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Hercules.

Des Ebers Wuth in Erymanthus' Gauen,
Der Stymphaliden Diese (bekanntlich furchtbare Raubvögel »mit Geierschnabel und Gänsefuß«) würden vielleicht mehr als die Harpyie unseres Bildes an ihrer Stelle sein, von deren Bekämpfung durch Hercules wir Nichts berichtet finden. Sie ist wohl als Repräsentantin der von ihm besiegten Ungeheuer im Allgemeinen zu fassen. rasselndes Gefieder,
Nemea's Löw' erlag Dir, Lerna's Hyder,
Und selbst des Cerberus dreiköpfig Grauen!
Um Mehr der Thaten preisen Dich die Lieder,
Als Augen zählt das Rad des Himmelspfauen!
Der Starken Stärkster ließest Du Dich schauen:
Drum beugt Dich Amors Hohn am tiefsten nieder.
Im Safrankleid, mit bunter Frauenhaube
Dein Haar bedeckt, sah Dich zu ihren Füßen
Einst Omphale die flinke Spindel drehen!
Ihr aber ward Dein Löwenfell zum Raube!
Wie mochte fremd sein Braungelb ihrem süßen
Weiß-rosig angehauchtem Nacken stehen!

VII.

Ihr klugen Leser, schönen Leserinnen,
Die Ihr bis hierher mir Geduld geschenkt,
Laßt gleiche Gab' auch ferner mich gewinnen:
Wir sind vom Ziel noch weiter als Ihr denkt!
Leicht fliegt im Sturm der Pegasus von hinnen,
Doch mühsam nur wird er im Schritt gelenkt,
Zumal in jenem Acte vor dem fünften,
Den stets für undankbar die Dichter schimpften.

Man ist am großen Wendepunkt vorbei,
Und sollte rasch die Bahn zum Ziele fliegen,
Doch ist sie nicht von Hindernissen frei,
Die rechts und links vor unsern Rädern liegen!
Ein Paar darf hoffen, daß es glücklich sei,
Doch wollen Eltern, Vormund sich nicht fügen –
Genug, die Sach' ist schwerer, als Ihr glaubt!
Doch also fahr' ich fort, wenn Ihr's erlaubt:

Als Psyche, heimgekehrt zu Aphroditen,
Ihr knieend darbringt, was ihr aufgetragen,
Da flammt die Göttin erst in jähem Wüthen,
Und hält sich kaum, ins Antlitz ihr zu schlagen;
Doch scheint ein Etwas dies ihr zu verbieten,
Ein Etwas ihr in tiefster Brust zu sagen:
»Nicht weiter! Hier zu End' ist Deine Macht:
Geweiht ist, wer da kehrt aus Hades' Nacht!«

So preßt gewaltsam sie den Groll zurück,
Doch sagt sie nicht, daß sie befriedigt wäre.
Abwendet Psyche sich mit trübem Blick
Und auf den jungen Busen rinnt die Zähre.
So nahe wähnte sie das schönste Glück:
Nun drückt der Mutter Haß mit gleicher Schwere!
– Dann blickt sie still zum Himmel auf und stöhnt:
»Hilf, Amor, bist Du wirklich mir versöhnt!«

– Und Amor hilft! Als er mit tausend Küssen
Nach jenem wonnevollen Wiederseh'n
Sich aus der Langentbehrten Arm gerissen,
War's Zeit für ihn, zu Jupiter zu geh'n,
Und dorthin ist's, wo wir ihm folgen müssen!
Er schwebt empor, die goldnen Locken weh'n,
Das Auge strahlt, die Wangen glüh'n vor Eile
– Nicht schneller fliegen seine eignen Pfeile!

Und keck schon vor den Donn'rer tritt er hin,
– Der schönste Knab' im Himmel und auf Erden, –
Und blickt empor, und rührt des Vaters Kinn,
Des Vaters Knie mit schmeichelnden Geberden:
Von Psychens Unschuld, Venus' hartem Sinn,
Der eignen Liebe Wonnen und Gefährden
Erzählt er ihm in flügelschnellem Wort:
– Wen riss' er nicht durch Sehn wie Hören fort?

Und Vater Zeus – wie sollt' er wohl das Nippen
Am Kelch geheimer Liebeslust verdammen,
So oft gescheitert an denselben Klippen,
Versengt so vielmal an denselben Flammen!
Drum zärtlich drückt des Sohnes Purpurlippen
Und frische Wangen er zum Kuß zusammen,
Und spricht: »Du Taugenichts!« – mit einem Blicke,
Als ob durch's All ein neuer Frühling zücke.

Dann fährt er fort: »Ich sollte billig zürnen
Und über Euch die Donnerkeile schütteln –
Jedoch was hilft's, Gescheh'nes ändern wollen:
Umsonst an Erd' und Himmel würd' ich rütteln!
Auch Nachsicht ist, was Väter üben sollen:
So will ich denn mit günstigem Vermitteln
Mich zwischen Dich und Deine Mutter stellen,
– Doch, Sohn, gedenke mir's in künft'gen Fällen!

»Versteh' mich recht: – ich meine nicht, mich schonen!
Obwohl man von uns spricht in aller Welt,
Du habest unter Menschen wie Dämonen
So arg als mir noch Keinem nachgestellt!
Nur künftig, wenn bei Hütten oder Thronen
– Wie das wohl kommt – ein Mägdlein mir gefällt,
Dann hilf Du, kleiner Näscher, mir beim Naschen:
– Pflegt Eine Hand die andere doch zu waschen!

»Und nun – Mercur! – Wo bleibst Du? Fort gemacht!
Die schnellsten Flügel bind' an Deine Sohlen!
Und aller Göttinnen und Götter Macht
Sollst Du zum hohen Rath zusammenholen
Von Himmel, Erde, Meer und Höllenschacht:
Sie sollen eilen – Zeus hab' es befohlen!
Und wenn sie all' um mich versammelt sind,
Hol' Psychen auch, das arme liebe Kind!« –

Mercur gehorcht und lächelt innerlich;
Er ahnet, was für Amor Dies bedeute,
Und gern verbindet er den Bruder sich,
Den er als dankbar kennt nicht erst von heute:
Auch nehm' ich an, daß er wie Ihr und ich
Sich auf den Sieg der Lieb und Unschuld freute!
Schon ist er weit ins Blau hineingeschnellt,
Schlank, wie ihn Gian Bologna dargestellt Berühmtes Sculpturwerk im Florentiner Museum..

Und bald umher im weiten Weltenrunde
Trägt er zu allen Göttern Zeus' Gebot.
Vulcan verläßt die Schmied' im Aetna-Schlunde,
Wischt frei vom Ruß die Augen trüb und roth;
Neptun erhebt sich aus dem Meeresgrunde,
Nicht wild, wie wenn er Aeolus bedroht:
Nein, mild und freundlich; Bart und Locken rieseln
Im Sonnenschein, wie Bachfluth über Kieseln.

Und jede Gottheit ruft nach ihrem Wagen:
Von Rehen, die nicht Hund noch Panther scheuen,
Wird Artemis, die Jägerin, getragen,
Und Ceres läßt die Flügelschlangen dräuen;
Mit wilden Rossen sieht man Mavors jagen.
Altmutter Cybele schirrt ihre Leuen,
Die zottigfalben mit den langen Schweifen,
Die Pardel Bacchus und Apoll die Greifen.

Ein trüber Stern aus dunkler Nacht entglommen
Fährt Pluto mit Proserpina daher;
Und nicht allein die großen Götter kommen,
Die kleinen auch von Erde, Luft und Meer.
Jedwede Nymphe hat den Ruf vernommen,
Der Satyrn und der Faunen muntres Heer:
Einsiedler Pan sogar will miterscheinen,
– Nicht fahrend, nein, auf eignen Ziegenbeinen.

Zuletzt vor Venus tritt der Götterbote,
Und überbringt, sich neigend, Zeus' Befehl.
Das Antlitz flammt ihr auf in hohem Rothe,
Sie grüßt den Herold kurz und sieht ihm scheel:
Ob sie geahnt, was droben sie bedrohte?
– Genug, sie hat der Unlust wenig Hehl,
Die Sitzung durch ihr Beisein zu beglücken,
Doch setzt sie sich, und läßt sich dazu schmücken.

*

 


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