Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

Erster Act.

Am Nixenbrunnen an der Donau.

Die Bühne stellt eine Aulandschaft am Donauufer unweit von Wien dar. Links im Vordergrunde der Nixenbrunnen, von Weidendickicht, Röhricht und Schilf umgeben. Rechts vorne ein altes Steinkreuz, auf einem Unterbau mächtiger bemooster Steinblöcke sich erhebend. Erlen, Weiden, Silberpappeln. Nach rückwärts Durchblick auf den Strom mit Auinseln. In der Ferne sieht man Kahlen-, Leopolds- und Bisamberg. Später Nachmittag im August, schräg einfallender Sonnenschein.

Erste Scene.

Der Zwerg (kommt eilig mit trippelnden Schritten gelaufen; sieht sich um).

Ist hier kein Stühlchen? Keine Bank?
Die Stirne tropft, kann kaum mehr schnaufen.

(Trocknet sich die Stirne mit einem rothen Taschentuch; bleibt, den Brunnen erblickend, stehen.)

Der Nixenbrunnen! Endlich! Gott sei Dank!
Wie 'n Dackl hinterm Hirsch bin ich gelaufen.
Ja, ja, zur Donau her vom Hermannskogel
Herunter übern Kahlenberg,
Mit ein paar Flügelschlägen macht's der Vogel,
Doch viele tausend Schrittchen braucht der Zwerg.

(Ruft in den Brunnen, bringt aber vor Athemlosigkeit keinen lauten
Ton heraus.)

He! Winelind! Nixe! – Ich bin noch zu matt.
Ein Weilchen schnauf' ich aus auf diesem Steine.

( Setzt sich auf einen moosigen Steinblock neben dem Brunnen.)

So geht's, wenn einer riesigen Eifer hat
Und kurze, krumme Beine!

( Stille; der Zwerg horcht auf.)

Was war das –? Nur die Donauwellen rauschen,
Glucken und gurgeln, flüstern und plauschen …
Horch! Geht nicht etwas durch den Wald?
Es raschelt, knackt …

( Die Hand über die Augen in die Weite spähend.)

Wenn ich nur schärfer sähe!
Dort rührt sich was –

( Ein Rehbock schallt, erst nahe, dann zweimal schwächer, sich entfernend.)

Ein flücht'ger Rehbock schallt
Der Schlaukopf wittert meine Nähe.

( Wieder zum Brunnen blickend.)

Mag wohl die Nixe zu Hause sein?
Ich fürchte, nein.
Ich kenn' das Weibsvolk! Da heißt's: Herr Vetter,
Besuch er mich doch, bei jedem Wetter
Bin ich daheim; doch kommt man heraus,
Dann ist Frau Muhme nicht zu Haus!

( Erhebt sich.)

Na, den Versuch will ich doch machen!
Ich ruf' sie mit Namen, sie muß erwachen,
Wenn sie auch fester in der Brunnentiefe
Als Kaiser Karl im Untersberge schliefe.

( Ruft in den Brunnen.)

He, Winelind, Nixe, komm' herfür,
Ich hab' Dir was zu sagen!
Dein Vetterchen steht vor der Thür
Und möchte Dich was fragen.
He, Mühmchen, Nixe, komm' geschwind,
Allweises Meerweib! Winelind!

(Pause, wartet auf Antwort.)

Hum, keine Antwort! Dacht ich's doch!
Leer ist das finst're Brunnenloch.
Wie, oder will sie mich nicht hören?
Lässt sich in ihrer Ruh' nicht gerne stören?
Das wollen wir gleich seh'n! Den derbsten Stein
Werf' ich ins Wasser ihr hinein.

(Klaubt eilig etliche große Kiesel am Ufer zusammen und wirft sie, auf dem Brunnenrand stehend, rasch hintereinander mit Heftigkeit hinein.)

Plumps! Plumps! Plumps!

(Hinab guckend.)

Eine Wassernatter nur
Schoss in die Flut. Von Winelind keine Spur! –

(Springt herab, überlegt.)

Ob ich jetzt fortgeh' oder bleib' –?

Zweite Scene.

Der Zwerg, nachher das Meerweib Winelind.

(Von ferne tönt Gebetläuten, die Sonne ist untergegangen, Dämmergrau; später Mondschein.)

Winelind (taucht aus dem Brunnen auf).

Was ist denn das für Zeitvertreib,
Mit Steinen mich zu schrecken
Und aus dem Schlaf zu wecken?

(Erkennt ihren Vetter.)

Mein Vetter klein!

Der Zwerg.

Die Muhme mein!
Was kamst Du nicht, als ich Dich rief?

Winelind.

Weil ich gerade lag und schlief …
Warst gar nicht artig, Vetter, mit der Muhme!

Zwerg.

Frau Muhme, sei nicht bös.

Winelind.

Ich bin's nicht mehr.
Auf meinen Brunnen setz' Dich her!
Mein Vetterchen, da hast Du eine Blume.

(Reicht ihm eine Wasserrose, geheimnisvoll.)

Sie kommt aus unser'm Garten.

Zwerg (ist auf die Brunnenwand geklettert, wo er Platz nimmt).

So?
Wo ist denn Euer Garten?

Winelind.

Wo?
Unten auf dem Donaugrund
Liegt ein Garten; in den Beeten,
Zierlich eingezäunt mit Gräten,
Wachsen Blumen, reich und bunt.
Grünlich blasser Sonnenschein
Fällt von oben trüb herein.
Weißt, wozu die Blumen sind?
Wenn ein Mensch im Strom verschwunden,
Wird von Muhme Winelind
Schnell ein schöner Strauß gebunden.
Droben, wo die Lüfte streichen,
Schwimmt der Strauß der Tage drei
Auf den Wellen, als ein Zeichen,
Dass dort wer ertrunken sei.
Doch dies zu wissen, kamst Du nicht.
Frisch also, Männlein, was beliebt?

Zwerg.

Du hast ja, Muhme, das zweite Gesicht:
Sag' mir, was es im Marchfeld draußen gibt!

Winelind.

Wie wisst denn Ihr im Innern Eurer Berge
Von solchen Dingen was, ihr dunklen Zwerge –?

Zwerg.

Wie wir heut' vor dem Höhleneingang sitzen
Und uns erlaben an der Morgenluft,
Seh'n wir weit draußen was im Sonnenduft
Wie Waffen blitzen,
Und unsere feinsten Horcher schwören,
Getümmel und Geschrei zu hören.
Um Mittag scholl Geschwirre und Gelärme
Hernieder aus den strahlend blauen Lüften
Von Kräh'n und Geiern, die aus Wald und Klüften
Ins Marchfeld zogen; immer neue Schwärme
Entsandte jeder Berg und jedes Thal,
Sie krächzten und sie kreischten tausendtönig:
»Der große Kaiser und der Böhmenkönig
Gibt uns im Marchfeld heut' ein leck'res Mahl!«
Da lief ich zu Dir her geschwind,
Zur weisen Seherin im Nixenbronnen;
Du sollst uns sagen, Muhme Winelind,
Wer in der großen Schlacht den Sieg gewonnen,
Der große Kaiser oder Ottokar!

Winelind.

Erst sag' mir, was Euch Zwergen daran liegt,
Ob Kaiser oder Böhmenkönig siegt?

Zwerg.

Ei, Muhme, Du bist sonderbar!
Was uns dran liegt? Vernimm:
Wenn Habsburg siegt
Und fest in seine christlich frommen Hände
Die österreich'schen Lande kriegt.
Dann ist's mit uns für alle Zeit zu Ende!
Man wird durch Pflügen, Pflanzen, Wälderroden,
In Menschenflur verwandeln unsern Boden
Wird uns verfolgen und vernichten
Und, wo wir düster einst gehaust, errichten
Ein helles, blühendes Menschenreich!
Drum wag' ich's nochmals, Dich zu fragen,
Wer in der Schlacht, im Marchfeld heut' geschlagen,
Der Sieger blieb …

(Man hört von oben den krächzenden Schrei einer Krähe.)

Winelind (hat aufgehorcht).

Das wird sogleich
Dir Jemand, der dabei war, sagen.

(Da der Zwerg ungläubig den Kopf schüttelt.)

Im Dickicht dieser Au
Haust einsam eine Zauberfrau,
Von Menschen scheu gemieden,
Mit uns in Bund und Frieden.
Hast nicht den Krähenschrei vernommen?
Das heißt: Sie ist nach Hause just gekommen!
Da ist sie schon!

Dritte Scene.

Die Vorigen, die Auhexe.

Die Auhexe.

Schön guten Abend. Ei,
Du hast Besuch. Willkommen, Erdmännlein.
Kommst eben recht; da spar' ich einen Boten.

Winelind (eifrig).

Kommst von der Marchfeldschlacht? Wie gieng sie aus?
Wer blieb denn Sieger?

Die Auhexe.

Gleich, mein Töchterchen.
Muss nur noch ein paar Boten schnell verschicken.

Der Zwerg (dringend, die Auhexe am Kleide zupfend).

Sagt's uns sogleich, wir bitten …

Die Auhexe (sich losmachend).

Sachte, sachte.
So klein der Knirps, so groß die Ungeduld!

(Winelind gibt dem Zwerg ein Zeichen, sich zu gedulden und die Auhexe gewähren zu lassen.)

Die Auhexe (gegen die Krone eines alten, hohlen Baumes).

Uhu, schwing Dich nieder leise!

(Ein großer Uhu kommt lautlos herabgeflogen, umkreist, während sie spricht, ihr Haupt.)

Lautlos horchend mich umkreise!
Nimm zum fernen Alpenzug
Deinen schnellsten, stillsten Flug.
Auf der Raxalm höchsten Wiesen,
Äuge mir nach einem Riesen,
Eine Wildschur um die Lenden,
Jungen Tannbaum in den Händen,
Der da, sitzend auf den Schroffen,
In der weißen Mondenhelle
Seine Gemsenrudel weidet.
Wenn Du ihn hast angetroffen,
Sag' ihm, wer Dich hinbescheidet.
Sage ihm, mit Windesschnelle
Soll er mich sogleich besuchen.
Er wird schelten, wettern, fluchen –
Wiederhole mein Gebot: –
Höchste Eile thäte noth! –
So, mein Uhu, fliege wacker!

(Mit erhobenem Finger einschärfend:)

Siehst Du wo in einem Acker
Wachtel, Feldhuhn oder Maus,
Halt mir, Uhu, keinen Schmaus!
Fort nun über Fläch' und Hügel!
Nordwind, blähe ihm die Flügel!

(Der Uhu fliegt davon.)

Winelind.

Nun aber sprich!

Zwerg.

Wer ist der Sieger?

Die Auhexe (gebieterisch).

Ruhig!
Könnt Ihr nicht warten? Was? Ich will's Euch lehren! –
Reiher Du, aus Schilf und Rohr
Stelze hüpfend nun hervor;

(Ein großer Reiher kommt angehüpft und bleibt vor der Alten stehen.)

Reiher, deine Schwingen blähe,
Fliege schnell den Donaulauf
Stromhinab und stromhinauf,
Fliege und im Fliegen spähe,
Und im Spähen musst Du lauschen;
Musst, eh zwei Minuten schwinden,
Mir den Donaufürsten finden.
Hörst Du's wo im Wellenrauschen
Traurig und melodisch klingen,
Siehst Du glitzernd aus der Welle
Hecht und Huchen schnalzend springen,
Tauche, Reiher, an der Stelle
Wirst zum Donaufürsten dringen.
Hast den Alten Du erblickt,
Sag' ihm höflich, wer Dich schickt.
Bitt ihn, bei mir zu erscheinen
Ohne Zögern mit den Seinen.
Er wird klagen, winseln, weinen –
Wiederhole mein Gebot:
Höchste Eile thäte noth! –
So, mein Reiher, fliege gut!

(Mit erhobenen Fingern einschärfend:)

Siehst ein Fischlein in der Flut,
Halt mir, Reiher, keinen Schmaus!
Spähend schwing' Dich nun ins Weite!

(Während der Reiher fortfliegt:)

Vollmond, deine Klarheit breite
Schimmernd auf die Wellen aus!

(Der bisher durch Wolken verdunkelte Mond wird frei und volle Helle liegt auf der Donau.)

Flackernd Irrlicht, halte still!
Hör', was ich Dir sagen will!

(Ein Irrlicht kommt.)

Nimm Dir zwei Gespielen mit,
Hüpft und springt im Zickzackschritt
Durch die Wiesen, durch die Auen,
Wo die Nebelgeister brauen
An der Donau Sumpfgestaden;
Alle lass ich zu mir laden!

(Mit erhobenem Finger einschärfend:)

Aber tanz' nicht selber mit!
Und nun fort im Zickzackschritt!

(Das Irrlicht verschwindet; zu Winelind und dem Zwerg gewendet:)

So, bin nun fertig, Kinderchen …

Winelind.

– Sprich schnell.

Die Auhexe.

Er setzt schon über'n Strom.

Winelind.

Wer?

Die Auhexe.

Kaiser Rudolf.

Der Zwerg (freudig).

Wie, auf der Flucht –?

Die Auhexe.

Er führt ihn mit sich.

Winelind und der Zwerg.

Wen?

Die Auhexe.

Den todten Ottokar.

Der Zwerg.

So hat der Habsburg
Gesiegt –?

Winelind.

Und Ottokar gefallen?

Die Auhexe.

Glaub's!
Wenn schon die Christenheil'gen in Person
Für jemand sich bemüh'n, der muss schon siegen!

Winelind.

Du warst dabei? Du hast's mit angeseh'n?

Die Auhexe.

Als Krähe saß ich auf der hohlen Weide,
An deren Fuß sie Ottokar erschlagen.
Und hab' den Kaiser Rudolf auch geseh'n,
Wie er den todten Gegner aufgefunden.
Er wischte sich die Thränen aus den Augen
Und deckt' ihn zu mit seinem eig'nen Mantel
Und hieß auf eine Bahre gleich ihn legen.
Nun führt er ihn nach Wien auf seinem Schiff.
Zwei Priester singen leise: De profundis,
Der Habsburg aber betet an der Bahre.

Winelind.

Was willst Du, Mutter, dass Du all die Geister
Hieherbeschieden?

Die Auhexe.

Was ich will? Der Habsburg
Will heute Nacht die Donau überschiffen
Und morgen einzieh'n in die Wienerstadt,
Um dort das Reich zu gründen, das er träumt.
Ich aber sag' Euch, Kinder, er soll nicht
Über die Donau!

Der Zwerg.

Und wie willst Du …

(Vom Strome her erklingen leise, schwermüthige Accorde.)

Die Auhexe.

Horch!
Ist das der Habsburg schon mit seinem Todten?

(Blickt nach rückwärts; der Reiher kommt geflogen und hüpft wieder ins Röhricht.)

Nein, 's ist der Donaufürst! Hab' Dank, mein Reiher!

Vierte Scene.

Die Vorigen, der Donaufürst mit einem Gefolge von Nixen und männlichen Stromgeistern.

( Die Accorde verhallen.)

Der Donaufürst ( schwermüthig langsam).

Du hast mich hergerufen. Was begehrst Du?
Ich kann nicht lange weilen auf der Erde.
Im Strome unten, wo das Wasserrauschen,
Im Ohre surrend, mir den Geist betäubt,
Ertrag' ich leichter meinen tiefen Gram.
Drum sage schnell, was Du mir sagen willst.

Die Auhexe.

Warum bist Du so traurig, Donaufürst?

Der Donaufürst.

Das weißt Du nicht? Das weiß doch alles Volk.
Sie singen es sogar. Die Fischer singen's,
Wenn sie die Netze in die Donau senken
Bei Mondschein. Trauernd hör' ich's in der Tiefe.
Ein junger Fischer, den ich locken wollte,
Schlug mit dem Ruder mir vom Haupt die Krone,
Dass sie in Stücken sprang. Wann das gewesen,
Ob ehegestern, ob vor tausend Jahren,
Weiß ich nicht mehr. Mein Leben ist seitdem
Ein Rinnen und Verrauschen ohne Sinn:
Ich thu' nichts mehr, als meine Krone suchen.
Und jede Welle in dem Donaustrom
Läuft rastlos auf der Suche nach der Krone
Vom Schwarzwald oben bis hinab ins Meer
Und klagt und murmelt, dass sie nicht zu finden.

Die Auhexe.

Du trauerst um die Krone und Du hast
Doch noch die Herrschaft, bist der Donaufürst!
Wie wirst Du trauern erst, wenn Dir die Menschen
Die Herrschaft rauben, aus dem Strom Dich treiben.
Dass Du Dein Leben elend fristen musst
Als Wassermann in einer sumpf'gen Lache!

Der Donaufürst (sich grimmig aus seiner Schwermuth aufrichtend).

Die Macht mir rauben, aus dem Strom mich treiben –
Wer ist so stark, um das zu wagen …?

Die Auhexe.

Einer,
Der heute Nacht auf Deinem Strome fährt:
Der Habsburg, der den Ottokar geschlagen!

Der Donaufürst (entschlossen).

Der Habsburg soll mich kennen lernen!

( Will ab.)

Die Auhexe.

Halt!
Die Engel Gottes schirmen ihn. Noch sind wir
Nicht stark genug! Erwarte noch Genossen!

(Nebelgestalten schweben und wehen über die Wasserfläche und durch Baumkronen und Röhricht heran, an gestreckte, phantastische Menschengestalten flüchtig erinnernd; Windessausen.)

Hei, da kommen schon Gesellen!
Auf den Wiesen, auf den Wellen
Jagt's heran wie Windespfeifen,
Seh's gespenstisch weh'n und greifen!
Drohend nicken, Fratzen schneiden
Seh' ich Erlen, Schilf und Weiden,
Alles ist lebendig worden
An der Donau alten Borden!
Seid gegrüßt, Ihr Nebelgeister!
Helfet Eurem Herrn und Meister!

(Der Uhu kommt geflogen, umkreist einmal das Haupt der Auhexe und fliegt lautlos in seine Baumkrone.)

Uhu, bist Du wieder da?
Bringst den Raxalmriesen mit?
Hei! Juchhei! Schon hör' ich ja
Seinen schütternd schweren Schritt!

Fünfte Scene.

Die Vorigen, der wilde Mann von der Rax, wie oben beschrieben.

Der wilde Mann.

Beim Barte Thors! Du dumme, wüste Hexe!
Juckt Dich der Teufel, dass um diese Stunde
Du mich von meiner Alm wegholen lässt,
Da meine Gemsen im taghellen Mondschein
Gerade auf den Blößen grasen? Leicht
Kommt so ein garst'ger Menschenwurm gekrochen,
Stiehlt mir den besten Bock mit seinem Bolzen!

Die Auhexe.

Du blöder Lümmel! Solch ein Menschenwurm,
Der eine Krone auf dem Kopfe trägt,
Schifft heute Nacht hier übern Strom. Der wird Dir
Gleich Deine ganze Gemsenherde nehmen
Und mit 'nem Knüttel Dich zum Teufel jagen!
Verstehst? Dann magst Du in ohnmächt'ger Wuth
Felsblöcke polternd in die Thäler wälzen!

Der wilde Mann ( ausbrechend).

Beim rothen Barte Thors! Das duld' ich nicht!
Nenn' mir den Mann!

Die Auhexe.

Sie heißen ihn den Habsburg!
Schau hin! Da fährt er eben auf dem Schiff!

(Im Hintergrunde auf der Donau fährt eine große Barke langsam vorüber. Auf dem Vorderdeck die Bahre mit Ottokars Leichnam. Rudolf von Habsburg, ganz in Stahl, sitzt sinnend, auf den Schwertgriff gestützt, die Kaiserkrone auf dem Helm, zu Häupten des Todten. Auf dem rückwärtigen Theil der Barke Gruppe von sitzenden und stehenden Reisigen, ihre Harnische und Helme schimmern im Mondlicht. Das Banner Habsburgs mit dem Löwen in der Mitte des Schiffes aufgerichtet. Über dem Kaiser schwebt in den Lüften leuchtend ein Engel, der einen mächtigen Palmzweig wie schirmend über ihn hält. Große Bewegung unter den Geistern, die sich zu einer spähenden Gruppe so ordnen, dass die rechte Bühnenseite mit dem Kreuz leer bleibt. Zu Füßen der Bahre knien zwei Priester. Leiser Gesang tönt herüber, man sieht, wie die Ruder sich langsam bewegen.)

Die Auhexe (zu den einzelnen Geistern, zischend, leise, doch mit voller Energie, gegen Ende mit der Stimme schwellend; der Zwerg drückt sich ängstlich zur Seite).

Nebelgeister, wirbelnd wirre,
Macht ihn schwindeln, führt ihn irre,
Lockt und lenkt das Kaiserschiff
Schmeichelnd auf ein Felsenriff!

(Zu Winelind:)

Wildes Meerweib Winelind,
Rausche vor ihm auf geschwind,
Blitze jäh mit Deinen grünen
Schlangenaugen auf den Kühnen,
Mache toll ihn oder blind!

(Zum Donaufürsten:)

Donaufürst, hinab zum Grund!
Kiel und Rippen quetschend packe,
Dass es ächze, dass es knacke,
Und den Schiffer sammt dem Wracke
Zwinge gurgelnd in den Schlund!

(Zum wilden Mann:)

Wenn er landet, Riese Du,
Schmett're mit der Tanne zu,
Und zerschell' mit einem Streich
Krone, Helm und Hirn zugleich!

(Zu allen:)

Auf ihr Geister, frisch zum Werke!
Zeigt vernichtend Eure Stärke.

(Indem die Geister sich anschicken, den erhaltenen Befehlen zu gehorchen, ertönen aus der Höhe Accorde himmlischer Musik und auf der rechten Seite der Bühne, die bisher am meisten im Schatten lag, erscheint mit einem Schlage eine Gruppe christlicher Heiliger, neben dem Kreuz gruppiert, in himmlische Glorie getaucht: St. Leopold, St. Hubertus mit dem knienden weißen Hirsch, der ein leuchtendes Kreuz zwischen den Stangen trägt, St. Georg in Ritterrüstung, das gezogene Schwert in der erhobenen Hand. Die Geister weichen erschrocken auf die linke Seite, wo sie, im Gegensatze zu den Heiligen, eine charakteristisch unheimliche Gruppe bilden, die auch in der Beleuchtung unterschieden sein muss. Im Hintergrunde verschwindet das Schiff, nachdem St. Georg gesprochen.)

St. Georg (mächtig gebietend).

Im Namen des dreieinigen Gottes! Halt!

Sechste Scene.

Die Vorigen, St. Leopold, St. Georg, St. Hubertus.

( Die Geister stehen wie festgebannt. Die Auhexe macht sich zuerst von der Erschütterung frei. Pause, während welcher das Schiff verschwindet.)

Die Auhexe ( knirschend, ohne die Heiligen anzusehen).

Ihr lieben Kinder, unser Spiel ist aus,
Wünscht Euch nun hübsch »Gutnacht« und geht nach Haus!

(Erschauernd.)

Ich sag' Euch, was wir hier und jetzt geseh'n,
Dass im Moment der äußersten Gefahr,
Da alles schon verloren war,
Nur Gott noch hilft, – das wird noch oft gescheh'n!

(Zu Winelind:)

Glaub' mir: Wenn Habsburg eine Ahnung hätte,
Welch ein Gespinst von Wirrsal, Zwist und Noth
Dem Reiche, das er gründen möchte, droht, –
– Die Lust dazu vergienge ihm, ich wette!

Winelind.

Wenn er die Zukunft wüsste,
Vergieng ihm sein Gelüste!
Man kann sie ihm verrathen,
Das nimmt die Kraft zu Thaten!

Die Auhexe.

So, meinst Du …?

Winelind.

Fuhr der Habsburg nicht voll Muth,
Voll starken Selbstvertrauens auf der Flut?
Enthüll' der Zukunft Nacht vor seinen Blicken,
Das wird die Heldenstärke ihm zerknicken!

Die Auhexe.

Ja, ja, hast recht. Doch lass mich erst bedenken,
Wie wir zum Ziel den Anschlag lenken.

(Kehrt sich nachdenkend ab, dann wendet sie sich nach einiger Überlegung zu den Heiligen.)

Ihr meine hohen, heil'gen Herrn,
Mit Euch zu kämpfen liegt uns fern –
Ein Thor, wer Gottes Macht befehdet!
Doch eine Bitte haben wir …

St. Georg.

So redet!

Die Auhexe.

Wie wir erfuhren, schläft der Habsburg morgen
Zum erstenmale in der Burg zu Wien,
Die dann sein Stamm für immer soll bezieh'n
Nach seines Willens Schluss. Wenn er, geborgen
In ihrem Frieden, schlummert, so erlaubt …

St. Georg.

Was? Rede klar.

Die Auhexe.

… Dass wir sein schlummernd Haupt
Mit Traumgesichtern und -gestalten
Nach unser'm besten Können unterhalten.
Wir werden ihm nicht schaden, ihn nicht quälen;
Nur von des Reiches Zukunft, das er gründet,
Erlaubt Ihr's, wird ihm einiges verkündet –
– Nicht alles! Was ihm frommt! Wir werden wählen.
Bedenkt: Die erste Nacht im neuen Haus!
Was man da träumt, geht immer aus.

(Die Heiligen wechseln Blicke; nachher spricht:)

St. Georg (Accorde erklingen).

Wohlan, Ihr dürft!

(Bewegung der Geister.)

Vertraut ihm, was Ihr wisst.
Doch hütet Euch, ihn täuschend zu belügen.
Viel mögt Ihr wissen, doch, was wahrhaft ist,
Weiß Gott allein. Er wird's zum Heile fügen!

(Die Accorde verhallen, die Heiligen verschwinden.)

Siebente Scene.

Die Vorigen ohne die Heiligen.

Die Auhexe ( zu den Geistern).

Glück auf! Noch sind wir nicht verloren,
Und Hoffnung regt sich in mir neugeboren.

(Gegen die Stelle, wo die Barke verschwunden ist.)

Habsburg, Du hast den Ottokar besiegt,
Der stumm und starr vor Deinen Füßen liegt,
Doch brüste Dich nicht als der Lande Meister,
Denn in der Wiener Hofburg morgen Nacht,
Da kämpfen mit den Heiligen die Geister
In Habsburgs Seele die Entscheidungsschlacht!

(Der Vorhang fällt.)

—————

siehe Bildunterschrift

Wien im Jahre 1840.


 << zurück weiter >>