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»Wo gehst du denn hin, Aennele?«
»Na, zur Frau Pate, weißt du denn das nicht? Heute ist ja Sonntag.«
»Ach so. Du hast's freilich gut.«
Es war ein Knabe im Alter zwischen acht und neun Jahren, der diese Rede mit seiner etwa ein Jahr älteren Schwester führte. Er saß dabei auf der rohen Steinstufe, über welche diese stieg, mit dem Rücken gegen den morschen Thürpfosten gelehnt, und sah gelangweilt und gedankenlos aus. Das Mädchen blieb einen Augenblick bei ihm stehen. Es war ein hübsches, rundliches Ding mit einem offenen frischen Gesicht, das die Sommersonne gebräunt hatte, wie gleicherweise die nackten Füße, welche das rote, neben dem Saum mit zwei grünen Litzenstreifen geputzte Wollkleidchen nur bis zu den Knieen deckte. Das Kleid war ohne Zweifel noch ziemlich neu, ebenso das um den Hals geschlungene dunkelgrüne Tüchelchen, das Kind selbst sauber gewaschen und gekämmt; sein gelbbraunes Haar fiel in zwei knappen Zöpfchen in den Nacken.
Der Anzug hatte, obwohl er als Sonntagstracht gelten mußte, immerhin etwas Auffallendes neben der elenden Hütte aus Lehm und Fachwerk, über welcher struppig und moosig das wohl seit Menschengedenken nicht ausgebesserte Strohdach lag wie ein recht schäbiger, eingedrückter, schmutziger Vagabundenhut – neben dem alten blauen Linnenkittel und den wie mit Erde angestrichenen Beinkleidern des Jungen. In diesem Hause kaufte man schwerlich so schmucke Sachen.
Die braunen Augen des Jungen, welcher der Schwester ähnlich sah, nur daß sein Gesicht an Stelle der harmlosen Offenheit dieser etwas Mißmutiges und Jungenhaft-Trotziges hatte, schielten halb verächtlich, halb begehrlich nach dem Prachtstaat der Schwester, indes er die Hände um das eine Knie faltete und sich ein wenig vornüber wiegte.
»Ich kann doch nichts dafür, daß die Hermesbäuerin meine Pate ist und mir ein rotes Gewand schenkt, und daß ich Sonntags bei ihr auf ihrem Hofe sein darf. Meine andre Pate, die Schulzin, kümmert sich auch nicht um mich, als daß sie mir Ostern eine Mandel Eier und ein paar Stücke Kuchen giebt.«
»Lauf nur hin,« sagte der Junge; »es freut dich doch, daß du's besser hast, als ich. Was wird's heute mit der Großmutter zu essen geben? Erdäpfel und Salz. Derweil thust du dir mit Speckklößen gütlich und hast gar einen Braten dazu, und Kaffee trinkst du auch. Bring mir wenigstens Stachelbeeren mit! Ob du's gut hast! Ich müßt' mir's stehlen, wenn ich auch einmal was schlecken wollte. Aber das thue ich nicht. Ich brauche ja nichts zu schlecken, für mich ist einmal nichts gewachsen.«
Das Mädchen sah ihn bei dieser Rede teilnahmsvoll an.
»Nun red doch nicht so, Bernhard; ich bring dir ja etwas mit. Es ist mir schon verleidet, zur Pate zu gehen, weil du mir's nicht gönnst.«
»So geh doch nicht hin!«
»Das wirst du nicht verlangen, daß ich was Gutes nicht haben soll, weil du's nicht auch hast.«
»Dann kannst du ja laufen.«
Das Mädchen ging kopfschüttelnd davon. Der Bruder schielte noch einen Augenblick hinter ihr drein, dann legte er sich wieder bequem zurück und spitzte den Mund zum Pfeifen. Er schnitt ein Gesicht, als mache er sich aus der Welt nichts, und war doch innerlich voll Aerger. Dabei lachte der Himmel blau-lustig über dem freundlichen Thaldörfchen, die Junisonne schien ihm ins Gesicht, in dem Waldabhange gegenüber gab es ein ganzes Konzert; unzählig schlugen die Finken, und die endlos wiederholten Locktöne der Kohlmeisen klangen wie Cikadengeschrill.
Und es war Sonntag.
Als das Aennele ein Stück gegangen war, schlug die Glocke auf dem Kirchturm zum Kirchausgang an, und bald belebte sich vor ihr die feierliche Sonntagseinsamkeit der Dorfstraße: Bauern mit den hohen schwungvollen Krempenhüten, den roten Knopfwesten und langen blauen Sonntagsröcken, Frauen in bunter Festtracht, die älteren mit dem schwarzen steifen Bandaufsatz auf dem Wirbel, unterm Kinn verknotet und gehalten, Kinder, von denen einige die verkleinerte Tracht der Erwachsenen trugen und wie Zwerge aussahen – das alles hier ehrbar würdig schreitend, dort beweglich wie die Jugend, stumm oder im Gespräch, hier und dorthin nickend, winkend, rufend –
Es war ein so hübsches Dörfchen; überall Gärten, überall grüne Laubkronen: Linden, Eichen, Eschen, darin die Vögel pfiffen und schmetterten; überall wildes Grün und wilde Blumen. Die Häuser meist freundlich und sauber, braun-, grün- oder schwarzgestrichenes Balkenwerk mit weißgetünchter Füllung. Auf der staubigen Dorfstraße bald brennende Sonne, in welcher Falter und allerlei Geschmeiß sich tummelten, bald kühler Baum- oder Häuserschatten. In dem hellfließenden Bach, über welchen die alte gemauerte Brücke mit geschwungenem Bogen führte, schwammen, schnatterten Enten und Gänse und spielten die zahllosen Lichter, welche durch das umstehende Baum- und Strauchwerk fielen, und das Mädchen, das sich bis hierher durch die Kirchgänger bewegt hatte, blieb ein Weilchen stehen und dachte sich, wie erquicklich kühl es unter dem verschatteten Brückenbogen sein müsse, über dem dunkelnden, dunstenden Wasser da.
Sie war ohnehin nahe am Ziel – dort lag das Gehöft der Hermesbäuerin, ihrer Pate. Der Hausgiebel mit seinen grünen Läden und braunen Balken, mit dem roten Ziegeldach, aus dessen Schornstein der Rauch quoll, blickte gar stattlich auf die Straße; drüben lehnte der niedrige Anbau, der Wohnsitz für die Mutter des verstorbenen Hermesbauern. Die ganze Woche hindurch freute sie sich auf das Sonntagsleben in diesem Hause. Die beiden Frauen waren so gutherzig und freundlich und doch rechtschaffen vornehme Bäuerinnen, kräftig und klug und gottesfürchtig dabei, daß einem recht wohl und sauber und stolz bei ihnen zu Mute wurde. Ja – der Bernhard war schon übel daran, daß er nicht auch ein solch Sonntagsglück hatte, wie sie! Das gab zu essen und zu trinken – Milch konnte sie haben, soviel sie wollte. Da wartete ihrer Vieh und Geflügel, besonders jetzt das viele junge Volk, mit dem sich's so lustig umgehen ließ – und der Taubenturm mitten im Hofe, wo man den Tauben in die Nester sehen konnte, wie sie Eier gelegt hatten und possierlich nackte, gelbflaumige Brut sich umeinander wälzte – und der Garten erst! Selbst bei schlechtem Wetter gab es Unterhaltung; dann kramte die Hermesbäuerin die Bilderbücher ihrer verstorbenen Kinder hervor, ABC-Bücher und den Struwwelpeter mit dem Mohren und dem bösen Friedrich und – –
»Ei, Aennele, was stehst du da? Willst du sehen, wie das Wasser es anfängt, daß es ohne Beine läuft?« sagte plötzlich eine tiefe Frauenstimme neben ihr, die etwas Heiseres an sich hatte.
Das Mädchen drehte sich um und sah ohne Verlegenheit, mit zutraulichem Lächeln in das Gesicht einer kräftigen, festtäglich geputzten alten Bäuerin, der man die guten Verhältnisse und die Respektsperson auf den ersten Blick anmerkte. Das volle, kluge Gesicht rahmte ein Streifen stark ergrautes Haar ein, den die seidene Bandhaube nicht verdeckte; nur Oberkörper und Arme zeigten das rehbraune, schwarzgetüpfelte Wollkleid, welches von der Taille ab durch eine dunkelblaue Seidenschürze fast ganz umschlossen wurde.
Es war die Schwiegermutter der Hermesbäuerin. Das mit Metallspangen geschlossene Gesangbuch in ihrer Hand zeigte, daß sie aus der Kirche kam.
»Ich hab mich nur einen Augenblick verweilt, Frau Muhme« – so nannte das Aennele die Frau, weil sie nicht recht eine andre Bezeichnung für das vertrauliche Verhältnis zu ihr gefunden. »Warum? weiß ich nicht, außer daß ich in Gedanken kam. Ich möcht lieber schon auf dem Hofe sein und wissen, ob die Jungen der blauen Kropftaube jetzt heraus sind, und ob die Ferkel aus dem Hinterstall noch alle neun leben; zwei davon sind krank gewesen am vorigen Sonntag« –
»Da hast du ja eine ganze Litanei abzubeten; das hält die Brücke nicht aus, wenn wir zwei lange darauf stehen,« lächelte die alte Frau wohlwollend. »Unterwegs laß dir sagen, daß ich das mit den Kropftauben nicht weiß; aber die Ferkel sind gesund geworden. Dafür ist die Bäuerin krank und liegt zu Bette.«
»Ach!« seufzte das Mädchen betrübt.
»Ja, es ist aber nicht schlimm damit, sagt der Doktor, wenn sie auch Arznei schlucken muß. Es ist nur ein wenig Fieber gewesen und fast vorüber. Du kannst immer mitkommen und schaun, wie sie zu Bette liegt.«
Sie traten durch den Zaun in den schmalen Vorhof – der eigentliche Hof schloß sich hinten in großem Bogen an. In der Stube stand das Bett der kranken Bäuerin, welche die Eintretende lächelnd empfing, eine hübsche Frau, kaum in den Vierzigen. Am Fußende türmte sich der mächtige, braune Kachelofen mit dem Bildwerk der Anbetung, welches vier Engelsköpfe mit ihren Flügeln einrahmten; auf der Ofenbank saß sich's so gemütlich warm im Winter! Ueber dem Bette das Christusbild, das so prächtige Locken hatte, das braune Sparrenwerk mit dem Milchseiher und der Trockenleine, auf der beständig etwas hing – die braune Balkendecke, die sauber gescheuerten Stühle und Tische – alles begrüßte das Mädchen, wie wenn es zu ihrem Herzen sagte: Kommst du wieder einmal? Du hast ja wieder sieben lange Tage auf dich warten lassen! Und da saß ja auch Hurrle, die Katze –
Aber auf dem Tische stand die Medizinflasche und lag der Löffel, und vor dieser Zusammenstellung hatte das Aennele heillosen Respekt, seit sie in den Masern gelegen und selber hatte Medizin schlucken müssen. Sie schritt mit scheuem Seitenblick daran vorüber zum Bett, reichte der Kranken die Hand und sagte altklug: »Das ist nicht recht, Frau Pate, daß Sie krank sind. Ich möcht ein Doktor sein, da wollt ich Sie bald gesund machen.«
Die Muhme lachte ein wenig, indes die Kranke über das sauber geglättete, bräunliche Haar des Mädchens strich: »Da thätst du Lakritzensaft und Honig und Speckknödeln verordnen.«
»Na, so dumm bin ich schon nicht, das möcht einem Gesunden gut thun, aber nicht einem Kranken,« rief die Kleine schlagfertig.
Die Bäuerin bog sich mit einiger Anstrengung vor und küßte sie auf den frischen Mund. »Das ist ein Advokat, ein verflixter; dazu hättest du eher getaugt, du schnappriges Züngele. Wenn du nur größer wärest, könntst du heute statt meiner in der Wirtschaft helfen und zuschaun, was uns das Bärbele für ein Essen herstellt – oder vielmehr euch, denn ich darf nur Wassersuppe essen.«
»Was du sagst?«
»Ja, soll ich, Frau Pate? Ich thu Gries hinein und versalze auch nichts; oder soll ich Habergrütze nehmen?«
Das Aennele sah so stolz und eifrig aus.
»Geh, sag's dem Bärbele, sie soll dich kochen lassen!«
Und glücklich lief die Kleine hinaus.
Die Frauen lächelten hinterdrein. »Mutter,« sagte endlich die Bäuerin im Bett, »lest mir mein Lieblingslied: Befiehl du deine Wege. Es ist mir ganz ungewohnt, daß ich nicht in der Kirche war, und gar nicht so recht sonntäglich ohne Gottesdienst und ein frommes Wort.« Die alte Frau nickte, griff in die Tasche und zog ihr Brillenfutteral heraus. Die runde Hornbrille auf der Nase, saß sie dann auf dem Holzstuhl und las, während die Bäuerin mit gefalteten Händen dalag und andächtig zuhörte. Allmählich aber nahmen deren Augen einen sinnenden Ausdruck an, und als die Lesende aufhörte und die Brille auf den Tisch legte, sprach sie:
»Es geht mir etwas im Kopfe herum, Mutter. Wir zwei hausen so allein dahier. Mein Mann ist tot und das Heiraten mir verleidet. Kinder habe ich nicht und doch habe ich sie so gern. Es ist mir ordentlich wie Sonnenschein, wenn Sonntags das Aennele zu mir kommt; es gefällt mir so wohl, ist ein sauberes, fixes und schmuckes Mädel und wird nicht lange dauern, da kann's mir ordentlich zur Hand gehen. Nun ist das gar so ein armes Waisending; die alte Becherin kann nicht viel mehr schaffen und stirbt unversehens einmal hinweg – ich laß nachher das Aennele doch nicht unter fremde Leute, und da mein ich, es wäre schon jetzt das beste, ich nähme sie bald zu uns auf den Hof. Das wäre mir und dem Kinde eine Freude, und ich glaube, Ihr habt auch nichts dawider.«
Die alte Frau sah einen Augenblick nachdenklich auf das Gesangbuch in ihrer Hand.
»Ueberleg dir's. Wenn du noch einmal heiratetest, könnte dir das Kind leicht unbequem werden, und es wär nicht recht, daß du es erst wie etwas Besseres hieltest und danach, wenn es seinen Sinn hoch gestellt hat, wieder in seine Armut zurückgäbst.«
»Nein, nein, ich heirat sicher nicht wieder, trotz des Bastian, meines Großknechts, der mir angetragen hat, er möcht Bauer werden« – die Bäuerin lächelte dazu – »ich hab zu lange allein kommandiert, als daß ich wieder unter Manneswillen treten möchte. Man sollte freilich die Geschwister wohl nicht auseinander thun; aber so ein Junge kommt schon gut oben auf, wenn er das Zeug dazu in sich hat, ich glaub eher, daß es ihm schadet, wenn man ihn weich bettet. Zwei wär mir zu viel. Mit einem Jungen hat man lange Arbeit, ehe es Früchte trägt, ich möcht mich damit nicht beschweren.«
»Mir ist's schon recht, Tochter,« erwiderte die alte Frau. »Ich habe so gut meine Freude an dem Mädel wie du. Halt dir offen, daß du es weggiebst, wenn es nicht brav bleibt. Jetzt läßt sich nichts wider das Kind sagen, es taugt in der Schule und im Hause, und mir ist's wie ein Trunk kühlen Wassers, wenn ich's vor mir sehe.«
Die Frauen schwiegen. Es war so sommerlich und sonntagsstill in der reinlichen Bauernstube; die Katze putzte sich, die Fliegen schnurrten am Fenster, durch welches der Sonnenschein hereinfiel. Wie ein feierlicher Segen lag es über den Minuten, in welchen über eine Kinderzukunft entschieden worden war.
Da tappelten draußen Kinderfüße vor der Thür, und sie ging auf: »Frau Pate, da hab ich die Suppe schon fertig. Das Bärbele hat mir nichts geholfen, bloß zugegeben hat's mir alles« – und vorsichtig trug das Aennele den vollen Teller in den Händen herein.
»Was magst zusammengebraut haben! Hast auch Asche eingerührt und Ruß drauf gestreut?«
»Na, Muhme, das thät ich nicht einmal der Katze an. Das Bärbele sagt, sie wäre gut so.«
»Komm einmal her, Aennele,« lächelte die Bäuerin. »Wenn mir die Suppe schmeckt bis auf die letzt, dann sollst du alle Tage hier auf dem Hofe sein, und die Nächte dazu, und sollst zu mir Mutter und zur Muhme Großmutter sagen dürfen.«
Das Mädchen stand mit großen Augen still, und in seinem frischen Gesichtchen zuckte es, als wisse es nicht, ob es lachen oder weinen solle. Der Teller in den Händen zitterte, daß es Mühe hatte, ihn ungefährdet an das Bett zu bringen.
»Ach Gott, ach Gott,« sagte sie in ihrer Herzensaufregung. »Es wird schon schmecken, Frau Pate!«
Die Bäuerin legte sich auf die Seite, richtete den Kopf hoch und nahm vorsichtig mit dem Löffel aus dem Teller, den das Aennele hielt. Mit tiefer Angst in den Augen verfolgte die Kleine Löffel um Löffel, und wenn die Bäuerin einen Augenblick innehielt, stieß sie einen schweren Seufzer aus. Die Alte auf dem Stuhle rührte sich nicht; sie hielt die Hände um das Gesangbuch gefaltet und blinzelte still belustigt zum Bette hinüber.
Immer tiefer stand die Oberfläche der Suppe im Teller, immer größer wurde die Wand desselben. Das Aennele bog ihn vornüber, daß die grünen und roten Blumen und der schöne Spruch auf dem Grunde: Trink und iß, Gott nicht vergiß! – zum Vorschein kamen. Wieder bebten die Finger des Kindes: noch drei Löffel vielleicht – zwei – jetzt nahm die Kranke den Rest der Suppe zusammen. –
»Mutter,« stammelte Aennele, »Mutter!«
Der Teller fiel aus den Händen und zersprang auf dem Boden in Scherben, sie selber sank am Bette in die gefährliche Nähe dieser Scherben hin und brach in ein helles Schluchzen aus.
Als das Mädchen abends heimkehrte, flog sie. Ihr Gesicht strahlte, und sie lachte in sich hinein, und manchmal blieb sie stehen, preßte die Hände auf die Brust und schloß die Lippen fest, um nicht aufzuschreien. Es war eben ein großes Glück, das sie mit nach Hause brachte. Junge Burschen und Mädchen gingen die Dorfstraße auf und ab und sangen, ältere Leute saßen vor den Gehöften auf kahlen Bänken oder im Bereich von Bäumen, die wohl wie Lauben gezogen waren – singt ihr nur, dachte sie, oder sitzt ihr nur und schwatzt: wenn ihr wüßtet, wer ich bin! Ich komme auf einen Bauernhof. Sie zweifelte nicht, daß der Hermeshof der reichste im Dorfe sei, obschon sie darin irrte.
Da lag das Lehmhäuschen mit dem graugrünen struppigen Moosdach, das an zwei Stellen so baufällig eingesunken war; und das Haus neigte selber so bedenklich nach der Waldseite hinüber, wo immer der Lehm ausbröckelte. Vor der Thür saß die Großmutter, eine morsche und mürbe Greisin, mit blöden Augen in den Himmel blickend, über dessen Abendgrau noch rosige Wölkchen zogen; neben ihr Bernhard, ein Stück Brot in der Hand, das er mit den Zähnen und mit einer halb abgebrochenen Messerklinge bearbeitete.
»Großmutter, Großmutter, die Pate will mich ganz auf den Hof nehmen, morgen will die Muhme kommen und dich drum fragen!«
»Jesus, das ist ein Glück,« sagte die Großmutter. »Du wirst noch eine Bäuerin. Eine gute Frau, ich sage immer, eine gute Frau!«
Und sie wackelte mit der welken Kinnlade.
»Hast du Stachelbeeren mitgebracht?« fragte der Junge, der blaß geworden war, aber that, als ginge ihn die Sache nichts an.
»Ja – da – da, alle Taschen voll. Nun kannst du mich des Sonntags besuchen.«
»So?« fragte er. »Und wer gibt mir gute Kleider? Du wirst freilich jetzt alle Tage wie eine Prinzessin herumgehen, und ich, daß mich der Haderlump ausziehen möchte.«
»Sei doch nicht so mißgünstig. Jetzt kannst du's auch so haben, wie ich vorher. Ich habe schon gefragt wegen Sonntags.«
»Und die Kleider?«
»Danach habe ich freilich nicht gefragt.«
Bernhard steckte die Stachelbeeren sorgfältig in die Tasche und holte dann und wann ein paar zu einem Bissen Brot heraus.
»Ich soll die Krumen kriegen wie die Hunde. Und wenn sie wollen, jagen sie mich fort. Du bist freilich lieb Kind bei ihnen und kannst thun, was du willst.«
Die Anna machte zunächst ein bitteres Gesicht. Er konnte ihr keine Freude unvergällt lassen! Doch zwang sie den Wermut hinunter. Die Großmutter freute sich ja mit ihr, der versprach sie, daß sie schon dies und das für sie erbitten werde, damit sie's besser hätte, als jetzt.
Die Muhme vom Hermeshofe kam andern Tags und nahm das Aennele mit sich. Der Junge drückte sich zur Stube hinaus, als die Bäuerin eintrat; draußen steckte er die Hände in die Tasche und lief pfeifend den Waldweg hin.
»Die hat das Glück, und ich habe keins,« gingen seine Gedanken. Was war daran zu ändern?
Das Aennele lebte als Kind auf dem Hermeshofe. Fast täglich besuchte sie die Großmutter. Der Vater der Kinder war Waldheger gewesen, über Gebühr dem Trunk ergeben, und das Trinken war auch wohl schuld, daß er einen unglücklichen Fall gethan, der ihm das Leben gekostet – die Mutter hatte der Schreck krank gemacht, und sie war nach Bernhards Geburt ebenfalls gestorben. Die alte Frau, welche dies Elend überlebt, kam sich jetzt plötzlich wie in ein Himmelreich versetzt vor: das Aennele, welches anfangs nicht so recht den Mut hatte, für den dürftigen Hausstand in der Waldhegerhütte Vorrat zu erbitten, sparte sich heimlich Butterbrot, Speck, Wurstscheiben, Obst vom Munde ab, um es zur Großmutter zu tragen.
Der Junge nahm mürrisch seinen Anteil davon, und jeder Bissen schien ihn feindseliger gegen die Schwester zu stimmen. Er behandelte sie, als ob sie das größte Unrecht an ihm begangen hätte, da sie sich drein ergeben, ein Bauernkind zu werden und ein reicheres Leben zu führen, als er. Für ihre Freundlichkeit und Zuthulichkeit, die ihn versöhnen wollte, hatte er nur verdrießliche Reden, welche sie bis zu Thränen kränkten und verletzten.
»Ich kann doch nichts dafür,« sagte sie.
»Natürlich nicht,« warf er höhnisch hin, »das weiß ich wohl.«
Was war da weiter zu reden?
Das Aennele schüttelte den Kopf und war traurig, was den Jungen wiederum heiter stimmte. Dann tauchte doch die natürliche Fröhlichkeit der Schwester auf, und nun war es sofort mit seiner guten Laune vorbei.
Er mußte arbeiten, das Aennele seiner Meinung nach nicht. Sie arbeitete doch, machte sich hier und da in der Wirtschaft und im Garten nützlich, fuhr auch, das Kopftuch über dem glänzenden Haar, mit dem Leiterwagen auf das Feld, und hackte im Schweiß ihres Angesichts und glühend vor Eifer – niemand erhob Einspruch dagegen, seit der Großknecht, der sie anfangs als unnützes Möbel grob beiseite gestoßen, dafür von der Bäuerin eine derbe Zurechtweisung erfahren hatte. Des Jungen ganze Arbeit bestand darin, daß er Holz und Ziegenfutter zusammentrug, denn die Zeit, wo Bauern die Kinder zum Rübenausziehen und Kartoffelhacken oder zur Kartoffelernte mieteten, war vorüber oder noch nicht gekommen.
Auf den Hermeshof ging er nur am ersten Sonntag. Er zeigte sich so unfreundlich, ärgerte sich so sehr über alle die Herrlichkeiten, zwischen denen die Schwester nun alle Tage walten konnte, daß er selber es für geraten fand, sich zeitig am Nachmittage davonzumachen, nachdem er sich im Garten die Taschen mit Beeren und Frühbirnen gefüllt.
Es war an einem leuchtenden Abend, der Himmel voll Gold und Rosen, da der Junge einige Wochen später am Hermeshofe vorbei heimwärts strich. Er hatte von der Erlaubnis, die das Aennele erwirkt, Gebrauch gemacht: Gras von einer frisch geschnittenen Wiese heimzuholen, welche zum Bauernhofe gehörte – sonst hätte er's mühsam von Grasrainen absicheln müssen. Hinter ihm kamen Pferde, aber es fiel ihm nicht ein, sich umzudrehen und nach ihnen zu sehen. Auf der Brücke begegnete er der Luttergrete, einer dürftigen alten Person, welche bei dem Maulwurfsfänger und Mäusevergifter des Dorfes, der ihr Bruder war, lebte – der Junge kannte sie sehr wohl, denn er war mehrmals die letzten Herbste mit den Geschwistern Hamster graben gewesen; aber so übellaunig war er, daß er ohne auf ihre Ansprache zu achten vorbeiging. Jetzt hörte er drüben die Pferde am Bach halten und in das Wasser plätschern.
»He, Bernhard, willst du reiten?« fragte die Stimme eines Knechtes, den er kannte. Er war bei dem Schulzen bedienstet.
Der Junge drehte sich um, das Angebot war verlockend. Er trieb zwei Enten, die vor ihm watschelten, mit einem Fußschlenker rascher in das Wasser, ließ die Pferde herankommen und sagte:
»Ich habe aber meine Kiepe auf dem Rücken.«
»Um so besser für dich,« war die Antwort, »da brauchst du sie nicht selber heimzutragen.«
Der Knecht hatte seinen Spaß an dem Einfall, den Jungen mit der Graslast auf das Pferd zu setzen, stieg ab und half ihm auf den Schimmel hinauf. Das gab in der That ein so lustiges Bild, daß gleich die ersten Begegnenden stehen blieben und lachten.
»Bist ein armer Bursche,« sagte im Weiterreiten der Knecht, der es hinter den Ohren hatte. »Möchtest wohl auch lieber deine Schwester sein, die jetzt auf dem Hermeshofe wie ein Bauernkind gehalten wird, he?«
»Brauchst mich nicht noch zum besten zu halten; wenn ich mich ärgern will, thu ich's allein.«
»Na,« meinte der Knecht, »utzen will ich dich nicht. Aber es ist doch so. Ja, wer das Glück hat, fällt vom Dache und findet unten einen Geldsack. Die Weiber helfen immer lieber den Mädeln als den Buben. Ist auch ein sauberes Ding, das Aennele! Möchtest nicht anfragen bei deinen Paten, ob dich nicht auch jemand zu sich nehmen will? Ich glaube, der Schulze thät es am Ende. Oder – wen hast du noch?«
Der Junge sah den Knecht schieläugig an, ob er im Scherz spräche – der aber schaukelte gleichmäßig auf seinem Braunen und verzog keine Miene.
»Der Müller ist noch mein Pate.«
»Der?« sagte der Knecht. »Der thut's noch viel eher. Der hat ja keinen Jungen, bloß die zwei kleinen Mädels.« –
Bernhard trug sein Gras heim, nachdem er beim Schulzenhofe abgestiegen war, stürzte die Kiepe im Stalle um und setzte sich hinter demselben auf einen großen Feldstein.
Er hatte Kourage bekommen nachzudenken, ob er nicht auch einen solchen Glückssprung machen könne, wie das Aennele. Wenn es der Knecht, der Gottlieb, für möglich hielt, weshalb sollte er nicht? Bis jetzt war ihm der Gedanke freilich wie etwas aufgetaucht, um das er sich vor den Leuten schämen und auslachen lassen müsse, wenn sie's ihm anmerkten. Es schien aber, daß die Leute den Gedanken ganz und gar nicht lächerlich fanden.
Er genoß im voraus die Freude, Sohn beim Schulzen oder Müller zu sein: wen er davon am liebsten wählen würde, war zu erwägen, vorläufig dachte er sich bald bei dem einen, bald bei dem andern. Es war ihm vergnüglich und triumphierend zu Mute dabei; das Aennele hatte nichts mehr vor ihm voraus, und er stimmte sich ordentlich gnädig und freundlich gegen sie. Beim Schulzen war es jedenfalls stattlicher im Hofe. Er hatte sich vor einiger Zeit ein neues Haus gebaut, ganz aus Ziegelsteinen, die Gänge auf seinem Hofe waren gepflastert. Außerdem war er die Respektsperson im Dorfe. Dafür besaß der Müller eine Wassermühle mit zwei Rädern, ringsherum prachtvolles Gebüsch, in dem mit Vorliebe Vögel nisteten, den größten Obstgarten und Pfauen, die sonst niemand im Dorfe hatte. Auch war die Müllerin netter und freundlicher, als die Schulzenfrau, welche als genau galt und gern keifte.
Das Zünglein der Wage neigte dem Müller zu.
Der morgende Tag war ein Sonntag, sehr geeignet, Besuche abzustatten – Bernhard beschloß, es mit dem Müller zu versuchen.
Der Junge vergaß zu essen. Er saß und dachte über seinen Hoffnungen bis in die Dunkelheit, und erst im Bette kaute er ein Stück Brot, das er rasch an sich genommen.
Als der Müller am nächsten Tage aus der Kirche kam, sah er Bernhard mit den Mädchen im Hofe stehen, vor dem Pfauhahn, welcher in der Sonne sein Rad schlug und gravitätisch balanzierte.
»Na, sieht man dich auch einmal?« sagte es hinter dem Rücken des Jungen. Der fuhr herum, indes die kleinen Mädchen hinzusprangen und sich an die Rockschöße des Vaters hingen; seine Kourage fiel auf einmal wie Thermometerquecksilber, wenn man kaltes Wasser über das Glas gießt.
»Guten Tag, Pate,« stammelte er bloß. »Ich möcht schön – bitten – –«
»Bitten? Was denn?«
»Meine Schwester, die Anna, ist jetzt auf dem Hermeshofe, da hat sie die Bäuerin hingenommen, daß sie immer dort bleiben soll, weil sie die Pate von dem Aennele ist. Ich möcht schon auch, daß ein Pate mich zu sich auf den Hof nähme. Ich kann gewiß auch so sein, wie meine Schwester.«
Der Müller lachte. Er war ein großer, starker Mann mit einem glattrasierten, sonnenbraunen Gesicht und grauem Haarbusch darum, der ihm wie mehlbestaubt ließ, und seine Art war freundlich. Auch sein Lachen klang jetzt nicht bös; aber für den Jungen bedeutete es doch eine Enttäuschung.
»Das geht nicht so, mein Sohn, wie du denkst. Die beiden Weibsleute, die keine Kinder haben, können schon so einen Zeitvertreib zu sich nehmen. Bei mir macht das Umstände. Und was soll aus der Großmutter werden? Die muß doch versehen werden; bleib du nur als braver Bursch bei ihr, daß sie doch jemand hat, wenn ihr was zustößt! Du kannst ja manchmal in die Mühle herkommen und dich ordentlich satt essen. Vielleicht daß auch von meinen Sachen einmal was bleibt herzurichten für dich, ich will mit der Müllerin reden. Dawider hab ich nichts.«
Der Junge war noch blässer geworden, und die Thränen standen ihm nahe. Er kaute an den Fingerspitzen. Das war alles, was der Müller ihm anthun wollte? Das war ja noch nicht einmal so viel, wie das Aennele früher auf dem Hermeshofe gehabt.
»Bist du etwa schon beim Schulzen gewesen, und hast den auch gefragt?« meinte der Müller, dem der Junge leid that. Bernhard schüttelte den Kopf.
»Da spar dir den Weg nur, wenn du ihn etwa vorhast; die Frau Bas auf dem Schulzenhofe ist nicht die beste, und du möchtest schneller wieder hinauskommen, als du hineingekommen bist. Ihre Kinder leben ohnedem vom Wind wie der Dudelsack. Na, gräm dich nicht drum, wenn du auch kein aufgenommenes Kind wirst! Etwas besser will ich schon für dich sorgen, als seither. Hast schon was zu essen gekriegt von der Müllerin?«
»Ja, ein wenig,« sagte der Junge.
»So sollst du mehr haben – oder willst aushalten bis Mittag? Es dauert nimmer lange.«
Bernhard nickte.
Er sollte mit den Mädchen spielen, versuchte es auch, aber seine Augen waren so starr und abwesend, er selber so wenig bei der Sache, daß die Mädchen von ihm abließen und ihm unversehens aus den Augen waren. Er ging den Hof hinunter, mit der Hand mechanisch an den Balken des Kuhrings hinstreifend. Hinter einer Scheune war ein Schuttberg aufgehäuft, die Trümmer eines abgebrochenen Ställchens, darauf wuchsen dunkelgrüne Hollundersträucher. Dorthin lenkte er seine Schritte, setzte sich zwischen die Sträucher in die Sonntagsstille und den Sonnenschein und wischte sich immer und immer wieder über die Augen.
Er war innerlich zerschmettert. Er hatte kein Glück! Da lag nun das ganze Kartenhaus, das er sich im Geiste aufgebaut; der Knecht des Schulzen hatte ihm falsche Hoffnungen vorgespiegelt, und er schämte sich, daß jemand von seinem Mißerfolg erfahren könnte. Warum ging ihm nichts gut aus?
Er mußte wieder in das verfallene Hegerhaus, zu der unbehilflichen alten Großmutter zurück, und das Aennele lebte in schönen Kleidern und im Ueberfluß und wohnte auf einem Bauernhofe. Warum mußte er gerade allein für die Großmutter sorgen, warum nicht die Schwester auch? Sie hatte ihn allein gelassen mit der alten Frau, um für ihre Person ein gutes Leben zu führen.
Das war's, das war das Unrecht von ihr, das er ihr schuld geben konnte. Ob sie mehr in den Haushalt brachte, als man je darin gehabt, kümmerte ihn nicht.
Jetzt, wo er keine Hoffnung mehr hatte, es ihr an Glück gleich zu thun, gar keine – da erbitterte er sich ganz. Er wollte nun auch ganz ärmlich leben, ganz schlecht werden. Das Aennele wollte er nicht mehr ansehen, kein Wort mehr mit ihr reden – –
Eine Raupe kam an einem Faden herunter: er griff danach und drückte sie tot. Er fing eine goldgrüne Fliege vom Blatt und zerdrückte sie ebenfalls.
Um die Thür vor dem Müllerhause lief eine Art schmale Holzlaube mit Pfeifenkraut bewachsen. Oben war ein Dach, unter dem Dach hing eine Glocke. Dieselbe läutete plötzlich. Das hieß: »Zum Essen kommen!«
Bernhard sprang auf und lief den Schutthaufen hinab. Seine Vorsätze, was das ärmliche Leben betrifft, waren vor diesem Geläut gefallen, wie die Mauern von Jericho vor Josuas Trompeten.
Als Bernhard vom Müller heim kam, brachte er ein Bündel mit, in dem sich Kuchen, Eier, Speck befanden, dazu ein schmales Brotlaib unter dem einen Arm. Das war ein beschwerliches Wandern. Das Brotlaib gab er der Großmutter, das Bündel trug er auf den Boden. Die Mäuse fraßen ihm nichts davon, die hatten sich längst aus dem Hause gewöhnt, meinte er.
Am andern Morgen hatten die Mäuse das alte Tuch der Müllerin durchnagt, den halben Kuchen und eine gute Portion Speck gefressen. Nur die Eier waren unversehrt.
»Natürlich, ich soll einmal nichts haben,« sagte der Junge.
Er holte wütend den Kuchenrest hervor und aß ihn auf. Die Eier versteckte er im Ziegenfutter, den Speck hing er an einem Faden zum Dache hinaus. Er aß die ganze Woche von den Vorräten, niemand sonst.
Außer diesen Vorräten brachte er noch etwas mit aus der Mühle: seinen kindischen Entschluß, den Zorn und die Feindschaft gegen die glücklichere Schwester allerwegen festzuhalten, und die Ueberzeugung, daß dieselbe ein höchst undankbares, unkindliches und eigennütziges Geschöpf sei.
Gegen Abend kam sie wieder. Der Junge hatte eben eine Graslast eingetragen, war ermüdet, lungerte draußen vor dem Hause umher und schlug mit dem »Liederbuche«, aus dem er lernen sollte, die Fliegen an der Wand tot.
»Was willst du hier?« sagte er, sie ohne Erwiderung ihres Grußes mit bösen Augen messend. »Scher dich auf deinen Bauernhof, auf den du gehörst. Du gehörst nicht zu armen Leuten.«
»Pfui,« meinte die Schwester, ganz blaß vor Erregung, »du bist doch so schlecht, daß es gar nicht zu sagen ist. Ich möchte wissen, was ich dir zuleide gethan habe. Der Neid frißt dich noch auf.«
»Hoho,« machte er verächtlich, »denkst du, daß mich der Müller nicht auch zu sich nähme, wenn ich nur wollte? Er hat mir schon gesagt, daß ich so oft zu ihm kommen kann, wie ich will, und will mir auch Kleider geben. Aber ich verlasse die Großmutter nicht, so wie du.«
Das Mädchen war einen Augenblick verwirrt von dem Vorwurfe. Der Junge merkte das und benutzte seinen Vorteil.
»Siehst du, daß du nichts sagen kannst? Was hätte denn die Großmutter, wenn ich auch auf einen Bauernhof ginge?«
»Ich weiß nur, daß ich auch geblieben wäre, wenn jemand dich hätte haben wollen, und ich wollte gern heut wieder hergehen, wenn du fortgingst,« sagte jene, sich fassend.
»Du hast gut reden. Wer's glaubt! Ich nicht, darum bleibe ich lieber.«
»Das ist mir leid, denn da habe ich keine Freud mehr, herzugehen. Deinetwegen komme ich gewiß nicht wieder, und was ich in der Tasche für dich hatte, will ich nur wieder mitnehmen.«
Bernhard stutzte. Er hatte Lust, einzulenken.
»Der Großmutter gönnst du's wohl nicht?« warf er hin und schob sich um die Hausecke.
Seine Rede hatte doch einen Stachel in dem Mädchen zurückgelassen. Sie klagte es der Großmutter, sie fragte, ob sie lieber zurückkommen sollte. Allein die alte Frau bekam einen solchen Schrecken über den Gedanken, daß sie fast die Sprache verlor, und endlich sprudelte sie die heftigsten Zornesworte über den gottlosen und »meschanten« Jungen heraus, der ihr Unglück wolle, denn jetzt hätte sie es so gut, wie nie vorher.
Das beruhigte denn das Aennele – das Mädchen fühlte wenigstens, daß der Vorwurf nicht ganz stichhaltig sein könne, wenn sie sich auch nicht Rechenschaft geben konnte, warum?
Sie nahm sich vor, dem Bernhard aus dem Wege zu gehen, nicht mehr mit ihm zu reden, bis er ein anderer sein würde gegen sie.
Er wurde aber kein anderer.
Er stritt nicht mit der Schwester. Zu Anfang wartete er wohl noch ihr Kommen ab und warf bissige Bemerkungen hin, die sie hören mußte: »Macht Platz, die Prinzessin kommt!« oder »Was doch die vornehmen Leute gut sind! Wenn sie nur nicht schmutzig werden bei uns armen Leuten, sie haben so schöne rote Röcke an« – damit pflegte er sich davon zu machen. Später war ihm das langweilig. Er that, als sähe er die Schwester gar nicht, und ging weg, ohne ein Wort zu verlieren. Das war ihr lieb.
Auf den Hermeshof kam er nie; er ging dafür in die Mühle, wo man wirklich sich seiner annahm. Er lag so viel dort, daß die Großmutter weniger mit ihm zusammen war, als mit dem Aennele, Essen und Schlafen abgerechnet. Zuerst war es nur die Umgebung, der Hof, der Obstgarten, was ihn reizte, dann auch die Müllerei. Er stöberte die Mühle von hinten bis vorne durch, ruhte nicht eher, als bis er genau wußte, wie sie ihre Arbeit verrichtete, und konnte stundenlang zusehen, wie das weiße Mehl oder die Kleie hervorkamen.
»Er wolle auch ein Müller werden,« erklärte er eines Tages dem Paten, und der meinte, wenn er Lust behielte, bis er aus der Schule entlassen sei, so würde sich das schon machen.
Eines Tages ging das Schicksal der beiden Kinder einen großen Schritt weiter.
Das Aennele kam zu Abend in das Vaterhaus, da fand sie vor der Thür zwei Frauen aus der Nachbarschaft in eifrigem Gespräch, und die Thür stand offen. Als die Frauen sie erblickten, wurden ihre Mienen ernster, und es lag betrübte Teilnahme in dem Kopfnicken, mit dem sie das Mädchen begrüßten.
»Deine Großmutter ist tot, Aennele,« sagte die eine. »Es ist ein Segen für die alte Frau; sie war doch recht mürb schon.«
»Ach Gott,« machte das Kind, und die Thränen flossen ihm in die Augen, »ist denn der Bernhard da?«
»Nein, der ist davongegangen. Er wird sich gegraut haben. Ich wollte deine Großmutter fragen, ob sie nicht eine Tasse Kaffee mit drüben bei mir trinken wollte, da lag sie in der Stube und war vom Stuhl gefallen. Wir haben sie aufs Bett getragen. Geh du zum Schulzen und zum Herrn Pastor, daß sie's wissen.«
Aber das Mädchen ging erst in die Stube und sah sich die arme alte Frau an, der sie im Körbchen noch Butter und Pflaumenmus mitgebracht hatte. Sie stellte ihr Körbchen auf den Boden, kniete an dem Bette nieder und betete, daß der liebe Gott die Großmutter in den Himmel aufnehmen möchte. Dabei flossen reichliche Thränen aus ihren blanken Augen. Das Fenster stand offen, von draußen sahen die Frauen zu und fanden die Trauer des Kindes so rührend, daß sie mitweinten.
Das Aennele ging zum Schulzen und zum Pfarrer und dann nach Hause, wo sie herzliche Teilnahme und Trost fand. »Nun bist du ganz meine Tochter,« sagte die Hermesbäuerin, und dann ging sie für sich hinaus in den Garten und überlegte. Am Abend, als das Mädchen zu Bett gegangen war, hielten die beiden Frauen wieder einen ernstlichen Rat ab.
»Sie ist so brav, wie man sich nur eine Tochter wünschen kann, und ein so hübsches Kind. Ob der Schabhals, der Herrenhäuser, unser Geld auch noch einsteckt, daran liegt mir nichts, Mutter,« sprach die Bäuerin. »Wenn ich das Kind ganz annehme, gibt's eine rechtschaffene Bauerntochter, die einem ordentlichen Menschen zu was Rechtem verhelfen kann.«
»Thu, was du willst,« gab die Aeltere als Schluß ab. »Mir soll's recht sein. Der Herrenhäuser hat sich, seit wir zwei allein hausen, nicht mit einem Finger um uns gekümmert und uns nur üble Nachrede gemacht. Er meint, es muß sein, daß er erbt. Das braucht's aber nicht. Meine Liebe zu ihm geht auf einen Stecknadelkopf.«
Die Bäuerin fuhr in die Stadt, und das Aennele bekam Trauerkleider für das Begräbnis. Als das Begräbnis vor sich gehen sollte, trafen sie in dem Hegerhause auch den Müller und den Bernhard; der letztere sah wenig betrübt aus, eher schien es, daß er ein Vergnügtsein unterdrückte. Und sobald es insgeheim anging, trat er zu dem Aennele hin und sagte leise: »Jetzt hast du dein Glück nicht allein, jetzt hat mich der Müller auch zu sich in die Mühle genommen, das ist mir schon zehnmal lieber, als auf so einem Bauernhof.«
»Jetzt neidest du mich doch auch nicht mehr und bist doch wieder gut und nicht mehr so gehässig wie vordem?« sprach sie rasch und in aller Trauer froh.
»Nein, meinetwegen kannst du jetzt auf dem Hermeshof sein soviel du willst. Ich werd ein Müller.«
»Wegen dem Mädchen braucht sich kein Mensch mehr eine Sorge zu machen,« sprach in diesem Augenblicke die Hermesbäuerin laut zum Pfarrer. »Die hab ich bei mir gehabt und werde sie nicht bloß behalten, sondern adoptieren, daß sie wie mein rechtes Kind ist und den Hof erbt.«
Bernhard riß die Augen auf: was war sein Glück nun gegen dieses! Er brauchte eine ganze Weile, ehe er seinen Kopf von dem Erschrecken befreien konnte. Grade jetzt das, wo er stolz war, endlich dasselbe zu haben, wie sie! Von einem Erben der Mühle war natürlich keine Rede bei ihm – oder doch?
Er trat mit raschem Entschluß von hinten an den Müller heran, der gleich den übrigen Anwesenden glückwünschend vor der Schwester stand, und zupfte ihn.
»Erbe ich auch einmal die Mühle, Pate?« fragte er leise.
»Nein, mein Sohn,« lächelte der Müller. »Solch ein Glück habe ich nicht zu verschenken.«
Bernhard schlich in eine Fensterecke und sah zu den Scheiben hinaus. Er war innerlich voll Galle, seine Augen gingen irre und ausdruckslos umher.
»Natürlich, ich hätte mir's denken können: sie kriegt alles, ich gar nichts.«
Das Begräbnis war ihm so gleichgültig, wie seine Aufnahme in die Mühle. Er wäre am liebsten davongelaufen; und dabei mußte er bald nachher an der Hand des Müllers hinter dem Aennele, welches die Bäuerin führte, das ganze Stück zum Kirchhofe gehen! Er dachte an nichts, als an sein Mißgeschick – der Gedanke ging ihm wie ein Mühlrad im Kopfe herum.
Mit der Versöhnung, dem »wieder gut« sein, war es natürlich aus. Er ging der Schwester wieder stumm aus dem Wege, allenfalls mit höhnischer Miene – gelegentlich, wenn sie zusammen aus der Schule kamen, stieß er sie wohl auch und sagte dann: »Weg da!« Er wuchs körperlich in die Länge wie Breite und versprach ein kräftiger Bursche zu werden, hatte auch etwas Rauhes und Gewaltthätiges an sich, seit er in der Mühle gut gehalten und gefüttert wurde. Uebrigens war er schon ein halber Müllerbursche, dem man gern aus Bequemlichkeit auf ein Stündchen die eigene Arbeit in der Mühle anvertraute, was seiner Schulbildung nicht eben förderlich war.
Nach der Konfirmation der Schwester sah er sie fast gar nicht mehr, ärgerte sich aber noch ein Jahr lang, daß er zur Schule gehen mußte, während sie frei war. Er hätte ja ebensogut der ältere sein können! Dann war er jetzt konfirmiert, und sie ging noch in die Schule.
Endlich schlug auch ihm die Stunde, welche er als eine Erlösung betrachtete. Im Konfirmationsanzuge wanderte er nach alter Unsitte, eine kurze Pfeife im Munde, singend neben den Kameraden durch den Ort, und zwar vor dem Hermeshofe jedesmal wie triumphierend wohl zehnmal hin und her. Dabei schrie er öfter: »Wer mich ärgert, der kriegt's noch, jetzt frag ich nach niemand mehr!« Er gebärdete sich ordentlich, als wäre er berauscht, und er war es auch: vom Gefühl seiner Freiheit.
Hinter der Gardine hätte die Schwester stehen müssen, meinte er, und sich vor ihm fürchten. Er bemerkte aber nichts von ihr, und sie war in der That zwar bei der Konfirmation in der Kirche gewesen, nach Tische aber mit der Mutter in die Stadt gefahren.
Ein paar Jahre vergingen, ohne daß sich an dem Verhältnis der beiden Geschwister irgend etwas geändert hätte.
Bernhard war als Müllerbursche thätig, anfangs mit Lust und Eifer, dann ermüdend, und, als der Müller straffere Saiten anzog, verdrossen, bis er endlich in der Arbeit Schritt vor Schritt gehen lernte. Später, da die Lehrzeit sich ihrem Ende nahte, fing er an, Hoffnungen zu hegen, die ihn wieder ein wenig guter Laune machten. Er konnte ja künftig der Schwiegersohn des Müllers werden, dann übergab ihm dieser doch einst die Mühle, und das Aennele hatte nichts mehr vor ihm voraus! Die beiden Mädchen des Müllers wuchsen heran – ein paar Jahre zu warten, das verschlug ihm ja nichts. Er beschäftigte sich viel mit den Kindern, wenn er Zeit hatte, und sie hatten ihn gern.
Das Aennele trauerte über den Haß und die Mißgunst ihres einzigen Bruders, der an ihr vorüber ging, als hätten sie nicht das mindeste miteinander zu thun, und den sie doch nicht mehr den Mut fand um Erneuerung ihres geschwisterlichen Verhältnisses anzugehen. Die Frauen benutzten eine Gelegenheit, um eine Einwirkung des Müllers auf seinen Pflegling zustande zu bringen, und dieser fragte denn auch ernstlich, ob er so schlecht sei, der Schwester ihr Glück nicht zu gönnen, oder ob er ihr aus einem anderen Grunde zürne? Natürlich gestand er nicht zu, daß er »so schlecht sei«, schon um sich die gute Meinung des Müllers zu erhalten. So log er: Die Anna hätte immer mit ihrem Glück geprahlt und ihn verspottet, als müßte er ein armer Knecht werden und noch einmal auf ihrem Hofe dienen; nun wolle er nichts mehr von ihr wissen, sie sei ihm ganz zuwider geworden.
»So sähe sie ihm gar nicht aus,« sagte der Müller.
Aber als Bernhard bei seiner Aussage blieb, zuckte er die Achseln: »Da könne er nicht weiter drein reden. Besser wäre es freilich, er vertrüge sich mit dem Mädchen.«
Und das Aennele weinte über die Lüge, und die Frauen glaubten ihr, der Versöhnungsversuch aber war mißglückt.
Das hübsche, große Mädchen, welches daheim immer kräftiger in die Wirtschaft mit eingriff, genoß bald auch die Freuden der erwachsenen Jugend so frei und stattlich, wie eine reiche Bauerntochter. Nichts Anmutigeres hatte der Tanzboden des Dorfwirtshauses aufzuweisen, als sie; keine andere besaß so dickes Haar, so blitzende Augen, so frische Hautfarbe, so viel Leben und muntere Grazie, wie die Erbin des Hermeshofes. Das schneidige Zünglein ihrer Jugend war ihr ebenso treu verblieben, wie die kernige Gesundheit Leibes und der Seele und die herzgewinnende Offenheit ihres Wesens. Was Wunder, wenn unter den ledigen Burschen des Dorfes sich die besten um ihre Neigung bewarben und sie heimzuführen gedachten. Doch kümmerte sie sich wenig darum, sie gehörte auch nicht zu den Mädchen, welche in jeder Spinnstube zu finden waren, so daß man ihr leicht hätte nahe kommen können, sondern führte mit den beiden Frauen des Hermeshofes für gewöhnlich ein zurückgezogenes Dasein.
Der einzige, mit dem sie öfter plauderte, war der Besitzer des Nachbargrundstückes, ein junger Mann, der weder zu den reichen und angesehenen Burschen im Dorfe, noch, wie es schien, zu den Bewerbern um das Aennele zählte. Er bewirtschaftete nur ein kleines Gütchen, das kaum zwei Pferden Arbeit gab; indes verstand er, seinen Besitz trefflich nutzbar zu machen, obwohl er von Haus aus gar nicht zum Landmann bestimmt gewesen war, sondern das Gütchen nur infolge des Todes seines im Kriege gefallenen älteren Bruders geerbt hatte. Er selbst war einer Neigung zur Musik gefolgt und hatte einige Jahre hindurch in der Residenzstadt bei einer Militärkapelle das Waldhorn geblasen; dann aber hatte er diesen Beruf ohne Besinnen aufgegeben, als er unerwartet Grundbesitzer geworden, hatte sich rasch in der Landwirtschaft umgesehen und war klüger und weitblickender heim gekommen, als es die heimischen Bauern waren, welche im alten Schlendrian ihrer Vorfahren dahinwirtschafteten.
Man hielt im Dorfe nicht viel auf den »Musikanten«, der sich seinerseits wenig nach andern Leuten umsah, dafür fleißig und sparsam seine Zeit ausnutzte und, statt, wie man erwartete, in der Schenke mit aufzuspielen, nur für sich in seinem Gärtchen zur Abendzeit bisweilen seiner Kunst pflegte. Dieses Gärtchen mit seiner Fliederlaube stieß aber an den großen Garten des Hermeshofes, und er hatte nichts dagegen, wenn er in der Laube saß und bald rührende, bald muntere Weisen in den dämmernden Sommerabend blies, daß die Frauen im Nachbargarten ihre Herzensfreude an den Tönen hatten und andächtig zuhörten. Es war ihm auch nicht unlieb, daß die Hermesbäuerin, welche ihm in seiner Jugend manches Gute angethan, den Verkehr wieder anknüpfte, und die Gegenwart des Aennele bei ihren Gesprächen war sicherlich keine unangenehme Zugabe. Nicht daß er den Umgang mit den Frauen geflissentlich aufgesucht hätte – er ließ sich gewöhnlich erst von ihnen anrufen, spielte nie ungebeten, sobald er sie in der Nähe wußte, war so bescheiden und hatte doch so viel gesehen und wußte so viel und so unterhaltlich zu erzählen.
Er war zugleich ein hübscher Mensch, schmächtig, aber kernig, mit ernsten blauen Augen und einem Schnurrbärtchen, das ihm einen städtischen Anstrich gab, wie denn sein ganzes Benehmen wenig von seiner dörflichen Herkunft verriet. Die Frauen des Hermeshofes waren jedenfalls in seinem Lobe einig, und zwischen den beiden älteren fielen kluge Blicke, welche heimlich von dem Aennele zu dem jungen Hubert Haushofer hinüber spannen, als wollten sie sagen: das wären zwei für einander.
Es kam die Pfingstzeit.
Die Gärten des Walddorfes standen in der Obstblüte, daß der Duft hin und her wehte; die Bäume und Büsche hatten ihr junges Grün, und es wimmelte von Vögeln – alles war wieder da, bis zu Pirol und Kuckuck.
In der Nacht vor dem Pfingstsonntage ging ein geschäftiges Treiben durch das Dorf: es schien, daß die sämtlichen jungen Burschen auf den Füßen waren. Hier und dort in der Dorfstraße stand oder kauerte es im halben Mondschein, schweigend oder halblaut redend, scherzend, lachend: grub, hämmerte, darüber rauschten und schüttelten Aeste voll Laub – Pfingstmaien, welche jungen Mädchen vor das Haus gesetzt wurden, einzelne so groß, daß die Spender alle Mühe hatten, sie zu regieren. Hinter den Fenstern lauschte manch frisches junges Gesicht, das schon wochenlang im Gedanken an diese Nacht besorglich und beklommen dreingeschaut hatte – klopfte manches Herz in Hoffnung, Stolz, Enttäuschung. Die Beglückte, der jene Riesenmaien galten! – drei auf einmal standen sie vor dem Schulzenhause. Und die Arme dort, um welche sich niemand bemüht, vor deren Hause morgen spöttische Gesichter vorüberspazieren werden! Wie viel Glück wurde in dieser Nacht gesäet, wie viel Kummer für ein ganzes Jahr!
Müßige zogen hin und wider, um zu spähen, wer hier, wer da beschäftigt war, Scherze flogen aus, Scherze oder Scheltworte kamen zurück, es fehlte nicht an Zank.
Am Ende des Dorfes, vor dem Hermeshofe, kniete in aller Stille ein Mann und hämmerte unter sichtlicher Anstrengung eine stattliche junge Birke in den Boden. Es war der Haushofer, der »Musikant«. Der Schatten des Hauses verschleierte seine Arbeit. In der Stube hatte sich leise die Gardine verschoben: die großen klugen Augen des Aennele spähten heimlich in die Mondnacht und strahlten und lachten gar befriedigt und glücklich über dem Rascheln und den kräftigen Beilschlägen, welche die Keile um den Stamm eintrieben.
Jetzt stand der junge Mann auf, das Beil in der Hand, und trat prüfend zurück: wie eingewurzelt ragte die Maie in die Luft. Noch ein Blick nach dem Fenster, an dem sich nichts regte, dann ging er zu seinem Höfchen hinüber und begab sich in den Garten, wo die weißen Blüten im Mondlicht schimmerten und die Luft so lau mit Duft ging. Das Aennele aber saß am Fenster auf einem Stuhle und faltete die Hände im Schoße und blickte zu seiner Maie hinüber.
Plötzlich hörte sie halblaut sprechen: zwei Burschen schlenderten den Weg vom Dorfe her, hielten ein Dutzend Schritte vor der Maie an und tauschten kurze Reden, welche wohl sehr lustig sein mußten, denn der eine knickte ein wenig in die Knie und schlug im Uebermut auf die Schenkel. Sie glaubte den andern zu erkennen: diese derbe, große Gestalt – war es ihr Bruder Bernhard oder nicht?
Die beiden Burschen verschwanden wieder; einige Zeit war es still bei dem Hermeshofe. Das Mädchen saß noch immer da, trotz der Müdigkeit, welche sie überkam: eine Empfindung wie eine bange Ahnung quälte sie und mischte sich trübend in ihre Freude. Es war ihr, als ob das Erscheinen der zwei jungen Leute nichts Gutes für sie bedeute.
Und da – sie schrak aus ihren Träumen auf: etwas raschelte draußen; dieses Etwas lag als ein kleiner Haufen neben der Maie und die Burschen, die plötzlich wieder dort standen, hielten den Stamm der Maie mit den Fäusten gefaßt und rüttelten jetzt daran, um ihn zu lockern. Sie hätte aufschreien mögen, zum Fenster hinausrufen, den Haushofer herbeiholen: man wolle ihre Maie aus dem Boden reißen! Aber ihr jungfräuliches Empfinden verbot ihr, sich bemerklich zu machen. Mit angstvollen Augen, das Herz voll Empörung, starrte sie hinaus auf den Unfug, sah, wie der Stamm sich bog, wie die beiden ihn in den Händen hielten und auf den Boden niederlegten; und nun begann eine heimliche, knisternde, raschelnde Arbeit: sie nahmen von jenem Haufen und banden auf die Maie – was? Sie strengte die Augen an, aus denen alle Müdigkeit entwichen – war das nicht Stroh? Strohwische?
Ein wahres Entsetzen erfaßte sie. Das war nichtswürdig, galt für die größte Schmach, was man ihr anthun wollte. Und wer that es? Ihr Bruder, ihr leiblicher Bruder, der sich in häßlichem Neide schon längst ihr als Feind gegenüberstellte. Denn das dort war Bernhard, sie zweifelte nicht mehr daran – er band und band so eifrig, als könne er die Zeit nicht erwarten, sie dem Hohngelächter preiszugeben. Das ganze Dorf sprach sicher morgen von nichts, als von dem Schimpf, der ihr geworden.
War das nicht zu ändern? Sie konnte nichts dabei thun; sie konnte weder jetzt die beiden an ihrer Unthat hindern – ihre Kraft reichte nicht aus, ihr Wort würde nur Spott geerntet haben – noch später die wiederbefestigte Maie aus dem Boden reißen. Sie konnte einen Knecht zur Hilfe nehmen – aber dann wußte morgen doch das ganze Dorf, was geschehen war. Wo war der Haushofer, daß er für sie eintrat? Ach Gott – und wenn er kam, und wenn die beiden Burschen Gewalt gegen Gewalt setzten? Wer würde siegen?
Sie rang die Hände im Schoße, die Sinne wollten ihr vergehen, nur mühsam hielt sie sich aufrecht.
Draußen wurde der Strohwischhaufen kleiner und kleiner, die beiden, welche sich allmählich sicherer fühlten, arbeiteten geräuschvoller, sprachen immer ungenierter; jetzt richtete sich einer auf, nun der andre – kam denn niemand, sie zu stören? Wie, wenn sie die Bäuerin weckte? Die wäre wohl sicher hinausgegangen, ihnen den Text zu lesen; aber ob sie damit Eindruck auf die Burschen machte? Ob nicht Lärm entstand? Es graute ihr vor einem Skandal; am Ende fand sich noch ein Ausweg, die Spuren der Beleidigung in aller Stille zu beseitigen. Wenn nur der Baum nicht so hoch gewesen wäre! Selbst wenn sie einen Stuhl zur Hilfe nahm, war es für sie nicht möglich, bis in die Spitze zu langen und das Stroh herabzunehmen. Wenn der Haushofer im Garten war? Es überkam sie, daß sie aufsprang und hinaustrat, leise und doch wie beflügelt.
Sie ging durch den Hof. Die Hunde bellten auf und beruhigten sich winselnd. Sie durchschritt den Garten bis an den Zaun, da, wo drüben die Haushofersche Laube anstieß.
»Haushofer,« rief sie.
In der Laube rührte sich nichts.
Sie rief lauter, daß man es in dem Gärtchen drüben hören mußte. Aber alles blieb still, und sie kehrte in stummer Verzweiflung in die Stube zurück.
Da hörte sie einen unterdrückten Lärm draußen und flog an das Fenster: es waren drei Menschen da, zwei davon in heftigem Ringen begriffen. Sie vernahm wütendes Schnaufen, gedämpfte Zornlaute.
»Faß zu,« sagte die heisere Stimme Bernhards. »Ich kriege ihn allein nicht unter.«
»Mach ihn zuerst müde, nachher komme ich dran,« war die Antwort des andern, der müßig zusah.
»Gieb den Hammer her!«
Eine blitzschnelle Bewegung – der Knäuel fiel zu Boden.
»Schurke!« rief eine Stimme, »das soll dir nicht gelingen.«
Haushofers Stimme! Er rang mit dem Bruder – was sie gefürchtet, war eingetroffen. Jetzt war es um ihre Schüchternheit geschehen; sie riß das Fenster auf: »Bernhard, Bruder, um Gottes willen – Haushofer« – – sie sprang mit rascher Wendung zurück und lief hinaus, um sich zwischen die Kämpfenden zu stellen. Aber schon hörte sie einen Schrei, ein wildes Davonstürmen – –
Ihre Sinne verließen sie, und sie sank bei der geöffneten Stubenthür ohnmächtig auf die Dielen.
Als sie die Besinnung wiederfand, war noch alles still um sie. Mit wirren Sinnen starrte sie in das Dunkel, bis ihr plötzlich das grelle Bild des Erlebten vor die Seele trat. Ihre Angst kehrte zurück, sie erhob sich und setzte ihren Weg zur Hausthür fort.
Draußen war der Mond weiter vorgeschritten, der Platz vor dem Hause beleuchtet. Klar erkennbar lag die umgestürzte Birke da mit den häßlichen Strohwischen im Laube, und dort daneben der dunkle Körper des Haushofer. War er tot?
Das junge Mädchen schrie laut auf vor Entsetzen, sie hatte nicht den Mut hinzugehen. Umkehren in das Haus, treppauf in die Kammer der Bäuerin laufen, war das Werk einer halben Minute.
»Mutter, Mutter, drunten vorm Hause liegt der Haushofer; der Bernhard, mein Bruder, hat ihn im Streit erschlagen!«
Die Bäuerin, welche nach dem Hofe zu schlief und deshalb von dem Geschehenen nicht geweckt worden war, richtete sich jählings auf.
»Das ist doch wohl nicht zu glauben! Ich stehe auf und komme gleich hinunter, Anna. Ach du lieber Gott, der arme Mensch!«
Und sie tastete nach ihren Kleidern und zog sich hastig an, während das Mädchen mit schluchzenden Worten erzählte. Als sie unten ankamen, kniete ein Knecht des Hermeshofes, welcher seither ebenfalls im Dorfe geweilt, bei dem Haushofer und hatte ihn halb aufgerichtet.
»Der hat ordentlich was abgekriegt, Bäuerin,« sagte er; »ich möcht' nicht der sein, der's gethan hat.«
»Ist er tot?«
»Das schon nicht.«
»So wecke rasch noch jemand, daß ihr den Armen in sein Haus tragt; dann lauf zum Schäfer, daß er nachsieht, und nachher spannst du an und fährst in die Stadt zum Doktor.«
Um dieselbe Zeit stand ein Mensch an dem Lattenzaun, der zwischen der Mühle und einem Stallgebäude den Mühlhof gegen den Wald hin abschloß. Ein großer Hund hielt bei ihm und heulte abgebrochen schwach auf. Der Mensch warf ein Bündel über den Zaun, dann rief er dem Hunde ein beruhigendes Wort zu, kletterte auf den Zaun und schwang sich hinüber. Drüben raffte er das Bündel auf, sah sich noch einmal scheu um – im Mondlicht konnte man das verstörte Gesicht Bernhards gewahren.
»Das ist eine dumme Geschichte,« murmelte er. »Wenn sie mich kriegen, geht mir's schlecht.«
Er wandte sich dem Walde zu und verschwand in der Dunkelheit zwischen den Stämmen.
»Gott machte dem Kain ein Zeichen, daß ihn niemand totschlüge, wer ihn fände.«
Mancher meint, Gott hätte dem Brudermörder damit eine Wohlthat erzeigt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Er sollte nicht sterben, sondern büßen. Er sollte unstet und flüchtig sein und gejagt von den Vorwürfen seines Gewissens, gequält von dem Bilde des erschlagenen Bruders, in Furcht vor allem, was ihm in der Wildnis begegnete, ewig die Strafe vor Augen und doch nie gestraft, und eben damit die schwerste Strafe tragend, die ihm werden konnte.
Das bedeutet das Kainszeichen, und solch ein unseliges Kainszeichen trug Bernhard mit sich herum, wenn er auch nicht gerade ein Brudermörder war.
Als er in das Waldgebirge hineinlief, wußte er nicht, was er angerichtet hatte, ausgenommen, daß er den Haushofer mit dem Hammer niedergeschlagen; die Wut des Augenblicks hatte ihm den Hammer in die Hand gedrückt.
War der Haushofer tot? Dann hatte er viele Jahre Zuchthaus zu gewärtigen. Blieb er am Leben? Schweres Gefängnis wartete aller Berechnung nach seiner auch dann; er wußte, daß er einen kräftigen Hieb gethan!
Die Nacht würde kaum vergehen, sagte er sich, dann würden die Gendarmen sich auf den Weg machen, nach ihm zu suchen.
Bernhard war keine jener trotzigen Naturen, welche ihre Gewaltthaten, wenn sie geschehen sind, auch mit dem Herzen vertreten und ihre Folge wie etwas Selbstverständliches auf sich nehmen. Er war voll heimlichen Entsetzens über das Darniederschlagen des »Musikanten«, und die Haare sträubten sich ihm bei dem Gedanken an das Gericht. Und welche Hoffnungen büßte er mit seiner That ein! Was er sich von seiner Zukunft in der Mühle geträumt hatte, war mit einem Hammerschlage zerschmettert: dorthin gab es keine Rückkehr für ihn. Er war vogelfrei; jeden Bissen, den er essen wollte, mußte er sich jetzt selber beschaffen, jeden Fuß breit Boden, den er betreten durfte, mit Angst und Vorsicht wählen. Jetzt war er ein armer Wurm gegen seine Schwester.
Dahin hatte ihn der Neid gebracht.
Er beneidete sie nicht mehr. Er war innerlich geschlagen und geängstigt, daß kein anderes Gefühl als die Not um seine Lage in ihm Platz fand. Er ergab sich darein, daß er der Besiegte, sie die glückliche Siegerin sei.
Er wußte nicht, wie wenig glücklich sie zunächst war, wieviel Thränen sie weinte, bis der Schäfer die Wunde untersucht und verbunden hatte, bis der Arzt kam und wenigstens eine schwache Hoffnung gab, und nachher noch, als die Krankheit des Haushofer sich lange und langsam hindehnte.
In dem Bündel hatte er Wäsche und Geld mitgenommen, soviel er sich erspart. Nahrungsmittel wären ihm freilich lieber gewesen, damit er nicht gleich sich vor Menschen hätte zu zeigen brauchen. Er stolperte mit seinem Bündel auf Wegen herum, die er nicht kannte: so besinnungslos hatte ihn die Angst gemacht, daß er nicht einmal einen Plan entwerfen konnte, wohin er den Fuß setzen wollte. Nur der eine Gedanke schwebte ihm vor: in das Fränkische hinüber, nach Bayern zu laufen.
Der Mond sank, der dann und wann noch seinen Fluchtweg erhellt; es wurde für ein paar Stunden stockfinster unter den Bäumen. Das Gehen war beschwerlich – der junge Missethäter hatte schon geraume Zeit Weg und Steg verloren. Dazu überfiel ihn allmählich die Müdigkeit. Gewaltsam schleppte er sich vorwärts, über knisternde Blätter und brechendes Reisig, bis er umsank und einschlief. Kaum, daß der Himmel hell ward, so wachte er plötzlich wie von heftigem Schrecken auf, raffte sich empor und wanderte weiter. Vernahm er Stimmen, so durchfuhr es ihn wie ein Blitz, und er stand steif da, bis sie verklangen; kam er in eine bebaute Gegend, so floh er schleunig waldeinwärts. Nur einmal wagte er, vom Hunger gepeinigt, in ein grünes Thal hinabzusteigen, wo ein einzeln am Wege liegendes Wirtshaus sichtbar ward. Er schob seinen Hut verwegen auf die Seite, nahm eine zuversichtliche Haltung an und ließ sich ein halbes Brot und zwei Würste geben. In das Brot bohrte er mitten durch ein Loch, erbat sich eine Schnur, zog diese hindurch und trug das Brot wie eine Tasche über die Schultern gehängt; die Würste nahm er in sein Bündel. An Wasser fehlte es im Walde nicht.
Mit diesen Vorräten konnte er lange einsam durchs Gebirge streichen. Er that es, mit tausend Aengsten, die Richtung nach Süden mit Hilfe der Sonne suchend. Endlich –
Eines Tages trat er aus dem Walde und unter ihm lag ein Fluß, tief im Thal. War das der Main?
Er sah zwei Mühlen, soweit er den Flußlauf verfolgen konnte. Durch die Mittagsglut stieg er den Abhang hinunter zwischen niedrigem Buschwerk, in dem man einzelne Buchen hatte stehen lassen. Er stieß auf einen abwärts führenden Weg, traf tief unten auf zwei Kinder, welche Blumen pflückten, und fragte sie nach dem Namen des Flusses.
»Ja, das ist der Main,« hieß es.
Er atmete auf: so hatte er das Bayerische erreicht. Aber was nun thun? Weiterwandern? Immer fort, soweit, bis er sicher sein konnte, daß er hierher nicht verfolgt ward? Er dachte an die Gendarmen, die allenthalben hin und wider streifen und von den Leuten Pässe und Auskunft fordern, auch in Bayern; je länger er wanderte, desto mehr war er in Gefahr, von einem solchen angehalten zu werden. Am besten, er suchte sich so schnell wie möglich irgendwo zu verdingen. Ob aber als Müller? Würde man nicht in den Mühlen am ehesten nach ihm forschen? Er war so verschüchtert, daß er schon zum voraus in jedem zweiten Menschen einen Verfolger witterte, daß er sich hinter keinem Gebüsch sicher glaubte, daß ihm zu Mute war, als wäre die halbe Welt damit beauftragt, ihn für das Zuchthaus einzufangen.
Aber er taugte nun einmal zu nichts, als zum Müller.
So stieg er hinab und fragte in der ersten Mühle um Arbeit. Man hatte keine für ihn. In der zweiten der nämliche Mißerfolg. Das entmutigte ihn nicht: waren hier zwei Mühlen dicht bei einander, so gab es den Fluß hinauf sicher deren noch mehr. Er kam zur dritten und vierten: er wurde abgewiesen. Nun kroch er in das Gebüsch, vergrub die Hände in das Gesicht, welches rot und aufgedunsen von der Tageshitze aussah, und dachte: »Natürlich, ich habe kein Glück. Ich wollte, ich wäre tot statt des Haushofers.«
Er schlief im Gebüsch, andern Morgens zog er weiter. Und als ob es das Glück darauf abgesehen hätte, sich vor ihm zu rechtfertigen: er fand eine Mühle, und in der Mühle eine Unterkunft.
Er war wieder bergauf gestiegen, steile Felsen über sich, unter sich Weinberge, tiefer den schmalen Uferpfad und den Fluß. Die Gegend wurde belebt, Häuser da und dort, Schleppkähne und Flöße im Flusse, rechts tauchte ein großes Dorf auf. Oben, wo er ging, ragten vor ihm felsumschlossen die Trümmer einer alten Burg, Mauerreste und die Hälfte eines Turmes. Teufelszwirn und Ginster wucherten im Gestein und in der wüsten Umgebung. Er stieg zu dem Vorsprung hinauf und betrachtete die Gegend. Da klopfte sein Herz: das erste Haus da unten, ein rechter alter grauer Kasten von Haus, der doch etwas bäuerlich Anheimelndes hatte, schien eine Mühle zu sein, wenn er dem Geräusch trauen durfte, das von jenseit des Hauses zu ihm herauf drang und das er für Mühlengeklapper und Räderrauschen hielt.
Er stieg mit innerlichem Bangen von der Ruine nieder, auf einem schmalen Wege, der durch Weinanlagen führte und in einen Laubengang auslief. Tief unten bog er zum Flusse zurück, hier überbrückte den ein alter Thorbogen, jedenfalls zu der alten Befestigung der Burgumgebung gehörig. Das graue Haus war an diesen Thorbogen angebaut.
Ein Weinberghäuschen lehnte sich an den Fels, wo der Laubengang anfing, und vor dem Häuschen saß auf einer Steinbank eine junge Frau mit einem Kinde, in bäuerlicher Tracht, den Ankömmling musternd. Der blieb in einiger Verlegenheit stehen und sah die Frau an.
»Ist das eine Mühle da?« fragte er endlich.
»Ja.«
Er sah zu Boden und dann wieder zu der Frau auf.
»Um Vergebung, können Sie mir wohl sagen, ob da ein Müllerbursche gebraucht wird?«
»Sind Sie einer?«
»Ja.«
»Es könnt' wohl sein. Ich bin die Müllerin.«
»Wenn Sie doch den Müller für mich angehen wollten. Ich hätt' zwar keine Zeugnisse, aber er soll's mit mir probieren.«
»Den Müller brauch' ich nicht anzugehen, Gott hab' ihn selig, der ist tot,« war die Antwort. »Kommen Sie mit hinunter, ich habe schon dem Vermieter gesagt, daß er mir noch jemand in die Mühle suchen soll; die Leute schaffen's nimmer.«
Der junge Bursche hatte die Augen feucht: sein Herz war mürbe genug, daß es der Glücksstrahl beben machte. So mochte er etwas Rührendes für die hübsche junge Müllerin haben, ungeachtet, daß er ein gar nicht übler, kräftiger Mensch von Aussehen war. Sie warf jedenfalls teilnehmende Blicke auf ihn, während sie, das kleine Mädchen auf dem Arme, neben ihm durch den verwitterten Thorbogen und dann die anschließende rohe Steintreppe hinabstieg. Sie wollte wissen, wer er sei, und woher? Und er nannte mit stockender Stimme und einem plötzlichen Einfall folgend den Namen: »Gottlieb Baier aus Oberbach im Sächsischen. Ich bin mit einem gewandert, der mir mein Wanderbuch gestohlen hat und davongegangen ist.« Dabei wurde er feuerrot.
»So was kommt vor; es giebt doch recht schlechte Menschen,« meinte die junge Frau treuherzig.
Und wirklich: Bernhard blieb in der Mühle, lebte hier still für sich und war so fleißig, wie er in seinem Leben noch nicht gewesen, gleichsam als müsse er dadurch einbringen, was ihm sonst an Beglaubigung für seine Tüchtigkeit fehlte. Er ging nie mit den andern Burschen aus, zu Vergnügungen, in die Wirtshäuser. Er behielt immer ein Gefühl, wie wenn er sich in jeden Schatten ducken, sich hinter jeder Mauer und jedem Busch vor Menschen bergen müsse. Die frühere Rauheit und Roheit seines Wesens war gänzlich verschwunden; eher hatte er etwas zu Schüchternes und Melancholisches an sich, so daß ihm die Müllerin heimlich schon zugesetzt hatte, er müsse etwas auf dem Herzen haben und solle es ihr doch beichten – es könne doch so schlimm nicht sein, er sei gewiß ein guter Mensch. Dann hatte er den Kopf geschüttelt und gemeint: ihm könne niemand helfen.
Wenn er nur wenigstens hätte erfahren können, wie es in der Heimat stand? Ob der Haushofer tot war? Aber das ging eben nicht. Jede Bemühung um Kunde in dieser Richtung konnte zu seiner Entdeckung und Festnahme führen. Er zitterte, daß der Zufall jemand aus der Heimat in seinen Weg führen könne. Und dennoch geschah es! Zum mindesten war der Mann, der da eines Tages mit seinem Planwägelchen am Ufer, wo Bernhard Fischruten stellte, hinfuhr, zweifellos der nämliche alte Hausierer, dem er mehrmals in der Mühle daheim Kram für die Kinder des Paten abgekauft hatte. Der Alte starrte ihn an, er den Alten – just da jener auf ihn zukommen wollte, gewann er die Geistesgegenwart, sich von ihm wie von einem Fremden abzuwenden und ihn damit für den Augenblick in seiner Vermutung irre zu machen.
Er konnte die Nacht darauf nicht schlafen, und manche angstvolle Tage und Nächte noch folgten dem Ereignis. Er wäre am liebsten fortgegangen, wäre er nicht zu weich in der Mühle gebettet gewesen und hätte er nicht doch heimlich sich an die Hoffnung geklammert, der Alte wäre von seinem Verdacht abgekommen und habe ihn wieder vergessen.
Es war etwas, was ihn noch stärker hielt: er schien der Müllerin nicht minder zu gefallen, wie sie ihm gefiel. Sie hätte schwerlich nein gesagt, wenn er die Frage gewagt hätte, ob sie seine Frau werden wollte. Aber das ging ja nicht an, wie gern er auch mochte. Er hätte Zeugnisse aus seiner Heimat bringen müssen, um mit ihr getraut zu werden.
Eines Tages sprachen die zwei nun doch miteinander darüber. Es war eine bitter schwere Stunde für beide, als der Bernhard erklären mußte: er könne keine Papiere aus seiner Heimat schaffen, er wäre ein Verfolgter, dürfe keinem sein Geheimnis sagen, selbst ihr nicht, und sobald sie jemand merken lasse, daß es mit ihm nicht richtig sei, müsse er aus dem Hause, so weit, daß sie ihn nicht wieder auffände. Vergebens drang sie in ihn, er solle es wenigstens ihrem Beichtvater sagen, der vielleicht Rat wisse – aber Bernhard war nicht katholisch wie sie. Unter strömenden Thränen mußte sie sich endlich fügen, als er auf seinem Entschlusse, zu schweigen, beharrte.
Es folgte eine Zeit des Grämens für beide. Stumm gingen sie nebeneinander hin und wichen sich aus, soviel sie konnten. So traurig war dies, daß der junge Müllerbursche ernstlich erwog, ob es nicht doch besser sei, er ginge auf alle Fälle davon.
Eines Abends – es mochte ein halbes Jahr nach der Begegnung Bernhards mit dem Hausierer sein – kam der junge Mann vom Weinberg herab. Es war im Hochsommer, in der Gewitterzeit, und ein gewaltiger Guß hatte am Tage zuvor die Erde um die Stöcke dermaßen zerwühlt und zerspült, daß es droben zu thun gab, um die Terrassen wieder in Ordnung zu bringen.
Als er in das Haus trat, kam ihm die Müllerin mit dem müden Gesicht entgegen, das sie jetzt gewöhnlich zeigte.
»Ich habe auch eine neue Magd gemietet, die sich angeboten hat,« sagte sie. »Ein bissel vornehm sieht sie aus, aber sie greift rechtschaffen zu.«
»Es wär schon gut, wenn sie mehr taugte, als die vorige,« warf er hin und wollte weiter gehen, die Treppe hinauf. In diesem Augenblick kam es singend und summend von der Küche her.
»Müllerin, soll ich abrahmen?« fragte eine Stimme. Ein Mädchen stand in der Thür, in dem saubern, aber groben Anzug der Dienstleute, und Bernhard meinte in die Erde sinken zu müssen: das war das Aennele, seine Schwester.
Wie war die Anna in die Mühle am Mainflusse gekommen?
Den ersten Anlaß dazu hatte der Hausierer gegeben, wie Bernhard auf den ersten Blick vermutete. Auf seiner ausgedehnten Rundreise war derselbe erst vor noch nicht langer Zeit wieder in das Heimatdorf der beiden gekommen, hatte sich dort plötzlich der Begegnung erinnert und gegen die Schwester die Vermutung ausgesprochen: dort und dort, in der und der Mühle müsse ihr Bruder hausen, er wolle schwören, daß er ihn am Mainufer dabei stehen gesehen habe, wenn er auch sich unbekannt gestellt. Da war die Schwesterliebe und Sehnsucht nach dem einzigen Bruder, der ihre Gedanken seither immer beschäftigt, übergeflossen, sie hatte sich aufgemacht, im Wirtshause des Maindorfes sich einquartiert und vorsichtig die Augen umgehen lassen, bis sie heimlich den Bernhard gesehen.
Sie hätte am liebsten ihn gleich angesprochen und um den Hals genommen. Er sah so viel stattlicher und ernster als vordem aus. Aber sie fürchtete nicht mit Unrecht, er würde einfach gesagt haben: er kenne sie nicht, und damit wäre alles vorüber gewesen. So hatte sie es anders versucht, war, als sie ihn droben im Weinberge hatte arbeiten sehen, in die Mühle zur Müllerin gegangen, nachdem sie sich von einem Mädchen im Wirtshause schlichte Kleidung geliehen, und hatte gefragt, ob sie nicht einen Dienstboten suche – daß dies der Fall sei, hatte sie von dem nämlichen Mädchen erfahren. Die Müllerin hatte sie zwar von oben bis unten gemustert; es wollte sie mit einer so stattlichen Dienstmagd nicht geheuer bedünken. Doch war die Verabredung zu stande gekommen, da das neue Mädchen ebenso bescheiden wie munter aufgetreten war.
Und nun konnte der Bernhard sie wenigstens nicht so leichthin abschütteln.
Da standen die beiden einander gegenüber, und der junge Müller fror innerlich vor Entsetzen. Aber er gewann doch bald die Kraft, die Schwester gleichgültig zu mustern, sich von ihr abzuwenden und treppauf zu gehen – langsam, als hätte er nichts in sich, was ihn fortgetrieben, hinaus aus dem Hause, aus dem Dorfe, meilenweit. Und langsam öffnete er droben die Thür zu seiner Stube und schloß sie wieder, und nun sank er auf einen der alten braunen Holzstühle, und die Arme fielen ihm schlaff am Körper nieder.
Die Rache, die Strafe waren ihm auf den Fersen, sagte er sich. Was hatte er von der zu hoffen, die er so schwer verletzt und beleidigt hatte, seiner Feindin? Er meinte ordentlich den Triumph auf ihrem Gesicht gesehen zu haben. Ob sie der Polizei schon Mitteilung gemacht hatte? Ob das Haus schon beobachtet wurde, damit er nicht entwischen könne? Die Anna hatte sich natürlich nur als Dienstmagd eingeschlichen, um ihn sicher im Auge haben zu können und vielleicht auch, um ganz gewiß zu werden, daß er in der That der Gesuchte sei. Nun sollte er voll ernten, was er gesät hatte.
Ob er nicht wenigstens den Versuch machte, zu entfliehen? Vielleicht war es noch Zeit.
Er bebte innerlich vor Aufregung. Er hatte kein Glück! wiederholten seine Gedanken. Er mußte aus diesem Hause scheiden, wo er in vollem Maße hätte glücklich werden können; vielleicht zu jahrelanger Haft in Zuchthaus und Sträflingsjacke. Mit seinem Neid war es nun erst recht aus; er war nur sehr unglücklich, und der wahrhaft Unglückliche beneidet nicht.
Er zog seine besseren Kleider an. Als er in die Hausflur kam, hielt ihn das Gretele, das kleine Mädchen der Müllerin, an und begehrte mit ihm zu gehen. Er beschwichtigte das Kind und versprach ihm leise, daß er ihm »etwas mitbringen« wolle. Dann ging er hinaus. Vor der Hausthür schwankte er, ob er am Ufer hin oder durch das Dorf oder auf den Berg gehen solle. Das letztere dünkte ihm das beste: er kam da am nächsten in den bergenden Wald. So stieg er zu dem Laubengang hinauf, zwischen den Weinbergen weiter – und hielt wie vom Donner gerührt an.
In der Nähe der Ruine stand ein Polizeidiener.
Jetzt ergab er sich in sein Schicksal.
Er machte kehrt, schlich wieder in sein Zimmer, kleidete sich für die Arbeit um und suchte nun die Mühlräume auf. So ganz im Traume war er, daß er hier erst merkte, wie man die Arbeit eingestellt hatte.
Er postierte sich an eine Fensterluke, welche auf den Main hinaus ging. Die Sonne war längst hinter die Hügel drüben gesunken, der wolkenlose Himmel dämmerte leise, da fiel sein Blick auf einen Kahn, der seitwärts angebunden sich im Wasser wiegte. Ein Gedanke kam ihm: vielleicht, daß er die Dunkelheit abwartete und im Kahn die Flucht auf dem Wasser versuchte. Er konnte schwimmen – immerhin hatte er so die meiste Aussicht, sich zu retten. Mißlang es – nun, so mußte er's ertragen.
Zunächst wollte er in den Räumen hier bleiben; schwerlich suchte ihn hier jemand, um so weniger, als das Gretele wahrscheinlich gesagt hatte, daß er fortgegangen.
Die Minuten schlichen ihm träge dahin. Er hatte vollkommen Zeit, alle Qualen durchzukosten, welche der Blick auf seine Vergangenheit und Zukunft ihm bereitete. Dazwischen tauchte immer wieder das Bild der Schwester auf. Es war ihm doch leid, daß er sich so schnöde gegen sie benommen die Jahre hindurch, wo sie in der Heimat beisammen gelebt. Sie that wohl ganz recht, wenn sie's ihm jetzt heimzahlte. Er hatte damals auch jede Versöhnung abgewiesen.
Es raschelte um ihn – die Mühlmäuse spielten. Endlich kam auch eine Katze zu einer Luke herein, strich über den Boden an ihm vorbei, merkte ihn aber dann und schob sich schnurrend mit krummem Buckel an seinem Beine hin. Nun stutzte sie: eine Maus rührte sich, sie schlich davon. Er kam sich vor wie eine Maus, die Katze dünkte ihm ein Polizeidiener. Es graute ihm vor dem Tier, und als es wiederkam, stieß er's mit dem Fuße fort.
Jetzt war's wohl Zeit. Aber zuvor mußte er doch erst noch einmal auf sein Zimmer hinaufsteigen und die mehlstaubigen Kleider wiederum gegen die anderen vertauschen. Er brauchte zudem Geld, das er oben liegen hatte.
Er zog die Stiefel aus und ging in Strümpfen die Treppe empor. In dem Hause blieb alles still. Das Umkleiden war bald besorgt, das Geld eingesteckt; er löschte das Licht und trat hinaus auf den Korridor. Da ging eine der nächsten Thüren auf, und mit einem Lämpchen in der Hand kam die Anna heraus und auf ihn zu.
Er lehnte sich einen Augenblick gegen die Wand und schlug die Hände vor das Gesicht.
»Da bin ich, Bernhard,« hörte er sie munter sagen. »Ich dachte mir, daß du wenig Freude haben würdest, mich wieder zu sehen. Aber ich gehe hier nicht fort, bis ich deine Feindschaft gegen mich überwunden habe. Je älter ich werde, je schwerer wird mir's, recht glücklich sein, solange ich gewiß bin, daß mein Glück dir das Leben verbittert. Ich möcht darum schaffen, daß du mich recht lieb gewinnst, so wirst du mir's doch am Ende gönnen; und ich hab immer sagen hören, daß die Liebe zuletzt alle Feindseligkeit bezwingt.«
Der junge Müller nahm langsam die Hände von den Augen und sah sie ungläubig an.
»Heuchle nicht,« sagte er mit unsicherem Groll; »ich hab's an dem Polizeidiener auf der Burg droben gesehen, daß du hergekommen bist, mich ins Zuchthaus zu bringen.«
»Ich weiß nichts von einem Polizeidiener, und ich denk nicht daran, dich ins Zuchthaus zu bringen. Wofür denn? die Geschichte mit dem Haushofer ist lange vergessen. Er ist jetzt mein Bräutigam, aber ich hab mir gelobt, daß ich nicht eher Hochzeit halten will, als bis du dabei sein kannst.«
»Anna,« sprach der junge Mann bebend, »lüg nicht: der Haushofer ist nicht tot?«
»Ja, hast du denn von daheim nichts gehört die Zeit her?«
»Kein Sterbenswort.«
»Na, da steckt sich mir ein Licht auf! da bist du wohl immer in Angst gewesen, daß sie dich greifen wollen?«
»Und es wär nicht wahr?«
»Bewahre Gott! du hattest ihn hart geschlagen, aber am Leben ist er geblieben, und ich hab mit ihm geredet, daß er dir's verzeiht, was du an ihm gethan, und daß er sagt, er hätt' die Wunde von seinem Falle auf den Hammer und wolle von deiner Bestrafung nichts wissen.«
Bernhard war totenblaß geworden. Er nahm krampfhaft den Arm der Schwester, zog sie in seine Stube und schloß die Thür. Dann setzte er sich in seiner Schwäche wieder in den Stuhl und begann zu weinen und zu stöhnen, als sei ihm das Schrecklichste geschehen. Es gab einen Lärm, als wolle er das ganze Haus herbeistöhnen. Dazwischen hatte er die Anna, die sich neben ihn gesetzt, um den Hals gefaßt und herzte und küßte sie, und die erzählte ihm, daß die Hermesbäuerin, ihre Mutter, ihr und dem Haushofer den Hermeshof übergeben und mit der Großmutter in das Haus ihres Bräutigams ziehen wolle.
Dann that sich die Thür auf, und die Müllerin kam und fragte spitzig, als sie die beiden sah, was das hier für eine Not gäbe, und was das zu bedeuten habe, und dabei war sie ganz blaß, und ihre Stimme zitterte.
»Das bedeutet's, daß meine Schwester gekommen ist und mir erzählt hat, daß all meine Schuld nichts ist und eine dumme Einbildung von mir, und daß wir alle Tage Hochzeit halten können, wenn es der Müllerin noch gefällig wäre« – rief Bernhard, sprang auf und faßte die Müllerin um den Hals.
* * *
Es waren Jahre über diesen Abend vergangen, da wanderte ich am Ufer des Maines, und der Zufall wollte, daß mir das Dörfchen am Felsabsturz, mit seinen Weinbergen und der Ruine und dem kühlen Flusse so wohl gefiel, daß ich beschloß, ein paar Wochen im Wirtshause Rast zu halten.
Als ich das erste Mal zur Ruine hinauf steigen wollte, sah ich ein Bildchen, das mein Auge entzückte und mein Herz warm machte. Die Welt lag im Abendschein, herbstlich erfrischend strich die Luft zwischen Mühle und Fluß vom Berge herauf, alles war voll Farben und Glanz und Glockenläuten. Rechts die Mühle, so malerisch alt, mit dem verwitterten Holzumgang oben, flatternde Tauben auf dem Dache, der alte Thorbogen daran mit Kürbis berankt – links der steile Fels, Baum und Buschwerk, ein Rohrbrunnen mit schnatternden Gänsen – gerade aus die Treppenstufen, und drüber der Laubengang, gegen den Fels gelehnt, mit einer wahren Last von Weinlaubwucherung auf dem Gestänge. Eine Frau kam treppab, ein Kind auf dem Arm, ein etwas älteres Mädchen an der Schürze, das Kind auf dem Arm aber hielt eine goldige Traube nieder, während ein Mann, der in Hemdärmeln beim Treppenfuß auf schlichter Holzbank saß, mit scherzendem Aufblick die offene Hand zum Fangen erhob. Ein Knabe lag zu seinen Füßen. Drunten aber war ein junges Mädchen im Begriff, die Mühle zu betreten – ein blühendes Geschöpf, wie einem Volksliede entnommen.
Jener Mann war Bernhard, die Frau seine Müllerin; von den Kindern war nur das Mädchen unten nicht das seine, sondern der Müllerin Gretele, das mir nachmals so wohl gefiel. Denn ich habe oft in jenen Tagen mit den Leuten zusammen gesessen, der Müllerin süße Trauben verspeist, mit den Kindern gescherzt und mit dem Müller ein vernünftiges Wort geredet.
Und weil ich Geschichten schreibe, hat er mir diese seine eigene Geschichte erzählt, und weil ich denke, daß gar mancherlei aus ihr zu lernen ist, so habe ich sie richtig niedergeschrieben.