Otto Julius Bierbaum
Stella und Antonie
Otto Julius Bierbaum

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Vierter Aufzug

Die Bühne stellt den als Garderobe benutzten Winkel eines ländlichen Tanzsaales vor, in dem eine Bühne aufgeschlagen ist, von der man aber nur links die Hintergrundkulisse von hinten, sowie eine Seitenkulisse sieht. Hinter diesem Kulissenstücke ist der Türvorhang zu einem Gange, der in den Saal selber, den Zuschauerraum, führt. Rechts eine Türe. Das Ganze sieht sehr verwahrlost aus. Kostüme liegen herum. Ein paar wacklige Tische mit Talglichtern in Flaschen, kleinen Spiegelscherben und allerhand Komödiantengerät. Von der Decke hängt ein ungeschlachter Reifenleuchter herab, der mit brennenden Talgkerzen besteckt ist, die eine spärliche Beleuchtung geben. Man hört links eine bäurische Blechmusik, dann ein Halloh von Beifall brüllenden und klatschenden Bauern.

Links aus dem Vorhang hinten tritt im phantastischen Kostüm eines Zigeuners Johann Christian (großer schwarzer Bart, schwarze strähnige Haare, eine Hetzpeitsche in der Hand) und der Komiker in der Tracht eines unmäßig dicken Bauern (der Bauch ungeschickt ausgestopft, lächerlich rot geschminkt; angetrunken)

Johann Christian (wirft die Peitsche auf den Tisch und fährt sich durch die Haare) Wie ekelhaft das alles ist! Hanswurst sein für dieses stinkende, rülpsende Pack!

Der Komiker Wenn der Bauer rülpst, so ist das ein Zeichen, daß er brav zu fressen hat, und wenn der Bauer brav zu fressen hat, braucht auch der Komödiant nicht zu hungern. Die Kerls hier haben eine Art Klöße, die für die Ewigkeit berechnet scheinen: fest und gediegen. Und soviel Schmalz wie hier hab ich mein Lebtag noch an keinem Kraute gefunden. Es ist eine gesegnete Gegend, und die Weibsen haben einen ausgeprägten Sinn für die schönen Künste. Da sie gleichzeitig hübsch rund und in allen den Teilen wohl beschlagen sind, wo ein Christenmensch das verlangen kann, ist es billig, ihre künstlerischen Neigungen zu unterstützen. Item: Ich wünschte, daß diese Kirmes ewig währte. Es kann bei meiner Seel' bei den olympischen Spielen nicht ausbündiger gefressen, gesoffen und gehurt worden sein.

Johann Christian Es ist ein Ekel zu sehen, wie ihr euch mit dieser Schweineherde gemein macht.

Der Komiker Sakrament, Sakrament, Direktor, bist du bei gräflichen Gnaden fürnehm worden! Unsereins muß halt mit den Dorfmenschern fürlieb nehmen, weil die Komtessen schon besetzt sind.

Johann Christian (wild ausbrechend) Schweig, sag ich, und zum letzten Male! Noch einmal ein Wort davon, und ich vergesse mich! Habt ihr mich dazu hierher gelockt, daß ich mit Füßen auf mir herumtreten lassen soll!?

Der Komiker Gelockt? He, gelockt sagen Euer Gnaden? Wer hat den Herrn gelockt? Bist du nicht hergerannt gekommen, wie besessen von Seligkeit? (Ahmt ihn nach) Freiheit, meine Brüder, Freiheit! Mit euch im brausenden Elend lieber, als dort in der Stickluft des Überflusses! Fröhliche, freie, brüderliche Kunst! – (Zuckt die Achseln) Den Stil kennen wir an dir, und wir wissen auch, mit welcher Speckschwarte er geschmiert ist.

Johann Christian (verschränkt die Arme) Es gibt nur noch eine Gemeinheit, die größer ist, als die eure.

Der Komiker Und just der hängt der hohe Herr am Bändel. (Gutmütig) Kerl, du weißt nicht, was du willst. Und warum? Soll ich dir sagen, warum? Weil du zu wenig säufst. Vom Ingenium allein ist noch keiner hinreichend besoffen worden, um an der Art Leben sein Gusto zu finden. Sauf, Bruder, sauf! Es ist nicht alle Tag Kirmes! Und tust du das nicht gerne, so sauf aus Pflichtgefühl! – Was rennst du immer fort von den Tischen, auf denen das Bier schwimmt? Du brauchst dich den Kerls ja nicht gleich auf den Schoß zu setzen, wie deine Frau, aber am Tische hast du zu bleiben, das verlangt das Geschäft.

Johann Christian Was hab ich mit eurem Geschäft gemein?

Der Komiker Denkst du, du bist bloß zum Komödiespielen da? Die Hauptrolle liegt im Zwischenakt. Die Mannsen wollen jemand haben, der mit ihnen säuft und zotet, daß die Weiber nasse Unterröcke kriegen vor Entzücken. Und die Weibsen wollen dich haben, Direktor, dich, sonst ist es aus mit der Knödelküche. – Ha, wenn du's nur halb so gut verständest, wie deine Frau! Wir könnten Speck ansetzen für ein ganzes Vierteljahr. Den dicken Schulzen hat sie schon so kirre, daß sie die Hand in seine Geldkatze stecken kann. Pirsch dich an sein Weib, Direktor, wenn du nur einen Schimmer Gerechtigkeitsgefühl hast.

Johann Christian Dazu hat sie mich dort fortgerissen, dazu! Daß ich sehen soll, in welchem Pfuhl von Unrat es ihr wohl ist. Und ich bleibe, – bleibe! Ich, in den Augen noch den Glanz jener Hoheit, Feinheit!

Der Komiker Und in der Nase den Geruch ihres Nachthemdes! . . .

Johann Christian (versetzt ihm einen Faustschlag, daß er taumelt) Hinaus! Hinaus! (Prügelt ihn hinaus) Ach! dieses Leben! Dreck und Stank! (Läßt sich auf einen Stuhl fallen) Ins Licht gesehen haben und hier zugrunde gehen müssen . . . Hätten sie mich damals totgepeitscht! Hätt' ich nie gesehen, was schön ist. (Leise, schluchzend) Antonie! (Von links her hört man Stella lachen und singen:

        Heisasa, heisasa,
        Bauer, fahr mich ins Heu!)

Dirne! Dirne! (Er ballt die Fäuste nach links) Schmutzige Lügnerin! Und ich, ich dir wieder verfallen, niederträchtig wie du, weil meine Schwachheit so groß ist, wie deine Gemeinheit. Warum erschlag' ich sie nicht? Warum mach' ich nicht alle dem ein Ende? Schande! Schande! All meine Kraft ein paar hinausgeschluchzte Verse! All meine Mannheit jämmerliche, bettelnde Gefühle! Tränen, Träume und hinfällige Eitelkeit. Hanswurst der Empfindung. Geck des Herzens. Wilde, stürmische Taten darstellend in durchschwitzten Lumpen, mit Blechdolchen hantierend und die Augen rollend in vorgeschriebener Leidenschaft. Und innerlichst gekitzelt, wenn ein paar dreckige Bauernfäuste Beifall klatschen und fettige Mäuler bravo schreien, die vorher nach den Lippen meiner Frau trensten. Meiner Frau! Meiner Frau! Als ob ich ihr Mann wäre! Ich, der ich ihr weniger gelte, als jeder Kerl, der sie frech und fest um die Hüften greift. Habe ich ihr je mehr gegeben, als Worte? (Nickt langsam mit dem Kopf) Worte für Kraft. Verstiegene Liebe, schwärmende Gefühle, Andacht und Anbetung statt Brunst und Mannheit. Freilich, freilich, – wir sollten uns in Bilder verlieben oder in Engel. Natur ist uns zu stark, die wir in der Imagination leben. (Brütet vor sich hin) Es ist alles so, wie es sein muß. Aus dem Gleise, aus dem Wege. Irgendwo still hinsterben vor Hunger nach der Vollkommenheit. In die Sonne starren und sterben, – eine letzte Verzückung haben und einen letzten Vers.

Durch die Tür hinter der Rückwand des Theaters treten, alle angetrunken, in Gruppen die Schauspieler und Schauspielerinnen untermischt mit Bauern lärmhaft auf, zuletzt Stella im roten, mit Schaumünzen besetzten kurzen Rocke der Zigeunerin, im Arme des dicken Dorfschulzen. Erst ein lärmendes Durcheinander: Hoho . . . Mir derfa schon zukuke . . . Hinaus! Hinaus! – Nee, nee, mir bleim allhie . . . Naus, naus! . . . Mir kuke zu . . . Hoho!)

Stella Ei, der Herr Schulze drückt mich gar zu sehr. Ja, ja, meine lieber dicker Mann, so eine Kraft hat er . . . Liebes dickes Schweinderl! Da, noch einen Schmatz! Und der Taler ist meine, gell ja?

Der dicke Schulze Hahaha, heisasa, Bauer fahr mich ins Heu . . . Luderchen, infamichtes, alle meine Talerle hat sie mir stibitzt und will nu noch den letzten han, den Hochzeitstaler. Na, fort mit Schaden (leise) aber nach der Komödie, daß du kimmst, – ha, drüben in die Scheune?

Stella (leise) I kimm scho, ganz gewieß, i kimm, du herzigs, dicks Manderl. Aber geh jetzt, – drüben der da, das ist mein Mann; der darf fei nix merkn, verschtehst mi?

Der dicke Schulze (singt) Hahaha, heisasa, hent fahr ma ins Heu!

Stella (schiebt ihn zur Tür hinaus; zu den andern) Ausi, ausi die ganze Bagaschi! Glei' geht die neue Komedie an! I tanz nachher, paßt auf, i tanz – eijola! (Sie dreht sich)

Die Bauern Haho! Bravo! Haho!

Stella Jetzt geht's aber, geht's!

Die Bauern (drücken sich durch die Türe hinaus)

Die Schauspieler und Schauspielerinnen (setzen sich an die Tische, frischen die Schminke auf &c.)

Stella (ordnet sich die Haare, indem sie tänzelnd hin und her schreitet. Sie summt vor sich hin)

        Es war ein junges Maidelein,
        Jung, jung, heisasa

(Zum Komiker) Du, Dicker, was meinst, der Schulze hängt mir am Kittel. (Summt weiter)

        Das mocht' kaum sechzehn Jahre sein,
        Sechzehn Jahre sein.

(Lacht) Hahaha! Seine Frau, das dicke Butterfaß, hat Krebsaugen kriegt vor Eifersucht. (Summt weiter) Das ging gar gern spazieren wohl in den tiefen Wald hinein. (Lacht) Schief lachen könnt man sich über die Bauern dahier. Schwitzen alle vor lauter Lieb'. Ich glaub', sie sparn sich die ganze Lieb' vom Jahr auf die Kirmes auf für uns Komödiantinnen. (Summt)

        Wohl in den Wald hineisasa,
        Wohl in den Wald hinein.

(Dehnt sich, reckt die Arme wohlig) Ah, ich wollt', überall wär' Kirmes, wo wir spiel'n. Wenn's nach mir ging, zögen wir bloß auf die Dörfer. Mit dene Bauern, das is a Gaudi. Das sind doch Kerls von Fleisch und Blut. Wie die Bären. Hu! Verliebte Schraubstöcke. Sagen kei Wort, ächzen und stöhnen vor lauter Lieb', nehmen einen um den Leib mit ihren Tatzen, blasen ein' an wie die Zugochsen und busseln, daß man meint, es hört nimmer auf.

Der Komiker Das nennt man gute, kräftige Landkost, Direktorin. Du hast, gottverdammich, einen gesunden Geschmack und Appetit. Wohl bekomm dir der Herr Schulze! Du mußt aber einen Schnaps darauf nehmen; er ist fett. (Alle lachen)

Stella Ach was: fett. Stämmig is er. Tritt her wie ein Stier mit seinen Lenden.

Der Komiker Schinken, willst du sagen, Schinken! (Alle lachen)

Stella Meinethalben Schinken. Er gefällt mir. Is grad recht für mi. I mag halt die festen Leit.

Der Komiker Na, na, ich meine du magst die andern auch. Variatio delectat, wie wir entlaufenen Lateinschüler sagen.

        Heute Speck und morgen Spahn,
        Ich laß nix vorübergan.

(Erneutes Gelächter)

Stella (lacht mit) Wahr is! Wahr is! Der Dicke kennt sich aus. Alle sind recht, blos die Fadians soll der Deixel holen, die blassen Mannsgesichter mit dene Trauerränder um die Augen, die zweibeinigen Wimmerbälg, die alleweil eins daher seufzen müssen. Die mit ihre Augen wie Tränennäpf! Die mit ihre viele schöne Wort'! (Immer wütender, auf Johann Christian) Die mit ihre Gefühl! Äh! Soll'n zu die Mamselln in die Städt gehn und zu die bleichsüchtigen Komtessen mit dem hochnasigen Getu. Pfui Teifi!

Johann Christian (mit mühsam zurückgehaltener Wut) Schweig . . . du . . .

Stella Was ich? Wer ich?

Johann Christian Sag dir's selber. Sieh dich an, hör dich an, und sag dir's selber, was du bist.

Stella Ich? Hahaha! Ich hab noch immer a Freid, wenn i mi ansiech. Meinst, i tritt vor irgend einer zurück? I!? O, mei, du Stück Jammer, mich willst du runter setzen? Mit dem Finger da wirf i di um und deine Hochgeborne dazu.

Johann Christian Ich sage dir, Weib, schweig stille! Und wenn du keifen mußt, so habe wenigstens so viel Schamgefühl, zu warten, bis wir allein sind. Und das sag ich dir, nimm den einen Namen nicht in deinen schmutzigen Mund, den einen Namen nicht! (Steht auf und geht auf sie zu mit geballten Fäusten)

Stella (höhnisch die Arme in die Hüften stemmend) Er möcht auch den Bären spielen, – der!

Johann Christian (läßt die Fäuste sinken) Mit dir spiel ich nichts mehr. (Wendet sich um) Seid ihr fertig? Sie trampeln schon draußen. (Man hört zuweilen Getrampel und Rufe hinter den Kulissen: Kamedi! Kamedi!)

Der Komiker O schmeichelhafte Ungeduld des kunstliebenden Volkes! (Geht an die Kulisse und ruft) Nur noch einen Augenblick Geduld, verehrtes Publikum. Wir fangen sofort an. Es kommt die wunderbare traurige und lustige Komödie von Zingarella, der schönen Zigeunerin, die einen Edelmann aus Kossebaude mit ihrem Tanze wahnsinnig macht und zum Schlusse Kaiserin von Rußland wird. (Dröhnendes Bravo bei den Bauern; der Komiker wendet sich um) Geht an die Plätze! Wir fangen an.

Die Komödianten (gehen hinter die Kulisse; man hört ein Klingelzeichen; eine kurze Musik beginnt, die bald zu Ende ist. Ab und an Stimmengemurmel, Bravo und dergleichen)

Johann Christian (hat sich wieder in seinen Stuhl niedergelassen)

Stella (geht, eine Melodie summend, auf und ab)

Johann Christian (wie nach einem schweren Entschlusse) Stella!

Stella Was is!

Johann Christian Sag mir eines: Warum hast du mich nicht dort gelassen? Warum hast du mich geholt?

Stella Weil i dumm war.

Johann Christian Ich will eine Antwort, Stella.

Stella Hast sie ja g'hört grad.

Johann Christian Sei einmal noch ehrlich zu mir –: hast du . . . hast du wirklich Sehnsucht gehabt? Oder war das auch alles Komödie, das im Schlosse und nachher?

Stella Mei, i hab di halt wieder mal gern mögen. Wenn du fort bist, mag i di meistens gern.

Johann Christian Glaubst du, daß dein Spott mich noch kränken kann?

Stella Das war kein Spott. (Sinnt nach) Es is halt so: Hab i di da, möcht i di weiter ha'm, und wenn du weg bist, denk i mir halt: er is doch der bessere.

Johann Christian (nickt nachdenklich mit dem Kopfe) Du vergleichst mich also mit den anderen.

Stella (naiv) Freili. Du bist ja mein Mann.

Johann Christian (lacht bitter) Wirklich?

Stella Na, du hast mi doch g'heirat.

Johann Christian Ja, ja.

Stella Mein Mann bist, und mei Mann bleibst.

Johann Christian Meinst du?

Stella (tritt vor ihn hin) Du! das sag ich dir, ich: Los laß ich di net! Wir g'hörn a'mal zusammen!

Johann Christian (tonlos) Wir gehören zusammen. (Nach einer Weile, innig) Stella, – warum tust du das alles? Warum marterst du mich so? Warum wirfst du dich weg? Vor meinen Augen, recht, um mich verzweifeln zu machen?

Stella I bin halt so.

Johann Christian Nein, du bist nicht so! Du warst wohl immer leichtsinnig, aber warum stellst du dich gemein?

Stella Ah, geh. Muß i denn net? I bin halt keine Komtesse, i bin a Komödiantin.

Johann Christian Also nur deswegen? Stella, erinnere dich, wie ich mit dir ging, was wir uns da gelobten, daß wir nicht sein wollten, wie die andern, was wir da sprachen von der Kunst, von der Freiheit, von allem, was . . .

Stella I weiß schon. Das is Gered'. Komödiant is Komödiant. Wärst auf deiner Schule geblieben. Mit dene Wölfen muß man heulen.

Johann Christian Stella! Stella! Ich weiß nicht, ist das wahr, was du sagst . . . Ich . . . ach Gott, ich will es lieber glauben, als das andere . . . aber dennoch: fühlst du nicht, wie schändlich das ist . . . Ich . . . ich . . . Stella (sinkt plötzlich vor ihr hin, küßt ihr die Hand) Komm mit, komm fort! Wir wollen zurück, in meine Heimat, ich werde für dich sorgen . . . meine Familie wird mich wieder aufnehmen . . .

Stella I mag net.

Johann Christian Sieh doch, Stella, ich liebe dich ja immer noch. Es ist alles nur ein schrecklicher Irrtum. Du bist nur verwirrt gemacht worden in der Zeit, als ich nicht bei dir war. Du bist nur schwach, und ich muß dich besser führen. Ja, das will ich, Stella, und alles wird wieder gut. Nur fort von hier, fort aus diesem Schmutz und dieser Verachtung, in der ich dich und mich nicht mehr sehen kann. O, Stella, das Leben hat Schönheiten! Die will ich dir zeigen, und all dein Gutes wird aufwachen.

Stella I kenn schon die Schönheiten. I will nix davon. Leben will ich, weil i jung bin. I bin grad so wie du fortgelaufen von daheim, und i bin noch froh drüber. I geh nimmer zurück. Hier is schön! Hier is lusti! Lusti will i sein! Frei will i sein! Komödie spielen will i und leben wie's mir gefallt! – Und das alles hast du mir selber gesagt, Christl, und i hab di drum so gern gehabt, weil du mir's ausgelegt hast, was i selber blos gefühlt hab. Na, na, zurück geh i nimmer.

Johann Christian Und dir kommt kein Ekel, und du fühlst nicht, daß dies alles nur ein Traum war, ein Rausch, den wir uns vormachten? Stella! Das fühlst du nicht? Du vermagst es, so zu leben und nicht hinaus zu verlangen? Dann bist du ja, Stella, dann bist du ja nicht . . . meine Stella!? (Das letzte hat er wie für sich gesprochen)

Stella I bin i.

Johann Christian Ja, du bist blos du . . . Ja, (wie verwirrt) das Gedicht . . . das Gedicht . . . alles blos ein Gedicht . . . und das Leben bläst es fort mit einem Gelächter . . . Hahaha! Bläst alles weg mit einem Gelächter . . . Tropf . . . hahaha, lacht es . . . Tropf . . . Dichter . . . Schwärmer . . . lächerlicher Narr . . . hahaha . . . hat eine poetische Figur geliebt . . . ein Ding aus Versen . . . ein Gemächte aus klingenden Worten . . . hahaha . . . da, sieh hin, da steht es lebendig . . . sieh nur hin: so sieht es aus in Fleisch und Blut . . . in deinem Wahnsinn eine Fee, im Leben eine Dirne!

Stella (gleichgültig) Machst halt schon wieder Gedichter.

Johann Christian (sich aufraffend) Diesmal nicht! Hier, Stella, meine Hand, – und zum Abschied. Du bist du, – und ich bin ich. Endlich seh ich's klar vor mir: du gehörst hierhin – ich dorthin. Lebe wohl!

Stella (erschrocken) Christl! Christl! Du willst von mir gehn? du willst, (sehr böse) ah, ah, i weiß, wohin du gehn willst. Ah, du meinst, weil i dumm bin, merk i net, wohin du willst? Na, mein Lieber, dorthin laß i di net. Hier bleibst du, bei mir (gemacht, zärtlich) bei deiner Stella. Du . . . Christl . . . schau mi an . . . net weg schaun . . . in die Augen nein, mir in die Augen . . . Ah, du, du, fierchst di wohl? Weißt halt, daß du gefangen bist in meine Augen.

Johann Christian (mit sich kämpfend, sie nicht ansehend) Stella, das ist vorbei . . . Ja, deine Augen . . . aber es ist vorbei . . . komm mit, oder ich geh allein.

Stella Und i bitt di doch so sehr, und i laß di net . . . na, na . . . ich laß di net . . . Wem hätt' i, wenn du gehst? Schau doch, Christl, i will ja alles wieder gut machen . . . I . . . i . . . kann ja net sein ohne di (sinkt vor ihm nieder, küßt seine Hände) Was i bin, hast du gemacht, i bin ja bloß von dir . . . i wisset ja net, wozu i leben sollt, wenn du gingst . . . Da, gib deine Hand auf mein Herz (legt seine Hand auf ihr Herz) da bist nur du drin, nur du ganz allein, und das andre alles ist bloß . . . ah, nix is, gar nix, Christl . . . I tu ja nur so bös aus lauter Lieb' zu dir, daß du mi in deine Arme nehmen sollst und mi drucken, so fest, so fest . . . druck mi, Christl, druck mi!!

Johann Christian (ist vom innerlichsten Kampfe bewegt; wehrt halb Stellas Umklammerung ab, die sich fest an ihn hängt, und läßt sie halb gewähren; zuletzt nimmt er ihre Hände und hält sie vor sich, indem er ihr gleichzeitig tief in die Augen sieht) Daß ich es könnte, Stella, daß ich es könnte mit dem alten jauchzenden Glauben an diese Augen! Fühlst du, wie mein ganzes Leben sich mit diesem Druck der Hände um deine Pulse schließt, fühlst du, wie Haß und Liebe in diesem Drucke sind, – fühlst du meine Not, Stella? (Pause; Stella sieht ihn groß und innig an) Wahrlich, es muß wahr sein, was diese Augen sagen, und alles andere ist Lüge! (Verzückt) Wahrlich ich glaube, wahrlich, wahrlich ich gebe mich meinem Glauben! (Zieht ihre Arme an seine Brust, wie um sie an sich zu schließen. Da klopft es laut an der Türe rechts; er läßt Stellas Hände los und wendet sich stracks um; die Türe geht auf. Es erscheint)

Antonie Endlich da! Endlich bei dir! (Eilt auf ihn zu. Er steht starr, dann zitternd, irren Blicks)

Stella (ist jetzt aufgesprungen; alle Verstellung von sich werfend, mit bösestem Ausdruck) Die!?! Hahaha! (Will Johann Christian beiseite schieben und auf sie los) Laß mi ihr ins Gesicht! Ah! Schon draust gewartet hat sie . . . die . . . die . . .

Johann Christian (stößt sie zurück) Keinen Schritt weiter! . . . Antonie?!

Antonie (ihm die Hand reichend) Ja, Christian . . . Ich bin gekommen . . . . (Ratlos) Muß ich wieder gehen?

Johann Christian (schlägt die Hände vors Gesicht, dann plötzlich, wie wenn er etwas von sich stieße, die Arme auseinander, auf Antonie zu) Du . . . du . . .! Noch zur rechten Zeit! . . . Dank! Dank! O du!

Antonie (sinkt ihm an die Brust)

Stella (wie versteinert) Ah! Ah! (Schrill lachend) Hahaha! Nur net geniert, Hochgeborene! Nur net geniert. Fangst mir ihn weg, meinst? Meinst? Gut ausgerechnet, Gnädige. (Keucht, ringt nach Atem; wild) Christl! Hierher kommst! Hierher! (Nach einer Pause nochmals) Hierher!!

Johann Christian (geleitet Antonie zu einem Stuhle) Du mußt müde sein. Ruh dich aus.

Stella (in fassungsloser Wut, zur Tür weisend) Da hinaus! Auf der Stell! Geh hin, wohin du gehörst! (Die Hände in die Hüften gestemmt, gemein) Meinst, weil du a Hochgeborene bist, kannst hergehn und dir nehmen, was dir gefällt? Ha, du, – mir nehmen, was i hab! (Stürzt sich auf Johann Christian und ergreift seine beiden Hände, ihn zu sich zerrend) Hier – her! Hier – her!

Johann Christian (sich von ihr gewaltsam losreißend, indem er sie von sich stößt, daß sie fast in die Knie sinkt; mit höchster Kraft) – Geh hin, wohin du gehörst! Mich besudelst du nun nicht mehr! Auf deine Bühne, Komödiantin! Das Spiel mit mir ist aus!

Stella (wie zerschmettert, sich mit der einen Hand auf eine Tischkante stützend, schwer atmend, nach einer Pause) Is aus? (Ihn wild ansehend, drohend) Du!! – Is aus? (Blickt ratlos um sich, läßt beide Arme sinken) Warum denn? Bin i so viel schlecht? Und is die so viel gut? (Lauernd) Christl, sag mir, is die so viel gut?

Johann Christian Paß auf dein Stichwort!

Stella (gemacht milde) Aber die Gnädige wird mir's vielleicht sagen. I bin halt dumm. – I bitt schön, Gnädige, was is?

Antonie (sich aufrichtend) Sie sieht es. Jetzt hilft ihr keine Komödie mehr. Auch diese nicht. Ich habe es gewußt, und deshalb bin ich gekommen. Was ich hinter mich geworfen habe, ist mehr, als sie zu ahnen vermag; was mich dazu trieb, ist mehr, als sie fassen kann. Aber ich will ihr etwas sagen. Auch ich habe gespielt, und vielleicht schlimmer als sie. Ich büße es, indem ich gezwungen bin, das, was mir das Liebste ist, aus ihren Händen zu empfangen, ewig gequält von dem Gedanken, daß es ihr eigen gewesen ist. (Mit schmerzlicher Innigkeit) Ich werde nicht froh sein können, denn bei der Liebe ist, was nicht bei ihr sein sollte, Mitleid und Bedauern. (Leidenschaftlich) Und du bist schuld daran, Kreatur! Du, die Erbärmliche, die ein Gemüt beschmutzt hat, in dem alle Quellen der Schönheit lebendig sind. Du hast das Lauterste schmutzig gemacht, was unter Menschen ist: eine Seele voll reinen Gesangs, und hast sie zerrissen und schwach gemacht, die Kraft besaß, zu bilden, wie das Wort des Schöpfers! Und so niedrig bist du, so von Grund aus gemein, daß du nicht einmal wußtest, was du tatest. Du, geboren, dich ans Gemeine wegzuwerfen und deine Lust im Niederträchtigen zu finden, du hast es ohne Empfindung des Schändlichen dich unterstanden, ein Wesen aus seiner Bahn zu lenken, in deine Gemeinheit hinabzuziehen, vor dessen höherer Art du hättest Ehrfurcht empfinden müssen, wenn du nicht so frech wie niedrig wärest. – Das hast du wohl aus Liebe getan, Schamlose, – ah, du bist es fähig, dies zu glauben, und ich sehe es deinen verruchten Augen an, daß du es jetzt sagen möchtest, wenn du reden könntest in einem Augenblick, der deine Gemeinheit stumm macht.

Stella (wie betäubt, einen Schritt auf Antonie zu machend) Frag den da! I weiß net, ob schöne Worte die Lieb' machen, – das weiß i net. Aber i weiß, daß meine Lieb' so viel wert ist, wie die deine. Frag den da! Laß dir's doch sagen, was er mir g'sagt hat! (Gemein lachend) Haha! I könnte dir schöne Sachen sagen, die lustiger sind, als dein Getu . . He, Christl, so red!

Antonie (mit höchster Verachtung) Was deine Liebe wert ist, weiß ich, und ich habe daran gedacht. (Ein Börse hervorziehend) Da, nimm!

Stella (wie vor die Brust gestoßen, mit funkelnden Augen) Geld?! (Beißt die Zähne aufeinander; zu Johann Christian) Meinst, daß ich's nimm?

Johann Christian Was geht's mich an!

Stella (lauernd, mit tückischem Ausdruck) Derf i, Christl?

Johann Christian (tritt angeekelt beiseite) Nimm!

Stella Du hast es gesagt! (Geht wie unterwürfig, fast geduckt, auf Antonie zu, greift mit der linken Hand nach der Börse, während die Rechte an ihrem Gürtel etwas losnestelt) Wirkli zu viel Gnade, Gnädige, zu viel, – küß die Hand! (Ergreift die Hand Antoniens)

Antonie (voll Abscheu) Kreatur!

Stella (reckt sich plötzlich hoch auf und stößt mit einem wilden Ausdruck des Triumphes Antonien einen Dolch in die Brust) Vergelt's Gott!

Antonie (sinkt leblos nieder mit dem schwachen Rufe) Christian!

Johann Christian (wirft sich über sie) Antonie! Antonie! Du! Nein, nein! Antonie! (Richtet sich totenbleich auf, wendet sich zu Stella) Kanaille! (Zieht den Dolch aus Antoniens Brust, nimmt ihn fest in die Hand, wankt erst, schreitet dann mit aufeinandergebissenen Lippen auf Stella zu, den Dolch gezückt) Dich . . . richte ich . . .

Stella (steht, die Arme in die Hüften gestemmt und erwartet ihn) Stoß her . . . du!

Johann Christian (bleibt hochatmend vor ihr stehen, erhebt den Dolch, blickt sie an, schaudert, blickt den Dolch an, murmelt) Ihr Blut, ihr süßes Blut . . . mein letztes Glück . . . (Zu Stella) Weg, du da . . . Gauklerin . . . (Wendet sich hastig um, stürzt sich über Antonie und ersticht sich) Ich zu dir!

Stella (läßt die Arme sinken, blickt auf die Gruppe, mit den Fäusten dorthin stoßend; dann fast triumphierend) Ah!

Der Komiker (aus der Kulisse) Stella, dein Stichwort kommt!

Stella (in die Kulisse) Ich komme! (Sie läuft einem Spiegel zu, blickt hinein, ordnet sich die Haare, zupft am Kleide, sucht auf dem Tische herum, ergreift ein Tamburin, schlägt mit der Faust darauf, daß die Schellen klirren)

Der Komiker Stella!

Stella I kimm! (Springt in die Kulisse. Man hört ihr Tamburin prasseln, hört sie jauchzen Eijola! Eine rauschende Musik. Gebrüll der Bauern! Stella! Stella! Bravo!)

(Schnell der Vorhang)

 


 


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