Lily Braun
Madeleine Guimard
Lily Braun

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Erster Akt

Im kleinen Theatersaal zu Pantin. Vorn der Zuschauerraum mit einigen frei umherstehenden Stühlen; an den beiden Seiten Logen mit zugezogenen Gardinen; in der Mitte im Hintergrund die kleine Bühne, zu der eine Treppe emporführt. Der Vorhang davor ist noch geschlossen. Rechts und links, zwischen den Logen breite Doppeltüren. Der ganze Raum ist im üppigsten Rokokostil gehalten.

Von links strömen die Tänzer herein, an ihrer Spitze Despreaux, Dauberval, Rivelon.

Rivelon
Ach, eine andere Welt!

Dauberval
Ich atme auf!

Despreaux
Es roch nach Blut!

Rivelon
Hier duftet es nach Rosen.
Hier herrscht die Fee, die allen Schrecken bannt;
Sie weihte Aphroditen dieses Land;
Sie heißt den Sommer stillstehn wie die Zeit;
An ihrer Pforte wachsen Amoretten,
Um alle Wonnen der Vergangenheit
Zu fesseln mit der Liebe Rosenketten.

Despreaux
Doch Mars beherrscht Paris. Und wir sind Männer,
Der Tänze und der Tändeleien satt.

Rivelon
Mars? Lästre nicht! Paris regiert der Henker!

Despreaux
Du fürchtest ihn, mein zarter Ganymed?

Dauberval (auf die Türe rechts weisend)
Des Schlosses holde Herrin wird dich trösten!
Es ist an dir die Reihe, wie mir scheint.

(Rivelon will eintreten. Die Tür springt auf, Finette erscheint und stellt sich ihm in den Weg.)

Finette
Gemach, ihr Herrn! Fräulein Guimard
Streckt noch im Bade ihre weißen Glieder.
Doch jene Flut, die Venus einst gebar,
Gibt euch gar bald die Liebesgöttin wieder.
Singt ihr ein Lied, ein süßes Lied,
Wie's einst zu ihren holden Tänzen tönte!

Dauberval (einfallend)
Eh' noch der Leichtsinn von uns Armen schied.

Rivelon
Eh' noch die Roheit alle Grazien höhnte.

(Die Tänzer wiederholen die letzten Strophen, währenddessen verschwindet Finette.)

Despreaux (in Nachdenken versunken auf einen der Stühle sich niederlassend)
Einst sang ich für sie
Vor langer Zeit,
Als ihre Gunst
Mich noch beglückte.

Die Tänzer
Sing uns dein Lied!

Despreaux
Vielleicht erwacht
In ihrem Herzen
Dann ein Erinnern.

(Pause. Alle umdrängen Despreaux, der einem der Tänzer eine Mandoline aus der Hand nimmt und zu singen beginnt.)

Despreaux
Wie bist du entzückend vom Kopf zu Fuß,
Madeleine, du holdselige Kleine.
Reichst du das Händchen mir nur zum Gruß,
So bin ich schon völlig der Deine,
Und strahlt mir dein Auge verheißungsvoll,
Machst du mich toll,
Verwegene Wünsche erwachen dann,
Die man nicht sagen kann.

Und hebst du dein Füßchen vom Tanz beschwingt,
Und wiegst du verlockend die Glieder,
Glühendes Feuer mein Herz durchdringt,
Kein Ozean löscht es je wieder.
Die lachende Welt sie versinkt um mich,
Ich seh' nur dich;
Es facht jeder Blick ein Begehren an,
Das man nicht sagen kann.

Doch willst du zu Taten ganz unerhört
Als tapfersten Ritter mich küren,
Lächle! dein Lächeln, Madeleine, betört,
Dein Lächeln kann Engel verführen.
Trotz biet' ich dem Teufel und Trotz dem Tod
Auf dein Gebot ...
Verspricht mir dein Lächeln zum Lohne dann,
Was man nicht sagen kann?

(Der Chor der Tänzer, der zuerst nur den Refrain mitsang, singt die ganze letzte Strophe, währenddessen tritt Madeleine Guimard aus der Türe rechts auf, – von den Tänzern zunächst unbemerkt – neben ihr der Prinz von Soubise. Sie tanzt nach der Melodie des Liedes bis auf die Mitte der Bühne. Von der einen Seite nähert sich ihr Nivelon, von der anderen der Prinz von Soubise, während Despreaux sich finster zu den Tänzern zurückzieht.)

Nivelon (schmachtend)
Verspricht mir dein Lächeln zum Lohne dann,
Was man nicht sagen kann?

Soubise (siegesbewußt)
Verspricht mir dein Lächeln zum Lohne dann,
Was man nicht sagen kann?

Despreaux (und ein Teil der Sänger)
Verspricht ihm ihr Lächeln zum Lohne dann,
Was man nicht sagen kann?

Madeleine (während sie sich tanzend wieder dem Prinzen nähert)
Wenn ich, was ihr wollt, euch nicht schenken kann –
Was geht es euch alle an?

Eine Gruppe der Tänzer
Der Prinz von Soubise –
Er küßt ihr die Hand –
Sein Blick: ein Begehren,
Ihr Lächeln: Gewähren –

Ein Tänzer (zu Despreaux)
Der neue Liebhaber ist
Ein Royalist!

Despreaux
Und für ihn soll ich tanzen?
Soll mit lustigen Sprüngen
Die Herren amüsieren,
Die das Herz mir zertreten?
Nein, die Zeit ist vorüber!
Der Narr ward zum Menschen.
    (wendet sich zu Dauberval)
Hör' auf mich, guter Freund,
Du machst dich verdächtig,
Als Getreuer des Königs –
Rasch bist du gefangen.
Doch schwer wirst du frei.
    (zu Nivelon)
Was schaust du so finster?
Sie spielt mit uns allen, –
Sei ein Mann und zerreiße
Die unwürd'ge Fessel –

Dauberval
Ich, Getreuer des Königs –
Wer wagt das zu sagen?
Mein Kopf ist mir teurer
Als die süße Madeleine.

Rivelon
Sie spielt mit uns allen?!
Doch, ach, selbst ihr Spielzeug
Zu sein, welch Entzücken –

Despreaux
Sei ein Mann! –

Nivelon
Ach, ich wollte,
Ich wäre ihr Spielzeug!
Doch sie lächelt dem Herzog, –
Ich muß wohl ein Mann sein!

(Währenddessen erscheinen von rechts die Tänzerinnen, die sich um Madeleine scharen.)

Madeleine
Verzeiht, ihr Herrn, daß wir euch warten ließen,
Die Probe der Kostüme währte lang:
Ich hoffe sehr, es wird euch nicht verdrießen,
Da um so schöner unser Putz gelang.
Kommt nun hinauf. Bald nahen unsere Gäste,
Begierig euch und eure Kunst zu sehn.
Ihr seid die Krone aller meiner Feste,
Kommt nun, Kam'raden, Freunde. Laßt uns gehn!

(Sie will zur Bühne hinaufgehen, die Tänzerinnen mit ihr, die Tänzer zögern.)

Despreaux (rasch und entschlossen vortretend)
Wir tanzen nicht!

Madeleine
Du, Despreaux?!

Despreaux
Ich, Despreaux, dein alter Kam'rad
In schweren Zeiten, dein bester Gefährte,
Erinnere dich, treuloses Mädchen,
An deine Jugend, an deine Herkunft,
Gedenke der Gasse, in der du aufwuchst.
Des trock'nen Brotes, das du einst aßest.
Des harten Pfühles, auf dem du schliefest.
Gedenke der Mutter, die um dich weinte,
Die dich in Not und Schande gebar!
Ein stolzer Kavalier von altem Namen,
Nicht schlechter als der Herzog von Soubise,
Stieß sie ins Elend.
Und du willst länger seinesgleichen dienen?

Madeleine
Ich diene nicht; ich herrsche, wie du siehst.
Kommt, Freunde, auf der Bühne dort
Steht unser Thron, den niemand stürzen wird.

Despreaux
So scheiden unsere Wege sich von deinen –

Madeleine
Die deinen von den unsern, meinst du wohl?

(Sie geht von einer Tänzerin zur andern, sich leise mit ihnen besprechend.)

Despreaux (zu den Tänzern)
Aus ist das Spiel! Wir grüßen
Den Kampf, den wir erwählt;
Zieht die seidenen Schuh von den Füßen,
Werft das Narrenkleid ab, das uns quält.

Madeleine (zu den Tänzerinnen)
Beginnt das Spiel! Wir grüßen
Den Kampf, den sie erwählt.
Zwingt sie uns nur aufs neue zu Füßen,
Sie vergessen um uns, was sie quält.

(Die Tänzerinnen umschmeicheln die Tänzer, während Madeleine sich einzelnen unter ihnen nähert.)

Madeleine (zu Dauberval)
Hörst du nicht die lockenden Geigen?
Komm, wir tanzen zusammen im Reigen.
Ich selbst will Dir Partnerin sein.
    (zu Nivelon)
Hörst du nicht die schmachtenden Flöten?
Ich sah dich in Sehnsucht erröten –
Zum Tanze lad' ich dich ein.

Dauberval und Nivelon
Terpsichore, du lockst nicht vergebens!
Und der Tanz sei der Sinn unseres Lebens,
Der Tanz, den die Liebe beschwingt.

(Der Chor der Tänzer und Tänzerinnen fällt in diese Strophe ein.)

Madeleine (zu Despreaux)
Glaubst du noch, du kannst uns besiegen?
Sieh dich um, wie sie rasch unterliegen!
Noch bin ich's, die alle bezwingt!

Despreaux (sehr weich und mitleidig)
Der Tänzerin Triumph?!
Ein Sommersonnentag!
Ein Falterleben!
Verzichte auf das Spiel,
Eh' es zu spät ist.

Madeleine (einen Augenblick lang erschrocken)
Zu spät?!

Despreaux
Der Herzog von Soubise steht auf der Liste
Des Tribunals.

Madeleine             Für feige hältst du mich?
Die Liebe macht aus Weibern Helden. –

Despreaux (höhnisch und wegwerfend)               Liebe?!
Der Herzog von Soubise hat ein Serail –
Für einen Tag bist du die Favoritin.

(Madeleine wendet sich mit verächtlicher Gebärde von ihm ab. Der Vorhang der Bühne öffnet sich. Die Tänzer und Tänzerinnen eilen zur Bühne empor.)

Der Chor
Terpsichore, du lockst nicht vergebens!
Und der Tanz sei der Sinn unseres Lebens,
Der Tanz, den die Liebe beschwingt.

(Währenddessen wird es in den Logen lebendig, hie und da erscheint ein Frauenkopf zwischen den Gardinen. Aus den Türen rechts und links kommen die Gäste, lauter Kavaliere, die der Herzog von Soubise begrüßt, der bis dahin mit den Tänzerinnen schäkerte. Er tritt an eine der Logen heran, aus der sich eine Hand ihm entgegenstreckt, die er inbrünstig küßt. Despreaux bemerkt es und macht Madeleine darauf aufmerksam. Sie scheint einen Augenblick erschüttert, dann, als der Herzog sich ihr nähert, erhellt sich ihre Miene wieder. Despreaux entfernt sich nach links mit einer drohenden Gebärde gegen den Herzog.)

Der Herzog von Soubise
Die Gäste nah'n, mein schönes Kind;
Heut mußt du sie doppelt entzücken.
Sieh nur, wie bleich, wie ernst sie sind, –
Du mußt sie dem Leben entrücken.

(Die Gäste gehen einer nach dem andern an ihr vorüber und begrüßen sie.)

Madeleine
O, Herr Marquis von Boutoulin,
Ich heiße Euch herzlich willkommen.

Der Chor der Gäste (leise)
Sie hat ihm einst für einen Tanz
Ein Fürstentum abgenommen.

Madeleine
Auch Ihr, mein teurer De la Borde –
Wie fehlen mir Eure Lieder!

Der Chor
Für einen Kuß – den ganzen Geist –!
Er dichtet seitdem nicht wieder!

Madeleine
Graf Rochefort – sieh, ein selt'ner Gast –
Wie schmerzlich mußt' ich Euch missen!

Der Chor
Er legte ihr für jede Nacht
Eine Perlenschnur auf die Kissen!

Madeleine (sich tief verneigend)
Ah, Monseigneur! So kann ich heut'
Zum Segen der Kirche gelangen.

Der Chor
Er sprach sie aller Sünde frei
Für die, die sie mit ihm begangen.

Boutoulin
Wir entflohen dem Fegefeuer.

Rochefort
Einer Räuberbande –

De la Borde
Dem Chaos.

Jarente
Der Hölle selbst.

Soubise
Was ist geschehen?

Boutoulin
Sie konfiszieren die Güter –

Rochefort
Erbrechen die Kassen –

De la Borde
Plündern die Schlösser –

Jarente
Die Jakobiner!

Die Damen (stecken entsetzt die Köpfe aus den Logen heraus)
Die Jakobiner!
Wehe uns!

(Die Damen verbergen sich wieder. Der Herzog von Soubise tritt an eine der Logen und zieht abermals die Hand, die ihm gereicht wird, an die Lippen.)

Der Herzog von Soubise
Zittert nicht, schöne Frau!
So lange mein Degen
Nicht zerbrochen,
Meine Hand
Nicht die eines Toten ist,
Seid Ihr in Sicherheit!

(Er wendet sich wieder zu den andern. Diener reichen Wein umher.)

Der Herzog von Soubise
Noch immer diese Leichenbittermienen,
Wo euch die Schönheit und die Liebe winkt?
Heißt das der Herrin dieses Hauses dienen?
    Kommt, Freunde, trinkt!
Mag hinter uns die Welt zusammenstürzen.
Wenn dieses Eiland uns zu Sel'gen macht.
Wenn Tanz und Spiel die Stunden uns verkürzen, –
    Kommt, Freunde, lacht!
Und weint ihr nach den Schätzen, die euch schwinden,
Wo Liebe sich der Liebe ganz ergibt? (Er umfaßt Madeleine.)
Wo sich die Herzen und die Lippen finden –
    Kommt, Freunde, liebt!

Boutoulin
Er hat recht.

Rochefort
Laßt uns heut' noch vergessen.

De la Borde
Eine Schöne –

Jarente                   ans Herz uns pressen.

Boutoulin
Denn morgen –

Rochefort                 Wer weiß, was uns droht!

De la Borde
Die Armut!

Jarente             Die Keuschheit!

Soubise                                       Der Tod!

(Finette tritt von rechts auf, ein Schleiergewand über dem Arm.)

Finette (zu Madeleine)
Das Spiel beginnt, rasch – das Kostüm –

Rivelon (als Amor, erscheint vor dem Vorhang der kleinen Bühne)
Amor erwartet,
Sehnsucht im Herzen,
Seine Frau Mutter
Aphrodite.

Die Gäste
Aphrodite!

Soubise Aphrodite – und ein Kostüm?!
Niedlichste aller Zofen, entkleide
Rasch deine Herrin!
Enthülle, Madeleine, deine Schönheit,
Daß alle mir neiden
Deinen Besitz.

Madeleine
Nackt – hier – vor allen!

Soubise
Scham ist nichts andres als Scheu,
Fehler, verborgne, zu zeigen!
Beweise, daß du fehlerlos!
    (Madeleine zögert noch immer, er wendet sich leise an sie.)
Beweise mir damit, daß du mich lieb hast.

Madeleine (leise zu ihm)
Du weißt, wie ich dich liebe!

(Die Gäste umdrängen sie. Die Ballettmusik auf der kleinen Bühne setzt ein.)

Die Gäste
Schaumgebor'ne, erscheine uns,
Wie du den Fluten entstiegen.

Die Tänzerinnen (hinter dem Vorhang)
Schaumgebor'ne, neige dich uns,
Daß wir die Herzen besiegen.

Madeleine (sich tief verneigend)
Der Wunsch meiner Gäste ist mir Befehl.

(Sie geht mit Finette durch die Türe rechts.)

Die Tänzerinnen (hinter dem Vorhang)
Kränze von Rosen opfern wir,
Tauben, mit weißem Gefieder,
Knien im Staube, Göttin, vor dir,
Lächle, ach, lächle uns wieder.

Die Gäste (durcheinander)
Welch ein Anblick wird uns entzücken –
Diese Brust – die Schultern – der Rücken –

Die Damen (aus den Logen durcheinander)
Welch Entsetzen! – Vor unsern Blicken! –
O, mich graust's! – Mir ist heiß zum Ersticken.

Soubise (vor einer der Logen)
Kommt herab, was soll hier das Zieren.

Gräfin Blainvilliers
Meinen Ruf – Gott! – ich werd' ihn verlieren –

(Die Gäste suchen die Damen zu bewegen, aus den Logen herunterzukommen. Nach einigem Zögern erscheinen sie.)

Die Gäste (Damen und Herren)
In Aphroditens Tempel geborgen,
Was kümmert uns heute das Morgen,
Kommt, trinkt, eh' der Becher entzwei ist,
Und küßt, eh' das Leben vorbei ist.

Soubise (zur Gräfin Blainvilliers)
Was tat ich Euch, daß Ihr so grausam seid?

Gräfin Blainvilliers
Schwer kränktet Ihr mein allzu gläubig Herz!
Madeleine Guimard –

Soubise                             sie liebt mich. Und zuweilen,
Wenn Eure Härte mich zu Tode trifft,
Errettet mich ihr Tanz vor dem Verbluten.

Gräfin Blainvilliers
Ihr küßtet sie –

Soubise                   Gewährt mir Eure Lippen,
Damit ich nicht an einer andern Quelle
Vor dem Verdursten mich erretten muß.

Gräfin Blainvilliers
Ihr rühmtet ihre Schönheit –

Soubise (stürmisch)                       Weil du die deine
Mir geizig vorenthältst!

Gräfin Blainvilliers             Und Ihr verlangtet,
Was nur die Leidenschaft verlangen kann.

Soubise
So glaubt Ihr wirklich, Gräfin,
Ich gäbe diese Schönheit allen preis,
Wenn ich sie lieben würde? – –
Hinter Schleiern und Gittern
Versteckt' ich dich vor jedem fremden Blick,
Wenn du die Meine wärst!

    Die kleine Tänzerin
    Ist nur ein Zeitvertreib;
    Dich allein liebe ich,
    Süßes Weib.

    Die kleine Tänzerin
    Ist nur ein Spielzeug mir,
    All meine Sehnsucht drängt
    Nur nach dir.

Gräfin Blainvilliers
Man sagt, dies Schloß sei ein Geschenk von Euch –
Und Ihr wollt mir, der Armen, glauben machen, Ihr liebtet mich.

Soubise
Ich habe ein Schloß am Meer
In der Provence
Und eine stolze Burg
An der Garonne –
Sei mein heut nacht,
Und morgen sind sie dein!

Gräfin Blainvilliers
Was denkt Ihr, Herzog? –
Die Gräfin Blainvilliers ist keine Dirne,
Die ihre Gunst verkauft.

(Sie wendet sich zum Gehen, Soubise hält sie auf.)

Soubise
Ich habe in meinem Schatz
Diamanten und Perlen
Und aus Rubinen,
Rot wie die Liebe,
Glühend wie mein Verlangen,
Eine leuchtende Krone –
Willst du sie haben,
Sei mein!

Gräfin Blainvilliers
Habt Ihr in Eurem Schatz
Diamanten und Perlen
Und aus Rubinen,
Rot wie die Liebe,
Glühend wie Euer Verlangen,
Eine leuchtende Krone –
So sag' ich dennoch:
Nein!
Verlangt Ihr ernstlich
Nach meiner Liebe,
Beweist es mir durch eine Kleinigkeit –
Ein einzig Ringlein
Aus glattem Golde –,
Und Euch zu folgen bin ich gern bereit –

(Ein starkes Pochen an der Haustüre läßt alle erschrocken auseinanderfahren. Die Gräfin und mit ihr die anderen Damen flüchten in die Logen, ein paar Diener stürzen entsetzt herein.)

Die Diener
Die Jakobiner!

Die Gäste
Die Jakobiner!

(Die Abgesandten des Tribunals treten ein, mit ihnen Despreaux. Im gleichen Augenblick geht der Vorhang der kleinen Bühne auf. Man sieht Madeleine Guimard, in einer Muschel ruhend, von Nymphen und Amoretten umgeben. Die ersten Takte des Balletts erklingen und brechen jäh ab, als Despreaux zur Bühne emporsteigt. Madeleine erhebt sich. Despreaux wirft im gleichen Augenblick seinen Mantel um sie.)

Despreaux
Wer ist der Sieger nun?!
Du wirst nicht tanzen, sagte ich –

Madeleine                                           Gewalt?!
    (Sie stößt ihn von sich und tritt, in den Mantel
    gehüllt, dicht vor die Rampe der kleinen Bühne.)

Ihr brecht die Türen auf,
Im Namen der Freiheit?!
Ihr schlagt meine Diener, –
Im Namen der Gleichheit?!
Ihr bedroht friedsame Menschen
Im Namen der Brüderlichkeit?!

Regnard
Bürgerin Guimard,
Hütet Eure Zunge!
Hört den Befehl:
Das Volk von Paris
Verlangt das Ballett,
Heut abend noch müßt Ihr
Im Opernhause tanzen.

Madeleine
Ihr seht, wir tanzen hier.

Regnard
Vor Royalisten –

Madeleine
Vor Kennern der Kunst –

Regnard
Ihr meint wohl: des Fleisches? –
Bürgerin Guimard,
Ich rate Euch gut,
Kommt nach Paris.

Madeleine
Ich bleibe.

Despreaux
Du rasest!
Dein Leben gilt es vielleicht.

Madeleine (auflachend)
Sie wollen meine Füße,
Nicht meinen Kopf.
Des Königs Tänzerin bin ich,
Gewöhnt an ein Parkett von Kavalieren;
In leichtem Reigen dreh ich mich,
Wenn Fürsten meinen Tänzen applaudieren.
    (Die Tänzerinnen scharen sich um Madeleine
    und singen den folgenden Vers mit.)

Ihr kommt, ihr Herren, umsonst hier her,
Der Roheit dienen, heißt die Kunst entweihen,
Wir tanzen lieber niemals mehr,
Als vor Perückenmachern und Lakaien.

(Der ganze Chor, auch die Gäste, wiederholen die letzten Strophen.)

Regnard
Die Lakaien von gestern
Sind die Herren von heut'.
Die Perückenmacher
Schneiden die Köpfe,
Nicht mehr die Haare.
Und auch du wirst dich beugen.
Nach dem Tanz, den wir pfeifen,
Wirst du dich drehen!

Despreaux (zu den Füßen von Madeleine)
Höre mein Flehen –

Madeleine
Verräter!

Regnard, Despreaux und ihre Begleiter (indem sie sich langsam zurückziehen)
Die Lakaien von gestern
Sind die Herren von heut'.
Die Perückenmacher
Schneiden die Köpfe,
Nicht mehr die Haare.
    (Sie verschwinden durch die Türe links.
    Man hört von draußen ihre letzten Strophen.)

Und auch du wirst dich beugen.
Nach dem Tanz, den wir pfeifen,
Wirst du dich drehen.

Madeleine (sie läßt den Mantel fallen. Die Ballettmusik setzt wieder ein)
Es beginne das Spiel.

(Sie setzt sich wieder in die Muschel, die Nymphen umtanzen sie; aus den Seitenkulissen der kleinen Bühne erscheinen die der Göttin opfernden Mädchen.)

Die Mädchen
Kränze von Rosen opfern wir;
Tauben mit weißem Gefieder;
Knien im Staube, Göttin, vor dir,
Lächle, ach, lächle uns wieder!

Der Vorhang fällt.

Ende des ersten Aktes.


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