Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
 
Wie grün ist heut das Land, wie blau die Meerfluth,
      
 Welch süsser Duft umfliesst die Rosenbüsche,
      
 Wie lieblich lockend schallt aus Lindenkronen
      
 Der Drossel Sang, und selbst der Schrei der Möve,
      
 Die schimmernd über'm Wasserspiegel schwebt,
      
 Tönt freudig heut vom Seegestad herüber.
      
 Verwandelt ist die Welt, Lichtalfen gleiten
      
 Auf Wolkenschiffen durch die Luft und winken
      
 Der jungen Königstochter, die vom Fenster
      
 Hinaus blickt in die Weite, traumverloren.
 Frau Hildburg sass auf einem niedern Schemel
      
 Die Nadel führend mit geschickten Fingern.
      
 Mit Fadengold und bunter Seide wob sie
      
 Gethier des Waldes in den Stoff: den Eber
      
 Von Rüdenzahn gefasst, den flücht'gen Damhirsch,
      
 Den Silberreiher in des Sperbers Fängen
      
 Und Jäger mit dem Bogen und dem Jagdspiess.
      
 Ein goldenes Geranke zierlich schlang
      
 Sich um das Bild. Frau Hildburg aber sang:
      Durch's Meer ein Schiff geschwommen kam,
      
       Am Mastbaum stand der König Gram.
      
       Zum Klang der Harfe sang er laut
      
       Ein Lied von Signe, seiner Braut,
      
           Des Finnenkönigs Tochter.
      Und wie er schloss den rothen Mund,
      
       Ein Greis auf einmal vor ihm stund.
      
       Woher er kam, man sah es nicht,
      
       In einen Silberspiegel licht
      
           Den König liess er schauen.
      Da ging des Helden Athem schwer,
      
       Die Wange ward von Blut ihm leer.
      
       Im Brautgeschmeid, im Brautgewand
      
       Schön Signe in dem Spiegel stand
      
           Und neben ihr ein Fremder.
       
       Der König Gram gerieth in Wuth,
      
       Die Rechte zog die Klinge gut;
      
       Zerschmettern sollt' ein grimmer Streich
      
       Den Spiegel und den Greis zugleich,
      
           Doch beides war verschwunden.
      Da sprach kein Wort der König Gram,
      
       Das Steuer er zu Händen nahm,
      
       Gen Mitternacht, gen Finnenland
      
       Ward schnell das Drachenschiff gewandt;
      
           Hei, wie es flog im Winde!
      Der Finnenkönig sass im Saal
      
       Bei seiner Tochter Hochzeitsmahl.
      
       Schön Signe sass so blass und bleich
      
       Und neben ihr im Kleide reich
      
           Der Fürst der wilden Sachsen.
      Da trat ein alter Mann herein,
      
       Den hüllten Grauhundfelle ein.
      
       Er ging am Stab gebückt einher,
      
       Als ob er siech und müde wär'
      
           Und sass am Eingang nieder.
      So Meth als Wein in Strömen rann,
      
       Und wüster Lärm im Saal begann,
      
        
       Manch einer vom Bewusstsein schied,
      
       Ein finn'scher Sänger sang ein Lied,
      
           Das klang wie Rabenkrächzen.
      Da nahm das Saitenspiel zur Hand
      
       Der fremde Mann im Wolfsgewand
      
       Und sang ein Lied voll Klang und Gluth,
      
       Von Frauentreu' und Mannesmuth. –
      
           Schön Signe sass und lauschte.
      Und wie vom Regen neu belebt
      
       Die welke Blüthe sich erhebt,
      
       So hob das schöne Haupt die Braut,
      
       Von heissen Thränen hell bethaut
      
           Und spähte nach dem Sänger.
      Da warf der Fremde von sich schnell
      
       Die Kappe sammt dem rauhen Fell.
      
       Hei, wie den bleichen Bräutigam
      
       Zu Boden schlug der König Gram
      
           Mit seinem guten Schwerte!
      Schön Signe von dem Hochsitz sprang,
      
       Der König fest die Braut umschlang,
      
       Und aus dem Hochzeitssaal im Flug
      
       Sein starker Arm die Traute trug
      
           Zum Drachenschiff am Strande.
       
       Die Fahrtgesellen riefen an
      
       Den Oegir und die weisse Ran.
      
       Vom Decke rann das Opferblut,
      
       Da flog das Schifflein durch die Fluth
      
           Wie eine weisse Möve.
      Es stand der König Gram am Mast
      
       Schön Signe hielt sein Arm umfasst.
      
       Meerminnen schwammen um den Kiel,
      
       Ein Sänger sang zum Harfenspiel
      
           Von starker Treu im Norden.
 
Das Lied verklang. Gelockt von Wort und Weise
      
 Stand Hilde vor der Freundin, die sich beugte
      
 Auf ihre bunte Schilderei und emsig
      
 Den goldnen Faden zog. Da sprach die Jungfrau:
      
 »Die Königsburg erschallt von neuen Liedern.
      
 Du hast mir oft von Zwergenvolk gesungen,
      
 Das in den hohlen Bergen wohnt, von Riesen,
      
 Die listig Asathor den Hammer stahlen,
      
 Und von den Wellentöchtern in der Salzfluth.
      
 Allein der Sang von König Gram und Signe
      
 Ist neu. Hat dir der fremde Sänger Horand
      
 Das Lied vertraut? Ich weiss, du warst am Strande
      
 Und hast das Wunderschiff geschaut. Erzähl' mir Hildburg!«
Und Hildburg sprach: »Es ist ein Lied, ein altes.
      
 In deines Vaters Halle sang's vor Jahren
      
 Ein fremder Sänger, und entschwunden war mir's
      
 Im Lauf der Zeit. Doch als der Fremde gestern
      
 Die süssen Weisen sang zum Ton der Harfe,
      
 Und als ich sah die Hochgestalt des Helden,
      
 Das Haupt von goldner Lockenfluth umflossen,
      
 Wohl würdig, dass es einen Kronreif trüge,
      
 Und als ich sah, wie meine Hilde lauschte
      
 Und wie am Sänger hing ihr blaues Auge,
      
 Da plötzlich mir das Lied zu Sinne kam,
      
 Und die Gestalten fügten sich zum Bilde;
      
 Held Horand schien mir wie der König Gram
      
 Und wie schön Signe meine traute Hilde.«
Sie sprach's und sah der Jungfrau scharf in's Auge.
      
 Die aber warf sich an dem Schemel nieder
      
 Und barg ihr Angesicht im Schooss der Andern
      
 Und schluchzte laut. »Ach, Hildburg«, rief sie weinend,
      
 »Ach hilf und rathe mir! Ich bin so thöricht,
      
 So selig – schilt mich nicht – ich kann nicht anders.
      
 Seitdem ich seine Stimme hörte schallen
      
 Und sah das Bild des Helden vor mir steh'n,
      
 Schön wie ein Gott aus Asgards lichten Hallen,
      
 War's um der armen Hilde Kopf geschehen.
      
 Ich möchte jubeln, singen, weinen, klagen,
      
 Ach, was ich will, ich weiss es nicht zu sagen,
      
 Das eine weiss ich, lieber will ich sterben
      
 Als mich von einem andern lassen werben.«
Frau Hildburg trocknete die feuchten Wangen
      
 Dem Königskind. »Sei ruhig, meine Taube!
      
 Drei Schwestern sitzen an dem Fuss der Esche
      
 Am ew'gen Brunnen, Zauberlieder raunend.
      
 Auf goldne Spindel rollen sie den Faden
      
 Und wirken jedem das Gewand der Zukunft.
      
 Ein reiches Schicksalskleid wird dir gewoben,
      
 Und herrlich seh' ich's der Vollendung nah'n.
      
 Und weil du mir vertraut hast ein Geheimniss,
      
 So will ich dir dafür ein andres künden.«
      
 Da trocknete die Thränen von den Wangen
      
 Das schöne Königskind und sass und lauschte.
      
 »Der Fremden Wesen,« so begann Frau Hildburg,
      
 Ihr Adel, ihre ungemess'nen Schätze,
      
 Die sie verstreuen wie mit Königshänden,
      
 Die Asenkraft des Alten und die Lieder
      
 Des Sängers Horand, alles schien mir seltsam.
      
 Und die Gelegenheit drum nahm ich wahr
      
 Und folgte heute früh nach Sonnenaufgang
      
 Den Mägden, die zum Strand das Linnen trugen,
      
 Im Stillen hoffend, dass ein günst'ger Zufall
      
 Vielleicht mich auf die Spur, die rechte, leite.
      
 Im blauen Sunde lag das Wunderschifflein
      
 Der fremden Gäste wie ein bunter Vogel.
      
 Am Ufer aber vor dem Waarenzelte
      
 Ging Horand hin und her. – Da schritt ich näher,
      
 Und mich erkennend sprach der Sänger freundlich:
      
 Willkommen, edle Frau mit deinen Maiden,
      
 Und hiess uns in den inneren Zeltraum treten,
      
 Wo aufgehäuft auf breiten Tischen lagen
      
 Die Prachtgewänder und die Goldkleinode,
      
 Jedwede Magd erhielt ein goldnes Ringlein,
      
 Ich aber eine Spange, drein ein Jaspis
      
 Erglänzte, grün wie junges Gras im Frühjahr.
      
 Die hocherfreuten Mägde schieden dankend
      
 Aus Horands Zelt und schritten zu dem Bache,
      
 Der lustig schäumend mündet in die Seebucht,
      
 Das Linnen und die Kleider dort zu waschen.
      
 Wir beide aber gingen an dem Strande
      
 Lustwandelnd hin und her und sprachen dieses
      
 Und jenes, wie es Brauch im Zwiegespräche.
      
 Und als ich seiner süssen Kunst gedachte
      
 Und ihm erzählte, wie dem Königspaar
      
 Sein Spiel und Sang gefallen, frug er hastig:
      
 Und Hilde? – Stille stand ich, und in's Antlitz
      
 Dem Helden sah ich, und sein Auge zuckte.
      
 Da hatt' ich ihn verstanden und er mich,
      
 Und warnend sprach ich also zu dem Helden:
      
 Verloren bist du, wenn ein andres Auge
      
 Als meins das schlaue Spiel des fremden Sängers
      
 Durchschaut. – Der König hütet seine Taube
      
 Wie Fafner seinen Hort. – Der ist verloren,
      
 Der kühn die Hand nach Hagens Tochter streckt.
      
 Des Todes bist du, selbst wenn die Verkleidung
      
 Des Sängers Horand einen König deckt.
Und Horand sprach: Hab' Dank für deine Warnung.
      
 Wohl weiss ich, dass sein Kind der starke Hagen
      
 Behütet wie der Felsenaar sein Junges;
      
 Wohl weiss ich, dass er alle Königsboten,
      
 Die um der jungen Hilde willen kamen,
      
 Von seiner Thüre wies, mit Hohn sie kränkend.
      
 Auf seinem Felseneiland sitzt er trotzend
      
 Auf seine Macht und seiner Recken Hände.
      
 Das alte Sprichwort aber sagt mit Recht:
      
 Ist einer übermüthig, immer findet
      
 Ein andrer sich, der jenen überwindet.
      
 Ich weiss von einem jungen Heldenkönig,
      
 Dem wilden Hagen gleich an Kraft und Ehre,
      
 An Schätzen aber und an festen Burgen,
      
 An Land und Leuten noch bei weitem reicher.
      
 Der hat geschworen bei den starken Asen,
      
 Des wilden Hagen Kind, von dessen Schöne
      
 Die Fahrenden an allen Höfen singen,
      
 Als seine Hausfrau in das Land zu bringen,
      
 Auf dass ihr Haupt der goldne Stirnreif kröne.
So sprach der Fremde, der sich Horand nennt,
      
 Und wie der Götter einer, die vom Himmel
      
 Zuweilen auf die Erde niedersteigen,
      
 Erschien er mir, und alles war mir klar.
      
 Er selber ist der junge, reiche König,
      
 Von dem er sagte, dass er Hagens Tochter
      
 Gelobt als seine Traute heimzuführen.
      
 Um deinetwillen ist er hergekommen,
      
 Und singend hat der Held dein Herz genommen.
      
 Was er gelobt hat bei den starken Asen,
      
 Er führt's zu End. – Du zagst und zitterst, Hilde,
      
 Wie Laub im Wind? – Sei ruhig und vertraue!
      
 Was dir die Norne spann, es muss geschehen,
      
 Und treu zur Seite wird dir Hildburg stehen.«
Und flüsternd fuhr sie fort: »Wenn in der Halle
      
 Die fremden Gäste heut zum Mahl erscheinen,
      
 Und, wie es Brauch, das Waffenspiel beginnen,
      
 Dann wird Held Wate seine Künste zeigen
      
 Und aller Augen fesseln. – Unterdessen –
      
 Erschrick nicht, meine Taube! – Unterdessen
      
 Entfernt sich unbemerkt der kühne Horand
      
 Und schreitet, in den Armen seine Harfe,
      
 Zum abgelegnen Garten an dem Zwinger.
      
 Dort findet uns von Ungefähr der Sänger,
      
 Die wir im Grünen wandeln auf und nieder.
      
 Und dort, so sprach er, soll die junge Hilde
      
 Das schönste hören aller meiner Lieder.«
Frau Hildburg war zu Ende. – Bebend nickte
      
 Und schweigend mit dem Haupt die Königstochter
      
 Und barg ihr Angesicht in beiden Händen.
      
 Doch Hildburg flösste Muth ihr in die Seele,
      
 Die bangende, und sprach die Trostesworte:
      
 »Sei guten Muthes, Hilde, und nicht fürchte
      
 Des Vaters Rache. Toben wird er freilich
      
 Vor Zorn, wenn ihm die Tochter wird entrissen,
      
 Wenn sich ein Andrer mit der Lilie schmückt,
      
 Die seine Selbstsucht wollte welken lassen.
      
 Wohl wird Frau Hilde, deine Mutter, klagen
      
 Und weinen und ihr Kind des Undanks zeihen;
      
 Doch bist du erst des jungen Königs Hausfrau,
      
 Und schmückt der Kronreif deine weisse Stirne,
      
 Dann ist des Königs Groll und Gram zu Ende,
      
 Dann scheidet deine Mutter von dem Leide,
      
 Und reichen Segen streuen ihre Hände
      
 Auf's Haupt des Kindes, ihrer Augenweide.
Noch sind wir nicht am Ziel; das kühne Wagniss
      
 Gelang noch nicht, allein es wird gelingen,
      
 Und freudig nehm' ich auf die eignen Schultern
      
 Für dich die grösste Hälfte der Gefahr.
      
 Mein Schicksal will ich an das deine ketten,
      
 Du trautes Kind. – An deines Vaters Hofe
      
 Bist du die einz'ge, die mich liebt von Herzen
      
 Und die ich selber liebe wie mein Leben.
      
 Du weisst, dein Vater fand mich als ein Mägdlein
      
 Bei deiner Mutter auf dem Felseneiland,
      
 Dahin die wilden Greifen uns getragen.
      
 Nach Kummer, Noth und mancherlei Bedrängniss
      
 Gelang's dem jungen Recken uns zu bringen
      
 Hierher in seines Vaters Reich, und Hilde
      
 Ward Hagens Weib, fand Liebe, Haus und Heimat.
      
 Ich aber ward die Magd. Doch lass mich schweigen.
      
 Was ich geduldet viele, lange Jahre,
      
 Du ahnst es nicht und kannst es nicht ermessen,
      
 Jetzt aber endlich ist der Tag gekommen,
      
 Da ich sie breche die verhasste Fessel,
      
 Und du, ich weiss es, wirst mir gern vergelten,
      
 Was ich gelitten und für dich gethan.«
So sprach Frau Hildburg, und die Arme schlang
      
 Um ihren Hals das Kind des wilden Hagen
      
 Und schwur's ihr zu. – Es schlug ihr Herz so bang,
      
 Doch froh begann der andern Herz zu schlagen. 
      
