Alice Berend
Das verbrannte Bett
Alice Berend

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Kein Registerbuch, in dem nicht einmal eine kleine Zahl hätte ausradiert werden müssen.

Der Herr Kanzleioffizial versicherte sich dies am nächsten Morgen zur Selbstberuhigung.

Es war heller Sonnenschein, niemand war jetzt verpflichtet, an Vorfälle zu denken, die mit Mondschein zusammenhängen.

Ordnung aber muß sein. Herr Blümel war genötigt, den gestrigen Tag und seine Ausgaben zu buchen. Dies ließ sich nicht umgehen. Unordnung im Taschenbuch würde ihm Wiederbeginn wie Weiterführung des Tages ebenso unmöglich machen, wie wenn er ohne Wasser und Seife hätte beginnen müssen.

Innere Reinheit ist schwieriger aufrecht zu halten als äußere.

Herr Blümel spürte es, als er sich nun mit seinem Rechenbuch auseinanderzusetzen suchte. Wollte er aufrichtig sein, mußte er den ganzen Betrag, den er gestern in seinem Geldbeutel bei sich getragen, auf die Defizitseite buchen. Das Geld hatte sich anscheinend mit dem Silberlicht verschmolzen, das um die unglückliche, größte Sehenswürdigkeit gewogt hatte. Aus Gegenden, wo die Wirklichkeit aufhört, holt niemand etwas zurück. Verloren ist verloren.

Herr Blümel durfte sich trotzdem nicht die Qual ersparen, die Höhe des verschwundenen Betrages genau nachzurechnen. Er deckte sich mit der Summe, die es gekostet hätte, wenn Herr Josef Blümel es gewesen wäre, der die Autofahrt mit Fräulein Konstanze geschwind bezahlt hätte. Es kostet also das gleiche, ein Kavalier zu sein oder ein Wüstling.

Unwillkürlich fuhr durch Herrn Blümels Überlegung die Nachdenklichkeit, ob nicht ein Ehemann bewahrt würde vor manchem unangenehmen Zwischenfall. Obendrein ohne jede seelische Anstrengung?

Dann kehrte er zu Tatsachen zurück.

Er buchte den fehlenden Betrag unter der Rubrik: Apotheke.

Nicht um zu lügen. Aber ein korrekter Mann hat immer die Zukunft im Auge. Herr Blümel hielt es immer noch für möglich, daß er eines Tages Enkel haben könne, die einst aus den bescheidenen Ausgaben des Großvaters ihre Moral stützen sollten . . .

Nichtsdestoweniger war es Herrn Blümel peinlich, solche Umschreibung unbekannter Nachkommen halber vollziehen zu müssen.

Er wurde sich bewußt, dicht neben dem geraden Weg kann die schiefe Ebene liegen, auf der man leicht abwärts glitt, mit beschleunigter Geschwindigkeit.

Kurzes Insichgehen ermüdet mehr als der weiteste Spaziergang.

Vermutlich darum fühlte sich Herr Blümel jetzt so müde, daß er sich wünschte, die heutigen Bürostunden versäumen zu können.

Er hätte es für bedeutend bekömmlicher gehalten, ein wenig ruhen zu können und sich dann auf dem Graben vor dem Café durch eine Schale Braun und frische Luft zu stärken.

Allerdings war gerade an diesem Platz eine unerwartete Begegnung mit Fräulein Konstanze nicht ausgeschlossen. Niemand konnte die junge Dame verhindern, den Laden ihrer Kollegin Pichler aufzusuchen. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte dies sogar zu den Notwendigkeiten ihrer beruflichen Betätigung.

Aber selbst angenommen, diese Vermutung bestätigte sich, so war es nicht nötig, die Dame anders zu stören als durch einen kurzen Gruß.

Es sei denn, daß sie selbst auf den Herrn Kanzleioffizial zuschreiten würde, um ihn beispielsweise zu fragen, ob er nicht gesund sei, weil er Arbeitsstunden faulenzend verbrachte. Oder etwa daran erinnern wollte, daß man versprochen hatte, ihr den Park von Belvedere zu zeigen. –

Spannung und Hemmung bilden die Achsen, um die sich unsere Tage drehen. Beinahe hätte Herr Blümel seine Vermutung schon für Wirklichkeit gehalten, würde ihm nicht eine Spinne an der Wand aufgefallen sein, die in tüchtiger Tätigkeit den Tag begrüßte.

Kein günstiges Morgenzeichen. Auch wenn man zu jenen gehörte, die Aberglauben als menschliche Schwäche einzuregistrieren gewohnt sind.

Herr Blümel nahm es als Zeichen der Unsauberkeit und fragte sich, woher dieses Insekt eigentlich stets einen Faden bereit hatte, den jedes Mädchen vergeblich suchte, sobald ein eiliger Knopf Befestigung verlangte.

Seine Verdrießlichkeit ging dabei in Lächeln über. Er hatte denken müssen, daß man bei manchen Dingen vergeblich den Ursprung sucht.

Zum Beispiel bei dieser sogenannten Liebe. Welcher Gelehrte, trotz alles Fortschritts, hatte feststellen können, wann, wo und wie sie beginnt? Hätte man diesen Bazillus entdeckt, würde man wohl längst auch den Gegenbazillus gefunden haben. In dieser Zeit der Erfindungen und Entdeckungen.

Kein Serum wäre wohl segensreicher zu nennen gewesen.

Herrn Blümels Antipathie gegen die Liebe war nun einmal etwas nicht zu Vernichtendes. Von allen unbegreifbaren Dingen schien sie ihm das unbegreiflichste. Dabei durchaus überflüssig. Selbst bei Vorgängen, bei denen man sie als einzige Urheberin anzunehmen pflegte, war sie durchaus nicht nötig.

Dagegen war sie imstande, den Pünktlichsten in seiner Tagespflicht zu beirren, Arbeitsgedanken zu zerstreuen, Sparsamkeit zu verhindern, zumindest zu beeinträchtigen, die Gesundheit zu schädigen, das Weltbild, die Lebensanschauung, schließlich den ganzen Charakter herabzumindern.

Wenn Herrn Blümel auch hier eigene Erfahrungen fehlten, er wußte es, kraft klaren Umblickens.

Die Spinne hatte inzwischen ein zauberzartes Netz gefädelt.

Herr Blümel, gestärkt durch persönliches Nachdenken, war nun doch entschlossen, gewohnter Pflicht nachzukommen . . .

Auf üblichem Platz im Büro fand sich auch wieder Wohlbehagen ein. Der Herr Kanzleioffizial wurde angenehm daran erinnert, daß Arbeit die beste, die sicherste und billigste Zerstreuung ist und bleibt.

In der Frühstückspause stellten die Herrn Kollegen fest, daß Herr Blümel heute angegriffen aussehe.

Solche Anmerkungen hielt Herr Blümel für höchst überflüssig. Sie halfen niemandem und beunruhigten selbst solche, die nichts auf die Meinung anderer gaben.

Ein Blick in den Taschenspiegel, schnell und geheim, bewies ihm, daß die Zunge nicht weiß, die Haut nicht fahl war. Die Augen blitzten sogar. Selbst ist der Mann. Josef Blümel bedurfte keiner Kollegendiagnosen . . .

Lebenskunst jedoch verlangt, vorzubeugen jeder Art von Krankheit. Ein Aufenthalt im Freien am Nachmittag würde sich in jedem Fall hygienisch auswirken müssen.

Herr Blümel fuhr hinaus zum Park von Belvedere.

Die Springbrunnen sprangen. Zwischen schattenspendenden Taxushecken, von grünbestrichener Bank erblickte man Wien vor sich.

Über den Dächern und um den Stefansturm schwefelte gelblicher Dunst als Weihrauchswolke der Arbeit.

Herr Blümel schaute, rauchte eine gute Zigarre und dachte allerhand.

Erst rechnete er eine Weile. Nichts hielt er für wohltuender als Zahlenzusammenstellungen im Hinblick Sparkunst.

Er überrechnete, um wieviel teurer das Leben zu stehen kommen würde, wenn er unbeherrschten Temperaments, wie es so viele waren, zwei gute Zigarren am Tage verrauchen würde, drei, vier, fünf, sechs.

Das Resultat wurde erfreulicher mit jeder Zahl.

Sich daran zu erinnern, daß diese Sparsumme noch erheblich vergrößert würde, wenn gar keine Zigarre geraucht würde, hütete sich Herr Blümel wohlweislich. Verdrießlichkeiten zieht man nicht selbst herbei.

Dann gedachte Herr Blümel des einstigen Herren dieses herrlichen Parks, dieses Prinzen Eugen, für den noch heute die Schulmädchen schwärmten.

Mit dem Genußrecht des Lebenden überließ Herr Blümel dem Prinzen Besitzerrecht und Bewunderung.

Unvergänglich war nur Wien.

Langsam nickte der rauchende Herr Kanzleioffizial den besonnten Dächern und Türmen einen Gruß hinunter.

Eine Weile später fragte sich Herr Blümel, ob ein junges selbständiges Weib, das selbst Geschäftsbücher zu führen hatte, mit der gleichen Vergeßlichkeit, Flüchtigkeit, Verantwortungslosigkeit im Wartenlassen behaftet sein könnte wie der Durchschnitt allgemeiner Weiblichkeit?

Die Verwechslung zwischen Schatten- und Sonnenseite war noch nicht vergessen von Herrn Blümel. Obwohl manches dazwischen lag.

Es war immerhin möglich, daß solcher, auf eigene Tüchtigkeit angewiesene Mensch, ungeachtet seines Geschlechts, beispielsweise behalten hatte, daß man seinen Wunsch nach landschaftlicher Schönheit auf diesen Park hier hingelenkt hatte.

Herr Blümel blickte nicht nur auf Wien. Jeder Schritt, der hörbar wurde, ließ ihn den Kopf wenden.

Wer deshalb vermutet hätte, daß der Herr Kanzleioffizial auf jemanden wartete, irrte sich.

Herr Josef Blümel hielt Warten für die ungesundeste Betätigung. Die er niemals übte.

Es wäre auch lächerlich, wollte man von jedem, der sich im Weltall umblickte, annehmen, daß er warte. Beinahe jeder wäre hier der Verdächtigung ausgesetzt.

Verdrießlichkeit überrumpelte unversehens Herrn Blümel. Er hatte plötzlich denken müssen, ob vielleicht wirklich jeder wartete? Auch er selbst? Vielleicht führt das gesündest geführte Leben nur darum so sicher in den Tod, weil es ein beständiges Warten war auf Dinge, die niemals kamen.

Sitzen verdickt das Blut und erzeugt Melancholie. Herr Blümel verließ eilig das Schattengrün der Taxushecken und begann auf und ab zu gehen.

Überall, wohin er blickte, brannte die Sonne auf helle Mädchenkleider.

Heute mißfiel ihm diese Mode. Ihre Gleichmäßigkeit machte alle junge Weiblichkeit einander ähnlich. In völlig Fremden glaubte man Bekannte zu erkennen. Ebensogut konnten Wohlbekannte glatt übersehen werden von jemandem, der weder gewohnt noch gewillt war, jeder Dame unter den Hut zu sehen.

Berechtigung dieses Ärgers zeigte sich bald. Zwei Damen riefen Herrn Blümel zu, warum er zu stolz zur Begrüßung?

Es waren seine Hauswirtin und ihre Tochter Jolanthe. Damen, begütert, gebildet. Nur die Unordnung dieser Zeit, die den Hohlraum bilden mußte zwischen einem großen Kriege und neuer Festigung zu frischem Aufbau, hatte es mit sich gebracht, daß dem Herrn Kanzleioffizial ein Zimmer in der Wohnung dieser Damen zugeteilt wurde.

Herr Blümel wußte, was einem Aufgezwungenen zukommt. Er beschränkte sich auf kurze Verbeugungen, vermied nach Möglichkeit die Benutzung gewisser Nebenräume, kurzum, benahm sich so sachlich zurückhaltend als möglich.

Die Damen hatten Herrn Blümel bisher in nichts ermuntert, aus dieser Zurückhaltung herauszutreten.

Hier auf dem neutralen Gebiet der Schloßterrasse, wo jeder Wiener heimatberechtigt war, scherzten sie mit dem Herrn Kanzleioffizial wie einem guten Freund.

Herr Blümel wurde mit ihrem Begleiter bekannt, einem jungen Herrn, der bald berichtete, daß er Weinberge am Donauufer verpachtet hätte.

Außerdem schien er Fräulein Jolanthe zu studieren. Er blickte ihr mit viel Geschicklichkeit in die Augen, so oft sich dies ermöglichen ließ.

Fräulein Jolanthe lächelte in solchem Augenblick Herrn Blümel an.

Zuerst glaubte sich Herr Blümel zu irren.

Schließlich konnte er diese Tatsache, bewiesen durch häufige Wiederholung, einwandfrei feststellen.

Bevorzugung von weiblicher Seite konnte für Herrn Blümel kein Wertmesser sein.

Wenn sie in diesem Fall doch eine kleine Zufriedenheit auslöste, geschah es aus rein praktischen Gründen.

Nicht, daß sich Herr Blümel etwa sagte, wer der einen gefällt, kann auch den Beifall einer anderen finden. Wie sich das allgemein und häufig beobachten läßt.

Herr Blümel nahm diese Auszeichnung der Damen nur als Bestätigung, daß sein neuer Frühlingsanzug ein günstiger Kauf gewesen sein müsse. Er nahm es als Beweis dafür, was ihm schon der Verkäufer versichert hatte, daß sich der modische Schnitt, das helle Grau vorteilhaft ausnahmen, seiner Figur die Eckigkeit raubten, verjüngend wirkten, geradezu elegant. Obwohl es sich natürlich um einen Gelegenheitskauf handelte, ausgeführt in einer Seitengasse der äußeren Vorstadt.

Herr Blümel blickte darum weder auf das jugendfrische Fräulein Jolanthe, noch auf ihre in Reife blühende Frau Mutter, sondern auf den Anzug, ebenfalls hellgrau, des mit Weinbergen Begüterten. Wieviel mochte dafür bezahlt worden sein? Sicherlich um die Hälfte zuviel. Auch die flottesten Beinkleider können schließlich nur eine Bügelfalte haben.

Überall ließen sich die Menschen betrügen. Ausnahmen waren selten. Deutlich erblickte sich der Herr Kanzleioffizial selbst gespiegelt im Wasserbecken des Brunnens, der hoch in den Weltenraum sprühte.

Herr Blümel, freudebelebt, konnte sich nicht versagen, seine Begleitung darauf aufmerksam zu machen.

Aber jeder sah nur sich selbst im spiegelnden Wasser.

So ist es bei den meisten, dachte Herr Blümel. Ob sie ins Wasser sehen oder in die Luft, sie bemerken immer nur sich selbst.

Auch darin glaubte Herr Blümel Ausnahme zu sein, wieder mit Recht.

Denn Herr Blümel gewahrte jetzt eine Bekannte und vergaß sich selbst so weit, daß er sogar den Gruß der Höflichkeit unterließ.

Fräulein Konstanze Krause war rasch an Herrn Blümel vorübergeschritten, an den scherzenden Damen und dem lächelnden Weinbergbesitzer.

Sie ging nicht allein.

Neben ihr wandelte, lang wie ein Kirchturm, daher selbst diese hohe Blonde überragend, eine jener männlichen Gestalten, deren gerader steifer Rücken nur als Rüstung des Hochmuts zu bezeichnen war. Einer von denen, deren Evangelium der Sport ist. Jene Art von Menschen, die nie warten. Die stets kurz vor Schluß der Schalterstunden, nie früher als eine halbe Minute vor Abfahrt eines Zuges kommt und weder unruhig noch mit dem Höflichkeitslächeln der Entschuldigung. Gegenstück und natürliches Ärgernis jedes Beamten.

Kein Wunder, daß sich Herr Blümel auch hier gereizt fühlte.

Genaue Betrachtung zeigte noch weizenblondes Haar unter blauer Sportmütze, blaues Jackett und weiße prallsitzende Beinkleider.

Eine Bekleidungsart, in der Herr Blümel niemals einer Dame seine Begleitung zugemutet haben würde.

Weiße Beinkleider hielt Herr Blümel für weibisch, unpraktisch und auch sonst nicht für anständig.

Seine Kollegen, besonders die jüngeren, diese Meinung nicht teilend, hatten wiederholt um Begründung dieser strengen Beurteilung aufgefordert.

Herr Blümel hatte nähere Äußerungen zur Beweisführung abgelehnt. Nur geantwortet, daß es Dinge gäbe im menschlichen Leben, wo allein Instinkt Nichtiges einzugeben vermöge. Wer aber findet Recht und Verständnis bei Kollegen?

Dies alles nur nebenbei. Im Augenblick überlegte Herr Blümel nur, wie er feststellen könnte, ob er sich als gescheit und kombinationsfähig ansehen dürfe?

Er hatte sich nämlich gesagt, daß dieser Hochmütige niemand anders sein könne als Herr Udo von Silken, einmal von Fräulein Konstanze flüchtig erwähnt während eines Walzers im Schönbrunner Park.

Sie hatte von diesem Herrn gesagt, auf Adel reime man leider heute Tadel. Dazu geseufzt.

Herr Blümel hatte daraus geschlossen, daß sich geschäftliche Verdrießlichkeiten an diesen Herrn knüpften.

Nichts natürlicher also, als daß Herr Blümel sein Vermutungsvermögen gern auf die Probe gestellt hätte und darum Fräulein Konstanze zu begrüßen suchte.

Nur um dadurch die Bekanntschaft des Weizenblonden herbeizuführen und dadurch wiederum feststellen zu können, in welcher Eigenschaft dieser mit Fräulein Konstanze in Wien herumzuspazieren beliebte. Alleinstehende müssen Menschenkenntnisse zu sammeln suchen, wo sie sich bieten.

Das blonde Paar hatte plötzlich kehrtgemacht und schritt nun auf die Menschengruppe zu, in der Herr Blümel nachdenklich stand.

Auf diese rasche Wendung war Herr Blümel nicht vorbereitet. Er hatte weder Zeit gefunden, sich von den Damen zu verabschieden, noch sich Worte der Begrüßung zurechtzulegen.

Zu alledem kam hinzu, daß gerad im Augenblick des Vorüberkommens jener beiden Fräulein Jolanthe neckisch, die plötzliche unverständliche Zerstreutheit des Herrn Kanzleioffizials verspottend, ihn mit dem Zeigefinger ihres weißen Handschuhs auf die Schulter tippte.

Weibliche Intimitäten, noch dazu offensichtlich am hellen Tage, mußten auf Herrn Blümel mehr als peinlich wirken.

Ob Fräulein Konstanze diese Bewegung bemerkt, war nicht gewiß. Ihr kühler, klarer Blick barg sich im Schutz der langen Wimpern wie hinter einem Vorhang.

Fräulein Jolanthe hatte inzwischen die gleiche Handbewegung an dem jungen Weinbergbesitzer verübt.

Herrn Blümel verhalf dies zu rascher Verabschiedung. Äußerlich lächelte er, solang ihn die Damen im Auge hatten.

Alle diese Vorkommnisse verwirrten Herrn Blümels Zielsicherheit. Er unternahm erst einige Schritte in verkehrter Richtung, eilte zu spät dem Ausgang zu.

Fräulein Konstanze und ihr Begleiter waren nirgends mehr zu sehen.

Neue Fragen bedrängten Herrn Blümel. Hatte ihn die junge Dame gesehen? Hatte die Unterlassung des Grußes von seiner Seite Beleidigung verursacht? Hatte man ihn nicht sehen wollen, hatte man absichtlich zu zeigen gewünscht, wie wenig ein Kanzleioffizial zu bedeuten hatte im sommerbelebten Weltall?

Fragen, die man an sich selbst stellt, kann man sich auf das beruhigendste beantworten. Herr Blümel machte von diesem Vorteil ausgiebigen Gebrauch. Aber leider glauben wir uns selber am allerwenigsten . . .

*


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