erschöpft waren und zu sinken begannen. Dann ließen sie es sich in der Regel gefallen, daß man sie aufnahm und auf den Finger setzte. Hatte ich sie hier, so nahm ich ein wenig Zucker in den Mund und brachte ihre Schnäbel zwischen meine Lippen. Zuweilen begannen sie sofort zu saugen, manchmal war es notwendig, sie wiederholt dazu einzuladen; doch lernten sie es schließlich regelmäßig, und wenn einer von ihnen einmal aus meinem Munde genommen hatte, war er zu späterem Saugen immer bereit. Nach dieser ersten Lehre setzte ich den Gefangenen vorsichtig auf eine der Leinen, und wenn das Wesen des Vogels ein sanftes war, blieb er hier auch sitzen. Später reichte ich ihm anstatt meiner Lippen ein Glas mit Syrup, und hatte er von diesem ein- oder zweimal geleckt, so fand er es auch auf, wenn es auf dem Tische stand, und nunmehr konnte ich ihn als gezähmt ansehen. Seine Zeit wurde jetzt geteilt zwischen kurzen Flügen im Raume und zeitweiligen Ruhepausen auf der Leine. Dabei kam es oft vor, daß zwei einander im Fluge verfolgten. Es schien mir, als ob diese Begegnungen freundschaftlicher Art seien. Nach genauerer Beobachtung wurde ich aber überzeugt, daß dieses beständige Abfliegen von der Leine nur den Zweck hatte, kleine, dem menschlichen Auge unsichtbare Kerbtiere zu fangen. Sehr häufig hörte ich das Schnappen mit dem Schnabel, und ein- oder zweimal sah ich auch, wie eine Fliege gefangen wurde, die für die Sehkraft des menschlichen Auges eben noch groß genug war. Gewöhnlich waren diese Ausflüge sehr kurz. Der Vogel durchmaß höchstens einen halben oder vollen Meter Entfernung und kehrte dann nach seinem Sitze zurück, ganz wie es die echten Fliegenfänger tun; denn Fliegenfänger, und zwar sehr vollkommene, sind auch die Kolibris. Einer niedrigen Schätzung nach darf ich annehmen, daß jeder, mit wenig Unterbrechung, in der Zeit vom frühen Morgen bis zum Abend wenigstens drei Kerbtiere in der Minute fing. In der Freiheit werden sie wahrscheinlich nicht so viele Beute auf diese Weise erwerben, weil sie hier hauptsächlich den kleinen Kerfen nachstreben, die das Innere der Blumen bewohnen; aber auch hier sieht man sie beständig in der angegebenen Weise ausfliegen. Meine Gefangenen flogen gelegentlich auch gegen die Wände und nahmen Fliegen aus den Spinnetzen.

Eigentümlich war die Art und Weise ihres Herabkommens, wenn sie trinken wollten. Anstatt nämlich auf das Gefäß loszufliegen, führten sie unabänderlich zwölf bis zwanzig Schraubengänge aus, von denen ein jeder sie ein wenig tiefer brachte. Sie kamen sehr häufig, um zu saugen, nahmen aber niemals viel auf einmal. Doch leerten ihrer fünf immerhin ein Weinglas täglich. Ihr Kot war stets flüssig und gleich dem Sirup, den sie eingenommen hatten.

Alle gingen erst spät zur Ruhe, und oft sah man sie noch bis zur Dämmerung jagen und umherschweifen. Sie waren auch während der Nacht sehr unruhig und konnten leicht aufgeregt werden. Trat man mit einem Lichte in das Zimmer, so setzte man jederzeit einen oder zwei von ihnen in Bewegung. Sie schienen dann denselben Schrecken zu empfinden, wie im Anfange ihrer Gefangenschaft, flogen auch wie früher gegen die Wände und starben sogar vor Angst, wenn man nicht besonders auf sie achtete.

Nachdem meine gefangenen Kolibris das erwähnte Zimmer einige Zeit bewohnt hatten, setzte ich sie, fünf an der Zahl, in einen großen Käfig, dessen eine Seite mit Draht vergittert war. Ich hatte diesen Wechsel sehr gefürchtet und brachte sie deshalb des Abends in den Käfig, in der Hoffnung, daß die Nacht sie beruhigen werde. Schon früher waren sie durch das Sirupgefäß nach und nach in das Innere des Käfigs gewöhnt worden, und so war derselbe ihnen wenigstens kein unbekannter Raum mehr. Nachdem die Tür geschlossen war, flatterten sie ein Weilchen; aber am nächsten Tage sah ich zu meinem Vergnügen, daß alle ruhig auf den Springhölzern saßen und auch von dem Sirup nahmen. Bald darauf brachte ich noch zwei Männchen mehr zu ihnen und später auch ein Weibchen. Das letztere hatte sich schon am nächsten Tage zu einem langschwänzigen Männchen gesellt, das bis dahin einen Sitzplatz allein innegehabt, und bemühte sich augenscheinlich, Liebe zu erwerben. Es hüpfte seitwärts auf der Sitzstange gegen ihn hin, bis es ihn berührte, spielte ihm zart in seinem Gesichte, schlug mit den Flügeln, erhob sich fliegend über ihn und tat, als ob es sich auf seinen Rücken setzen wollte usw. Er aber schien, wie ich zu meinem Bedauern sagen muß, höchst unhöflich oder gleichgültig gegen derartige Liebkosungen zu sein.

Ich hegte nun die größte Hoffnung, sie lebend nach England zu bringen, da ich meinte, daß die ärgsten Schwierigkeiten jetzt vorüber seien. Aber alle meine Hoffnungen wurden bald zerstört. Schon eine Woche, nachdem ich sie in den Käfig gebracht hatte, begann das Verderben. Zuweilen starben zwei an einem Tage. In der nächsten Woche hatte ich bloß noch einen einzigen, der den anderen auch bald nachfolgte. Ich versuchte vergeblich, sie durch neue zu ersetzen; die ergiebigsten Jagdgründe waren aber jetzt verödet. Die Todesursache war unzweifelhaft der Mangel an Kerbtiernahrung; denn wenn sie auch fortwährend Sirup nahmen, so konnte derselbe doch nicht genügen, sie zu erhalten. Alle, die starben, waren ausnehmend mager und ihr Magen so zusammengeschrumpft, daß man ihn kaum erkennen konnte. Im größeren Raume hatten sie noch Kerbtiere fangen können, im Bauer war ihnen dies unmöglich gewesen.«

Yarrell meint, wie Gosse noch bemerkt, daß es möglich sein könne, Junge vom Neste an an Sirup zu gewöhnen, beweist damit aber nur, daß er niemals Tiere lebend gehalten hat. Auch Hunde kann man eine Zeitlang mit Zucker füttern: man ernährt sie damit aber nicht, sondern bereitet ihnen ein sicheres Ende. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, daß es unmöglich ist, einen Kolibri längere Zeit mit Zucker oder Honig allein zu erhalten; aber ich bezweifle nicht, daß es möglich sein wird, diese lieblichen Vögel an ein Ersatzfutter zu gewöhnen. Anfänglich wird man sich hierbei auf Ameisenpuppen beschränken müssen; später aber kann man wahrscheinlich anstatt dessen fein zerstoßenen Zwieback, Quark und Eidotter anwenden. Um die Vögel zum Fressen zu bringen, wird man dasselbe Verfahren anzuwenden haben, das Gosse beschreibt, und während des Sommers wird für frische Blumen bestmöglichst gesorgt werden müssen. So möchte es, meiner Ansicht nach, möglich sein, Kolibris lebend nach Europa zu bringen und sie hier wenigstens einige Zeit zu erhalten. Daß letzteres gelingen kann, geht aus Goulds Erfahrungen hervor. »Die amerikanischen Kolibris«, sagt er, »die ich lebend hierher brachte, waren so gelehrig und furchtlos, wie ein großer Schmetterling oder irgendein anderes Kerbtier bei ähnlicher Behandlung sein würde. Der Käfig, in dem sie lebten, war dreißig Zentimeter lang, fünfzehn Zentimeter breit und zwanzig Zentimeter hoch. In demselben befand sich ein kleiner Baumzweig, und an der Seite hing eine Glasflasche, die täglich mit Sirup und dem Dotter eines ungesottenen Eies gefüllt wurde. Bei dieser Nahrung schienen sie zu gedeihen und glücklich zu sein, doch nur während der Fahrt längs der Küste von Amerika und über das Atlantische Weltmeer, bis sie innerhalb des Einflusses des europäischen Klimas kamen. Auf der Höhe des westlichen Teiles von Irland gaben sie unverkennbare Zeichen der Abschwächung kund, und von dieser erholten sie sich nie mehr. Dennoch gelang es mir, einen von ihnen lebend nach London zu bringen. Hier starb er am zweiten Tage nach seiner Ankunft in meinem Hause.«

Die Schönheit und Zierlichkeit der Kolibris haben ihnen die Liebe aller Amerikaner erworben. Deshalb stellt man ihnen auch eigentlich nur dann nach, wenn ein sammelnder Europäer dies wünscht. Außer den Menschen scheinen die Schwirrvögel wenig oder keine Feinde zu haben. Es ist kaum anzunehmen, daß sie dem Angriffe der Raubvögel oder Raubtiere überhaupt ausgesetzt sind; denn es gibt kein anderes Raubtier, das ihnen an Schnelligkeit gleichkäme. Die Jungen hingegen mögen oft die Beute der kletternden Raubsäugetiere oder der nesterplündernden Vögel werden; daraufhin würde wenigstens der Eifer schließen, mit dem Kolibris derartige Vögel anzugreifen pflegen. Im allgemeinen scheinen die geflügelten Edelsteine wenig behelligt zu sein. Dies beweist schon die außerordentliche Anzahl, in der sie ungeachtet ihrer geringen Vermehrung überall auftreten.


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