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Ich versuche zunächst gewissermaßen ideell zu konstruieren, wie der Stegosaurus aus dem Iguanodon durch bestimmte Steigerung des Dinosaurischen entstand, ohne deshalb behaupten zu wollen, daß er als solcher direkt gerade von ihm hergekommen wäre – nur ein allgemeiner Zusammenhang hat wohl auch stammesgeschichtlich zwischen Iguanodontiden und Stegosauriden bestanden.

Geben wir auch Iguanodon einen häutigen Drachenkamm, so wäre das an sich noch nichts besonderes an Extravaganz, dieser tritt ja auch bei andern urweltlichen wie lebenden Reptilen (z. B. eben jener Leguaneidechse von heute) auf. Aber schon Iguanodon muß trotz seiner Riesengröße in seinem Nadelholz- und Palmfarnwalde auch irgendwelche Angreifer gehabt haben: das lehren seine furchtbaren Daumendolche, die solchen Feind beim richtigen Griff zerstochen haben mögen wie die Messer in der berühmten Umarmung des legendären Todesinstruments der sogenannten »Eisernen Jungfrau«.

Diese Dolche wirkten nach vorne. Wenn aber nun wie in Freiligraths berühmtem »Löwenritt« irgend etwas Angreiferisches von hinten aufsprang? Es mußte die »Idee« auftauchen, am Ende den Kamm selbst als Verteidigungsmittel zu verwerten, an dem sich der Waldlagerer stumpf biß oder wie an Stacheldraht verletzte. Sehen wir, was der Typ Stegosaurus aus diesem an sich ziemlich schlichten Anpassungsgedanken im Daseinskampf tatsächlich gemacht hat.

Vom Geologen sagt man wohl, daß er Mut besitzen müsse. Er soll die tiefsten Schächte befahren, sich auf Gletschereis häuslich einrichten, in Vulkane klettern, bisweilen auch mit der lieben menschlichen Dummheit fechten. Aber es gibt Fälle, wo er etwas von diesem Mut braucht, um an solche Tiere zu glauben, wie den Stegosaurus.

Ich erinnere mich noch lebhaft, wie die ersten Wiederherstellungen von ihm herüber kamen. Sie kamen aus Nordamerika, obgleich das Geschöpf selbst gelegentlich, vielleicht auf weiter Wanderung, sich auch in England hatte sehen lassen – und selbst die Kühnsten bei uns fragten sich, ob dem guten Professor Marsh und seinen Leuten hier nicht doch etwas die eigene Phantasie durchgegangen sei noch ein Stück über die alte Naturphantasie hinaus.

Man hatte ja in den Jahren vorher auch drüben die prächtigsten eigenen Dinosaurierfundstätten entdeckt. Nicht so hübsch museumsreif an einer Stelle beisammen auf dem Präsentierbrett, wie in Bernissart. Sondern mehr in einzelnen Streufeldern weit verzettelt über viele hundert Kilometer am ganzen Ostrande des heutigen Felsengebirges über Wyoming bis südlich Kolorado hin – die Skelette vielfach zerrissen und defekt, aber dafür nicht bloß in dem einen Typ, sondern jetzt den allerverschiedensten bis zu den kolossalsten. Oft lag das Material der gigantischen braunen Knochen schon ausgewittert frei zu Tag, verlor sich aus seinen Steinbrüchen in verräterischen Naturblöcken bis zwischen die fröhlichen Blumenfelder der Kakteen und andern Gewächse von heute hinein, daß die Schafhirten der viehreichen Gegend, die nichts von einer Urwelt wußten, sich gelegentlich ihre Hütten wie mit Brettern und Balken aus dem diesmal solideren Stoff hatten errichten können – bis jetzt auch die Gelehrten kamen wie ein angelockter Bienenschwarm, um diese Dinge für ihr Museum einzuheimsen und wieder zusammenzusetzen.

Abb. 96.
Das Bild veranschaulicht noch einmal den Schädel des in Abb. 95 gezeigten Dreihornsauriers in doppelter Lage von der Seite und von oben, um besonders den Bau des einzigartigen knöchernen Nackenkragens zu erläutern. Die Hörner waren am Schädel rinderhafte Knochenzapfen, aus denen dann im Leben noch große Hornscheiden saßen. Dem Gebiß nach war das Tier harmloser Pflanzenfresser wohl von den Gewohnheiten eines wirklichen Nashorns. Der Nackenkamm könnte gegen aufspringende riesige Raubsaurier der Zeit geschützt haben. (Vgl. solchen Angriff auf Tafel 28.) Kleine frühe Vertreter des Typs waren jene Ersthornsaurier, von denen man in der Wüste Gobi noch die Eier gefunden hat. (Vgl. Tafel 29.)

Diese Forscher brachten noch einen eigenen neuen Namen hinzu – nach einem der anscheinend gewaltigsten Funde nannten sie die Schichten, aus der all dieser Urweltsegen sproßte, die Atlantosaurusschichten, was pompöser klang als alle alten und neuen Indianer- und Ansiedlerworte des Orts und seiner Berge.

Ganz ersichtlich und schon ein Zeitstück früher sogar hatte auch da drüben die Waldformation, die bei uns von Südengland bis Belgien und Hannover reichte, ihren grünen Palmfarn- und Nadelholzstand lange Tage vom letzten Jura herüber bis in die junge Kreide gedehnt, und in die endlos dahin flutenden Forste hatten ebenfalls Seen und Flüsse eingeschnitten – vielleicht dabei ein besonders großer, in breitem Delta mit Sandinseln sich öffnender Riesenstrom, an denen Amerika ja auch heute noch so reich ist und der auch der Atlantosaurusstrom heißen könnte.

Statt der Bisons und Gabelantilopen, wie zu Lederstrumpfs Zeiten, hatten auch diesen damals noch ebenen Busch aber ungezählte Dinosaurier belebt, größte und kleinere in aller denkbaren ihrem Geschlecht bis dahin schon gegebenen Gestalt oder Ungestalt – und einer dieser fremdartigsten Gesellen war auch besagter Stegosaurus gewesen. Ab und zu aber hatte auch von ihm ein mehr oder minder lückenhaftes Trümmergerippe sich erhalten in dem alten Boden, wo immer er noch zu uns als alter Mutterschoß hereinragte – sei es, wie die neueren Geologen um den New Yorker Meister Osborn konsequent vertreten, als Schwemmkadaver irgendwo auch einst gestaut oder wie sonst konserviert.

Abb. 97.
Dieses Skelett hat man gelegentlich als aus der »Schreckenskammer« der Dinosaurier stammend bezeichnet. Es stellt den Nashornsaurier Monoclonius nasicornis aus der obern Kreide von Kanada genau in der Stellung dar, wie er als Skelett gefunden wurde. Auch er gehörte zu den Ceratopsiden (Abb. 95 und 96), besaß aber kaum eine Spur der Augenhörner, doch dafür ein um so gewaltigeres knöchernes Nasenhorn. Denkt man sich zu der reinen Knochenspitze noch die nötige Hornscheide, so kommt in der Tat eines der tollsten Tierbilder aller Zeiten heraus. Der Nackenschirm war hier zum Teil schon im Leben in Fenstern geöffnet. Größe eines stärksten weißen Nashorns von heute.

Durchaus aber sollte sich, je genauer man diese engeren Funde sichtete und neu zu ordnen versuchte in ihren losen Knochenteilen, erweisen, daß die wahre Naturbildungskraft allem Zweifel zum Trotz jeder Menschenphantasie wieder »über« gewesen war.

In der letzten Grundlinie erschien auch hier ein Dinosaurier ganz unzweideutig noch näher dem echten Iguanodonstamm selbst. Mit viel längeren Hinterbeinen auch er gegenüber den Armen – pflanzenfressend, obwohl mit dem relativ sehr zarten Gebiß vielleicht auf einen Feinschmecker von edelster Waldkost weisend gegenüber der groben Raffkuh Iguanodon. Der Beckenbau, wenn jene Unterscheidung gelten soll, ebenfalls im Prinzip vogelhaft-iguanodontisch. Die Länge mit rund 9 m einstweilen auch noch in den Grenzen von Bernissart, wozu wir doch als Vergleich wieder anmerken wollen, daß das immer noch ein »Doppelnashorn«, das ist zwei stärkste afrikanische sogenannte weiße Nashörner geben würde.

Tafel 28
Riesenraubsaurier und Dreihornsaurier

Was jetzt aber bei diesem Typ von Anfang an auch der amerikanischen Rekonstruktion die »harte Nuß« aufgegeben hatte, war eine zunächst nicht klar erfaßbare Zutat von separaten riesigen, selber über meterbreiten und annähernd dreieckig unten abgeschnittenen und oben spitzen Knochenplatten, die stets beilagen, und ebenso mehreren starken einzelnen Knochenstacheln.

Irgendwie mußten doch auch sie diesmal an den Körper des Unholds angegliedert gewesen sein – fragte sich nur wo.

Man probierte also anfangs hin und her in der Neumodellierung, ohne doch gleich der ganzen Naturkühnheit wirklich nachzustammeln. Dachte die Stacheln selbst als eine Art Firstkamm des Rückens, die kolossalen Platten dagegen als eine Schieferdeckung der Leibesseiten (Dach heißt griechisch stege), womit immerhin ein Tier herauskam, das mit Doppelrhinozeroslänge sozusagen einen eigenen steinharten Hausgiebel noch einmal über sich selbst gestülpt mitgeschleppt haben müßte, auf dem die Stacheln saßen wie Blitzableiterstangen.

Tafel 29
Dinosaurier beim Eierlegen

Die Geschichte sollte aber noch bedeutend phantastischer auslaufen, wie denn schließlich auch in Marsh's Museum festgestellt und in der Folge von einem noch sorgsamer prüfenden amerikanischen Fachgelehrten Gilmore weiter herausgearbeitet wurde. Tatsächlich ist mit jeder Vertiefung und Besserstellung bis heute die Figur immer nur extravaganter geworden bis auf die, die unser Bild auf Tafel 26 zeigt.

Der Typ Stegosaurus hatte in der Tat zunächst Ernst gemacht mit dem Kamm als Verteidigungswaffe gegen solche eventuell aufspringenden Angreifer, einerlei wer sie damals sein mochten. Benutzt aber hatte er dazu nicht jene Stacheln, sondern schwierig zu ahnender Weise die schweren kolossalen Knochenplatten selbst und zwar ebenfalls aufrecht. Als freie Knochendreiecke hatte er sie sich noch auf den Buckel hinauf balanciert und gar in zwei Reihen – also als knöchernen Riesendoppelkamm, dessen beinerne Zacken sich alternierend auch in den Lücken gegenseitig deckten und ergänzten. Die nicht ganz so großen Stacheln aber saßen in zwei Paaren (nicht vier, wie man anfangs modelliert hatte) nur auf dem starken Schwanz – offenbar im Sinn, von sich aus noch einen besondern aggressiven Schutz hinzuzufügen. Sprang irgendein »Löwenreiter« von hinten oder (bei nach Igel- oder Gürteltierart rasch eingezogenem Kopf des Opfers) auch von vorne auf den ungeheuren bißfesten Kamm hinauf, so schlugen diese vier Speere wohl von unten noch als Waffe sich ihm in den Leib. Wenigstens könnte man es sich denken, falls die Maschine noch so beweglich war – vielleicht haben die Stacheln aber auch nur, vorher hin und her geschwänzelt, damit gedroht.

Knochenkammplatten wie Schwanzlanzen sind zu Lebzeiten wohl noch mit besonderen Horndecken und spitzen Hornscheiden überzogen gewesen, wobei ich offen lasse, wie weit diese den Umfang der Teile nochmals vergrößerten. Im Wege stände nichts, sich auch das noch mit besondern Ornamentalverzierungen verbunden zu denken, womit dann der Phantasie vollends keine Grenze gesetzt würde und zuletzt ein Monstrum ohnegleichen herauskäme.

Schon so muß, wie sie der reine erhaltene Knochen zeigt, die Doppelreihe der zum Himmel starrenden Platten bereits eine frappante Ähnlichkeit mit den Flügeln des Fabelvogels Greif gehabt haben.

In Summa trug das Ungetüm jedenfalls nicht ein zu den Flanken absteigendes Dach, sondern reguläre über ihm emporragende Mauerzinnen. In der übertreibenden Größe und Art dieser Zinnen aber offenbarte sich ersichtlich zugleich jetzt das, was ich oben als das »Verrückte« in diesem Dinosauriertum allgemein bezeichnet habe.

Der schlichte Schutzzweck ist zwar ungefähr erreicht, aber zugleich mit einer wahrhaft wahnsinnigen Übertreibung des aufgewandten Mittels. Statt dem Tier bloß einen wirklichen Panzer mit Stachelkamm zu geben, so, daß ihm wie einem karthagischen Kriegselefanten noch einmal ein ganzer Festungsturm mit schweren Mauerzinnen aufgebürdet ist, den es zeitlebens schleppen mußte.

Ich glaube, daß es kaum ein besseres Beispiel gibt, um zu zeigen, daß sich bei diesen Dinosauriern eben zu dem schlichten Anpassungszweck noch eine schließlich sinnlos werdende Extravaganz hemmungslos auslebte. Wobei sich die Folgen für den Gesamtorganismus sofort auch als solche erweisen.

Abb. 98.
Diese Figur und die nächstfolgenden stellen fleischfressende Raubsaurier aus dem Geschlecht der aufrecht laufenden Dinosaurier dar. Zunächst hier ein ganz winziger solcher Räuber, der bisher nur einmal im feinen Korallenkalk der Solnhofener Lagunen (bei Kehlheim) gefunden worden ist. Die Platte ist im Münchener Museum, sie zeigt den Zierschnabel ( Compsognathus longipes). Das Bild ein Viertel der natürlichen Größe. Also wirklich ein zierliches Geschöpf, das den Anblick einer starken Springmaus gewährt haben muß. (Vgl. auch Abb. 99.)

Als notwendige Konsequenz der Übertreibung macht sich sichtbar, daß der Unhold sich trotz seiner verlängerten Hinterbeine tatsächlich nicht mehr echt iguanodontisch frei aufrichten konnte.

In einer ebenfalls höchst vertrackten und widersinnigen Gesamthaltung erscheint er wieder zur vierfüßigen Gangart durch den unsinnig schweren Zinnenbau herabgedrückt, was dann zu einer Art von Elefantenfüßen vorne und einer gewissen Hufanlage an allen vier Extremitäten geführt hat.

Eine besondere Betrachtung aber fordert in diesem Sinne noch der Kopf.

Am Verhältnis zu der starren Pagode des Ganzen mit ihrer Übersteigerung wirkt er diesmal geradezu verkümmert winzig, ein Spatzenköpfchen sozusagen am Drachenleib. Und das Gehirn darin ist denn auch extremstes Muster jener erwähnten dinosaurischen Geistesdegeneration.

Man hat herausgerechnet, daß es im Verhältnis zur Größe des Gesamttiers das kleinste Hirn ist, das überhaupt je bei einem Landwirbeltier beobachtet wurde. Nach Marsh besitzt der heutige Alligator (also ein Krokodil) rund das Hundertfache im Verhältnis seiner Größe – man versteht, wie tief solcher Dinosaurier in seinem Reptiltyp selber gesunken war. Spatzengehirn wäre im wahren Sinn immer noch unendlich zu viel bei ihm gesagt.

Ein solches Gehirnchen konnte aber nur minimal noch als geistige Schutzwaffe funktionieren, so daß alles nach dieser Seite in die rein physische Außenwehr verlegt werden mußte, die aber dann selber jenem Übertreibungsprinzip unterlag und noch weitere seltsamste Folgen nachzog.

Die enorme Maschine weit über jeden Sinn konnte nämlich vom Gehirn aus nicht mehr ordentlich innerviert werden. Indem das Rückgrat zum Tragen der überschweren Mauerzinne selber extrem verdickt wurde, mußten in ihm vielmehr besondere Nebenzentralen zu solcher Nervenbewegung eingerichtet werden – das Wirbeltier also noch einmal fast degradiert werden zum niedern Gliedertier und in die Gefahr geraten, in sich selbst in mehrere für sich zentrierte Tiere zu zerfallen.

Abb. 99.
Versuch einer Wiederherstellung des in Abb. 98 gezeigten kleinen Raubsauriers Compsognathus aus den Lagunen von Solnhofen, mit um die erhaltenen Skeletteile geführtem Körperumriß. Fährten im Solnhofener Kalk werden auf ähnliche Duodezsaurier gedeutet, die sich gelegentlich auf den gefährlichen weißen Schlick gewagt hatten.

Die riesigsten Wirbel mußten dabei aber naturgemäß sich auch unter der stärksten Belastungsstelle, also in der Gegend der ersten Schwanzwirbel, wo die Platten, wie Figura zeigt, am kolossalsten, einstellen. Und in diesen Wirbeln ist denn auch, wie der Ausguß der Höhlung ergibt, das dirigierende Rückenmark selber so dick angeschwollen, daß es tatsächlich die echte Gehirnmasse um das zwanzigfache noch einmal übertrifft!

Nur so konnten Schwanz und Hinterbeine offenbar noch bewegt werden. Eine zweite geringere Anschwellung lag dann desgleichen im Brustteil über den elefantenhaften Vorderstempeln.

Man hat geradezu gesagt, diese monströsen Geschöpfe hätten noch ein besonderes, nach hinten verlagertes »Schwanzgehirn« besessen – was, wenn es richtig verstanden und auf die ganze hintere Maschinenhälfte überhaupt bezogen wird, durchaus richtig ist in dem Sinne, daß hier tatsächlich eine zweite nervöse Zentrale und in der Brust noch eine nebensächlichere dritte nötig wurden, um die ganze Verrücktheit des Baues, nachdem sie einmal zu diesem Extrem gediehen, notdürftig noch maschinell zu halten mit eigenen wilden Notauswegen.

Man weiß nicht, was man mehr bestaunen soll: diese Auswege, das System in dieser Gestalt doch noch zu retten, oder die übertreibende Ungeheuerlichkeit selbst, die zu solchem sinnlosen System geführt hatte. Wobei auf alle Fälle aber die Verschwendung des rein Physischen unter Reduktion des Höhergeistigen im Gehirn sich als letzter Fehlschluß dieser ganzen Organisation aufdrängt.

Abb. 100.
Dieses Skelett in Lebensstellung stellt einen schon bedeutend größeren und gefährlichen Raubdinosaurier des Landes im Saurieralter dar (vgl. Abb. 99), wie er sich bereits in der Keuperzeit (Triasperiode) in Schwaben sehen ließ. Es ist der Plateosaurus trossingensis, zu Trossingen im Schwarzwaldkreis ausgegraben. Die Größe war 5,75 m. Das wehrhafte Tier mit starken Krallen richtete sich vielfach wohl auch auf den Hinterbeinen auf. Man hat es als den »schwäbischen Lindwurm« bezeichnet. Die Skelette sind Prachtstücke des Stuttgarter Museums.

Um Stegosaurus als Typ gruppieren sich dann wieder eine Anzahl eigener Varianten, denen gegenüber er allerdings das höchste Extrem gewesen ist.

Schon in der ältesten Rekonstruktion von ihm ist angenommen, daß außer den vier Speeren des beweglichen Schwanzes, die hier gleichsam eine besondere Art Wurfmaschine oder Katapulte noch der großen Festungsverteidigung bilden, viele knochige und hörnerne kleinere Dornen zerstreut auch auf den Körperflanken standen. Bei dem »Vieldornensaurier« Polakanthus aus dem echten englischen Wealden ist das dann so gedreht, daß der greifenhafte Zinnenkamm oben zunächst fortbleibt, dafür aber solche bösen Stachelpaare auch auf der Hals- und Vorderrückenfirst dräuen und kleinere die übrige Haut igelhaft besetzt halten, während ein Restteil des Kammes wirklich jetzt als eine Art aufgestülpten Dachgiebels oder auch gebuckelten Gürteltierpanzers auf der Beckengegend reitet. Reichlich paradox auch diese Kombination von Gürteltier und Stachelschwein bei einem nashorngroßen Ungetüm.

Während ein anderer Nebentyp aus dem gleichzeitigen Ostafrika (ich komme gleich noch auf diese dritte große Dinosaurierfundstelle zurück), der Stachelsaurier Kentrurosaurus auf kurzem Rumpf mit entsprechend winzigem erdgebeugtem Köpfchen, plumperen Gliedern und starkem Schwanz auf der ganzen Hauptfirst von Rumpf und Schwanz eine Art doppelter reiner Gewehrpyramide aus meterlangen haarscharfen Bajonetten führte, die erst zum Kopf auch in kleine Knochenplatten übergingen. Dieser militärische Held, der zwischen 5 und 6 Meter maß, steht heute so wieder aufgebaut in unserm reichen Berliner Museum – er scheint in ganzen Herden bis zu fünfzig Stück seine Gegend damals unsicher gemacht zu haben.

Abb. 101.
Das in der Nähe von Halberstadt gefundene Skelett des Plateosaurus. Zur gleichen Zeit, da in Württemberg die ersten größeren Raubdinosaurier erschienen (vgl. Abb. 100), zeigten sich solche auch in der Nähe von Halberstadt, wo im Keuperboden (Triasperiode) neuerlich reiche Funde gemacht wurden. Das Bild zeigt das von Jaekel wiederhergestellte Skelett eines solchen Halberstädter Plateosaurus in der mutmaßlichen Lebensstellung des Tiers. Das Bild in einem Zwanzigstel der natürlichen Größe.

Umgekehrt versteckten sich noch andere Seitengänger wirklich ganz in solide Riesengürteltierpanzer. Und ein nochmals abstruser Eigenbrötler der Reihe, der sogenannte Altskink (Paläoskinkus, nach einer lebenden Eidechse genannt), muß mit einer Rüstung aus Querringeln mit krummen Sicheln daran im späteren Kanada gar einem Riesentausendfuß oder einem der abenteuerlich gehörnten Trilobitenkrebse des vordinosaurischen Altmeers stärker ähnlich gesehen haben als einem wirklichen Reptil.

Wobei doch gerade er mit seinen Hornanläufen eine gewisse Brücke schlagen mag zu einem drittem Typ, der zugleich an Stegosaurus anknüpfte und ihn wieder in seiner Weise überbot.

*

Man wird noch einmal an die alte Dickhäuteridee erinnert, wenn man von »Nashornsauriern« hört. In Wahrheit wußte man von ihnen damals noch nichts, auch sie sind erst aus Nordamerika bekannt geworden, als drüben die große Saurierausbeutung in Fluß kam. Und zwar für sehr späte Kreidetage dort, schon fast im Ausgang der ganzen »Saurierei«, als sie mit Scheffels launigem Wort schon »zu tief in die Kreide« kam – also mit wahrem Sinn an das Ende ihres eigenen Lebenskredits.

Als jenes »große Sterben« bereits nahte, das die meisten markanten Gestalten zu Wasser wie zu Lande fortraffen sollte in immer noch für uns so tief geheimnisvollem Prozeß.

Verrauscht waren längst jene Atlantosauruswasser, verrauscht die Welle auch des erst nach ihnen kommenden Niobrarameers – da traten im Abendrot der Epoche noch einmal in den Dschungeln und Grashalden seltsame dinosaurische Gestalten in Scharen auf, die jetzt in der Tat im ersten äußern Anblick frappant an unsere Nashörner Afrikas und Südindiens erinnern konnten. Woher sie stammten, bleibt zunächst unbekannt, doch wohl aus irgendeiner langen Eigenentwicklung.

Auch sie trabten auf vier behuften Beinen dahin, trugen das mächtige Haupt gesenkt unter wilder Hornzier, haben wohl auch nächtlich im Sumpf sich gesiehlt und tagsüber Laubzweige und Gras geäst ganz wie das heutige Rhinozerosvolk.

Ceratopsiden, Hornsaurier oder auch Horngesichter (vom griechischen keras, Horn) hat man sie enger systematisch genannt, und mancherlei Deutung hat sich auch sonst an diese Ähnlichkeit geknüpft. Noch die moderne Rekonstruktion hat manchen schlauen Redakteur verführt, sie gelegentlich seinen Lesern in Tageszeitschriften als echte urweltliche Rhinozerosse aufzutischen. Aber auch ein sehr kenntnisreicher deutscher Geologe, der kürzlich verstorbene Steinmann (der gleiche, der den lebenden Delphin direkt vom verklungenen Ichthyosaurus ableiten wollte) hat in ihnen wenigstens noch die unmittelbaren Vorfahren der heutigen Nashörner sehen wollen. Die Idee, weiter durchgeführt, machte ja selber jenes »große Sterben« überflüssig, zauberte alle die alten Sauriertypen einzeln in die spätern Säuger um – aber sie hat auch bei kühnen Entwicklungsgläubigen wenig Beifall gefunden.

Und wenn wir ehrlich sein wollen, so ist doch näher besehen auch solcher Hornsaurier im innersten Wesen nie ein richtiges Nashornmodell gewesen, sondern ganz und gar auch er nur eine reichlich phantastische Ausgeburt jenes Dinosaurierwesens selbst, die in der allgemeinen schillernden Naturphantasie etwas gerade nach hier herübergeraten war.

Sehen wir uns einen genauer an, so taucht nur abermals zutiefst darin die iguanodontische Linie auf, die schon zum Stegosaurus geführt hatte, nur daß gleichsam der Schwerpunkt diesmal noch wieder anders verlegt war.

Auch solcher Nashornsaurier (ich bitte abermals Skelett und Wiederherstellungsversuch im Bilde aufzusuchen) schließt im Beckenbau (wenn schon reduziert) dort ungefähr an, sein Gebiß (mit merkwürdig zweiwurzeligen Zähnen allerdings diesmal, die als Ersatzmaterial, Spitze in Doppelwurzel, aufeinander ritten) ist pflanzenkauend – auch er aber ist dann offenbar wie durch irgendeinen nachträglichen Druck der eigenen Organisation oder Extravaganz, wie man's nennen will, wieder zu Boden gedrückt und nicht mehr aufrecht möglich gewesen.

Mit, wie gesagt, schweren vier Gliedmaßen nicht allzu großer Längendifferenz steht auch er ganz wieder im Plan – noch in stärkster Art bei 8 m Gesamtlänge etwa 3 m im Beckenbug hoch, während nach vorne der Kopf sich wirklich nashornhaft tief senkte – keine Rede jedenfalls von Greifhand mehr, alles vorne wie hinten der hufartigen Laufklaue zugeteilt. Was aber hat auch in diesem Falle den senkenden Oberdruck bewirkt?

Bei dem verrückten Stegosaurus war es die Mauerzinne des knöchernen Riesenkamms, der, zugleich ein Schutz und auch eine dinosaurische »Hybris«, wie ein Turm, um das Gleichnis zu wiederholen, auf seinem Elefanten noch einmal lastete. Sein Schwerpunkt lag dabei dort nach hinten zur Beckengegend, das Spatzenköpfchen dagegen war am wenigsten oder gar nicht beteiligt.

Abb. 102.
Entsprechend den immer größeren Pflanzenfressern vom Dinosauriergeschlecht (Iguanodon, Brontosaurus), die sich in der zweiten Hälfte des Saurieralters zeigten, gingen auch ihre Angreifer, die fleischfressenden Raubdinosaurier, immer mehr in die Höhe. Das Bild zeigt den Schädel eines solchen riesigen, sich aufrecht bewegenden Räubers aus den Atlantosaurusschichten der untersten Kreidezeit von Nordamerika, des Ceratosaurus nasicornis. Er war dem auf Tafel 23 zu sehenden Megalosaurus äußerlich sehr ähnlich. Man beachte das furchtbare Gebiß. Auf den Nasenbeinen ragte ein Knochenkamm, der wohl eine Hornscheide trug, zwei andere Hörner dürften vor den Augen gesessen haben, so daß eine wahre Teufelsfratze entstand.

Beim Nashornsaurier ist dagegen aller Ballast auf diesen Kopf selber vereint, der, riesengroß geworden, diesmal selber den Turm, die Bastei, das Arsenal bildet. Winzig, wie das Gehirn als solches auch hier geblieben ist, hat sich doch der Schädel in seinen reinen Knochenteilen in einer geradezu einzigartigen Weise vergrößert, ausgestaltet, überschwenglich in Auswüchse und Zutaten vermehrt, bis schließlich beinah noch ein zweiter Schädel an ihn angeflickt scheint.

Auch der Kamm des Stegosaurus, wir erinnern uns, diente im letzten noch diskutabeln Grunde einem Verteidigungszweck, seine harten Platten und Schwanzstacheln sollten einem aufspringenden Angreifer wehren – was dann allerdings in reine dinosaurische Phantastik überbog. Beim Hornsaurier scheint etwas Ähnliches ebenfalls unverkennbar. Hier soll ersichtlich besonders die Nackengegend für sich geschützt werden – man denkt wieder an das bekannte Symbolbild des Löwenritts, wo ein grimmes aufgesprungenes Raubtier vor allem die Genickwirbel zerbeißen und damit sein Opfer erledigen würde – jeder wirkliche Löwenritt auf einer Giraffe, falls er überhaupt möglich, wie Brehm und Schillings versichern, müßte in kürzester Frist so enden.

Tafel 30
Langhalsige Riesensaurier aus der Verwandtschaft des Brontosaurus

Zu dem Zweck ist aber auch diesmal nicht, was ja wohl den gleichen Dienst täte, ein aufgesetzter Panzer gewählt – sondern ein je nach der Art mehr oder minder solider mächtiger schirmartiger Knochenauswuchs des Schädels selbst schiebt sich deckend über die ganze Nackenstelle hinterwärts fort wie ein bis zur Versteinerung gestärkter Halskragen. Die aggressiven Stacheln aber, die der Stegosaurus noch auf dem Schwanz führte, sind gleichfalls in den Schädel selbst eingebaut als je nach der Art mehrfache knöcherne Hornzapfen, von denen im bizarrsten Falle immer einer direkt über jedem Auge emporstarrt und ein dritter wirklich nashornähnlich im Schnauzendach selbst wurzelt.

Abb. 103.
Der » König der Tyrannensaurier«, der gigantische Raubsaurier Tyrannosaurus rex, im vermutungsweise wiederhergestellten Lebensbild, wie er sich im spätesten Abend des Saurieralters (oberste Kreide von Nordamerika) sehen ließ. Er war bei reichlich 10 m Länge in dieser aufgerichteten Stellung über 5 m hoch. Osborn nannte ihn »im Hinblick auf Schnelligkeit, Größe, Kraft und Wildheit wohl die am meisten destruktive Maschine, die jemals entwickelt worden ist«, doch sei die mechanische Entwicklung ganz unabhängig von der (äußerst geringen) Entwicklung der Intelligenz gewesen. Nach anderer Meinung war er allerdings überwiegend Aasjäger.

Mit diesem Schirm und diesen Zapfen wirkt der Schädel im Anblick überhaupt nicht mehr wie ein Wirbeltiergebild, sondern bald wie ein ungeheures Schaltier, eine Art Riesenmuschel, oder auch ein losgebrochener Block aus einer Tropfsteinhöhle mit den dort geläufigen Steinschleiern und Stalagmiten. Wenigstens mir ist's immer so bei dem ergänzten Original des Frankfurter Senckenbergmuseums vorgekommen.

Im Leben muß das Ganze aber wohl noch viel toller ausgeschaut haben. Denn die mehr oder minder starken Stachelzapfen sind zweifellos, wie Gefäßeindrücke beweisen, zu Lebzeiten auch mit besonderen Hornscheiden genau wie die Speere und Platten des Stegosaurus überkleidet gewesen, wofür man sich dann noch eine beliebige weitere Länge oder sonstige Ausgestaltung hinzu denken mag. Im Prinzip also gebaut, da es sich auch um Schädelzapfen handelt, entsprechend den Hörnern unserer richtigen Rinder – wie denn sogar der erste Fund solchen einzelnen Ceratopsidenzapfens in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ernstlich auf eine urweltliche Ochsenart bezogen und als Bison alticornis (Langhornbison) zoologisch beschrieben wurde.

Wobei ich gleich doch auch auf den kolossalen Gegensatz hier zum wirklichen Nashorn hinweisen will. Bei solchem ist selbst das größte Doppelhorn kein angewachsener Schädelzapfen, sondern nur eine auf eine leichte Knochenverdickung aufgesetzte Art spitzer Hautschwiele, die sogar periodisch, scheint es, abgeworfen und erneuert wird. Gewiß hat auch solches Nashorn einen etwas monströs schweren Kopf durch diese Nasenwaffe, macht auch selber heute einen leicht altertümlichen Eindruck damit. Aber man muß nicht vergessen, daß es dabei in diesem Kopf ein sehr hohes und kluges Gehirn führt (nur solcher Dinosaurier wäre tatsächlich ein »Rhinozeros« in unserm Schulsinne gewesen), daß seine nächsten Verwandten die graziösen, geradezu im Extrem leichtfüßigen Pferde sind und daß es wenigstens ausgestorben auch Nashörner gegeben hat, die gerade solches Horn gar nicht führten. Während bei unserm Nashornsaurier sich völlig wieder beherrschend und mit ungeheurer Schwere einer einseitigen Festung drückend über dem stegosaurisch winzigen Hirnchen dieser verzerrte enorme Knochenkasten aufbaut, hinten mit dem Kragen und vorne den Hörnern alles in wirklicher Knochensubstanz steinhart modelliert und klotzschwer.

Gegen dieses Kopfstück war allerdings der übrige vierschrötige Leib diesmal stark entlastet im Gegensatz zum Stegosaurus selbst. Nur ein Mosaikwerk vieleckiger Horntäfelchen scheint, je nach den Arten in richtigen Ziermustern nach Kunststilen verschieden, diesen Leib selbst bedeckt zu haben. Wer weiß auch so vielleicht in was für phantastischen Farben – man muß nur an unsere heutigen farbenfrohen kleinen Eidechsen denken, von denen ich sagte, daß sie vielfach auch noch etwas von diesem dinosaurischen Spieltrieb im kleinen zu bewahren schienen. Auch bei Chamäleons kommen knöcherne Hornzapfen sehr verwandter Art am Schädel vor, bei der australischen Krageneidechse sogar ein allerdings ganz leichtes, bloß häutiges Gegenstück des Knochenkragens, das dort nicht verhindert, daß dieser kleine überlebende Kerl in seinem altertümlichen Wunderlande noch mit Vorliebe wie ein Iguanodon auf den Hinterbeinen läuft – notabene doch auch er heute kein echter Dinosaurier.

Im Skelett waren diesmal die Halswirbel unseres Urweltscheusals besonders gleichsam verankert in sich, eben weil es die furchtbare Karnevalsmaske dieses grotesken Butzkopfs zu tragen galt. Bei den 8 m Länge des Tieres in größtem Typ war dieser Kopf wie bei jenem Ichthyosaurus von Banz allein ganze 2 m lang!

Die Schnauzenspitze hatte eine doppelte Kappe wie ein Papageienschnabel, noch über Iguanodon hinaus sogar im Oberteil mit einem besondern Zusatzknochen – das muß allerdings im Außenanblick wieder die Nashornähnlichkeit (wo die Lippe so wirkt) vermehrt haben, wie es anderseits auch an den mythologischen Greif, auf den schon Stegosaurus wies, erinnert. Man hat gelegentlich gut kennzeichnend gesagt, solcher Horndrache in seiner Vollendung müsse wie ein Gemisch aus Kakadu, Nashorn, Kampfstier, Schildkröte und Krokodil, alles auf fast Doppelmaß eines alten Elefantenbullen, wenn man den Schwanz und Rüssel dort fortläßt, gebracht, ausgesehen haben – mit einem gewissen Zug, ich kann mir nicht helfen, doch zugleich des aufgemachten Theater-Pappdrachens, den eben die reine Verfratzung des spezifisch Dinosaurischen hinzutut. Mag man das Scheusal sich nun noch etwas aufblähen lassen wie einen gereizten Waran, mag man es fauchen lassen wie ein böses Krokodil oder ihm den scheußlichen Maschinenlaut gar des Flußpferdes verleihen – immer wird etwas Unmögliches bis zur Grenze des Lächerlichen herauskommen, gegen das kein heutiges Tier sich halten läßt, wo man auch unsern Zoo danach durchsucht. Wobei ich die Rekonstruktionen selbst, so viel Schweiß auch der Edeln darin steckt, alle heute noch nicht für ganz richtig und kühn genug halte. Ich erinnere mich, wie der treffliche Eberhard Fraas in Stuttgart mir einmal sagte: »Diese Tiere wird man nie ganz richtig mit Verstandeslogik wieder zusammenfügen, weil sie eben in sich unlogisch waren.«

Abb. 104.
Zur gleichen späteren Kreidezeit, die den riesigen Tyrannosaurus (vgl. Abb. 103) erzeugte, lebten in Nordamerika etwas kleinere und viel feiner gebaute Raubsaurier, die man wegen ihrer Straußenähnlichkeit Struthiomimus genannt hat. In ihren winzigen vogelhaften Köpfchen hatten sie die Zähne vollständig abgeschafft, und man nimmt an, daß sie nur noch Eierschlecker gewesen sind. Ähnliche noch kleinere Skelettchen hat man unmittelbar neben einer Fundstätte von Dinosauriereiern in der Wüste Gobi entdeckt (vgl. Tafel 20).

Im einzelnen gerade dieses Butzkopfs selbst aber waren dann die verschiedenen Gattungen wieder unter sich ziemlich verschieden und recht ein Beweis, daß der ursprüngliche Waffenzweck auch hier durchaus in das freie Fratzenspiel der dinosaurischen Unterströmung ausgiebig und beinah entscheidend hineingeraten war.

Die Augen- und Nasenhörner schwankten bald so, bald so hin und her. Während bei dem bekanntesten Typ Triceratops (dem Dreihörnerdrachen) wirklich zwei über den Augen stiegen und eins über den Nasenknochen stand, hatte der beinah noch unheimlichere Monoklonius unseres Skelett-Bildes nur ein einziges, aber sehr starkes solches Nasenhorn – dafür war bei ihm aber wieder der drüben ganz massive Knochenschirm selbst mit rätselhaften und schwerlich dem Nutzen gerechten großen Fenstern durchbrochen. Eine dritte Form hatte gar keine Hörner, und einer vierten saßen sie außer auf der Nase auch noch zu mehreren am Rande des Knochenschirms selbst wie verschnörkelte lange Regenschirmspitzen, womit dann wirklich Anschluß an jenen Altskink erreicht, aber gleichzeitig auch die willkürliche Phantastik des Ganzen auf ihre Sonderhöhe getrieben scheint.

Ich will noch erwähnen, daß es neben diesen übernashorngroßen Kolossen auch sehr viel kleinere Horndrächelchen (schon mit ähnlichem oder auch geringem Schmuck) gegeben hat, die noch nicht die Größe eines Tapirs erreichten.

Abb. 105.
Das berühmte erste Skelett des Brontosaurus excelsus aus der untersten Kreide von Nordamerika, wie es der große Vorwesenkundige Othniel Marsh (sprich Mahrsch) entdeckt und wieder zusammengesetzt und ergänzt hat. Brontosaurus und seine näheren Verwandten waren der Rekord aller Größenentfaltung eines Landwirbeltiers. Das jetzt am genauesten bekannte, aus mehreren Individuen ganz vollständig wieder kombinierte Gerippe im American Museum of Natural History zu New York, seit 1905 aufgestellt, mißt ziemlich genau 22 m, scheint aber noch nicht das längste der Sippe zu sein. Der in mehreren europäischen Museen gezeigte Gipsabguß von Diplodocus Carnegiei gehört einer verwandten Gattung etwa gleicher Größe an.

Und das bringt mich auf einen Zusatz zu dem Ganzen, der diesmal sogar allerneueste Weisheit und Saurierweisheit überhaupt ist: nämlich den überraschenden Fund noch von Eiern gerade dieser tollen Nashorndrachen.

Dazu muß ich allerdings den Ort jetzt einen Moment völlig verändern.

Ich sagte wohl schon, die nordamerikanische Spätlese dieser Ungeheuer so knapp bereits vor Kreideschluß und Drachenschluß lege nahe, daß sie dort nicht erst neu entstanden, sondern schon einer früheren Entwicklung an bisher vielleicht unbekanntem Ort verdankt wären. Dieser Ort scheint aber wenigstens mit einer bestimmten ältern Station jetzt festgelegt in Zentralasien.

Dort haben in den letzten zehn Jahren die amerikanischen Gelehrten mit ihren reichen Mitteln zum erstenmal auch kräftig auf »Urwelt« gesucht, wobei sich reiche, ja geradezu überreiche Ergebnisse teils ankündigten, teils bereits erfüllten. Außer märchenhaften neuen Säugetieren der Tertiärzeit (z.B. dem kolossalen wirklich hornlosen Urweltnashorn Baluchitherium) auch zahlreiche Dinosaurierreste selbst in stärkster Verwandtschaft mit den nordamerikanischen, die sogar die begründete Vermutung aufkommen läßt, es sei in Asien hier das eigentliche und wahre Urverbreitungszentrum auch dieser gesamten Gruppe ursprünglich gewesen, von wo sie erst zweiter Hand nach Amerika, vielleicht auch erst nach Europa und Afrika eingewandert wäre.

Dabei aber fanden sich jetzt am Ausgang des Altaigebirges gegen die mongolische Wüste Gobi auch zahlreiche Knochenreste eines ebenfalls ziemlich kleinen echten Ceratopsiden, den man den Protoceratops (Ersthorndrachen) genannt hat und der dort auch schon zur Iguanodonzeit, also auf der Grenze zwischen Jura und Kreide offenbar sehr zahlreich gelebt hat. Er war etwa 2,70 m lang, ohne Horn, aber schon mit Nackenschild.

Sein Domizil muß auch damals bereits ziemliche Sandwüste gewesen sein, und das hat nun dazu verholfen, daß sich bis heute in diesem nie zerstörten Sande wirklich diesmal auch Eier von ihm erhalten haben. Die amerikanischen Expeditionen fanden sie mehrfach in großer Zahl zusammen mit den Dinosaurierknochen selbst. Die Drächelchen hatten ersichtlich diese Eier wie Schildkröten zum Ausbrütenlassen durch die Sonnenhitze lose eingescharrt in eine Sandvertiefung gelegt, wo sie dann gelegentlich ein Staubsturm verschüttet, zerquetscht und inwendig mit Sand gefüllt haben mag, ohne daß doch sonst die Struktur der Eierschale gelitten hätte. (Vgl. Bild auf Tafel 29.)

Diese Eier maßen etwa 25 bis 30 cm in der Länge, hatten harte geriffelte Schalen bei nicht ganz rundem Bau und waren öfter in regelrechten Nestern bis zu 20 im Kreise, die Spitzen nach innen, angeordnet, manchmal auch zu mehreren Schichten übereinander gelegt, ursprünglich weiß, jetzt gealtert braun von Farbe, einige Male auch noch, wie es heißt, mit Resten der schon sich entwickelnden Embryonen im Innern. Andere feinschaligere Eier schienen andern Dinosauriertypen angehört zu haben, und es steht zu hoffen, daß man an dieser glänzenden neuen Fundstelle schließlich auch noch die zu vermutenden Rieseneier der ganz kolossalen Brontosaurier aufdecken wird, zu denen die Knochen bereits vorliegen. Also ein neuer Beitrag zur »Embryologie« im Liebesleben in der Natur der Urwelt, nachdem wir von den Ichthyosauriern in diesem Punkte bereits Kenntnis genommen.

*

Wir haben aber jetzt so viel auch von »Feinden« der Dinosaurier gehört: von Löwenritten und hinterwärtsen Buckelaufsprüngen oder Frontangriffen, gegen die man sich bald mit Daumendolchen der »Eisernen Jungfrau«, bald mit Platten, Stacheln und Hörnern verrückt genug und über jedes Maß hinaus wehrte. Wer waren diese Angreifer?

Das Löwenrittbild spielt heute zwischen einem harmlosen Wiederkäuer, der höchstens etwas nach hinten ausschlagen kann, und unserm Löwen oder Leoparden. An Nashorn oder gar Elefant wird sich nicht leicht auch ein heutiges Großraubtier wagen. Wer ging damals auf Saurier von doppeltem Elefantenmaß?

Unsere sinnreiche Erzählung muß hier noch einmal zu der schönen weißen Korallenlagune von Solnhofen, wo der Wundervogel Archäopteryx in der Nähe seinen Wald durchflog, den Liebes-Ginkgowald Goethes, zurück.

Ich erwähnte dort geheimnisvolle zweifüßige Fährten mit bald unsichtbarer, bald deutlicher Schwanzspur im noch nicht ganz trocknen Kalkschlamm, die ein Altmeister der Forschung für solche der Archäopteryx selbst hielt, während ein jüngerer Kenner auch hier an einen kleinen zweibeinig hüpfenden Dinosaurier dachte.

Und in der Tat ist auch schon vor Jahr und Tag ein sehr hübsches Skelettchen in Größe etwa eines Kätzchens im Gebiet der Oberpfalz gefunden worden, das lange für den kleinsten aller je bekannt gewordenen Dinosaurier in erwachsenem Zustande galt und als hohe, nie wiederholte Seltenheit heute zu den Schätzen des Münchener Kabinetts gehört. Man hat ihm den etwas komplizierten Namen des Zierschnabels ( Compsognathus, von kompsos, zierlich und gnathos, Schnauze oder Schlund) gegeben.

Abb. 106.
Stimmungsbild eines ungeheuren Dinosauriers aus der Verwandtschaft des Diplodokus in einem Nadelholz- und Palmfarnwalde vom Anfang der Kreidezeit. Das Tier muß in einer Länge von mindestens 22 m bei einem Lebendgewicht von rund 34500 kg gedacht werden.

Das kleine Geschöpf ist aber nicht nur wegen seiner Seltenheit, sondern auch sonst aus mehrfachem Grunde lehrreich geworden.

Es stellt nämlich einen Dinosaurier dar, der auch in dieser seiner Miniaturgestalt sehr hübsch wie eine Springmaus auf den Hinterbeinen hüpfte, weit graziöser jedenfalls noch als der schwere Iguanodon – zugleich aber einen unverkennbar fleischfressenden Dinosauriertyp diesmal vor Augen führt.

Einstweilen in Liliputanergestalt, aber doch schon im Zahnbau gekennzeichnet als solch unzweideutiger Räuber.

Zierschnäbelchen oder Zierschnäuzchen gehörte im engern Bau dabei jener zweiten Urlinie seines Volkes an, die nicht das vogelhafte, sondern das waschecht reptilische Becken besaß – eine Linie, in die wir mit ihm jetzt allgemein eintreten unbeschadet, daß es auch aufrecht lief und im Fußbau ziemlich vogelhaft eingestellt war. Warum bei diesem Typ Läufer nicht gerade das andere Becken sich ausgebildet, bleibt einstweilen Streit der Allmächtigen und Allwissenden des Fachgebiets.

Daß es aber solcher Fleischfresser war, scheint ganz besonders noch aus einer Einlage zu erhellen, die auch diesmal sein Skelettbäuchlein umschließt: einem kleinen Zweitgerippchen, das zuerst wie beim Ichthyosaurus auf ein noch ungeborenes Junges einer lebendig gebärenden Mutter gedeutet wurde, heute in dem hohen Rat dagegen als eine verschluckte echte Eidechse, also ersichtlich solche Räuber-Kontrebande, gilt.

Natürlich hat solches Duodezräuberchen selbst noch keinem Großsaurier seines Volkes gefährlich werden können – kühn, wenn es sich einmal an einer flügellahmen Archäopteryx vergriff. Aber es ist uns dafür entwicklungsgeschichtlich interessant. Mit solchen ganz kleinen leichten Geschöpfchen nur vom Umriß einer Springmaus hat wohl das ganze Aufrechtgehen der Dinosaurier, sowohl der fleisch-, wie der pflanzenfressenden, ursprünglich überhaupt begonnen.

Unser Zierschnäbelchen hatte in jenem Keuperboden bei Stuttgart schon einen Vorfahren, das Ur-Zierschnäbelchen ( Procompsognathus), das auch nicht viel größer war und ebenso auf langen Hinterbeinchen hüpfte.

Möglich, daß es in weiterer Ahnenfolge dort wirklich noch auf die Vor-Krokodile selbst zurückging, von denen – vielleicht, wie gesagt – auch alle Dinosaurier zuletzt gekommen sind.

Möglich, daß der Dinosaurierstamm sich gleich dort zu Anfang schon in zwei Urzweige bereits pflanzen- und fleischfressender Ernährungsart geteilt hatte, die sich im Beckenbau sonderten, aber beide anfangs noch solche Zwerge waren.

Möglich, daß die Räuberlinie zuerst nur harmlos auf Insekten und anderes fremde Kleingetier der Zeit ging und erst allmählich bei zunehmender Größe sich auch auf »Dinosaurierfleisch« selber einstellte.

Möglich auch, daß die Vegetarierseite zuerst größer wurde in der allgemeinen Tendenz des Dinosaurischen, und dann die Räuberzunft sich schon früh dem anpaßte und ebenfalls mehr mit dem Maß in die Höhe rückte. Denkbar ist das jedenfalls alles.

Wir wissen nicht, wo das Festland lag, in dessen Innern dieser erste Vorgang sich abgespielt haben könnte. Aber gewiß, daß er in jener Keuperzeit selbst auch schon vollzogen gewesen sein muß.

Denn damals tauchten neben einzelnen fortlebenden Zwergen auch solche größeren Dinosaurier bereits bei uns in Europa auf, von denen mindestens ein Teil auch schon ziemlich grimme Räuber gewesen sein müssen, die der andern Seite wirklich bedrohlich werden konnten.

Man hat den Eindruck, daß sie auch hier ins frisch verlandete Gebiet von irgendeinem unbekannten Zentrum aus auf raschen Raubzügen zunächst wandernd hereinkamen, wobei sie dann auf dem noch unsichern Terrain gelegentlich allerlei Unliebsames erlebten, das uns gerade Kunde von ihnen bewahrt hat.

Ein solcher Typ erschien damals vorübergehend bereits im guten Schwaben selbst, erzeugte einen schwäbischen »Lindwurm« dort, von dem auch viel gerühmt und geredet worden ist und der diesmal kein Ichthyosaurus, noch Krokodil, sondern auch als vermutlicher Räuber und Kannibale seines eigenen Geschlechts ein Landtier gewesen sein muß. Auch er dabei dem Hinterbeingang, wie ihn die Liliputaner der Sippe angebahnt, treu, obwohl natürlich mit solchem wachsenden Kaliber ihn zunächst etwas schwerfälliger nehmend und nicht mehr so ganz springmaushaft federnd leicht.

Es ist der Typ, den man anfangs so noch als Triasform Zanklodon und Greßlyosaurus genannt hat – letzteres Wort nicht etwa, um eine besondere Gräßlichkeit anzudeuten, sondern nur zum Andenken an einen verdienten Schweizer Geologen und besonders Juraforscher Greßly, den ein unheimliches Geschick nach so langen Zwischenzeiten noch einmal gewissermaßen zum Opfer der alten Saurier machen sollte. Er verfiel nämlich durch Anlage und wohl auch etwas Alkohol dem wirklichen »Saurierfimmel«, sah in schreckhaften Halluzinationen schließlich diese Urscheusale noch leibhaftig überall auf sich loskommen und starb im Irrenhaus.

Abb. 107.
Oberarmknochen von Mensch, Dinosaurier und Elefant. Das Bild gibt eine überaus anschauliche Vergleichung für die Größenverhältnisse der gewaltigen Dinosaurier, die sich an den Brontosaurus (vgl. Abb. 105) anschließen. In der Mitte sieht man den einzelnen Oberarmknochen des größten derartigen Sauriers, den die so verdienstvolle deutsche Expedition in den Jahren 1909 bis 1912 am Tendaguruberge im damaligen Deutsch-Ostafrika geborgen hat. Man nimmt an, daß er zu der Gattung Brachiosaurus gehört (vgl. Tafel 34). Die Länge des Knochens beträgt 2,13 m. Rechts aber ist daneben im gleichen Größenmaß solcher Oberarm des Elefanten gestellt und links der eines Menschen. Die überwältigende Größe des Sauriers kommt dadurch zum vollen Ausdruck. (Nach einer Photographie von Janensch.)

Später hat sich allgemein für diese Erstlingsgruppe dann mehr die Sammelbezeichnung Plateosaurus durchgesetzt, die aber auch etwas unsicher bleibt, da in ihr möglicherweise noch erste echt pflanzenfressende und wirklich schon fleischfressende Großtypen beider Anfänge in den Funden durcheinander laufen. Jedenfalls liegen prachtvolle Reste heute auch davon in Menge im Stuttgarter Kabinett – und da sieht man jetzt auch nach der besagten Raubseite reichlich böse Gesellen mit furchtbaren Krallen, die das Kätzchen schon damals zu Löwen und sogar Überlöwen gesteigert. Denn die mächtigsten gehen jetzt auch bereits bis 4 und 5 m und vielleicht noch mehr – also gute Linie auf eigenes Iguanodontenmaß.

Tafel 31
Raubsaurier mit Beute

Man nimmt aber an, daß die zum Teil sehr schön erhaltenen Skelette wesentlich dadurch so gut bis auf uns gekommen sind (vgl. das Bild), daß die ins neue Festland hereinstreifenden schweren und etwas schlecht sich bewegenden Tiere in den vom Druckwasser oft noch erweichten unergründlichen Schlammkolken der schwankenden Grenze von Wasser und Land wie von Treibsand eingesaugt und eingesargt worden sind – böses Schicksal, wie es spät noch mancher zu verwegene Menschenjäger im Moor hat erfahren sollen.

Abb. 108.
Schulterblatt von Mensch, Dinosaurier und Elefant. Das Bild setzt die Vergleichung der Abb. 107 fort. Diesmal sieht man in der Mitte das Schulterblatt des größten in Ostafrika gefundenen Dinosauriers ( Brachiosaurus), rechts daneben im gleichen Größenverhältnis das Schulterblatt eines Elefanten und links unten das eines Menschen. (Nach einer Photographie von Janensch.)

Eine andere wirksame Zeugnisstelle hat sich dann für diesen ersten Großtyp neuerlich bei Halberstadt aufgetan.

Dort hatte findige Industrie am Ort, wo Vater Gleim seine braven Lieder sang und Vater Broyhan sagenhaften Andenkens sein ortsberühmtes Getränk erfand, gelegentlich am Wege nach Quedlinburg eine Tongrube für Zwecke einer Dampfziegelei ebenfalls im alten Keupergrunde getieft – wobei auch einmal wieder unerwartet starke Knochen sich zeigten. Diesmal wären sie doch wohl unbeachtet vernichtet worden, wollte nicht der Zufall, daß im Sommer 1909 ein Zahnarzt am Schlagbaum der Eisenbahn neben ein paar Arbeitern der Grube den Zug abwartete und dabei aus dem Gespräch der Leute von ihrer Existenz vernahm. Er verschaffte sich eine Probe und sandte sie dem Greifswalder Geologen Jaekel ein, worauf auch hier die wissenschaftliche Ausbeutung gerade vor Torschluß begann. Der Staat selbst legte seine Hand auf die Funde, gefährdende Sprengarbeit wurde untersagt, schließlich kam auch hier wie in dem geologisch so viel späteren Bernissart ein ganzer kleiner Ausschnitt Urwelt noch als geschlossenes Bild jener Tage ans Licht. Vermutlich eine alte Flußmündung, wo vom Meer und Land sich die Tierwelt gemischt hatte, Haie und Plesiosaurier von der Wasserseite, auf der Grenze der wunderbare Molchfisch Ceratodus, der noch heute in Australien vereinzelt fortlebt und als Übergangstyp vom Fisch zum ältesten Amphibium je nach Bedarf mit Kiemen oder schon einer Lunge atmet – vom Lande selbst große räuberische Molche der Zeit, Schildkröten und Belodonkrokodile. Als Landwanderer aber auch in zahlreichen Skeletten erhalten jene gleichen Plateosaurier – die ganzen Gerippe auch hier noch so wundervoll, daß gelegentlich auch nicht ein kleinstes Knöchelchen fehlte. Jaekel erzählte mir, wie von einem allerbesten nur ein Stückchen Zungenbeinbogen nachträglich abhanden gekommen sei, weil ein Wiesel auf der Mausejagd es in der Nacht nach der Freilegung ausgespart noch verschleppte.

Um die gleiche Schöpfungsstunde aber müssen sich diese fleischlüsternen Raubdinosaurier, entweder selber noch klein oder auch bereits in solcher Dimension, ebenso über die weiteste Erde ausgebreitet haben – sie waren es schon, die neben den Urkrokodilen ihre auch je nachdem großen oder winzigen Fährten in jenen roten Connecticutschlamm drüben in Nordamerika einprägten – und nicht lange in die nachfolgende Erdperiode hinein, so sollte wirklich allgemein der Zustand erreicht sein, daß auch die bisher kolossalsten Pflanzenfresser des Geschlechts, wo immer sie in ihrem Walde sich den Wanst füllten, dort die entsetzlichsten Gegner und Verfolger finden mußten.

Das dinosaurische Prinzip, bei ihnen selbst bereits auf die verrückte Zweimalnashorngröße gesteigert, lebte sich konsequent aus, indem es eben auch die räuberische Seite folgerichtig mehr und mehr in die Höhe trieb.

Wuchs das Wild, so wuchs der Jäger mit, wobei doch immer am wahrscheinlichsten bleibt, daß die »Kuh« voranging und der »Löwe« nachkam.

Im Grunde aber wie zwei Rüstungen auf Abwehr und Angriff, die sich gegenseitig in den Unsinn trieben, denn die ebenbürtige Statur des Angreifers steigerte nun abermals die entgegengesetzte Partei zu immer kolossaleren Abwehrmaßnahmen, auf die sich erneut der Angreifer selbst einstellen mußte.

Und nun erst, auf dieser Höhe des schaurigen Spiels, erstanden wirklich die ganz wilden Drachengestalten auch des fleischfressenden Dinosauriertums auf der ganzen Linie.

Und auch sie nahmen ihren Siegeszug durch den ganzen Jura, die ganze Kreide jetzt – vom belgischen Iguanodonwalde der Wealden-Übergangszeit bis in jenes späteste Abendrot noch der Ceratopsidenzeit in Amerika selbst.

Auf der Jagd zunächst der aufrechten Kolosse (von andern reden wir gleich noch) blieben auch diese äußersten Raubkolosse aufrecht, ja sie reckten sich sogar noch mehr wieder selbst, schienen noch einmal gestrafft und verstärkt gegen jene springmaushaften Kleinanfänge ihrer Jugend zurück im eigenen Gigantenmaß.

An allen möglichen verdächtigen Anzeichen merkt man in der Hochblüte der andern Seite fortan auch ihre Spur, auch ihre eingeprägte Schrift gleichsam.

An den Riesenknochen drüben in den Atlantosaurusschichten gewahrt man gelegentlich noch die deutlichsten Freßspuren, Spurmarken ungeheurer entsprechender Raubtiergebisse, die offenbar das noch blutige Fleisch mit Gier und Gewalt heruntergerissen.

In der Wirbelsäule eines der gleich noch zu behandelnden allergrößten, selbst den Iguanodon noch weit überbietenden Ungeheuer vom Diplodokusschlage im Frankfurter Museum fand sich bei einer zufälligen Ummontierung noch ein einzelner solcher eingebissene Riesenräuberzahn.

Wo im Flußdelta die großen Pflanzenfresserkadaver ausgeschwemmt worden waren, da begleiteten sie, ebenso mitgeschwemmt, gelegentlich sogar ganze Massen solcher ausgebissenen grimmen Drachenzahnsaat.

Abb. 109.
In der Triaszeit und sogar noch in der älteren Permzeit lebte besonders im Gebiet der sog. Karroo (sprich Karru) und Umgebung im heutigen afrikanischen Kapland ein höchst merkwürdiges und geheimnisvolles Sauriergeschlecht, in dem man die Ahnen der ganzen übrigen Saurier vermutet. Dazu gehörte neben andern der sog. Wangensaurier ( Pareiasaurus Baini), dessen Skelett hier erscheint. Man beachte den seltsamen Schädel, die Knochenzapfen am Unterkiefer und die Stellung der Gliedmaßen.

Aber auch in der Iguanodonschlucht von Bernissart hat sich schon ein isolierter Wegelagererzahn gefunden, und hier können wir sogleich jetzt auch das entsprechende Raubungetüm selbst identifizieren.

Es war der Megalosaurus, längst aus eigenen Großknochen dieser und früherer oder späterer Zeit bekannt.

Als man sie zuerst gefunden, noch in geringer Kenntnis damals vom Gesamtumfang und diesem inneren Gegenspiel des dinosaurischen Wesens, hatte man das betreffende Tier, an dem zuerst die ganze Größe dieser Landsaurierwelt überhaupt sich zu offenbaren schien, nach dem griechischen Worte megas für groß so benannt – also den Groß- oder Riesensaurier. Es ist das gleiche Wort, das gelegentlich auch für allerimponierendste Säugetiere der Urwelt vergeben worden ist: etwas weniger grammatisch richtig abgewandelt in Megatherium, jenes Faultier, das stärker als ein Elefant wurde, und Megamys, eine Wollmaus, die in ihrer Zeit ebenfalls Nashorngröße besaß.

Immerhin jetzt auch auf der Angreiferseite dieser Megalosaurus ein saurierisches Geschöpf von mindestens 10 m Länge – wie der größte Iguanodon also drüben selbst – aufrecht gereckt wohl auch seine reichlichen fünf solcher Meter hoch, also drei großen Menschen übereinander gleich.

Im Gesamtbilde der sehnigen, straffen Waldräubergestalt diesem Beutetier dabei selber tatsächlich nicht ganz unähnlich, gewissermaßen sein gespenstisches Spiegelbild, das die andere Seite sich selber zu ihrem Verderben erzeugt. Wobei doch der Grundstamm stets ein verschiedener blieb: auch der Megalosaurus hatte gleich dem Zierschnäbelchen von Solnhofen fest bewahrt das Becken mit den Schambeinen rein nach vorne, also nicht »vogelhaft«.

Abb. 110.
Versuch einer Wiederherstellung des Lebensbildes des in Abb. 109 im Skelett gezeigten Wangensauriers Pareiasaurus. Man bezeichnet diese grotesken Kapsaurier nach ihrer bekanntesten Fundstelle gern allgemein als »Karroosaurier«.

Und nur im engern alles auf solchen greulichen Riesenwegelagerer jetzt gestellt. Die Zähne des Tigergebisses (10 m Gesamtstatur geben mehr als drei Königstiger!) doppelseitig geschärft und durchaus großkatzenhaftes Raubtier auf Reptil umgesetzt. Die kleineren Vorderfüße (mit einem Wort Abels) wie »Enterhaken« gebaut, der Daumen mit der größten Einschlagskralle, die beiden andern vorhandenen Finger doch auch noch sehr wirksam. Auf dem Kopf eine Art Horn, damit auch hier die dinosaurische Phantastik noch neben der Übergröße nicht fehle – wozu man sich auch den Rückenkamm und was sonst mit Phantasie beliebig ausmalen mag – gewiß, daß man immer noch gegen die Wirklichkeit auch diesmal zurückbleiben werde.

Und bei aller Schwere doch der Läufer, der auch als Tiger schon aufrecht kam, nicht bloß watschelnd wie ein Bär, sondern im Ansprung und Schwung solchen Laufes selbst.

Man sieht im Traum die Iguanodonten davor durch den Busch brechen, in rasendem Sturmschritt auch sie, wenn dieser Schlächter nur von fern irgendwo im Ausschnitt der Araukarien auftauchte und seine Messer wetzte. Im Nahkampf der Umarmung mag noch einmal der Daumendolch des Opfers, beiderseitig gezückt, einen gelegentlichen Ausweg geschaffen haben, aber auch kaum als Regel der erfolgreichen Gegenwehr. Nach hinten mag der steife Krokodilschwanz geschlagen haben – zuletzt doch, ob so, ob so, ein ungleiches Spiel. Was für ein Sturz muß aber solcher lebendige Turm gewesen sein, was für ein Bissen für den Hauptangreifer und wohl nebenher noch manches schakalhafte saurierische Kroppzeug, das sich mit von der Tafel des Großen nährte.

In dieser Gestalt aber hat auch Megalosaurus damals tatsächlich geradezu die ganze Erde unsicher gemacht – er ging durch alle Festländer, verfolgte, wie bei Bernissart und in England, so durch alle Zonen des heutigen englischen Weltreichs seine Opfer, bis Indien, bis Australien – ließ sich auf dem heutigen Madagaskar, in Ostafrika selbst, in Südamerika sehen in seiner Satansgestalt – er blieb unverwüstlich bis zur obersten Kreide, ja nach einer geologischen Legende noch ein weniges sogar über diese selbst hinaus.

Abb. 111.
Zu den »Karroosauriern« (vgl. Abb. 109 und 110) gehörte auch der Doppelhundszahn Dicynodon lacerticeps, dessen Schädel hier gegeben ist. Man beachte die großen Stoßzähne bei sonst zahnlosen Kiefern, die nicht ohne weiteres motiviert erscheinen.

Und dabei war er noch immer nicht der größte seiner Raubritterschaft, andere scheinen ihn noch ein Stück weit »überragt« zu haben. Wobei als der denkbar größte und greulichste meist der Tyrannosaurus gilt.

Er lebte in Nordamerika mit Trachodon und den Ceratopsiden zusammen, auch im Abendrot dort der Zeit. Osborn hat ihn aus Montana beschrieben. Im New Yorker Museum steht sein Skelett als eines der in gewissem Sinne auch alles überbietenden »Weltwunder«. Wirklich in dieser hoch aufgerichteten Gestalt, wie man ihn dort montiert hat, ein Koloß von Rhodus. Ein Wolkenkratzer der Natur im Wolkenkratzerland.

Winzig, beinah nur noch kleine Berloques, baumelten vor der Gigantenbrust diesmal die Ärmchen, womit der Umriß eines furchtbaren Raubvogels nun doch wenigstens äußerlich unverkennbar sich aufdrängt. Ein Kranichgeier, der auf Drachen stößt.

Den Obertyrannen seiner Wälder oder Tyrannenkönig ( Tyrannosaurus rex) hat man ihn getauft – das Wort scheint sein Leben zu sagen. Wer sollte ihm noch widerstanden haben? Eben Osborn hat ihn »die größte destruktive Maschine«, die jemals die Natur aus sich entwickelt, genannt.

Vielleicht aber muß doch auch hier etwas gebremst werden. Es war gesorgt, daß auch die Urweltwunder nicht in den Himmel wuchsen.

Unwillkürlich fragt man sich, wie diese Fleischfresserriesen noch je ganz gesättigt werden konnten. Vielleicht mußten auch sie oft froh sein, wenn die Natur ihnen selber schon vorgearbeitet, die Fleischberge ihrer Opfer bereits irgendwie natürlich zur Strecke gebracht hatte. Man denkt an die angeschwemmten Leichen von Wasserkatastrophen und andere Zufälle. Dann begnügten sie sich wohl auch mit dem Aase, wie heute noch unser Löwe unbeschadet seines Ruhms als König seiner Steppe das gleiche mit Liebe tut.

Und gerade vom Tyrannosaurus selbst ist behauptet worden, er sei in seinen späten Tagen hauptsächlich sogar nur noch solcher Aasjäger gewesen, der wie der alte Lederstrumpf auf »Fallenbeute« angewiesen war. Ein ungeheurer Aasgeier, der sich zum Luder zog.

Denn etwas Degeneriertes muß ja zuletzt diesen Wegelagerern größten Raubstils auch sonst innegewohnt haben, dafür waren sie nicht umsonst auch auf ihrer Seite selber Dinosaurier. Was man vielleicht erwarten würde, trat nicht ein: auch diese Übertiger und Waldkönige blieben bei aller Dimension auf dem armselig verkommensten Gehirnchen sitzen. Selbst der Tyrannosaurus im Glanz seines pompösen Namens besaß nach Osborn bloß ein Viertausendstel seines Körpergewichts an Gehirnmasse. Der Ritter war nicht klüger geworden als der Bauer, den er brandschatzte ...

Abb. 112.
Eine andere Gattung Doppelhundszahn unter den Karroosauriern: der Lystrosaurus declivis im Schädel von der Seite und von hinten. Der Stoßzahn ist kleiner, der Gesamtbau noch verschrobener.

Ich gebe noch einen kleinen beinah heitern Epilog des großen urweltlichen Räuberstücks.

Wie das winzige Zierschnäbelchen zu seinen Tagen von Solnhofen noch fortlebte, obgleich das Gros seiner Sippe schon damals zu ganz andern Maßen übergegangen war, so haben gewisse feinere, kleinere, fast möchte man sagen zerbrechlichere Typen auch später immer noch neben den »Tyrannen« fortexistiert, wo sich Gelegenheit bot. So trieb sich am Niobrarameer der Struthiomimus (Straußnachahmer) noch spät herum, zart, steil, flink, dünn auch er noch, obwohl etwas größer immerhin – sein »Schnabel« aber war ganz zahnlos geworden, denn er hatte sich aufs reine Eierschlecken bei den Großen der andern Seite verlegt.

Wir haben ja gehört, daß diese Eier da waren.

Und eben an jener mongolischen Stelle, die uns bis heute solche Sauriereier erhalten sollte, hat sich ein paar Zentimeter darüber gelegentlich auch ein anderes Skelettchen mitgefunden, dessen einstiger Inhaber ebenfalls schon zu seinen Lebzeiten der gleichen Eierkost nachgegangen sein muß – wobei er dann nur folgerichtig von dem Sandsturm, der die Eier zuletzt verschüttete, auch mitbegraben und uns gleichermaßen konserviert worden ist, daß wir ihn nach so viel Jahrmillionen noch gleichsam in flagranti seiner heimlichen Feinschmeckerei erwischen durften.

Man hat ihn geradezu den Oviraptor (Eierräuber) genannt, und da es sich doch um Eier des kleinen Drachen Protoceratops handelte, im Beinamen den Philoceratops, den Ceratopsidenfreund. Ein Osterhasenmärchen der Urwelt nach so viel wildem Gigantensturm.

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